Frühling 2022 - Niedersächsische Landesforsten

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Frühling 2022 - Niedersächsische Landesforsten
Frühling 2022
Frühling 2022 - Niedersächsische Landesforsten
Liebe Leserinnen und Leser,

                                                                      auch nach so vielen Jahrzehnten

Fotos Cover + Portrait: T. Gasparini/NLF
                                                                      als Förster kommt mir dies noch
                                                                      immer wie ein Wunder vor:
                                                                      Frühjahrs, kaum dass die ersten
                                                                      Sonnenstrahlen den kahlen Wald
                                                                      erhellen, strecken Waldveilchen und
                                                                      Leberblümchen ihre Köpfe empor,
                                                                      betupfen Buschwindröschen und
                                                                      Scharbockskraut den Waldboden. Alles
                                                                      Licht bringt Leben in den Wald!

                                                                       Im Frühjahrs-Waldstück widmen wir
                                                                       uns darum diesem Thema. Ab Seite 1
                                                                       zeigen wir Ihnen, welche Pflanzen,
                                                                       Bäume und Tiere das Licht suchen –
                                           und welche sein Gegenteil: den Schatten. Ab Seite 8 erklären
                                           wir einen – zunächst – vielleicht verwirrenden Zusammenhang:
                                           Nutzen wir den Wald, erhöht sich die Artenvielfalt. Denn durch
                                           Holzernten etwa bringen wir Licht in den Wald, wie es viele Arten
                                           brauchen und lieben. Ohne menschliches Zutun wäre unser Wald
                                           damit deutlich schattiger und weniger artenreich. Vielerorts würde
                                           etwa die Eiche fehlen, der Lieblingsbaum der Deutschen (Seite 14).

                                           In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viele erhellende Einblicke in
                                           unsere Landeswälder!

                                           Ihr Klaus Merker
                                           Präsident der Niedersächsischen Landesforsten

                                           PS: Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass auch unser »Waldstück«
                                           sich frisch herausgeputzt hat – und im überarbeiteten Design
                                           erscheint. Ich hoffe, es gefällt Ihnen wie uns!

                                                                                            WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022   1
Frühling 2022 - Niedersächsische Landesforsten
ie strecken ihre Köpfe empor, kaum dass
                                                                                                       das erste Frühlingslicht den Waldboden
                                                                                                       ausleuchtet: Waldveilchen und blaue
                                                                                                       Leberblümchen erscheinen, Bärlauch (großes
                                                                                                 Bild) breitet sich gleich in dichten Teppichen aus.
                                                                                                 Frühblüher – »Geophyten« genannt – künden vom
                                                                                                 Frühling. Aber auch davon, wie lichtdurstig und
                                                                                                 einfallsreich die Waldflora ist.
                                                                                                    Denn: Der heimische Buchen-Mischwald – der
                                                                                                 weite Teile unseres Landeswaldes ausmacht – bietet
                                                                                                 Pflänzchen eher einen unwirtlichen Grund. Schon
                                                                                                 ab Mitte März entfaltet sich darüber ein nahezu
                                                                                                 lichtundurchlässiges Blätterdach. Blumen, die der
                                                                                                 Umwandlung von Licht, Kohlenstoff und Wasser ihr
                                                                                                 Wachstum verdanken, haben dann keine Chance
                                                                                                 mehr. So nutzen sie das schmale Zeitfenster im

                                                                       Fotos: T. Gasparini/NLF
                                                                                                 Frühjahr, wenn die bittersten Fröste vorüber sind
                                                                                                 und das Blätterdach noch nicht geschlossen ist,
                                                                                                 um sich am Licht zu laben, zu gedeihen – und uns
                                                                                                 Wintermüde zu erfreuen.

Wie Licht und Schatten                                                                                                                                 FRÜHSTARTER (von oben nach unten):
                                                                                                                                                       Lärchensporn, Buschwindröschen,

im Wald wirken
                                                                                                                                                       Schlüsselblume und Märzenbecher
                                                                                                                                                       betupfen den Waldboden.

Wenig beeinflusst Gestalt und Gedeihen unserer Wälder mehr
als das Sonnenlicht. Da, wo es einfällt, sprießt das Leben, manchmal
im Eiltempo. Doch: Auch die schattigen Plätzchen haben ihre
Vorteile und Liebhaber. Aber sehen und staunen Sie selbst!

                                                                                                                                                               WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022   3
Frühling 2022 - Niedersächsische Landesforsten
ÜBERRAGEND:
                                                                                                    Kiefern zählen zu
                                                                                                      den klassischen
                                                                                                     Lichtbaumarten.
                                                                                                         Selbst starke
                                                                                                          Sonnen­ein­
                                                                                                     strahlung macht
                                                                                                    ihnen nichts aus,
                                                                                                        während etwa
                                                                                                     Buchen Sonnen­
                                                                                                   brand bekommen.

                                                                                                           FLEXIBEL:
                                                                                                      An kargen oder
                                                                                                     sturmzerstörten
                                                                                                      Stellen sind sie
                                                                                                       oft die ersten,
                                                                                                         die Wurzeln
                                                                                                    schlagen. Birken
                                                                                                        sind Pioniere
                                                                                                    und stellen, vom
                                                                                                    Licht abgesehen,
                                                                                                   keine besonderen
                                                                                                          Ansprüche.

                                Licht ist Leben. Doch Bäume
                                haben – von Art zu Art – einen
                                sehr unterschiedlichen Bedarf

                                        ie Eiche braucht das Sonnenbad, die
                                        Weißtanne fühlt sich selbst im Bergschatten                         ERST SO,
                                        wohl. Kaum etwas unterscheidet Baumarten                           DANN SO:
                                        so sehr wie ihr Lichtdurst; entsprechend                  Die Douglasie, eine
                                diesem unterscheidet man zwischen Licht- und                          »Halbschatten­
                                                                                                   baumart«, kommt
                                Schattenbaumarten. Lichtbaumarten par excellence                      in ihrer Jugend
                                sind Kiefer, Eiche, Pappel; zu den Schattenbaumarten                gut mit Schatten
                                zählen Buche, Tanne, Eibe.                                          zurecht. Mit dem
                                  Ihre Bedürfnisse stehen in enger Beziehung zum                     Alter aber steigt
                                Wachs­tums­tempo: Lichtbaumarten strecken sich                       der Lichtbedarf.
                                in ihrer Jugend – »gefüttert« von Licht – rasant
                                dem Himmel entgegen. Doch in noch jungem
                                Alter nimmt das Höhenwachstum ab – je nach Art
                                bereits nach 15 bis 20 Jahren. Schattenbaumarten
                                lassen es dagegen langsamer angehen. Sie wachsen
                                auch mit wenig Licht gemächlich und stetig in
                                die Höhe. Und überwachsen die Licht­baum­arten.
Fotos: T. Gasparini/NLF

                                Sollen beide nebeneinander existieren, müssen                            GENÜGSAM:
                                                                                                       Die Weißtanne
                                unsere Försterinnen und Förster ab und an den Wald                     gibt sich selbst
                                stellenweise »lichten« – um so den Lichtdurstigen                     mit wenig Licht
                                Sonne und Raum zu verschaffen.                                        zufrieden – und
                                                                                                        wächst darum
                                                                                                   auch in dunkleren
                                                                                                    Wäldern. Weil sie
                              GEGENSÄTZLICH: Die Lichtansprüche von Buche und Eiche,              vergleichsweise tief
                              wie in diesem Mischwald, sind grundverschieden. Für eine            wurzelt, vermag sie
                              Ko-Existenz braucht es forstliches Tun – und Fingerspitzengefühl.     mit sommerlicher
                                                                                                          Trocken­heit
                                                                                                          umzugehen.

                          4         WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022                                               WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022   5
Frühling 2022 - Niedersächsische Landesforsten
LICHTVERLIEBT:
                                              Insekten wie
                                              Bienen und
                                              Schmetterlinge
                                              verbindet man
                                              nicht gleich mit
                                              dem Wald. Doch
                                              Lichtungen und
                                              Waldränder sind
                                              überlebenswichtig
                                              geworden für die
                                              summenden Arten.
                                                                                                                                 Tiere lieben das Licht – und schätzen
                                                                                                                                 Schatten und Dunkelheit als Versteck

                                                                                                                                             er tags durch den Wald spaziert, begegnet oft
                                                                                                                                             anderen Bewohnern als bei einem nächtlichen
                                                                                                                                             Streifzug. Die Sonne, die morgens über die Wipfel
                                                                                                                                             kriecht, lockt die licht- und wärmeliebenden
                                              VERSTECK­                                                                          Arten hervor. Schmetterlinge tanzen auf den Lichtungen,
                                              KÜNSTLER:                                                                          wechselwarme Echsen tanken an den Wegen Energie. Erst im
                                              Meist sieht man
                                                                                                                                 Schutz der Dämmerung wagen sich andere Tiere aus ihren
                                              sie nur als Schatten
                                              vorbei­huschen –                                                                   Verstecken hervor: Luchse und Eulen verlassen Dickicht und
                                              Mäuse. Sie ver­                                                                    Höhlen, um auf die Jagd zu gehen, Wildschweine starten ihre
                                              bergen sich an                                                                     Beutezüge.

                                                                                         Fotos: A. Ahrenhold; T. Gasparini/NLF
                                              dunklen oder                                                                         Zwar scheint der Wald nächtens belebter zu sein. Grund­
                                              schattigen Orten;
                                                                                                                                 sätzlich aber gilt: Ein licht­durch­fluteter, struktur­reicher
                                              schließ­lich sind sie
                                              für viele Wald­tiere                                                               Wald ist arten­reicher als ein schattiger, der auch bei Tag nur
                                              ein gefundenes                                                                     wenig Licht einlässt. Denn durch den Wechsel von Licht-
                                              Fressen. Tagsüber                                                                  und Schatten­plätzen bietet er vielen verschiedenen Arten
                                              sind sie sehr                                                                      Lebensraum. Und: Die Sonne lässt am Waldboden Pflanzen
                                              vorsichtig!
                                                                                                                                 und Gräser gedeihen, welche die Beutetiere ernähren
                                                                                                                                 und mit diesen wiederum die Jäger.

                                              HEIMLICHTUER:
                                              Wenn die Sonne
                                              geht, kommt
                                              der Luchs. In der
                                              Dämmerung macht
                                              er sich auf die Spur
                                              seiner Beute, die
                                              dann ebenfalls
                                              aktiv wird: Mäuse,
                                              Hasen, Rehe.

                                              ANGEPASST:              SONNEN­
                                              Wildschweine            ANBETERIN:
                                              fühlen sich auch        Die Zauneidechse
                                              am helllichten Tag      ist wie alle
                                              im Wald sauwohl.        wechsel­warmen
                                              Doch die klugen         Tiere besonders
                                              Säuger gehen            auf Sonnen­licht
                                              Menschen aus dem        und -wärme
                                              Weg – und darum         angewiesen.
                                              immer öfter nachts
                                              auf Nahrungs­
                                              suche.

6   WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022                                                                                                                                                        WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022   7
Frühling 2022 - Niedersächsische Landesforsten
s gibt Orte in den Landesforsten, da ist
                                                                                           die Zukunft längst Gegenwart.
                                                                                              Henning Schmidtke, Leiter des
                                                                                           Forst­amtes Nienburg, lenkt seinen
                                                                                    Wagen durch ein Stück Wald, das selbst in
                                                                                    dieser kargen Jahres­zeit auf­fallend bunt und
                                                                                    struppig wirkt. Links und rechts des Weges:

    Wald der Zukunft
                                                                                    immer wieder Kiefern, Buchen, mächtig und
                                                                                    auf­recht wie die Säulen einer Kathe­drale.
                                                                                    Da­runter, in der nächsten Etage, gedeihen
                                                                                    Weiß­tanne, Eiche, Lärche, Douglasie. Und
                                                                                    dort, wo die Holz­ernte­teams vor wenigen
                                                                                    Jahren einzelne erntereife Bäume gefällt
                                                                                    und so kleine Lich­tungen geschaffen haben,
                                                                                    sprießt schon die jüngste Wald­generation:
      Die Erdmannwälder – im Landkreis Diepholz gelegen –                           Winter­sonne scheint auf finger­dicke Tannen,
                                                                                    Fichten und Buchen, die den Wett­lauf zum
      sind Wälder, wie man sie sich wünscht: bunt, gesund,                          Licht begonnen haben.
                                                                                      Nirgends passiert Schmidtke Schad­flä­
      vielfältig, ein stabiles Nebeneinander von Licht- und                         chen. Es ist ein Stück Wald, wie es sich viele
                                                                                    seiner Kollegen derweil erträumen, wofür sie
      Schattenbäumen. Gerade eben wurden sie darum zum                              tag­täglich ackern – im Wissen, das Ergebnis
      »Waldgebiet des Jahres« erkoren.                                              ihrer Arbeit während ihres Förster­lebens
                                                                                    kaum mehr sehen zu können. In Schmidtkes
                                                                                    Wäldern ist das anders: Er ist ihnen voraus,
                                                                                    weil einer seiner Vor­gänger seiner Zeit weit
                                                                                    enteilt war. Bereits vor 130 Jahren – als das
                                                                                    Wort Wald­ökologie noch nicht erfunden
                                                                                    war – begann er, Mono­kulturen in arten-
                                                                                    und struktur­reiche Misch­wälder umzubauen,
                                                                                    mit Licht und Schatten zu arbeiten.

                                                                 Der Förster und
                                                                    sein Vorbild:
                                                                        Henning
                                                                      Schmidtke
                                                               betreut heute die
                                                              Wälder weiter, die
                                                              Friedrich Erdmann

                                                                                                                                                  Fotos: T. Gasparini/NLF; Martin Ergbert/Fotovision-Nienburg
                                                                         anlegte.

                                                                                      Der Visionär ist bis heute allgegenwärtig:
                                                                                    Friedrich Erdmann. Denn die Waldflecken
                                                                                    im Landkreis Diepholz, die er so vorbildlich
                                                                                    verwandelte, tragen seinen Namen: »Erd­
                                                                                    mann­wälder«. Henning Schmidtke, zu
                                                                                    dessen Forstamt die Wälder zählen, stoppt
                                                                                    seinen Wagen, stakst über knisterndes
                                                                                    Laub – und sagt irgendwann: »Ich kann mir
                                                                                    kein schöneres Forstamt vorstellen.«

8   WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022                                                         WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022   9
Frühling 2022 - Niedersächsische Landesforsten
Fotos: T. Gasparini/NLF
                                                             Er ist nicht allein mit dieser Meinung:                                                                        Und auf diesen Bahnen wagt Erdmann etwas
                                                           Ende des Jahres 2021 hat der »Bund                                                                               Neues, nichts weniger als einen anderen,
                                                           Deutscher Forst­leute« (BDF) die Erdmann­                                                                        viel­f ältigen Wald.
                                                           wälder zum »Waldgebiet des Jahres 2022«                                                                             Unter dem Schirm noch verbliebener
                                                           erkoren. Denn der Wald, der alle Klima-                                                                          Kiefern setzt er fast ein halbes Dutzend
                                                           Kalamitäten ver­gan­gener Jahre beinahe                                                                          ver­schie­dener Baum­arten, die einander
                                                           unbeschadet über­standen habe, gebe so                                                                           schützen und stützen, so seine feste Über­
                                                           wichtige Finger­zeige, wie die Wälder in                                                                         zeugung. Erdmann schreibt: »… die Ein­
                                                           Zukunft auf­ge­baut sein sollten, heißt es in                                                                    tönig­keit des Rein­bestandes wird hier überall
                                                           der Jury-Begründung.                                                                                             der Mannig­faltig­keit eines reich zusammen­
                                                                                                                                                                            gesetzten Mischwaldes weichen, in dem auch
                                                                                                                                                                            die Holz­a rten, die von alters her bei uns
                                                           Holpriger Neustart                                                                                               heimisch waren … wieder ihre Stelle f inden
                                                                                                                                                                            werden.«
                                                            Als Erdmann hier 1892 seinen Dienst                                                                                Förster spotten über Erdmann, der den
                                                            an­tritt, ist ihm allerdings bange um die                                                                       ordentlichen, licht­gefluteten Kiefernforst
                                                            Zu­kunft seines Reviers. Auf den auf­ge­fors­                                                                   in ein wirres Nebeneinander aller Arten
                                                            te­ten Heide­flächen fallen ihm die vielen                                                                      ver­wandelt. Doch sie lassen ihn gewähren
                                                            krän­keln­den Kiefern ins Auge. Auch der                                                                        und bald verstummen die Kritiker. Denn
                                                            Wald­boden, Grund­lage allen Wachs­tums,                                                                        Erdmanns Wälder erweisen sich als sturm­
                                                            scheint in Un­wucht geraten: Halb­meter­                                                                        fest, gesund und ertragreich.
                                                            hoch ist das Nadelpolster. Die Umsetzung zu                                                                        Erdmann wird damit als einer der Er­finder
                                                            nährstoffreichem Humus funktioniert nicht.                                                                      des modernen Mischwaldes in die forstli­
                                                               Kollegen bemitleiden Erdmann. Aber                                                                           chen Fach­bücher eingehen. Doch derlei
                                                            der damals 33-Jährige sieht nicht allein die                                                                    Ruhm interessiert ihn wenig. Mehrfach
                                                            Mängel, sondern die Chance zum Neu­an­                                                                          lehnt er in den 1920er Jahren den Ruf an
                                                            fang, die sich ihm hier bietet. »Erdmann                                                                        eine Hoch­schule ab; der Junggeselle arbeitet
                                                            muss vieles gewesen sein: ein brillanter Ana­                                                                   weiter in seinem Revier, sieben Tage die
                                                            lytiker, ein erfahrener Naturkundler und vor                                                                    Woche. Denn er weiß längst: Ein solcher
                                                            allem: ein Macher, einer, der Dinge wirklich                                                                    Wald ent­steht und gedeiht nicht obwohl,
                                                            verändern wollte«, sagt Henning Schmidtke                                                                       sondern gerade weil Förster Hand anlegen.
                                                            über seinen berühmten Vorgänger.                                                                                Weil sie Gebiete durch­forsten, dabei den
                                                               Tatsächlich packt Erdmann – ein feister                                                                      unter­schied­lichen Licht­bedarf im Auge
                                                            Kerl mit langem Bart – den Umbau von                                                                            haben oder gezielt Femel* ein­richten, um
                                                            immer­hin 800 Hektar Forst beherzt an.                                                                          dort sonnen­liebenden Arten wie der
                                                            Früh erkennt er den Wert eines gesunden                                                                         Douglasie oder der Eiche Raum und
                                                                                            Wald­bodens.                                                                    Möglichkeiten zum Gedeihen zu geben
                                                        FÖRSTER-SPRECH                      Tage­löhner                                                                     (lesen Sie dazu auch das Stück ab Seite 14).
                                                                                            ziehen darum
                                                                                            strei­fen­weise
                                                 Femel                                      die Nadel­streu
                                                 … gewissermaßen »Geburtshilfe« für         ab, kalken den
                                                 einen Mischwald. Förster schlagen          Boden, um so
                                                 Lichtungen in gleichförmige, ältere        den Rohhumus-
                                                 Buchen­wälder, damit wieder aus­           Abbau zu
                                                 reichend Licht bis an den Wald­boden
                                                 gelangt. In der Mitte dieser »Femel«       be­schleunigen.
                                                 gedeihen Licht­baum­arten, denen es
                                                 andernfalls an Licht fehlte. Legen
                                                 Förster wiederholt Femel an, gewinnt
                                                 ein Wald an Struktur-, Alters- und
                                                 Artenvielfalt.

Bis zu 20 verschiedene Baumarten                                                                              Holzernte: Forstarbeiter markieren hiebsreife Bäume (oben). Die Ernte
gedeihen in den Erdmannwäldern – und                                                                          dient nicht nur dem Gewinn von Holz für den Hausbau, für Möbel oder
zwar in allen Größen- und Altersklassen.                                                                      Fußböden, sondern schafft im Wald auch Licht und Vielfalt.

10     WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022                                                                                                                                              WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022   11
Frühling 2022 - Niedersächsische Landesforsten
Friedrich Erdmann geht 1924 in Pension.
                               Von der Oberförsterei aus, in der er weiter
                               lebt, beobachtet er mit Genug­tuung, dass die
                               Nachfolger seinen Weg weiter­gehen, aus­
                               bauen; später­hin werden seine Wälder gar
                               zum Modell für den gesamten Landeswald
                               erkoren. Denn bei der Entwicklung des
                               Pro­gramms für die Langfristige Ökologische                              gedeihen und reagieren an unter­schied­
                               Wald­ent­wicklung (LÖWE), nach dem heute                                 lichen Stand­orten völlig verschieden. Doch
                               die Landes­wälder gehegt und gepflegt                                    mehrere Studien lassen einen Schluss zu:
                               werden, stehen in den 1980er Jahren auch                                 Mischwäldern mit hoher Artenvielfalt wie
                               die Erdmann­wälder Pate.                                                 den Erdmannwäldern gelingt es besser, dem
                                                                                                        Klimawandel und anderen Bedrohungen zu
                                                                                                        trotzen.
                               Wald, der dem Klimawandel                                                   Henning Schmidtke hat darum oft Besuch
                               gewachsen ist                                                            in letzter Zeit: Kollegen kommen, um
                                                                                                        mehr über und von Erdmann zu lernen. In
                               Henning Schmidtke kennt diese Wälder                                     den kommenden Jahren wird Schmidtke
                               seit langem. Er sagt, es mache ihn froh und                              Erdmanns Ideen weiter beleben – wobei
                               stolz, ein »Erdmann-Nach­folger« zu sein. In                             auch Bürgerinnen und Bürger mitmachen
                               den Wäldern gedeihen mittler­weile 20 ver­                               können. Er hat in seinem Forstamt Nienburg
                               schiedene Baum­arten in allen Größen, die                                zwei rund 50 Hektar große Wald­flächen
                               sich weit­gehend natürlich verjüngen.                                    ausgemacht: reine Kiefern- und Fichten­
                                 Ohnehin hat Schmidtke bislang keine                                    forste, artenarm und kränklich wie jener
                               groß­flächigen Wiederaufforstungen orga­                                 Wald, den Erdmann 1892 in der Gegend
Fotos: T. Gasparini/NLF

                               nisieren müssen, anders als viele seiner                                 vorfand. Schmidtke will sie in einer Mit­
                               Kollegen. Denn die Dürre und der fatale                                  mach­aktion in einen bunten Wald um­
                                                                                    Die Bäume in den
                               Borkenkäferbefall, die anderswo Tausenden                                wandeln, wie er Erdmann gefallen würde.
                                                                                    Erdmann­wäldern
                               Hektar Wald zu schaffen machen, haben                 – wie die Buchen      Der zukunftszugewandte Oberförster hat
                               den Erdmannwäldern kaum etwas anhaben                 und Weißtannen     seinen Wald übrigens nie mehr verlassen:
                               können.                                            (oben und unten) –    Seit seinem Tod 1943 ruht Erdmann
                                 Gewiss: Niemand vermag zu sagen, ob die               verjüngen sich   unter den hohen Buchen, die er dorthin
                                                                                   weitgehend selbst.
                               Erdmannwälder tatsächlich als Blaupause                                  zurückbrachte.
                                                                                    Die Förster haben
                               für alle anderen dienen können. Wälder          trotzdem gut zu tun …    h erdmannwaelder.de

                                                                                                                           … denn Henning Schmidtke
                                                                                                                           und sein Kollege schauen
                                                                                                                           sich jede Fläche separat an,
                                                                                                                           entscheiden, welche Bäume
                                                                                                                           geerntet, welche etabliert
                                                                                                                           werden sollen.

                          12      WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022                                              WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022   13
Frühling 2022 - Niedersächsische Landesforsten
Wettlauf zum Licht
                          Fast immer ist es nicht nur ökonomisch, sondern
                                auch ökologisch sinnvoll, Bäume zu ernten.
                     Denn: Legten Försterinnen und Förster nicht Hand an
                          unsere Wälder, ein Lichtbaum wie die Eiche hätte                                                                                                      FÖRSTER-SPRECH
                         kaum Chancen, gegenüber der Buche zu bestehen.
                                                                                                                                                                            Lichtsteuerung
                                                                                                                                                                            Licht ist eines der wichtigsten
                                                                                                                                                                            Werkzeuge des Försters: Es
                                                                                                                                                                            geht darum, den Lichteinfall
                                                                                                                                                                            zu steuern. Durch die
                                                                                                                                                                            Baumernte bringen Förster
                                                                                                                                                                            Licht in den Wald, sodass auch
                                                                                                                                                                            Lichtbaumarten wie die Eiche
                                                                                                                                                                            wachsen können. Andernorts
                                                                                                                                                                            muss gezielt Schatten erhalten
                                                                                                                                                                            oder für Schatten gesorgt
                                                                                                                                                                            werden.
                                                                                                                                                                                                               braucht«, sagt
                                                                                                                                                                                                               Gebers. Das sei
                                                                                                                                                                                                               nicht nur schade für
                                                                                                                                                                                       Menschen wie ihn, die die Eiche liebten.
                                                                                                                                                                                       »Es wäre auch ein Verlust für die Natur.«
                                                                                                                                                                                       Denn keine andere Baumart beherbergt
                                                                                                                                                                                       und nährt so viele Arten wie die Eiche: bis
                                                                                                                                                                                       zu 1000 Insektenarten, dazu verschiedene
                                                                                                                                                                                       Säugetiere, Vögel, Flechten, Pilze, Moose.
                                                                                                                                                                                         Gebers und seine Kollegen in den Nieder­
                                                                                                                                                                                       säch­sischen Landesforsten legen darum
                                                                                                                                größtenteils von dämmerdunklem Buchen­                 immer mal wieder Hand an, damit die Eiche
                                                                                     acitus war enttäuscht: »Das Land           wald bedeckt. Und gewiss ist auch: Ohne                – diese klassische Lichtbaumart – neben
                                                                                     ist zwar durch­aus von unter­              menschliches Zutun, konkret: die Hege und              der schattenliebenden Buche bestehen
                                                                                     schied­licher Gestalt, doch alles in       Pflege der Förster, wäre unser Wald auch               kann. Und sich die Landeswälder weiter zu
                                                                                     allem starrt es vor Wäldern und            heute vieler­orts ein relativ gleich­förmiger          kleinflächigen Mosaiken aus lichtgefluteten
                                                                            ist von Sümpfen verunstaltet«, notierte             Buchenwald. Es fehlte die bunte Mischung,              und schattigen Passagen verwandeln kön­
                                                                            der römische Geschichts­schreiber über die          die viele hiesige Wälder ausmacht. Und es              nen, statt zu einem durchgängig düsteren
                                                                            Natur Germaniens, des Erzfeindes. Nein,             fehlte vielerorts auch wohl der hierzulande            Hain zu werden, wie ihn die Römer
                                                                            diese düsteren, vielerorts kaum zu durch­           bekannteste aller Bäume: die Eiche.                    fürchteten.
                                                                            dringenden Buchen­wälder, in denen die                An einem diesigen Wintertag klopft
                                                                            Römer in der »Varus­schlacht« dann auch             För­ster Tobias Gebers an den Stamm eines
                                                                            unter­gingen, gefielen ihm ganz und gar             besonders knorrigen, urwüchsigen Exem­               Baum-Konkurrenten: Eiche (im Vordergrund) und
                                                                            nicht.                                              plars, das in seiner Revierförsterei Spange          Buche wetteifern um einen Platz an der Sonne. Würden
                                                                               Nun hatte Cornelius Tacitus (56  –117 n. Chr.)   gen Himmel strebt. »An die 350 Jahre alt«,           Förster den Wald nicht gestalten, in Deutschland
                                                                            germanische Territorien wohl nie selbst             ver­mutet er. Hätten sich Vorgänger nicht            breitete sich weitflächig die Buche aus.
                                                                            in Augenschein genommen, er kannte sie              um die Eiche gekümmert, sie wäre sicher
                                                   Foto: T. Gasparini/NLF

                                                                            allein vom Hören­sagen. Seine Schilderungen         längst einge­gangen. »Zwei, drei untätige
                                                                            scheinen trotzdem zutreffend zu sein.               Förster­generationen – und die umstehenden
                                                                            Pollenfunde beweisen: Vor rund 2000 Jahren          Buchen überwachsen und schwächen einen
                                                                            war das, was heute Deutschland heißt,               Eichen­baum, der das Licht zum Gedeihen

14   WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022                                                                                                                                                              WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022   15
Frühling 2022 - Niedersächsische Landesforsten
Der Eiche einen                                  Buchen unterm                                                                               Die Eiche im Blick
          Vorsprung geben                                  Eichenschirm                                                                                behalten
           Will Tobias Gebers Eichen pflanzen,              Förster wie Gebers pflanzen Eichen                                                         In Gebers Revierförsterei hallt die­
           bringt er erstmal Licht in den Wald –            zunächst en masse: bis zu 10.000                                                           ser Tage das Kreischen von Sägen:                 FÖRSTER-SPRECH
     indem er Bäume erntet. Durch Licht­            pro Hektar. Doch mit der Zeit dünnen sie                                                   Holz­ernte. Wäh­rend Buchen etwa nach
     steuerung* bestimmt er wesentlich mit,
     welche Arten im Wald wachsen können
                                                    den Bestand kräftig aus und bestimmen
                                                    sogenannte »Zukunfts-Bäume«, denen
                                                                                                                                               120 Jahren hiebsreif sind, werden Eichen
                                                                                                                                               erst frühestens nach 160 Jahren gefällt.
                                                                                                                                                                                                   Schattenblatt
     und welche nicht. Und die Eiche braucht        sich die Umgebung wahrhaft unterordnen                                                     Manche Exemplare erreichen gar ein                  Blatt ist nicht gleich Blatt: Licht­
     eben Helligkeit zum Gedeihen. Außerdem         muss. Konkurrierende Bäume werden                                                          Alter von bis zu 1000 Jah­ren, mehr als alle        blätter, die an den Astspitzen
                                                                                                                                                                                                   und oben in der Krone wachsen,
     ist sie anfangs gern unter ihresgleichen.      entnommen, damit die erwählten Eichen                                                      anderen Baum­arten in unseren Breiten –             sind starke Sonnen­einstrahlung
     Gebers und seine Kollegen setzen darum         möglichst ausgreifende Kronen bilden                                                       sofern der Standort günstig ist oder Förster        gewöhnt – sie sind tendenziell
     die Eichen meist allein auf kleiner Fläche.    und – per Photo­synthese – gut wachsen                                                     acht auf sie geben. Gebers kann dies                kleiner und, damit sie mehr Licht
     Während Buchen solche Freiflächen, auf         können. Spezialisierte Licht- und Schatten­                                                gerade live beobachten: Das Areal, in dem           verwerten können, dicker. Im
     denen sie Sonne und Frost ausgesetzt sind,     blätter* sorgen für die optimale Nutzung                                                   die 350 Jahre alte Eiche wächst, steht seit         Kronen­inneren und weiter unten
                                                                                                                                                                                                   ist die Licht­ein­strahlung geringer.
     nicht mögen, kommt dies der Eiche zugute.      einfallenden Sonnen­lichts. Aller­dings: Ist                                               kurzem unter »Prozess­schutz«. Hier soll            Die Schatten­blätter dort sind größer
     In den ersten Jahren streckt die sich dem      eine Eiche allzu licht­ver­wöhnt, kann dies                                                der Wald ganz ohne menschliches Zutun               und ent­sprechend dünner.
     Licht entgegen, bis zu einem Meter in zwölf    mindestens ihren wirt­schaft­lichen Wert                                                   wachsen und wuchern. Die Eiche wird
     Monaten. Nach 20, 30 Jahren aber wächst        schmälern. Denn dann treiben entlang des                                                   darum zunehmend von den umgebenden
     die Eiche langsamer in die Höhe, wohl aber     Stammes Äste aus. Und begehrt ist ja vor                                                   Buchen bedrängt. »1000 Jahre wird die Eiche
     verstärkt in die Breite – und wird dadurch     allem: astreines Holz.                                                                     wohl nicht werden«, sagt Gebers, »schade«.
     allmählich von der Buche überholt. Denn           Tobias Gebers bringt darum wieder die                                                   Denn je älter ein Baum, desto besiedelter.
     die wächst zwar gemächlicher, wohl aber ihr    Buche ins Spiel oder vielmehr: in den Wald.                                                Ein Gros der Käfer- und Pilzarten, die in
                                                                                                   Fotos: T. Gasparini/NLF; P. von Ditfurth

     ganzes Baumleben lang. Da die Eichen dafür     Unter den 50, 60 Jahre alten Eichen pflanzt                                                unseren Wäldern zuhause sind, nutzt darum
     aber in ihren Jugendjahren konkurrenzlos       er eine neue Baumgeneration von Buchen                                                     alte Eichen als Heimstatt.
     gedeihen, haben sie einen Wachstumsvor­        oder Winterlinden. Es ist eine vielfache                                                      Doch in Gebers Revier sind Eichen längst
     sprung, von dem sie langfristig profitieren.   Win-Win-Situation: Denn die Buchen                                                         keine Ausnahmeerscheinungen mehr. Hier
                                                    gedeihen nun unter dem Schutzschirm                                                        sind sie gar verbreiteter als die Buchen. Und
                                                    der Eichen; die nächste Baumgeneration                                                     so wachsen schon jetzt neue Baumriesen
                                                    wiederum beschattet den Eichenstamm,                                                       Rich­tung Licht – weil Förster den Boden
                                                    an dem keine schwachen, wertmindernden                                                     bereitet haben und sich um sie kümmern.
                                                    Äste austreiben. Und der Wald gewinnt
                                                    zusehends an Vielfalt, Struktur, Stabilität.
                                                                                                                                              Junge Eichen (links) brauchen Raum und Licht zum
                                                                                                                                              Gedeihen. Immer wieder werden darum Buchen
                                                                                                                                              geerntet, damit junge Eichen wachsen und alte im
                                                                                                                                              Wald bestehen können. Förster Tobias Gebers (unten
                                                                                                                                              rechts) ist zufrieden.

16      WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022                                                                                                                                                                     WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022   17
Herr Borris, Fotograf ie heißt – aus dem
                                                           Griechischen übersetzt – »Malen mit Licht«.
                                                           Leuchtet Ihnen das ein?
                                                           Ja und nein. Natürlich machen erst Licht                                                       Man stimmt dazu die Belichtung auf den
                                                           und Schatten Bilder spannend. Aber im                                                          farbigen Himmel ab, fokussiert jedoch den
                                                           Wald macht dieser stete Wechsel von Hell                                                       Wald oder einzelne Stämme im Vordergrund,
                                                           und Dunkel, das Tanzen von Lichtpunkten,                                                       die sich als Silhouette abzeichnen.
                                                           das Fotografieren auch kompliziert. Denn
                                                           zum einen werden Bilder unruhig. Zum                                                           Am Tage lohnt es sich nicht zu fotograf ieren?
                                                           anderen kommt unsere Fototechnik nur                                                           Doch – wenn der Himmel bedeckt ist.
                                                           schwer damit zurecht. Beispiel: Stimme ich                                                     Wolken machen das Licht weicher und
                                                           die Belichtung auf die verschatteten Flächen                                                   lassen Schatten verschwinden. Es ist die
                                                           ab, sind die hellen nur noch ausgefressene                                                     perfekte Witterung für Nah­auf­nahmen.
                                                           weiße Felder. Richte ich mich nach den                                                         Welches Equipment empfehlen Sie? Kann
                                                           hellen Flächen, ist der Rest finsterer Wald.                                                   man auch mit dem Smartphone spannende
                                                           Wie gelingt es Ihnen trotzdem, zauberhafte                                                     Waldbilder aufnehmen?
                                                           Bilder im Wald einzufangen?                                                                    Schnappschüsse sicher. Was Licht-und-
                                                           Indem ich auf die Uhr und den Wetterradar                                                      Schatten-Bilder angeht, bin ich skeptisch.
                                                           schaue – und Geduld mitbringe. Das Warten                                                      Denn am Smartphone lassen sich keine
                                                           auf das richtige Licht ist das Schönste und                                                    indi­viduellen Belichtungs­zeiten oder Brenn­
                                                           das Schlimmste in der Fotografie.                                                              weiten einstellen. Ich empfehle darum
                                                           Was ist das richtige Licht?                                                                    eine Spiegel­reflex­kamera, ein Weit­winkel-
                                                                                                                                                          Objektiv mit einer Brennweite »24 –70 mm«,
                                                           Ich mag vor allem das erste Licht, mit dem                                                     einen Pol­filter, der die Farben satter und
                                                           früh­morgens die Farben in die Welt treten.                                                    kräftiger heraus­arbeitet, und vor allem ein
                                                           Ich bin darum oft vor Tages­an­bruch unter­                                                    Stativ.
                                                           wegs. Das Licht ist dann noch besonders
                                                           mild, fällt schräg in den Wald ein und fängt                                                   Warum?
                                                           sich im Morgennebel, der auf den Lich­tun­                                                     Durch den Schattenwurf der Bäume fällt
                                                           gen liegt. Es sind die Momente, in denen                                                       grundsätzlich weniger Licht in den Wald,
                                                           so mystische Auf­nahmen wie jene mit dem                                                       was längere Belichtungs­zeiten erfordert.

Die Jagd nach dem                                          Lichtfinger gelingen. Aber auch die Abend­
                                                           dämmerung hat ihren Reiz. Wenn der Tag
                                                           nur noch ein roter Streif am Horizont ist,
                                                           gelingen wunderbare Gegen­licht­auf­nahmen:
                                                                                                                                                          Ein Stativ sorgt für den festen Stand der
                                                                                                                                                          Kamera und dafür, dass die Auf­nahmen
                                                                                                                                                          nicht verwackeln. Hinzu kommt: Ein Stativ
                                                                                                                                                          beschert über­legtere, bessere Aufnahmen.

perfekten Licht
Jürgen Borris geht, wie alle Jäger, am liebsten zwischen
Tau und Tag auf die Pirsch. Seine »Beute«: Hirsche
im Morgenlicht, verwunschene Landschaften – allesamt                                                                                                      Denn wenn ich erst den Dreifuß aufbauen
                                                                                                                                                          muss, mache ich mir vorab mehr Gedanken
in Pixel und auf Fotopapier gebannt. Hier erzählt                                                                                                         über Fokus und Bild­aus­schnitt und schieße
                                                                                                                                                          nicht leicht­fertig aus der Hüfte. Wer sein
der renommierte Naturfotograf aus dem Solling vom Spiel                                                                                                   Stativ vergessen hat, kann sich während der
und vom Kampf mit Licht und Schatten in den Wäldern.                                                                                                      Auf­nahme aber auch an einen Baum­stamm
                                                                                                                                                          anlehnen.
Und davon, wie man dieses Duell für sich entscheidet.                                                                                                     Sie sind seit mehr als 40 Jahren auf
                                                                                                                                                          Bilderjagd im Wald. Gibt es ein Motiv, das
                                                                                                                                                          Ihnen bislang immer entwischt ist?

                                                                                                          Fotos: Jürgen Borris; Portrait: Ralph Schieke
                                                                                                                                                          Oh, ja! Und zwar möchte ich gern einmal
                                                                                                                                                          frisch ausgetriebene, kleine Buchen unter
                                                                                                                                                          dem Schirm der alten, dicken Buchen foto­
                                                                                                                                                          grafieren. Ich habe eine ganz bestimmte,
                                                                                                                                                          milde Wald­stimmung vor Augen. Doch
                                                                                                                                                          bislang habe ich das richtige Licht dafür nie
                                                                                                                                                          erwischt.
                                                                                                                                                          h juergenborris.de
                                                                                                                                                          kontakt@juergenborris.de

                                                                                                                                                                          WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022   19
Am besten frisch aus
                                                                                                                                                                                                           dem Wald

                                                                                                                                                                                                           Bärlauch-Pesto
Low Carb im Frühling
                                                                                                                                                                                                           Zutaten
                                                                                                                                                                                                           1 Bund Bärlauchblätter, möglichst frisch,

Geschmortes Reh mit                                                                                                                                                                                        (tiefgefroren geht aber auch) // 75 g
                                                                                                                                                                                                           Parmesan am Stück // ca. 50 ml Olivenöl //
                                                                                                                                                                                                           1 EL Zitronensaft // 80 g Walnuss- und/oder
                                                                                                                                                                                                           Pinienkerne // Meersalz und schwarzer Pfeffer

buntem Spargel                                                                                                                                                                                             Zubereitung
                                                                                                                                                                                                           1.	Frischen Bärlauch waschen. Bärlauch, Käse,
                                                                                                                                                                                                               Nüsse und/oder Pinienkerne ggf. grob hacken.
                                                                                                                                                                                                               Mit dem Pürierstab oder im Küchenmixer fein
Zutaten für 4 Personen                          Zubereitung                                                                                                                                                    pürieren und mit dem Öl verrühren.
600 bis 800 g Rehfleisch aus                    1.	Das Fleisch im Stück von allen Seiten in Butterschmalz                                                                                                 2.	Mit Zitronensaft, Salz und Pfeffer kräftig
der Keule oder dem Rücken //                        scharf anbraten, salzen und pfeffern und im vorgeheizten                                                                                                   abschmecken.
50 g Butterschmalz // 2 rote                        Backofen bei ca. 150 °C Ober- und Unterhitze in einer
Zwiebeln // 8 Stangen weißer                        feuerfesten Form garen, bis das Bratenthermometer 65 °C                                                                                                Luftdicht verschlossen hält sich das Pesto
Spargel // 10 Stangen grüner                        anzeigt.                                                                                                                                               mehrere Tage im Kühlschrank. Schmeckt gut zu
Spargel // 100 ml Wildfond                      2.	In der Zwischenzeit Zwiebeln schälen und würfeln.                                                                                                      Nudeln und auf frischem Brot.
// 150 ml Crème fraÎche (oder                       Weißen Spargel ganz, grünen Spargel nur im unteren
Schmand) // Salz, Pfeffer aus der                   Drittel schälen, die Enden 2 cm kürzen. Spargelstangen
Mühle // ½ Bund Schnittlauch                        kurz in Wasser garen.
                                                3.	Zwiebeln und den vorgegarten Spargel im Restfett des
                                                    Fleisches in der Pfanne anbraten. Spargel aus der Pfanne                                        klassisch saftig süss
                                                    nehmen. Wildfond und Crème fraÎche zu den Zwiebeln

                                                                                                                                                    Rehrücken
                                                    geben. 3 bis 5 Minuten köcheln lassen, mit Salz und
                                                    Pfeffer abschmecken. Frisch gehackten Schnittlauch
                                                    unterheben.
                                                4.	Wenn der Rehbraten 65 °C erreicht hat, aus dem Ofen
                                                    nehmen und in Scheiben schneiden. Auf einem Teller mit
                                                    dem Spargel anrichten und die Sauce dazugeben. Frische
                                                    Kräuter runden den Geschmack ab.                                                                Zutaten
                                                                                                                                                    Rehrücken-Kuchenform
                                                                                                                                                    Für den Rührteig: 100 g Zartbitterschokolade
                                                                                                                                                    // 100 g weiche Butter oder Margarine // 150 g
                                                                                                                                                    Zucker // 1 Pck. Vanillezucker // 1 Prise Salz //
                                                                                                                                                    3 Eier // 50 g Weizenmehl // 1 Pck. Schokoladen-
                                                                                                                                                    Puddingpulver // 2 gestr. TL Backpulver // 2 EL
                                                                                                                                                    Milch // 100 g gemahlene Mandeln
                                                                                                                                                    Für den Guss: 150 g Zartbitterschokolade //
                                                                                                                                                    1 EL Speiseöl // 50 g Mandelsplitter

                                                                                                                                                    Zubereitung
                                                                                                                                                    1.	Schokolade fein reiben. Rehrückenform fetten.
                                                                                                                                                        Backofen vorheizen (Ober-/Unterhitze 180 °C,
                                                                                                                                                        Heißluft 160 °C).
                                                                                                                                                    2. Butter/Margarine geschmeidig rühren. Nach
                                                                                                                                                        und nach Zucker, Vanillezucker und Salz unter
                                                                                                                                                        Rühren hinzufügen, bis eine gebundene Masse
                                                                                                                                                        entsteht. Jedes Ei etwa ½ Min. auf höchster
                                                                                                                                                        Stufe unterrühren. Geriebene Schokolade
                                                                                                                                                        kurz unterrühren. Mehl mit Puddingpulver             3.	Den Kuchen 10 Min. in der Form stehen lassen,
                                                                                                               Fotos: J. Cramme/jenkosternberg.de

                                                                                                                                                        und Backpulver mischen und mit der Milch                 anschließend auf einen Kuchenrost stürzen und
                                                                                                                                                        abwechselnd in 2 Schritten auf mittlerer Stufe           erkalten lassen.
                                                                                                                                                        unterrühren. Zuletzt die Mandeln kurz unter den 4.	Schokolade grob zerkleinern und mit dem Öl
                                                                                                                                                        Teig rühren, in die Form füllen und glatt streichen.     im Wasserbad bei schwacher Hitze schmelzen.
                                                                                                                                                        Im Backofen auf der unteren Schiene etwa                 Kuchen damit überziehen und mit den
                                                                                                                                                        55 Min. backen.                                          Mandelsplittern spicken.

20    WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022                                                                                                                                                                                  WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022   21
Belesener Osterschmuck
                                                                                                                                      Aus Pappe o. Ä. eine Schablone in Eiform erstellen. Auf alten Buchseiten
                                                                                                                                        oder einem Papier eurer Wahl (nicht zu dick) 20 bis 24 Eierformen
                                                                                                                                           anzeichnen und ausschneiden. Jede senkrecht in der Mitte falten.
                                                                                                                                             WABENEIER: Mit einem Klebestift die Hälften immer abwechselnd
                                                                                                                                               einmal mittig, einmal jeweils außen verkleben. So entsteht das
                                                                                                                                                 Wabenmuster. FÄCHEREIER: Die Hälften mit einem Klebestift
                                                                                                                                                  flächig zusammenkleben. So entsteht das Fächermuster.
                                                                                                                                                    Den Stapel mit Wäscheklammern gut zusammendrücken.
                                                                                                                                                      Auf der Falzkante der aneinandergeklebten Eihälften eine
                                                                                                                                                       Schlaufe zum Aufhängen festkleben. Nachdem der Kleber
                                                                                                                                                        fest geworden ist, die beiden äußeren Seiten zu einem
                                                                                                                                                         Ei zusammenkleben.

        Kerzen in Schale geworfen
          Eier vorsichtig am oberen Ende
aufschlagen und ausgießen. Eierschalen
       auswaschen und trocknen lassen.
         Kerzendochte (mit Dochthalter)
   mittels Heißkleber am Schalenboden
    fixieren. Den Deckel des Eierkartons
          abschneiden, die vorbereiteten
Eierschalen hineinstellen. Kerzenwachs
   (auch Wachsreste) in Stücke brechen
          oder hacken und in einer alten
Konservendose o. Ä. im Wasserbad oder
  einem Ofen erhitzen, bis es flüssig ist.
    Das Wachs in die Eierschalen gießen
   und aushärten lassen. Nach Belieben
 mit weißer Acrylfarbe betupfen. In der
   Verpackung mit Moos aus dem Wald,
                 Blumen etc. dekorieren.
                                                                                                    Zweites Leben für Tetrapacks
                                                                                           Mit einem Cuttermesserschneider oder einer
                                                                                                Schere die Deckelfläche der Tetrapacktüte
                                                                                             direkt unter der Kante gerade wegschneiden.
                                                                                           Tüte knautschen, bis sich die bedruckte Schicht
                                                                                              ablöst. Den oberen Rand mindestens zweimal
                                                                                               umkrempeln. Nach Belieben bemalen, z. B. mit
                                                                                                   Buntstift, Marker, Fineliner oder Tusche. Mit
                                                                                            Frühblühern, Kräutern oder anderen Pflanzen füllen.
                                                                                                                      Oder als Stifthalter verwenden.

                               Stimmungsvolles
                                    Upcycling
                                                  Fotos: J. Cramme/jenkosternberg.de

                                                                                       Kugelige Osterhasen aus Holz
                                                                                       Eine dünne Kordel oder Bastelgarn (30–40 cm lang) doppelt legen, mit beiden Enden erst durch eine kleinere, dann
                                                                                       durch eine größere Holzkugel fädeln, mit einem Knoten verschließen. Aus etwas Watte einen kleinen Puschelschwanz
                                                                                       formen und ankleben. Zwei Hasenohren aus Filz oder Leder schneiden, an einem Ende zwirbeln und in das obere Loch
                                                                                       der Kopf-Kugel stecken. Evtl. mit einem kleinen Klecks Kleber fixieren.

22      WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022                                                                                                                           WA L D S T Ü C K | F R Ü H L I N G 2022   23
Neues vom Waldrand
                                                                Frühling 2022

                                                                                                                                               Fotos: NLF; PR
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  schön
  umwelt­
  bewusster Kerl
  Die Designuhr
  »Michel« von
  KERBHOLZ ist nicht nur besonders
  formschön, sondern auch rundum
  nachhaltig durchdacht. Das
  Solaruhrwerk tankt die Energie aus
  dem Tageslicht durch integrierte
  Solarringe im Ziffernblatt, der
  Korpus ist aus Echtholz und das
  in Deutschland gefertigte Texon
  Vogue Armband ist veganen
  Ursprungs. Sie beweisen nicht nur
  Stil, sondern auch Verantwortung.                 Dem Wald ganz nah
  h kerbholz.com
                                                    Im Zuge der 70. Forstvereinstagung vom 18.– 22. Mai 2022 in Braunschweig
                                                    eröffnet am 20. Mai auf dem Platz der Deutschen Einheit in Braunschweig
                                                    der Waldmarkt. Drei Tage lang Wissenswertes und Unterhaltsames über den
                                                    Wald als wertvollen Lebens- und Erholungs- und Wirtschaftsraum für alle
                                                    Interessierten und die, die es noch werden wollen.
                                                    Der Waldmarkt findet vom 20.– 22. Mai, jeweils 10 –18 Uhr, auf dem Platz
                                                    der Deutschen Einheit in Braunschweig statt. h forstverein.de

                                                                  100 % PEFC zertifiziert
                                                                  Das Papier für »Waldstück« stammt aus
                                                                  nachhaltig bewirtschafteten Wäldern
                                                                  und kontrollierten Quellen.
                                                                  www.pefc.de

                                                    Immer etwas zu erleben
  Home is, where your                               »100 Dinge, die du im Wald
  Harz is!                                          tun kannst« von Jennifer Davis
  HARZKIND ist ein nachhaltiges                     erforscht 100 Mög­lich­keiten, sich
  Mode­label für sichtbar gewor­de­                 mit der Natur zu verbinden und
  ne Harzer Heimatliebe – nach­                     die Vorteile des Aufenthaltes im                      Erdmann-Radweg
  haltig, bio, Fair Wear zertifiziert.              Wald für sich und seine Kinder zu                     Ab aufs Rad und auf fast 80 km
  Nahe­zu alle Produkte sind                        entdecken.                                            Strecke das »Waldgebiet des Jahres
  vegan. HARZKIND ist bei der                       Laurence King                                         2022« – sieben Gebiete und elf
  Wiederaufforstung des Harzes                      Verlag,                                               Stationen, die das Leben und
  beteiligt: Mit jedem Einkauf im                   ISBN 978-3-                                           Wirken des Oberförsters Erdmann
  Harzkind-Shop wird über die                       96244-141-8,                                          vorstellen – entdecken. So lässt
  »Klima-Aktion-Wald« ein Baum                      22 Euro.                                              sich Wald nicht nur sportlich,
  zur Wiederbewaldung des Harzes                                                                          sondern auch lehrreich genießen.
  gepflanzt. h harzkind-shop.de                                                                           h erdmannwaelder.de

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WALDSTÜCK ist das Magazin der Niedersächsischen Landesforsten. Struktur und Inhalt sind urheberrechtlich geschützt.
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CHEFREDAKTION: Antje Brandes, Stephan Averbeck; GESTALTUNG UND PRODUKTION: Jenko Sternberg Design GmbH,
jenkosternberg.de; TEXT: Katharina von Ruschkowski; SCHLUSSREDAKTION: Dr. Stefanie Marschke; BILDREDAKTION:
Antje Brandes
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