EU-VORSCHRIFTEN FÜR DIE ÖKOLOGISCHE WEINERZEUGUNG - HINTERGRUND, BEWERTUNG UND WEITERENTWICKLUNG DES SEKTORS

 
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EU-VORSCHRIFTEN FÜR DIE ÖKOLOGISCHE WEINERZEUGUNG - HINTERGRUND, BEWERTUNG UND WEITERENTWICKLUNG DES SEKTORS
EU-VORSCHRIFTEN
                                FÜR DIE ÖKOLOGISCHE
                                WEINERZEUGUNG
                                HINTERGRUND, BEWERTUNG UND
                                WEITERENTWICKLUNG DES SEKTORS

Chefredaktion und Herausgeber            Sponsoren
EU-VORSCHRIFTEN FÜR DIE ÖKOLOGISCHE WEINERZEUGUNG - HINTERGRUND, BEWERTUNG UND WEITERENTWICKLUNG DES SEKTORS
CHEFREDAKTION UND HERAUSGEBER:

IFOAM EU Group
Rue du Commerce 124, BE - 1000 Brüssel, Belgien
Tel.: +32 2280 1223 - Fax: +32 2735 7381
info@ifoam-eu.org
www.ifoam-eu.org

Redaktionelle Bearbeitung und Texte: Medicert s.r.l.
Besonderen Dank für ihre Beiträge an: Andrzej Szeremeta, Louisa Winkler, Francis Blake, Marco Schlüter, Cristina Micheloni, Uwe Hofmann,
Richard Doughty, Stéphane Becquet, Giuliano d’Antonio und Eduardo Cuoco
Produktionskoordination: Laura Ullmann und Dimitrios Petalios
Übersetzung ins Deutsche: Anke Mai / mai@mai-translations.de
Gestaltung, Grafik und Satz: Medicert s.r.l. / fuel. - www.fueldesign.be
Fotos: Anamarija Slabe, Bio Suisse, Christina Micheloni, David Lefebvre, ECOVIN Bertram, Meinklang Angela Betonei, Stazione Sperimentale per
la Viticoltura Sostenibile, Stephane Becquet, Uwe Hofmann

Abkürzungen:
AGOF - Advisory Group on Organic Farming / Beratungsgruppe "ökologischer Landbau" der Kommission
Die Kommission - Die Europäische Kommission
GMO - Gemeinsame Marktorganisation
GD - Generaldirektion
GD AGRI - GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
GD ENVI - GD Umwelt
GD MARE - GD Maritime Angelegenheiten und Fischerei
GD SANCO - GD Gesundheit und Verbraucher
EOWC - European Organic Winemaking Carta / Europäische Charta für biologische Weinerzeugung (ECBW)
das Parlament - Das Europäische Parlament
EU - Die Europäische Union
GVO - Genetisch veränderte Organismen
IFOAM - International Federation of Organic Agriculture Movements / Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen
IFOAM EU Gruppe - IFOAM Regionalgruppe EU
SCOF - Standing Committee on Organic Farming / Ständiger Ausschuss für die ökologische Produktion
Q.b.A. - Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete

Die in dieser Veröffentlichung geäußerten Ansichten sind die der Verfasser und geben nicht unbedingt den Standpunkt der IFOAM-EU-Gruppe
wieder.
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INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT                                                                                                                              5

1. Ökologischer Wein als Symbol für nachhaltige Qualitätsprodukte                                                                    6
1.1. Ökologischer Weinbau: Geschichte und Definition                                                                                 6
1.2. Die EU-Vorschriften für Wein - zur Entstehungsgeschichte                                                                        7
1.3. Private Standards für Bio-Weine                                                                                                 8
1.4. Zertifizierung von Wein - Nachhaltigkeits- und Qualitätssiegel                                                                  9
1.5. Nachhaltigkeit in der Bio-Weinherstellung                                                                                     16

2. Erläuterung und Auslegung der EU-Vorschriften für ökologischen Wein im Rahmen der GAP                                           18
2.1. EU-Vorschriften für die ökologische Weinerzeugung                                                                             18
2.2. Ökologischer Weinbau                                                                                                          22
2.3. Ökologische Weinbereitung                                                                                                     26
2.4. Kennzeichnung von ökologischen Weinen                                                                                         30
2.5. Zertifizierung von ökologischem Wein                                                                                          33

3. Markt und internationaler Handel                                                                                                37
3.1 Ökologischer Weinbau in Europa und in der Europäischen Union                                                                   37
   Entwicklung und aktuelle Statistiken
3.2. Import und Export von ökologischen Weinen in die und aus der EU                                                               39
3.3. Markt und internationaler Handel mit ökologischem Wein                                                                        42

4. Zukunftsperspektiven und weitere Entwicklungen                                                                                  44
4.1. Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich ökologischer Weinerzeugung                                                    44
4.2. Innovative Verfahren zur Reduzierung des Sulfiteinsatzes in der ökologischen Weinerzeugung                                    46
4.3. Weiterentwicklungen der EU-Vorschriften für ökologischen Wein: Auslegung, Bewertung und                                       49
   Überarbeitungsbedarf

Geltende europäische Gesetzgebung zu ökologischen Lebensmitteln und zum ökologischen Landbau                                       53

Anhang                                                                                                                             55

                                                                                                  EU-VORSCHRIFTEN FÜR DIE ÖKOLOGISCHE WEINERZEUGUNG   3
EU-VORSCHRIFTEN FÜR DIE ÖKOLOGISCHE WEINERZEUGUNG - HINTERGRUND, BEWERTUNG UND WEITERENTWICKLUNG DES SEKTORS
VORWORT VON                                                      Mit der Verabschiedung der EU-Verordnung zur ökologischen
                                                                 Weinbereitung ist dieser Prozess jedoch noch nicht
   Christopher Stopes                                            abgeschlossen. In den einzelnen Mitgliedstaaten werden
   Präsident der IFOAM-EU-Gruppe                                 die neuen Rechtsvorschriften derzeit in nationales Recht
                                                                 umgesetzt, während die Europäische Kommission an der
Seit August 2012 kann Bio-Wein mit dem EU-Bio-Logo als           Aufnahme des Bio-Weins in die Äquivalenzabkommen mit
ökologischer bzw. biologischer Wein gekennzeichnet werden.       Drittstaaten arbeitet. Nun gilt es sicherzustellen, dass in
Das heißt: Bio-Wein ist nunmehr eindeutig als ökologisches       Drittstaaten tätige Kontrollstellen, die Bio-Produkte für die
Erzeugnis identifizierbar. Der ökologische Wein ist damit        Einfuhr in die EU zertifizieren, auch mit der Kontrolle und
vollständig in die EU-Gesetzgebung integriert und Bestandteil    Zertifizierung von Bio-Wein betraut werden.
der Gemeinsamen Agrarpolitik (und wird zudem durch
zusätzliche private Standards reguliert). Damit haben wir        Die neue Verordnung sieht ferner eine schrittweise
jetzt eine solide Grundlage für die Weiterentwicklung dieses     Überarbeitung und Anpassung der vereinbarten Vorschriften
Sektors, und schon heute können wir eine positive Resonanz       ausdrücklich vor, insbesondere beinhaltet sie die Option, im
erkennen – mit einer Zunahme der Produktion und neuen            Jahre 2015 die Zulässigkeit der Verwendung bestimmter Stoffe
Initiativen in ganz Europa.                                      und Verfahren in der ökologischen Weinbereitung erneut zu
                                                                 prüfen. Damit haben die Winzer nunmehr Zeit, die neuen
Früher konnte Bio-Wein nur als „Wein aus Trauben aus             Vorschriften für die ökologische Weinerzeugung in der Praxis
ökologischem Anbau“ ausgezeichnet werden. Die neuen              auf die Probe zu stellen und ihre so gewonnenen Erfahrungen
mit der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 geschaffenen                und Erkenntnisse in diesen Überarbeitungsprozess mit
Bestimmungen wurden nunmehr um die Verordnung (EU)               einzubringen. Eine besondere Bedeutung wird hierbei auch
Nr. 203/2012 ergänzt, die detaillierte Vorschriften für die      Forschungs- und Entwicklungsprojekten zukommen.
ökologische Weinbereitung enthält. Damit wurde der Weg frei
gemacht für den europäischen Bio-Wein.                           Wir müssen kooperieren, um eine harmonisierte
                                                                 Auslegung und Umsetzung der EU-Vorschriften für die
Der Verabschiedung dieser Vorschriften gingen vier               ökologische Weinerzeugung sicherzustellen. Die IFOAM-
Jahre intensiver Vorbereitungsarbeiten voraus. Wichtiger         EU-Gruppe wird daher auch weiterhin mit Weinherstellern
Ausgangspunkt für die detaillierten Verhandlungen                und Sachverständigen für ökologischen Weinbau
mit der Kommission waren dabei die Ergebnisse des                zusammenarbeiten, um sicherzugehen, dass die Stimme der
Forschungsprojektes ORWINE. Die IFOAM-EU-Gruppe ist              Branche in den EU-Institutionen Gehör findet, und dass die
stolz darauf, dass die Anregungen des ökologischen Sektors       Anregungen der Branche Eingang finden in die kontinuierliche
in diesem Prozess berücksichtigt wurden. Als großen Erfolg       Überarbeitung     der    EU-Rahmengesetzgebung          zum
betrachten wir vor allem den Kompromiss in der Begrenzung        ökologischen Landbau und in die Vorbereitung des neuen
des Gesamtschwefelgehaltes in ökologischem Wein, der durch       Europäischen Aktionsplans für die ökologische Landwirtschaft.
die Arbeit insbesondere der Experten der IFOAM-EU-Gruppe
und der Europäischen Charta für biologische Weinerzeugung        In dem vorliegenden Dossier werden die neue Verordnung
(ECBW) erreicht werden konnte. Die Empfehlungen der              und die rechtlichen Rahmenvorgaben erläutert. Es soll all
Sachverständigen wurden von der Kommission übernommen            jenen, die Bio-Wein herstellen oder beabsichtigen, dies zu tun,
und sind nunmehr Bestandteil der neuen Verordnung.               Anregungen und Informationen an die Hand geben. Ich bin
                                                                 davon überzeugt, dass es uns allen helfen wird, die Produktion
Wir wissen insbesondere das Engagement des EU-Kommissars         und den Konsum von ökologischem Wein zu fördern.
Dacian Cioloş zu schätzen, und seine Entschlossenheit, die
Integrität des ökologischen Weins im Kontext der EU-Öko-         Ich möchte allen Experten, die an diesem Dossier mitgewirkt
Verordnung und der Gemeinsamen Agrarpolitik zu bewahren          haben, den Autoren und den Redakteuren, die die Arbeit des
– ich denke, wir haben jetzt einen akzeptablen und tragfähigen   IFOAM-EU-Büros in der Vorbereitungsphase unterstützt haben,
Kompromiss.
EU-VORSCHRIFTEN FÜR DIE ÖKOLOGISCHE WEINERZEUGUNG - HINTERGRUND, BEWERTUNG UND WEITERENTWICKLUNG DES SEKTORS
VORWORTE

danken. Mein aufrichtiger Dank gilt auch den Sponsoren, die       Bereits bevor in Europa 1992 eine Verordnung zum
dazu beigetragen haben, dieses Dossier zu ermöglichen.            ökologischen Landbau in Kraft trat und auf der Klimakonferenz
                                                                  in Rio der Begriff der „Nachhaltigkeit“ definiert wurde, haben in
Ich hoffe, wir werden künftig mehr Bio-Wein auf den Tisch         ganz Europa Winzer begonnen ihre Weinberge ökologisch zu
bekommen.                                                         pflegen und ihre Weine nach ökologischen Gesichtspunkten
                                                                  auszubauen. Zu den Leitgedanken gehörte die Besinnung auf
Ich wünsche Ihnen eine angenehme und informative Lektüre          die natürlichen Ressourcen, deren Schutz und Wiederaufbau
– in vino veritas.                                                sowie die Authenzität der Weine, die durch den Boden und
                                                                  die Winzerkunst geprägt wird. So hat sich der Bundesverband
                                                                  ökologischer Weinbau ECOVIN bereits 1985 gegründet mit
                                                                  eigenen Richtlinien zum Anbau und zur Verarbeitung des
Christopher Stopes                                                Weines und auch ein Kontrollsystem entwickelt.

                                                                  Von Anfang an haben wir Winzer unsere Weinkunden in
                                                                  diesen Prozess mitgenommen. Dadurch entstand ein hohes
                                                                  Vertrauen in die ökologischen Weine.

VORWORT VON                                                       So ist es wohl auch der Verdienst der Öko-Winzer, dass heute
                                                                  in der Weinwirtschaft ein Bewusstsein für ökologisches
    Lotte Pfeffer-Müller                                          Wirtschaften vorhanden ist und dass gerade von hochwertigen
    Vorsitzende ECOVIN                                            Produkten diese ökologische Erzeugung erwartet wird.
    Bundesverband Ökologischer Weinbau e. V.
                                                                  Und hier schließt sich der Kreis – die europäische
Ökologische Weinkultur in Europa – mit der Verordnung             ökologische Weinwirtschaft hat mit der EU- Kommission in der
(EU) 203/2012 schließt sich der Kreis.                            Verordnung (EU) 203/2012 zur Verarbeitung von Bioweinen
                                                                  den letzten Schritt gemacht. Nun liegt ein einheitlicher,
Wein gehört zu unseren ältesten Kulturgütern und ist in           nachprüfbarer und verlässlicher Standard für Bioweine vor,
vielen Teilen Europas seit Jahrtausenden eng mit den              der Ihnen als Verbraucher die Sicherheit und uns Winzern den
Menschen der jeweiligen Regionen verbunden. Er ist weit           Schutz unserer Produktion gibt.
mehr als ein Genussmittel, spiegelt er doch in besonderer
Weise die natürlichen Grundlagen Klima und Boden und die          Diese europaweite Verordnung ist ein Mindeststandard.
kulturelle Entwicklung der Weinbereitung und der vielfältigen     Regionale Vereinigungen wie z.B. ECOVIN nutzen diesen
Traditionen wieder.                                               Rahmen für regionale Individualität und Ausgestaltung.

Ökologische Weinkultur - heißt dieses Zusammenspiel im            Die ökologische Säule der Nachhaltigkeit ist hiermit gesetzlich
Einklang mit der Natur weiterzuentwickeln.                        verankert und die EU-BIO-VO stellt somit die Basis für alle
                                                                  Nachhaltigkeitssiegel in der Landwirtschaft dar.
In Europa - bedeutet hierfür einen europaweit geltenden
gemeinsamen Rahmen festzulegen.                                   Erkennbar sind diese Bioweine durch das europäische
                                                                  Biosiegel.
Eine große Herausforderung für eine Gruppe, deren Produkte
sich durch die Individualität der Erzeuger und die Vielfalt der
Regionen auszeichnen.
                                                                  Lotte Pfeffer-Müller
So unterschiedlich auch die Bedingungen in den Regionen
sind, so einheitlich war der Wunsch, den ökologischen
Weinbau mit einer klaren, transparenten Struktur in Europa zu
stärken.

                                                                                                        EU-VORSCHRIFTEN FÜR DIE ÖKOLOGISCHE WEINERZEUGUNG   5
EU-VORSCHRIFTEN FÜR DIE ÖKOLOGISCHE WEINERZEUGUNG - HINTERGRUND, BEWERTUNG UND WEITERENTWICKLUNG DES SEKTORS
1. ÖKOLOGISCHER WEIN ALS SYMBOL FÜR
       NACHHALTIGE QUALITÄTSPRODUKTE
    1.1. ÖKOLOGISCHER WEINBAU: GESCHICHTE UND                       Nach den anfänglichen Bemühungen der Pioniere der
         DEFINITION                                                 ökologischen Landwirtschaft in den 1960er und 1970er
                                                                    Jahren erkannte man die Notwendigkeit einer gewissen
       Ralph Dejas, ECOVIN, www.ecovin.de,                          Institutionalisierung und die ökologischen Anbauverbände
       R.Dejas@ecovin.de                                            wurden gegründet. Ab den 1980er Jahren wurde der
                                                                    ökologische Weinbau dann von den Anbauverbänden mit
    Weinbau wird nachweislich seit über 7000 Jahren betrieben.      ihren unterschiedlichen Anbauregeln geprägt.
    Die Wiege des Weinbaus scheint sich im Kaukasus zu
    befinden. Aber auch in Vorderasien wurde vor Jahrtausenden      1985 wurde ECOVIN – der Bundesverband Ökologischer
    bereits Weinbau betrieben.                                      Weinbau – in Deutschland gegründet, und man verständigte
                                                                    sich auf einheitliche nationale Richtlinien in Deutschland.
    Bemerkenswert – wie auch bei der Landwirtschaft generell        Diese umfassten bereits die komplette Produktionskette vom
    – ist die Tatsache, dass mit Einführung der modernen            Weinbau bis hin zur Kellerwirtschaft.
    Errungenschaften, der sogenannten Grünen Revolution, ab
    den 1960er Jahren (Hochertragssorten, verstärkte Düngung        Seit 1991 gibt es auf europäischer Ebene einheitliche
    der Böden mit Mineraldüngern und entsprechend chemisch-         Vorschriften für ökologisch erzeugte Trauben (EG-Öko-
    synthetischem Pflanzenschutz) auch bei einigen Winzerinnen      Verordnung 2092/91), die unter anderem die Verwendung
    und Winzern ein Umdenken hin zu einer ökologischen              von Pflanzenschutz- und Düngemitteln regeln und die
    Wirtschaftsweise eingesetzt hat. Man wollte diesen Weg          Kontrollen festlegen. Seit Einführung der EG-Öko-Verordnung
    nicht mitgehen. Dieser Zeitpunkt begründet den modernen         2092/91 ist die zuvor verbandsintern durchgeführte Kontrolle
    ökologischen Weinbau.                                           nun vom Gesetzgeber her reguliert. Staatlich akkreditierte
                                                                    Kontrollstellen führen unabhängige Kontrollen durch und
    Hauptziel beim Ökologischen Weinbau ist es, den Schutz des      können die Betriebe zertifizieren. Aber auch Verbände
    Ökosystems Weinberg und der Umwelt bei der Herstellung          zertifizieren ihre Mitglieder. So gibt es in diesem eine „Kontrolle
    von Wein besonders zu berücksichtigen. So ist die Pflege        der Kontrolle“ und somit sehr hohe Qualitätsstandards.
    der Bodenfruchtbarkeit essentielle Grundvoraussetzung.
    Natürliche Lebensprozesse werden gefördert und                  In der Folge entwickelten die Verbände ihre Richtlinien
    Stoffkreisläufe weitgehend geschlossen. Man kann auch           kontinuierlich weiter, oft in sehr engem internationalem
    sagen: Ziel ist es, die Monokultur Weinberg durch Förderung     Kontakt      miteinander.    Diese   Richtlinienkompetenz
    der biologischen Vielfalt zu einer Polykultur zu entwickeln.    wurde notwendigerweise auch bei Novellierungen
                                                                    der nationalen und europäischen Verordnungen und
    Neben dem biologisch-organischen Weinbau gibt es den            Durchführungsbestimmungen benötigt.
    biologisch-dynamischen Weinbau. Grundlage des biologisch-
    dynamischen Weinbaus ist die Anthroposophie, bei der der        Seit 2012 ist nun auf europäischer Ebene auch die
    landwirtschaftliche Betrieb als Organismus und Individualität   Kellerwirtschaft / Weinbereitung geregelt. Aktuellen
    gesehen wird. Hier ist der Einsatz biologisch-dynamischer       Verbandsrichtlinien sind heute (Stand 2013) die EU-
    Präparate von essentieller Bedeutung.                           Basisverordnung über die ökologische Produktion und
                                                                    Kennzeichnung von ökologischen Erzeugnissen (EG) Nr.
    Oft wird auch der Begriff „Naturwein“ verwendet. Dieser         834/2007 und deren Durchführungsbestimmungen (EG)
    ist jedoch nicht gesetzlich standardisiert und in einigen       Nr. 889/2008 sowie die Durchführungsverordnung (EU) Nr.
    Mitgliedsstaaten sogar verboten. Naturweine werden oftmals      203/2012 zugrunde gelegt.
    nach biologisch (-dynamischen) Grundsätzen mit minimaler
    technologischer Intervention produziert.

6
DIE PROFESSIONALISIERUNG HAT DAZU
                                                                    GEFÜHRT, DASS VIELE BIOWEINE HEUTE ZU
                                                                    DEN BESTEN WEINEN DER WELT GEZÄHLT
                                                                    WERDEN.

Während deutsche und österreichische Weingüter lange Zeit                Weintrauben von der Anwendung dieser Bestimmungen
eine gewisse Vorreiterrolle bezüglich einer qualitätsorientierten        zunächst ausgenommen. Es wurde vereinbart, dass die
ökologischen Weinerzeugung innehatten, gibt es mittlerweile              Kommission innerhalb von einigen Jahren spezifische
weltweit zahlreiche Betriebe, die ebenfalls die geforderten              Vorschriften zur Weinbereitung ausarbeiten sollte. In der
Standards erfüllen. Viele Winzer und Winzerinnen haben                   Zwischenzeit sollte es erlaubt sein „Wein aus Trauben
mittlerweile erkannt, dass eine hohe sensorische Weinqualität            aus ökologischem Anbau“ zu verkaufen, aber keinen
nur mit den Methoden des ökologischen Weinbaus erreicht                  „ökologischen Wein” oder „Bio-Wein“.
werden kann und stellen ihre Wirtschaftsweise um. Teilweise
zweistellige Prozentzuwachsraten der Flächen demonstrieren          2.   In den folgenden zehn Jahren expandierten der
diesen Trend in allen Weinanbauregionen Europas.                         ökologische Weinanbau und die ökologische
                                                                         Kellerwirtschaft kontinuierlich. Die Herstellung von
In den letzten Jahrzehnten hat sich im ökologischen Weinbau              Bio-Wein wurde durch privatrechtliche Normen und
einiges getan. Aus manch bitterer Erfahrung der Anfangsphase             Richtlinien geregelt, die Weinhersteller drängten jedoch
sind Lehren gezogen worden. Fachlicher Austausch                         zunehmend auf die Verabschiedung einer gemeinsamen
untereinander hat zu hohen Qualitätsmaßstäben geführt, die               Verordnung. Dieser Forderung schlossen sich ab dem
Einzug in internationale Standards gefunden haben. Diese                 Jahr 2000 dann auch Nicht-EU-Staaten an, die Weine
Professionalisierung hat dazu geführt, dass viele Bioweine               aus der EU importierten. Im Juni 2004 veröffentlichte
heute zu den besten Weinen der Welt gezählt werden.                      die Kommission ihren Europäischen Aktionsplan für
                                                                         ökologische Landwirtschaft und ökologisch erzeugte
1.2. DIE EU-VORSCHRIFTEN FÜR WEIN - ZUR                                  Lebensmittel. Dieser beinhaltete eine Aktion zur Erwägung
     ENTSTEHUNGSGESCHICHTE                                               der Notwendigkeit der Erstellung von Vorschriften für die
                                                                         ökologische Weinbereitung.
     Cristina Micheloni, AIAB, www.aiab.it,
     c.micheloni@aiab.it und Andrzej Szeremeta, IFOAM               3.   Im Jahr 2005 veröffentlichte die Kommission im Rahmen
     EU Gruppe, www.ifoam-eu.org, andrzej@ekozywnosc.pl                  des 6. Forschungsrahmenprogramms eine Ausschreibung
                                                                         für ein Projekt, das die wissenschaftliche Grundlage für die
Die Weinrebe ist eine Kulturpflanze, die die europäischen                geplante Verordnung zur ökologischen Weinbereitung
Landschaften maßgeblich mit geprägt hat und der in der                   liefern sollte. Damit gab die EU zum ersten Mal explizit
Tradition und Geschichte des europäischen Kontinents eine                Forschungsarbeiten zur Unterstützung der Erarbeitung
besondere Bedeutung zukommt. Wein spielt eine wichtige                   entsprechender Rechtsvorschriften in Auftrag. Diese
Rolle in Wirtschaft und Handel. Und: Wein ist ein grundlegender          Forschungsarbeiten wurden im Rahmen des Projekts
Bestandteil der europäischen Lebensart. Der Wein gehört                  „ORWINE“ durchgeführt, das von 2006 bis 2009 lief,
zu den ersten Lebensmittelerzeugnissen, die in Europa                    und eine Vielzahl wissenschaftlicher Ergebnisse zu
gehandelt und reguliert wurden (so war die Gemeinsame                    Themen wie Weinbereitungsverfahren, Marktdynamiken,
Marktorganisation für Wein die erste GMO, die abgeschlossen              Verbraucherverhalten, Produktionsbedingungen und
wurde) – die Ausarbeitung der Rechtsvorschriften für die                 Umweltauswirkungen lieferte. Auf der Grundlage
Herstellung von ökologischem Wein allerdings war ein                     dieser Ergebnisse erstellte das Projekt eine Reihe von
langwieriger Prozess, der immer wieder ins Stocken geriet.               Empfehlungen für Rechtsvorschriften.

EINE GESCHICHTE IN SIEBEN ETAPPEN                                   4.   Im Jahr 2007 wurde die EU-Öko-Verordnung 2092/91
                                                                         dann insgesamt überarbeitet und durch die am 1.
1.   Im Jahr 1991 wurde die erste europäische Verordnung                 Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung (EG)
     über den ökologischen Landbau und die Herstellung von               Nr. 834/2007 ersetzt, welche den ökologischen
     ökologischen Lebensmitteln eingeführt (die Verordnung               Wein prinzipiell mit einbezog, allerdings wurden
     (EWG) Nr. 2092/91). Diese bezog sich auf Pflanzen und die           in den dazugehörigen Durchführungsvorschriften
     Verarbeitungserzeugnisse aus Pflanzen, und damit auch               keine Einzelheiten zur Weinbereitung festgelegt.
     auf die Produktion von Weintrauben, also den Weinanbau.
     Allerdings wurde Wein als Verarbeitungserzeugnis aus

                                                                                                          EU-VORSCHRIFTEN FÜR DIE ÖKOLOGISCHE WEINERZEUGUNG   7
5.    Anfang 2009 nahmen Kommission und Mitgliedstaaten            von Produzenten aus Nicht-EU-Staaten würden behaupten
         die Arbeit an den Durchführungsvorschriften für die           müssen. Jeder Kompromiss ist mit Einschränkungen
         Weinherstellung auf, dies führte jedoch zu so heftigen        verbunden, diesem hier kann man jedoch zugutehalten, dass
         Diskussionen, dass der Kommissar im Juni 2010 beschloss,      er den Weg frei gemacht hat für glaubwürdige ökologische
         die Verhandlungen zunächst wieder auf Eis zu legen.           Regelungen, die für alle Weinregionen der EU mit all ihren
         Uneinigkeit herrschte insbesondere in Bezug auf den           unterschiedlichen geographischen und klimatischen
         Einsatz von Sulfiten.                                         Bedingungen gelten, ohne größere Marktverzerrungen zu
                                                                       verursachen.
    6.   Der Biosektor ließ jedoch nicht locker und drängte die
         Kommission und die Mitgliedstaaten weiterhin, die             Verordnungen müssen sich gemeinsam mit dem Sektor,
         Diskussion wiederaufzunehmen und die Vorschriften             den sie regulieren, weiterentwickeln. Dies gilt auch und
         fertigzustellen. Gleichzeitig gründete eine Gruppe von        insbesondere für den ökologischen Wein, das heißt, diese
         Verbänden aus Frankreich, Spanien, Italien und der Schweiz    Verordnung muss überprüft und überarbeitet werden, sobald
         die Initiative European Organic Wine Carta (EOWC), und        der Sektor dafür bereit ist.
         erarbeitete eine Europäische Charta für biologische
         Weinerzeugung (ECBW), um die privaten Standards zu            1.3. PRIVATE STANDARDS FÜR BIO-WEIN
         harmonisieren und eine Grundlage für einen Vorschlag für
         eine gemeinsame Verordnung zu schaffen.                          Marc Chovelon, ITAB, www.itab.asso.fr,
                                                                          marc.chovelon@itab.asso.fr
    7.   Im Juli 2011 nahm die Kommission die Gespräche wieder
         auf. Experten des EOWC und der IFOAM EU arbeiteten ein        Die europäischen Bio-Winzer haben auf der Grundlage
         Positionspapier aus. In der Diskussion wurde eine Strategie   der Prinzipien des ökologischen Landbaus spezifische
         zur Lösung der Sulfit-Problematik gefunden, und zwar          Konzepte auch für die Weinverarbeitung entwickelt, weil die
         wurden die Wein-Kategorien neu geordnet. Die neuen            Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 nicht auf aus Weintrauben
         Wein-Kategorien wurden über den Restzuckergehalt              hergestellten Wein (im Gegensatz zu Obstwein aus anderem
         definiert, so dass für die einzelnen Kategorien               Obst) anwendbar war. Im Rahmen dieser privaten Initiativen
         unterschiedliche Schwefelgrenzwerte festgelegt werden         in den Wein herstellenden Ländern wurden Standards
         konnten. Das war der Durchbruch: am 8. Februar 2012           festgelegt, die restriktiver waren als die jeweils geltenden
         wurden die neuen Vorschriften (vom SCOF) angenommen,          gesetzlichen Anforderungen für konventionellen Wein und
         am 8. März 2012 wurde die Verordnung (EU) Nr. 203/2012        Einschränkungen insbesondere hinsichtlich der Verwendung
         veröffentlicht und am 1. August 2012 trat das neue            von Zusatzstoffen und technischen Verfahren in allen
         Regelwerk in Kraft.                                           Etappen der Weinherstellung von der Weinlese bis zur
                                                                       Weinabfüllung und Lagerung enthielten. Solche Standards
    Der Kompromiss in der Begrenzung der Schwefelgrenzwerte,           wurden von unterschiedlichen Organisationen entwickelt:
    der endlich eine Einigung auf gemeinsamen Vorschriften             von Erzeugergemeinschaften (z. B. in Deutschland, Frankreich
    ermöglicht hat, wurde zwar allseits akzeptiert, aber nicht         und Österreich), von Verbänden des ökologischen Landbaus
    überall mit der gleichen Begeisterung aufgenommen: Italiener       in Zusammenarbeit mit Zertifizierungsstellen (in Österreich,
    und Spanier beanstandeten, die Bestimmungen wären zu               Deutschland, Griechenland, Italien und der Schweiz), von
    lasch, während Deutsche und Österreicher beklagten, dass           Zertifizierungsstellen (in Spanien) bzw. von repräsentativen
    sie die Entwicklung des ökologischen Weinsektors in ihren          nationalen Foren für den Bioweinsektor (in Spanien und
    Ländern hemmen würden. Realistisch betrachtet war es               der Schweiz). In letzterem Fall wurden die Richtlinien unter
    allerdings der zu diesem Zeitpunkt bestmögliche politische         Beteiligung von lokalen und nationalen Behörden entwickelt
    Kompromiss. Die Alternative hätte darin bestanden, die Idee        und haben dadurch offiziellen Status.
    eines europaweit gültigen Regelwerks für den ökologischen
    Wein für mindestens weitere zehn Jahre ad acta zu legen,           Diese nationalen und privaten Standards waren die Grundlage
    mit dem Ergebnis, dass die europäischen Weinproduzenten            für die zweite Generation der Öko-Basisverordnung (EG) Nr.
    ihre Bio-Weine nicht offiziell als solche hätten kennzeichnen      834/2007 und die nachfolgende Bioweinverordnung (EU) Nr.
    dürfen, während sie sich gegen die wachsende Konkurrenz            203/2012. Die privaten Standards verlieren durch den neuen

8
DIE PRIVATEN STANDARDS WERDEN
                                                                   VON VIELEN WINZERN GESCHÄTZT UND
                                                                   SIND BEI VIELEN KONSUMENTEN ALS
                                                                   INDIKATOREN FÜR QUALITÄTSWEINE
                                                                   ANERKANNT, DIE IHR TERROIR
                                                                   AUTHENTISCH ZUM AUSDRUCK BRINGEN.

Rechtsrahmen nicht ihre Gültigkeit, sondern bleiben parallel       zu ermöglichen, Innovationen und neue technische
zu diesem bestehen. (Eine Liste der Organisationen, die private    Entwicklungen aufzugreifen als auch den Ansprüchen
Standards festgelegt haben, finden Sie im Anhang auf Seite         der Verbraucher an ökologische Qualität, Integrität und
55). Das liegt vor allem darin begründet, dass die privaten        Nachhaltigkeit gerecht zu werden. So werden sie auch
Standards strenger sind als die EU-Vorschriften. Es ist jedoch     weiterhin als Vorläufer der EU-Gesetzgebung den Weg in die
davon auszugehen, dass die neue Verordnung insofern einen          Zukunft ebnen.
Einfluss auf die privaten Standards haben wird, als diese an die
neuen EU-Rechtsrahmenvorgaben angepasst werden. Darüber            Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist die EOWC, die private
hinaus hat die kontroverse Debatte um die EU-Kellerrichtlinie      Zertifizierungsorgane aus verschiedenen EU-Staaten und
eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit den Standards und        Regionen zusammengeführt hat, um auf der Grundlage der
Richtlinien für die ökologische Weinbereitung ausgelöst.           Ergebnisse des ORWINE-Projekts gemeinsame Regeln für
                                                                   die ökologische Weinbereitung auszuarbeiten und damit
Auf der Grundlage der in der EU-Verordnung festgelegten            die Lücke zu füllen, die sich aus dem Fehlen einer EU-weit
Rahmenvorgaben für die Zertifizierung und für die Standards        gültigen Richtlinie ergab. Die Bio-Siegel aller an der EOWC
für Bio-Wein können private Standards mit zusätzlichen             beteiligten Organe stehen für die Einhaltung der in der Charta
detaillierteren Regeln für die Weinerzeugung definiert werden.     festgelegten gemeinsamen Mindestanforderungen.
Die privaten Richtlinien werden vor allem die Stärkung der
folgenden Aspekte des Weinbaus und der Önologie weiter in          1.4. ZERTIFIZIERUNG VON WEIN – NACHHALTIGKEITS-
den Vordergrund stellen:                                                UND QUALITÄTSSIEGEL

  • Biodiversität im Weinbau                                        Maria Chiara Ferrarese, Valoritalia, www.valoritalia.it,
  • Beachtung der Bodenfruchtbarkeit und des Bodenlebens            m.ferrarese@csqa.it.
  • Alternative Ansätze im Umgang mit Schädlingen und
    Krankheiten                                                    Die europäischen Agrar- und Nahrungsmittelprodukte
  • Nachhaltigkeit im Weinbau und in der Weinverarbeitung          müssen einer ganzen Reihe von Normen genügen,
    und Lagerung                                                   insbesondere Lebensmittelsicherheits-, Nachhaltigkeits- und
  • Qualität und Herkunft der Weinbestandteile, insbesondere       Qualitätsstandards, die zum Schutz der Verbraucher und
    weitere Beschränkungen in der Anreicherung und höhere          zur Gewährleistung der Transparenz von Information und
    Anforderungen an die Verwendung von rein ökologischen          Kennzeichnung festgelegt wurden. In diesem Artikel werden
    Zutaten                                                        einige der Standards, die für die europäischen Weine gelten,
  • Qualität der Hefen, insbesondere Naturhefen (wilde Hefen)      definiert und diskutiert, wobei in erster Linie die für den
    und Spontangärung                                              ökologischen Sektor besonders relevanten Aspekte Qualität,
  • Weitere Begrenzung der Zusatzstoffe und weitere                Nachhaltigkeit und Lebensmittelsicherheit betrachtet werden.
    Reduzierung oder vollständiges Verbot von Sulfiten
  • Weitere Beschränkung der Verarbeitungsverfahren                QUALITÄT UND GEOGRAFISCHE ANGABEN
  • Anforderungen oder Einschränkungen betreffend
    Werkzeuge, Geräte, Hilfsmittel und Ausrüstung                  Die EU-Regelungen zu den geografischen Herkunftsangaben
                                                                   wurden in der Absicht eingeführt, das Ansehen von
Die privaten Standards werden von vielen Winzern geschätzt         regionalen Lebensmitteln zu schützen und lokale Traditionen
und von vielen Konsumenten als wertvolle Indikatoren für           zu bewahren, indem sie den Herstellern ermöglichen,
Qualitätsweine, die ihr Terroir authentisch zum Ausdruck           höhere Preise für authentische Erzeugnisse zu erzielen, und
bringen, anerkannt.                                                gleichzeitig die Verbraucher vor irreführender Werbung zu
                                                                   schützen (Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates). Zusätzlich
Die privaten Standards können einen wertvollen Beitrag             zu diesen Vorschriften zu den geografischen Angaben, die auch
zur Weiterentwicklung der Produktionsvorschriften im               auf bestimmte Weinerzeugnisse anwendbar sind, wurde in
ökologischen Sektor leisten. Sie waren die Grundlage für           Europa aber auch ein spezielles System für die Kennzeichnung
die derzeitigen EU-Verordnungen, und sie werden sich               von verschiedenen Qualitäten von Wein festgelegt.
weiterentwickeln, um sowohl den ökologischen Produzenten

                                                                                                       EU-VORSCHRIFTEN FÜR DIE ÖKOLOGISCHE WEINERZEUGUNG   9
Gemäß den europäischen Bestimmungen für Qualitätsweine            ÖKOLOGISCHER COGNAC
     mit geschützten Ursprungsbezeichnungen (g.U.) und                 Cognac ist die geschützte Ursprungsbezeichnung
     geschützten geografischen Angaben (g.g.A.)         müssen         (Appellation d’Origine Contrôlée) für einen Branntwein,
     die Mitgliedstaaten eine oder mehrere Kategorien                  der in den französischen Regionen Charente und
     von Qualitätswein sowie Standards für die einzelnen               Charente-Maritime hergestellt wird. Cognac wird durch
                                                                       zweifache Destillation von Weißwein aus bestimmten
     Kategorien definieren. Weine, die diese Standards erfüllen,
                                                                       weißen Rebsorten gewonnen, wobei am häufigsten
     können dann als solche gekennzeichnet werden. Manche              Ugni Blanc verwendet wird. In der Cognac-Herstellung
     Mitgliedstaaten haben mehr als eine Qualitätsstufe für g.U.       dürfen weder Zucker noch Sulfite eingesetzt werden.
     bzw. g.g.A. festgelegt. In Frankreich zum Beispiel gibt es        Der Wein wird bis zum 31. März des Jahres, das auf die
     neben der gehobenen Kategorie “Appellation d’Origine              Weinlese folgt, zweimal destilliert, wobei sich seine
     Contrôlée (AOC)” auf einer niedrigeren Stufe die Kategorie        Alkohol-Konzentration um das 7-fache erhöht. Nach der
                                                                       Destillation muss Cognac mindestens zwei Jahre lagern,
     “Appellation d’Origine Vin Délimité de Qualité Supérieure“        bevor er für den Verkauf vorbereitet wird. Die meisten
     (AOVDQS oder VDQS). In den Standards, die die einzelnen           Produzenten lagern ihn jedoch länger als die gesetzlich
     Mitgliedstaaten festlegen, und anhand derer die Zuordnung         vorgeschriebene Mindestdauer.
     zu den verschiedenen Qualitätsklassen vorgenommen wird,
                                                                       Cognac wird bei den rund 5 000 Cognac-Herstellern
     müssen neben Anforderungen an die Weinanbau- und                  von nur vier multinationalen Unternehmen sehr günstig
     Weinbereitungsmethoden auch qualitätsbezogene Auflagen,           eingekauft und auf der ganzen Welt vermarktet. Diese
     etwa zum Höchstertrag pro Hektar, sowie Angaben zur               Konzerne, die zusammen 95 Prozent des Marktes
     Abgrenzung von Qualitätswein und Landwein und zu den              kontrollieren, haben kein Interesse an Bio-Cognac, und
     Bedingungen für eine entsprechende Herabstufung formuliert        so gibt es auch für die Cognac-Hersteller kaum einen
                                                                       Anreiz, auf die ökologische Produktion umzustellen,
     werden.                                                           insbesondere dann nicht, wenn die Kosten höher sind.

     In manchen Mitgliedstaaten gelten die unabhängig                  Die französischen Rechtsvorschriften begrenzen den
                                                                       Kupfereinsatz im Cognac-Weinbau auf maximal 6
     von den Bestimmungen für Qualitätsweine bestimmter                kg pro Hektar pro Jahr. Der Berechnung der pro Jahr
     Anbaugebiete festgelegten Vorschriften für die Angaben            ausgebrachten Kupfermengen dürfen allerdings
     zur geografischen Herkunft, insbesondere die geschützten          Durchschnittswerte für einen Zeitraum von jeweils fünf
     Ursprungsbezeichnungen (siehe Seite 11) als strenger              Jahren zugrunde gelegt werden. Diese Bestimmung ist
     und damit als vorrangiger Qualitätsindikator. In diesen           insbesondere für ökologische Produzenten von Relevanz,
     Staaten werden Weine, die den Anforderungen für die               weil sie aufgrund der Witterungsbedingungen in
                                                                       manchen Jahren (wie in dem sehr regnerischen Jahr 2012)
     geografischen Herkunftsangaben entsprechen, automatisch           die Höchstwerte überschreiten müssen, in anderen Jahren
     als Qualitätsweine klassifiziert. Diese Vorgehensweise wird       (wie im trockenen Jahr 2011) hingegen mit deutlich
     durch die gemeinsame Marktorganisation (Verordnung (EG)           niedrigeren Kupfermengen auskommen. Das ozeanische
     Nr. 1308/2013) geregelt.                                          Klima der Charente bringt im Allgemeinen viel Regen, was
                                                                       häufige Kupfer-Anwendungen erforderlich macht.
     Für Wein gilt, wie für andere Lebensmittel aus der EU, dass die   Auf dem Domaine Beruis de Segonzac, einem der
     Einhaltung der für geschützte Ursprungsbezeichnungen (g.U.)       wenigen Weingüter, die Bio-Cognac herstellen, wird
     und geschützte geografische Angaben (g.g.A). geltenden            seit 2006 auf einer Rebfläche von 57 Hektar Wein zur
     Vorschriften von einer unabhängigen Kontrollstelle (die von       Herstellung von Cognac ökologisch angebaut. Um
                                                                       wirtschaftlich arbeiten zu können, muss das Weingut
     dem für das betreffende geografische Gebiet zuständigen           pro Hektar mindestens 100 Hektoliter Weißwein für
     Landwirtschaftsministerium benannt wird) überprüft                die Destillation produzieren. In den besten Jahren
     werden muss. Die Hersteller sind u. a. verpflichtet, Belege für   konnten sogar Erträge von 130 bis 140 hl erzielt werden.
     die ordnungsgemäße Produktion und Rückverfolgbarkeit              Wie für andere Weinberge gilt auch hier: Gesunde,
     beizubringen.                                                     widerstandsfähige Reben, die durch angemessene
                                                                       ökologische Düngung und sorgfältigen Schutz
                                                                       vor den Hauptkrankheiten wie Falscher Mehltau in
                                                                       ihrer Entwicklung gefördert werden, sind die beste
                                                                       Voraussetzung für hohe Erträge.
                                                                       PATRICK BRILLET, www.domaine-breuil-segonzazc.

10
IM APRIL STELLTE DIE
                                                                    DENOMINACIÒN PENEDÈS ALS
                                                                    ERSTE URSPRUNGSBEZEICHNUNG
                                                                    WELTWEIT IHRE GESAMTE
                                                                    SCHAUMWEINPRODUKTION AUF DEN
                                                                    ÖKOLOGISCHEN LANDBAU UM.

  HERSTELLUNG VON ÖKOLOGISCHEM                                  oder, in Ausnahmefällen, eines Landes verwendet, um ein
  SCHAUMWEIN D.O. PENEDÈS                                       Erzeugnis, in diesem Fall ein Weinerzeugnis zu vermarkten, das
  Als Schaumwein bezeichnet man Wein, der nach dem              die folgenden Voraussetzungen erfüllt:
  Flaschengärverfahren (klassische Methode) gewonnen
  wurde. Hierbei findet eine zweite natürliche Gärung             • es verdankt seine Güte oder Eigenschaften überwiegend
  in der Flasche statt, der Überdruck durch gelöstes                oder ausschließlich den geografischen Verhältnissen
  Kohlenstoffdioxid beträgt mehr als 3.5 bar.
                                                                    einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse
  Die wichtigste geschützte Bezeichnung für spanischen            • die Trauben und das Weinerzeugnis wurden in dem
  Schaumwein ist Cava, von dem pro Jahr rund 240                    betreffenden abgegrenzten geografischen Gebiet erzeugt,
  Millionen Flaschen produziert werden. Schaumwein
                                                                    verarbeitet und hergestellt
  darf aber auch unter anderen geschützten
  Ursprungsbezeichnungen hergestellt werden.                      • es wurde aus Keltertraubensorten hergestellt, die der Art
                                                                    Vitis vinifera angehören.
  Im April 2013 beschloss die Denominaciòn Penedès als
  erste geschützte Ursprungsbezeichnung weltweit, ihre
  gesamte Schaumweinproduktion auf den ökologischen             Die Bezeichnung„geschützte geografische Angabe (g.g.A.)”
  Weinbau umzustellen.                                          dürfen Weine führen, die die folgenden Voraussetzungen
                                                                erfüllen:
  Unter der Bezeichnung D.O. Penedès werden damit
  künftig ausschließlich Qualitätsschaumweine aus
  Trauben und Weinen aus ökologischer Erzeugung                   • eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine
  gemäß den Verordnungen (EG) Nr. 834/2007, (EG) Nr.                andere Eigenschaft des Weins ergeben sich aus diesem
  889/2008 und (EU) Nr. 203/2012 hergestellt. Es wurde              spezifischen geografischen Ursprung
  eine fünfjährige Übergangsperiode festgelegt (vom 1.            • mindestens 85 Prozent der Trauben, aus denen der Wein
  November 2013 bis zum 31. Oktober 2018), innerhalb
                                                                    hergestellt wird, stammen aus diesem geografischen
  derer alle Winzer ihre Produktion auf den ökologischen
  Weinbau umstellen. Ab dem Jahrgang 2017 muss die                  Gebiet
  gesamte Produktion nach den Regeln der ökologischen             • er wird aus Keltertraubensorten hergestellt, die der Art Vitis
  Weinherstellung erfolgen.                                         vinifera angehören, oder aus einer Kreuzung der Art Vitis
  Das gesamte Verfahren der Schaumweinherstellung,                  vinifera mit anderen Arten der Gattung Vitis stammen.
  vom Abfüllen bis zum Degorgieren der Flaschen, erfolgt
  in registrierten Lagerkellern und erstreckt sich über einen   Weine mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung (g.U.)
  Zeitraum von mindestens 15 Monaten. Zugelassen ist            oder einer geschützten geografischen Angabe (g.g.A.) sind
  auch die ländliche Variante der traditionellen Methode        an denselben Gemeinschaftslogos zu erkennen, die auch
  der Schaumweinherstellung, bei der während des
  gesamten Verfahrens nur der traubeneigene Zucker              zur Kennzeichnung von Herkunftsbezeichnungen von
  vergoren und kein Zucker zugefügt wird.                       Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln verwendet werden. Die
                                                                Verbraucher sollten wissen, dass künftig Weine mit mehreren
  12 Betriebe sind bereits als Hersteller von Penedès
                                                                Siegeln auf den Markt kommen, also Weine die sowohl als
  Schaumwein eingetragen.
                                                                „g.U.“ bzw. „g.g.A.“ ausgelobt werden, da die EU-Verordnungen
  Enric Bartra Sebastian                                        den Mitgliedstaaten eine gewisse Flexibilität in der Gestaltung
                                                                der Kennzeichnungssysteme einräumen.

WEIN MIT G.U. ODER G.G.A.                                                          SIGNATIO                          G   RAPHIC
                                                                              DE                                  EO              A
                                                                                          N

                                                                                                        ECTED G
                                                                        OTECTED

                                                                                                                                  LI

Eine „geschützte Ursprungsbezeichnung” bzw. eine
                                                                                              OF

                                                                                                                                    NDICATIO
                                                                                              ORIGI

„geschützte geografische Angabe” kann für eine Vielfalt
von Lebensmitteln und Getränken beantragt werden.
                                                                                                            T
                                                                      PR

                                                                                                         RO
                                                                                                    N

                                                                              •           •                                      N
Weinhersteller, die eine dieser beiden Bezeichnungen                                                              •P         •

verwenden möchten, sind an besondere Vorschriften
gebunden. Bei der „geschützten Ursprungsbezeichnung
(g.U.)“ wird der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes

                                                                                                        EU-VORSCHRIFTEN FÜR DIE ÖKOLOGISCHE WEINERZEUGUNG   11
LEBENSMITTELSICHERHEIT                                          VEGANE WEINE

     Lebensmittelsicherheit ist für die Verbraucher von              Manche Verbraucher sind der Meinung, es sei mit dem
     zentraler Bedeutung. Unternehmen können sich                    Prinzip der Nachhaltigkeit grundsätzlich unvereinbar,
     folglich Wettbewerbsvorteile verschaffen, wenn sie dies         tierische Erzeugnisse in der menschlichen Nahrungskette
     berücksichtigen.                                                zu nutzen. Da das öffentliche Interesse am Thema
                                                                     Nachhaltigkeit derzeit groß ist, floriert auch der Markt
     Es    gibt    mehrere     freiwillige  Normen       für         für vegane Produkte. Zur Herstellung von veganen
     Lebensmittelsicherheit, die Unternehmen anwenden                Erzeugnissen dürfen keine tierischen Nebenprodukte
     können: ISO 22000, FS 22000, BRC (FSGS) Food, IFS Food          verwendet werden, weder als Inhaltsstoffe noch als
     und ISO 22005.                                                  Verarbeitungshilfsstoffe.

                                                                     Tatsächlich sind die meisten Weine nicht vegan.
     GESCHICHTE DES BIOLOGISCH-DYNAMISCHEN                           Zu den gängigsten tierischen Zusatz- oder
     WEINS IN FRANKREICH                                             Verarbeitungshilfsstoffen für Wein gehören Albumin,
     Frankreich ist ein wichtiges Weinbauland in Europa. In          tierische Gelatine, Hausenblase und Knochenmehl. Die
     den 1970er Jahren, als sich der biodynamische Landbau           Winzer bewegen sich aber auf den veganen Markt zu
     noch in einer frühen Entwicklungsphase befand,                  und liefern inzwischen auch vegane Weine. In Italien
     begann ein französischer Pionier namens René Bosse              hat die Assoziazione Vegetaria Italiana mit der jüngst
     Plattière, biodynamische Präparate auf seinem Weinberg          anerkannten Marke „Qualità Vegetariana®” eine offizielle
     anzuwenden. Einige Jahre später, in den 1980ern, stellten       nationale Zertifizierung für vegetarische und vegane
     auch andere Weinbauern, wie Eugene Meyer und Jean-
     Pierre Frick im Elsass und François Bouchet in Anjou ihre       Produkte durch eine unabhängige Kontrollstelle
     Rebflächen auf die biodynamische Wirtschaftsweise um. Zu        eingerichtet – ein wichtiger Fortschritt für alle, die „vegan
     dieser Zeit lag der Fokus noch stärker auf dem Weinanbau        trinken“ wollen.
     als auf der Weinbereitung.
     Seit den 1990er trugen François Bouchet und Jacques
     Mell, die sich vor allem an den Forschungsarbeiten von
     Maria Thun orientierten, mit ihren Winzerberatungen zur
     Weiterentwicklung des biodynamischen Weinbaus in
     Frankreich bei. Mehrere Weingüter, die aufgrund der hohen
     Qualität ihrer Weine einen guten Ruf genossen, stellten auf
     biodynamischen Weinbau um. Das machte Schule: Viele           weltbekannt für sein berühmtes Weingut „La Coulée de
     Winzer wurden jetzt neugierig auf die biodynamischen          Serrant“.
     Praktiken.                                                    Der biodynamische Weinbau beginnt mit der sorgfältigen
     Im ersten Jahrzehnt ab dem Jahr 2000 schließlich boomte       Anwendung der biodynamischen Spritz- und Kompost-
     das Interesse an den biodynamischen Weinbau-Methoden.         Präparate im Weingarten. Weit verbreitet ist auch die
     Heute sind in Frankreich mehr als die Hälfte der 450          Anwendung des von Alex Podolonski entwickelten 500
     zertifizierten biodynamischen Landwirtschaftsbetriebe         P, insbesondere auf Rebflächen in der Umstellung, weil
     Weinbaubetriebe. Die Tatsache, dass hoch angesehene           dieses Präparat die Bodenstruktur rapide verbessern
     Weinbauern und Weinhersteller nach den biodynamischen         kann. Zu den neueren Behandlungsmethoden gehört
     Methoden arbeiteten, veränderte das Image der                 die Verwendung von Weidenrinde zur Bekämpfung von
     biodynamischen Methoden in Frankreich nachhaltig. In          Pilzkrankheiten. Biodynamische Weinbauern vermeiden
     zahlreichen Artikeln, Veröffentlichungen und Filmen wurde     den Einsatz von Schwefel und Kupfer in der präventiven
     über das Thema berichtet. Der berühmte Fachverlag             Pflege der Rebpflanzen soweit wie möglich, sie arbeiten
     Féret aus Bordeaux gab sogar einen eigenen Band zum           viel mit Kräutertees, zum Beispiel Brennesseltee. Früher
     biodynamischen Weinbau heraus. In der Schweiz, Italien        wurden die Böden noch regelmäßig bearbeitet, heute
     und Spanien wurde die Entwicklung des biodynamischen          geht die Entwicklung hin zur ganzjährigen vegetativen
     Weinbaus vor allem durch die französischen Winzerberater      Bodenbedeckung mit einjährigen Pflanzenmischungen.
     Pierre Masson und Nicolas Joly gefördert. Letzterer wurde     Jean-Michel Florin

12
ZIEL ALLER UMWELTKENNZEICHNUNGEN
                                                                       UND -DEKLARATIONEN IST ES, DIE
                                                                       NACHFRAGE NACH UND DAS ANGEBOT
                                                                       VON PRODUKTEN MIT GERINGEREN
                                                                       UMWELTAUSWIRKUNGEN ANZUREGEN.

NACHHALTIGKEIT                                                       NACHHALTIGKEITSINITIATIVEN VON WINZERN IN
                                                                     SPANIEN
Das Thema Nachhaltigkeit findet in den aktuellen umwelt-,            Winzer und Kellereien in Spanien ergreifen Maßnahmen
sozial- und wirtschaftpolitischen Debatten immer mehr                zur Förderung der Nachhaltigkeit.
Beachtung. Es gibt zunehmend Initiativen zur Förderung der           Es wurden Maßnahmen ergriffen, um die bei der
Nachhaltigkeit, und immer häufiger findet dieser Aspekt auch         Weinproduktion entstehenden Abwässer zu verringern
in den Unternehmensstandards und Lieferspezifikationen               und die Abwasserbehandlung zu verbessen, um die
von Händlern Berücksichtigung. Berufsverbände und                    Umweltbelastung zu senken.
Zertifizierungsstellen arbeiten derzeit an der Entwicklung           Die Kellereien sind heute achtsamer im Umgang mit
von aussagekräftigen freiwilligen Standards für nachhaltige          Wasser. Zum Teil kann Abwasser aufbereitet und im
Produktion. In diesem Prozess spielt die European                    Landschaftsbau weiterverwertet werden, zum Teil wird
Environmental Citizens Organisation for Standardisation eine         mit Trockenfeldbau-Techniken gearbeitet. Auch durch
                                                                     besseres Equipment und besseres Management können
wichtige Rolle. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ allerdings bleibt
                                                                     signifikante Wassereinsparungen erzielt werden.
weiterhin schwer zu fassen und umstritten, denn immer noch
fehlt eine allgemeingültige Definition.                              Die Weingüter und Kellereien haben ihren Energiebedarf
                                                                     reduziert, indem sie die Isolation verbessert haben, zum
                                                                     Teil erzeugen sie auch ihren eigenen Strom aus Sonne
Angesichts der Tatsache, dass die Verbraucher dieser Frage           und Wind. Manche verwenden geothermische Heiz- und
eine so hohe Bedeutung zumessen, kann die Kommunikation              Kühlanlagen. Auch Elektrofahrzeuge und Ladesäulen
von Maßnahmen zur Förderung von Nachhaltigkeit und                   werden immer häufiger genutzt.
sozialer Verantwortung ein wirksames Marketinginstrument             Im Weinberg wurden Maßnahmen zum Erhalt und
darstellen. Viele Unternehmen haben dies erkannt und                 zur Förderung der biologischen Vielfalt getroffen, um
werben inzwischen zunehmend häufig mit der (angeblichen)             einerseits die Umweltbelastung zu reduzieren und
Umweltfreundlichkeit von Produkten und Aktivitäten.                  zum anderen die Schädlingsresistenz der Rebpflanzen
Leider handelt es sich hierbei nicht selten um so genanntes          zu stärken. Zu nennen sind hier insbesondere die
                                                                     Begrünung durch temporäre Bodendecker, die Anlage
„Greenwashing”, d.h. um Behauptungen, die umweltbewußte
                                                                     von Hecken, der Ersatz von Pestiziden durch nicht-
Verbraucher positiv stimmen sollen, einer nachvollziehbaren          chemische Pflanzenschutzmittel und die Einrichtung von
Grundlage aber entbehren, was zum Teil durch den Umstand             Nistplätzen für Fledermäuse und Vögel.
begünstigt wird, dass Nachhaltigkeit nicht klar definiert und
                                                                     Manche Betriebe berechnen und veröffentlichen
damit kaum „nachweisbar“ ist.                                        ihre Klimabilanzen und verpflichten sich, diese zu
                                                                     verbessern, um ihre Bemühungen zu verdeutlichen.
In diesem Zusammenhang spielen international anerkannte              Die Umweltmaßnahmen der Weingüter werden
technische Standards wie die ISO-Normen eine wichtige                heute oftmals auch bei Rundgängen und Führungen
Rolle, als einvernehmliche, transparente und freiwillige             thematisiert.
Instrumente zur Definition der Eigenschaften und Merkmale            Enric Bartra Sebastian
eines Produkts oder Verfahrens nach dem aktuellen Stand der
Technik. Es gibt zwar keine zertifizierbaren freiwilligen Normen
für Nachhaltigkeit. Dennoch wurden in einigen freiwilligen
Standards einzelne Elemente von Nachhaltigkeit auf sinnvolle       und Vertrieb bis hin zur Nutzung, Wiederverwertung und
Weise berücksichtigt.                                              endgültigen Entsorgung, verursacht. Zu dem LCA-Verfahren,
                                                                   das inzwischen international Anerkennung findet, wird
LCA – LEBENSZYKLUSBILANZ                                           ausgiebig geforscht und geschrieben. Es wurde bereits
                                                                   in verschiedene Standards integriert, insbesondere in die
Die Lebenszyklusbilanz oder Life Cycle Assessment (LCA) ist        bekannten Umweltnormen der ISO 1400er-Reihe (ISO 14040
ein objektives Verfahren zur Bewertung und Quantifizierung         und 14011). Die Lebenszyklusbilanz ist auch Bestandteil
aller Energie- und Umweltkosten und -auswirkungen,                 der Integrierten Produktpolitik (IPP) der Europäischen
die ein Erzeugnis, ein Herstellungsprozess oder eine               Kommission, die verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung
Tätigkeit über seine gesamte Lebensdauer hinweg, von               der Nachhaltigkeit von europäischen Produkten und ihrer
der Rohstofferzeugung über Verarbeitung, Vermarktung               Lieferketten beinhaltet.

                                                                                                      EU-VORSCHRIFTEN FÜR DIE ÖKOLOGISCHE WEINERZEUGUNG   13
THG-MANAGEMENT                                                        BALSAMESSIG AUS MODENA
                                                                           Aceto Balsamico Tradizionale mit geschützter
     Die Treibhausgase (THG) sind heute ein Thema von großem               Ursprungsbezeichnung (g.U.) wird durch ein
     öffentlichem Interesse, zumal in den vergangenen zehn                 spezielles Verfahren gewonnen, bei dem eingekochter
     Jahren die Bedrohung durch den Klimawandel immer                      Traubenmost über lange Zeit in Holzfässern gelagert
     deutlicher erkannt wurde. Es wurden, unter anderem im                 wird. Aceto Balsamico di Modena mit geografischer
                                                                           Angabe (g.g.A.) wird in der Regel industriell hergestellt,
     Rahmen des Kyoto-Protokolls, Reduktionsziele für den                  indem Weinessig mit Traubenmostkonzentrat gemischt
     Treibhausgas-Ausstoß festgelegt (die EU hat sich verpflichtet,        wird. Es war schwierig zu definieren, wie diese beiden
     ihre Emissionen bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent gegenüber             Arten von Balsamessig nach dem neuen Öko-Regelwerk,
     dem Stand von 1990 zu reduzieren, und für jeden Mitgliedstaat         das sich nicht nur auf Wein, sondern auch auf andere
     wurden im Rahmen dieses Programms eigene Reduktionsziele              Erzeugnisse aus Trauben bezieht, zu behandeln sein
     beziffert). Das heißt auch, dass die Verlässlichkeit der Daten, die   würden.
     zur Messung der THG-Reduktionen herangezogen werden,                  Die Schwierigkeit bestand im Wesentlichen darin, dass
     unbedingt gegeben sein muss. Begriffe wie „Carbon Footprint“          die Herstellung von Balsamessig Wärmebehandlungen
     oder „CO₂-Fußabdruck”, „Klimabilanz” und „klimaneutral“               deutlich über 70°C und die Physikalische Entschwefelung
                                                                           zur Verarbeitung von sulfit-behandeltem Traubenmost
     sind in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen, mit               beinhaltet. Diese Praktiken sind unter den neuen Öko-
     der daraus folgenden Gefahr des inflationären Gebrauchs               Wein-Vorschriften verboten.
     derselben. Aus diesem Grund expandiert auch der Markt für
                                                                           Nach ausführlichen Gesprächen mit Erzeugern,
     die Verifizierung und Validierung von Treibhausgasemissionen.         Regierungs- und Zertifizierungsstellen beschlossen die
                                                                           italienischen Behörden, dass Balsamessig nicht in den
     Unternehmen, die ihre THG-Emissionen überprüfen wollen,               Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 203/2012
     können sich an das Greenhouse Gas Protocol wenden, das                fällt, auch dann nicht, wenn ökologischer Traubenmost
     komplexe Berechnungsinstrumente entwickelt hat und                    verwendet wird. Damit fällt Balsamessig unter die Öko-
     kostenlos zur Verfügung stellt; alternativ können sie auch            Verordnung (EG) Nr. 234/2007, der zufolge ökologischer
                                                                           Aceto Balsamico di Modena unter Anwendung von
                                                                           Wärmebehandlungen über 70°C hergestellt werden darf.
                                                                           Die italienischen Behörden haben allerdings weiterhin
                                                                           beschlossen, dass Traubenmostkonzentrat sowie RTK,
                                                                           das normalerweise für die Anreicherung von Wein
                                                                           verwendet wird, jetzt auch für die Herstellung von
                                                                           Aceto Balsamico di Modena verwendet werden darf. Das
                                                                           wiederum hat zur Folge, dass Produzenten von Aceto
                                                                           Balsamico di Modena, die in der Vergangenheit, als es
                                                                           noch keine Biowein-Verordnung gab, das EU-Öko-
                                                                           Logo nicht verwenden durften, nunmehr befugt sind,
                                                                           das Logo zu verwenden, da Balsamessig als Produkt
                                                                           außerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung (EU)
                                                                           Nr. 203/2012 eingestuft wurde. Das bedeutet zwar
                                                                           eine Vermarktungschance, ein Problem sind jedoch die
                                                                           bestehenden Etikettenvorräte.

14
ES IST HÖCHSTE ZEIT, DASS WIR DIE
                                                                    AUSWIRKUNGEN DER ANBAUMETHODEN
                                                                    AUF DIE BIODIVERSITÄT, DEN
                                                                    SCHUTZ DES ÖKOSYSTEMS, DIE
                                                                    BODENBESCHAFFENHEIT UND DEN
                                                                    TREIBHAUSGASAUSSTOSS MESSEN.

die ISO 14000-Reihe nutzen. Mit diesen Hilfsmitteln lassen      wird. Organisationen des privaten oder öffentlichen Sektors
sich die Werte für ein ganzes Unternehmen oder für einzelne     können ein EPD in Auftrag geben, um objektive, vergleichbare
Produkte ermitteln. Bald wird auch die Umweltnorm               und glaubwürdige Umweltinformationen über ihre Produkte
ISO 14067 herausgegeben, die die THG-Emissionen als             und Dienstleistungen kommunizieren zu können. Das
Bestandteil eines Verfahrens zur Ermittlung der CO₂-Bilanz      EPD dient ausschließlich Informationszwecken wie in der
berücksichtigt.                                                 ISO-Umweltdeklaration (ISO 14025) festgelegt (ist jedoch
                                                                kein zertifizierbarer Standard und bestätigt damit nicht die
DIE UMWELTPRODUKTDEKLARATION:                                   Erfüllung bestimmter Mindestanforderungen). Das EPD kann
ENVIRONMENTAL PRODUCT DECLARATION – EPD                         allerdings dazu beitragen, Unklarheiten auszuräumen und die
                                                                Verifizierbarkeit innerhalb der Lieferketten zu verbessern.
Übergeordnetes Ziel aller Umweltkennzeichnungen und
-deklarationen ist es, die Nachfrage nach und das Angebot von
Produkten mit geringeren Umweltauswirkungen anzuregen
und somit marktbasierte Mechanismen zu nutzen, um die
Umweltperformance zu fördern. Bei dem EPD handelt es
sich um ein Dokument, welches von einer unabhängigen
Stelle überprüfte Angaben enthält und in erster Linie als
Produktdeklaration im Firmenkundengeschäft verwendet

  REKTIFIZIERTES TRAUBENMOST-KONZENTRAT (ZUCKER AUS TRAUBEN)
  Ökologischer „Trauben-Zucker“ (rektifiziertes Traubenmostkonzentrat) wird in der Weinanreicherung verwendet, um den
  Alkoholgehalt des Weins zu erhöhen. Diese Zuckerart wird vor allem deswegen gerne verwendet, weil sie die sensorischen
  und chemischen Eigenschaften des Traubenmosts, dem sie zugefügt wird, nicht modifiziert. In den vergangenen
  Jahren wurde herkömmliches Traubenmostkonzentrat zur Weinanreicherung verwendet, das jedoch die chemischen
  Eigenschaften des Mosts, aus dem es gewonnen wurde, beibehält, und daher das Profil des Weins, dem es zugefügt wird,
  verändert. Der Most oder Wein wird dabei nicht nur mitZucker, sondern auch mit anderen Stoffen (Säuren, Mineralien)
  angereichert. Insbesondere aus diesem Grunde ist „Trauben-Zucker“ (RTK) heute in der Weinindustrie eine sehr wertvolle
  Zutat. Hinzu kommt, dass RTK inzwischen auch als Süßstoff für Säuglingsnahrung und andere Lebensmittel sehr beliebt ist.
  Derzeit wird „Trauben-Zucker“ (RTK) meistens hergestellt, indem geklärter Traubensaft mit Ionenaustauschharzen in
  Kontakt gebracht wird, um Mineralien, organische Säuren und stickstoffhaltige Stoffe (d.h. Farb- und Geschmacksstoffe)
  herauszufiltern. Bei diesem Verfahren müssen die Harze jedoch unter Verwendung von Natriumhydroxid, Salzsäure und
  schwefeligen Säuren regeneriert werden, wobei umweltbelastende Abwässer entstehen. Die geltende Bioweinverordnung
  gestattet die Nutzung von Ionenaustauschharzen in einer Übergangsphase bis zum Jahr 2015. Die Produzenten von Bio-
  RTK wissen jedoch nicht, was nach diesem Datum passiert.
  Eine alternative Technik ist die chromatographische Auftrennung. Dieses Verfahren wird in der Zuckerproduktion bereits
  seit den 1960er Jahren genutzt, ihre Anwendung für die Reinigung von Traubensaft ist allerdings etwas komplexer. Bei
  der chromatografischen Trennung werden aufgeladene Harze genutzt, um Zucker zu adsorbieren, und Verunreinigungen
  auszuwaschen. Chemische Regeneriermittel werden hier nicht benötigt, und der Energieverbrauch ist niedriger als bei der
  herkömmlichen Methode. Allerdings kann der niedrige pH-Wert von Traubensaft (der niedriger ist als die Werte für Rohr-
  oder Rübenzuckersaft) möglicherweise die Interaktion des Traubensafts mit den aufgeladenen Harzen beeinträchtigen
  und die Adsorptionsfähigkeit schwächen.
  Bei der Anpassung des Verfahrens der chromatographischen Trennung an die veränderten Bedingungen bei der
  „Trauben-Zucker“ Herstellung wurden inzwischen Fortschritte erzielt. Einige Unternehmen haben bereits damit begonnen,
  die Technik zu vermarkten. Die italienische Naturalia Ingredients zum Beispiel hat, mit Blick auf die zu erwartenden
  Änderungen der Vorschriften nach 2015, in die chromatographische Trennung investiert. Sie behauptet, dass sie mit
  diesem Verfahren die gleichen Ergebnisse liefern kann wie mit Ionenaustauschharzen. Dies bedeutet eine fast 100
  prozentige Zuckergewinnung bei gleichzeitiger 100 prozentiger Eliminierung der Fremdstoffe, und dies mit deutlich
  niedrigeren Umweltauswirkungen.

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