Forschungsgeschichte zum Vergleich Meister Eckharts mit dem Buddhismus
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Forschungsgeschichte zum Vergleich Meister Eckharts mit dem Buddhismus Kim, Heyng-Gen*1) Einleitung Udo Kern sagt, „Meister Eckhart, der als ‘Heiliger der Ökumene’ bezeichnet wird, gehört zu den herausragenden Gestalten nicht nur des hohen Mittelalters, sondern des westlichen Denkens überhaupt. Mit Recht darf man wohl sagen, dass Meister Eckhart von grundle- gender Bedeutung ist, wenn sich westliches und östliches Denken tat- sächlich produktiv begegnen und verstehen wollen.‟1) Diese Erklärung ist bezeichnend für die Bedeutung Eckharts in Bezug auf einen inter- religiösen Dialog. Die Begegnung Eckharts mit anderen weltlichen Religionen gewinnt durch den Prozess der Globalisierung mehr und mehr an Aktualität und Realitätsnähe; real vorliegende Situationen des Religionspluralismus bieten die Möglichkeit, den Dialog zwischen verschiedenen Religionen tiefer zu erforschen.2) Wir müssen danach * Doktor theologiae an der Universität Rostock Theologische Fakultät, 13. 07. 2007. 1) Udo Kern, Gottes Sein ist mein Leben: Philosophische Brocken bei Meister Eckhart, (Berlin: Walter de Gruyter, 2003), 1-2. 2) Ernst Troeltsch spricht in seinem Buch davon, dass das westliche Christentum den ander- en Religionen nicht überlegen sei. Das Christentum sei für den Westen absolut, während der Hinduismus und der Buddhismus für den Osten absolut seien, in: Ernst Troeltsch, Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte: 1902/1912; mit den
62 _ Theological Forum Vol. 48 (2007) fragen, wie sich eine Begegnung im interreligiösen Dialog vollzieht. Vermutlich gibt es drei Typen der Begegnung im interreligiösen Dialog: eine, aus der beide Parteien ohne Verlust ihrer Eigenschaften aus dem Dialog hervorgehen, eine, in der beide Parteien das gleiche denken, dies lediglich in einer anderen Sprache tun, und eine, bei der der Dialog keine Bedeutung erlangt wegen der ganz anderen Inhalte und der verschiedenen Sprachen. Schon lange dauern die Forschungen zum Verhältnis Eckharts mit dem östlichen Denken an.3) Ich möchte allerdings nur die wichtigen Ergebnisse und Probleme der Forschungsarbeiten zu dem Dialog, aus dem beide Parteien ohne Verlust ihrer Eigenschaften hervorgehen, behandeln. „Obwohl Meister Eckhart in asiatischer Spiritualität, insbesondere im buddhistischen Denken Aufmerksamkeit gefunden hat‟4), möchte ich damit vorsichtig sein, Meister Eckhart und östliches Denken in Verbindung zu bringen. Die Prämisse meiner Arbeit ist, dass es Unterschiede zwischen der Gottheit Eckharts und der Leere des Buddhismus gibt. Ich beziehe mich auf die bisher vernachlässigten inhaltlichen Ungleichheiten in Thesen von 1901 und den handschriftlichen Zusätzen / hrsg. von Trutz Rendtorff in Zusammenarbeit mit Stefan Pautler, (Berlin: de Gruyter, 1998). Seit 1980 vertreten Religionstheologen ein gottzentrisches Modell. Dazu gehören John Hick, P. Knitter, R. Panikkar, W. C. Smith und S. Samartha. Nach John Hick ist die äußerste Existenz ein göttliches Wesen (the one divine nomenon) trotz der Verschiedenheit des Religionserlebens, in: John Hick, Problems of Religious Pluralism, (Hong Kong: The Macmillan Press, 1985), 42. 3) Hierzu sind bis 1989 mehr als 50 Forschungsergebnisse veröffentlicht worden, in: Niklaus Largier, Bibliographie zum Meister Eckhart, (Freiburg, Schweiz: Univ.-Verl., 1989), 95-99. Vgl. Niklaus Largier, Bibliographie, in: “Meister Eckhart und der Osten”: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 34B. Heft 1-2, (1987): 127-129. 4) „Für die Wirkkraft Eckhartscher Gedanken spricht auch die Aufmerksamkeit, die Meister Eckhart in ‘asiatischer Spiritualität’, insbesondere im buddhistischen Denken gefunden hat, wenn auch hier wie in so mancher Eckhartrezeption die Originalität des Eckhartschen Werkes kaum rezipiert wird‟, in: Udo Kern, Die Anthropologie des Meister Eckhart, (Hamburg: Kovač, 1994), 2.
Kim, Heyng-Gen Forschungsgeschichte zum Vergleich Meister Eckharts mit dem Buddhismus _ 63 den äußerlichen Gleichheiten zwischen dem Buddhismus und Eckhart, und ich versuche sie vom Standpunkt Eckharts aus zu erklären. Wenn man die eckhartschen Werke aufmerksam liest, kann man Unterschiede zwischen dem Buddhismus und Eckhart nachweisen.5) 1. Bezugnahme zu Europa „Seit A. Schopenhauer6) spielt das Denken Eckharts im interkultur- ellen Dialog zwischen Ost und West, vor allem zwischen Zenbuddhismus und Christentum eine wichtige Rolle.‟7) Auch versucht Karl Eugen Neumann durch die aus den Originaltexten übersetzten zwei bud- dhistischen Sutren8) und einen Traktat Meister Eckharts9) eine innere 5) Vgl. „Der zentrale personalistische Charakter der christlichen Religion ist auch in der Mystik Meister Eckharts durchaus maßgeblich, und hierin scheint mir trotz aller Analogie des Transzendenzerlebnisses der christliche Charakter der eckhartschen Mystik etwa im Unterschied zu der Mystik des Zen-Buddhismus gewahrt‟, in: Ernst Benz, “Mystik als Seinserfüllung bei Meister Eckhart”, in: Sinn und Sein, ein philosophisches Symposion, herausgegeben von Richard Wisser, (1960): 415. 6) „Die Feststellung Schopenhauers, daß die Lehre Meister Eckharts und Schakia Munis identisch seien und Eckhart einzig genötigt sei, sie in das Gewand des christlichen Mythos zu kleiden und diesem seine Ausdrücke anzupassen, ist aus diesem Grunde paradigmatisch im Auge zu behalten als historischer Ausgangspunkt einer Konfrontation, der das strukturelle Moment der Überwindung des und ins Zentrum rückt und dabei vom spezifisch theologischen und historischen Hintergrund als Bildersprache abstrahieren zu können glaubt. Schopenhauer ist hierin typisch für eine Reihe von Parallelisierungsversuchen‟, in: Niklaus Largier, “Meister Eckhart und der Osten”, 111-112. Vgl. Alois M. Haas, “Meister Eckhart als Gesprächspartner östlicher Religion”, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie, 131-132. 7) Meister Eckhart; Quellen und Nachwirkung, in: Meister Eckhart, Werke Ⅱ, her- ausgegeben und kommentiert von Niklaus Largier, (Frankfurt am Main: Deutscher Klassiker Verlag, 1993), 722. 8) Das Sutta (oder Sutra) über die Frucht des Asketenthums und das große Sutta über die Fülle des Leidens. 9) Der Traktat über die Abgeschiedenheit.
64 _ Theological Forum Vol. 48 (2007) Verwandtschaft buddhistischer und christlicher Lehren zu beweisen.10) Die von Schopenhauer behauptete Identität und die von Neuman dar- gestellte innere Verwandtschaft der beiden sind die Identifizierung aus ihrem einfachen Denken, weil die Eigenschaften der beiden von ihnen nicht genug berücksichtigt wurden. Rudolf Otto sagt, dass das Wesen des Religionserlebens aus den Erlebnissen des Heiligen (das Numinose) besteht, und er versucht die theoretische Erklärung für das irrationale Religionserleben außerhalb der menschlichen Ratio abzuliefern.11) Nach Otto haben „die Gottheit der Mystik Eckharts als eine Theologie des ganz Anderen und das Śūnyatā des Mahāyānabuddhismus als die Einheitslogik des Gegensatzes (coincidentia oppositorum) eine Theologie des Unerhörten, der nova et rara und eine Wissenschaft des Paradoxen, der Antinomen in der mystischen Eigenschaft.‟12) Rudolf Otto führt den Vergleich und zu- gleich die Unterscheidungen zwischen westlicher und östlicher Mystik durch.13) Während Otto Ātman und Seele, Brahman und Gottheit als die formalen Übereinstimmungen Eckharts mit den indischen Śankara ansieht, unterscheidet Eckhart zwischen Śankara in der Lebendigkeit und im ethischen Gehalt.14) Nach der Bewertung Largiers von Otto, „ist Eckharts Gottesbegriff ein voluntarischer Gottesbegriff. Denn 10) Die innere Verwandtschaft buddhistischer und christlicher Lehren, zwei buddhistische Suttas und ein Traktat Meister Eckharts aus den Originaltexten übersetzt und mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Karl Eugen Neumann, (Leipzig: Spohr, 1891), 3-20. 11) Rudolf Otto, Das Heilige: Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen, (Gotha: Klotz, 1929). 12) Ebd., 39. 13) Rudolf Otto, West-Östliche Mystik: Vergleich und Unterscheidung zur Wesensdeutung, (München: Beck, 1971³ ). Vgl. Rudolf Otto, “Meister Eckhart’s Mystik im Unterschiede von östlicher Mystik,” ZThK 6 (1925): 325-350, 418-436. 14) Rudolf Otto, West-Östliche Mystik, 191-249.
Kim, Heyng-Gen Forschungsgeschichte zum Vergleich Meister Eckharts mit dem Buddhismus _ 65 diese Voluntas ist der Wille als ewig Wirkendes, als ganz dynamisches Prinzip, im Unterschied zu einem starren ruhenden Sein. Auch aus diesem Grund gewinnt Eckharts Denken gegenüber Śankara an in- haltlich definierten Dimensionen, die vom Menschen her eine Ethik, theologisch gesehen eine Theorie von Rechtfertigung und Gnade als Ausfaltung dieser Dynamik erfordern.‟15) Der Beitrag Ottos besteht darin, den Unterschied zwischen Eckhart und den Śankara zu erklären und somit eine Grundlage für weitere Untersuchungen der umstritte- nen Ähnlichkeiten der beiden zu liefern. Leider hat Otto nicht ausführ- lich versucht, Eckhart mit dem Zenbuddhismus in Bezug auf die west- liche und östliche Mystik zu vergleichen. Erich Fromm sagt: „Während der Zen-Buddhismus eindeutig nicht- theistisch ist, hält Eckhart am christlichen Gottesbild fest, wenn er es mit seinem Begriff der ‘Gottheit’ auch tatsächlich transzendiert. Aber trotz einiger Unterschiede drücken doch - wie D. T. Suzuki zeigt - Eckhart und der Zen-Buddhismus im Wesentlichen die gleichen Gedanken aus.‟16) Von Fromm werden Meister Eckhart und Buddha als Menschen unter den ersten Repräsentanten der nicht-theistischen Religiosität verstanden.17) Fromm zitiert S. Ueda für seine Behauptung: 15) Niklaus Largier, “Meister Eckhart und der Osten”, 113. Zum Beispiel für die Unterscheidung der beiden wird die Mystik Śankara’s nicht unmoralisch sondern mo- ral-lose durch die Erhebung der völligen Stillstellung alles Wollens und Wirkens; dage- gen ist bei Eckhart die Gerechtigkeit in der Einung mit dem Esse nicht eine bloß angerechnete Gerechtigkeit, sondern eine Wesensgerechtigkeit, die in den wahren leb- endigen Werken des neuen Gehorsams ausblüht und die Hingabe des Willens in den tätigen ewigen Willen selbst bedeutet, in: Rudolf Otto, West-Östliche Mystik, 241-242. 16) Eckhart und die Nichts-Spekulation des Buddhismus, in: Volker Frederking, Durchbruch vom Haben zum Sein: Erich Fromm und Mystik Meister Eckharts, Bielefeld Diss., (Paderborn: Schöningh, 1994), 301-302. 17) „The Buddha expressed this metaphysical pessimism very directly; he negated the idea of a supreme god and Buddhism was persecuted for a long time for its ‘atheism’. There is no higher power on which Man can rely, not even an authority whose word
66 _ Theological Forum Vol. 48 (2007) „Die Radikalität und Eigentümlichkeit der Lehre Eckharts von vita activa und vita contemplativa liegt darin, daß sie für ihn nicht Wege zu Gott hin, wie wir sahen, nicht vita, sondern einzig der Tod (grunttôt), die Abgeschiedenheit. … Die vita activa bei Eckhart be- deutet also die vita von Gott weg zur Weltwirklichkeit in eins mit durch Gott hindurch zur Gottheit. Das Wirken in diesem Sinne ge- schieht ohne Gott; ein Werk, wie das, eine Suppe für einen Kranken zu besorgen, ist nichts anderes als dieses Werk selbst, es ist ohne auffallende Göttlichkeit und ohne irgendeine beigefügte religiöse Bedeutung.‟18) Volker Frederking zufolge formuliert Fromm die Beziehung der nicht-theistischen Kohärenz zwischen Zen-Buddhismus und Eckhart durch die Definition Gottes als ein Nichts.19) Trotzdem missversteht Fromm den Unterschied zwischen der buddhistischen Leere auf der Grundlage der „Entstehung in Abhängigkeit‟ und dem Nichts der Gottheit Eckharts. Denn das Nichts Eckharts bedeutet nicht das ontologische Nichts des Gottesseins, sondern die epistemologische Eigenschaft für die Gottheit Gottes, die über den dreieinigen Personen ist. Auch Eckhart sagt, Gott ist das Unum, das Sein selbst und der he should unquestioningly accept, including the Buddha. … On the Level of non-theism Eckhart shares with Buddhism - and as we shall see, with Marx and Schweitzer - the position of radical metaphysical scepticism. Metaphysically speaking the last reality for Eckhart is death, the nothing. Life is not given any meaning by an absolute, not even the Christian God. The answer to this objective meaninglessness of life is human activity in caring for the wellbeing of our fellow creatures‟, in: “Non-Theistic Religiosity in Buddhism, Eckhart, Marx and Schweitzer”, Appendix: Originalmanuskripte Erich Fromms, Ⅲ. Fragmente und Vorarbeiten , in: Volker Frederking, Durchbruch vom Haben zum Sein, 454, 457. 18) Shizuteru Ueda, Die Gottesgeburt in der Seele und der Durchbruch zur Gottheit: Die Mystische Anthropologie Meister Eckharts und ihre Konfrontation mit der Mystik des Zen-Buddhismus, Marburg Diss., (Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus G. Mohn, 1965), 139. 19) V. Frederking, Durchbruch vom Haben zum Sein, 302.
Kim, Heyng-Gen Forschungsgeschichte zum Vergleich Meister Eckharts mit dem Buddhismus _ 67 Intellekt. Dagegen ist die buddhistische Leere weder das Sein noch das Nichts und hat keine ewige Substanz. Bernhard Welte20) analogisiert „Einöde und Wüste‟ Eckharts als die Bedeutung des grenzenlosen Abgrundes (als die Gottheit) durch „Offene Weite‟21) von den Antworten Bodhidharmas22) im ersten Koan23) von „Bi-Yän-Lu‟24). Das Koan des Zenbuddhismus zum Erwachen der Buddhanatur ist zum Beispiel wie ein auf den Mond zeigender Finger. Was Koan meint, ist nicht ein Finger, sondern der das Erwachen der Buddhanatur symbolisierende Mond. Was Bodhidharma mit den Antworten: „Offene Weite - Nichts von heilig‟ meint: „Alles ist leer‟. Deshalb ist die von Welte versuchte Analogie25) der Worte des Koan und der theologischen Begriffe Eckharts verfehlt, auch wenn 20) Bernhard Welte, Meister Eckhart: Gedanken zu seinen Gedanken, (Freiburg: Herder, 1992), 105-110. 21) „Liang-Wudi (梁武帝) fragte den Großmeister Bodhidharma: Welches ist der höchste Sinn der heiligen Wahrheit: Bodhidharma sagte: Offene Weite - Nichts von heilig. Der Kaiser fragte weiter: Wer ist das uns gegenüber? Bodhidharma erwiderte: Ich weiß es nicht.‟: „梁武帝 問達磨大師. 如何是聖諦第一義. 磨云. 廓然無聖. 帝曰. 對朕者誰. 磨云. 不識‟, in: Bi-Yän-Lu, hesg. u. übersetzt u. kommentiert von Wilhelm Gundert, Band 1,, (München: Hanser, 1960), 37. 22) Im 5. Jh. n. Chr. ist Bodhidharma (菩提達摩) aus Indien nach China gekommen, um die korrekte Erwachenslehre Buddhas zu überliefern. Er war der 28. Großmeister nach dem gestorbenen Buddha, der erste Großmeister des chinesischen Zenbuddhismus. 23) Koan oder Huatou (公案 oder 話頭) besteht aus den kurzen Zen-Fragen-Antworten und ist eine Methode des Zenbuddhismus zum Erwachen, durch die der von seinem Meister sein Koan bekommende Jünger sein wahres „Ich‟ und die Buddhanatur im „Ich‟ findet. 24) Bi-Yän-Lu (碧巖錄) ist eine Sammlung der klassischen chinesischen Koans. Das Buch wurde vom Zenmeister Xu-Bao-Chong-Xian (雪竇重顯, 980-1052) aus 1700 Koans von Chan-Deng-Lu (傳燈錄) zu 100 Koans (頌古百則) editiert und kommentiert und danach vom Zenmeister Yuan-Wu-Ke-Qin (圓悟克勤, 1063-1135) noch mals kommentiert. Vgl. Hekiganroku: die Niederschrift vom blauen Fels; (die klassische Sammlung mit neuen Teishos) / Yamada Koun Roshi. Ins Dt. übertr. und hrsg. von Peter Lengsfeld, (München: Kösel, 2002). 25) Vgl. Bernhard Welte, Meister Eckhart, 172-174, 192-194.
68 _ Theological Forum Vol. 48 (2007) A. M. Haas26) die Bezugnahmen von Welte als richtig bezeichnet; denn die Analogie von Welte ist nicht inhaltlich entsprechend, sondern nur äußerlich ähnlich. Weil der buddhistische Leerebegriff nicht den Begriff zwischen der Gottheit und dem Menschen bei Eckhart meint, sondern die Aufhebung des ontologischen und epistemologischen Gegensatzes in der seienden Welt bedeutet, entspricht der Abgrund der Gottheit bei Eckhart nicht der Leere des Buddhismus. Weil alles im Buddhismus aus dem menschlichen Herzen aus der vom getrennten Ich-Du-Denken resultierenden Erkenntniswirkung des Menschen en- tsteht,27) glaubt der Zenbuddhist, dass Menschen selbst den nicht seien- den christlichen Gottesbegriff erfunden hätten. Nur die Negationsmethoden zum Erwachen der Buddhanatur und zur Einheit der Seele mit der Gottheit bei Eckhart ähneln sich, obwohl das Endziel der beiden un- terschiedlich ist. Nach George Feuerstein ist Vairāgya die Leidenschaftslosigkeit des klassischen Yoga und Vitrsha ist das Nicht-Dürsten des Buddhismus. Vairāgya und Vitrsha bedeuten ein innerer Akt des Loslassens als körperliches Verlassen der weltlichen Existenz oder innerweltliche Askese. Vairāgya und Vitrsha seien die Synonyme zu Meister Eckharts Schlüsselbegriff die „Gelassenheit‟, die eine innere Distanz von den weltlichen Dingen und Sorgen ist und durch die das Leben in und mit Gott möglich ist.28) Ich meine, während sich das Loslassen des Buddhismus und die Abgeschiedenheit bei Eckhart als eine innere 26) „Seine Bezugnahmen auf den Zen-Buddhismus erfolgen zu Recht und mit tiefem Gespür für dessen Auffassung einer gnadenhaft plötzlichen Durchbruchsmöglichkeit aus dem Bereich des Kontingenten hinein ins ‘fruchtbare Nichts’ (englische Mystik) des alles bedingenden Absoluten,‟ Ebd., 4. 27) Das heißt auf Chinesisch Ya-Qie-Wei-Xin-Zao (一切唯心造). 28) George Feuerstein, “Meister Eckhart und östliche Mystik”, in: Freiheit und Gelassenheit: Meister Eckhart heute, herg. von Udo Kern, (München/Mainz: Kaiser, 1980), 215-216.
Kim, Heyng-Gen Forschungsgeschichte zum Vergleich Meister Eckharts mit dem Buddhismus _ 69 Richtungsänderung aus der äußerlichen Welt ähneln, erreichen das Nirwana als die buddhistische Wahrheit durch das Loslassen und die Einheit mit Gott durch die Abgeschiedenheit Eckharts nicht das glei- che Ziel. Auch George Feuerstein entscheidet sich „für einen mehr analytischen Aufbau, um Parallelen zwischen der Mystik Meister Eckharts und dieser oder jener östlichen Tradition herauszustellen, an- statt in breit angelegte Vergleiche einzutreten.‟29) Eckard Wolz-Gottwald versucht eine Gegenüberstellung Meister Eckharts mit den klassischen Upanischaden unter der Voraussetzung der gleichen Menschheit und der gleichen Philosophie des Absoluten der beiden in der Verwirklichung der absoluten Philosophie trotz der zeitlichen und örtlichen Distanz.30) Nach Wolz-Gottwald bedeutet so- wohl bei Meister Eckhart als auch in den Upanischaden der Tod des Menschen den Aufgang des göttlichen Lebens und die Unsterblichkeit in der Einheit des Absoluten.31) Und Mensch, Welt und Gott werden zu Absolutem und somit zu Eigenem. Die absolute Erfahrung des Menschen bedeutet die Selbstverwirklichung und die Selbstfindung des eigentlichen Menschen.32) Hier ist es problematisch, dass das Brahman der klassischen Upanischaden mit der Gottheit Meister Eckharts als das Absolute in der Verwirklichung von Absoluter Philosophie gleichgesetzt wird. Niklaus Largier sammelte bis 1987 die Forschungsmaterialien mit Bezug auf mein Thema und lieferte uns viele Informationen durch seine Bibliographie.33) Largier systematisiert die vorhergehenden 29) Ebd., 219. 30) Eckard Wolz-Gottwald, Meister Eckhart und die klassischen Upanishaden, Würzburg Diss., (Würzburg: Königshausen und Neumann, 1984), 215-220. 31) Ebd., 191. 32) Ebd., 215. 33) Vgl. oben Anm. 3.
70 _ Theological Forum Vol. 48 (2007) Forschungsergebnisse unter den drei folgenden Aspekten: „die Dynamik des ontologischen Horizonts als die Einheit der Begründung von Identität und Differenz‟, „das von Ueda im theologischen Unterbau festgemachte Trinitätsdenken in der Ausrichtung auf das Leben der Seele‟ und „die in der Martha-Figur eingebundene Ausrichtung auf eine konkrete Praxis als ein Bild der Verwirklichung.‟34) Largier kon- zentriert sich auf das strukturelle Konzept der in der dialektischen Verknüpfung mit den Kriterien Sinn gewinnenden Abgeschiedenheit bei Eckhart im Verhältnis Eckharts zur Philosophie des Ostens. Die Abgeschiedenheit bildet für Eckhart kein Moment subjektiver Verwirklichung: Ihre Bedeutung scheint für Largier vielmehr in der Vertikalen des Kreuzes zu liegen, die unlösbar gebunden bleibt an das dynamische Moment der Kreuzigung selbst. Während die Nichtsubstantialität des selbst-losen Selbst durch den Zenbuddhismus und durch die Abgeschiedenheit Eckharts im ontologischen Horizont formal als ganz ähnlich angesehen werden können,35) sind die Abgeschiedenheit Eckharts aus dem Selbst zur Gottheit und die Überwindung des Subjekt-Objektschemas durch den Zenbuddhismus zur Leere oder in der Leere gänzlich verschieden. Die buddhistische Leere als nur eine Eigenschaft von allen Seienden ist kein ewiges Sein im ontologischen Horizont der Gottheit Eckharts.36) Alois M. Haas, der auf Meister Eckhart und den Zenbuddhismus fokussiert ist, fragt nach der Möglichkeit eines christlichen Gesprächspartners für die östlichen Heilswege. Nach Haas entsprechen 34) Niklaus Largier, “Meister Eckhart und der Osten”, 126. 35) Ebd., 115-116. 36) Vgl. „Ob diese Integration der via negationis in ein dramatisches Bild des Menscheneine Perspektive für den Dialog zwischen Eckhart und östlicher Philosophie bilden könnte, die nicht Struktur und Inhalt, Überbau und Unterbau zu trennen gezwungen ist, soll hier als Frage gestellt bleiben,‟ Ebd., 126.
Kim, Heyng-Gen Forschungsgeschichte zum Vergleich Meister Eckharts mit dem Buddhismus _ 71 Linchi37) und Meister Eckhart einander über die Zeiträume hin auf eine verblüffende Art. „Es wäre aber auch, wenn schon von Analogien die Rede war, von den Unterschieden zu reden. Diese liegen zwischen Eckhart und Zenbuddhismus im denkerischen Ansatz: Der Ort von Eckharts Erlösungsvorstellung liegt in der Zukunft, ist bloß eschatolo- gisch erfüllt, wenn auch hier und jetzt inchoativ immer schon da. Die zenbuddhistische Erlösung tendiert in eine Einheit mit dem umge- benden Paradies, noch ohne Mitmenschen.‟38) Trotzdem sind chris- tliche Begriffe wie Heil oder Erlösung für den Zenbuddhismus nicht notwendig. Es gibt nur das Nirwana aus dem Leiden des Leben- Sterbens heraus und das epistemologische Erwachen durch das Zen. Dieses Erwachen ist, dass das Leben-Sterben und das Nirwana weder unterschiedlich noch getrennt voneinander sind. Das Andonnern bei Linchi, „Buddha töten‟ bedeutet für die Jünger bei Linchi nicht den Buddha außerhalb des Selbst, sondern die im Selbst seiende Buddhanatur zu finden, und der Ausdruck Eckharts, „Gott töten‟, be- deutet die Einheit mit der Gottheit, obwohl Eckhart und Zenbuddhismus für die Befreiung ins absolute Nichts ohne Bildlichkeit des Leben- Sterbens eintreten.39) Armin Münch versteht den rheinischen Mystiker Eckhart als Zenmeister im Verhältnis Meister Eckharts mit dem Osten.40) Nach Münch entspricht Kenosis bei Eckhart dem Begriff-„Gott als Nichts‟ 37) Linchi-Yixuan (臨濟義玄, ?-866/67; auf Japanisch Rinzai) war der berühmte chinesi- sche Zenmeister und Begründer der Linchi-Schule (臨濟宗). 38) Alois M. Haas, “Meister Eckhart als Gesprächspartner östlicher Religion”, 145. Vgl. Alois M. Haas, Gottleiden - Gottlieben: Zur volkssprachlichen Mystik im Mittelalter, (Frankfurt am Main: Insel-Verl., 1989), 201-240. 39) Vgl. Alois M. Haas, “Meister Eckhart als Gesprächspartner östlicher Religion,” 138-140. 40) Armin Münch, Dimensionen der Leere: Gott als Nichts und Nichts als Gott im chris- tlich-buddhistischen Dialog, (Münster: Lit, 1998), 65-67.
72 _ Theological Forum Vol. 48 (2007) als die Quell-Monade.41) Der von Münch angeführte Vergleichsrahmen der christlichen Kenosis mit der buddhistischen Leere wird jedoch vermutlich zu stark von Hans Waldenfels42) und der Kyoto-Schule43) beeinflusst. Nach Münch sind „Gott als Nichts und Nichts als Gott‟ mit einem Weg mit zwei Richtungen zum christlich-buddhistischen Dialog identisch.44) Als ein Beispiel für die Identität der beiden führt Münch „die Zehn Stationen des Ochsenweges‟, „den Kreuzweg mit den Bildern‟ und die Erklärungen in seinem Anhang an.45) Während der Gott als Nichts bei Eckhart als eine Eigenschaft der Gottheit ver- standen wird, hat die Leere oder das Nichts des Buddhismus kein christliches personalistisches Gottesbild und ist nicht Gott. „Der Ochse und sein Hirte‟46) bedeutet die Suche, das Erwachen und die Information der buddhistischen Wahrheit. Während „die Zehn Stationen des Ochsenweges‟ und der Kreuzweg sich typologisch sehr ähneln, sind die beiden zum Schluss ganz unterschiedlich. Das Kreuz Christi zur Auferstehung Christi gibt uns das ewige Leben durch die Überwindung des Sterbens selbst. Dagegen verbleibt der unüberwunde Tod des 41) Ebd., 67-69. 42) Vgl. Hans Waldenfels, Absolutes Nichts: Zur Grundlegung des Dialogs zwischen Buddhismus und Christentum, (Freiburg․Basel․Wien: Herder, 1976). 43) Armin Münch, Dimensionen der Leere, 157-249. 44) Ebd., 300-307. 45) Ebd., 308-315. 46) „Der Ochse und sein Hirte‟ (Die Zehn Stationen des Ochsenweges: auf Chinesisch Shi-Niu-Tu oder Xun-Niu-Tu: 十牛圖 oder 尋牛圖) wurde wesentlich von den „Acht Stationen des Ochsenweges‟ (Ba-Yu-tu: 八于圖) des Taoismus beeinflusst. Zwei der Acht Stationen des Ochsenweges werden von Kuo-An-Shi-Yuan (廓庵師遠, 12C, 宋代) ergänzt und später von Shi-Cu-Xi-Yi (石鼓希夷) und von Huai-Na-Da-Lian (壞衲大璉) kommentiert. Vgl. Der Ochse und sein Hirte: Zen-Augenblicke, mit Kommentaren und ausgew. Texten von Hugo M. Enomiya-Lassalle, mit Tuschzeichn. von Tatsuhiko Yokoo und Kalligr. von Yoshiko Yokoo. Hrsg. von Bogdan Snela. Dt. Übers. der Texte zu den 10 Ochsenbildern von Guido Joos, (München: Kösel- Verlag, 1994).
Kim, Heyng-Gen Forschungsgeschichte zum Vergleich Meister Eckharts mit dem Buddhismus _ 73 Menschen im Nirwana Buddhas trotz des radikalen Wandels des Erkennens für das Leben-Sterben des Menschen. Neuerdings versuchen Christian Steineck47) und Hellmuth Hecker48) die inhaltliche Übereinstimmung Meister Eckharts mit dem Buddhismus angesichts der Mystik nachzuweisen. Nach Christian Steineck sind die konkreten Methoden der Mystiker49) für den Zugang „zur gleichen vollkommenen Wirklichkeit‟ unterschiedlich. Trotzdem ist ein ge- meinsames Grundschema „zur Überwindung des Subjekt- Objektes‟ bei den Mystikern aufzufinden.50) Eckhart erreicht durch die Einheit mit Gott eine vollkommene Wirklichkeit, und der Zenbuddhismus stimmt durch das Erwachen mit der vollkommenen Wirklichkeit überein. Die Prämisse von Steineck, dass nämlich die vollkommene Wirklichkeit bei Eckhart und dem Zenbuddhismus als die Einheit mit einer Wahrheit gleich seien,51) hat keine inhaltliche, sondern nur eine typologische Grundstruktur. Nach Hellmuth Hecker stehen sich ein christlicher und ein bud- dhistischer Mystiker ungleich viel näher und verstehen sich weit bess- er als etwa ein christlicher Fundamentalist und ein christlicher Mystiker, der mit dem Buddhismus parallel geht.52) Der Versuch Heckers be- deutet eine Vorarbeit zur Zusammenschau einer christlich-mystischen Erfahrungsaussage im Lichte des buddhistischen Heilsweges durch Meister Eckhart.53) „Die bestmöglichen Ausführungen versuchen Eckhart 47) Christian Steineck, Grundstrukturen mystischen Denkens, (Würzburg: Königshausen und Neumann, 2000). 48) Hellmuth Hecker, Meister Eckehart - der tiefste Mystiker des Abendlandes und die Lehre des Buddha, (Stammbach-Herrnschrot: Beyerlein & Steinschulte, 2001). 49) Dazu gehören Meister Eckhart, Nikolas von Kues, Jakob Böhme und der Zenbuddhist. 50) Christian Steineck, Grundstrukturen mystischen Denkens, 262. 51) Ebd., 260. 52) Hellmuth Hecker, Meister Eckehart, 9-10. 53) Ebd., 20.
74 _ Theological Forum Vol. 48 (2007) religionsvergleichend als Mystiker zu verstehen, der den gleichen Wirklichkeitsgehalt offenlegte wie Sufis, Taoisten oder Vedantins in der Wahrheit des Daseins, indem sich Geheimnisse enthüllen, die Gesetze des Daseins zu Tage treten, und alle Spekulationen, Hypothesen und Meinungen sich auflösen.‟54) Obwohl Hecker wie Christian Steineck die gleiche Wirklichkeit in Eckhart zum Grundlosen und zum Nichts der namenlosen Schicht und in dem Buddhismus zum Erwachten findet, konzentriert sich Hecker nur auf Eckhart. Deswegen fehlt es Hecker an Ausführungen zum Buddhismus. Wie oben erwähnt, behaupten die Untersuchungen der meisten euro- päischen Forscher mit Ausnahme von Otto im Zusammenhang mit meinem Thema eine Identität oder Übereinstimmung Eckharts mit dem Zenbuddhismus oder Buddhismus. Ihre Forschungen werden meistens von Keiji Nishitani, Deisetsu T. Suzuki und Shizuteru Ueda der Kyoto-Schule, denen unterstellt werden kann, dass sie die theolo- gische Tradition des Christentums nicht genau kennen, beeinflusst, und die buddhistischen Sutren für ihre Forschungen hängen von „Bi-Yän-Lu‟ und „Der Ochse und sein Hirte‟ ab. Wenn europäische Forscher einen Dialog zwischen Eckhart und dem Buddhismus versu- chen wollen, sind die buddhistischen Materialien knapp, und die Interpretation der buddhistischen Leere, wie sie nicht vom Buddhismus, sondern vom Christentum oder der abendländischen Metaphysik ver- standen wird, ist problematisch. Die buddhistische Leere ist das Nicht-Selbst ohne Substanz oder Eigennatur und die Leere ist auch leer. Bei europäischen Forschern mit ihren Gedankensystemen und Denkweisen gilt die buddhistische Leere als eine Substanz oder ein personalistischer Gott. Wegen dieses falschen Ausgangspunktes ihrer 54) Ebd., 321-322.
Kim, Heyng-Gen Forschungsgeschichte zum Vergleich Meister Eckharts mit dem Buddhismus _ 75 Interpretationen geht die Wertung des Dialoges der beiden verloren. 2. Bezugnahme zu Japan Von der Kyoto-Schule55), die die westliche Philosophie vor dem Hintergrund der östlichen Philosophie oder des Zenbuddhismus re- interpretieren und mit ihr vereinigen will, wird der Vergleich Eckharts mit dem Zenbuddhismus in Japan behandelt. Keiji Nishitani als ein treuer Jünger von Kitaro Nishida versteht die negative Theologie Eckharts als eine Theologie des absoluten Nichts, das die Gottheit als das Wesen Gottes ohne Bild sei. Die Gottesgeburt in der mens- chlichen Seele durch die Abgeschiedenheit mit dem Heiligen Geist bedeutet die Einheit des Menschen mit der Gottheit.56) Durch den 55) Die Kyoto-Schule (京都學派) als eine ausgezeichnete Ostphilosophie-Schule wurde von Kitaro Nishida (西田幾多郞, 1870-1945) begründet; sie versucht westliche Philosophien vor dem Hintergrund des Buddhismus schaffend zu verarbeiten. Durch Nishida, der als Professor der Kyoto-Universität hauptsächlich tätig war, und durch seine seiner Lehre folgenden Jünger, Hazime Tanabe (田邊元, 1885-1962), Shinizi Hisamaz (久松眞一, 1889-1980) und Keiji Nishitani (西谷啓治, 1900-1990) entstand eine eigene wissenschaftliche Strömung sowie ein kontinuierliches Streben nach der Philosophie der Leere, was als die Kyoto-Schule bekannt wurde. Dementsprechend teilte Deisetsu Teitaro Suzuki (鈴本大拙, 1870-1966, ein Kollege von Nishida) dem Abendland die zenbuddhistische Spiritualität mit. Die Jünger von Tanabe und Nishitani sind Masao Abe (阿部正雄, 1915-), Shizuteru Ueda (上田閑照, 1926-) und Yosinori Dakeuzi (武內義範, 1913-); sie verstärken die Bedeutung der Kyoto-Schule. Seiichi Yagi (八本誠一, 1932-) als ein von der Kyoto-Schule beeinflusster Theologe sieht den Buddhismus als das Hauptthema der Theologie, in: Chan-Su Yi, Buddhism and Christianity meet in the Depth: Kyoto-School and Christianity, (Seoul: Dasangulbang, 2003), 7-8, Koreanisch; Seiichi Yagi and Leonard Swidler, A Bridge to Buddhist- Christian Dialogue, (New Jersey: Paulist Press, 1990), translated by Chan-Su Yi, (Waegwan: Benedict Press, 1996), 252, Koreanisch. 56) Keiji Nishitani (西谷啓治, 1900-1990), What is Religion?; Religion and absolute Nothingness, auf Koreanisch übersetzt von Byeng-Jo Jung, (Seoul: Daewonjungsa,
76 _ Theological Forum Vol. 48 (2007) Durchbruch des Menschen zur Gottheit und durch den Durchbruch Gottes zum Menschen erreicht die Seele letztlich die Wüste der Gottheit als den Grund Gottes. In dem Grund der Gottheit sind das Auge Gottes und des Menschen auf gleicher Höhe, und die Selbstidentität Gottes und des Menschen sind dieselben. Nach Nishitani bestehen die Eigenschaften des Gottheitsgedankens Eckharts „aus der Überwindung des Theismus und des Atheismus‟, „aus dem gleichzeitigen Ort des absoluten Sterben-Lebens in dem absoluten Nichts‟ und „aus der Feststellung der menschlichen Subjektivität der Selbstverleugnung durch die Abgeschiedenheit.‟57) … „In dem absoluten Nichts der Gottheit werden Gott und Mensch das wesentliche Selbst und werden somit zur absoluten Bejahung durch die absolute Verneinung.‟58) Nishitani konzentriert sich auf die Gottheit Eckharts, weil er damit die Gleichheit der Gottheit Eckharts mit der Leere des Buddhismus als das absolute Nichts zur Überwindung des Nihilismus Nietzsches beweisen will.59) Dagegen übersieht das Verständnis von Nishitani von der Gottheit Eckharts als die leere Buddhanatur in dem Menschen die Transzendenz Gottes, der in allem und über und außer- halb allem gleichzeitig ist.60) Bei Nishitani wird durch den Begriff des absoluten Nichts die unpersonalistische buddhistische Leere zur personalistischen Gottheit Eckharts und gleichzeitig wird die person- alistische eckhartsche Gottheit zur unpersonalistischen Leere des Buddhismus, weil er die Gottheit als Gott und Leere als die Leere selbst nicht versteht. Deisetsu T. Suzuki denkt in Anlehnung an Kitaro Nishida daran, 1993), 105. 57) Ebd., 106-107. 58) Ebd., 108-114. 59) Ebd., 142-144. 60) Vgl. Hans Waldenfels, Absolutes Nichts, 117.
Kim, Heyng-Gen Forschungsgeschichte zum Vergleich Meister Eckharts mit dem Buddhismus _ 77 dass die Denkweise Eckharts im engen Zusammenhang mit dem Mahayanabuddhismus und insbesondere dem Zenbuddhismus steht, indem er Eckhart als einen ausgezeichneten Christen bewertet.61) Auf der Grundlage der eckhartschen Predigten über das Sein in Gott62) kommt Suzuki zum Schluss, dass die Erfahrung des Christen genau der Erfahrung des Buddhisten entspricht.63) Weiter spricht Suzuki zu sehr von Übereinstimmung der eckhartschen Gottheit als das absolute Nichts64) mit der buddhistischen Leere.65) Aber der Versuch von Suzuki, die Gottheit Eckharts mit der Leere des Zenbuddhismus zu vergleichen, interpretiert den Gedanken Eckharts wieder nur typologisch. Deshalb ist die Eckhartinterpretation Suzukis von begrenzter Bedeutun g.66) Obwohl viele Forscher für einen Vergleich des östlichen Denkens mit Eckhart die Werke von Suzuki zitieren, kritisiert Hee-Sung Keel das oberflächliche Verständnisniveau von Suzuki über Eckhart, we- shalb Suzuki keiner Erwähnung wert sei.67) Die Gottheit Eckharts als das absolute Nichts ist nicht Nichtsein, sondern die wesentliche 61) Deisetsu T. Suzuki, Mysticism: Christian and Buddhist, (New York: Harper, 1957), 3-4. 62) „Sankt Gregorius sagt, niemand könne Gott in reichem Maße besitzen, als wer für diese Welt bis auf den Grund tot sei. … Sie seien tot. Der Tod aber gibt ihnen ein Sein. … Die Märtyrer sind tot und haben ein Leben verloren, haben aber ein Sein empfangen‟, in: Predigt 8, In occisione gladdii mortui sunt , in: Meister Eckhart, WerkeⅠ, herausgegeben und kommentiert von Niklaus Largier, Frankfurt/Main 1993, 97-99. 63) Deisetsu T. Suzuki, Mysticism, 7-8. 64) Eckhart says, „When we come to the Godhead, we for the first time find that it is the unmoved, a nothing where there is no path (apada) to reach. It is absolute nothingness; therefore it is the ground of being from where all beings come‟, in: Ebd., 15. 65) Ebd., 16. 66) Chul Chun, Meister Eckhart’s Mysticism, http://theology.co.kr/article/critic.html, 12, Koreanisch. 67) Hee-Sung Keel, The Spiritual Thought of Meister Eckhart, (Waegwan: Benedict Press, 2003), 45-46 (Koreanisch).
78 _ Theological Forum Vol. 48 (2007) Eigenschaft des Gottesseins, wohingegen die buddhistische Leere als ein buddhistisches Gesetz im mutualen Verhältnis zu allem Seienden und hinter allem Seienden in der Welt keine Substanz hat. Im Vergleich Meister Eckharts mit dem Zenbuddhismus zeigt Shizuteru Uedaim Gegensatz zu Suzuki Unterschiede und Übereinsti- mmungen der beiden.68) Nach Hee-Sung Keel untersucht Ueda die Vergleichforschung Eckharts mit dem Zenbuddhismus bedeutsamer und tiefer als andere Forscher es tun. Zudem konzentriert sich Ueda nicht auf den totalen östlichen Gedanken sondern nur auf den Vergleich Eckharts mit dem Zenbuddhismus, und er benennt eine Grenze der Substantialität des eckhartschen Denkens, obwohl Eckhart und der Zenbuddhismus Ähnlichkeiten vorweisen.69) „Durch den Vergleich mit dem Zenbuddhismus zeigt sich die Mystik Eckharts in ihrer Untrennbarkeit von der christlichen Grundlage als eine chris- tliche Mystik, obwohl sie innerhalb des Christentums eine radikale Abweichung von der kirchlichen Orthodoxie aufweist.‟70) Ueda nennt Übereinstimmungen der Gottheit Eckharts mit der Leere des Zenbuddhismus und danach betont er die Unterschiede der beiden, weil Ueda sagen will, dass sowohl die negativ-theologische Erfassung der Transzendenz als auch die Rückkehr zur Weltwirklichkeit als real- er Vollzug des Durchbruchs zur wahren Transzendenz von dem Zenbuddhismus viel radikaler und konsequenter als von Meister Eckhart durchgeführt werden. Kurz gesagt, bleibt das Gottesbild noch in dem Nichts der Gottheit bei Eckhart, wie Jesus als ein Bild beim Besuch Jesu bei Maria und Marta gefunden wird. Dagegen gibt es kein Gottesbild und nur Nichts in der Leere des Zenbuddhismus, wie 68) Shizuteru Ueda, Die Gottesgeburt in der Seele und der Durchbruch zur Gottheit, 20. 69) Hee-Sung Keel, The Spiritual Thought of Meister Eckhart, 46 (koreanisch). 70) Shizuteru Ueda, Die Gottesgeburt in der Seele und der Durchbruch zur Gottheit, 169.
Kim, Heyng-Gen Forschungsgeschichte zum Vergleich Meister Eckharts mit dem Buddhismus _ 79 es in einem Zenbild nur einen Menschen (ein Bambus schneidender Huineng) und einen unausgefüllten leeren Raum gibt.71) Im Wesentlichen hat der Buddhismus kein transzendentes Gottesbild außerhalb des Menschen, wie das bei Gott oder der Gottheit Eckharts der Fall ist. Deswegen ist der Zenbuddhismus ohne transzendentes Gottesbild wie Jesus nicht viel radikaler und konsequenter, sondern unvollkommener als Meister Eckhart; und das ist die dem Buddhisten unbegreifbare Grenze. Denn die Gottheit bei Eckhart ist über der Leere des Buddhismus; die Gottheit und die Leere sind ungleich. Auch die Erfahrung der Leere oder des Erwachens für die universale Buddhanatur im Menschen durch die Zenmeditation und die Einheit mit der Gottheit durch den Durchbruch bei Eckhart sind ganz verschieden. Nur die Negationsmethoden der beiden wie die Negation der Negation zu jeder anderen absoluten Wirklichkeit oder zu jeder anderen Selbstwirklichkeit 71) Ebd., 145-152. Vgl. „Auch bei Nambara findet sich eine im Prinzip ähnlich gelagerte Argumentation. In Nambaras Urteil besteht die ‘Fremdartigkeit’, das heißt die tradi- tionssprengende Dimension der Eckhartschen Nichts-Spekulation darin, ‘daß das Nichts nicht als Gegensatz zum Sein, sondern als jenseits von Nichtsein und Sein verstanden wird. Während in der negativen Theologie durch die Negation lediglich die Idee der absoluten Andersheit des göttlichen Seins methodisch hervorgehoben werden soll, steht in der Spekulation über das absolute Nichts nicht Nichts als das Andere dem Sein gegenüber, sondern es wird die Auflösung alles Besonderen ins schlechthin Allgemeine vollzogen. Dadurch wird aber die für christliches Denken fundamentale Unterscheidung von Schöpfer und Geschöpf sowie die Grundvoraussetzung eines personalistischen Gottesgedankens aufgehoben.’ Hier sieht Nambara eine Entsprechung zum Mahayana- Buddhismus, insofern auch dieser die ‘Idee des absoluten, allgemeinen Nichts’ proklamiert. Allerdings ist sich der japanische Forscher prinzipieller Unterschiede partiell durchaus bewußt. ‘Denn der Gedanke des absoluten Nichts’, so Nambara, ‘schließt die Begegnung mit dem absoluten ein; diese vollzieht sich aber im Buddhismus, der einen persönlichen Gott nicht kennt und infolgedessen auch keine Anthropologie der Person wie das Christentum entwickelt hat, auf eine völlig andere Weise’‟, Volker Frederking, Durchbruch vom Haben zum Sein, 303-304. Vgl. Mirnou Nambara, “Die Idee des Absoluten Nichts in der deutschen Mystik und ihre Entsprechungen im Buddhismus,” Archiv für Begriffsgeschichte 6 (1960): 276-277.
80 _ Theological Forum Vol. 48 (2007) ähneln sich einander. Während das Nichts der Gottheit bei Eckhart sich nicht als ein Nicht-Gottessein angesichts der christlichen Ontologie, sondern als das Nichts für die Auffassung und Erfahrung des Gottesseins angesichts der christlichen mystischen Epistemologie zeigt, meint die buddhistische Leere (als weder das Sein noch das Nichtsein) die Bejahung der Welt der wahren Soheit durch die Negation (das Nichts) angesichts der buddhistischen Ontologie und der Epistemologie, wie Berg Berg ist und Wasser Wasser ist, weil Berg nicht Berg ist und Wasser nicht Wasser ist. Bei den Versuchen von Nishitani und Suzuki, die die Gottheit bei Eckhart und die buddhistische Leere als das absolute Nichts verstehen, gehen die Eigenschaften der beiden gleichzeitig verloren. Auf der Grundlage der zenbuddhistischen Leere ohne Gottesbegriff kritisiert Ueda das Nichts der Gottheit Eckharts mit dem Gottesbegriff. Aber das Nichts der Gottheit bei Eckhart bedeutet nicht das inkonsequentere Nichts als zenbuddhistische Leere, sondern ein anderes Nichts im Vergleich mit der zenbuddhistischen Leere. Vermutlich haben Nishitani, Suzuki und Ueda ein pantheistisches Verständnis von der im Menschen existierenden Buddhanatur für die menschliche Subjektivitätsfeststellung. Dadurch wird die menschliche Einheit mit dem Nichts der Gottheit bei Eckhart von dem christlichen Panentheismus Eckharts, der die Immanenz und die Transzendenz Gottes gleichzeitig betont, zum bud- dhistischen Pantheismus nur in der Welt reduziert. 3. Bezugnahme zu Korea Die koreanische Eckhartforschungsarbeit zum Verhältnis Eckharts mit dem Buddhistischen Nichts (sunyata: die Leere oder Leerheit)
Kim, Heyng-Gen Forschungsgeschichte zum Vergleich Meister Eckharts mit dem Buddhismus _ 81 wurde von der Kyoto-Schule, von der koreanischen „Indigenization Theology‟72) und von dem koreanischen Buddhismus73) beeinflusst. Im Jahre 1984 bezeichnet Bum-Chul Choi in seiner Magisterarbeit, „Absolute Nothing and Hans Waldenfels’ Kenosis Theology‟ Meister Eckhart als ein Beispiel für den christlichen Hintergrund des Nichts.74) Der von der Eckhartinterpretation Shizuteru Uedas75) beeinflusste Bum-Chul Choi nennt zwei Aspekte des eckhartschen Nichts: die Eigenschaft aller Kreaturen angesichts der Gottesgeburt in der Seele und das Wesen Gottes angesichts des Durchbruchs zur Gottheit. Eckhart sagt, „Alle Kreaturen sind ein reines Nichts. Ich sage nicht, dass sie geringwertig oder überhaupt etwas seien: sie sind ein reines Nichts. Was kein Sein hat, das ist nichts. Alle Kreaturen haben kein Sein, denn ihr Sein hängt an der Gegenwart Gottes. Kehrte sich 72) Die Indigenization Theology (auf Koreanisch To-Tsak-Hwa-Shin-Hak: 土着化神學, auf Englisch genau „Root-in of the Gospel‟ oder „Contextualization of the Gospel‟) wurde von der christlichen Hermeneutik beeinflusst und bedeutet, dass der Kern des Evangeliums seine Wurzel tief in koreanischen kulturellen Boden schlägt, in: Kwang-Sick Kim, Indigenization and Hermeneutics, (Seoul: Korean Christian Press, 1985), 13-33, Koreanisch. Seit 1960 stellte sich die ernstliche Disputation der Indigenization Theology in den koreanischen Kirchen ein. Die koreanische Indigenization Theology geht der Frage nach, wie Christentum auf den kulturellen Grundlagen des Buddhismus, des Konfuzianismus und des Taoismus angesichts der Kosmochristologie koreanisch verstanden werden kann, was also der Grund der Indigenization Theology ist, wie dabei dann die christliche Identität beibehalten werden kann, in: Chul-Ho Youn, “A Hermeneutical Study on Korean Indigenization Theology,” in: Christian Epistemology and Hermeneutics, (Seoul: Korean Presbyterian Press, 2001), 533-585 (Koreanisch). 73) Aus China etwa 4.-5. Jh. n. Chr. übernahm Korea den Buddhismus als die Weltreligion. Seitdem wirkt der koreanische Buddhismus sich noch heute auf die koreanische Denkweise, Einstellung und Gemütslage kontinuierlich aus, in: Tong-Shik Ryu, The Christian Faith of Korea Encounters The Religions of Korea, (Seoul: The Christian Literature Society of Korea, 2001), 35-60, Koreanisch. 74) Bum-Chul Choi, “Absolute Nothing and Hans Waldenfels’ Kenosis Theology,” Methodist Theological Seminary Graduate School 1984, 30, Koreanisch. 75) Shizuteru Ueda, Die Gottesgeburt in der Seele und der Durchbruch zur Gottheit.
82 _ Theological Forum Vol. 48 (2007) Gott nur einen Augenblick von allen Kreaturen ab, so würden sie zunichte.‟76) Deshalb sagt Bum-Chul Choi, dass, „wenn die Seele im- mer nichtiger und blößer wird, die Seele da die Einheit mit Gott errei- chen kann.‟77) Eckhart sagt auch: „Gott ist ein Nichts, und Gott ist ein Etwas. Was etwas ist, das ist auch Nichts. Was Gott ist, das ist er ganz.‟78) Deswegen denkt Bum-Chul Choi daran, dass die Seele aus dem Nichts durch Durchbruch und Abgeschiedenheit zur Gottheit in das Nichts der Gottheit ohne Gott zurückkehrt.79) Bum-Chul Choi akzeptiert das Nichtsverständnis von Hans Waldenfels als einen Baustein oder einen Berührungspunkt im Gespräch zwischen Christentum und Buddhismus80) in seiner Konsequenz. Zum wahren Dialogfeld zwi- schen Christentum und Buddhismus fordert Bum-Chul Choi von den beiden die Stellvertretung Jesu Christi für den andern und die „Loslösung‟ zur Barmherzigkeit.81) Bum-Chul Choi meint, dass es gut sei für die ethische Praxis, ein Modell zum wahren Dialog zwi- schen Christentum und Buddhismus vorzuzeigen. Aber die von S. Ueda beeinflusste Eckhartinterpretation von Bum-Chul Choi ist problematisch. 76) Predigt 4, Omne datum optimum et omne donum perpectum desursum est , LargierⅠ, 53. 77) Bum-Chul Choi, “Absolute Nothing and Hans Waldenfels’ Kenosis Theology”, 31. Vgl. „Und wie vorhin vom Leer-Sein oder Bloß-Sein gesagt wurde, daß die Seele, je lauterer, entblößter und ärmer sie ist und je weniger Kreaturen sie hat und je leerer an allen Dingen sie ist, die Gott nicht sind, um so reiner Gott und um so mehr in Gott erfaßt und mehr eins mit Gott wird‟, in: “Das Buch der göttlichen Tröstung”, in: LargierⅡ, 265-267. 78) Predigt 71, Surrexit autem Saulus de terra aperitisque oculis nihil videvat , LargierⅡ, 73. 79) Bum-Chul Choi, “Absolute Nothing and Hans Waldenfels’ Kenosis Theology”, 34-36. 80) Vgl. Jesus Christus, die Gestalt der „Leere‟ Gottes, in: Hans Waldenfels, Absolutes Nichts. 197-207. 81) Bum-Chul Choi, “Absolute Nothing and Hans Waldenfels’ Kenosis Theology”, 108- 117.
Kim, Heyng-Gen Forschungsgeschichte zum Vergleich Meister Eckharts mit dem Buddhismus _ 83 „A Comparative Study of the Detachment Eckhart’s and the Nothingness of Buddhism‟ von Min-Ju Shin, „A Study on the Mystical Thought of Meister Eckhart‟ von Jin-Su Kahng und „Mysticism of Buddhism and Christianity: Zen-Buddhism and Meister‟ von Ji-Youn Hah sind die Magisterarbeiten, die im Vergleich Eckharts mit dem Buddhismus sehr direkt sind. Eckhart sagt über die Abgeschiedenheit folgendes: „Nun magst du fragen, Was Abgeschiedenheit sei, das sie so gar edel ist sich selbst? Hier zu sollst du wissen, dass rechte Abgeschiedenheit nichts anderes ist, als dass der Geist so unbeweglich stehe gegenüber allem anfallenden Lieb und Leid, Ehren, Schanden und Schmähung, wie ein bleierner Berg un- beweglich ist gegenüber einem schwachen Winde. Diese unbewegliche Abgeschiedenheit bringt den Menschen in die größte Gleichheit mit Gott.‟82) Deshalb versteht Min-Ju Shin die Abgeschiedenheit Eckharts als die Selbstausleerung zur Einheit der Seele mit Gott.83) Eckhart sagt: „Abgeschiedenheit in die größte Gleichheit mit Gott ist die bes- sere Tugend als Liebe, Demut, und Barmherzigkeit. Kurz gesagt: Wenn ich alle Tugenden ansehe, so finde ich keine so ohne Makel und so Gottverbindend, wie es die Abgeschiedenheit ist.‟84) Die von Min-Ju Shin angeführten Übereinstimmungen zwischen dem Nichts des Mahayanabuddhismus und Eckhart beziehen sich auf das Verständnis Eckharts von der zeitlosen Schöpferkraft Gottes85) und 82) “Von Abgeschiedenheit,” LargierⅡ, 443. 83) Min-Ju Shin, “A Comparative Study of the Detachment Eckhart’s and the Nothingness of Buddhism,” Hanshin University Theological Seminary 1998, 18-26 (Koreanisch). 84) “Von Abgeschiedenheit,” LargierⅡ, 435-441. 85) „Der Seele Tag und Gottes Tag sind unterschieden. Wo die Seele in ihrem natürlichen Tage ist, da erkennt sie alle Dinge über Zeit und Raum; kein Dinge ist ihr Fern oder nah. Darum habe ich gesagt, daß alle Dinge gleich edel seien in diesem Tage. Ich sagte einst, daß Gott die Welt jetzt erschafft, und alle Dinge sind gleich edel in diesem Tage. Würden wir sagen, daß Gott die Welt gestern oder morgen er-
84 _ Theological Forum Vol. 48 (2007) der Aufhebung der Logik des Subjekts und des Objekts im religiösen Erwachen.86) Der von Min-Ju Shin herausgearbeitete Unterschied zwi- schen dem absoluten Nichts des Buddhismus und Eckhart ist „das erfüllende Gottessein in der durch die Abgeschiedenheit ausgeleerten Seele.‟87) Min-Ju Shin nennt Ähnlichkeiten und Unterschiede zwi- schen dem buddhistischen Nichts und der Abgeschiedenheit Eckharts, und er fordert uns auf, dem Beispiel Christi zu folgen. Der von Min-Ju Shin vorgetragene Unterschied zwischen der Leere als das absolute Nichts des Buddhismus und dem Nichts Eckharts als eine Eigenschaft des Gottesseins wirkt jedoch unklar, weil er beide als gleichwertige Wege zur Befreiung betrachtet.88) Im Vergleich ähnelt der Aufsatz von Jin-Su Kahng sehr der Magisterarbeit von Min-Ju Shin, mit Ausnahme „der Gnade Gottes in der Heilsgeschichte und der chris- tlichen Innovationskraft in der Sozialethik‟ als die entscheidenden Unterschiede zwischen dem Christentum und dem Buddhismus.89) William Johnston sagt in seinem Buch „The Still Point: Reflections schüfe, so würden wir uns töricht verhalten. Gott erschafft die Welt und alle Dinge in einem gegenwärtigen Nun, und die Zeit, die da vergangen ist vor tausend Jahren, die ist Gott jetzt ebenso gegenwärtig und ebenso nahe wie die Zeit, die jetzt ist‟, in: Predigt 10, In diebus suis placuit deo et inventus est iustus , Largier Ⅰ, 129. 86) „Geh’ völlig aus dir selbst heraus um Gottes willen, so geht Gott völlig aus sich selbst heraus um deinetwillen. Wenn diese beiden herausgehen, so ist das, was bleibt, ein einfaltiges Eins. In diesem Einen gebiert der Vater seinen Sohn im innersten Quelle‟, in: Predigt 5B, In hoc apparuit caritas dei in nobis , LargierⅠ, 73. 87) Min-Ju Shin, “A Comparative Study of the Detachment Eckhart’s and the Nothingness of Buddhism,” 54. Vgl. „Und du sollst wissen: Leer sein aller Kreatur ist Gottes voll sein, und voll sein aller Kreatur ist Gottes leer sein,‟ “Von Abgeschiedenheit”, Largier Ⅱ, 443. 88) Ebd., 54-56. 89) Jin-Su Kahng, “A Study on the Mystical Thought of Meister Eckhart,” Hanshin University Theological Seminary 2000, 53-54 (Koreanisch).
Kim, Heyng-Gen Forschungsgeschichte zum Vergleich Meister Eckharts mit dem Buddhismus _ 85 on Zen and Christian Mysticism‟, dass die Gestalt des innerlichen Lebens des Menschen irgendwo gleich ist. Obwohl der Herzenswunsch des Menschen das unterschiedliche Leben enthüllt, ist das tatsächlich einerlei. Aus diesem Grund vergleicht Ji-Yun Ha den Buddhanaturbegriff des Buddhismus mit dem Gottesbegriff des Christentums angesichts des Mystizismus, und sie versteht den Buddhanaturbegriff und den Gottesbegriff als gleichbedeutend.90) Die Unterschiede des Buddhismus und des Christentums aufzuheben und den Dialog mit den beiden zu versuchen, ist lobenswert. Aber der Gegenstand des Vergleichs ist problematisch. Nach meiner Meinung ist der Vergleich des Buddhanaturbegriffes mit dem eckhartschen Seelenfunken im Menschen viel besser als der Vergleich des Buddhanaturbegriffes mit dem Gottesbegriff. Denn der Buddhanaturbegriff entspricht nicht etwas außerhalb des Menschen, sondern dem immanenten Begriff im Menschen wie christlicher „imago Dei‟. Im Jahre 2003 hat Hee-Sung Keel eine Arbeit über die wissen- schaftliche Eckhartforschung91) auf der Grundlage englischer und deutscher Forschungsmaterialien geschrieben. Das Eckhartforschungsbuch von Hee-Sung Keel ist religionswissenschaftlich und theologisch solider. Hee-Sung Keel behauptet, „dass Eckhart für ihn zu wissen wie eine Offenbarung Gottes zu ihm herkommt, und dass die chris- tliche Spiritualität Eckharts mit Auffassungen im Zen-Buddhismus zur Verwirklichung des wahren Menschseins identisch ist.‟ Auch vertritt er die These, „dass die Rechtfertigungslehre Martin Luthers und die des japanischen buddhistischen Meisters Shinran gleich sind.‟92) 90) Ji-Yun Ha, “Mysticism of Buddhism and Christianity: Zen-Buddhism and Meister Eckhart”, Catholic University of Daegu Graduate School 2003, 65-67, Koreanisch. 91) Hee-Sung Keel, The Spiritual Thought of Meister Eckhart, Koreanisch. 92) Ebd., 5-6, 18. Vgl. Takeo Ashizu, Shinran (親鸞) als „Japanischer Luther‟ über das
86 _ Theological Forum Vol. 48 (2007) Einige von Hee-Sung Keel verglichene Bezugspunkte Eckharts zum Zen-Buddhismus sind „die Abgeschiedenheit und der Weg zum Nicht- Denken‟, „die ruhige Wüste der Gottheit und der Dharmakayabuddh a93) ohne Bild und ohne Sprache‟, „der reine Intellekt ohne Bild und die Buddhanatur wie der reine und helle Spiegel‟, „das ledige und freie Leben ohne Warum und ein wahrer Mensch ohne Unterschied zwischen dem heiligen und weltlichen Leben.‟94) Obwohl Hee-Sung Keel Eckhart auf einer tieferen Ebene vorstellt und zur Gleichheit Eckharts und des Buddhismus kommt, ist er dennoch in Bezug auf die Differenzen zwischen Eckhart und dem Buddhismus zu nachlässig. 4. Zusammenfassung und Abschluss Wie oben erwähnt, sprechen die meisten Forscher von Übereinsti- mmungen Eckharts mit dem Buddhismus. Obwohl auch vertreten wird, dass beide ungleich sind, werden die Ungleichheiten der beiden vom theologischen Standpunkt Eckharts aus nicht genügend bewertet. Der Religionspluralismus, der die Gleichheiten der beiden verstärkt wissen will, wirkt auf diese Forschungsresultate einseitig hin. Die Grundvoraussetzung der bisherigen Forschungen zum Dialog Eckharts Nembutsu, Martin Kraatz (Hg.), Luther und Shinran - Eckhart und Zen, (Köln: Brill, 1989), 1-20; Understanding Shinran; a Dialogical Approach, (Fremont, California: Asian Humanities Press, 1995), übersetzt auf Koreanisch von Hee-Sung Keel als Japanische Gedanken des reinen Landes, 1999. 93) Auf Chinesisch Fa-Shen-Fo (法身佛): die wahre und immer so seiende Buddhanatur. 94) Hee-Sung Keel, The Spiritual Thought of Meister Eckhart,, 19, Koreanisch. Vgl. ebd., 114-115, 161-169, 182-183, 195, 202, 216-217. 267-268; Sung-Hae Kim, Chong-Bum So und Hee-Sung Keel, Zen-Buddhism and Christianity, (Seoul: Pauline, 1996), 175-227 (Koreanisch); Hee-Sung Keel, Bodhisattva (菩薩) Jesus: A Creative Encounter of Buddhism and Christianity, (Seoul: Hyenamsa, 2004) (Koreanisch).
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