FOTOGRAFIE AM BAUHAUS - GESCHICHTE DER FOTOGRAFIE Christa Romana Scharf | PFSÖ-Jahrgang 32

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FOTOGRAFIE AM BAUHAUS - GESCHICHTE DER FOTOGRAFIE Christa Romana Scharf | PFSÖ-Jahrgang 32
FOTOGRAFIE
AM BAUHAUS

GESCHICHTE DER FOTOGRAFIE
Christa Romana Scharf | PFSÖ-Jahrgang 32
FOTOGRAFIE AM BAUHAUS - GESCHICHTE DER FOTOGRAFIE Christa Romana Scharf | PFSÖ-Jahrgang 32
Vorwort
Persönlicher Zugang zu diesem Thema

     ie Fotografie am Bauhaus zog mein Interesse an, weil sie in einem
D    zeitlichen Kontext mit der Eroberung der Fotografie eines breiten
Raumes außerhalb professioneller Studios steht. Die Technik war so weit
fortgeschritten, dass es möglich war mit kleinen Kameras und kurzen
Belichtungszeiten neue Horizonte auszuloten.
   Das, was sich innerhalb der Schule des Bauhauses in diesem Bereich
entwickelte - der Weg von einem experimentellen, spielerischen Umgang
mit der Fotografie, bis hin zur sachlichen, fast wissenschaftlichen Ausein-
andersetzung mit dem technischen Hintergrund, repräsentiert für mich
persönlich einen Weg, der sich auch heute noch bei jedem einzelnen von
uns Fotografiebegeisterten in gewisser Weise wiederspiegelt.
   Das anfängliche ausprobieren, experimentieren und spielen mit unse-
ren ersten Digicams, bei denen noch nicht so sehr die perfekte Umset-
zung als vielmehr die Neugierde und die Suche nach einem geeigneten
Augenblick uns antreibt, bis zur tiefer gehenden, fast sezierenden Übung
und genau geplanten Komposition einer möglichst „perfekten“ Auf-
nahme. Während der Recherche des Themas fand ich viele Ähnlichkeiten
mit dem Lehrplan der Prager Fotoschule Österreich, eine Entdeckung, die
meine ursprünglich intuitive Themenwahl schließlich in einem ganz per-
sönlichem Kontext erscheinen lässt.
                                                     Christa Romana Scharf

                                                                              Fotografie am Bauhaus   |   3
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Bauhaus Design-Metallwerkstatt: Marianne Brandt, Christian Dell, László Moholy-Nagy, Hans Przyrembel, Wilhelm Wagenfeld u. a.

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Der Beginn
László Moholy-Nagy - das neue Sehen

        enn sie auch hie und da schon früher zum Einsatz kam, wurde die
W       Fotografie erst ab 1929 - zehn Jahre nach dessen Gründung - offizi-
elles Fach am Bauhaus. Diese späte Öffnung gegenüber zeitgenössischen
Medien war signifikant für die Umorientierung der Hochschule für Gestal-
tung unter dem Direktorat von Hannes Meyer.
   Jene Zeit war geprägt von der raschen Verbreitung einstmals kompli-
zierter Technik. Die erste benutzerfreundliche Kamera, die 1925 von Leitz
auf den Markt gebrachte Leica, wurde gemeinsam mit ihren zahlreichen
Nachahmerinnen fester Bestandteil des Alltagslebens. Kurze Belichtungs-
zeiten, einfache Bedienung und leichter Transport des Gerätes eröffneten
nicht nur Berufsfotografen eine ungeheure Bandbreite an Motiven und
Perspektiven außerhalb der Studiowände; auch der Laie nahm die Leica
mit ins Freie um gewöhnliche Sensationen seines Privatlebens einzufan-
gen. Es entstand eine neue Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem
Medium und neu zu erschließende Bildwelten.                                   László Moholy-Nagy
   Die damals einsetzende Bilderflut beeinflusste auch die Schüler am
Bauhaus. Durch Printmedien mit den Möglichkeiten der Fotografie ver-
traut, brannten sie darauf, deren kreatives Potential auch für ihre eigene
Arbeit zu nutzen. Das galt ebenso für die jüngere Lehrergeneration der
Hochschule wie László Moholy-Nagy, Herbert Beyer und Josef Albers.
Selbst ein konservativer Meister wie Lyonel Feininger begann auf Anre-
gung seiner Söhne Andreas und T.Lux zu fotografieren. Amateure am
Bauhaus mussten sich jedoch das notwendige Wissen auf eigene Faust
aneignen oder sich an anderen Institutionen ausbilden lassen. Konkurrie-
rende Schulen waren hier vorangeschritten und hatten den Kult um archa-

                                                                               Fotografie am Bauhaus   |   5
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ische Abbildungsformen bereits weit hinter sich gelassen. Das Bauhaus
                                        blieb jedoch in seinen Anfangsjahren von der Dominanz der alten Künste
                                        und Disziplinen geprägt. Die zahlreichen Fotografien aus den turbulen-
                                        ten Gründerjahren Weimars und später in Dessau waren zumeist improvi-
                                        sierte Schnappschüsse, welche die täglichen Ereignisse des Studienbetrie-
                                        bes fest hielten. Vieles von dem, was wir heute über das konkrete Leben
                                        am Bauhaus wissen, resultiert aus der Vielfalt der dort aufgenommenen
                                        Fotografien. Obwohl eine Kamera damals für die Studenten eine erheb-
                                        liche finanzielle Belastung darstellte, war ihr erwerb für viele erstrebens-
                                        wert. Der Kauf des Fotoapparates stellte aber nicht die einzige finanzielle
                                        Ausgabe dar. Dazu kamen hohe Kosten für Ausrüstung, Chemikalien und
                                        Papier. Darüber hinaus standen den Schülern trotz aller Eigeninitiative
                                        immer noch keine Dunkelkammern zur Verfügung. Abzüge wurden in
                                        umfunktionierten Badezimmern und anderen Räumlichkeiten hergestellt.
                                        Erst nach dem Umzug der Hochschule richteten einige der Lehrenden in
        László Moholy-Nagy, Fotogramm   ihren Dessauer Meisterhäusern Dunkelkammern ein.
                                           Bei Aufnahmen für Werbezwecke und für die Öffentlichkeitsarbeit wur-
                                        den in der Regel professionelle Fotografen engagiert. Lucia Moholy und
                                        Erich Consemüller waren die prominenten Dokumentaristen der Schule
                                        und ihrer Produkte. Im Zentrum der künstlerischen Reform standen diese
                                        Fotografien aber nicht. Entschieden hatte Walter Gropius schon 1923 eine
                                        neue Einheit von Kunst und Technik gefordert; eine Programmatik, die die
                                        allgemeine Grundtendenz des Wandels von einer Künstlergemeinschaft
                                        zur technisch orientierten Hochschule für Gestaltung anschob. Im Zuge
                                        des ideologischen Fortschreitens lud Gropius den Künstler László Moholy-

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Nagy, ein, als Leiter der Metallwerkstatt und als Vorkurslehrer am Weimarer
Bauhaus zu wirken. Der frische Wind, den der Neuerer in die Ausbildung
brachte, entsprach der Stimmung vieler Studenten. so wurde er zum uner-
müdlichen Propagandisten des Wandels und zum lautstarken Befürworter
der Integration der Fotografie in der Lehre.
   Gerade der „technische Blick“ des Kameraauges jenseits individueller
Künstlerhandschrift ließen für ihn das Medium geeignet erscheinen, eine
Bildsprache für die moderne Gegenwart zu schaffen. Fotogramme, unmit-
telbare Lichtabdrücke von Gegenständen auf das Papier, aber mehr noch
eigenwillig schräge, oft geometrisch gebaute Kompositionen aus unge-
wöhnlichen Perspektiven galten ihm als angemessener Ausdruck visueller
Kultur im industriellen Zeitalter. Dass Moholy-Nagy selbst - gemessen an
den hohen Standards der alten Berufsfotografie - ein Laie war, störte ihn
wenig. Es sollte ja gerade jener Automatismus der technischen Appara-
tur sein, der überlieferte handwerkliche Könnerschaft obsolet machte. Für
die mit ihren Leicas ausgestatteten dilettierenden Studenten bot sich so
reichlich Gelegenheit, ihre Experimentierlust auch in die offizielle Ausbil-
dung einzubringen.                                                             Gertrud Arndt, Selbstportrait

                                                                                     Fotografie am Bauhaus     |   7
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Marianne Brandt, Selbstportrait
                                Die Künstlerin Marianne Brandt studierte
                                in der Vorklasse bei László Moholy-Nagy.
                                Zu ihren weiteren Lehrern gehörten Josef
                                Albers, Wassily Kandinsky und Paul Klee.
                                1925 zog das Bauhaus nach Dessau um. 1927
                                verbrachte sie einen Arbeitsaufenthalt in
                                Paris. Noch während des Studiums wurde
                                sie zur kommissarischen Leiterin der Metall-
                                werkstatt des Bauhauses ernannt. Viele
                                bekannte Entwürfe entstanden während
                                ihrer Studienzeit. Lampen, die zum Teil in
                                Serie gingen, findet man heute beispiels-
                                weise noch im Museum of Modern Art in
                                New York. Manche Entwürfe, z. B. Aschen-
                                becher, werden heute noch in unveränder-
                                ter Form hergestellt. 1929 machte sie ihren
                                Abschluss mit Diplom und arbeitete im
                                Bau-Atelier von Walter Gropius in Berlin mit.

8   |   Fotografie am Bauhaus
Hajo Rose, Selbstportrait
Rose erhielt 1933 eines der letzten Bauhaus-
Diplome und emigrierte 1934 in die Nie-
derlande, wo er als Werbegrafiker arbeitete
und unterrichtete. Mit der Leica verband
den Dessauer Bauhaus-Schüler Hajo Rose
(1910 bis 1989) ein besonderes Verhältnis:
„Diese Kamera war damals ähnlich vollkom-
men wie unser Bauhaus, lag so vorzüglich
in den Händen, war so leicht, wie es sich
für ein Präzisionswerkzeug gehörte. Sie
erlaubte mir, von der reproduktiven zur
produktiven Fotografie umzusteigen.“

              Fotografie am Bauhaus     |    9
Walter Peterhans „Weekend“ Medium gelatin silver print, 125.5 x 33 cm., 1929

10   |   Fotografie am Bauhaus
Der Wandel
Walter Peterhans - die neue Sachlichkeit

      it dem Weggang von Gropius, Moholy-Nagy ind Herbert Bayer 1928
M     zeichnete sich eine „Wachablösung“ am Bauhaus ab. Im April 1927
wurde Hannes Meyer, ein für seine linksgerichteten politischen Anschau-
ungen bekannter Architekt, neuer Direktor der Schule. Meyers Interesse
war eine Vormachtstellung der Architektur und die verstärkte Betonung
soziale Aspekte in der künstlerischen Arbeit.
   Vor diesem Hintergrund beauftragte Meyer 1929 Walter Peterhans,
einen 32jährigen Fotografen mit einem Studio in Berlin, den ersten offi-
ziellen Kursus un Fotografie zu unterrichten. Peterhans, ausgestattet mit
umfassenden technischen Können und praktischer Erfahrung als Berufs-
fotograf, vermittelte zwischen den Traditionen fotografischen Handwerks
und der Ästhektik der Neuen Sachlichkeit. Dieses Programm stand in ext-
remem Kontrast zu den technischen Utopien Moholys. Während Moholy
die Grenzen des Mediums im Experiment auslotete, war dem neuen Bau-
meister an einer adäquaten, ja dienenden Darstellung der Dingwelt gele-
gen. Jede Fertigkeit, die Objektwelt genau und scharf - eben „objektiv“        Walter Peterhans
wiederzugeben, war ihm Grundvoraussetzung für den Einsatz der Technik
im Kontext praktischer wirtschaftlicher Anwendung.
   Daneben verstand sich sein Kursus auch als Anleitung zu geübtem
Umgang mit dem wichtigen Werkzeug des Grafikdesigns, nämlich der
Fotografie, und nicht als Ort für die Ausbildung subjektiver Kreativität von
Künstlerindividuen. Darauf aufbauend wurde Fotografie als Teil der Werk-
statt für Druck/Reklame/Ausstellungswesen unter der Leitung von Joost
Schmidt unterrichtet. Peterhans, der nicht nur ein vollendeter Techniker,
sondern auch ein engagierter Lehrer war, widmete sich dieser pädago-

                                                                               Fotografie am Bauhaus   |   11
gischen Herausforderung mit großem Elan und einem Interesse an der Vermittlung, das ihn deutlich von den
die Lehre als leidige Pflicht missachtenden Altmeistern im Hause war. Die „Fototheorie Peterhans“ vereinte die
akademischen Anforderungen einer Universität mit der praktisch orientierten Ausbildung einer technischen
Schule. Seine Vorlesungen glichen gelegentlich einem wissenschaftlichen Vortrag, und die Aufzeichnungen
seiner Schüler lesen sich wie Chemiefibeln, ausgefüllt mit detaillierten, pedantisch festgehaltenen Notizen über
chemische Reaktionen und Versuchsanordnungen in der Fotografie.
   Peterhans trat dafür ein, zunächst aufmerksam zu beobachten und das weitere Vorgehen zu planen, bevor
die Kamera zum Einsatz käme. Die Fotoaufnahme oder Komposition wurde zu einem intellektuellen Unterneh-
men. Seiner Ansicht nach waren Analyse, Vorbereitung und Begabung für eine erfolgreiche Aufnahme weitaus
wichtiger, als der berühmte „entscheidende Moment“ am Auslöser. Dies stand im Gegensatz zu den gewagten
Perspektiven Moholys und der Fotografie des „Neuen Sehens“, wobei letztere Methode, Peterhans zufolge, an
Respekt vor der Qualität des Mediums missen lässt: die faszinierende Fähigkeit der Kamera zur objektiven Wie-
dergabe der Dingwelt.
   Er ermutigte seine Schüler, statt der bis dahin geübten Vorliebe für Schwarz-Weiß-Kontraste in ihren Arbeiten
eine möglichst breite Palette an Grautönen zu erzielen. Dazu braucht man neben einem erstklassigen Negativ
natürlich Kenntnisse über den optimalen Einsatz der Dunkelkammer um schlussendlich ein wirklich gutes Foto
zu erhalten. Daneben lernten die Schüler Beleuchtung und Bildgestaltung als die wesentlichen Voraussetzun-
gen, das Potential eines Negatives voll auszuschöpfen. In der Praxis experimentierten sie mit unterschiedlichen
Oberflächenstrukturen und Objektivfiltern. Die Bedingungen, unter denen die jeweiligen Aufnahmen entstan-
den waren, wurden dabei fein säuberlich neben dem Bild eingetragen. Zu weiteren Aufgaben gehörte, die
Ergebnisse angemessen zu präsentieren, die sich mit den verschiedenen Modellen der im Handel erhältlichen
fotografischen Platten erzielen ließen.
   Diese Übungen vermittelten nicht nur theoretisches Wissen, sondern gaben den zukünftigen Berufsfoto-
grafen praktische Orientierungen.An die Stelle unbekümmerten individuellen Ausdrucks und der stürmischen
Aneignung des Apparates durch die Bauhäusler war die Indienstnahme der Kameratechnik durch Werbung und
Presse getreten - war eine Wendung vom „Neuen Sehen“ zur angewandten Sachfotografie erfolgt. der Amateur
war in den frühen 30er Jahren schließlich zum Profi gereift.

12   |   Fotografie am Bauhaus
Grete Stern, Portrait Ellen Auerbach
Um 1930, Modern Print, Gelatinesilber glän-
zend, 27,9 x 21,6 cm
Ein Portrait durch liegende Position in
äußerster Entspannung aufzunehmen, war
eine Methode ihres Lehrers Peter Panhans
Hier sind Hand und Gesicht mit dunkler
Rahmung und geringer Schärfentiefe zur
hellen, weichen Fläche zurückgenommen,
die das Bild allein auf die Zeichnung der in
die Weite blickenden Augen konzentriert.

              Fotografie am Bauhaus       |   13
Impressum:
                                 Geschichte der Fotografie – JG 32
                                 Christa Romana Scharf

                                 Vortragender: Kurt Hörbst
                                 Ausgabe September 2011
                                 Auflage: 1 Stück

                                 Quelle für Bild und Text: „Bauhaus“
                                 Hrsg. Jeannine Fiedler, Peter Feierabend
                                 Verlag h.f ullmann sowie Internet

                                 Schrift: Helvetica, Myriad Pro
                                 Druck: Druckerei Queiser, Enns

14   |   Fotografie am Bauhaus
Eine Betrachtung der Enwicklung der Fotografie im Unterricht an der Institu-
tion des Bauhauses als Abschlussarbeit der „Geschichte der Fotografie“ der
                       Prager Fotoschule Österreich
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