Einschlusskörpermyositis Inclusion Body Myositis - MANAGEMENT OF
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MANAGEMENT OF NEUROMUSCULAR DISEASES LETTER NR. 30 Einschlusskörpermyositis Inclusion Body Myositis Dieter Pongratz Zusammenfassung Die sporadische Einschlusskörpermyosi- nose, welche auf der einen Seite andere tis (s-IBM) ist eine chronisch progredien- Myopathien, von der hereditären Ein- te entzündliche Muskelkrankheit, die vor- schlusskörpermyopathie angefangen bis wiegend jenseits des 25. Lebensjahres hin zu inflammatorischen progressiven überwiegend bei Männern auftritt und Muskeldystrophien, beinhaltet, auf der histologisch durch so genannte „rimmed anderen Seite immer wieder in frühen vacuoles“ und eosinophile zytoplasmati- Phasen zu Verwechslungen mit neuroge- sche Einschlüsse gekennzeichnet ist. nen Erkrankungen, hier vor allem einer Elektronenmikroskopisch findet man im frühen Form der ALS, Anlass gibt. Kern und Zytoplasma filamentäre Ein- Therapeutische Möglichkeiten sind rar. schlusskörper. Die Ätiologie ist bislang Immunsuppressiva haben sich als weitge- unklar. Verschiedene Mechanismen, teils hend unwirksam erwiesen. Eine Stabili- entzündlicher, teils degenerativer Art, sierung des Krankheitsverlaufs konnte werden diskutiert. Wahrscheinlich han- bislang nur durch hochdosierte intravenö- delt es sich um einen primär degenerati- se Immunglobulintherapie (IVIG) erreicht ven Prozess, in dessen Gefolge eine chro- werden. Ein besseres Verständnis der nische immunogene Myositis auftritt. Pathogenese könnte in Zukunft zu verbes- Besonders wichtig ist die Differenzialdiag- serten therapeutischen Optionen führen.
2 Ätiologie und Pathogenese vacuoles“ rücken die IBM in die Nähe der Einschlusskörpermyositis neurodegenerativer Erkrankungen Die Einschlusskörpermyositis wurde als (Askanas et al., 1998). Weiterhin konnte klinische Entität erstmals 1978 von Car- vor kurzem gezeigt werden, dass Homo- penter et al. beschrieben. Sie tritt spora- zygotie für Methionin am Codon 129 des disch (s-IBM) auf und muss klinisch und Prion-Gens einen genetischen Risikofak- morphologisch von den hereditären For- tor für die Entwicklung einer IBM dar- men (h-IBM) der Erkrankung abgegrenzt stellt (Lampe et al., 1999). werden. Die Pathogenese der s-IBM ist bisher Neueste Erkenntnisse zur Expression unklar. Es werden verschiedene Mecha- des Chaperon-Proteins αB-Crystallin im nismen diskutiert. IBM-Muskel ermöglichen eine Verbin- Die Ähnlichkeit der filamentären Ein- dung der widersprüchlichen pathogene- schlüsse bei der s-IBM mit Nukleokapsi- tischen Hypothesen, einerseits einer den der Paramyxovirusgruppe führte lan- neurodegenerativen, andererseits einer ge Zeit zur Annahme einer Slow-Virus- entzündlichen Erkrankung. αB-Crystallin Infektion (Chou, 1986), was sich in der (αB-C) wird in Astrozyten und Mikroglia- Folgezeit jedoch nicht verifizieren ließ. zellen in der Nähe seniler Alzheimer Die auffällige Akkumulation von einsträn- Plaques überexprimiert. Eine Untersu- gigen DNA-Bindungsproteinen in Skelett- chung über eine mögliche Überexpressi- muskelfasern hat zur Vermutung einer on von αB-Crystallin in Muskeln mit s- Kern-Matrix-Störung geführt (Nalbanto- IBM ergab eine verdächtige Anhäufung glu et al., 1994). Abnorme Mitochondrien in histologisch betroffenen Muskelfa- und zahlreiche COX-negative Fasern im sern, darüber hinaus aber auch in mikro- Biopsie-Präparat haben die Hypothese skopisch noch unauffälligen Fasern. Bei gestützt, dass mitochondriale DNA-Dele- Patienten mit Polymyositis und bei tionen eine zusätzliche Rolle in der Patho- Gesunden konnte keine Überexpression genese der Erkrankung spielen (Oldfors von αB-Crystallin gefunden werden et al., 1993). Letztere werden jedoch eher (Banwell, Engel, 2000). wieder als Sekundärphänomene in der Im Verlauf ist eine Autoimmunpathoge- Pathogenese angesehen (Horvath et al., nese der s-IBM aufgrund der T-Zell-ver- 1998). mittelten Zytotoxizität im entzündlich Die Akkumulation von Ubiquitin, β-Amy- veränderten Muskel wahrscheinlich. Die loid-Protein, β-Amyloid-Vorläuferpro- IBM ist außerdem MHC 1-Klasse Antige- tein, Apolipoprotein E, α1-Antichymo- nen sowie DR-Antigenen assoziiert (Gar- trypsin, Presenilin-1 und hyperphos- lepp et al., 1994), was sowohl für eine phoryliertem Tau- und Prion-Protein in autoimmune Komponente als auch für den pathognomonischen „rimmed eine genetische Prädisposition spricht.
3 ist die schon initiale Beteiligung distaler Abbildung 1: Muskelgruppen, im Wesentlichen der Fin- Sporadische Einschlusskörper- gerbeuger und der Fußheber sowie die myositis. asymmetrisch angeordneten Muskelatro- Typische Atrophie der Arm- phien mit Betonung der Quadriceps- flexorenmuskulatur. Gruppe und der Armflexoren (Abbildung 1). Häufig besteht begleitend eine Schluckstörung. Diagnostik Notwendig zur Diagnosestellung sind ein passendes klinisches Bild, die Erhöhung der Kreatinkinase (CK) im Serum (häufig nur milde Erhöhung der CK!) sowie der elektromyographische Nachweis eines sog. „Mischmusters“, fakultativ mit pathologischer Spontanaktivität (Fibrilla- tionen, positive scharfe Wellen) in Ruhe. Morphologisch zeigt sich das Bild einer diffusen Polymyositis (oft nur gering aus- geprägt, chronisches Stadium) (Abb. 2a) mit • lymphohistiozytären Infiltraten mit Inva- dierung von Lymphozyten in nicht nekro- tische Muskelfasern, vorwiegend endo- Symptome mysial (teilweise sehr gering) lokalisiert, Die s-IBM ist eine chronisch progressive • diffuser Schädigung des Parenchyms entzündliche Muskelerkrankung mit bis- und lang unterschätzter Häufigkeit. Zwi- • meist reichlich „rimmed vacuoles“ mit schenzeitlich wächst die Evidenz, dass es eosinophilen zytoplasmatischen Ein- sich bei der s-IBM um die nach der Der- schlüssen (Abb. 2b). matomyositis häufigste entzündliche Zusätzlich sind Zeichen einer neurogenen Muskelkrankheit handelt. Männer sind Muskelatrophie möglich. Immunhistolo- dreimal häufiger betroffen als Frauen. Die gisch finden sich vorwiegend T8-Lym- Erkrankung tritt im Wesentlichen jenseits phozyten. Als beweisend gilt der elektro- des 50. Lebensjahres auf. Selten können nenmikroskopische Nachweis von fila- jedoch auch Kinder und Jugendliche mentären Einschlüssen im Zytoplasma betroffen sein. Klinisch charakteristisch sowie in den Kernen (Abb. 3). Alternativ
4 ist eine Kongorot-Färbung zum positiven suppressiven Substanzen miteinander Nachweis von Amyloid zu fordern. vor. Insgesamt wird das Ansprechen der s-IBM auf immunsuppressive Therapie Differenzialdiagnostik bis heute kontrovers diskutiert, nur noch Differenzialdiagnostisch muss die s-IBM wenige Autoren halten einen Therapie- von den hereditären Formen der Erkran- versuch (Kortikosteroide plus Azathioprin kung und anderen Myopathien mit „rim- oder Methotrexat) über 3 – 6 Monate für med vacuoles“, von therapieresistenten gerechtfertigt. Formen der Polymyositis und in seltenen Eine plazebo-kontrollierte Pilotstudie mit Fällen auch von frühen Stadien der Antithymozytenglobulin (ATG) und amyotrophen Lateralsklerose (Cave: bei Methotrexat über zwölf Monate bei zehn der s-IBM treten keine Faszikulationen Patienten zeigte eine gleichbleibende auf!) abgegrenzt werden. Muskelkraft in der ATG/MTX-Gruppe gegenüber einer Verschlechterung von Therapie 15 % in der Plazebogruppe, schwere Bislang hat sich die s-IBM weitgehend Nebenwirkungen traten nicht auf. Eine therapierefraktär gezeigt. Kortikosteroide Anwendung bei „jungen“ IBM-Patienten und Immunsuppressiva haben sich empi- mit rasch progredientem Krankheitsver- risch mit wenigen Ausnahmen als lauf wird von den Autoren postuliert unwirksam erwiesen, kontrollierte Studi- (Lindberg et al., 1999). en liegen jedoch weder zur Wirksamkeit Ein Therapieerfolg unter wiederholter von Kortikosteroiden noch zum Wirksam- Immunabsorption ist bei einem Patienten keitsvergleich der verschiedenen immun- mit Einschlusskörpermyositis und mono- Abbildung 2 a und b: Sporadische Einschluss- körpermyositis. a) Muskelbioptischer Nach- weis entzündlicher Infiltrate und „rimmed vacuoles“ innerhalb von Muskelfasern. HE-Färbung, Vergrößerung 100-fach. b) Typische eosinophile „rimmed vacuoles“. HE-Fär- bung, Vergrößerung 400-fach.
5 Abbildung 3: Elektronenmikroskopisch entsprechen die „rimmed vacuoles“ sog. autophagischen Vakuolen mit myelinkonfigurierten Abbauprodukten. Zusätzlich lassen sich filamentäre gebündelte Strukturen als Beleg für das Vorliegen einer Einschlusskörpermyositis nachweisen. Die Abbildung verdanken wir der Kooperation mit Prof. Dr. med. J. Müller-Höcker, Pathologisches Institut der Universität München. klonaler Gammopathie beschrieben studie konnte keine Wirksamkeit von β- (Nakayama et al., 2000); diese Therapie- Interferon (INF-β1a, Avonex®) auf die form könnte Mittel der Wahl sein, wenn Muskelkraft von 30 s-IBM-Patienten zei- neben der IBM noch andere immunologi- gen (The Muscle Study Group 2001). sche Besonderheiten bestehen. Eine den Krankheitsverlauf stabilisieren- Eine aktuelle kontrollierte Pilotstudie bei de Wirkung wurde bislang nur unter 19 s-IBM-Patienten mit Oxandrolon, hochdosierter intravenöser Immunglobu- einem synthetischen Androgen, zeigte lingabe gezeigt. Dalakas et al. konnten unter Kurzzeitsupplementation allenfalls eine signifikante Besserung der Schluck- einen Borderline-Effekt hinsichtlich Ver- funktion in einer kontrollierten Studie mit besserung der Muskelkraft (Rutkove et 19 s-IBM-Patienten belegen. Bei sechs al., 2002). Eine weitere kontrollierte Pilot- der Patienten, aber nicht in der gesamten
6 Behandlungsgruppe, zeigte sich auch regelmäßigen Physiotherapie Erwäh- eine funktionelle Besserung hinsichtlich nung finden, die einen Kraftzuwachs in Muskelkraft und Alltagsaktivitäten (Dala- den weniger atrophierten Muskeln sowie kas et al., 1997). In einer weiteren doppel- eine allgemeine Stabilisierung der Patien- blinden, plazebo-kontrollierten Studie ten bewirken kann (Spector et al., 1997). konnte bei 22 s-IBM-Patienten im Verlauf Dennoch muss sicherlich noch nach eines Jahres eine (nur im Neuromuscular effektiveren therapeutischen Optionen Symptom Score) signifikante Besserung gesucht werden. Da Zytokinen eine der Fähigkeit der Alltagsaktivitäten um Schlüsselrolle bei der Entstehung ent- 11 % bei gleichbleibender Muskelkraft zündlicher Muskelerkrankungen zukommt erreicht werden (Walter et al., 2000) Die (Amemiya et al. 2000), werden derzeit therapeutische IVIG-Dosis wird im Allge- zytokinmodulierende Substanzen unter- meinen initial mit 2 g/kg KG/Monat, ver- sucht. Das pathologisch veränderte T- teilt auf 2 – 5 Tage, angegeben; die Infusi- Zell-Verhältnis (Th1/Th2) stellt einen neu- onsgeschwindigkeit sollte zur Vermei- en therapeutischen Angriffspunkt dar und dung von Nebenwirkungen 200 ml/h könnte durch Immuntherapie korrigiert nicht übersteigen. International wird der werden (Megens de Letter et al., 1999). Es Einsatz von IVIG bei s-IBM uneinheitlich ist zu erwarten, dass ein besseres Ver- gehandhabt, eine Übersichtsarbeit aus ständnis der Pathogenese der IBM in dem Jahre 2002 kommt zu dem Ergebnis Zukunft auch zu verbesserten therapeuti- einer Klasse-Ib-Evidenz gegen den Ein- schen Optionen führen wird. satz von IVIG bei IBM (Cherin et al., 2002). Die Studie von Dalakas et al. sowie vier gut dokumentierte Einzelfälle sprechen allerdings für den Einsatz von Immunglo- bulinen bei dem Symptom Dysphagie. Verlauf und Prognose Der natürliche Verlauf der Erkrankung wurde in einer Follow-up-Studie über 58 Monate beschrieben; dabei wurde eine Verschlechterung der Muskelkraft nach MRC-Graden (Kraftgrade nach Medical Research Council) von 14 % pro Erkran- kungsjahr festgestellt (Lindberg et al., 1994). Vor diesem Hintergrund kann auch ein Verlangsamen der Progression als Therapieerfolg gewertet werden. Nicht zuletzt sollte die Notwendigkeit einer
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