FRAGEN UND ANTWORTEN ZUM HAZARD ANALYSIS AND CRITICAL CONTROL POINT (HACCP)-SYSTEM - BFR
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Bundesinstitut für Risikobewertung Information Postfach 12 69 42 • 10609 Berlin Tel. +49 30 18412-0 • Fax +49 30 18412-99099 bfr@bfr.bund.de • www.bfr.bund.de Fragen und Antworten zum Hazard Analysis and Critical Control Point (HACCP)-System Was bedeutet HACCP? HACCP und Managementsysteme für die Lebensmittelsicherheit Die Abkürzung HACCP steht im Englischen für Hazard Analysis and Critical Control Points (im Deutschen: Ge- Gemäß europäischem Lebensmittelrecht sind primär fahrenanalyse und kritische Kontroll-, Steuerungs- oder die LebensmittelunternehmerInnen zur Gewährleistung Lenkungspunkte). Das bereits in den 1960er Jahren der Lebensmittelsicherheit verpflichtet. Dazu müssen entwickelte HACCP-Konzept sollte ursprünglich dazu die Unternehmen auf allen Stufen der Lebensmittelkette dienen, sichere Nahrung für Astronauten herzustellen. (von der Primärproduktion über Herstellung, Verarbei- Das Verfahren und seine Grundsätze wurden in den fol- tung, Lagerung, Transport bis zum/zur Endverbrauche- genden Jahrzehnten u. a. durch internationale Organi- rIn) integrierte Managementsysteme für die Lebens- sationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO), mittelsicherheit etablieren, die mögliche Risiken für die die Internationale Kommission für mikrobiologische menschliche Gesundheit eliminieren oder zumindest Spezifikationen für Lebensmittel (ICMSF) und die Co- auf ein akzeptables Maß reduzieren. Die ISO 22000 dex Alimentarius-Kommission (CAC) stetig weiterentwi- beschreibt den Aufbau und Umfang von Management- ckelt und stellt mittlerweile ein international anerkanntes systemen für die Lebensmittelsicherheit. Als wesent- Verfahren dar, welches mittels einer systematischen Ge- liche Komponenten gelten in diesem Zusammenhang fahrenanalyse präventiv mögliche gesundheitliche Ge- eine gute Hygienepraxis (GHP), eine gute Herstellungs- fahren beherrschbar machen soll. praxis (GMP), ein betriebliches Eigenkontrollsystem zur © andresr/Gettyimages Abbildung 1: Eigenkontrollen helfen dabei gesundheitliche Gefahren, die von Lebensmitteln ausgehen können, zu identifizieren und durch geeignete Maßnahmen zu beherrschen. 1
Fragen und Antworten zum Hazard Analysis and Critical Control Point (HACCP)-System Überwachung der Basishygiene sowie HACCP-gestütz- CCPs umfassen auch oPRPs messbare bzw. sichtba- te Maßnahmen. Weitere Komponenten sind Verfahren re Kriterien bzw. Grenzwerte (einschließlich Monitoring, zur Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit und effi- Aufzeichnungen und Korrekturmaßnahmen). Für die ziente Rückrufsysteme. Zusammenfassend bestehen oPRPs wurde im Rahmen der betrieblichen Gefahren- Managementsysteme für die Lebensmittelsicherheit analyse festgestellt, dass sie zur Kontrolle von Gefah- aus Vorbeuge (Präventions)- und Notfallmaßnahmen ren für die Lebensmittelsicherheit in den Erzeugnissen sowie Eigenkontrollen. Die Eigenkontrollen basieren oder in der Verarbeitungsumgebung unerlässlich sind, üblicherweise auf den HACCP-Grundsätzen und sollen da sie die Wahrscheinlichkeit des Auftretens, des Ver- helfen, gesundheitliche Gefahren, die vom Lebensmit- bleibs oder der Verbreitung dieser Gefahren beeinflus- tel ausgehen könnten, zu identifizieren, zu bewerten sen. Im Gegensatz zu CCPs sind oPRPs jedoch nicht in und durch Kontrollsysteme beherrschbar zu machen. der Lage, die Gefahren vollständig zu eliminieren oder Der Schwerpunkt liegt auf der Prävention möglicher ge- auf ein akzeptables Maß zu senken. Wurde eine Gefahr sundheitlicher Gefahren und steht damit im Gegensatz identifiziert, die nicht durch einen CCP kontrolliert wer- zu Ansätzen aus der Vergangenheit, die den Fokus auf den kann, sollte immer geprüft werden, ob durch oPRPs die Endproduktprüfung legten. die Möglichkeit zur Risikominimierung besteht. Grundlagen des HACCP Das Zusammenspiel von HACCP und Basishygienemaßnahmen Eine international verbindliche Version des HACCP- Sys- tems findet sich im Regelwerk des FAO/WHO Codex Ali- Basishygienemaßnahmen (synonym Präventivpro- mentarius1 und ist Bestandteil der „Allgemeinen Grund- gramme; engl.: PRPs, prerequisite programs) bilden sätze der Lebensmittelhygiene“. Das HACCP-System ist die Grundlage der betrieblichen Hygiene. Sie sind zu- hiernach „ ... ein System, das dazu dient, bedeutende dem die Voraussetzung für eine wirksame Umsetzung gesundheitliche Gefahren durch Lebensmittel zu identi- der HACCP-Grundsätze und eines funktionierenden fizieren, zu bewerten und zu beherrschen“. Demzufolge HACCP-Systems und sollten daher bereits vor der Ein- sind spezifische Gesundheitsgefahren für Konsumenten führung der HACCP-gestützten Verfahren etabliert wer- (z. B. chemische, physikalische oder mikrobiologische den. Die Basishygienemaßnahmen umfassen neben Gefahren) zunächst zu identifizieren und die Wahr- anderen Verfahren die GHP und GMP. Die Basishygi- scheinlichkeit und Bedeutung ihres Auftretens zu be- eneprogramme legen die vorgeschriebenen hygieni- werten. Aufgrund dieser Analyse sind die notwendigen schen Anforderungen an die räumlichen und techni- vorbeugenden Maßnahmen festzulegen, mit denen sich schen Ausstattungen sowie die Personalhygiene, die die ermittelten Gefahren bereits während der Herstellung Reinigung und Desinfektion, die Schädlingsbekämp- des Lebensmittels bzw. auf allen Stufen der Lebensmit- fung usw. fest. Auch Maßnahmen zur Trennung von telkette vermeiden, ausschalten oder auf ein akzeptab- Arbeitsgängen und Produktionslinien (zur Vermeidung les Maß vermindern lassen. von Kreuzkontaminationen) und zur allgemeinen Rege- lung der Temperatur und Luftfeuchtigkeit von Arbeits- Die Begriffsdefinitionen bilden das Gerüst des HACCP- und Lagerräumen werden im Basishygieneprogramm Systems und sind daher von großer Bedeutung. Durch festgelegt und gehören zu den allgemeinen Vorausset- sie wird eine korrekte Anwendung ermöglicht. Da sich zungen, ohne die ein HACCP-System nicht funktionie- häufig Missverständnisse aus der Übersetzung ergeben, ren kann. Die Basishygieneprogramme sind geeignet, ist es ratsam, bestimmte Schlüsselbegriffe im englischen geringe und allgemeine Risiken zu beherrschen. Mitt- Original zu verwenden. Zu diesen international aner- lere und hohe Risiken sind dagegen durch operative kannten Begriffen gehören HACCP, CCP, PRP, oPRP und Präventivprogramme (oPRPs, operational Prerequisite Hazard. Die korrekte Übersetzung der offiziellen Defini- Programs) bzw. kritische Kontrollpunkte (CCPs) zu tionen des Codex Alimentarius bzw. weiterer relevanter, kontrollieren. Als oPRPs werden PRPs bezeichnet, die offizieller Texte ist der Tabelle am Ende des Dokuments an den Produktionsprozess geknüpft sind. Ähnlich wie zu entnehmen. 1 FAO/WHO Codex Alimentarius Commission (1996): General Principles of Food Hygiene, Annex: Hazard Analysis Critical Control Point (HACCP) System and Guidelines for its Application. http://www.fao.org/fao-who-codexalimentarius/codex-texts/codes-of-practice/en/ 2
Abbildung 2: Elemente eines Managementsystems für Lebensmittelsicherheit Was sind die HACCP-Prinzipien? Grundsatz 4: Etablierung eines Systems zur Überwachung Die HACCP-Prinzipien bilden die Grundlage für die Er- (engl.: monitoring) der CCPs stellung eines HACCP-Plans. Insgesamt gibt es sieben • Festlegung und Durchführung effektiver Verfahren Prinzipien oder Grundsätze: zur Überwachung der CCPs. Grundsatz 1: Grundsatz 5: Durchführung einer Gefahrenanalyse Festlegung von Korrekturmaßnahmen (engl.: hazard analysis) (engl.: corrective actions) • Ermittlung von Gefahren, die vermieden, ausgeschal- • Festlegung von Korrekturmaßnahmen für den Fall, tet oder auf ein akzeptables Maß reduziert werden dass die Überwachung zeigt, dass ein CCP nicht müssen. beherrscht und ein Grenzwert überschritten wird. Grundsatz 2: Grundsatz 6: Bestimmung der „Critical Control Points (CCPs)“ Verfahren zur Verifizierung (engl.: verification) festlegen • Bestimmung der CCPs auf der/den Prozessstufe(n), • Überprüfung des HACCP-Plans und ein Verfahren auf der/denen eine Kontrolle notwendig ist, um alle zur Verifizierung festlegen, um sicher zu stellen, Gefahren zu vermeiden, auszuschalten oder auf ein dass das HACCP-System wie beabsichtigt funktio- akzeptables Maß zu reduzieren. niert und den Vorschriften gemäß der Grundsätze 1 bis 5 entsprochen wird. Grundsatz 3: Etablierung eines oder mehrerer Grenzwerte(s) Grundsatz 7: (engl.: critical limits) Dokumentation und Aufzeichnungen • Festlegung von Grenzwerten für diese CCPs, an- • Erstellung von Dokumenten und Aufzeichnungen, hand derer im Hinblick auf die Vermeidung, Aus- die der Art und Größe des Lebensmittelunterneh- schaltung oder Reduzierung ermittelter Gefahren mens angemessen sind, um nachweisen zu kön- zwischen akzeptablen und nicht akzeptablen Pro- nen, dass den Vorschriften der Grundsätze 1 bis 6 dukten unterschieden wird. entsprochen wird. 3
Fragen und Antworten zum Hazard Analysis and Critical Control Point (HACCP)-System Wer ist für die Umsetzung des HACCP- I. Durchführung einer Gefahrenanalyse mit Gefah- Systems verantwortlich? renermittlung und -bewertung (Grundsatz 1) Nach Verordnung (EG) Nr. 852/20042 müssen Lebens- a. Vorbereitung der Gefahrenanalyse mittelunternehmerInnen Verfahren, die auf den HACCP- Bildung eines interdisziplinären HACCP-Teams aus Grundsätzen beruhen, einrichten, durchführen und den für das Produkt relevanten Bereichen. aufrechterhalten. Diese Verpflichtung betrifft alle Lebens- Detaillierte Beschreibung des Produktes. mittelunternehmen mit Ausnahme der Primärproduktion. Ermittlung der bestimmungsgemäßen und nicht-be- Das HACCP-System bildet einen Bestandteil des Eigen- stimmungsgemäßen, aber unter Umständen zu er- kontrollsystems des Betriebes, dessen Umsetzung in wartenden Verwendung des Produktes, sowie der der Verantwortung des Betriebsinhabers/der Betriebsin- möglichen Konsumenten. haberin liegt. Detaillierte Beschreibung des betriebstypischen Herstellungsprozesses (Fließdiagramm). Wie ist das HACCP-System in der Praxis b) Gefahrenanalyse umzusetzen? Erfassung und spezifische Benennung sämtlicher möglicher Gefahren, also z. B. Salmonellen, Glas Die Anwendung des HACCP-Systems umfasst ein Bün- oder Acrylamid statt allgemeiner Überbegriffe wie del von Aufgaben, welches Kenntnisse auf den Gebieten pathogene Keime, Fremdkörper oder Prozesskon- der Lebensmittelmikrobiologie und -chemie, dem Quali- taminanten. Dies ist notwendig, weil jeweils unter- tätsmanagement, der Veterinärmedizin, der Toxikologie schiedliche Möglichkeiten der Überwachung und sowie der Epidemiologie voraussetzt, da es sich auf Beherrschung (engl. Control) der Gefahren beste- Bündel bezieht. Daher kann es notwendig sein, Sachver- hen können. stand in Form von externen Fachleuten oder qualifizier- Ermittlung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens ten Dritten heranzuziehen. (Eintrittswahrscheinlichkeit der möglichen Ge- fahr(en)). Generell ist es wichtig, alle möglicherweise betroffenen Abschätzung des Schweregrads der möglichen ge- Bereiche des Unternehmens (z. B. Produktion, Quali- sundheitlichen Auswirkungen. tätsmanagement, Qualitätskontrolle, Forschung und Ent- wicklung, Instandhaltung) in die Einführung des HACCP- II. Festlegung der „Critical Control Points“ und Maß- Systems einzubeziehen. nahmen zu ihrer Beherrschung (Grundsätze 2, 3, 4 und 5) Eine ausführliche Darstellung zur praktischen Umsetzung HACCP-gestützter Verfahren ist den allgemeinen Grund- a. Analyse des gesamten Prozesses – ggf. unter sätzen der Lebensmittelhygiene des Codex Alimentarius3 Anwendung eines Entscheidungsbaumes – und und der Bekanntmachung der EU-Kommission4 zu ent- Feststellung, ob ein CCP vorliegt nehmen. Zusammenfassend können die sieben Grund- Ein CCP muss alle folgenden Eigenschaften auf- sätze des HACCP in drei Abschnitte gruppiert werden, weisen: die bei der Etablierung durchlaufen werden müssen: i) spezifisches Ansprechen der ermittelten Gefahr; ii) Ausschalten, Vermeiden oder Reduzieren der Gesundheitsgefahr auf ein vertretbares Maß durch die entsprechende Kontrollmaßnahme; 2 Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene. ABl. L 139 vom 30.4.2004 in der jeweils gültigen Fassung 3 FAO/WHO Codex Alimentarius Commission (1996): General Principles of Food Hygiene, Annex: Hazard Analysis Critical Control Point (HACCP) System and Guidelines for its Application. http://www.fao.org/fao-who-codexalimentarius/codex-texts/codes-of-practice/en/ 4 Bekanntmachung der Kommission zur Umsetzung von Managementsystemen für Lebensmittelsicherheit unter Berücksichtigung von PRPs und auf die HACCP-Grundsätze gestützten Verfahren einschließlich Vereinfachung und Flexibilisierung bei der Umsetzung in be- stimmten Lebensmittelunternehmen. C/2016/4608. OJ C 278, 30.7.2016, p. 1–32 4
iii) Überprüfung der Ausschaltung der Gefahr an- Bei periodischer Durchführung des Monitorings hand definierter Grenzwerte in einem kontinuier- muss die Frequenz so hoch sein, dass der Prozess lichen Überwachungssystem (Monitoring); mik- lückenlos überwacht ist. robiologische Untersuchungen sind in diesem Ergebnisse müssen rechtzeitig vorliegen, um bei Zusammenhang fast ausnahmslos nicht als Über- Abweichungen Korrekturmaßnahmen ergreifen zu wachungsmethoden geeignet, weil die Ergebnis- können. se zu spät vorliegen, um bei Abweichung von der Die Festlegung der Monitoringfrequenz erfolgt risi- Norm (Grenzwertüberschreitung) rechtzeitig kor- kobasiert. rektive Maßnahmen zur Beherrschung der Gefahr einleiten zu können; d. Definition der Korrekturmaßnahmen iv) Vorliegen definierbarer Korrekturmaßnahmen bei Benennung der verantwortlichen Personen. Grenzwertüberschreitung. Eingrenzung der betroffenen Produkte. Ein CCP muss bei hohen Risiken eingerichtet wer- Nacharbeiten (z. B. Aussortierung). den. Ist die Einrichtung eines CCPs nicht möglich, Verifizierung der Wirksamkeit (z. B. Messungen). muss der Prozess entsprechend geändert werden. Dokumentation. Mittlere Risiken können über einen oPRP und gerin- ge Risiken über PRPs beherrscht werden. III. Verifizierung und Dokumentation des HACCP- Systems (Grundsätze 6 und 7) b. Festlegung validierter Grenzwerte mit denen der Prozess beherrscht (eng. control) werden kann a. Validierung (Nachweis der Wirksamkeit der Kontrollmaßnahmen zur Beherrschung der c. Festlegung eines Monitorings der Grenzwerte Gefahren vor Beginn) Das Monitoring kann periodisch oder kontinuierlich Neuvalidierung bei: erfolgen. i) Änderung von Produkt oder Prozess; ii) Änderung der Gebrauchsbestimmung; © Monty Rakusen/Gettyimages Abbildung 3: Hygienisches Arbeiten auf allen Produktionsstufen bildet einen der Grundpfeiler für Lebensmittelsicherheit. 5
Fragen und Antworten zum Hazard Analysis and Critical Control Point (HACCP)-System iii) Identifikation neuer Gefahren; Was bedeutet Eigenkontrolle gemäß iv) allen Änderungen, die den Prozess beeinflussen. HACCP-System und welche Möglichkeiten zur Flexibilität sind in der EU möglich? b. Monitoring (laufende Erfassung von Informationen zur Überwachung) Gemäß Verordnung (EG) Nr. 852/2004 müssen Lebens- mittelunternehmerInnen Verfahren zur Lebensmittelsicher- c. Verifizierung (regelmäßig wiederholte Prüfung zur heit einführen, die auf den HACCP-Grundsätzen beruhen. Wirksamkeit der Kontrollmaßnahmen) Damit die Verfahren auch in kleineren Betrieben anwend- Stichprobenanalysen. bar sind, sollen die HACCP-Anforderungen flexibel und Audits. im Hinblick auf Art und Größe des Betriebes angemes- Beaufsichtigung des Personals. sen angepasst werden. Darum erlauben die Lebensmit- Prüfung der Aufzeichnungen. telhygiene-Vorschriften der EU Flexibilisierungen bei der Kalibrierung der Instrumente. Anwendung des HACCP-Systems. Die Europäische Kom- mission erläutert die Regelungen zur Flexibilisierung in d. Dokumentation der Bekanntmachung der EU-Kommission 2016/C 278/015 Vorgabedokumente (Arbeitsanweisungen, Stan- und ergänzt sie durch praktische Orientierungshilfen und dardarbeitsanweisungen (SOPs), Prüfmethoden, Anwendungsbeispiele. Prinzipiell ist es gestattet, von den PRPs, oPRPs, Grenzwerte). HACCP-Grundsätzen abzuweichen, wenn sich das Ziel Aufzeichnungen (Monitoringergebnisse z. B. der der Lebensmittelsicherheit mit gleichwertigen, vereinfach- CCPs, Abweichungen, Korrekturen, Ergebnisse der ten Mitteln ebenfalls erreichen lässt. Verifizierungen, Checklisten etc.). Aufbewahrung der Aufzeichnungen über das Ab- Ob ein Lebensmittelunternehmen eine flexible Regelung laufdatum des Erzeugnisses hinaus. in Bezug auf das HACCP-System und damit ein verein- fachtes HACCP-Verfahren in Anspruch nehmen kann, ist von zwei Hauptfaktoren abhängig: Kann das HACCP-System auch zur Beherrschung von Verderb oder 1. Art des Unternehmens Produktqualität angewandt werden? Diese ist entscheidend für die Anwendung des risiko- Ein Managementsystem für die Lebensmittelsicherheit basierten Ansatzes und wird durch die Tätigkeit des Le- (z. B. nach ISO 22000) und die HACCP-gestützten Ver- bensmittelunternehmens bestimmt, welche anhand der fahren zielen explizit auf die Prävention gesundheitli- folgenden Fragen näher charakterisiert werden kann: cher Gefahren. Diese Systeme können in ein umfassen- Wird verarbeitet, verpackt oder lediglich mit vorver- deres Qualitätsmanagementsystem (z. B. nach DIN EN packten Lebensmitteln gearbeitet? ISO 9001) eingebettet werden, das auch Qualitätsas- Existiert eine abschließende Stufe der Gefahrenmini- pekte berücksichtigt. Die logische Vorgehensweise des mierung oder -ausschaltung (z. B. Pasteurisation oder HACCP-Ansatzes kann prinzipiell auch für die gezielte Sterilisation)? Erarbeitung spezieller Maßnahmen zur Vermeidung Werden Lebensmittel tierischen Ursprungs verarbei- von Verderb oder zur Sicherstellung der qualitativen tet und/oder existieren Gefahren im Zusammenhang Eigenschaften eines Produkts herangezogen werden. mit Rohmaterialien/Zutaten? In solchen Fällen sollten allerdings nicht die Begriffe Sind bestimmte Temperaturbedingungen bei der des HACCP-Systems wie „CCP“ verwendet werden, um Handhabung/Lagerung einzuhalten? nicht die eigentlichen Ziele des HACCP-Systems – die Vermeidung spezifischer Gesundheitsgefahren – mit unkritischeren Qualitätseigenschaften zu vermengen. 5 Bekanntmachung der Kommission zur Umsetzung von Managementsystemen für Lebensmittelsicherheit unter Berücksichtigung von PRPs und auf die HACCP-Grundsätze gestützten Verfahren einschließlich Vereinfachung und Flexibilisierung bei der Umsetzung in be- stimmten Lebensmittelunternehmen. C/2016/4608. OJ C 278, 30.7.2016, p. 1–32 6
2. Größe des Unternehmens (z. B. Siedepunkt) stützen. Die Dokumentation kann insofern vereinfacht werden, dass allgemeine Leit- Bei kleinen Unternehmen ist die Größe des Betriebes linien als Vorgabedokumente genutzt werden. Auf- (z. B. nach Produktionsvolumen, Durchsatz, Produkt- zeichnungen können auf Fälle von Abweichungen vielfalt usw.) ein proportional zu gewichtender Faktor, bzw. Grenzwertüberschreitungen eingeschränkt der sich hauptsächlich in einer Verringerung des ad- werden. ministrativen Aufwandes niederschlägt. Dies bedeutet, dass sich die Anforderungen an die Erstellung und den Weitere Informationen zur Anwendung HACCP-gestütz- Umfang von Dokumenten und Aufzeichnungen an der ter Verfahren in kleinen Unternehmen können dem FAO/ Größe des Betriebes orientieren sollten und dass die WHO-Leitfaden6 entnommen werden. Verpflichtung zur Aufbewahrung von Unterlagen so fle- xibel zu gestalten ist, dass ein übermäßiger Aufwand für Eine Flexibilisierung bei der Gefahrenanalyse kann je- sehr kleine Unternehmen vermieden wird. doch nicht zum Einsatz kommen, wenn: die Verarbeitungsmethode mit hoher Wahrschein- Die Gefahrenanalyse kann aufgrund der Art des Le- lichkeit versagen kann, bensmittelunternehmens und der von ihm verarbeiteten Lebensmittel für Risikogruppen hergestellt werden Lebensmittel ergeben, dass keine signifikanten Ge- (z. B. Kindernahrung), fahren bestehen. In diesem Fall gibt es keine Kontroll- die Produkte als allergenfrei ausgewiesen sind. maßnahmen die als CCPs eingestuft werden könnten. Die Beherrschung der lebensmittelbedingten Gefahren Generell lassen die Lebensmittelhygiene-Verordnungen erfolgt dann durch Basishygienemaßnahmen (PRPs) al- der EU und die entsprechenden nationalen Rechtsvor- lein oder in Kombination mit bestimmten oPRPs. schriften Raum für eine vollständige Umsetzung des HACCP-Systems. Es wird daher dringend empfohlen, Bei der Anwendung eines vereinfachten HACCP-Ver- stets zu prüfen, ob dieses nicht tatsächlich durchgeführt fahrens können unter anderem folgende Elemente zur werden kann. Damit lässt sich am besten nachweisen, Anwendung kommen: dass den rechtlichen Sorgfaltspflichten entsprochen Reduziertes HACCP-Team, ggf. sogar in Gestalt wurde. Betriebe, die ein hohes Maß an Produktsicher- einer Einzelperson. heit durch die Umsetzung des HACCP-Systems anstre- Die Gefahrenanalyse und die Bestimmung der ben, werden HACCP-Pläne und Hygienepläne vorzugs- CCPs kann mit vereinfachten Methoden (verein- weise in ein Qualitätsmanagementsystem integrieren. fachte Entscheidungsbäume oder semiquantitative Risikobewertungen) erfolgen oder sich auf allge- meine Branchenleitlinien stützen, die die üblicher- Wie prüft die Lebensmittelüberwachung die weise relevanten Gefahren für einen bestimmten Umsetzung des HACCP-Systems? Produktionsprozess auflisten; spezifische Gefahren des Unternehmens müssen jedoch immer beachtet Bei der Überprüfung der Eigenkontrollen eines Betrie- werden. bes, die nach den Grundsätzen des HACCP-Verfahrens Unter Umständen können die Anforderungen auf aufgebaut sind, wird die Lebensmittelüberwachung zu- Basis der Gefahrenanalyse auch ohne CCPs er- nächst auf die korrekte Trennung zwischen den allge- reicht werden. In diesem Falle stützt sich das Sys- meinen Hygienemaßnahmen und den Maßnahmen zu tem allein auf die Basishygienemaßnahmen (PRPs). spezifischen Hygienekontrollen (in Anlehnung an das Grenzwerte können aus internationalen Dokumen- HACCP-System) achten. Dabei wird sich herausstellen, ten, Publikationen oder Leitlinien übernommen wer- ob die betrieblichen Maßnahmen nach den Grundsät- den und müssen nicht numerisch sein, sondern kön- zen HACCP-gestützter Verfahren analysiert wurden und nen sich im Monitoring auf visuelle Beobachtungen der Betrieb sich danach richtet. Hierbei handelt es sich 6 World Health Organization; Food and Agriculture Organization of the United Nations. FAO/WHO guidance to governments on the appli- cation of HACCP in small and/or less-developed food businesses. FAO Food Nutr Pap. 2006; 86:1–74 7
Fragen und Antworten zum Hazard Analysis and Critical Control Point (HACCP)-System also mehr um die Überprüfung eines strukturierten Le- bensmittelsicherheitskonzeptes, bei dem die Aufzeich- nungen der Unternehmen die Umsetzung der Maßnah- men für die Lebensmittelüberwachung transparenter und nachvollziehbarer machen. Wenn ein vollständiger HACCP-Plan vorliegt, wird sich die Überwachungsbehörde – neben der allgemeinen Überprüfung der hygienischen Gegebenheiten – zu- dem auf die korrekte Etablierung der CCPs zur Be- herrschung möglicher gesundheitlicher Gefahren konzentrieren. Sie wird dabei insbesondere die Do- kumentation und Verifikation des Systems prüfen und besonderes Augenmerk auf die dokumentierten Ab- weichungen und die daraus resultierenden Korrektur- maßnahmen legen. Besonders wichtig ist es, dass der Aufbau des Sys- tems risikobasiert erfolgt und alle Entscheidungen nachvollziehbar dokumentiert sind. Von hoher Bedeu- tung ist in diesem Zusammenhang die Dokumentation für alle Änderungen an Produkt und/oder Prozess. Für jede Änderung muss nachvollziehbar sein, dass auf mögliche neue Gefahren und die Notwendigkeit einer Neuvalidierung geprüft wurde. Bei Einbindung des HACCP-Systems in ein Quali- tätsmanagementsystem nach DIN EN ISO 9001 wird der/m BetriebsinhaberIn empfohlen, die für die amt- liche Überwachung bedeutsamen Teile so weit ge- sondert zu halten oder zu kennzeichnen, dass sie bei einer Kontrolle ohne großen Zeitverzug zusammenhän- gend präsentiert werden können. 8
Die Definitionen der wichtigsten Begriffe im Kontext HACCP Begriff englisch Begriff deutsch Definition deutsch control (verb) Unter Kontrolle brin- Alle erforderlichen Handlungen durchführen, um die Einhaltung gen, beherrschen der im HACCP-Plan festgelegten Kriterien sicherzustellen und aufrechtzuerhalten. Control (noun) Beherrschung Der Zustand, in dem Verfahren fehlerfrei ablaufen und Kriterien (Substantiv) eingehalten werden. Control measures Maßnahmen zur Be- Handlungen und Maßnahmen, um eine gesundheitliche Gefahr herrschung durch Lebensmittel auszuschalten, zu vermeiden oder auf ein annehmbares Maß zu verringern. Corrective Korrekturmaßnahmen Die Maßnahmen, die durchzuführen sind, wenn die Ergebnisse actions der Überwachung eines CCPs anzeigen, dass dieser nicht mehr beherrscht und unter Kontrolle ist*. Codes of Good Verfahrenskodizes im Umfassen verschiedene Präventivprogramme im Rahmen des Practice Codex Alimentarius Managementsystems für Lebensmittelsicherheit, u. a.: Good Agricultural Gute landwirtschaftliche Practice (GAP) Praxis Good Veterinary Gute tierärztliche Praxis Practice (GVP) Good Hygiene Gute Hygienepraxis Practice (GHP) Good Manufactur- Gute Herstellungspraxis ing Practice/Good Production Practice (GMP) Good Distribution Gute Vertriebspraxis/ Practice/Good Gute Handelspraxis Trading Practice Critical Control Kritischer Kontrollpunkt Eine Stufe, auf der es möglich und von entscheidender Be- Point (CCP) (CCP) deutung ist, eine gesundheitliche Gefahr durch Lebensmittel zu vermeiden, zu beseitigen oder auf ein annehmbares Maß zu reduzieren. Critical limit Grenzwert Ein beobachtbares oder messbares Kriterium, das sich auf eine Kontrollmaßnahme an einem CCP bezieht und zwischen Akzep- tanz und Inakzeptanz des Produktes entscheidet. * Die Nomenklatur weicht von der nach ISO 22000 üblichen Nomenklatur ab, da diese zwischen Korrekturen (Beseitigung des aufge- tretenen Fehlers) und Korrekturmaßnahmen (Beseitigung der Fehlerursache) unterscheidet. In den EU-Vorschriften wird der Ausdruck Korrekturmaßnahme jedoch für beide Begriffe verwendet. 9
Fragen und Antworten zum Hazard Analysis and Critical Control Point (HACCP)-System Begriff englisch Begriff deutsch Definition deutsch HACCP plan HACCP-Plan Ein nach den Prinzipien des HACCP erstelltes Dokument, in dem die Beherrschung gesundheitlicher Gefahren von Lebensmitteln auf den einzelnen Stufen der Lebensmittelkette dargestellt wird. Der ursprüngliche HACCP-Plan ist zu aktualisieren, wenn z. B. der Produktionsablauf geändert wird, Außerdem muss er um die Aufzeichnung der Ergebnisse des Monitorings und der Verifizie- rung sowie die ergriffenen Korrekturmaßnahmen ergänzt werden. HACCP system HACCP-System Ein wissenschaftsbasiertes Verfahren, das systematisch spezifi- sche Gefahren und Maßnahmen zu ihrer Beherrschung identi- fiziert, um die Sicherheit von Lebensmitteln zu gewährleisten. Hazard Gefahr Ein biologisches, chemisches oder physikalisches Agens in einem Lebensmittel, oder der Zustand eines Lebensmittels, welches/r potentiell eine Gesundheitsgefährdung verursachen kann. Hazard analysis Gefahrenanalyse Der Vorgang des Sammelns, Aus- und Bewertens von Informa- tionen über Gefahren und Situationen, die diese hervorrufen können, um zu entscheiden, welche bedeutend für den gesund- heitlichen Verbraucherschutz und daher in den HACCP-Plan einzubeziehen sind. Monitoring Beobachtung Durchführen einer geplanten Sequenz von Beobachtungen oder Messungen bestimmter Kenngrößen, um zu beurteilen, ob ein CCP oder eine Kontrollmaßnahme beherrscht, d. h. unter Kontrolle ist und sich im Bereich der vorgegebenen Grenzwerte bewegt. Operational Operative oPRPs sind spezielle PRPs, die die Einhaltung einer sicheren Prerequisite Präventivprogramme und hygienischen Produktionsumgebung gewährleisten sollen. Programs (oPRPs) Es handelt sich um produktionsbezogene, steuer- und validier- bare Maßnahmen, wie z. B. das Heißhalten, Abkühlen oder Blan- chieren, bei dem spezielle Vorgaben hinsichtlich Temperatur und Dauer einzuhalten sind, welche regelmäßig überwacht und dokumentiert werden. Diese Maßnahmen nehmen Einfluss auf die mikrobiologische Belastung, kontrollieren im Unterschied zu CCPs jedoch keine spezifische Gefahr und sind nicht mit kritischen Grenzwer- ten verbunden. Eine Abweichung bei einem oPRP führt nicht zwangsläufig zu einem unsicheren Produkt. 10
Begriff englisch Begriff deutsch Definition deutsch Prerequisite Basishygienemaßnah- Basishygienemaßnahmen einschließlich guter Hygienepraxis programs (PRPs) men oder (GHP), guter landwirtschaftlicher Praxis (GAP) und guter Her- Präventivprogramme stellungspraxis (GMP), sowie anderer Präventions- und Not- fallvorkehrungen wie Schulung und Rückverfolgbarkeit, die als Grundlage und Voraussetzung für die Umsetzung eines HACCP- Systems dienen und zur Gewährleistung der Lebensmittelsicher- heit erforderlich sind. Beispielsweise müssen Gebäude, Einrichtungen und Installatio- nen, Maschinen und Geräte stets in einem hygienisch einwand- freien Zustand gehalten werden. PRPs geben Hygienemaß- nahmen vor, welche an festzulegenden Hygienekontrollpunkten (CPs) ständig zu überwachen sind (z. B. Kühltemperaturen). Step Stufe Ein Punkt, Verfahren, Arbeitsgang oder Abschnitt in der Lebens- mittelkette, einschließlich der Ausgangsmaterialien, von der Primärproduktion bis zum endgültigen Verbrauch. Validation Validierung Erbringung des Nachweises darüber, dass die identifizierte Ge- fahr mit der/den betreffenden Kontrollmaßnahme/n beherrscht werden kann. Verification Verifizierung Zusätzlich zur Überwachung angewandte Methoden, Verfahren und Tests, durch die ermittelt werden soll, ob eine Kontrollmaß- nahme wie beabsichtigt funktioniert und der HACCP-Plan einge- halten wird und/oder ob dieser Plan geändert werden muss. 11
Aktualisierte Fassung, Berlin 2021/Nachdruck mit Genehmigung der Pressestelle des BfR erlaubt. 12
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