Modellierung des einflusses von Wildverbiss auf die schutzwaldentwicklung an der Rigi-nordlehne
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Modellierung des einflusses von Wildverbiss auf die schutzwaldentwicklung an der Rigi-nordlehne Golo stadelmann Waldökologie, Institut für Terrestrische Ökosysteme, ETH Zürich (CH)* Monika Frehner Waldbau und Waldmanagement, Institut für Terrestrische Ökosysteme, ETH Zürich (CH) andri Baltensweiler Landressourcenbeurteilung, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (CH) Harald Bugmann Waldökologie, Institut für Terrestrische Ökosysteme, ETH Zürich (CH) Modelling the impact of ungulate browsing on the development of the protective forests of the Rigi-nordlehne Forests on the northern slopes of the Rigi Mountain in central Switzerland (“Rigi-Nordlehne”) have a key pro- tective function against rockfall, erosion, landslides, flooding and debris flows. Forest management endeavours to guarantee that these forests can maintain their role in the long term. Thus multi-story canopies are favored, being resistant and resilient to natural disturbances such as windthrow. In addition, the mixture of tree species should conform to the guidelines of the national project “Sustainability and success monitoring in protection forests” (NaiS). However, at the present time an imbalance in tree species is evident in the regeneration layer, due to the considerable impact of browsing by wild ungulate populations in these beech and fir forests. To pre- dict future mixtures of tree species, the spatially explicit model of forest development Rigfor was developed and applied to simulate and compare two scenarios of forest dynamics. The scenario “current browsing” suggests that silver fir cannot regenerate and that regeneration of maple and beech is greatly hindered. In the scenario “reduced browsing”, however, a species mixture conforming to the national guidelines can be achieved in the regeneration layer. The simulations show that the amount of beech timber decreases whichever the scenario, while for the larger fir trees in diameter classes above 35 cm no changes are to be expected in the coming de- cades. However, from 2082 onwards a continuing high browsing rate would lead to the elimination of nearly all silver fir trees at the pole stage and in the long run silver fir may be completely eradicated from these stands. We conclude that under a dense canopy of old trees, silver fir and beech can be regenerated if ungulate brows- ing is considerably reduced. Spruce regeneration however requires more light and this is not often found on the northern slopes of the Rigi Mountain. Opening up the canopy to foster regeneration of the desired mixture of species is a key measure in order to maintain the long-term protective function of these forests. This will only be possible, however, if the current high browsing intensity can be reduced. Keywords: succession, forest dynamics, rockfall, protection forest, natural hazards doi: 10.3188/szf.2011.0355 * Universitätstrasse 16, CH-8092 Zürich, E-Mail golo.stadelmann@env.ethz.ch D ie Wälder an der Rigi-Nordlehne leisten diese Aufgabe noch anspruchsvoller werden. Durch wirksamen Schutz vor Stein- und Block- die Schutzwaldbewirtschaftung will man die Stö- schlag, Erosion, Rutschungen, Hochwasser rungsresistenz der Bestände erhöhen. Davis & Mo- und Murgang. In höheren Lagen verhindern sie zu- ritz (2001) definieren Resistenz als die Fähigkeit eines dem das Anreissen von Lawinen. Aufgrund dieser Systems, trotz Störung im selben Zustand zu verwei- Gefahrenprozesse ist es essenziell, dass der Wald in len. Des Weiteren soll nach dem Eintreten eines Stö- einen möglichst störungsresistenten Zustand ge- rungsereignisses die Zeitdauer mit beeinträchtigter bracht wird und dieser Zustand so gut wie möglich Schutzwirkung des Bestandes möglichst kurz gehal- erhalten wird. Störungsereignisse wie zum Beispiel ten werden, die Resilienz des Bestandes soll also Wind, Hagelstürme, Schneedruck oder Borkenkäfer- möglichst hoch sein. Resilienz gilt als die Fähigkeit befall beeinträchtigen die Schutzwirksamkeit eines und Geschwindigkeit des Systems, sich nach einer Waldes. Die Schutzwaldbewirtschaftung stellt des- Störung wieder in den ursprünglichen Zustand zu- halb eine grosse Herausforderung dar. Weil damit rückzuentwickeln (Davis & Moritz 2001). Gemäss gerechnet werden muss, dass Störungsereignisse in der Wegleitung «Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle Zukunft vermehrt auftreten (North et al 2007), wird im Schutzwald» (NaiS; Frehner et al 2005) kann eine Schweiz Z Forstwes 162 (2011) 10: 355–363 connaissances 355
Abb 1 Blick auf die Rigi-Nordlehne. dauerhafte Schutzwirkung erzielt werden, indem ein mulationen der Waldentwicklung über 100 Jahre er- mehrschichtiger Bestandesaufbau gefördert wird, möglichen es, die zwei Entwicklungsszenarien «ak- der über eine hohe Störungsresistenz und Resilienz tueller Wildverbiss» und «reduzierter Wildverbiss» verfügt. miteinander zu vergleichen. Dabei wird insbeson- Ein mehrschichtiger Bestandesaufbau führt dere auf die Entwicklung der Baumartenzusammen- dazu, dass verschiedene Alters- beziehungsweise setzung und deren Konsequenzen für die Stabilität Durchmesserklassen neben- und übereinander vor- und die Schutzwirkung der Bestände eingegangen. kommen. Durch Störungen entstehen daher oft nur kleine Bestandesöffnungen, in denen sich rela- tiv rasch Verjüngung einstellen kann. An der Rigi- Material und Methoden Nordlehne ist grundsätzlich genügend Ansamung vorhanden. Im Tannen-Buchen-Wald führt starker Untersuchungsgebiet Wildverbiss jedoch dazu, dass die Ansamung nicht Die Rigi-Nordlehne (Abbildung 1; siehe auch aufwachsen kann (Frehner & Schwitter 2008). Es ist Karte in Gasser et al 2011, dieses Heft) befindet sich nicht einfach, die langfristigen Konsequenzen einer in der Standortregion Nördliche Randalpen. Kühle bestimmten Verbissbelastung für die Walddynamik Temperaturen und mässige tägliche und jahreszeit- zu bestimmen. Anhand von Simulationsmodellen liche Temperaturschwankungen sowie hohe Nieder- kann aber abgeschätzt werden, welchen Einfluss Ver- schläge von über 1200 mm pro Jahr auf 1000 m ü. M. änderungen in der Verjüngung auf die Walddyna- charakterisieren diesen Klimatyp (Frehner et al mik haben. Um die zukünftige Schutzwirkung eines 2005). Die Horizontaldistanz zwischen Rigi Kulm Waldes abschätzen zu können, muss eine räumlich (1797.5 m ü. M.) und dem Zugersee (413 m ü. M.) be- explizite Bestandesentwicklung simuliert werden, trägt lediglich rund zwei Kilometer. Entsprechend da die Schutzwirkung nur über grössere Flächen be- weist die Rigi-Nordlehne ein hohes Gefälle auf. Die stimmt werden kann und sich Topografie und Wald- Waldfläche an der Rigi-Nordlehne beträgt rund struktur im Gebirge oft auf kleinem Raum ändern. 460 Hektaren, wovon 270 Hektaren der Buchenwald- Daher konnte in dieser Arbeit nicht auf bestehende stufe und 190 Hektaren der Tannen-Buchen-Wald- Modelle wie das Schutzwaldmodell (Brang et al, stufe zugehören (Hug 2007). In der Buchenwaldstufe, 2004) oder ForClim (Bugmann 1999) zurückgegrif- die bis auf eine Höhe von rund 850–900 m ü. M. fen werden. steigt, dominieren wüchsige Buchenwälder mit mitt- Ziel dieser Arbeit war es, die zukünftige Wald- leren Bedingungen. Mit zunehmender Höhe über dynamik an der Rigi-Nordlehne abzuschätzen. Dazu Meer steigen die Nadelholzanteile an, wobei diese wurde das räumlich explizite Waldmodell «Rigfor» im Naturwald hauptsächlich aus Tanne bestehen entwickelt, das im Folgenden vorgestellt wird. Si- würden. Natürlicherweise würden Tanne und Bu- 356 Wissen Schweiz Z Forstwes 162 (2011) 10: 355–363
che diese Wälder dominieren. Bergahorn, Fichte und Modellannahmen Esche können ebenfalls beigemischt sein. Im Ideal- Weil die Walddynamik eines realen Waldes fall trägt die Fichte maximal 20% zur Stammzahl simuliert werden sollte, mussten die Systemzustände bei (Frehner et al 2005). des Modells so definiert werden, dass der Anfangs- Die heutige Stammzahlverteilung in den Tan- zustand der Simulationen aus der Bestandeskarte nen-Buchen-Wäldern der Rigi-Nordlehne entspricht 2002 abgeleitet werden konnte. Die Bestandeskarte bei Weitem nicht diesem Ideal. Selbst die minima- enthält Angaben zu Entwicklungsstufe, Deckungs- len Anforderungen gemäss NaiS können in mehr als grad, Nadelholz- und Laubholzanteil sowie den An- 40% der Tannen-Buchen-Wälder nicht erfüllt wer- teilen von Fichte, Tanne, Buche, übrigem Laubholz den. Im Baumholz ist die Tanne genügend, die Buche und übrigem Nadelholz. Um diese Angaben im Mo- hingegen eindeutig zu wenig vertreten. Nur etwa die dell zu implementieren, wurden die folgenden vier Hälfte der Flächen im Tannen-Buchen-Wald weist Annahmen getroffen: einen ausreichenden Buchenanteil auf. Anders sieht 1) Entwicklungsstufe: Alle Bäume eines einschich- es mit den Fichtenanteilen aus, welche heute oft zu tigen Bestandes wurden derselben Entwicklungs- hoch sind (Frehner & Schwitter 2008). Die Mischung stufe zugeordnet. Bei stufigen und zweischichtigen der Jungwaldflächen entspricht ebenfalls nicht dem Beständen wurden die Zellen in Zellen mit unter- minimalen Anforderungsprofil. Die tiefen Buchen- schiedlichen Systemzuständen umgerechnet. anteile sind aufgrund der Zusammensetzung im 2) Deckungsgrad: In der Bestandeskarte von 2002 Baumholz zu erwarten; anders ist es aber bei den wurde der Deckungsgrad in den Klassen < 20%, Tannenanteilen: Obwohl genügend Samenbäume 20–60%, 60–90% und > 90% angegeben. Wenn der vorhanden sind und die Ansamung gut ist, ist die Deckungsgrad unter 100% liegt, so beträgt der Lü- Tanne im Jungwald nicht vertreten. Dies zeigt, dass ckenanteil = 1 – Deckungsgrad. Es wird zudem an- bei der Tannenverjüngung schon seit langer Zeit Pro- genommen, dass der Deckungsgrad aller Bestände bleme bestehen. Diese werden auf den hohen Scha- sich in der Klassenmitte befindet (also bei 10, 40, 75 lenwildbestand zurückgeführt (Frehner & Schwitter respektive 95%). 2008). 3) Baumartenmischung: Im Waldmodell wird analog zur Bestandeskarte zwischen Fichte (FI), Tanne Waldentwicklungsmodell (TA), Buche (BU) und übrigem Laubholz (UL) unter- Das räumlich explizite Modell Rigfor (Stadel- schieden. Übriges Laubholz besteht im Wesentlichen mann 2008) ist ein rasterbasiertes Modell mit einer aus Ahorn und Esche. Da der Anteil an übrigem Na- Zellengrösse von einer Are. Einerseits ist so jede Zelle delholz an der Rigi-Nordlehne als unter 5% liegend genügend gross, damit ein Gerüstbaum darin Raum kartiert wurde, wurde er im Modell vernachlässigt. findet und Ansamung möglich ist. Andererseits ist 4) Lebenszyklus: Die Verweilzeiten der Baumar- die Zelle wesentlich kleiner als typische Bestände, ten in den Systemzuständen des Waldmodells wur- was eine Simulation der Bestandesdynamik ermög- den anhand von Literaturangaben für den Buchen- licht. Weil das Modell auf empirischen Regeln ba- wald und den Tannen-Buchen-Wald (Tabellen 1 siert, kann Rigfor als regelbasiertes Modell bezeich- und 2) festgelegt. Gegenüber der Bestandeskarte net werden. Bei der Definition der Regeln wurde wurde der Zustand Lücke (LU) ergänzt. Es wurde an- berücksichtigt, dass der Wald im Untersuchungsge- genommen, dass übriges Laubholz genauso schnell biet bewirtschaftet wird. Es wurden also nicht nur wächst wie die Fichte, jedoch eine längere Lebens- ökologische Kriterien, sondern auch Bewirtschaf- dauer hat. Für den Buchenwald beträgt das maxi- tungsregeln implementiert, die den Anforderungen male Alter 140 Jahre, im Tannen-Buchen-Wald dau- des Schutzwaldmanagements entsprechen. Die Soft- ert der Zyklus 180 Jahre. ware ArcGIS Desktop 9.2 der Firma ESRI bildete die Zur Simulation der Verjüngung und der Stö- Grundlage für die Implementation des Waldmodells, rungen wurden drei weitere Annahmen hinzugefügt: welches mit Python programmiert wurde. 5) Baumartenmischung: Alle Zellen, die sich in den Zuständen Baumholz I–III befinden und nicht weiter als 40 m von der zu verjüngenden Lücke ent- Baumarten Lebensdauer im Produktionszeitraum Produktionszeitraum Urwald im Wirtschaftswald im Wirtschaftswald fernt wachsen, tragen zur Baumartenmischung bei. des Mittellands der Voralpen 6) Störungen: Zellen, die das Baumholz noch Fichte 300–350 110 140–150 nicht erreicht haben, werden durch Störungen nicht Tanne 350–460 120 130–140 in den Lückenzustand zurückgeworfen. Es wird an- Buche 230–260 120 150–160 genommen, dass im Falle einer Störung unterdrückte Individuen freigestellt werden und daher überleben Tab 1 Lebensdauer von Buche, Tanne und Fichte in Urwäldern Osteuropas (Korpel 1995) und Produktionszeiträume im Wirtschaftswald (Schütz 2002) in Jahren. Die angegebene können. Störungen wirken erst ab dem Baumholz. Lebensdauer der Fichte im Urwald entspricht derjenigen in ihrem optimalen Verbreitungs- Die Sturmanfälligkeit der vertretenen Baumarten ist gebiet. Für natürliche Fichtenwälder der Schweiz wird ein Baumalter von 250 bis 300 Jah- in absteigender Reihenfolge Fichte > Tanne > Buche ren angenommen. > übriges Laubholz (Schütz 2002). Schweiz Z Forstwes 162 (2011) 10: 355–363 connaissances 357
Höhenstufe Lebensalter Lücke Maximaler indexwert im Zustand und Baumart (J) (LU) Jungwald stangenholz Baumholz i Baumholz ii Baumholz iii (JW) (sTH) (B i) (B ii) (B iii) Buchenwald Fichte 120 1 6 9 12 15 24 Tanne 200 1 9 13 16 23 40 Buche 160 1 7 11 15 19 32 Tannen-Buchen-Wald Fichte 180 1 8 13 17 21 36 Tanne 300 1 15 19 23 31 60 Buche 200 1 11 14 21 27 40 Tab 2 Systemzustände im Buchen- und Tannen-Buchen-Wald. Für jeden Systemzustand wurde in Abhängigkeit der Baumart ein Indexwert festgelegt, bei welchem die Zelle in einen nächsten Zustand wechselt. Das Baumalter entspricht dem Indexwert multi- pliziert mit fünf Jahren. 7) Die Wachstumsgeschwindigkeit der Bäume langen, wird dieser Prozess eingeleitet. In Abhängig- und die Störungsraten bleiben über den simulierten keit von Häufigkeit, Wachstumsgeschwindigkeit und Zeitraum konstant. einer Zufallskomponente wird die dominierende Baumart bestimmt. Für jede Baumart wird ein Do- Modellstruktur minanzfaktor berechnet. Die Wahrscheinlichkeit, Rigfor simuliert die Waldentwicklung in Zeit- dass sich die Fichte als dominierende Art durchsetzt, schritten von fünf Jahren. Dies bedeutet, dass die wird wie folgt hergeleitet: gesamte Entwicklung des Ökosystems und alle Stö- rungen innerhalb eines Zeitschritts zu einem diskre- dFI = 0.5+ [ N100 × nT+1× X Alle FI FI rand ] (1,100) (1) ten Ereignis zusammengefasst werden. Während jedes Zeitschritts werden die vier Prozessgruppen Dabei ist n FI der prozentuale Fichtenanteil der Wachstum und Mortalität, Regeneration, Baumarten- Zelle, T FI ist die Verweilzeit der Fichte in Jahren und differenzierung und Störungsregime in der genann- X rand ist eine zufällig bestimmte natürliche Zahl zwi- ten Reihenfolge aufgerufen. schen 1 und 100. Analog werden die Variablen n und In der Prozessgruppe Wachstum und Mortali- T auch für Tanne, Buche und übriges Laubholz be- tät wird die Bestandesentwicklung simuliert, wobei stimmt. NAlle wird wie folgt hergeleitet: alle Individuen einer Art gleich schnell wachsen und nFI +1 nTA+1 nBU+1 nUL+1 die gleiche Lebensdauer haben (Tabelle 1). Eine Zelle NAlle = × × × (2) TFI TTA TBU TUL befindet sich jeweils in genau einem Systemzustand (Tabelle 2), wobei die Reihenfolge der Entwicklung Alle drei Zeitschritte findet eine Pflege (Mi- vorgeschrieben ist: Lücke (LU) > Jungwald (JW) > schungsregulierung) statt. Bei allen Zellen, die wäh- Stangenholz (STH) > Baumholz I (B I) > Baumholz II rend dieses Zeitschritts vom Jungwald ins Stangen- (B II) > Baumholz III (B III). Eine rückschreitende holz wechseln, wird die Mischung nach NaiS Entwicklung ist nicht möglich. Lücken können ent- bestimmt. Dabei werden in jeder Zelle, die mehr als weder durch altersbedingtes Absterben beziehungs- eine Baumart enthält, auf der Basis der «8-Nachbar- weise Holzschlag (B III > LU) oder durch Störungen Regel» Baumarten entfernt, welche gemäss NaiS zu (B I – B III > LU) entstehen. So wechselt beispielsweise stark vertreten sind. Die «8-Nachbar-Regel» berück- eine Fichtenzelle im Buchenwald nach 120 Jahren sichtigt alle benachbarten Rasterzellen, die direkt (24 Zeitschritte à fünf Jahre) vom B III zu Lücke. horizontal, vertikal oder diagonal erreichbar sind. Die Prozessgruppe Regeneration prüft die Ver- Störungen in der Oberschicht werden durch fügbarkeit von Samenbäumen. Die Baumartenan- die Prozessgruppe Störungsregime simuliert. In der teile der Verjüngung entsprechen der prozentualen vorliegenden Version von Rigfor wird nur Windwurf Artenmischung der Samenbäume. Wenn im Radius als die häufigste Störung behandelt. In Raum und von 40 m keine Samenbäume vorhanden sind, kann Zeit gibt es selten grosse und häufig kleine Windwurf- die Zelle den Systemzustand nicht wechseln, d.h., ereignisse (Oliver & Larson 1996, Koop & Hilgen sie verbleibt im Zustand LU. 1987, Pontailler et al 1997). Entsprechend werden die Wenn auf einer Jungwaldzelle mehrere Baum- Windwürfe in Rigfor als kleinflächige Störungser- arten vorhanden sind, so findet beim Übergang ins eignisse simuliert. Jede Rasterzelle ist im Mittel alle Stangenholz eine Baumartendifferenzierung statt. 125 Jahre von einem Sturm betroffen (Hug 2007). Dabei kann sich nur eine Baumart durchsetzen. So- Die Auswahl dieser Zellen erfolgt stochastisch. Ein bald die erste Baumart, die in einer Zelle vertreten Schaden kann nur eintreten, wenn sich der Wald in ist, das Alter erreicht hat, um ins Stangenholz zu ge- der Entwicklungsstufe B I–B III befindet. Die Schaden- 358 Wissen Schweiz Z Forstwes 162 (2011) 10: 355–363
Szenario der Aufwuchs von Buche und Ahorn im Tannen-Buchen-Wald erschwert, und derjenige der Tanne ist unmöglich. Das Szenario reduzierter Ver- biss (v0) unterscheidet sich von v1 darin, dass hier der Wilddruck so stark reduziert wird, dass auch Bu- che, Ahorn und Tanne aufwachsen können. Resultate simulierte Waldentwicklung Die Wälder an der Rigi-Nordlehne hatten 2007 sowohl einen hohen Anteil an Lücken und Jungwald als auch an Altholz. Einige grössere Lücken gehen bis 2022 in Jungwald über, während andere mangels Samenbäumen Lücken bleiben (Abbildung 2; Abbil- dungen zu weiteren Zeitschritten und Szenarien vgl. Abb 2 Simulation des Waldzustands in den Jahren 2007 und 2022 mit dem Szenario Stadelmann 2008). Selbst in relativ homogenen Be- «aktueller Verbiss» (v1). ständen, welche sich im Baumholz III befinden, sind Lücken und Jungwaldzellen zu erkennen. Diese 100 konnten auf zwei Arten entstehen: 1) durch das Ab- sterben der Oberschicht oder 2) durch die Herleitung des Anfangszustands, wenn der Deckungsgrad im 80 kartierten Bestand geringer als 100% war. entwicklung der Baumartenanteile mit und ohne Wildverbiss Tannenanteil (%) 60 Der Wildverbiss ist im Buchenwald an der Rigi-Nordlehne heute tragbar, sodass alle Baumarten aufwachsen können. Folglich sind die Unterschiede 40 zwischen den Szenarien «aktueller Wildverbiss» (v1) und «reduzierter Wildverbiss» (v0) hauptsächlich im Tannen-Buchen-Wald erkennbar. Im Tannen-Buchen- 20 Wald werden ab 2052 signifikante Unterschiede der Tannenanteile simuliert (Abbildung 3). Unter dem Szenario v1 nimmt der Tannenanteil weiter ab, wäh- rend er beim Szenario v0 zwischen 2052 und 2102 0 2022 2052 2102 leicht ansteigt. Für eine detaillierte Analyse der Baumarten- Reduzierter Wildverbiss Aktueller Wildverbiss anteile der Szenarien v1 und v0 wurden die sechs Abb 3 Boxplots der Tannenanteile 2002, 2052 und 2102 im Tannen-Buchen-Wald. Im Systemzustände zu drei Phasen aggregiert: 1) Lücke Vergleich der Szenarien aktueller Verbiss (v0) und reduzierter Verbiss (v1)ergeben sich ab und Jungwald, 2) Stangenholz und Baumholz I so- 2052 signifikante Unterschiede (Wilcoxon-Rangsummentest; 2022: p-Wert: 0.69, wie 3) Baumholz II und III. In allen Phasen wurden 2052: P-Wert: 8.6e-11, 2102: P-Wert 2.2e-16). zwischen den Szenarien Unterschiede in den Baum- artenanteilen festgestellt (Abbildung 4). Im Szenario anfälligkeit ist abhängig von der Baumart (Fichte v1 nimmt der Fichtenanteil zu, der Tannenanteil da- 71%, Tanne 66%, Buche 40%, übriges Laubholz 30%; gegen sinkt. Einzig im Baumholz II und III werden Schütz 2002). Weil an der Rigi eine aktive Borken- nur unwesentliche Unterschiede des Tannenanteils käferbekämpfung stattfindet, werden Borkenkäfer- simuliert. Für die Buchenanteile zeigt sich ein ähn- schäden in Rigfor nicht berücksichtigt. liches Bild wie bei den Tannenanteilen. Es fällt auf, dass der Buchenanteil in der Oberschicht in beiden Szenarien Szenarien abnimmt. Die Kategorie übriges Laubholz Die Waldentwicklung an der Rigi-Nordlehne wird im Szenario v0 etwas häufiger simuliert. wurde in zwei verschiedenen Szenarien während 100 Jahren simuliert. Das Szenario aktueller Verbiss Lücke und Jungwald (v1) ist ein sogenanntes Business-as-usual-Szenario, Die Reduktion des Wildverbisses führt über bei dem die Waldentwicklung so weitergeht wie die berücksichtigte Zeitspanne dazu, dass in der Ini- heute. Aufgrund von Wildverbiss ist unter diesem tialphase die Anteile von Tanne, Buche und übrigem Schweiz Z Forstwes 162 (2011) 10: 355–363 connaissances 359
Lücke und Jungwald Jungwaldfläche stark ab, was zu einer Zunahme der 6000 Fläche im Stangenholz führt. Besonders deutlich ist dies bei der Fichte erkennbar: Die Jungwaldfläche, 5000 auf der die Fichte vertreten ist, sinkt von über 4000 4000 auf unter 2000 Aren ab. Im Übergang zwischen den Fläche (a) Jahren 2047 und 2052 wird ein ebenso auffälliger 3000 Rückgang der Buchenanteile simuliert. 2000 Stangenholz und Baumholz I 1000 Bis ins Jahr 2032 werden im Stangenholz und im Baumholz I keine deutlichen Unterschiede zwi- 0 schen den beiden Szenarien simuliert. Bis zu diesem 2022 2027 2032 2037 2042 2047 2052 2057 2062 2067 2072 2077 2082 2087 2092 2097 2102 Zeitpunkt bleibt die Tanne die häufigste Baumart im Stangenholz. Unter dem Szenario aktueller Verbiss Stangenholz und Baumholz I (v1) sinkt der Tannenanteil ab 2032 jedoch konti- 6000 nuierlich ab, bis er im Jahr 2082 auf wenigen Aren 5000 stagniert. Fichte und Buche nehmen hingegen un- abhängig vom Szenario zu. Bei der Fichte findet diese 4000 Zunahme hauptsächlich zwischen 2032 und 2037 Fläche (a) statt. Die Buchenanteile steigen zwischen 2047 und 3000 2052 an. Diese Zunahme entspricht der Abnahme 2000 der Jungwaldfläche im gleichen Zeitschritt. Die Ka- tegorie übriges Laubholz verzeichnet über den ge- 1000 samten betrachteten Zeitraum nur eine leichte Zu- nahme. Zwischen 2082 und 2087 wird eine starke 0 Abnahme von Fichte und auch übrigem Laubholz 2022 2027 2032 2037 2042 2047 2052 2057 2062 2067 2072 2077 2082 2087 2092 2097 2102 simuliert, weil viele Bäume ins Baumholz II ein- wachsen. Baumholz II und Baumholz III 6000 Baumholz II und III 5000 Im Baumholz II und III werden bis 2082 keine wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Sze- 4000 narien simuliert. Während die Tannenanteile bis Fläche (a) 2102 leicht ansteigen, ist ab 2067 eine Abnahme der 3000 Buche erkennbar. Mit dem Einwachsen von Fichte 2000 und übrigem Laubholz zeigen sich ab 2087 die ers- ten Unterschiede zwischen den Szenarien. Das Sze- 1000 nario «reduzierter Verbiss» (v0) unterscheidet sich dabei vom Szenario «aktueller Verbiss» (v1) dadurch, 0 dass der Fichtenanteil geringer wird. Dafür wird der 2022 2027 2032 2037 2042 2047 2052 2057 2062 2067 2072 2077 2082 2087 2092 2097 2102 Anteil des übrigen Laubholzes grösser. Zwischen 2022 und 2082 halbiert sich der Fichtenanteil im Entwicklung der Baumartenanteile Baumholz II und III in etwa. Fichte v0 Buche v0 Übriges Laubholz v0 Tanne v0 Fichte v1 Buche v1 Übriges Laubholz v1 Tanne v1 Abb 4 Entwicklung der Baumartenanteile im Tannen-Buchen-Wald in den Szenarien «ak- Diskussion tueller Wildverbiss» (v1) und «reduzierter Wildverbiss» (v0). Der Vergleich zeigt, dass beim Szenario «reduzierter Wildverbiss» alle Baumarten ausser der Fichte profitieren. entwicklungsstufen Der Wald an der Rigi-Nordlehne wurde jahr- zehntelang unternutzt. Dadurch konnte sich ein sehr Laubholz zunehmen, während die Fichtenanteile zu- hoher Holzvorrat entwickeln, der infolge von Sturm- rückgehen (Abbildung 4). Am meisten profitiert die ereignissen in den Jahren 1987, 1992 und 1999 haupt- Tanne vom reduzierten Wilddruck. Die Fichte bleibt sächlich in der Buchenwaldstufe reduziert wurde. Im die deutlich häufigste Baumart im Jungwald. Die Flä- Tannen-Buchen-Wald wurde dagegen im Jahr 2002 che mit Fichten steigt bis ins Jahr 2032 kontinuier- immer noch ein grosser Anteil an Baumholz III kar- lich an und wird ähnlich gross wie jene Fläche, wel- tiert. Die Simulationen mit Rigfor zeigen, dass im che von den übrigen Baumarten gemeinsam bedeckt Tannen-Buchen-Wald der Rigi-Nordlehne die Anteile ist. Zwischen 2032 und 2037 nimmt die gesamte an Baumholz II und III unabhängig vom Szenario 360 Wissen Schweiz Z Forstwes 162 (2011) 10: 355–363
während des simulierten Zeitraums konstant bleiben. Tanne und die Buche erforderlich. Die Fichte sollte Der Anteil an Lücken ist zu Beginn der Simulation im Tannen-Buchen-Wald einen Anteil von 30% nicht im Jahr 2002 sehr hoch, da Bestände mit tiefem übersteigen (Frehner et al 2005, Frehner & Schwit- Deckungsgrad aufgrund der definierten Systemzu- ter 2008). Die Tanne dagegen ist sehr erwünscht, da stände viele Lückenzellen enthalten. Nach einer star- sie mit ihren tiefen Wurzeln weniger sturmanfällig ken Abnahme bis 2022 bleibt der Lückenanteil bis ist (Mayer et al 2005) und nicht vom Buchdrucker 2102 praktisch konstant. Die anfangs sehr hohen An- befallen wird. Wenn die Tanne weiterhin nicht auf- teile an Lücken und Jungwald führen über den simu- wachsen kann, wird in kleinen Lücken nur Verjün- lierten Zeitraum zu deutlichen Schwankungen in den gung aufkommen können, wenn genügend Buchen- Anteilen des Stangenholzes und des Baumholzes I. samenbäume vorhanden sind. Auf etwa der Hälfte der zu verjüngenden Fläche ist dies nicht der Fall. Baumartenverteilung Die Verteilung der Baumarten hängt stark vom Verwendete Methode gewählten Szenario ab. Auswirkungen eines reduzier- Alte Bestände mit einer instabilen Oberschicht ten Wildverbisses sind zuerst im Jungwald erkenn- sind störungsanfällig. Weil vermehrt mit Störungen bar, danach im Stangenholz und im Baumholz I, be- zu rechnen ist (North et al 2007), müssen weitere vor die ersten Unterschiede im Baumholz II und III Schäden erwartet werden (Wohlgemuth et al 2008). erkennbar werden. Gerade hier sind die Unterschiede Die kleinflächigen Störungen, welche in Rigfor si- am gravierendsten, da Samenbäume mehrheitlich in muliert wurden, haben zu einer räumlich heteroge- diesen Entwicklungsstufen vorkommen. Im Baum- nen Verteilung der Systemzustände geführt, d.h., es holz II und III sind ab 2082 bei Fichte und übrigem wurde eine besser werdende vertikale Struktur simu- Laubholz Unterschiede zwischen den Szenarien v1 liert. Gegen diese Interpretation spricht, dass der An- und v0 zu beobachten. Die Abnahme der Buche in teil an Baumholz III in allen Simulationen konstant beiden Szenarien ist bedenklich, da bereits heute nur bleibt. Zwei Faktoren führen dazu, dass die Flächen auf 48% der Fläche genügend Buchensamenbäume mit ungenügender Schutzwirkung in der Realität vorhanden sind (Frehner & Schwitter 2008). grösser sein dürften, als sie vom Modell simuliert In beiden Szenarien bleiben während der Si- werden. Einerseits könnte der Wald sich bei gross- mulationsperiode genügend Tannensamenbäume flächigen Störungen, die im Modell nicht simuliert bestehen. Im Stangenholz sind jedoch ab 2037 Un- wurden, nur ungenügend erholen, da heute unter terschiede sichtbar. Bei Szenario «reduzierter Wild- Schirm kaum An- und Aufwuchs vorhanden ist. An- verbiss» zeichnet sich bis Simulationsende eine dererseits ist zu erwarten, dass Konkurrenz durch leichte Zunahme der Tannenanteile ab. Wenn der die Bodenvegetation die Ansamung behindert, wenn Verbiss nicht reduziert wird, geht der Tannenanteil der Bestand durch Holzschläge oder Störungen ge- dagegen bis 2082 drastisch zurück, und die Tanne öffnet wird; diese Konkurrenz wurde ebenfalls nicht wird langfristig aus dem Bestand verdrängt. Der modelliert. Dies hat zur Folge, dass die langfristige Rückgang der Tanne ist auf den hohen Wilddruck Schutzwirkung des Waldes abnimmt. Unabhängig zurückzuführen, der zu reduziertem Wachstum vom gewählten Szenario dürften die Flächen mit un- führt und das Aufwachsen anfälliger Baumarten ver- genügender Schutzwirkung bis 2022 ansteigen, da hindern kann (Eiberle & Bucher 1989, Kupferschmid der optimale Zeitpunkt zur Einleitung der Verjün- & Bugmann 2007, Rüegg & Schwitter 2002, Senn gung in einigen Beständen bereits verpasst wurde. 2000). Bei einem hohen Wilddruck wird sich die Bei reduziertem Wildverbiss (v0) dürfte die Tanne Fichte in halboffenen Beständen gegen die Tanne bis 2050 auf aktuellen Lücken bereits wieder im durchsetzen. Unter einem dichten Kronenschirm ist Stangenholz sein. Anhaltender Wilddruck (v1) ver- die Verjüngung der Fichte jedoch nicht möglich hindert diese Entwicklung jedoch vollständig. Wenn (Heuze et al 2005a, Heuze et al 2005b), weshalb mit das Szenario v1 eintrifft, muss davon ausgegangen Tanne verjüngt werden muss. An der Rigi werden werden, dass der Wald in 50 Jahren seine Schutz- seit 1990 Beobachtungen gemacht, die belegen, dass funktion nicht mehr ausreichend erfüllen kann. Wildverbiss die Hauptursache des fehlenden Tan- Rigfor wurde entwickelt, um die zukünftige nenaufwuchses ist: Obwohl ein gutes Keimbett vor- Schutzwirkung des Waldes an der Rigi-Nordlehne handen ist und genügend Sämlinge aufkommen, abzuschätzen. Die Systemzustände in Rigfor wurden kann die Tanne dem Äser nicht entwachsen (Freh- aus der Bestandeskarte von 2002 abgeleitet. Dabei ner & Schwitter 2008, Hug 2007). wurden bei einem Deckungsgrad unter 100% Lücken Weil im Tannen-Buchen-Wald an der Rigi- simuliert, um insgesamt die entsprechende Kronen- Nordlehne ein hoher Anteil an Baumholz III stockt, deckung zu erzielen. Dies führte zu einem hohen ist die Einleitung der Verjüngung dringlich, wenn Lückenanteil im Jahr 2002. In der Simulation ist gut die Schutzfunktion dieser Bestände langfristig auf- erkennbar, wie sich der hohe Lückenanteil vom Jahr rechterhalten werden soll. Für die Verjüngung unter 2002 in den Jungwald und schliesslich ins Stangen- Schirm sind schattentolerante Baumarten wie die holz und ins Baumholz I fortpflanzt. Weil an der Schweiz Z Forstwes 162 (2011) 10: 355–363 connaissances 361
Rigi-Nordlehne viele Bestände vorratsreich und dun- Literatur kel sind, können sich in kleinen Lücken aufgrund der Lichtverfügbarkeit nur die Tanne und die Buche BRanG P, scHönenBeRGeR W, BacHoFen H, ZinGG a, WeHRLi entwickeln. In der gegenwärtigen Version von Rig- a (2004) Schutzwalddynamik unter Störungen und Eingrif- for wird jedoch die Lichtverfügbarkeit nicht berück- fen: auf dem Weg zu einer systemischen Sicht. In: Eid- genöss Forsch.anstalt Wald Schnee Landsch, editor. sichtigt, weshalb in diesen Lücken oft Fichtenver- Schutzwald und Naturgefahren. Birmensdorf: Eidgenöss jüngung simuliert wurde, obwohl für die Fichte zu Forsch.anstalt Wald Schnee Landsch, Forum für Wissen. wenig Licht vorhanden ist. Dadurch wird unter Sze- pp. 55–66. nario «aktueller Verbiss» v1 die Entwicklungsge- BUGMann H (1999) Anthropogene Klimaveränderung, Suk- schwindigkeit von Lücke zu Jungwald überschätzt. zessionsprozesse und forstwirtschaftliche Optionen. Beim Übergang von Jungwald ins Stangenholz fin- Schweiz Z Forstwes 150: 275–287. doi: 10.3188/ det in Rigfor eine Reduktion auf nur eine Baumart szf.1999.0275 je Zelle (Formeln 1 und 2) statt, wobei eine domi- DaVis FW, MoRiTZ M (2001) Mechanisms of disturbance. In: nierende Baumart bestimmt wird. Raschwüchsige Simon AL, editor. Encyclopedia of biodiversity. New York: Elsevier. pp. 153–160. Baumarten erreichen tendenziell eine zu hohe Do- eiBeRLe K, BUcHeR H (1989) Interdependenzen zwischen dem minanz. Folglich wird die Konkurrenzkraft und Ent- Verbiss verschiedener Baumarten in einem Plenterwald- wicklungsfähigkeit der Fichte in den Simulationen gebiet. Z Jagdwissen 35: 235–244. überschätzt. Weil sich die Fichte unter Berücksich- FReHneR M, scHWiTTeR R (2008) Waldgutachten Rigi-Nord- tigung der Lichtverfügbarkeit weniger stark entwi- lehne 2008. Erfolgskontrolle und Aktualisierung des Wald- ckeln kann, als simuliert wurde, ist zu erwarten, dass gutachtens Rigi-Nordlehne 1998. Immensee: Pro Silva Rigi kleine Lücken im Tannen-Buchen-Wald nicht ein- Nord. 28 p. wachsen können. Die tatsächliche Beeinträchtigung FReHneR M, WasseR B, scHWiTTeR R (2005) Nachhaltigkeit der Schutzwirkung im Tannen-Buchen-Wald fällt so- und Erfolgskontrolle im Schutzwald. Wegleitung für Pfle- gemassnahmen in Wäldern mit Schutzfunktion. Bern: Bun- mit stärker aus, als dies in den Simulationen wieder- desamt Umwelt Wald Landschaft. 564 p. gegeben wird. GasseR n, FReHneR M, ZinGGeLeR J, oLscHeWsKi R (2011) Öko- Bisher wurde noch nicht untersucht, welcher nomische Konsequenzen der Verbissprobleme an der Rigi- finanzielle Schaden auftritt, wenn die Schutzwir- Nordlehne. Schweiz Z Forstwes 162: 364–371. doi: 10.3188/ kung durch den Wald nicht mehr gewährleistet wer- szf.2011.0364 den kann. Die Resultate aus der Modellierung mit HeUZe P, scHniTZLeR a, KLein F (2005a) Consequences of in- Rigfor wurden deshalb verwendet, um den Einfluss creased deer browsing in winter on silver fir and spruce des Wildverbisses auf den Schutzwald an der Rigi- regeneration in the Southern Vosges mountains: Implica- Nordlehne ökonomisch zu bewerten (Gasser et al tions for forest management. Ann For Sci 62: 175–181. HeUZe P, scHniTZLeR a, KLein F (2005B) Is browsing the ma- 2011, dieses Heft). jor factor of silver fir decline in the Vosges Mountains of France? For Ecol Manage 217: 219–228. HUG M (2007) Betriebsplan für das Gebiet Rigi und Rossberg schlussfolgerungen der Schweizerischen Bundesbahn AG (SBB) und des Kan- tonsforstamtes Schwyz – Gültigkeitsperiode: 2005 bis Mit dem Modell Rigfor wurde am Beispiel der 2024. Wohlen bei Bern. Rigi-Nordlehne die zukünftige Waldentwicklung KooP H, HiLGen P (1987) Forest dynamics and regeneration unter den zwei Szenarien «aktueller Verbiss» und mosaic shifts in unexploited beech (Fagus sylvatica) stands «reduzierter Verbiss» verglichen. Es zeigte sich, dass at Fontainebleau (France). For Ecol Manage 20: 135–150. bei anhaltendem Wildverbiss die Tanne bis 2082 im KoRPeL s (1995) Die Urwälder der Westkarpaten. Stuttgart: Gustav Fischer. 310 p. Baumholz und im Stangenholz stark reduziert wird. KUPFeRscHMiD a, BUGMann H (2007) Ungulate browsing in Eine Reduktion der Baumartenvielfalt führt in der winter reduces the growth of Fraxinus and Acer saplings Regel auch dazu, dass die Resistenz und die Resili- in subsequent unbrowsed years. Plant Ecol 198: 121–134. enz des Bestandes gegenüber Störungsereignissen ab- MayeR P eT aL (2005) Forest storm damage is more frequent nehmen (Mayer et al 2005, Wohlgemuth et al 2008). on acidic soils. Ann For Sci 62: 303–311. Daher sollte der Wildverbiss so rasch wie möglich so noRTH n eT aL (2007) Klimaänderung in der Schweiz. Indi- stark reduziert werden, dass die Verjüngung auf- katoren zu Ursachen, Auswirkungen, Massnahmen. Bern: wachsen kann (Brang et al 2008, Frehner & Schwit- Bundesamt Umwelt, Umwelt-Zustand. 77 p. ter 2008, Eiberle & Bucher 1989). Falls bis in circa oLiVeR cD, LaRson Bc (1996) Forest stand dynamics. New York: Wiley. 520 p. zehn Jahren die Verjüngung nicht gewährleistet wer- PonTaiLLeR Jy, FaiLLe a, LeMée G (1997) Storms drive succes- den kann, muss damit gerechnet werden, dass der sional dynamics in natural forests: a case study in Fontaine- Wald an der Rigi-Nordlehne seine Schutzfunktionen bleau forest (France). For Ecol Manage 98: 1–15. langfristig nicht mehr erfüllen kann, da bereits RüeGG D, scHWiTTeR R (2002) Untersuchungen über die Ent- heute eine Verjüngungslücke von mindestens 20 Jah- wicklung der Verjüngung und des Verbisses im Vivian- ren besteht. n Sturmgebiet Pfäfers. Schweiz Z Forstwes 153: 130–139. Eingereicht: 15. August 2010, akzeptiert (mit Review): 12. November 2010 doi: 10.3188/szf.2002.0130 362 Wissen Schweiz Z Forstwes 162 (2011) 10: 355–363
scHüTZ JP (2002) Die Technik der Waldverjüngung von Wäl- sTaDeLMann G (2008) Modellierung der Waldentwicklung dern mit Ablösung der Generationen. Zürich: ETH Zürich, an der Rigi-Nordlehne zur Analyse der Schutzwirkung Professur Waldbau, Skripten. 144 p. von Wald gegen Murgang. Zürich: ETH Zürich, Professur senn J (2000) Huftiere und Verjüngung im Gebirgswald: eine Waldökologie, Masterarbeiten. 79 p. doi: 10.3929/ethz- Geschichte mit vielen Variablen und noch mehr Interak- a-005968602 tionen. Schweiz Z Forstwes 151: 99–106. doi: 10.3188/ WoHLGeMUTH, T (2008) Effekte des Klimawandels auf szf.2000.0099 Windwurf, Waldbrand und Walddynamik im Schweizer Wald. Schweiz Z Forstwes 159: 336–343. doi: 10.3188/ szf.2008.0336 Modellierung des einflusses von Wildver- Modélisation de l’influence de l’abroutisse- biss auf die schutzwaldentwicklung an der ment sur le développement de la forêt de Rigi-nordlehne protection du versant nord du Rigi Die Wälder an der Rigi-Nordlehne schützen vor Stein- und Les forêts du versant nord du Rigi offrent une protection Blockschlag, Erosion, Rutschungen, Hochwasser und Mur- contre les chutes de pierres, l’érosion, les glissements de ter- gang. Durch die Bewirtschaftung will man erreichen, dass die rain, les inondations et les laves torrentielles. Au travers de Wälder ihre Schutzfunktionen langfristig erfüllen können, in- l’exploitation de ces forêts, dont l’objectif est de créer un peu- dem ein mehrschichtiger Bestandesaufbau mit hoher Stö- plement étagé résistant aux perturbations et résiliant, on sou- rungsresistenz und Resilienz gefördert wird. Zudem wird eine haite pérenniser la fonction protectrice de ces forêts. Pour ce Baumartenmischung gemäss der Wegleitung «Nachhaltigkeit faire, une composition en essences conforme aux directives und Erfolgskontrolle im Schutzwald» angestrebt. In der Ver- de la «Gestion durable des forêts de protection» est visée. jüngung kann heute keine zielgerechte Baumartenmischung Dans le rajeunissement aujourd’hui, un mélange d’essences erreicht werden, da Wildverbiss im Tannen-Buchen-Wald die conforme aux exigences ne peut être réalisé en raison de la Verjüngung behindert. pression du gibier qui entrave le rajeunissement dans les hê- Um die zukünftige Baumartenmischung voraussagen zu kön- traies à sapin. nen, wurden mit dem räumlich expliziten Waldentwicklungs- Afin de prédire la future composition en essences, deux scé- modell Rigfor zwei Szenarien simuliert und miteinander ver- narios ont été développés et comparés à l’aide du modèle de glichen. Im Szenario «aktueller Wildverbiss» kann die Tanne croissance forestière Rigfor, basé sur des données de terrain nicht aufwachsen, und der Aufwuchs von Bergahorn sowie explicites. Dans le scénario «pression du gibier actuelle», le Buche ist erschwert. Im Szenario «reduzierter Wildverbiss» ist développement du sapin blanc est empêché et celui de hingegen eine zielgerechte Baumartenmischung in der Ver- l’érable sycomore et du hêtre limité. Avec le scénario «pres- jüngung möglich. Die Simulation zeigt, dass die Buchenan- sion du gibier réduite», un mélange d’essences conforme à la teile im Baumholz unabhängig von der Szenarienwahl abneh- station est par contre possible. La simulation démontre que men, während bei der Tanne im Baumholz II und III vorerst la proportion de hêtre au niveau de la futaie va diminuer dans keine Änderungen erkennbar sind. Bei anhaltendem Wildver- tous les scénarios, alors qu’à court terme, dans la futaie biss werden jedoch ab 2082 praktisch keine Tannen mehr im moyenne et la vieille futaie, aucun changement n’est attendu Stangenholz und im Baumholz I vorhanden sein, was lang- pour le sapin. Avec une pression du gibier au niveau actuel, fristig dazu führen kann, dass die Tanne vollständig verdrängt par contre, il n’y aura quasiment plus de sapin dans le per- wird. chis et la jeune futaie à l’horizon 2082, ce qui amènera à long Unter einem dunklen Altholzschirm lassen sich die Tanne und terme à la disparition de cette essence. die Buche verjüngen, wenn der Wildverbiss auf ein erträgli- Le sapin et le hêtre peuvent être rajeunis sous couvert, si la ches Mass reduziert wird. Die Fichte hingegen benötigt bes- pression du gibier est réduite à un niveau supportable. L’épi- sere Lichtverhältnisse, die an der Rigi-Nordlehne oft nicht vor- céa, lui, nécessite plus de lumière; une condition difficile à handen sind. Um die Schutzwirkung des Waldes an der remplir sur le versant nord du Rigi. Pour rajeunir la forêt et Rigi-Nordlehne erhalten zu können, müssen die Altholzbe- maintenir sa fonction protectrice, les vieilles futaies doivent stände zielgerecht verjüngt werden. Eine zielgerechte Baum- pouvoir être rajeunies selon l’objectif sylvicole. Une compo- artenmischung in der Verjüngung ist jedoch nur möglich, sition en essences conforme aux exigences au niveau du ra- wenn der Wilddruck reduziert werden kann. jeunissement n’est possible que si la pression du gibier est ré- duite. Schweiz Z Forstwes 162 (2011) 10: 355–363 connaissances 363
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