DROGENKURIER - Deutsche Aidshilfe
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DROGENKURIERmagazin des jes-bundesverbands mai 2019 nr. 118 SAVE THE DATE 27.09.2019 | KÖLN 30 Jahre JES-Netzwerk – ein unschlagbares Team ! Fachtag anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Netzwerks von Junkies, Ehemaligen und Substituierten
editorial DROGENKURIER Liebe Leserinnen und Leser, Förderinnen und Förderer des DROGENKURIER , liebe Freundinnen und Freunde des JES-Bundesverbands 30 Jahre JES-Bundesverband – 15 Jahre JES NRW Substitutionsbehandlung – die Versorgungslage bleibt Anlässlich dieser beiden Jubiläen werden der Bundesverband angespannt und der Landesverband einen Fachtag im September 2019 Alle Leserinnen und Leser des DROGENKURIER haben verfolgt, durchführen. Die beiliegende Postkarte soll dazu beitragen, dass sich JES und die Deutsche AIDS Hilfe in den letzten 2 Jah- dass alle Leser_innen des DROGENKURIER dieses Datum in ren, gemeinsam mit vielen anderen, intensiv um die Novellie- ihrem Kalender vermerken, um dann im September nach Köln rung der Betäubungsmittel Verschreibungs Verordnung (BtmVV) zum Fachtag kommen zu können. Anmeldeunterlagen werden gekümmert hat. Dies mit dem Ziel mittelfristig die Versorgung in in den nächsten Wochen verschickt. Sachen Substitutionsbehandlung sicherzustellen. Seit Dezem- Pünktlich zum 30 jährigen Geburtstag des JES-Bundesver- ber 2018 sind nun alle Richtlinien zur Substitution verändert und bands präsentiert sich die JES Webseite unter www.jes-bun- angeglichen. Aus diesem Grund darf es niemanden wundern, desverband.de im völlig neuen Design. Neben neuen Inhalten dass die in dieser Ausgabe vorgestellten Daten des Substituti- bietet die Webseite nun auch die Möglichkeit über einen JES- onsregisters 2018 eine weiterhin angespannte Lage zeigen. So Webshop JES-Medien zu unterschiedlichen Themen zu be- wurden am 1. Juli 2018 in Deutschland 79.400 Opiatkonsument_ stellen. Für das immer noch rein ehrenamtlich arbeitende innen substituiert. Dies sind nochmals 600 Patient_innen mehr Team war der Relaunch der Webseite eine große Herausfor- als 2017 und die höchste jemals gemeldete Zahl behandelter Pa- derung. Daher freuen sich alle auf Ihren und euren Besuch auf tient_innen. Im Gegensatz dazu verringerte sich die Anzahl der www.jes-bundesverband.de Behandler_innen erneut. Die Reduktion um 14 Ärzte ist überaus gering, aber es bleibt dabei das keine Trendwende bei der Anzahl von Suchtmedizinern zu erkennen ist. Mehr dazu ➞ Seite 6 Drogentodesfälle auf weiterhin hohem Niveau Im April 2019 wurden wir durch die Drogenbeauftragte der Bun- „Vom Harz bis ans Meer“ desregierung auf den aktuellen Stand in Bezug der Drogentodes- So lautet der Name der neuen Safer Use Kampagne der AIDS fälle des Jahres 2018 gebracht. Im Jahr 2018 verstarben 1276 Hilfe Niedersachsen, die gemeinsam mit Drogenhilfen und JES Menschen an den Folgen von Illegalität, Überdosierung, Schwarz- Gruppen konzipiert wurde und anlässlich des „International Drug marktsubstanzen, Suizid und Unfall. Dies sind 4 Personen mehr Checking Day“ 2019 am 31. März präsentiert wurde. Mit dem als im Jahr 2017. Auch in diesem Jahr warteten viele Betroffene, Slogan „Safer Use – Vom Harz bis ans Meer“ werden zunächst Verbände und Fachleute aus Medizin und Wissenschaft auf kon- 60.000 Packs mit sterilen Konsumutensilien und Gebrauchsanlei- krete Maßnahmen um diese seit vielen Jahren dramatisch hohe tungen an Beratungs- und Anlaufstellen verteilt. In den drei unter- Zahl von „Drogentoten“ zu reduzieren. Wie in den Jahren zuvor schiedlichen Care Sets – Spritzen, Sniefen, Rauchen – befinden wurden alle bitter enttäuscht. Das bloße Bedauern ist zu wenig für sich außerdem leicht verständliche Tipps für einen risikominimie- Angehörige, Freunde und viele Menschen aus der Fachwelt. Allein renden Drogenkonsum. Zusätzlich wird damit für regelmäßige der sicherlich richtige Hinweis an Länder und Kommunen für eine HIV/Hepatitis-Tests geworben. Unser Beitrag ➞ Seite 16 stellt gute finanzielle Ausstattung der Suchthilfe Sorge zu tragen reicht die Kampagne ausführlich vor. bei weitem nicht aus. Mehr dazu in unserem Topthema ➞ Seite 3 Das Redaktionsteam IMPRESSUM DAH-Bestellnummer: 102118 Der DROGENKURIER wird ISSN: 2512-4609 unterstützt durch: Nr. 118, Mai 2019 Auflage: 4.500 Exemplare (Nennung in alphabetischer Reihenfolge) Herausgeber des DROGENKURIER: Redaktion: JES-Bundesvorstand, Deutsche Aidshilfe e.V., JES*-Bundesverband e.V. Dirk Schäffer GL Pharma, Hexal, INDIVIOR, Wilhelmstr. 138, 10963 Berlin Mitarbeit: T. Greiwe, S. Gurinova, Mundipharma, Sanofi Aventis Tel.: 030/69 00 87-56 O. Ostermann Fax: 030/69 00 87-42 Titelfoto: Reinhard Sester / AdobeStock * Junkies, Ehemalige, Substituierte Mail: vorstand@jes-bundesverband.de Layout, Satz: Carmen Janiesch Die Nennung von Produktnamen bedeutet keine www.jes-bundesverband.de Druck: Wir-machen-Druck.de Werbung 2
www.jes-bundesverband.de topthema Foto: Silvio Wyszengard Ein Stein für jeden Drogentoten in Augsburg 1.276 Drogentodesfälle – Bedauern und Trauer allein hilft nicht Ein „weiter so“ darf es nicht geben Vor wenigen Wochen war es mal Im Jahr 2018 verstarben 1.276 Menschen an den Folgen von Il- legalität, Überdosierung, Schwarzmarktsubstanzen, Suizid oder wieder soweit, die Drogenbeauftragte Unfall. Dies sind 4 Personen mehr als im Jahr 2017. Auch in die- der Bundesregierung Marlene Mortler sem Jahr warteten viele Betroffene, Verbände und Fachleute aus Medizin und Wissenschaft auf konkrete Maßnahmen um diese, verkündete die Drogentodesfälle für seit vielen Jahren dramatisch hohe Zahl von „Drogentoten“, zu das Jahr 2018 reduzieren. 3
topthema DROGENKURIER Die meisten Todesfälle sind wie auch in den Jahren zuvor auf Überdosierungen von Opioiden wie Heroin oder Morphin zurück- zuführen. Hier liegt die Gesamtzahl (mono- valente und polyvalente Vergiftungen) bei 629 Verstorbenen. 2017 waren es 707 Per- sonen. Einen Rückgang gab es bei Perso- nen, die an den Folgen ihres Missbrauchs von sogenannten „Neuen psychoaktiven Stoffen (NpS)“ sowie durch fentanylbasier- te Arzneimittel verstarben. Angestiegen sind die Todeszahlen infolge von psycho- aktiven Medikamenten, wie beispielsweise Benzodiazepinen. Aus der Pressemitteilung der Drogenbeauftragten Wie in den Jahren zuvor wurden all jene bitter enttäuscht. Al- „Um Leben zu retten, brauchen lein der Hinweis an Länder und Kommunen für eine gute finan- wir eine funktionierende Sucht- zielle Ausstattung der Suchthilfe Sorge zu tragen reicht leider nicht. Selbstverständlich ist es richtig, dass viele Drogenhilfen fi- hilfe vor Ort!“ nanziell schlecht ausgestattet sind. Zudem wird von ihnen eine Marlene Mortler immer differenziertere Arbeit erwartet. Als Stichworte sind hier genannt Geflüchtete, neue psychoaktive Substanzen, psychiat- rische Komorbidität, Sucht und Alter usw. Die Drogenhilfe soll ren die Zahl der Drogenkosnument*innen zu reduzieren sowie zudem maßgeblich dazu beitragen, die Ziele der WHO und der die Prävalenz von HIV und Hepatitis dramatisch zu minimieren. Bundesregierung bis 2030 zu erreichen. Dies ist mit dieser finan- ziellen Ausstattung sicher nicht möglich. Daher hat die kommu- Ein einfaches „weiter so“ ist nicht mehr vermittel- nale Suchthilfe einen kräftigen Schluck aus der Pulle verdient. bar. 1.276 Drogentodesfälle in Deutschland sind ein Skandal und Ausdruck eines drogenpolitischen Irr- Innovationen Fehlanzeige wegs. Selbst eine Überprüfung des Betäubungsmit- Aber wer von der Bundesregierung und seiner Drogenbeauf- telgesetzes im Hinblick auf intendierte und nicht tragten zumindest einige Eckpunkte für eine angepasste Stra- intendierte Effekte wurde mit den Stimmen der SPD tegie erwartet hatte sieht sich enttäuscht. Seit vielen Jahren abgelehnt. vernachlässigt die Drogenbeauftragte als Vertreterin der Bun- desregierung in Suchtfragen, die Säule Schadensminderung Ja, wir wissen das es ein Modellprojekt Naloxon in Bayern gibt. (Harm Reduktion). Sie hat Richtlinienkompetenz und könnte, Das ist positiv zu bewerten. Allerdings reagierte die Landesre- ohne selbst Geld in die Hand zu nehmen, zumindest wesentli- gierung erst als ihr das Wasser, aufgrund einer exorbitant hohen che evidenzbasierte Angebote im Bereich Harm Reduktion posi- Zahl von Drogentoten, bis zur Unterlippe stand. So werten viele tiv darstellen um so ihre Länderkolleg*innen stärker in die Pflicht dieses Modellprojekt als ein Feigenblatt, das dazu beiträgt keine zu nehmen. Drogenkonsumräume einrichten zu müssen und das erstmal Kein Wort zu Naloxon, kein Wort zu Drogenkonsumräumen Ruhe schafft. und kein Wort zu Drug Checking. Fast alle Fachleute sind sich ei- Es reicht nicht aus, dass wir nun drei Jahre warten bis Ergeb- nig, dass das totale Drogenverbot, sowie die Verfolgung von Er- nisse kommen. Naloxon ist keine Wissenschaft und wird in vielen werb, Besitz und Konsum seit einigen Jahrzehnten keine wahr- Ländern der Welt erfolgreich gegen Opioidüberdosen eingesetzt. nehmbaren Erfolge zeigt. Es wäre an der Zeit sich einmal intensiv Viele Träger, Verbände und Drogenkonsument*innen fühlen mit dem portugiesischen Modell auseinanderzusetzen, das mit sich alleingelassen. ■ einer Entkriminalisierung dazu beitrug, innerhalb von 10 Jah- JES-Bundesverband 4
Gemeinsam mehr Gesundheit erreichen. www.mundipharma.de ZIELE SETZEN UND ERREICHEN STABILITÄT GESUNDHEIT FAMILIE JOB Die Substitutionstherapie von Mundipharma unterstützt und begleitet ZUM PERSÖNLICHEN ZIEL
topthema DROGENKURIER Bericht zum Substitutionsregister 2018 Abb.1: Anzahl gemeldeter Substitutionspatienten in Deutschland von 2009 bis 2018 (jeweils Stichtag 1. Juli) 78.500 78.800 79.400 80.000 77.400 77.300 77.500 77.200 76.200 75.400 74.600 70.000 60.000 50.000 40.000 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte / Substitutionsregister Abb. 2: Anzahl meldender, substituierender Ärzte in Deutschland von 2009 bis 2018 (jeweils Stichtag 1. Juli) 2.800 2.700 2.710 2.703 2.731 2.691 2.650 2.613 2.590 2.599 2.585 2.600 2.400 2.200 2.000 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte / Substitutionsregister 6
www.jes-bundesverband.de topthema Seit dem 1. Juli 2002 hat jeder Arzt, der Substitutionsmittel für Kommentar zur Konsilliarregelung opiatabhängige Patient*innen verschreibt, der Bundesopium- stelle im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte des JES-Bundesverbands (BfArM) unverzüglich die vorgeschriebenen Angaben u.a. zum Patienten und dem Substitutionsmedikament zu übermitteln. Seit vielen Jahren setzen sich der JES-Bundesverband Zu den Aufgaben des Substitutionsregisters gehören neben und die Deutsche Aidshilfe u. a. als Patient*innen-Orga- der Überprüfung von Mehrfachverschreibungen, die Übermitt- nisationen kritisch mit der Konsilliarregelung auseinan- lung statistischer Auswertungen an die zuständigen Überwa- der. Dies aus verschiedenen Gründen. chungsbehörden und obersten Landesgesundheitsbehörde Die Qualität der Behandlung: 79.400 substituierte Patient*innen – ein neuer Höchststand Unserer Meinung nach sollte jede Ärztin und jeder Die Zahl der gemeldeten Substitutionspatient*innen ist in den Arzt, die/der in der Suchtmedizin tätig ist, und eine Be- ersten Jahren der Meldepflicht kontinuierlich angestiegen. Von handlung mit Betäubungsmitteln, also hochpotenten 46.000 Patient*innen im Jahr 2002 auf 75.400 Patient*innen zehn Medikamenten durchführt, zwingend die formale Qua- Jahre später. lifikation haben. Die Suchtmedizin ist ein sehr kom- Am 1. Juli 2018 wurden in Deutschland 79.400 Opiatkonsu- plexes Indikationsfeld in dem Behandler*innen neben ment*innen substituiert. Dies sind nochmals 600 Patient*innen pharmakologischen Kenntnissen auch Detailkenntnis- mehr als 2017 und die höchste jemals gemeldete Zahl behandel- se zur Suchtentwicklung haben müssen. Darüber hinaus ter Patient*innen.(siehe Abb. 1) können aus unserer Sicht nur diejenigen eine Substi- Ob die zuletzt nur noch geringen Steigerungsraten bei den tutionsbehandlung durchführen, die sich mit den Le- Patient*innenzahlen mit der seit Jahren rückläufigen Anzahl bensumständen ihrer Patienten auseinandergesetzt substituierender Ärzte in Verbindung steht, oder die Grenze der haben und auch bereits einmal etwas vom Element der erreichbaren oder behandlungswilligen Opiatgebraucher*innen Schadensminderung, als Säule der Drogen- und Ge- erreicht ist, darüber gibt der Bericht keine Auskunft. sundheitspolitik gehört haben. Schließlich stellt die Sub- stitutionsbehandlung ein Kernangebot dieser Säule dar. Zahl der substituierenden Ärzte sinkt weiter – Die heute vielfach kostenlose und im Umfang nicht üp- Trendwende bleibt aus pige Fortbildung ist jedem Arzt und jeder Ärztin zuzumu- Trotz einiger Kampagnen und gezielter Maßnahmen zur Stei- ten, wenn er/sie sich in dieses Indikationsfeld begeben gerung der Zahl von Ärzt*innen, die sich für die Substitutions- will. behandlung interessieren und auch Opioidkonsument*innen behandeln wollen, sinkt die Zahl von Behandler*innen weiter. Aber JES und DAH sehen die Konsilliarreglung auch Sicherlich ist die Reduktion um 14 Behandler*innen im Ge- aus einem anderen Grund sehr kritisch. Diese Rege- gensatz zum Vorjahr nicht dramatisch, aber besorgniserregend lung fördert die Behandlung in Praxen oder Ambulan- bleibt einfach, dass es nicht zu gelingen scheint eine wirkliche zen mit vielen hundert Patient*innen. Die Angaben des Trendwende zu erzielen. (Abb. 2) Substitutionsregisters zeigen, dass die 548 Ärzt*innen nur 1 % aller Patient*innen behandeln. Dies wären etwa Jedem fünftem substituierendem Arzt fehlt 800 Patienten. weiterhin die Fachkunde Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die verblei- 2018 behandelten 548 Ärzte – also etwa 21 Prozent der substitu- benden ca. 2000 Behandler*innen 99 % (78.600) der ierenden Ärzte – ihre Patient*innen ohne die Fachkunde Sucht- Patient*innen therapieren. Dies macht einmal mehr die medizin. Die sogenannte „Konsiliarregelung“ ermöglicht Ärzten dramatische Situation deutlich. Wir stellen in Frage ob ohne suchtmedizinische Qualifikation seit dem 2.10.2017 bis zu die hieraus resultierenden Großpraxen mit einigen hun- zehn Patient*innen (vorher bis zu drei Patienten) gleichzeitig zu dert Substituierten die erforderlichen Qualitätsansprü- substituieren. Erforderlich ist allerdings, dass ein suchtmedizi- che erfüllen können. nisch qualifizierter Arzt in die Behandlung einbezogen wird. Wir fordern daher, dass die Fachkunde Methadon verliert weiter an Bedeutung spätestens zwei Jahre nach dem Beginn Ein Blick auf die Entwicklung der zur Substitution verschriebe- nen Medikamente zeigt interessante Veränderungen. Die Vor- der Substitution zwingend erworben machtstellung des Medikaments „Methadon“ verringert sich von werden muss. Jahr zu Jahr. 7
topthema DROGENKURIER Abb. 3: Art und Anteil der gemeldeten Substitutionsmittel (Stichtag 1. Juli 2018) Methadon 39,4 % Levomethadon 35,2 % Buprenorphin 23,1 % Diamorphin 1,0 % Morphin 1,0 % Codein 0,1 % Dihydrocodein 0,1 % Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte / Substitutionsregister Während 2002 fast dreiviertel (72,1 %) der Patient*innen mit von Patient*innen, die bisher wenig von der Substitution Methadon substituiert wurden, lag der Anteil am 1. Juli 2018 nur profitierten und mit dem Wechsel auf Morphin sehr po- noch bei 39,4 %. Methadon bleibt noch das überwiegend ver- sitive Entwicklungen beschreiben, nicht ausreichend zur schriebene Medikament, dessen Anteil jedoch seit 15 Jahren fast Geltung bringt. Wir als Patientenorganisation würden uns kontinuierlich fällt (Abb.3). wünschen, dass Ärzt*innen ohne Vorbehalte das Medika- Eine genau gegensätzliche Entwicklung zeigt sich bei der Ver- ment wählen, dass nach Ansicht von Behandler*in und schreibung von Levomethadon. Hier steigt der Anteil der Ver- Patient*in den größten Nutzen erbringt. Nur dies darf schreibung seit 15 Jahren kontinuierlich an. Während 2002 ledig- handlungsleitend sein. lich 16,2 % der Patient*innen Levomethadon erhielten, hat sich die Zahl bis heute mit 35,2 % mehr als verdoppelt. Eine ähnliche Entwicklung, wenngleich auf geringerem Ni- Lagen die Anteile im Juli 2017 bei 0,6 %, so wurden im Jahr 2018 veau, vollzieht sich bei der Verschreibung von Buprenorphin. 1 % (etwa 800 Personen) der Substitutionspatient*innen, mit re- Während der Anteil kurze Zeit nach der Markteinführung bei tardiertem Morphin behandelt. 9,7 % lag, haben sich die Anteile der Buprenorphinverschreibung in den letzten 15 Jahren mit 23 % ebenso mehr als verdoppelt. Al- Werden Veränderungen durch die neue BtMVV lerdings stagnieren die Anteile der mit Buprenorphin behandel- sichtbar? ter Patient*innen seit etwa 4 Jahren. Ein Ziel der 3. Verordnung zur Änderung der BtMVV aus 2017 ist es, mehr Ärzte zur Durchführung von Substitutionsbehandlun- Retardiertes Morphin gewinnt Marktanteile gen zu bewegen und in ländlich strukturierten Gebieten die Be- Im April 2015 wurde mit retardiertem Morphin die bisher letz- handlung der Patienten flächendeckend sicherzustellen. Der te neue Substanz in Deutschland zur Substitutionsbehandlung aktuelle Bericht des BfArM trifft hierüber noch keine Aussage. ■ zugelassen. JES und die Deutsche Aidshilfe … Diese mit vielen Vorurteilen belastete Substanz hatte aus … halten es auch für verfrüht schon jetzt die Änderungen Sicht des JES-Bundesverbands und der DAH einen schweren der BtMVV zu bewerten. Sicherlich stehen die rechtlichen Start. So sollte diese neue Substanz als „second Line“ Medi- Rahmenbedingungen bereits seit Herbst 2017, aber wir soll- kament gehandhabt werden und Patient*innen hätten bei ten nicht vergessen, dass der GBA seine Richtlinien erst zum einem Wechsel auf ihre Take Home Verordnung verzichten Ende des Jahres 2018 fertigstellte. müssen, da sowohl KVén als auch Kassen eine Take Home Verordnung unterbinden wollten. Dirk Schäffer Ein mehr als schwieriger Start, der aus Sicht des JES- ▶ Der Gesamtbericht steht unter Bundesverbands die überaus positiven Entwicklungen https://bit.ly/2WRuNRy zum Download bereit. 8
www.jes-bundesverband.de topthema „Ein Pieks“ alle vier Wochen Neues Depotpräparat zur Substitutionsbehandlung Seit Anfang Februar ist die Nach einleitender Behandlung mit der Depotspritze Buvidal® auf dem wöchentlichen Dosis kann auf die monat- Markt. Das erste lang wirksame liche Dosis umgestellt werden. Bei denje- Buprenorphin-Präparat zur nigen, die noch nie Buprenorphin einge- Substitutionsbehandlung. Damit nommen haben, sollte die Verträglichkeit vor der ersten Anwendung mit wöchent- steht erstmals ein Substitutions- lichem Buvidal® getestet werden. mittel zur Verfügung, das nur noch wöchentlich oder sogar nur einmal Ein „Pieks“ für maximal im Monat verabreicht wird und kon- vier Wochen gleichbleibende tinuierliche den Wirkstoff freisetzt. Wirkung – kann das Buvidal® mit der Dosierung 24 mg funktionieren? Das eröffnet neue Möglichkeiten in der wird einmal wöchentlich vergeben Die Technologie des Präparats ermöglicht Behandlung und schafft Freiräume für es, dass Wirkstoffe langanhaltend freige- Patient*innen. Fallen die täglichen Besuche in der Arztpraxis setzt werden. Die Depot-Injektion besteht aus einer Flüssigkeit, weg, wird es zum Beispiel leichter möglich, regelmäßige Arbeits- in der ein Wirkstoff gelöst ist. Im Gewebe verwandelt sich die Lö- zeiten einzuhalten. Denn ca 20 % der Substituierten gehen einer sung in ein Gel, das den Wirkstoff effektiv einschließt. Das Depot täglichen Beschäftigung nach. Das gilt gerade für Patient*innen baut sich im Gewebe über die Zeit ab, so dass auch der Wirkstoff im ländlichen Raum, die bislang weite Fahrtwege zu ihrer Arzt- nach und nach freigesetzt wird. Die Wirkung des Buprenorphins praxis und damit einen hohen Zeitaufwand haben. Auch Reisen tritt schnell und vorhersagbar ein und der Wirkstoffspiegel ist und generell längere Abwesenheiten werden erleichtert. gleichbleibend. Das schützt vor Überdosierung und Entzugser- scheinungen sollen wirksam unterdrückt werden. ■ Verabreichung von Buvidal® nur durch medizinisches Fachpersonal Buvidal® wird in Form von vorgefüllten Fertigspritzen ange- JES und die Deutsche Aidshilfe … wendet. Die Injektion erfolgt unter die Haut, in die Bereiche am … sehen die Einführung einer Buprenorphin-Depotinjekti- Gesäß, Oberschenkel, Bauch oder Oberarm. Die Vergabe darf nur on mit bis zu vier Wochen Wirkdauer grundsätzlich positiv. von medizinischem Fachpersonal vorgenommen werden. Subs- Zudem könnte die Buprenorphin-Depotspritze die Substitu- tituierte, die bislang Buprenorphin in Tablettenform eingenom- tionsbehandlung in Haft erleichtern. Dort, wo immer wieder men haben, können direkt auf wöchentliches oder monatliches der hohe Aufwand, geringe personelle Ressourcen sowie das Buvidal® umgestellt werden. Die entsprechenden Dosierungen, Missbrauchs- und Schwarzmarktrisiko als Gründe angeführt die der Hersteller empfiehlt, sind in nachfolgender Tabelle zu werden, Gefangenen die Substitution zu verweigern, könnte finden. eine Depotinjektion eine wirkliche Chance darstellen. Wichtig wäre, dass das neue Medikament mit seiner Depot- Tägliche Dosis Wöchentliche Dosis Monatliche Dosis Buprenorphin Buvidal® Buvidal® wirkung, die immer wieder auftretenden Symptome eines in Tablettenform leichten Entzugs, die bei Patienten bereits 10–20 Stunden nach der Einnahme eines täglich verabreichten Medikaments 2 bis 6 mg 8 mg – zu beobachten sind, reduzieren kann. Es bleibt abzuwarten ob auch eine Umstellung von Patient*innen, einfach möglich 8 bis 10 mg 16 mg 64 mg ist, die bisher mit anderen Medikamenten wie Levometha- 12 bis 16 mg 24 mg 96 mg don, Methadonrazemat oder retardiertem Morphin substi- tuiert werden. 18 bis 24 mg 32 mg 128 mg Quelle: https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/buvidal JES-Bundesverband 9
aus den regionen DROGENKURIER 20 Jahre – 20 Gesichter Anlässlich des 20-jährigen Bestehens des internationalen Gedenktags für verstorbene Drogenabhängige, jährlich begangen am 21. Juli, initiierte JES-NRW eine Postkartenaktion Drogenkontext sein sollte. Doch nicht nur die Drogentoten sprechen für die Notwendigkeit eines konsequenten Um- denkens. Konsumenten von, derzeit ille- galisierten, Drogen sehen sich nach wie vor im alltäglichen Leben konfrontiert mit Stigmatisierung, Ausgrenzung und Strafverfolgung. Auch die noch nicht flä- chendeckende Versorgung mit Substitu- tionsplätzen und die, in der Praxis teils nur vermeintlich freie Wahl der Substi- tutionsmedikamente, ist ein Thema, dass für User*Innen auf der Tagesordnung steht. Bei der Postkartenaktion zum Ge- denktag beteiligten sich JESler*Innen aus Wie der Titel schon vermuten lässt, ging es bei der Aktion darum, den Wünschen und Forderungen an die aktuelle Drogenpoli- tik ein Gesicht zu geben. Die Drogenpoli- tik hat in den letzten Jahrzehnten bereits einen großen Wandel durchgemacht. Trotz aller Errungenschaften, wie etwa Drogenkonsumräumen und Spritzenver- gabe, leiden Drogenkonsument*Innen jedoch nach wie vor unter der Prohibi- tion und den damit verbundenen Be- gleiterscheinungen. Allein im Jahr 2018 gab es rund 1.276 verzeichnete Drogen- tote in Deutschland – eine Zahl, die alar- mierend für Politik und Professionen im ganz Nordrhein-Westfalen, welche sich in dem Verein JES-NRW e.V. engagieren. Der Verein ist eine Interessenvertretung von Selbsthilfeinitiativen und Einzelperso- nen, bestehend aus aktiven, ehemaligen und substituierten Konsument*Innen derzeit illegalisierter Drogen, sowie soli- darischer Menschen. Begleitet wurde die Aktion durch den Dortmunder Fotogra- phen Sebastian Sellhorst (www.sebas- tiansellhorst.de), der in verschiedenen Städten Portraitaufnahmen der Engagier- ten machte. ■ Theresa Greiwe 10
aus den regionen DROGENKURIER Erster Drogenkonsumraum in Baden-Württemberg Nach monatelangem Ringen hat das grün-schwarze Kabinett in Baden-Württemberg die Verordnung für den landesweit ersten Drogenkonsumraum einstimmig beschlossen. Das bestätigte eine Sprecherin des Sozialministeriums heute in Stuttgart. Die Verordnung sollte ursprünglich schon Anfang des Jahres verabschiedet werden. DROGEN SPRITZEN KANN EINE SAUBERE SACHE SEIN. Kampagne der DAH für Drogenkonsumräume http://wusstensie.aidshilfe.de/ Drogenkonsumraum in Essen Nach monatelangen Bedenken hat die Drogenkonsumräume Mit Karlsruhe soll Anfang 2019 die 24. CDU-Landtagsfraktion nun am 12. Juni im Einrichtung hinzukommen. retten Leben und Grundsatz dem Vorhaben von Sozialmi- „Es freut mich, dass der Weg für einen nister Manne Lucha (Grüne) zugestimmt, verhindern HIV- und Drogenkonsumraum in Karlsruhe nun eine entsprechende Landesverordnung Hepatitis-Infektionen frei ist“, sagte Lucha. „Wir werden damit zu erlassen. Sie soll zunächst auf drei die medizinische Versorgung von schwer Jahre befristet sein. In Berlin, Hamburg, Nordrhein-West- suchtkranken Menschen erheblich ver- Dann wäre Baden-Württemberg das falen, Niedersachsen, Hessen und dem bessern.“ Solche Anlaufstellen mit me- siebente deutsche Bundesland, in dem Saarland werden bereits Druckräume be- dizinisch geschultem Personal könnten Drogenkonsumräume zugelassen sind. trieben; bundesweit sind es insgesamt 23. vor gefährlichen Infektionskrankheiten 12
www.jes-bundesverband.de aus den regionen wie Hepatitis und HIV sowie vor lebens- bedrohlichen Überdosierungen schützen. Verordnung ist befristet und beschränkt Working Junx – Die jetzt beschlossene Verordnung ist zu- nächst auf drei Jahre befristet. Drogen- konsumräume sind nur vorgesehen in Arbeit und Städten mit mehr als 300 000 Einwoh- nern – neben Karlsruhe nur noch Mann- heim und Stuttgart im Land. Mannheim hatte bereits im vergangenen Sommer Beschäftigung bei Interesse an der Einrichtung eines Dro- genkonsumraums gezeigt. Verschiedene VISION in Köln Foto:aidshilfe.de Mit einem runderneuerten Flyer macht die JES-Gruppe „VISION“ in Köln auf ihre neuen Möglichkeiten für Drogengebraucher*innen im Bereich von Arbeit und Beschäftigung aufmerksam. Lebst Du also in Köln oder Umgebung und willst dir Tagesstruktur geben? Dann melde dich bei den Kolleg*innen von VISION in Köln! Verbände, wie die Landesstelle für Sucht- Kontakt: fragen, kritisieren die Einschränkung, denn größere Drogenszenen gebe es auch Neuerburgstr. 25 Städten mit weniger als 300.000 Einwoh- 51103 Köln nern, wie etwa in Freiburg und Ulm. Tel.: 0221/82 00 73-0 In den meisten deutschen Bundeslän- Fax: 0221/82 00 73-20 dern gibt es bisher keine Drogenkonsum- E-mail: info@vision-ev.de räume. ■ www.vision-ev.de Dirk Schäffer 13
leben mit drogen DROGENKURIER für die Hepatitis-C Eliminierung Mehrsprachige Videos klären in Drogenberatungsstellen über Hepatitis-C auf erweitert. Dazu haben vor wenigen Mo- naten einige Drogenberatungsstellen mit Unterstützung des Medizinunter- nehmens Gilead das Projekt BRAVO ent- wickelt. Das Anliegen von BRAVO ist die HCV- Aufklärung von Menschen die Drogen auf unterschiedlichem Wege konsumie- ren und ein erhöhtes Infektionsrisiko haben [2]. Sie sollen gezielt und auf ver- ständliche Weise informiert und moti- viert werden, um Kontakt zu einem/r Ärzt*in oder einem/r Drogenberater*in aufzunehmen. Denn immer noch fehlt Drogengebraucher*innen das Wissen über die eigene Infektion und den Ver- lauf der Krankheit sowie über die heute einfachen, Interferon-freien Möglichkei- ten, das Virus zu heilen. Dies kann eine wesentliche Hürde für die Behandlung und Heilung der Hepatitis-C sein. Neben Bildschirmen werden auch Tablets eingesetzt Dringend nötige Aufklärung Bis zu 75 Prozent der intravenös Drogen- heilbar ist, hat die Weltgesundheitsorga- attraktiver gemacht gebrauchenden sind mit dem Hepatitis- nisation WHO das Ziel ausgegeben, die „Unser Ziel ist es, unseren Klient*innen C-Virus (HCV) infiziert – viele davon, ohne Krankheit bis zum Jahr 2030 zu eliminie- auf einfache und klare Weise alles Wis- es zu wissen. Hepatitis-C kann einen ren [1]. Um dieses Ziel zu erreichen oder senswerte zu vermitteln und dabei einen chronischen Verlauf mit schwerwiegen- diesem Ziel möglichst nahezukommen, guten Mix aus verschiedenen Medien zu den Folgen nach sich ziehen. Dabei ist ist die Zusammenarbeit aller Beteiligten bieten – BRAVO kann uns dabei unter- die Infektion dank neuer Medikamente nötig – von den Drogenberatungsstellen stützen“, erklärt Stephan Ketzler vom heute in den meisten Fällen heilbar. Die über die Substitutionspraxen zu Drug Abrigado in Hamburg. Dazu setzt BRAVO Behandlung ist einfach und meist nach User Organisationen und Drogengebrau- moderne Kommunikationsmittel ein. 8–12 Wochen abgeschlossen. chenden selbst. Zudem gilt es auf mög- Mit praktischen Erklärvideos werden lichst vielfältigem Wege Menschen, die Drogengebrauchende in Kontaktläden Hepatitis-C soll bis 2030 besonders von Hepatitis-C bedroht und für das Thema Hepatitis-C sensibilisiert kein Thema mehr sein betroffen sind über Themen wie Präven- und motiviert, sich testen und falls nötig Aufgrund der hohen Verbreitung von He- tion, Test und Behandlung zu informie- behandeln zu lassen. Ein Problem, das patitis-C und der Tatsache, dass die Infek- ren. Mit dem Projekt BRAVO wurde die häufig von Mitarbeiter*innen in Bera- tion durch eine Behandlung fast zu 100 % bisherige Palette der Informationswege tungsstellen genannt wird, ist die Vielfalt 14
www.jes-bundesverband.de leben mit drogen an Sprachen der Klient*innen. Deshalb wurden die Videos in sieben Sprachen (Deutsch, Englisch, Türkisch, Arabisch, Russisch, Polnisch, Farsi) inklusive Un- tertiteln produziert. So können be- stehende Sprachbarrieren einfacher Neue Medien überwunden werden. „Wir als Mitarbeiter*innen der nied- rigschwelligen, akzeptanzorientierten Angebote der Drogenhilfe haben mit Chemsex Neue Kurzinformation diesen mehrsprachigen Aufklärungsvi- Erste Hilfe zum Thema Crack Use deos fachlich fundiertes Informations- material, das in anschaulichen Bildern verständlich erzählt, worum es geht. Eine Handreichung für Eigentlich war dieses Medium nur als Bei- Die hierfür benötigen Monitore und User*innen lage für die von JES erstmals aufgelegten Tablets stellt Gilead uns leihweise zur Der Chemsex-Experte und -Aktivist David Safer Crack Packs vorgesehen. Der in vie- Verfügung, so können die Videos flexi- Stuart hat zusammen mit Ignacio Labayen len Städten steigende Konsum von Crack bel in unterschiedlichen Kontexten ein- De Inza eine Handreichung zu Erste-Hilfe- – also rauchbarem Kokain- hat nun dazu gesetzt werden, wie etwa im Kontakt- Maßnahmen bei Chemsex-Notfällen ge- geführt, dass dieses Medium auch ohne Café, im Konsumraum, im persönlichen schrieben. Sie liegt auf Englisch, Deutsch, die limitierten Safer Crack Packs bestellt Gespräch mit Einzelnen oder im Be- Spanisch, Russisch und Chinesisch unter wird. reich der aufsuchenden Beratung bzw. https://www.davidstuart.org/chemsex- Das Interesse ist so groß, dass wir die- Streetwork“ erklärt Jutta Eisenhauer- first-aid vor. se Kurzinformation gerade nachdrucken Jarju, Bereichsleitung Überlebenshilfe Die deutsche Fassung kann im Shop der lassen. Zum Zeitpunkt der Veröffentli- der Düsseldorfer Drogenhilfe e.V. DAH als PDF-Datei heruntergeladen wer- chung dieser Ausgabe sollte das Medium Es ist geplant, die Ergebnisse des den. wieder zur Verfügung stehen. Projektes auszuwerten, um besser zu verstehen, wie sich der Einsatz neuer ▶ Download unter: ▶ Download und Bestellmöglichkeit Medien auf die lokale Bekämpfung der https://bit.ly/2KKOR6K unter: https://www.aidshilfe.de/ Hepatitis-C-Infektionen auswirken. shop/koks-crack-freebase BRAVO wird vorerst an fünf Stand- orten in Deutschland realisiert wer- den: derzeit läuft das Projekt bei Cond- robs e.V. in München, in den nächsten Monaten wird es auch in Düsseldorf, Frankfurt und Hamburg umgesetzt. ■ Olaf Ostermann, Condrobs München ▶ Für alle Interessierten: Die Videos sind auch online verfügbar unter www.meine-leber-und-ich.de Quellen: [1] World Health Organization (WHO): Com- bating Hepatitis B and C to reach elimination by 2030, Advocacy Brief, May 2016. [2] Aaron S, McMahon JM, Milano D, Torres L, Clatts M, Tortu S, et al. Intranasal transmis- sion of Hepatitis-C virus: virological and cli- nical evidence. Clinical infectious diseases: an official publication of the Infectious Disea- ses Society of America. 2008; 47(7): 931-4. 15
leben mit drogen DROGENKURIER „Vom Harz bis ans Meer“ Die neue Safer Use Kampagne der AIDS Hilfe Niedersachsen Anlässlich des „Internatio- 60.000 Packs mit Konsum- Die Packs für Drogengebraucher*innen utensilien für Niedersachsen sollen flächendeckend und bedarfsori- nal Drug Checking Day“ Unter dem Slogan „Safer Use – Vom Harz entiert zugänglich sein, um Alternativen 2019 am 31. März präsen- bis ans Meer.“ werden die elf regiona- zu mehrfach verwendeten Spritzen, Ka- len Aidshilfen zunächst 60.000 Packs nülen, Löffeln, Pfeifen, Röhrchen und Fil- tierte der Landesverband mit sterilen Konsumutensilien und Ge- tern zu bieten. Der Mac Aids Fund und Aidshilfe Niedersachsen brauchsanleitungen über ihre Beratungs- das Land Niedersachsen fördern „Safer und Anlaufstellen und ihre Sozial- und Use – vom Harz bis ans Meer“. Das Kon- (AHN) seine landesweite Streetworker verteilen. In den drei unter- zept wurde im Facharbeitskreis „Drogen Kampagne zur Risiko- und schiedlichen Care Sets – Spritzen, Sniefen, und Haft“ der niedersächsischen Aids- Rauchen – befinden sich außerdem leicht hilfen gemeinsam mit Expert*innen Schadensminimierung verständliche Tipps für einen risikomi- aus der Selbsthilfe, sowie der Aids- nimierenden Drogenkonsum. Zusätzlich und Drogenhilfe entwickelt. Bisherige (Harm Reduktion) beim wird damit für regelmäßige HIV/Hepati- Kampagnenpartner*innen sind neben Drogengebrauch tis-Tests geworben. den regionalen Aidshilfen die JES-Selbst- hilfenetzwerke (Junkies, Ehemalige und Substituierte) in Braunschweig, Hanno- ver, Lehrte und Peine sowie die hanno- versche Anlaufstelle für Drogen gebrau- chende Mädchen und Frauen La Strada (Phoenix e.V.) und die Deutsche Aidshilfe. Ausweitung der niedrigschwelli- gen Vergabemöglichkeiten „Für Menschen, die bereits drogenabhän- gig sind, wünsche ich mir vor allem in klei- neren Ortschaften und auf dem Land mehr verlässliche Anlaufstellen. Die Safer-Use- Kampagne soll dafür sensibilisieren, sich und andere vor HIV, Hepatitis und anderen Krankheitserregern zu schützen. Das Nut- zen von eigenem, sterilem Spritzbesteck und Zubehör kann das Risiko einer Anste- ckung deutlich senken. Die Verteilung der Care Packs ist ein guter Ansatzpunkt, um auch schwer erreichbaren Drogenkonsu- menten weitere Hilfen nahe zu bringen und um über Alternativen zu informie- ren“, sagt Niedersachsens Gesundheits- und Sozialministerin Carola Reimann. Zur Unterstützung des Kampagnen- starts hat Reimann die drei unterschied- lichen Care Packs gemeinsam mit der Präsidentin der Apothekerkammer Nie- 16
www.jes-bundesverband.de leben mit drogen dersachsen, Magdalene Linz, im Ministe- Foto: P. Gräfe rium präsentiert. „Apotheken sind glück- licherweise an vielen Orten des Landes vorhanden. Damit haben wir in Nieder- sachsen ein gutes Netzwerk und eine ver- lässliche Infrastruktur, mit der wir die Möglichkeit haben, Drogensüchtigen zu helfen. Wir sind gerne bereit, uns mit un- serem Wissen einzubringen und Maßnah- men auszuloten, wie die Apotheke vor Ort dazu beitragen kann, dass Drogen neh- mende Menschen auf risikoärmere Kons- umformen umsteigen“, meint Linz. Neue Konzepte – neue Allianzen Das wäre ganz im Sinne von Imke Schmieta, Geschäftsführerin der Aidshil- fe Niedersachsen: „Unsere Ziele sind, die Risiken beim Drogengebrauch zu minimie- ren, Infektionen zu vermeiden, die Testbe- Die 60.000 Packs mussten natürlich auch gepackt werden – vom niedersächsischen „Packteam“ reitschaft zu erhöhen und Hilfsangebote Foto: P. Gräfe flächendeckend besser zu vernetzen. Safer Use vom Harz bis ans Meer umfasst auch, Politik und Gesundheitsakteur*innen be- wusst zu machen, wie viel noch zu tun ist, um Drogen gebrauchende Menschen vor zusätzlichen Gesundheitsrisiken, aber auch vor Ausgrenzung und Stigmatisie- rung zu schützen.“ Dafür brauche es neue Konzepte und neue Allianzen. Schmieta dankte den zahlreichen Ehrenamtlichen, die viel Zeit in die Entwicklung und in das Packen der Care Sets in der Braunschwei- ger Aidshilfe investiert haben und dies auch künftig tun werden. ■ JES-Gruppen in Niedersachsen und AH Niedersachsen ▶ https://www.niedersachsen. aidshilfe.de/safer-use-kampagne v.l.: Frau Linz, Frau Dr. Reimann und Imke Schmieta stellen die neue Kampagne vor Dirk Schäffer von der Deutschen Aidshilfe meint, … Der Landesverband übernahm u.a. die professionelle … dass diese Kampagne ein Musterbeispiel für die Zusammen- Öffentlichkeitsarbeit und alle Aids- und auch Drogenhilfen arbeit von Aidshilfen, Drogenhilfen und JES-Gruppen ist. So wurde in Niedersachsen sind nun aufgerufen die Safer Use Packs das Konzept von Beginn an gemeinsam erarbeitet. Eine Koopera- auch abzufordern. tion auf Augenhöhe, wie man sie sich viel öfter wünschen würde. Ein besonderer Clou würde in der Kooperation mit den Im Prozess der Erarbeitung wurde deutlich, wie wichtig der Apother*innen in Niedersachsen bestehen. Diese müssten Input der JES-Gruppen war. Die Kampagne zeichnet sich nun die Packs kostenfrei an Drogengebraucher*innen verteilen. durch einen hohen Praxisbezug aus. Dies wäre ein Musterbeispiel für neue Allianzen. 17
leben mit drogen DROGENKURIER Heute, vor 25 Jahren rauschte der erste mobile Drogenkonsumraum durch Hamburg Foto: Freiraum Hamburg e.V. Der erste staatlich finanzierte koärmerer Drogenkonsum“ ermöglicht rechtlich möglich zu machen, scheiter- „Fixerraum“ ist ein Meilenstein werden. te aber. der deutschen Drogenpolitik Der Hamburger Generalstaatsanwalt Am 16. Februar 1994 wurde im Ham- Aus der „Fixerstube“ wird ein Arno Weinert hatte in einem Gutachten burger Stadtteil Billstedt Geschichte „Gesundheitstraum“ für die Justizbehörde keine strafrechtli- geschrieben: Mit dem „Drug-Mobil“ er- Der nach der Wahl im Jahr 1991 von der chen Probleme gesehen, wenn es in sol- öffnete an diesem Tag Deutschlands ers- SPD gestellte Hamburger Senat wand- chen „Fixerräumen“ nicht vordergründig ter aus öffentlichen Mitteln finanzierter te sich deutlich gegen die überkomme- um Drogenkonsum gehe, sondern dort „Fixerraum“. ne, restriktive Drogenpolitik und plante auch Beratung und medizinische Versor- Die Hamburger Sozial- und Gesund- zunächst eine Million DM für „Fixerräu- gung angeboten würden. heitssenatorin Helgrit Fischer-Men- me“ im Haushalt ein. Eine von Hamburg Und so wurde eben keine „Fixerstube“ zel sagte in ihrer Einweihungsrede, den gestartete Bundesratsinitiative, das Be- eingerichtet, sondern ein „Gesundheits- Drogenabhängigen solle „ein stressfrei- täubungsmittelgesetz (BtMG) zu libe- raum“ – und die deutsche Amtssprache er, einigermaßen hygienischer und risi- ralisieren und solche Konsumräume war wieder um einen Begriff reicher. 18
www.jes-bundesverband.de leben mit drogen Kein Raum für Drogenkonsum- räume Den Zuschlag für die Einrichtung und den Betrieb mehrerer solcher Gesundheits- räume bekam der neu gegründete Verein freiraum Hamburg e.V. Die Suche nach ge- eigneten Räumen erwies sich allerdings als schwierig. Selbst ein Stellplatz für einen Container war nicht zu bekommen. Ausrangierter Linienbus wurde zum Drogenkonsumraum Aus dieser Not heraus entstand die Idee, einen ausrangierten Linienbus der Ham- burger Verkehrsbetriebe umzubauen. Die 50 Billstedter*innen vor dem umstritte- tauscht, es wurde geklönt, verarztet, bera- Fahrgastsitze wurden entfernt, stattdes- nen Bus, um ihrem Unmut Ausdruck zu ten und – wenig überraschend – fast gar sen bekam der Bus unter anderem eine verleihen, waren es bei einer zweiten nicht gedrückt. „Man muss seitens der Liege zur Wundversorgung, eine Café- Demo nur noch eine Handvoll. BesucherInnen schon viel Toleranz und Ecke sowie Sitzgruppen für die Safer-Use- Langmut entwickeln, ist der Bus doch und Substitutionsberatung. Der rollende Nun machte die Justiz Probleme derart eng, dass ständig drei vier ‚Sozial- „Gesundheitsraum“ mit 200 PS konnte Bereits zwei Tage nach der Eröffnung nasen‘ um die Gäste herumlaufen“, fass- schließlich – nach wochenlangem Rin- wurde die Hamburger Staatsanwaltschaft te ein Mitarbeiter die Erfahrungen aus gen um einen geeigneten szenenahen aktiv und leitete gegen die Gesundheits- einem Jahr „Drug-Mobil“ zusammen. Standplatz – viermal die Woche für meh- senatorin ein „Vorermittlungsverfah- „Eine wirklich niedrigschwellige Café-At- rere Stunden unweit der U-Bahnstation ren“ ein. Dabei sollte geprüft werden, ob mosphäre ist unter solchen Bedingungen Legienstraße seine Türen öffnen. Danach sie mit dem Drug-Mobil gegen den Para- nur sehr eingeschränkt machbar.“ Unter- musste der Bus wieder weggefahren wer- grafen 29 des Betäubungsmittelgesetzes dessen wurden ganz nach Plan mit „Ab- den. verstoßen habe. Er sah eine Freiheitsstra- rigado“ und „Fixstern“ weitere dezentrale fe vor, wenn jemand „einem anderen eine Gesundheitsräume in Hamburg eröffnet, Bürger*innen machten mobil Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch nun auch tatsächlich in Immobilen und Anfangs hieß es immer, der Junkiebus von Betäubungsmitteln verschafft oder nicht auf Rädern. muss weg. Dann aber stellen die Anwoh- gewährt“. ner fest: Dem Stadtteil geht es nur gut, Niedergang des Drug-Mobiles wenn es auch den Junkies gut geht“, er- Das Drug-Mobil blieb eine unter neuem Senat zählt der heutige Geschäftsführer von Notlösung Nach dem überraschenden Wahlerfolg freiraum Hamburg, Urs Köthner. Trafen Das Drug-Mobil blieb eine Notlösung. der Partei Rechtsstaatliche Offensive im sich bei einer ersten Demonstration noch Auf kleinstem Raum wurden Spritzen ge- Jahr 2001 änderte sich unter dem neuen Innensenator Ronald Schill allerdings die Drogenpolitik der Hansestadt. In der Folge verlor freiraum Hamburg e.V., der das Drug-Mobil aufgebaut und bis dahin betrieben hatte, die Trägerschaft. Ver- schrottet wurde das Gefährt allerdings nicht. Es soll, zumindest noch eine ganze Weile, in Dänemark unterwegs gewesen sein – auch dort als rollender Drogenkon- sumraum. ■ Axel Schock, https://magazin.hiv, Februar 2019 ▶ www.drogenkonsumraum.net 19
leben mit drogen DROGENKURIER Erster Spritzenautomat in Frankfurt am Main Integrative Drogenhilfe installiert den ersten Automaten auf dem Gelände des Eastside In Deutschland gibt es ca. 160 Stand- Konsumutensilien aus dem Automa- Foto: IDH orte von Spritzenautomaten. Hier- ten nicht kostenlos. Der Unkostenbei- mit ist Deutschland das Land mit trag liegt zwischen 50 Cent und 1 €. der höchsten Anzahl dieser Angebo- Spritzenautomaten sind heute te, die einen 24-stündigen Zugang ein kleines, aber wichtiges Element zu Konsumutensilien ermöglichen. für die Prävention von HIV und He- Also eigentlich keine Besonderheit, patitis-C. Die DRUCK-Studie des RKI denn schließlich gibt es Spritzenau- machte deutlich, dass Drogenge- tomaten, die sich heute immer mehr braucher*innen auch in Großstädten zu Automaten für Konsumutensili- wie Köln, Frankfurt und Hamburg en entwickeln, da sie auch Zubehör Probleme haben zu jeder Zeit für ihre für andere Konsumformen zur Verfü- Der neue Automat am Eastside Konsumfrequenz eine ausreichende gung stellen, in fast allen Großstäd- Menge von Konsumutensilien zu er- ten. halten. Dies hat sowohl finanzielle als Es gab bisher leider zwei Ausnah- auch strukturelle Gründe. Mit Sprit- men. So sind bzw. waren die gesund- zenautomaten wird eine weitere Lü- heits- und drogenpolitisch Verant- cke geschlossen und der Konsum mit wortlichen der Städte Hamburg und sauberen Utensilien unterstützt. Frankfurt der Meinung, dass man über ein so gut ausgebautes Hilfe- Automaten mit Konsum- system verfügt und somit ein profa- utensilien sollten zum ner Spritzenautomat überflüssig ist. Drogenhilfekonzept einer In Frankfurt hat man diese Hal- jeden Stadt gehören tung nochmal überdacht. Trotz eines Es bleibt zu hoffen, dass sich auch die guten Zugangs zu Konsumutensilien Träger der Drogen- und Jugendhilfe soll der Spritzenautomat am Eastside in Hamburg ebenfalls entschließen, nun dazu beitragen einen 24-stündi- gemeinsam beim Senat ein solches gen Zugang zu sauberen Konsumu- Angebot einzufordern. Wie Frank- tensilien zu ermöglichen. furt kann auch Hamburg sicher mehr als einen Spritzenautomaten Ein wichtiges Element eines vertragen. Sollten noch Argumente Präventionskonzeptes gegen benötigt werden, so kann Berlin si- HIV und Hepatitis cher als gutes Beispiel herangezogen Mit dem umgebauten Zigaretten- werden. Über die ca. 18 Standorte in automaten erhalten Drogengebrau- Berlin werden im Jahr mehrere zehn- cher*innen die Möglichkeit sowohl tausend Packs an Konsument*innen Konsumutensilien für den intravenö- ausgegeben werden. ■ sen Konsum sowie Snief- und Smoke- JES Bundesverband Sets zu erhalten. Anders als in den Das erste Care Pack aus dem neuen Automaten. bekannten Einrichtungen sind die Rechts: Christoph Lange, Leiter des Eastside ▶ www.spritzenautomaten.de 20
DEINE THERAPIE IST EINSTELLUNGSSACHE Sprich mit deinem Arzt über deine Dosierung, bevor der Suchtdruck zu stark wird. Mit der richtigen Einstellung leben.
internationales DROGENKURIER Internationale Leitlinien zu Menschenrechten und Drogenpolitik veröffentlicht Rechts auf Schadensminimierung, auf freiwillige Behandlung der Dro- genabhängigkeit und des Zugangs zu Zugang zu kontrollierten Substanzen (etwa zur Substitutionsbehandlung oder Schmerztherapie) 2. das Recht, vom wissenschaftlichen Fortschritt zu profitieren, etwa mit Blick auf moderne Drogentherapien oder ein fortschrittliches Strafrecht 3. das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard 4. das Recht auf soziale Sicherung auch für Drogengebraucher*innen und In- haftierte 5. das Recht auf Leben (daher dürfe Weg vom „Krieg gegen Drogen“, hin zu Menschenrechte statt keine Todesstrafe auf Drogendelikte einer an den wissenschaftlichen Fakten Strafrecht verhängt werden) und den Menschenrechten orientierten Die Fakten zeigten, dass das Strafrecht 6. das Recht auf Freiheit von Folter und Drogenpolitik! Das fordern neue Inter- den illegalen Drogenmarkt nicht eindäm- andere grausame, unmenschliche nationale Leitlinien zu Menschenrech- men könne, heißt es in einer Presseerklä- oder erniedrigende Behandlung oder ten und Drogenpolitik. rung von UNAIDS zu den Leitlinien. Strafe (etwa durch Entzug von Substi- Die Leitlinien wurden von UN-Orga- tutionsmedikamenten) ▶ https://bit.ly/2Hno7qC nisationen wie dem Aids-Programm UN- 7. das Recht auf Schutz vor willkürli- AIDS oder dem Entwicklungsprogramm Der „Krieg gegen Drogen“ schütze die Ge- chen Verhaftungen UNDPF, der Weltgesundheitsorganisati- sellschaft nicht, sondern führe zu zahlrei- 8. das Recht auf einen fairen Prozess on, zahlreichen UN-Mitgliedsstaaten und chen Menschenrechtsverletzungen und 9. das Recht auf Privatsphäre führenden Menschenrechtsexpert*innen verursache viel menschliches Leid. 10. das Recht auf Gedanken-, Gewissens- entwickelt und im März 2019 veröffent- und Religionsfreiheit licht. Internationale Leitlinien 11. das Recht auf Teilhabe am kulturellen Anlass ist die 62. Sitzung der Sucht- zu Menschenrechten und Leben stoffkommission der Vereinten Nationen Drogenpolitik im Detail 12. das Recht auf Meinungsfreiheit, freie (Commission on Narcotic Drugs/CND) Die Leitlinien benennen folgende 13 Meinungsäußerung und Zugang zu vom 14. bis zum 22. März 2019 in Wien. Rechte, welche die Staaten schützen und Informationen An ihr nehmen rund 2.000 Delegierte umsetzen müssten: 13. das Recht, sich friedlich zu versam- aus den UN-Mitgliedsstaaten, der Wis- 1. das Recht auf den bestmöglichen Ge- meln und zu Vereinigungen zusam- senschaft und der Zivilgesellschaft teil. sundheitszustand einschließlich des menzuschließen. 22
www.jes-bundesverband.de internationales Expert*innen: Der Krieg gegen Drogen ist gescheitert „99 Prozent der intravenös Drogen Ge- brauchenden weltweit haben keinen Zu- gang zu Schadensminimierung und werden beim Fortschritt gegen HIV zu- rückgelassen“, so UNAIDS-Chef Sidibé. „Mehr als 12 Prozent von ihnen leben mit HIV, mehr als die Hälfte mit Hepati- tis-C. Der einzige Weg zum Fortschritt ist, die Menschen ins Zentrum zu stellen und nicht die Drogen.“ Die Geschäftsführerin des Internatio- nalen Netzwerks der Drogengebraucher*- innen (INPUD) Judy Chang sagte: „Be- res den Bericht einer UN-Arbeitsgruppe her die Öffentliche Gesundheit, die Scha- strafung und Ausgrenzung sind zentrale zu Drogenfragen vor. densminimierung und gendersensible Instrumente des ‚Kriegs gegen Drogen‘. Das Papier beschäftigt sich mit den Ansätze berücksichtigen und den Zugang Es ist an der Zeit, die Menschenwürde an drogenpolitischen Erkenntnissen der zu Behandlungsangeboten sicherstel- die Stelle sozialer Isolierung zu stellen, letzten zehn Jahre und kommt darin zu len, welche auf den wissenschaftlichen die Menschenrechte zu fördern und das einem ähnlichen Schluss wie die Leitlini- Fakten basieren und die Rechte von schändliche Erbe der Masseninhaftierun- en: Die Drogenmärkte entwickelten sich Drogengebraucher*innen, ihrer Familien gen hinter uns zu lassen.“ trotz aller bisherigen Gegenmaßnahmen und ihrer Gemeinschaften respektieren. Die Direktorin des Internationalen immer schneller, und die Bandbreite der Es bleibt zu hoffen, dass diese Signale Zentrums für Menschenrechte und Dro- zur Verfügung stehenden Drogen sowie gehört werden. UN-Generalsekretär Gu- genpolitik Julie Hannah ergänzte: „Für die produzierten Mengen seien größer terres zumindest ist optimistisch: „Ich den Umgang mit dem globalen Drogen- als je zuvor. habe keinen Zweifel daran, dass wir ge- problem ist es wirksamer, Ungleichheit Zugleich verursache die Drogenpolitik meinsam Angebot und Nachfrage verrin- und Ungerechtigkeit zu bekämpfen, als schwere Schäden für Individuen und Ge- gern, Gesundheit und Menschenrechte auf Gefängnisse und die Polizei zu set- sellschaften: „Missbräuchliche, repressive schützen und zu einer nachhaltigen Ent- zen.“ und unverhältnismäßige Maßnahmen wicklung beitragen können, wie dies in zur Drogenkontrolle sind kontraproduk- der Erklärung der UN-Sondersitzung zu Auch UN-Bericht fordert tiv, verletzen die Menschenrechte, schä- Drogen aus dem Jahr 2016 beschrieben menschenrechtskonforme digen die Öffentliche Gesundheit und wird“, schreibt er in seinem Vorwort. ■ Drogenpolitik verschwenden lebenswichtige öffentli- Holger Sweers, März 2019 Ebenfalls im Vorfeld der 62. CND-Sitzung che Ressourcen.“ legte UN-Generalsekretär António Guter- Nationale Drogenstrategien sollten da- ▶ https://magazin.hiv … und Deutschland stellt neue Rekorde in der Verfolgung von Drogenkonsument*innen auf. So stieg die Zahl der Rausch- giftdelikte auf stolze 350.662 Fälle. Dies bedeutet einen er- neuten Anstieg um +6,1 %. Nie wurden so viele Rauschgift- delikte zur Anzeige gebracht! BRAVO !!!!!!! 23
internationales DROGENKURIER Drogengebrauchende Frauen und feministische Aktivisteninnen in Barcelona gerechtigkeit thematisieren und verändern. Es galt zudem Proble- me von WUD auf die feministische Agenda zu setzen. Als Ergebnis die- ses Treffens wurde ein Narcofe- ministisches Netzwerk gegründet. Narcofeministinnen sind Frauen, die Drogen konsumieren und offen und ohne Scham darüber reden können. Frauen, die jeden Tag dafür kämpfen, Gewalt und Diskriminie- rung von Frauen, die Drogen konsu- mieren, zu beenden. Ein erster Schritt – partizipative Interviews Als ersten Schritt haben Frauen in vier Ländern – Kasachstan, Kirgisis- tan, Estland und der Ukraine – par- tizipative Interviews durchgeführt. In mehr als 50 Interviews berich- Teilnehmerinnen vor dem Projekt „Metzineres“ Quelle:privat teten Frauen, die Drogen konsu- mierten, über körperlichen und Die negativen Effekte durch psychoakti- Armut von Frauen die Drogen konsumie- psychischen sowie moralischen ve Substanzen auf Menschen, die Drogen ren, werden oft ignoriert und bekommen Missbrauch durch Familienangehö- konsumieren, werden vielfach diskutiert. offensichtlich zu wenig Aufmerksamkeit rige und Partner. Machtmissbrauch Der Schaden, den der Krieg gegen Drogen sowohl von Fachleuten als auch von Ak- durch Jugendämter, Diskrimi- und die in vielen Regionen unmenschli- tivistinnen. nierung im Gesundheitswesen, che Drogenpolitik produziert, wird aus Beschäftigungsprobleme und Poli- der Perspektive der Menschenrechte, der Das Netzwerk von zeigewalt. Wirtschaft und der Gesundheit vielerorts Narcofeministinnen Die Geschichten waren so hef- diskutiert. Vor einem Jahr kamen mehrere Drogen tig, dass die Frauen, die die Inter- Diese Diskussionen sind jedoch häu- konsumierende Frauen (Women who use views durchgeführt haben, Zeit fig auf Drogen gebrauchende Männer drugs – WUD) gemeinsam mit Feminis- benötigten um das Erfahrene zu beschränkt. Menschenrechtsverletzung ten zusammen, um diese Frage zu disku- verarbeiten. Vielfach brachten die- und Gewalt an Frauen, Zugang zu Bera- tieren. Es galt einen ersten Schritt hin zu se Interviews eigene Erlebnisse der tung und medizinischer Versorgung, die Strategien zu erarbeiten, die diese Un- Vergangenheit wieder hervor. 24
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