Infonium PH Zug 2/2020 Schul-Barometer - Kanton Zug
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Editorial Inhalt Editorial2 COVID-19 – aktuelle Herausforderungen in Schule und Bildung 3–5 (Lern-)Situation der Schüler/innen zuhause 6–7 Die Rolle familiärer und schulischer Merkmale für das Lernen 8–10 Schul-Barometer: zentrale Aussagen und weiterführende Überlegungen 11–12 Für mehr Chancengerechtigkeit 13–14 Dank Netzwerkpflege zu erfolgreicher Esther Kamm internationaler Zusammenarbeit 15 Positive Education: Bachelor-Arbeit 16–17 Generationen im Klassenzimmer: Bachelor-Arbeit 18 Entwicklung eines musikalischen Bilderbuches: Bachelor-Arbeit19 Die Schule als Spielraum: Bachelor-Arbeit 20–21 Gelegentlicher (Aus)raster?: Studierendenkolumne 22 Informationen aus den Leistungsbereichen 23 Veranstaltungen24 Die Coronavirus-Pandemie hat uns alle stark gefordert und wird sowohl bei den Lehrpersonen als auch den Schüler/innen. Digi- unser Leben auch in Zukunft einschneidend beeinflussen. Im tale Lehr-Lern-Formen erlauben darüber hinaus eine bewusstere März 2020 mussten die Schulen innert kürzester Zeit geschlos- Differenzierung der Aufgabenstellungen (S. 11–12). sen werden und die Lehrpersonen ihren Unterricht neu organi- sieren. Bereits wenige Tage nach der Bekanntgabe der Schul- Auch die PH Zug war durch den Lockdown stark gefordert. Un- schliessungen lancierte das Institut für Bildungsmanagement und sere Dozierenden mussten innerhalb weniger Tage den Unter- Bildungsökonomie (IBB) der PH Zug mit dem «Schul-Barometer» richt über digitale Kanäle ermöglichen, für Praktika und Prüfun- eine wissenschaftliche Studie zu COVID-19 und Schule in gen mussten geeignete Lösungen gefunden werden. Dank dem Deutschland, Österreich und der Schweiz. Es wurde das aktuelle grossen Engagement und der Flexibilität aller Mitarbeitenden Stimmungsbild an den Schulen erfasst und wichtige Erkenntnis- und Studierenden können wir auf eine zwar fordernde, aber er- se zu den Auswirkungen des Fernunterrichtes konnten gewonnen folgreiche Zeit des Fernunterrichtes zurückblicken, in der auch werden (S. 3–5). An der Onlinebefragung haben bereits über spannende Bachelor-Arbeiten unserer Absolvierenden entstan- 24 000 Schulleitungen, Lehrpersonen, Eltern, Schüler/innen und den sind (S. 16–21). weitere Akteure aus dem Bildungswesen teilgenommen. Die seit Juni 2020 geltenden Lockerungsmassnahmen haben zu Die Mehrheit (51 %) der befragten Schüler/innen glaubt (eher) einer gewissen Entspannung im Bildungsbereich geführt. Ob Bund nicht, dass sie während des Fernunterrichts mehr als im norma- und Kantone die Massnahmen und Vorschriften wieder verschär- len Unterricht lernen. Dem gegenüber stehen 24 % der Schüler/ fen müssen, ist ungewiss. Mit Zuversicht starten wir jedoch ins innen die denken, dass sie im Fernunterricht (eher) mehr profi- neue Semester und freuen uns, unsere Studierenden wieder von tieren konnten als sonst (S. 6–7). Angesicht zu Angesicht zu sehen. Das Schul-Barometer hat unter dem Stichwort «Bildungsgerech- Ich wünsche Ihnen die nötige Gelassenheit und Kreativität in tigkeit» auch untersucht, ob durch die temporären Schulschlies- dieser herausfordernden Zeit und eine anregende Lektüre. sungen bestimmte Schülergruppen eher auf der Strecke bleiben als andere (S. 8–10). Die Umfrageresultate zeigen auch Chancen auf, die sich durch den Lockdown ergeben haben. Einerseits gab Prof. Dr. Esther Kamm es im Bereich der Digitalisierung einen enormen Aufschwung – Rektorin 2
Das Schul-Barometer: COVID-19 – aktuelle Herausforderungen in Schule und Bildung Das im März lancierte Schul-Barometer zeigt aus wurde vom 24. März bis 5. April 2020 als On- Sicht verschiedener Personengruppen die Pande- line-Umfrage durchgeführt. Gegenwärtig um- mie-bedingte Schulsituation in Deutschland, Öster- fasst das Schul-Barometer eine Stichprobe für reich und der Schweiz auf. Deutschland, Österreich und der Schweiz von über 24 000 Personen (vgl. Tabelle 1). Wir erleben eine durch die Corona-Pandemie ausgelöste gesellschaftliche Krise mit weitrei- Deutschland Österreich Schweiz chenden Auswirkungen auf nahezu alle gesell- deutsch deutsch deutsch französisch schaftlichen Bereiche. Ab Mitte März wurden die Schülerinnen und Schüler 471 1423 55 6102 Schulen in der Schweiz, in Deutschland und in Eltern 760 1100 105 8768 Österreich für mehrere Monate geschlossen. Schulleitung 236 185 118 111 Je nach Kanton/Bundesland wurde teils unter- Mitarbeitende der Schule 617 671 198 3218 schiedlich vorgegangen, bspw. hinsichtlich Feri- Schulverwaltung und -aufsicht 17 13 9 0 enregelungen, Formen der Schüler/innenbe- Unterstützungssysteme 25 3 12 0 treuung und der Anwesenheit von schulischen Mitarbeitenden sowie hinsichtlich der Lehr-Lern- Summe 2126 3395 497 18199 Arrangements. Diese für alle neue Situation Tabelle 1: Stichprobe des Schul-Barometers in Deutschland, Österreich und der Schweiz. führte rasch zu neuen Herausforderungen, vielen offenen Fragen und je nach Akteursgruppe zu Über Länderunterschiede wurde in den bisheri- unterschiedlichen Informationsbedürfnissen. gen Publikationen zum Schul-Barometer nur Mit dem Ziel, diese Informationsbedürfnisse für die Personengruppen der Mitarbeitenden zumindest teilweise zu befriedigen, wurde vom und Schulleitungen berichtet. Zur Aussagekraft Institut für Bildungsmanagement und Bildungs- der Daten für die einzelnen Länder ist kritisch ökonomie (IBB) der PH Zug das Schul-Barome- anzumerken, dass es sich um eine Ad-hoc- ter lanciert (Huber et al., 2020). Stichprobe handelt. Zudem gibt es Verzerrun- gen hinsichtlich des Alters der befragten Schü- Ein Beitrag zum Erfahrungsaustausch ler/innen. Auch sind Schüler/innen ohne Ziel des Schul-Barometers ist die Beschreibung Zugang zum Internet wohl unter- bzw. nicht und Einschätzung der Pandemie-bedingten repräsentiert. Schulsituation in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus Sicht verschiedener Personen- Lehren und Lernen während gruppen (vgl. Tabelle 1). Durch die empirische der Corona-Pandemie Beschreibung der Auswirkungen der Krisensitu- Schulschliessungen aufgrund der Corona-Pan- ation auf Schule und Bildung soll im Sinne von demie führten dazu, dass klassischer Schulun- «Responsible Science» – mit dem Aufgreifen terricht durch Lehren und Lernen entfiel und von aktuellen gesellschaftlichen Problemen in durch andere Formen – u. a. mittels digitaler die Forschung und die Rückbindung von Ergeb- Medien – ersetzt wurde. Damit traten die lehrer- nissen in die Politik, Verwaltung und Praxis – zentrierten Anteile des Lehr-Lern-Prozesses ein Beitrag zum Erfahrungsaustausch geleistet (z. B. Instruktionsphasen) deutlich in den Hinter- werden. Damit sollen möglichst rasch hand- grund, während die schülerzentrierten Anteile lungsrelevante Informationen für unterschiedli- (z. B. selbstgesteuertes Lernen, Be-/Erarbeiten che Zielgruppen zur Verfügung gestellt werden. von Arbeitsaufträgen/Lernaufgaben) den Haupt- Zu diesem Zweck wurden im Schul-Barometer teil des Lernens ausmachten. Entsprechend unterschiedliche Themen, die vor dem Hinter- gewann die Unterstützung der Eltern (und/oder grund verschiedener Forschungstraditionen der Geschwister) als «Ersatzlehrpersonen» stark und -diskurse als relevant für die aktuelle Situ- an Bedeutung (vgl. Huber & Helm 2020b). ation gelten, untersucht. Für die unterschiedli- chen Gruppen der Befragten (Schüler/innen, Somit zeigen sich deutliche Parallelen zu Lehr- Eltern, Schulleitungen, Mitarbeitende der Schu- Lern-Prozessen im Rahmen von Hausaufgaben, le, Schulverwaltung/Schulaufsicht, Unterstüt- weshalb für die Analyse des Lernens während zungssysteme) wurden angepasste Fragebögen der Pandemie insbesondere jene Modelle des entwickelt und eingesetzt. Neben der deutsch- Lehrens und Lernens in den Fokus rücken, die sprachigen Version existieren auch Versionen auch für die Beschreibung der Rolle von Haus- in französischer und englischer, aber auch z. B. aufgaben relevant sind. Hierzu wurden in der in russischer Sprache. Das Schul-Barometer Literatur bereits unterschiedliche Modelle vor- 3
gestellt, diskutiert und empirisch analysiert (z. B. wahrgenommene Aspekte der (z. B. Hagenauer & Oberwimmer, 2019; Kohler, Quantität und Qualität von Hausübungen), 2011; Trautwein, Lüdtke, Schnyder, & Niggli, (3) Merkmale der Schüler/innen 2006). (z. B. Selbstkonzept) und (4) Merkmale der Eltern (z. B. Quantität und Diesen Modellen entsprechend nimmt der (sozi- Qualität der elterlichen Unterstützung bei ale) Kontext starken Einfluss auf die Qualität der Hausaufgabenbearbeitung) und den Erfolg von Lernprozessen im häuslichen Setting. Empirisch ist und wird in zahlreichen als Prädiktoren der Schüler/innenleistung pos- Studien (etwa den kontinuierlich publizierten tuliert, wobei die Motivation und das Hausauf- large scale Assessments der OECD) nachgewie- gabenverhalten der Schüler/innen als «sequen- sen, dass die sozio-ökonomische Herkunft der zielle Mediatoren» dieser Beziehungen vermutet Lernenden (z. B. Bildungsnähe der Eltern) am werden. Das heisst, es wird angenommen, dass stärksten den Lernprozess und den Lernerfolg die in 1) bis 4) gelisteten Merkmale primär auf Literatur beeinflusst. Darüber hinaus kann angenommen die Motivation der Schüler/innen wirken, diese Hagenauer, G., & Oberwimmer, werden, dass sich die Bildungsnähe des Eltern- wirkt auf das Hausaufgabenverhalten, das wiede- K. (2019). Zum Zusammenhang hauses insbesondere auf die (lernförderliche) rum auf deren Leistungen Einfluss nimmt. zwischen Hausaufgabenpraxis Bearbeitung von Hausaufgaben bzw. das ausser- und Leseleistung: Ergebnisse aus PIRLS 2006, 2011 und 2016. unterrichtliche Lernen auswirkt (vgl. Hagenauer Für das Lehren und Lernen während der Zeit der In C. Wallner-Paschon & U. Itzlin- & Oberwimmer, 2019 für einen empirischen Schulschliessungen aufgrund der Corona-Pan- ger-Bruneforth (Hrsg.), Lesekom- Nachweis). Mehrere Autor/innen, bspw. Kohler demie können sehr ähnliche Modellannahmen petenz der 10-Jährigen im Trend. (2011) und Hagenauer und Oberwimmer (2019), getroffen werden. Abbildung 1 (S. 5) zeigt, wel- Vertiefende Analysen zu PIRLS (S. 221–237). Graz: Leykam. sehen daher in den häuslichen Ressourcen für che Aspekte wir vor dem Hintergrund zentraler die Hausaufgabenbearbeitung, dem sozio-öko- Forschungstraditionen und Theoriemodelle als Huber, S.G. & Helm, C. (2020a). nomischen Status der Lernenden (bspw. Bil- relevant erachten und im Schul-Barometer er- Lernen in Zeiten der Corona- Pandemie. Die Rolle familiärer dungs- und Berufsstatus der Eltern) und der fasst haben. Merkmale für das Lernen von Klassenzusammensetzung zentrale Kontextvari- Schüler*innen: Befunde vom ablen des Lernens durch Hausaufgaben. Einge- Schul-Barometer in Deutschland, bettet in den Kontext, werden im Homework- Österreich und der Schweiz. Die Deutsche Schule, Beiheft 16, Modell von Trautwein et al. (2006), Stephan Gerhard Huber (Leiter IBB), 37–60. Paula S. Günther, Nadine Schneider, Huber, S.G. & Helm, C. (2020b). (1) Merkmale der Lehrpersonen, Christoph Helm, Marius Schwander, COVID-19 and schooling: evalua- (2) Merkmale der Lernumgebung Julia A. Schneider & Jane Pruitt tion, assessment and account- ability in times of crises–reacting quickly to explore key issues for policy, practice and research with the school barometer. Educational Assessment, Evaluation and Ac- countability, 32(2), 237–270. DOI 10.1007/s11092-020-09322-y. Huber, S.G., Günther, P.S., Schnei- der, N., Helm, C., Schwander, M., Schneider, J.A. & Pruitt, J. (2020). COVID-19 und aktuelle Herausfor- derungen in Schule und Bildung. Erste Befunde des Schul-Barome- ters in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Münster, New York: Waxmann. Kohler, B. (2011). Hausaufgaben. Überblick über didaktische Über- legungen und empirische Untersu- chungen. DDS – Die Deutsche Schule, 103 (3), 203–218. Trautwein, U., Lüdtke, O., Schny- der, I., & Niggli, A. (2006). Predic- ting Homework Effort: Support for a Domain-Specific, Multilevel Homework Model. Journal of Educational Psychology, 98 (2), 438–456. https://doi.org/10.- 1037/0022-0663.98.2.438 Analoges und digitales Lernen. 4
Abbildung 1: Im Schul-Barometer erfragte Aspekte des Lehrens und Lernens (EL = Eltern; MA = Mitarbeitende; SL = Schulleitung; SuS = Schüler/innen: SV = Schulverwaltung; US = Unterstützungssysteme). Familie Schüler/innen Lehren Lehrer/innen Schule System Schülersituation Alter (SuS) Quantität –K ompetenz im Einsatz – Information durch die – Informationen durch – Lernen zuhause als –O rganisation digitaler digitaler Medien Schule/Schulleitung die Schulbehörde Herausforderung (SuS) Positive Emotionen Unterricht (SuS) (SuS, EL, MA, SL, SV, US) (EL, MA, SV, US) (MA, SL, SV, US) – Lernunterstützung durch – Freude auf andere –% erreichter Schüler/innen –M otivation im Einsatz – Informiertheit – Informiertheit der Schul- Eltern (SuS, EL) Lernmethoden (MA, SL, SV, US) digitaler Medien der Schulleitung (SL) verwaltung und Schulauf- – Technische Ausstattung (SuS, MA, SL, SV, US) –M edien für Kontakt/ (SuS, EL, MA, SL, SV, US) – Informiertheit sicht sowie des Unterstüt- – Möglichkeiten, am PC/ – Z ukünftig auch andere Materialverbreitung –K ompetenz im Einsatz des Kollegiums (MA) zungssystems (SV, US) Laptop/Tablet zu arbeiten Lernmethoden einsetzen (MA, SL, EL, SuS) digitaler Medien – Belastung – Belastung der Schulver- (MA, SL, EL, SuS, SV, US) (SuS) –D igitale Präsenzzeit (MA, SL) (SuS, EL, MA, SL, SV, US) der Schulleitung (SL) waltung und Schulaufsicht – – eigener PC/Laptop/ – Z eit mit Familie verbringen –V ideokonferenzen (EL, SuS) – Belastung sowie des Unterstüt- Tablet; PC/Laptop/Tablet (SuS) – I nformiertheit der Mitar- des Kollegiums (MA) zungssystems (SV, US) Qualität leihen; Zustand des PC/ Negative Emotionen beitenden (MA) – Lehrerkooperation –K ontrolle Lernaufgaben Laptop/Tablet (SuS, EL) – Belastung –B elastung der Mitarbei- (MA, SL, SV, US) (MA, SL, SuS, EL) – Erledigungen für Eltern (SuS, MA, SL, SV, US) tenden (MA) – Erfahrung im Einsatz –W -Plan/Coaching (MA, SL) und Geschwister (SuS) – Schule wird vermisst (SuS) –F unktion an der Schule digitaler Medien (MA, SL) –S orgen ernst nehmen – Betreuung von – Langeweile (SuS) (MA, SL) – Selbstkonzept im Einsatz (MA, SL, EL, SuS) Geschwistern (SuS) digitaler Medien Selbstorganisations- – L ernstand wird berück- – Schüler/in ist alleine (SuS) (MA, SL, SV, US) fähigkeiten sichtigt (SuS, EL) – Technische Ausstattung Elternsituation – Tagesabläufe (SuS) –D iff. Lernhinweise (SuS, EL) (MA, SL, SV, US) – Belastung/Sorge Eltern (EL) – Schüler/in hat das Gefühl, – Absprachen m. Lehrkraft – Anwesenheit (MA, SL) – Herausforderung Tages- dass Ferien sind (SuS) – % betreuter Schüler/innen ablauf Eltern (EL) (SuS, EL, MA, SL, SV, US) (MA, SL) – Informiertheit d. Eltern (EL) – Herausforderung Tages- Lernen/Lernprozesse – Reaktionen – Einstellung d. Eltern zur ablauf Schüler/in (SuS) des Kollegiums (MA, SL) Schulschliessung (EL) – Elternarbeit/-kontakt Freizeitaktivitäten der – L ernaufwand (SuS) Familiäre Situation (SuS, EL, MA, SL, SV, US) Schüler/in (SuS) – Bearbeitungszeit (MA, SL) – Umgang der Familie mit – Schülereinstellung auf neue – Schulstufe der Krise (SuS) Methoden (MA, SL, SV, US) (SuS, EL, MA, SL) – Umgang der Eltern – Schüler/innen arbeiten ak- – Schultyp (SuS, EL, MA, SL) mit der Krise tiv zuhause (MA, SL, SV, US) (MA, SL, SuS, EL, SV, US) – Soziales Lernen über digitale Medien (SuS) – Möglichkeiten zum sozialen Lernen (MA, SL) Lernergebnisse – Ich lerne jetzt mehr als im normalen Unterricht (SuS) – Elternsorge über das Zu- rückbleiben d. Kinder (EL) 5
Befunde des Schul-Barometers: (Lern-)Situation der Schüler/innen zuhause Die Befunde des Schul-Barometers geben Auf- 1588, v_472) und man «nun mehr Stoff bearbei- schluss über die häusliche Situation und das ten [würde], weil das Besprechen wegfalle» Lernen der Schülerinnen und Schüler während (SuS, ID 1610, v_472). des Fernunterrichts. Technische Ressourcen zuhause Tätigkeiten der Schüler/innen Rund drei Viertel der Eltern stimmen der Aussa- 41 Prozent der Schüler/innen und 44 Prozent ge «Wir haben zuhause genügend Möglichkei- der Eltern geben an, dass es ihnen bzw. ihren ten, am Computer/Laptop/Tablet zu arbeiten» Kindern (eher) leichtfällt, früh aufzustehen und (eher) zu. Rund zehn Prozent stimmen ihr (eher) einen geregelten Tagesablauf zu haben. 30 Pro- nicht zu. Diese Angaben decken sich mit jenen zent der Eltern denken, dass dies (eher) nicht der Schüler/innen, wobei dort die Zustimmung zutrifft. Bei den Schülern/innen ist dieser Anteil etwas höher ist (knapp 86 %). mit 37 Prozent etwas höher. 77 Prozent der Schüler/innen geben an, über ein Fast die Hälfte der Schüler/innen gibt an, eigenes Gerät zu verfügen. Rund 21 Prozent lei- durchschnittlich mehr als vier Stunden pro Ar- hen ein Gerät von ihren Eltern oder Geschwistern. beitstag für Lernen und Aufgaben für die Schule aufzuwenden. In Abbildung 1 sind diese Infor- Rund 78 Prozent der Schüler/innen stimmen mationen auf Basis von Mittelwerten (Median) der Aussage «Der Computer/Laptop/Tablet in dargestellt. unserem Haushalt ist/sind auf dem neuesten Stand.» eher oder ganz zu. Sechs Prozent ver- neinen die Aussage voll und ganz. Die Elternan- gaben decken sich diesbezüglich. In den qualitativen Daten wird die unzureichen- de Hardwareausstattung bei den Schülern/ innen zuhause als der bedeutendste Grund für deren unzulängliche bis fehlende Erreichbarkeit während der Schulschliessung genannt. Lernsituation zuhause Gleich viele Schüler/innen wie Eltern (je 37 %) geben zu Beginn des Fernunterrichts an, dass sie bzw. ihre Kinder sich auf andere Lernweisen bzw. Lernmethoden, wie z. B. E-Learning, freuen. Abbildung 1: Lesebeispiel «Median»: Rund 51 Prozent der Schüler/innen gaben an, Bei den Schulleitungen und Mitarbeitenden der 0 Stunden für PC- und Videogames pro Woche aufzuwenden. Schule schätzen rund ein Viertel (27 % bzw. 22 %), dass die Kinder sich auf andere Lernwei- Anhand der qualitativen Befunde wird sichtbar, sen bzw. Lernmethoden freuen. Gut ein Viertel dass einige Eltern den Eindruck haben, dass der Eltern (27 %), Mitarbeitenden der Schule ihre Kinder zuhause einen hohen Arbeitsauf- (26 %) und Personen der Unterstützungssysteme wand für die Schule erbringen müssen. Das (28 %) schätzen ein, dass dies bei den Kindern wiederum fordert bzw. überfordert auch einen (eher) nicht der Fall ist, während dieser Anteil nicht unerheblichen Teil der Eltern im Rahmen bei den Schülern/innen selbst mit 38 Prozent der Lernbegleitung. deutlich höher ist. Auch viele Schüler/innen teilen das Empfinden, Wie Abbildung 2 zeigt, glaubt die Mehrheit (51 %) dass sie in der Situation des Fernunterrichts der Schüler/innen (eher) nicht, dass sie während mehr Aufgaben und Unterrichtsstoff bearbeiten des Fernunterrichts mehr als im normalen Unter- würden als im normalen Unterricht. Ein nicht richt lernen. Auch denken 48 Prozent der Schüler/ unerheblicher Anteil ist der Ansicht, dass in der innen (eher) nicht, dass man, wenn die Schule wie- aktuellen Situation mehr gelernt werde, «weil der öffnet, mehr online und zuhause lernen sollte. für eine Stunde Unterricht mehr Aufgaben ge- Dem gegenüber stehen 28 Prozent, die denken, stellt werden, als [sie] normalerweise in dieser dass dies (eher) der Fall sein sollte. 24 Prozent der Zeit im Unterricht schaffen würden» (SuS, ID Schüler/innen denken zudem (eher), dass sie jetzt 6
mehr lernen als im normalen Unterricht. In den qualitativen Daten zeigt sich dazu, dass sich die Schüler/innen sehr differenziert zur Situation des häuslichen Lernens äussern. Die Gründe, welche die Schüler/innen im Rahmen der offenen Antworten dafür angeben, dass sie aktuell mehr lernen als im normalen Unterricht, sind unterschiedlich. Mehr Unterrichtsstoff als im normalen Unterricht Ein Aspekt, der von den Befragten als Grund für ihr subjektives Empfinden des grösseren Lern- zuwachses während der aktuellen Situation ge- nannt wird, ist der oben bereits erwähnte er- Abbildung 2: Situativer Lernfortschritt der Schüler/innen. höhte Umfang an Aufgaben. Die Schüler/innen geben an, dass sie mehr Aufgaben bzw. Unter- als im normalen Unterricht. In diesem Zusam- richtsstoff von den Lehrpersonen erhielten und menhang wird beispielsweise die intrinsische bearbeiten würden, als dies im normalen Unter- Motivation, also das Lernen aus eigenem An- richt der Fall sei. trieb und einer inneren Motivation heraus, ge- nannt. Die Möglichkeit des selbstverantwortli- Effektiveres Lernen durch Berücksichtigung chen und selbstständigen Lernens führe bei des individuellen Lerntempos einigen Schülern/innen zu einer gesteigerten Besonders hervorgehoben wird die Berücksich- Lernfreude, das Gefühl von externem Zwang tigung des individuellen Lerntempos. So geben bleibe aus und man lerne das selbstständige viele Schüler/innen an, dass sie in ihrem eige- Lernen. nem Lerntempo effektiver lernen können. Dies sei sowohl ein Vorteil für leistungsstärkere als Lern- und Biorhythmus können besser auch -schwächere Schüler/innen. Während ein berücksichtigt werden Teil der Befragten angibt, nun mehr Zeit für die Weiter heben Schüler/innen die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsstoff individuellen Zeiteinteilung bzw. ihres individuel- zur Verfügung zu haben, äussern andere, dass len Lernrhythmus positiv hervor. So äussert eine sie nun «mehr erledigen [können] als in der Befragte oder ein Befragter etwa «ich bin [nun] Masse, in der man sich auch an den Langsame- nicht müde, weil ich nicht vormittags arbeiten ren orientieren müsse» (SuS, ID 1223, v_472). muss» (SuS, ID 1023, v_472). Weiterhin geben die Schüler/innen an, dass sie durch die Berücksichtigung ihres individuellen Berücksichtigung individueller Lernweisen Lerntempos weniger Zeitdruck verspüren, mehr und -methoden Verständnis für die Lerninhalte entwickeln und Daneben gibt es auch Schüler/innen, die ihren die Möglichkeit der individuellen Wiederholung verstärkten Lernzuwachs während des Fernun- der Lerninhalte haben würden. terrichts mit der Berücksichtigung individueller Lernweisen und -methoden begründen. Wäh- Mehr Konzentration und Ruhe durch rend ein Teil der Befragten angibt, durch die ungestörtere häusliche Lernatmosphäre Ausweitung der Recherchemöglichkeiten insbe- Ein weiterer Aspekt, der von den befragten Schü- sondere durch den häuslichen Internetzugang lern/innen oft genannt wird, ist eine ungestör- bessere Lernmöglichkeiten zu haben, äussern tere Lernatmosphäre. Demnach geben viele Be- andere, dass sie durch die nun besseren Mög- fragte an, dass sie sich aufgrund von mehr Ruhe lichkeiten des Zusammenfassens und Aufschrei- und weniger Ablenkung besser konzentrieren bens oder das Anschauen von Lernvideos bes- könnten und wegen eines angenehmeren Ar- ser lernen würden. Literatur beitsumfelds zuhause in der aktuellen Situation Huber, S.G., Günther, P.S., Schnei- mehr lernen würden. Wenige Befragte geben an, dass sie durch die der, N., Helm, C., Schwander, M. Unterstützung der Eltern besser als im norma- Schneider, J.A. & Pruitt, J. (2020). Effektiveres Arbeiten durch selbstverantwort- len Unterricht lernen würden. COVID-19 und aktuelle Herausfor- liches Lernen und intrinsische Motivation derungen in Schule und Bildung. Erste Befunde des Schul-Barome- Viele Schüler/innen scheinen überdies die Mög- Stephan Gerhard Huber (Leiter IBB), ters in Deutschland, Österreich lichkeiten des selbstverantwortlichen Lernens Paula S. Günther, Nadine Schneider, und der Schweiz. Münster, New zu schätzen und führen dies als Grund dafür an, Christoph Helm, Marius Schwander, York: Waxmann. dass sie in der aktuellen Situation mehr lernen Julia A. Schneider & Jane Pruitt 7
Befunde des Schul-Barometers: die Rolle familiärer und schulischer Merkmale für das Lernen von Schüler/innen Die Corona-Pandemie führte weltweit zu tempo- tisch äussern und sie als hohe Belastung rären Schulschliessungen. Bleiben dabei einzelne erleben (und mehr Unterstützung von Lehr- Schülergruppen auf der Strecke? personen benötigen). Sie haben eher das Gefühl, sie hätten Ferien und sind tendenzi- Bereits im Rahmen der Berichtslegung zum ell weniger lernmotiviert. Schul-Barometer (Huber et al., 2020) wurden Befunde präsentiert, die Aufschluss über das Zum anderen wurde analysiert, was jene Schü- Lernen benachteiligter Schüler/innengruppen ler/innen, die das Gefühl haben, sie hätten zu geben (siehe Artikel auf S. 6–7). Beginn des Fernunterrichts Ferien, von anderen Schülern/innen unterscheidet. Entsprechend Outcome und Selbstständigkeit der eben dargestellten Analyse sind Schüler/ der Schüler/innen innen, die viel für die Schule lernen und arbei- Untersucht wurde, was Schüler/innen, die wäh- ten (wöchentlich 25 Stunden und mehr), sehr rend der Schulschliessungen zuhause viel Zeit selten jene, die denken, sie hätten Ferien. Darü- für das Lernen (25 Stunden und mehr) aufwen- ber hinaus zeigt sich, dass Schüler/innen, die den, von jenen unterscheidet, die wenig Zeit für 25 Stunden und mehr pro Woche Computer- das Lernen (weniger als 9 Stunden) aufwenden spiele spielen und Fernsehen schauen und de- (vgl. Artikel auf S. 6–7). nen es schwerfällt, früh aufzustehen und einen geregelten Tagesablauf zu haben, signifikant Lernaktiven Schülern/innen, die der ersten häufiger das Gefühl haben, sie hätten Ferien. Gruppe angehören, Schliesslich wurden Schüler/innen, die die Literatur – fällt es leicht, früh aufzustehen und einen Schule vermissen, mit jenen kontrastiert, die Huber, S.G., Günther, P.S., geregelten Tagesablauf zu haben, die Schule nicht vermissen. Zusammenfassend Schneider, N., Helm, Chr., – sind in der Lage, den Tag selbst zu planen, zeigt sich, dass Schüler/innen, die mit der Schwander, M., Schneider, J. & Pruitt, J. (2020). COVID-19 und – verbringen mehr Zeit mit Sport zuhause, Schulschliessung sehr schlecht zurechtkommen, aktuelle Herausforderungen in mit Lesen und anderen Aktivitäten, deutlich häufiger der Gruppe von Schülern/innen Schule und Bildung. Münster u. a. – glauben, während des Fernunterrichts mehr angehören, die die Schule vermisst. Auch jene, Waxmann. Verfügbar unter: zu lernen als im normalen Unterricht, denen die Decke bereits kurz nach Beginn des DOI 10.31244/9783830942160. – bekommen häufiger die Lernaufgaben durch Fernunterrichts auf den Kopf fällt und die sich Huber, S.G. & Helm, C. (2020a). ihre Lehrpersonen kontrolliert und nicht auf neue Lernmethoden freuen, vermissen COVID-19 and Schooling: – haben nicht das Gefühl, dass gerade die Schule mit einer signifikant höheren Wahr- Evaluation, Assessment and Ac- countability in Times of Crises- Ferien sind. scheinlichkeit. Darüber hinaus stehen die erlebte Reacting Quickly to Explore Key Belastung und die Fragen, ob das Lernen zuhau- Issues for Policy, Practice and Im Kontrast zu dieser Gruppe zeigt sich die se eine Herausforderung darstellt, ob auch in Research with the School Barome- Gruppe der weniger lernaktiven deutlich pas- Zukunft mehr online und zuhause gelernt wer- ter. Educational Assessment, Eva- luation and Accountability 32(2), siver, mit einer Ausnahme: Sie verbringen den soll und ob jetzt mehr als im normalen Un- 237-270. DOI 10.1007/s11092- viermal so viel Zeit wie die andere Gruppe mit terricht gelernt wird, in bedeutendem Zusam- 020-09322-y. Computerspielen. menhang mit dem Ausmass, in dem die Schule Huber, S.G. & Helm, C. (2020b). vermisst wird. Lernen in Zeiten der Corona- Auch auf Basis der Schüler/innenantworten Pandemie. Die Rolle familiärer zu den offenen Fragen im Schul-Barometer kris- Zusammenhangsanalysen Merkmale für das Lernen von Schüler*innen: Befunde vom tallisieren sich deutlich die zwei Gruppen der zum häuslichen Lernen Schul-Barometer in Deutschland, Lernaktiven und weniger Lernaktiven heraus: Vor dem Hintergrund von Modellen des Lernens Österreich und der Schweiz. Die zuhause (z. B. dem Homework-Modell nach Deutsche Schule, Beiheft 16, (1) Lernaktive Schüler/innen, die sich sehr posi- Trautwein et al., 2006) wurde der Frage nachge- 37–60. DOI 10.31244/9783830- 992318. tiv über den Fernunterricht und die damit ver- gangen, welchen Einfluss Merkmale der Qualität bundenen Chancen äussern (Möglichkeiten des Fernunterrichts, Schüler/innenmerkmale Trautwein, U., Lüdtke, O., Schny- der, I. & Niggli, A. (2006). Pre des selbstbestimmten, eigenverantwortlichen, und die Verfügbarkeit häuslicher Ressourcen dicting homework effort: Support kreativen Lernens unter Berücksichtigung des auf Schüleroutcomes (Lernerfolg, Lernaufwand, for a domain-specific, multilevel individuellen Lerntempos, Lernrhythmus und Lernemotionen) in Zeiten von COVID-19 und homework model. Journal of Edu- der individuellen Lernweisen/-methoden). Sie der damit einhergehenden Schulschliessungen cational Psychology, 98(2), 438– 456. Zugriff am 28.05.2020. DOI kann man auch als lernmotiviert bezeichnen. haben. Auf Basis von Daten von 8344 Schülern/ 10.1037/0022-0663.98.2.438. (2) Weniger lernaktive Schüler/innen, die sich innen aus Deutschland, Österreich und der über die Situation des Fernunterrichts kri- Schweiz wurde ein Strukturgleichungsmodell 8
(vgl. Abbildung 1) geschätzt, das zeigt, dass so- Unterstützung zurückbleiben, sondern insbe- wohl die familiären als auch die schulischen sondere aufgrund fehlender Fähigkeiten zum Merkmale Einfluss auf die Outcomes der Schü- selbstgesteuerten Lernen und zur Selbstorgani- ler/innen haben (ausführlich dazu Huber & sation des Tagesablaufs. Der Mangel dieser Helm 2020a, S. 49 ff). Besonders die Selbst- Fähigkeiten ist wahrscheinlich auch auf das ständigkeit der Schüler/innen und die von ihnen Fehlen von Entwicklungsmöglichkeiten zurück- wahrgenommene Qualität des Fernunterrichts zuführen, die diese Schüler/innen (in sozio- sind jedoch prädiktiv dafür, in welchem Aus- ökonomisch schlechter gestellten bzw. benach- mass sie denken, dass sie jetzt mehr lernen als teiligten Familien) oft nicht ausreichend im normalen Unterricht, Zeit für schulische Be- vorfinden (z. B. vorgelebte volitionale Fähigkei- lange aufwenden und positive sowie negative ten, Selbstorganisation und Aspirationsniveau, Emotionen erleben. Häusliche Ressourcen wie Erfolgserwartung und Selbstwirksamkeit). die technische Ausstattung und die elterliche Unterstützung spielen dagegen eher eine unter- Die Befunde deuten darauf hin, dass ein Mehr geordnete Rolle. Allerdings ist der familiäre Um- an technischer Ausstattung nur schwache Ef- gang mit der Krisensituation deutlich mit negati- fekte auf das Lernen der Schüler/innen wäh- ven Emotionen der Schüler/innen korreliert. rend der Corona-Pandemie haben dürfte. Wir gehen aber trotzdem davon aus, dass eine bes- Es lässt sich ableiten, dass sozial benachteilig- sere Ressourcenausstattung für benachteiligte te Schüler/innen in Zeiten der Schulschlies Schülergruppen wichtig ist, denn sie sind Vor- sung nicht primär aufgrund fehlender techni- aussetzung für einen digitalen Unterricht, der scher Ausstattung oder fehlender elterlicher mit allen Schülern/innen möglich sein muss, abhängige Variablen fehlende Quantität Lernerfolg elterliche Häusliche Ressourcen für das Lernen Unterstützung Merkmale der Unterrichtsqualität Qualität: Feedback, Lernaufwand Erledigungen Kontrolle h/Woche für Eltern Qualität: positive familiärer L-S-Kontakt Emotionen Umgang Lehrer- negative technische kompetenz Emotionen Ausstattung Selbst- ständigkeit Alter Schülermerkmale Abbildung 1: Empirisches Modell des Lernens während der Corona-Pandemie. Anm.: Die Abbildung enthält alle – auf einem Niveau von .05 und darunter – statistisch signifikanten Effekte. Effekte mit einem Beta > .100 sind durch dicke Pfeile hervorgehoben (Quelle: eigene Darstellung). 9
um auch hier Chancengleichheit zu gewährleis- der technischen Ausstattung (z. B. mit der ten. Gerade für eine kleinere Gruppe von Schü- staatlichen Vergabe von technischen Endgerä- lern/innen (etwa 10 %) würde eine adäquate ten wie Tablets oder Laptops an Schüler/innen) technische Ausstattung aber vermutlich deutli- würde aber vor allem eine stärkere Betreuung che Abhilfe bezüglich eines Teils der erlebten sozial benachteiligter Familien und die perso- Herausforderungen leisten. Darüber hinaus nenbezogene Lernbegleitung der Schüler/in- sollen Digitalisierungsmöglichkeiten ja sowohl nen helfen. das Lernen über Technologie ermöglichen wie durch das Lernen mit Technologie weitere Dif- Stephan Gerhard Huber, Leiter IBB, ferenzierungsmöglichkeiten schaffen. Neben und Christoph Helm, Stv. Leiter IBB Zuhause eine anregende Lernumgebung zu schaffen, kann eine Herausforderung sein. 10
Schul-Barometer: zentrale Aussagen und weiterführende Überlegungen Die Corona-Pandemie stellt für alle Akteure im nen sich stärker auf jene Schüler/innen Bildungs- und Schulkontext eine sehr grosse Her- fokussieren, die einen höheren Unterstützungs- ausforderung dar. Die Situation mag aber auch bedarf (z. B. engere Betreuung, weniger kom- Chancen erkennen lassen. plexe Aufgabenstellungen) haben (ohne dabei die eher eigenverantwortlich lernenden Schü- In den Befunden des Schul-Barometers zeigt ler/innen ganz zu vernachlässigen). sich eine hohe Wertschätzung und Anerken- nung gegenüber der Institution Schule und der Alle Schüler/innen benötigen jedoch klare Arbeit der Lehrpersonen. In den qualitativen Lernziele, eine transparente Struktur, regelmäs Aussagen der Eltern kommt zum Vorschein, sige Rückmeldungen zum Lernergebnis und dass besonders in dieser Krisenzeit das Enga- Lernerfolg – all dies, was erfolgreichen (digita- gement der Lehrpersonen und die Anforderun- len) Unterricht ausmacht. gen an ihren Beruf stärker wahrgenommen werden, auch retrospektiv. Sie erfahren eine Perspektiven: Blended learning und höhere Wertschätzung und Anerkennung. Kompensationsbemühungen Eltern sprechen ihren Respekt aus, zeigen Eine weitere Chance, die Unterrichts- und grosse Dankbarkeit und sind der Meinung, Schulkonzepte nach der Wiedereröffnung sinn- die Lehrpersonen seien «Gold wert». voll weiterzuentwickeln, liegt im sogenannten Integrierten Lernen, auch «blended learning» Lernen mit und durch Technologie sowie genannt. («Ich würde den Schulen empfehlen, über Technologie ist gefragt dass sie die Krise nutzen, um Schulentwick- Der Bereich der Digitalisierung erlebt einen lungs-Themen voranzubringen; dabei insbeson- enormen Aufschwung. Die Notwendigkeit zur dere die der Digitalisierung, der Kollaboration im Digitalisierung erlaubt Schulen, in den Fach- Kollegium [Öffnung des Klassenzimmers] und schaften und Jahrgangs- und Klassenteams der Individualisierung.» [Unterstützungssystem, innerhalb von Einzelschulen die aktuelle Situa- 40]). Dadurch können Schule und Lernen den tion aktiv für Schul-, Personal-, Organisations- gesellschaftlichen Entwicklungen der Digitali- und Unterrichtsentwicklung zu nutzen. Es wird sierung gerecht(er) werden. Die gesamte Kom- Zeit benötigt für Konzeptionsarbeit, Abstim- petenzentwicklung von Schülern/innen, die so mungen und Erprobung in der Umsetzung – nicht mehr nur durch und mit sondern auch inklusive der Evaluation. Da die Krisen-Situati- über Technologie lernen, eröffnet Chancen der on von Schulleitungen und Lehrpersonen als Anschlussfähigkeit zu anderen gesellschaftli- Chance verstanden wird, könnten diese Kom- chen Lebensbereichen, insbesondere im Über- petenzen jetzt für längere Zeit etabliert wer- gang von Schule zu Beruf. den – mit hohem Grad an Kohärenz einerseits, und an Differenzierungsmöglichkeiten ande- Schereneffekte vermutet rerseits. Die Erhebungen des Schul-Barometers lassen vermuten, dass Unterschiede bei den Schülern/ Digitalisierung könnte Differenzierung innen – wie übrigens auch bei den Lehrpersonen ermöglichen und Schulen insgesamt –, die es schon vor der Die Lehr-Lern-Formen, die durch Digitalisierung Krise und unabhängig von der Krise gab, sich in möglich sind, bedeuten nicht nur, dass es für Zeiten einer Krise stärker zeigen. Diese Unter- Schüler/innen verschiedene Aufgaben und schiede wirken sich auf die Kompensationsmög- Lernwege geben kann. Die digitalen Lehr-Lern- lichkeiten aus, was zu einer Verstärkung der Formen erlauben darüber hinaus auch eine be- Unterschiede führt. Es ist auch davon auszuge- wusstere Differenzierung. Das könnte bedeu- hen, dass das Ausmass von Schereneffekten bei ten, dass Schüler/innen, die mit einem hohen Schülern/innen, Eltern sowie innerhalb und Grad an Selbstständigkeit und Lernfreude ar- zwischen Schulen über die Zeit grösser wird und beiten, weniger kleinschrittige Übungsaufgaben den Handlungsdruck erhöht. Im Mehrebenen- und Anleitung erhalten und stattdessen kom- system werden differenzierte Handlungsmecha- plexere Aufgabenstellungen relativ eigenverant- nismen zum Ausgleich benötigt und vor dem wortlich in kreativer Weise bearbeiten können, Hintergrund professioneller Verantwortung er- z. B. mit «Lernjournalen, Arbeit an Fallbeispie- wartet, die positive Diskriminierungen zur Folge len» (MA, ID 470, v_213) oder «virtual projec- haben (auch vor dem Hintergrund von pragmati- ting» (Eltern, ID 32, v_213). Lehrpersonen kön- schen Machbarkeiten). 11
Erwartungen an Schulen, schulische und entsprechen. Aufgrund der Neuartigkeit der ausserschulische Akteure aktuellen Situation sind hier für bestimmte Die Krisensituation hat vieles in Bewegung ge- Fragen erst Abstimmungsleistungen erforder- bracht. Bislang gültige Abläufe, Standards und lich, damit koordiniertes und gemeinsames Verfahren müssen hinterfragt werden. Das führt Handeln gelingt. zu Erwartungshaltungen an alle Akteure. Kon- kret wird etwa von Lehrpersonen erwartet, dass In der Konsequenz zeigen sich grosse Heraus- sie sich mithilfe guter Lehr-Lern-Formen be forderungen hinsichtlich Bildungsgerechtigkeit sonders um die abgehängten oder «abhängen- und Chancengleichheit. (Bildungs-)Verlierer/ den» Schüler/innen kümmern. Von Schulen innen sind in der aktuellen Situation, so ist zu wird erwartet, dass sie schulintern Formen der befürchten, wahrscheinlich Schüler/innen aus sozialen bzw. kollegialen Unterstützung finden, sozioökonomisch (hoch) benachteiligten Eltern- sich hinsichtlich guten (Fern-)Unterrichtens häusern. Schulen mit einem hohen Anteil an bzw. der (Aus-)Gestaltung von Lehr-Lern-Arran- benachteiligten Schülern/innen stehen deshalb gements austauschen und die Kooperation in- vor besonders grossen Herausforderungen. Literatur nerhalb der Fachschaften und Jahrgangsteams/ Stufenteams und in Gesamtkollegien verstär- Wichtig ist, dass Lehrpersonen die individuellen Huber, S.G., Günther, P.S., Schneider, N., Helm, C., Schwan- ken. Hierbei spielt die Qualität von Leitungsper- und familiären Voraussetzungen ihrer Schüler/ der, M., Schneider, J. & Pruitt, J. sonen eine grosse Rolle. Von der Ebene des innen noch besser kennen und beachten als im (2020). COVID-19 und aktuelle Schulträgers und der Schulaufsicht wird erwar- «normalen» Unterricht und Schulbetrieb – ein Herausforderungen in Schule und tet, dass sie vor allem die besonders belasteten wahrlich hoher Anspruch, zumal sich die Schü- Bildung. Münster u. a. Waxmann. Verfügbar unter: Schulen unterstützen und Formen der schul- ler/innen mit geringeren Ressourcen und mit DOI 10.31244/9783830942160. übergreifenden Unterstützung wie auch des besonderen Belastungskonstellationen auf der Huber, S.G. & Helm, C. (2020). Wissensmanagements und der Nachhaltigkeit Personen- und Familienebene nicht gleich über Lernen in Zeiten der Corona- von Innovationen in Zeiten der Krise im Blick Klassen und Schulen verteilen. Hier ist das ge- Pandemie. Die Rolle familiärer behalten. samte System gefordert. Merkmale für das Lernen von Schüler*innen: Befunde vom Schul-Barometer in Deutschland, Gefordert sind alle Akteure, damit schulische Österreich und der Schweiz. Arbeit, das heisst der Fernunterricht und die Stephan Gerhard Huber (Leiter IBB), Die Deutsche Schule, Beiheft 16, wahrscheinlich noch länger andauernde Kom- Paula S. Günther, Nadine Schneider, 37–60. DOI 10.31244/9783830- bination von Präsenz- und Fernunterricht, Christoph Helm, Marius Schwander, 992318. professionellen Mindest- und Regelstandards Julia A. Schneider & Jane Pruitt 12
IB B Für mehr Chancengerechtigkeit: ganzheitliche Entwicklung von Jugendlichen in Bildungslandschaften Bildungslandschaften wollen allen Kindern und gendlichen erreicht werden (Jungermann et al., Jugendlichen eine chancengerechtere, vielfältige 2015). und umfassende Bildung ermöglichen. Sie be ruhen auf Kooperation und Vernetzung diverser Potenzial von Bildungslandschaften Akteure im Bildungsbereich. Bildungslandschaften beruhen auf Kooperati- on und Vernetzung diverser Akteure im Bil- Bildung findet nicht nur in der Schule statt. dungsbereich. Man geht zum einen davon aus, Kinder und Jugendliche erwerben auch in aus dass dieses Zusammenspiel von formalen und serschulischen Bildungsangeboten (z. B. ausserschulischen Bildungsinstitutionen zu von Vereinen) zentrale Erfahrungen für den einer optimalen Gestaltung des lokalen Bil- weiteren Lebensverlauf. Zu diesem Zweck sind dungsangebots führt. Zum anderen kann so im deutschsprachigen Raum in den letzten vermieden werden, dass Bruchstellen an den zwei Jahrzehnten vermehrt sogenannte Bil- Übergängen entstehen und Bildungspotenziale dungslandschaften entstanden. Dabei handelt übersehen werden (Haugg, 2012). So sollen es sich um eine strategische Vernetzung von insbesondere sozial benachteiligte Kinder und schulischen und ausserschulischen Bildungs- Jugendliche durch die Bildungslandschaft akteuren in einem definierten lokalen Gebiet neue Erfahrungsräume und Möglichkeiten zur (z. B. einer Gemeinde oder einem Quartier). kognitiven, sozialen und emotionalen Entwick- lung geboten werden (Bollweg & Otto, 2011). Auch in der Schweiz wurde der Aufbau von ins- Um eine ganzheitliche Entwicklung von Kin- gesamt 22 Bildungslandschaften in der deutsch- dern und Jugendlichen zu gewährleisten, wird und französischsprachigen Schweiz im Rahmen neben dem schulischen Lernen, das vor allem eines Public Private Partnerships durch die mit dem Erwerb von kognitiven Kompetenzen Jacobs Foundation initiiert. Das Programm wur- und fachlich-kognitiven Leistungen in Verbin- de durch das Institut für Bildungsmanagement dung gebracht wird, auch das emotionale und Bildungsökonomie (IBB) wissenschaftlich und soziale Lernen als Aufgabe des Bildungs- erforscht und evaluiert. systems aufgefasst. Inhalte, Ziele und Merkmale von Die Einbindung der lokalen Bildungsakteure Bildungslandschaften soll dazu führen, dass die Bildungsangebote Zwar bauen Bildungslandschaften oft auf insgesamt auf den Sozialraum abgestimmt sind Schulnetzwerken auf, ihr zentrales Merkmal liegt und die Bedürfnisse und Bedarfe der Zielgrup- aber in der Kooperation mit ausserschulischen pen berücksichtigen, denn die Bildungsakteure Bildungspartnern. Neben einer langfristigen vor Ort kennen die Kinder und Jugendlichen Vernetzung und einer systematischen Zusam- sowie ihre Bedürfnisse am besten. Zusammen- menarbeit unterschiedlicher Bildungsakteure fassend lässt sich also festhalten, dass Bil- zeichnen sich Bildungslandschaften durch eine dungslandschaften das Potenzial zugesprochen konsequente Ausrichtung auf ein gemeinsames wird, niedrigschwellige und alternative Zugänge Ziel aus. Zum Beispiel können Bildungsland- zu pädagogisch gerahmten Settings als Ergän- schaften die Übergänge von einer Bildungsstu- fe zur nächsten fokussieren, um Brüche in der Bildungsbiografie zu vermeiden. Angestrebt wird dabei auch, die sozialen und emotionalen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen durch die Bildungsangebote in den Bildungs- landschaften zu fördern und somit eine bes- sere Integration zu ermöglichen. Diese beiden Fokusse dienen dem übergeordneten Ziel von Bildungslandschaften, nämlich allen Kindern und Jugendlichen in der Bildungslandschaft eine chancengerechtere, vielfältige und umfas- sende Bildung zu ermöglichen (Huber, 2014). Dieses Leitziel soll sowohl durch Persönlich- keitsentwicklung als auch die Förderung des Abbildung 1: Bildungsbiografien aus der Perspektive der Kinder und Jugendlichen individuellen Potenzials aller Kinder und Ju- (adaptiert nach Vorndran, 2008). Abbildung 1: Bildungsbiografien aus der Perspektive der Kinder und Jugendlichen (adaptiert nach Vorndran, 2008) 13
B IB Kinder lernen nicht nur in der Schule. zung zum formalen Bildungssystem zu schaf- kus darauf lag, bereits bestehende Angebote fen. Darüber hinaus sollen die vielfältigen Frei- und den Zugang zu ihnen bekannter und sicht- zeit- und Bildungsoptionen kompensatorisch barer zu machen. Hierzu zählen zum Beispiel für sozial benachteiligte Familien wirken, indem sogenannte «Marktplätze», wo Jugendliche die durch neue Bildungsmöglichkeiten Zugänge zu Angebote direkt ausprobieren und ihre Anbie- Literatur anderen sozialen Netzwerken und Kontexten ter kennenlernen können. Damit konnten ermöglicht werden. Hemmschwellen für die Jugendlichen gesenkt Bollweg, P. & Otto, H.-U. (Hrsg.). (2011). Räume flexibler Bildung: werden, direkt zur Institution zu gehen. Bildungslandschaft in der Diskus Veränderung der Palette an Bildungs-, sion (1. Auflage). VS Verlag. Betreuungs- und Freizeitangeboten Einige Bildungslandschaften haben sozial be- Haugg, K. (2012). Potenziale loka- Zusammengefasst über 16 Bildungslandschaf- nachteiligte Bevölkerungsgruppen als Zielgrup- ler Bildungslandschaften und Bünd- ten, die im Rahmen des Programms «Bildungs- pen ihrer generellen Aktivität definiert. Aller- nisstrukturen für mehr Bildungs- landschaften Schweiz» implementiert wurden, dings wurden, gemessen an der Gesamtheit der gerechtigkeit aus der Perspektive des Bundes. In P. Bleckmann & kann festgestellt werden, dass Lernkultur und Bildungs-, Betreuungs- und Freizeitangebote, V. Schmidt, Bildungslandschaften. Lerngelegenheiten für Kinder und Jugendliche in nur wenige Angebote in den Bereichen Deutsch- Mehr Chancen für alle (S. 211–217). den Bildungslandschafts-Gemeinden bereichert förderung, Austausch und Begegnung sowie VS Verlag für Sozialwissenschaften. wurden. Zum einen können quantitative Zunah- Elternbildung geschaffen, die sich an Bevölke- Huber, S.G. (2014). Kooperation men in den verschiedenen Angebotsformen rungsgruppen mit Migrationshintergrund und an in Bildungslandschaften: Aktuelle verzeichnet werden. Pro Bildungslandschaft sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen rich- Diskussionsstränge, Wirkungen und Gelingensbedingungen. In S.G. kamen beispielsweise bis zu 41 Angebote neu ten. Ein Grund dafür mag sein, dass möglicher- Huber (Hrsg.), Kooperative Bil- hinzu. Insgesamt ist auch eine Erweiterung der weise eine Stigmatisierung der entsprechenden dungslandschaften. Netzwerke(n) Angebotsbreite in den Bildungslandschaften Bevölkerungsgruppen verhindert werden sollte. in und mit System (S. 3–29). Wol- erkennbar. So sind in der Mehrheit der Bil- tersKluwer. dungslandschaften Bildungs-, Betreuungs- und Anja Koszuta, Jungermann, A., Manitius, V. & Freizeitangebote in Themenfeldern hinzugekom- Wissenschaftliche Assistentin, IBB Berkemeyer, N. (2015). Regiona- men, in denen zum Programmstart noch keine lisierung im schulischen Kontext. Ein Überblick zu Projekten und Angebote vorlagen. Das Themenspektrum der Kurzversion des Abschlussberichts und weitere Forschungsbefunden. Journal for Angebote in den Bildungslandschaften ist also Informationen: educational research online, 7(1), breiter geworden. Der grösste Zuwachs konnte bildungsmanagement.net/html/projekte/ 14–48. bei Angeboten beobachtet werden, deren Fo- forschung/pl33_bildungslandschaften.htm 14
IZ B Dank Netzwerkpflege zu erfolgreicher internationaler Zusammenarbeit Die Anforderungen an eine internationale Zusam- neuen Inhalten ist, dass alle voneinander lernen menarbeit sind vielfältig und fordernd. Dank guter und auch persönlich weiterkommen. Netzwerkpflege und erfahrener Partner kann das Institut für internationale Zusammenarbeit in Bil- Mehrwert für alle Beteiligten dungsfragen (IZB) einen international ausgerichte- Der MAS «Pädagogische Zugänge für die Bil- ten Lehrgang anbieten. dung in Humanitären Prinzipien und Werten» ist sehr praxisorientiert und zielt stark auf die Ver- Wie kann eine Zusammenarbeit mit internatio- bindung von Theorie, Praxis und Reflexion ab. naler Dimension gelingen? Was gilt es zu beden- Die Studierenden erwerben vertieftes Wissen ken? Und vor allem: Wen gilt es wie und warum über pädagogische Ansätze, die für die Bildung miteinzubeziehen? Diese Fragen sind für das in «Humanitären Prinzipien» und Werthaltungen IZB in der Bearbeitung der Themen der migrati- relevant sind, und sie werden befähigt, diese onsbezogenen Heterogenität, sozialer Ungleich- im eigenen Arbeitsfeld anzuwenden. Die Teil- heiten, Internationalisierung und Bildungsquali- nehmenden der ersten Durchführung meldeten tät elementar. Ein vom IZB konzipierter Master zurück, dass sie gelernt haben, die Komplexität of Advanced Studies (MAS) setzt hierbei eine von pädagogischen Aufgabenstellungen zu er- multiperspektivische Herangehensweise in den kennen und auch «anzunehmen». Darüber hin- Fokus und zeigt auf, wie internationale Zusam- aus gelinge es ihnen dank der Förderung des menarbeit für alle Involvierten erfolgreich ge- kritischen Denkens sowie des kreativen Prob- International staltet werden kann. lemlösens zunehmend, neue Wege des Lehrens ausgerichtetes DAS und Lernens zu entdecken und durch wieder- Langandauernde Krisen, Gewalt, Von kompetenten Partnern profitieren holtes Üben in ihr eigenes Repertoire zu über- bewaffnete Konflikte, Naturkatas- Der in den Jahren 2018 bis 2019 erstmalig führen. Die Studierenden gaben zudem an, trophen und regionsspezifische Notsituationen sind humanitäre durchgeführte MAS «Pädagogische Zugänge für dass sie der professionellen Selbstreflexion Herausforderungen der heutigen die Bildung in Humanitären Prinzipien und Wer- nun eine höhere Bedeutung zumessen und Zeit. Bildung in «Humanitären ten» basierte auf einer breit angelegten internati diese für sich und ihre tägliche Arbeit nutzbar Prinzipien» und in «Werthaltun- onalen Zusammenarbeit. Denn um den Lehrgang machen können. gen» ist ein wichtiger Pfeiler, um solche Herausforderungen bewäl- in der erforderlichen Qualität durchführen zu tigen zu können. Zudem trägt sie können, ist eine fundierte Expertise in aktuellen Mit Blick auf die involvierten Institutionen gilt es zur Stärkung der individuellen humanitären Anliegen sowie Wissen über die herauszuheben, dass die gemeinsam kreierten Resilienz, des sozialen Zusam- «Humanitären Prinzipien» in ihrer historischen Synergien weit mehr sind als die blosse Ergän- menhalts und der Friedensförde- rung bei. und anwendungsbezogenen Dimension von zung der je eigenen Kompetenzen. Beispielswei- grundlegender Bedeutung. Mit der DEZA (Direk- se konnte das IZB die eigene Expertise aus einer Im DAS «Pedagogical Approaches for Education in Humanitarian tion für Entwicklung und Zusammenarbeit) und neuen Perspektive reflektieren, namentlich aus Principles and Values» erarbeiten der IFRC (Internationale Föderation der Rot- derjenigen der konkreten humanitären Arbeit. sich die Teilnehmenden die erfor- kreuz-und Rothalbmondgesellschaften) stehen Um die eigenen thematischen Anliegen über- derlichen Einstellungen, Kennt- dem IZB hierfür zwei kompetente Partner bera- haupt einbringen zu können, bedurfte es einer nisse und Unterrichtskompeten- zen, um Initiativen und Projekte tend zur Seite. umsichtigen und sorgfältigen Passung, die den in ihrem eigenen Arbeitskontext Anliegen und Herausforderungen humanitärer planen und umsetzen zu können. Die Zusammenarbeit ist insbesondere deshalb Arbeit Rechnung trägt. Basierend auf den Durch- Kursstart im Mai 2021. Mehr In- so erfolgreich, weil alle Kooperationspartner führungserfahrungen und Rückmeldungen zum fos: izb.phzg.ch > Projekte > DAS bereit sind, das Wissen und Können der anderen MAS entwickelt das IZB-Team ein neues DAS zu erkennen, einzubeziehen und die vorhande- Diploma of Advanced Studies zur gleichen The- nen Kompetenzen zu nutzen. Damit die Netz- matik (siehe Infobox). Das IZB steht in engem Austausch werkpflege über einzelne Problemlösungsfin- mit der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond dungen hinausgeht und in sämtliche wesentliche Marco Fankhauser, Dozent IZB gesellschaften (IFRC). Prozesse integriert werden kann, ist ein kontinu- ierlicher Austausch wichtig. Eine adäquat orga- nisierte Kommunikation bildet dafür die Basis. Im Laufe der Zeit haben die beteiligten Personen von DEZA, IFRC und IZB ein gemeinsames Ver- ständnis dahingehend entwickelt, die Netzwerk- pflege als ein inhärentes Merkmal einer lernen- den Organisation zu betrachten. Ein produktiver Nebeneffekt beim gemeinsamen Entwickeln von 15
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