Für eine starke Stahl industrie in Deutschland und Europa! - Handlungskonzept Stahl - BMWi

 
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Für eine starke Stahl industrie in Deutschland und Europa! - Handlungskonzept Stahl - BMWi
Für eine starke Stahl­industrie
in Deutschland und Europa!
Handlungskonzept Stahl

                          bmwi.de
Impressum

Herausgeber
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)
Öffentlichkeitsarbeit
11019 Berlin
www.bmwi.de

Stand
Juli 2020

Gestaltung
PRpetuum GmbH, 80801 München

Bildnachweis
Adobe Stock / Bildwerk (Titel)

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Inhaltsverzeichnis

Kernaussagen......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................   2

Handlungskonzept Stahl                                                ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................   8

   Chancengleichheit auf dem globalen Stahlmarkt schaffen                                                                                                                                                                                                                     . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     11

   Carbon Leakage vermeiden                                                                              . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    13

   Transformation gemeinsam voranbringen                                                                                                                                              . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     15
2

Kernaussagen

Eine langfristig starke, international wettbewerbsfä-   fähigkeit stellen, die mit dem langfristigen Ziel der
hige und klimaneutrale Stahlindustrie am Standort       Treibhausgasneutralität in Deutschland und Europa
Deutschland ist für die Zukunft unseres Landes von      kompatibel ist. Eine wichtige Zielsetzung ist es, dass die
herausragender Bedeutung.                               klima- und energiepolitischen Rahmenbedingungen
                                                        die Transfor­mation des Industriesektors unterstützen,
Seit 2010 ist die Stahlproduktion in Deutschland um     insbesondere durch international wettbewerbsfähige
rund 10 Prozent (um ca. 4 Mio. Tonnen von 43,8 Mio.     Preise für Strom, Gas und Wasserstoff. Dabei ist aus
Tonnen) auf 39,7 Mio. Tonnen gesunken.1 Die Zahl der    Sicht der Bundesregierung nur Wasserstoff, der auf
Beschäftigten ist um rund 4.000 auf 86.000 zurückge-    Basis erneuerbarer Energien hergestellt wurde („grüner“
gangen.2 Entsprechende Anpassungsmaßnahmen              Wasserstoff), auf Dauer nachhaltig.
waren die Folge, weitere Maßnahmen sind geplant
oder in Vorbereitung. Eine Fortsetzung und Beschleu-    Die für einen effektiven Klimaschutz notwendige
nigung dieser Entwicklung könnte über kurz oder         Umsetzung von Maßnahmen des Green Deal der EU
lang zur Gefährdung dieses wichtigen Industriesek-      sowie die Umsetzung der Klimabeschlüsse der Bun-
tors führen.                                            desregierung sind ein wichtiger und notwendiger
                                                        Schritt in eine treibhausgasneutrale Wirtschaft. Sie
Die Corona-bedingte Rezessionsentwicklung verschärft    sollen zu einer Verbesserung der Wettbewerbssitua-
diese Problematik noch. Die Branche hat die Produk-     tion der deutschen und europäischen Industrie und
tion bereits zurückgefahren und macht umfänglich        einer zukunftsfähigen Stahlindustrie beitragen. Sie
von der Möglichkeit der Kurzarbeit Gebrauch, um         müssen als Impulse für eine Neuorientierung und
Entlassungen zu vermeiden. Eine Wiederaufnahme          Transformation der Branche ausgestaltet werden. Es
der ursprünglichen Produktion ist stark konjunktur-     gilt, durch Forschung, Entwicklung und innovations-
abhängig und scheint mittelfristig wenig wahrschein-    freundliche Rahmen- und Investitionsbedingungen
lich. Zu befürchten ist vielmehr, dass die globale      die zukunftssichere Ausrichtung der Stahlindustrie
Stahlnachfrage noch stärker einbrechen wird als wäh-    auf klimafreundliche Produktionsprozesse zu unter-
rend der Finanzkrise 2009. Die Strukturprobleme in      stützen.
der globalen Stahlindustrie drohen sich zudem weiter
zu verschärfen, da wichtige Stahl produzierende Län-    Die Klimaschutzpolitik soll als Wachstums- und Inno­
der die Erzeugung trotz weltweitem Konjunkturein-       vationsmotor in Deutschland und Europa wirken. Die
bruch nicht an die veränderte Nachfragesituation        Bundesregierung unterstützt die Stahlindustrie bei
angepasst, sondern teilweise sogar ausgeweitet haben.   der zielgerichteten Umsetzung der Klimaschutzpoli-
Diese Entwicklungen wirken sich auch auf die Inves-     tik in den Unternehmen.
titionskraft der Unternehmen aus und schränken
Spielräume für dringend notwendige Zukunftsinves-       Das „Handlungskonzept Stahl“, das von der Bundesre-
titionen ein.                                           gierung gemeinsam mit der Stahlindustrie erarbeitet
                                                        wurde, knüpft an die „Industriestrategie 2030“ sowie
Die Europäische Union und die Bundesrepublik            den Klimaschutzplan 2050, das Klimaschutzprogramm
Deutschland sollten deshalb auf nationaler, euro­       2030 und den European Green Deal an. Es benennt
päischer und internationaler Ebene wirksame Maß-        Maßnahmen, die zur Erreichung der genannten Ziele
nahmen ergreifen und gemeinsam mit der Stahlin-         erforderlich sind. Einige der Vorschläge bezwecken
dustrie die Weichen für nachhaltige Wettbewerbs­        zudem eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit

1   WV Stahl, 2019.
2   WV Stahl.
KERNAUSSAGEN        3

und Förderung von Transformationsprojekten der              sprechenden Veröffentlichung von der EU-Kom-
energieintensiven Industrien insgesamt. Wir wollen          mission am 14. Februar 2020 im Amtsblatt einge-
zeigen, dass sich freier Welthandel, Klimaschutz und        leitet. Der Schutzmaßnahmenausschuss hat am
der Erhalt einer wettbewerbsfähigen energieinten­           12. Juni Anpassungen beschlossen, die zum 1. Juli
siven Industrie gegenseitig sinnvoll ergänzen können.       in Kraft treten werden. Die Bundesregierung setzt
                                                            sich dafür ein, dass die Wirkung dieser Maßnah-
Chancengleichheit auf dem globalen Stahlmarkt               men von der EU-Kommission beobachtet und bei
schaffen                                                    Bedarf weitere Anpassungen vorgenommen wer-
                                                            den. Zur Adressierung fortbestehender Marktver-
1. Deutschland wird sich innerhalb der EU und mit           zerrungen wird die Verlängerung von auslaufen-
   den ebenfalls betroffenen Drittstaaten für ein ent-      den Maßnahmen (Expiry Reviews) unterstützt,
   schlosseneres Vorgehen gegen marktverzerrende            soweit die tatsächlichen und rechtlichen Voraus-
   Maßnahmen wie WTO-widrige Subventionen und               setzungen vorliegen.
   WTO-widrige Dumpingpreise sowie gegen eine
   protektionistische Handelspolitik einsetzen, insbe-   Carbon Leakage vermeiden
   sondere mit dem Ziel, hierauf basierende globale
   Überkapazitäten abzubauen.                            Mit dem CO2-Emissionshandel verfügt die EU – im
                                                         Gegensatz zu vielen anderen Ländern – bereits heute
   Umsetzung: siehe Ziffer 2 und Ziffer 3.               über ein Instrument zur marktwirtschaftlichen Redu-
                                                         zierung von Treibhausgasemissionen. Bis auch hier
2. Hierzu unterstützt die Bundesregierung die Arbeit     ein Level Playing Field mit allen wichtigen Stahl pro-
   des Global Forum on Steel Excess Capacity             duzierenden Ländern weltweit erreicht ist, bedarf es
   (GFSEC), um die im G20-Prozess definierten Ziele      auch weiterhin wirksamer Maßnahmen, um die Ver-
   zu erreichen. Nur über die G20 kann weiterhin         lagerung von energieintensiven Industrien in Länder
   Einfluss auf die Staaten ausgeübt werden, die zu      mit geringerem Schutzniveau zu verhindern.
   den aktuellen Überkapazitäten auf dem Welt-
   markt im Wesentlichen beitragen.                      4. Die kostenfreie Zuteilung von Emissionszertifika-
                                                            ten im EU-Emissionshandelssystem (EU ETS)
   Umsetzung: Die Bundesregierung wird sich dafür           sollte als wirksames Instrument zum Schutz vor
   einsetzen, den weltweit größten Stahlproduzenten         Carbon-Leakage-Risiken in dem jeweils erforder­
   China an den Tisch des GFSEC zurückzubringen.            lichen Umfang fortgeführt werden. Zusammen
   Sollte das GFSEC sich auf absehbare Zeit als nicht       mit dem Instrument des Innovationsfonds im EU-
   handlungsfähig erweisen, müssen Länder und               Emissionshandel soll die kostenlose Zuteilung so
   Regionen, die unter der Überproduktion beson-            ausgestaltet werden, dass sie Anreize für technolo-
   ders leiden, sich alternativ auf ein gemeinsames         gische Innovationen setzt und zugleich die lang-
   Vorgehen ohne China verständigen.                        fristige Transformation unterstützt.

3. Zudem setzt sich die Bundesregierung dafür ein,          Umsetzung: Die Bundesregierung wird sich bei
   den EU-Handelsschutz konsequent anzuwenden               einem möglichen Reviewprozess der EU ETS-
   und bei Bedarf zu verbessern.                            Richtlinie 2021 für eine entsprechende Fortfüh-
                                                            rung der kostenlosen Zuteilung einsetzen.
   Umsetzung: Die bestehenden EU-Schutzmaßnah-
   men für Stahl wurden auf Vorschlag u. a. von          5. Neben der kostenlosen Zuteilung als Kompensa-
   Deutschland und Frankreich und nach einer ent-           tion für die direkten CO2-Kosten ist auch die
4      K E R N AU S S A G E N

    Möglichkeit einer angemessenen Kompensation                    nur erfolgen, wenn mittel- bis langfristig Planbarkeit
    der CO2-bedingten Strompreissteigerungen für                   und entsprechend verlässliche Rahmenbedingungen
    Industrieanlagen wichtig.                                      für alle Beteiligten geschaffen werden. Das Klima-
                                                                   schutzprogramm 2030 hat einen ersten Schritt in
    Umsetzung: Die Bundesregierung wird sich gegen-                Richtung dieser Planbarkeit geschaffen. Für den Erfolg
    über der Europäischen Kommission beim Review                   der Transformation ist es jedoch auch erforderlich,
    der ETS-Beihilfeleitlinien für 2021–2030 auch wei-             dass die deutschen Stahlunternehmen sich schon
    terhin entsprechend einbringen.                                heute zu einem zügigen und konsequenten klima-
                                                                   neutralen Umbau der Produktion im Rahmen ihrer
6. Es muss geprüft werden, ob ein Grenzausgleich                   Möglichkeiten mit Blick auf ihre internationale Wett-
   oder alternative Ansätze rechtlich belastbar ausge-             bewerbsfähigkeit bekennen und die dafür notwendi-
   staltet werden können, um einen gleichwertigen                  gen Investitionen vorbereiten. Dabei sollte auch eine
   Carbon-Leakage-Schutz zu gewährleisten. Ange-                   zukunftsorientierte Qualifizierung der Beschäftigten
   sichts der noch offenen Fragen, unter anderem zur               in den Blick genommen werden. Die Bundesregie-
   Vereinbarkeit mit WTO-Recht, kann heute noch                    rung wird ein umfassendes Transformationskonzept
   nicht abgesehen werden, ob ein solcher Grenzaus-                erarbeiten und umsetzen.
   gleich das bestehende Carbon-Leakage-Schutz-
   System langfristig ersetzen kann und welche Ein-                7. Wir wollen Leitmärkte für CO2-arme Technologien
   führungs- und Übergangsphasen für ein solches                      schaffen, indem Anreize und erforderlichenfalls
   System gegebenenfalls erforderlich sein werden.                    Regeln für die Stahlverarbeiter gesetzt werden,
                                                                      CO2-arm (und bis 2050 auf jeden Fall CO2-neu­­tral,
    Umsetzung: Die Europäische Kommission wird                        vorzugsweise CO2-frei) produzierten Stahl einzu-
    2021 einen Vorschlag vorlegen; derzeit läuft die                  setzen und Potenziale der Kreislaufwirtschaft aus-
    Folgenabschätzung (Impact Assessment) der Euro-                   zuschöpfen.
    päischen Kommission; die Bundesregierung
    unterstützt diesen Prozess.                                        Umsetzung: Die Bundesregierung setzt sich natio-
                                                                       nal und auf europäischer Ebene dafür ein, Lösun-
Transformation gemeinsam voranbringen                                  gen zu prüfen, wie Märkte für klimaneutrale und
                                                                       Kreislaufprodukte in energieintensiven Industrie-
Bereits heute wird Stahl in Deutschland und in der                     sektoren stimuliert werden können, beispielsweise
Europäischen Union CO2-ärmer und klimafreundli-                        durch Anreize für zusätzliche Nachfrageimpulse
cher produziert als in vielen anderen Ländern welt-                    für klimafreundlicheren Stahl (z. B. Berücksichti-
weit. Wir sind vor dem Hintergrund des Ziels von                       gung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Beschaf­
Treibhausgasneutralität im Jahr 2050 entschlossen,                     fung des Bundes), und ggf. reguliert werden können,
die weitere Transformation hin zu einer klimaneutra-                   beispielsweise durch eine Quote für CO2-armen
len und nachhaltigen Stahlproduktion klug und                          (und bis 2050 CO2-neutralen oder soweit möglich
besonnen zum Erfolg zu führen und dabei zum Tech-                      CO2-freien) Stahl in Endprodukten. Voraussetzung
nologieführer für innovative und klimafreundliche                      für solche Maßnahmen ist ein aussagekräftiges,
Produktionsprozesse zu werden. Hierzu sind in den                      ambitioniertes und nachvollziehbares Labeling der
kommenden beiden Jahrzehnten Investitionen in                          klimafreundlicheren bzw. nachhaltigeren Zwischen-
zweistelliger Milliardenhöhe erforderlich.3 Sie werden                 und Endprodukte.

3   Eigene Berechnung WV Stahl: Der Investitionsaufwand für eine vollständige Umstellung der Primärstahlroute auf CO2-arme Verfahren
    wurde anhand der Faustformel 1.000 Euro je Tonne neuer Kapazität Rohstahlproduktion multipliziert mit einer Primärstahlproduktion
    von ungefähr 30 Mio. Tonnen überschlägig abgeschätzt.
KERNAUSSAGEN         5

8. Die Umsetzung von „Carbon Contracts for Diffe-            Die Einführung moderater und schrittweise an­­
   rence“ ist ein weiterer Weg, um Anreize für Unter-        steigender Quoten für die Produktion und den
   nehmen zu schaffen, in grüne Technologien zu              Einsatz klimafreundlicher Grundstoffe in Ergän-
   investieren und diese zu betreiben. Eine staatliche       zung zu den „Carbon Contracts for Difference“
   Garantie eines CO2-Preises für Unternehmen, die           wird ebenfalls geprüft.
   in Klimaschutz investieren, würde den finanziellen
   Anreiz zur CO2-Einsparung erhöhen. Die Unsicher­       9. Wir unterstützen die Entwicklung eines Marktes
   heit rund um die Entwicklung des CO2-Preises              für Wasserstofftechnologien: Dabei ist aus Sicht
   nimmt dadurch ab und ermöglicht den Unterneh-             der Bundesregierung nur Wasserstoff, der auf Basis
   men eine bessere Planbarkeit ihrer Investitionen.         erneuerbarer Energien hergestellt wurde („grüner“
   Darüber hinaus kann sich die Wirtschaftlichkeit           Wasserstoff), auf Dauer nachhaltig. Daher ist es
   der Maßnahme verbessern. Die anteilige oder               Ziel der Bundesregierung, grünen Wasserstoff zu
   gänzliche Übernahme der Differenzkosten zwi-              nutzen, für diesen einen zügigen Markthochlauf
   schen dem aktuellen CO2-Preis und einem an den            zu unterstützen sowie entsprechende Wertschöp-
   Vermeidungskosten orientierten, vertraglich defi-         fungsketten zu etablieren. Die Bundesregierung
   nierten CO2-Preis würde den Unternehmen die               geht jedoch gleichzeitig davon aus, dass sich in
   notwendige Investitionssicherheit verschaffen, in         den nächsten zehn Jahren ein globaler und euro-
   Zukunftstechnologien in Übereinstimmung mit               päischer Wasserstoffmarkt herausbilden wird. Auf
   dem Ziel der Treibhausgasneutralität zu investie-         diesem Markt wird auch CO2-neutraler (z. B. „blauer“
   ren. Die Vergabe erfolgt auf der Basis von Einzel-        oder „türkiser“) Wasserstoff gehandelt werden.
   projekten und auf Nachfragebasis oder zur Ver-            Aufgrund der engen Einbindung von Deutschland
   meidung von Überförderung im Zuge einer                   in die europäische Energieversorgungsinfrastruk-
   Ausschreibung. Einer Überförderung wird auch              tur wird daher auch in Deutschland CO2-neutraler
   durch die Absicherung der tatsächlichen Diffe-            Wasserstoff eine Rolle spielen und, wenn verfüg-
   renzkosten vorgebeugt.                                    bar, auch übergangsweise genutzt werden.

   Umsetzung: Im Rahmen der Nationalen Wasser-               Umsetzung: Mit der am 10.6.2020 vom Kabinett
   stoffstrategie wurde ein Pilotverfahren für die           beschlossenen Nationalen Wasserstoffstrategie
   Erprobung von „Carbon Contracts for Difference“           legt die Bundesregierung einen wichtigen Grund-
   zur Umstellung auf klimafreundliche Industrie-            stein für den Markthochlauf von Wasserstofftech-
   verfahren z. B. in ausgewählten Sektoren (Stahl- und      nologien.
   Chemieindustrie) beschlossen. Im Rahmen des
   Innovationspakts Klimaschutz wird es als Instru-          Die Bundesregierung wird die Bedarfe der Stahl­
   ment für alle Grundstoffindustrien (im Laufe des          industrie an Wasserstoff frühzeitig detailliert erfas­
   Jahres 2020) geprüft werden. Die Umsetzung könnte         sen und aktiv kommunizieren, um Planungssicher­
   beispielsweise im Nationalen Dekarboni­sie­rungs­         heit für zukünftige Lieferanten, Verbraucher und
   programm, den Programmen zum Wasserstoffein­              Investoren zu schaffen. Da die Stahlindustrie –
   satz in der Industrieproduktion und zur CO2-Ver­          anders als z. B. der Verkehrs- oder Wohnbereich –
   meidung und -Nutzung in den Grundstoffindustrien          zwingend auf die Verfügbarkeit von Wasserstoff
   erfolgen. Eine enge Abstimmung mit der EU-Kom­            angewiesen ist, um sich dekarbonisieren zu kön-
   mission ist vorgesehen, mit Blick auf die von der         nen, wird geprüft, wie sichergestellt werden kann,
   Europäischen Kommission für 2021 geplante EU              dass der Wasserstoffbedarf der Stahlindustrie
   ETS-Reform sowie die geplante Überarbeitung des           gedeckt wird.
   Beihilferahmens für den European Green Deal.
6      K E R N AU S S A G E N

10. Wir wollen erreichen, dass der Einsatz von Koks-                        •   Das Programm „Reallabore der Energiewende“
    kohle zur Stahlerzeugung schrittweise auf Wasser-                           mit Mitteln in Höhe von 415 Mio. Euro im Zeit-
    stoff umgestellt werden kann (siehe hierzu auch                             raum von 2020 bis 2023.4
    Ziffer 9). Dies setzt voraus, dass neue Anlagen zur
    Stahlerzeugung von Anfang an so ausgelegt wer-                       Die Nationale Wasserstoffstrategie sieht die Prüfung
    den, dass neben Erdgas auch der Einsatz von Was-                     verschiedener Förderprogramme vor, darunter auch
    serstoff möglich ist. Dies gilt nicht nur für „First of              ein Ausschreibungsprogramm für die Produktion von
    it‘s kind“-Projekte, sondern für den Umstellungs-                    grünem Wasserstoff zur Verwendung in der Stahl-
    prozess insgesamt.                                                   und Chemieindustrie.

    Umsetzung: Die Bundesregierung hat bereits viel-                     Nach Einschätzung der Stahlindustrie sind für die
    fältige Förderprogramme auf den Weg gebracht,                        Transformation langfristig enorme finanzielle Auf-
    Studien und Projekte aufgelegt. Dazu gehören u. a.                   wendungen für Investitionen in Höhe von rund
    folgende, im derzeit geltenden Finanzplan vorge-                     30 Mrd. Euro bis 2050, davon 10 Mrd. Euro bis 2030,
    sehene Mittel:                                                       notwendig.5 Diesem von der Branche prognostizier-
    • Ein neuer Haushaltstitel „Wasserstoffeinsatz in                    ten Investitionsbedarf steht bisher ein Umsatz von
        der Industrieproduktion“ in Höhe von 15 Mio.                     jährlich ca. 32,8 Mrd. Euro (2019) gegenüber; Tendenz
        Euro in 2020 sowie Verpflichtungsermächti-                       aufgrund der aktuellen Lage sinkend (Umsatz 01/und
        gungen in Höhe von 430 Mio. Euro bis 2024, die                   02/2020 verglichen mit den beiden Monaten des Vor-
        im nächsten Haushalt ausfinanziert werden                        jahres minus 10 Prozent).6 Heute kann nicht abschlie-
        sollen.                                                          ßend beurteilt werden, ob die Stahlbranche einen
    • Das „Nationale Dekarbonisierungsprogramm“ in                       Investitionsbedarf von ca. 3 Prozent ihres jährlichen
        Höhe von rund 1 Mrd. Euro bis 2023.                              Umsatzes finanzieren kann. Klar ist aber, dass ange-
    • Das Programm zur „CO -Vermeidung in der                            messene Maßnahmen auf allen Ebenen diese Investi-
                                2
        Grundstoffindustrie“ in Höhe von 370 Mio. Euro                   tionen unterstützen können, sollte die Branche den
        bis 2023.                                                        Investitionsbedarf nicht alleine finanzieren können.
    • Das Forschungsprojekt Carbon2Chem zur                              Perspektivisch müssen die europäischen und interna-
        Erprobung der Option der Abscheidung und                         tionalen Marktbedingungen so weiterentwickelt wer-
        stofflichen Nutzung von CO2-Emissionen                           den, dass entsprechende Investitionen langfristig
        (CCU) auch in der Stahlindustrie mit Förder-                     marktfähig und ohne öffentliche Subventionen wirt-
        mitteln in Höhe von ca. 140 Mio. Euro                            schaftlich sind. Die Bundesregierung setzt sich dafür
        (1. Phase: 2016–2020; 2. Phase: 2020–2023).                      ein, das vorliegende Transformationskonzept für die
    • Die Forschungsinitiative „Vermeidung von kli­                      Stahlindustrie frühzeitig mit den notwendigen Wei-
        marelevanten Prozessemissionen in der Indust­                    chenstellungen zu begleiten. Dazu gehört auch die
        rie“ (KlimPro-Industrie) in Höhe von 80 Mio.                     Schaffung der erforderlichen Instrumente auf euro-
        Euro bis 2025.                                                   päischer Ebene. Diese Instrumente müssen rechtzeitig
                                                                         zur Verfügung stehen, sodass sie bei den anstehenden

4   Mit den Eckpunkten zum „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ sollen für „Reallabore der Energiewende“ in den vom Struktur-
    wandel betroffenen Gebieten von 2020 bis 2025 zusätzliche Mittel von 200 Mio. Euro bereitgestellt werden.

5	Eigene Berechnung WV Stahl: Der Investitionsaufwand für eine vollständige Umstellung der Primärstahlroute auf CO2-arme Verfahren
   wurde anhand der Faustformel 1.000 Euro je Tonne neuer Kapazität Rohstahlproduktion multipliziert mit einer Primärstahlproduktion
   von ungefähr 30 Mio. Tonnen überschlägig abgeschätzt.
6   Quelle: WV Stahl, Statistisches Bundesamt, FS 42 111-3, GP08-24.1.
KERNAUSSAGEN           7

Investitionsentscheidungen insbesondere zum Ersatz      ortes Deutschland sicherzustellen und einen signifi-
der Hochofentechnologie und der Umstellung auf          kanten Beitrag für eine klimaneutrale Wirtschaft zu
Direktreduktion mit – langfristig grünem – Wasser-      schaffen.
stoff zugrunde gelegt werden können. Wir werden
uns dafür einsetzen, dass die notwendigen beihilfe-     Als Teil der Forschungs- und Beratungsinfrastruktur
rechtlichen Voraussetzungen auf europäischer Ebene      des Bundes wurden beispielsweise das Kompetenzzen-
geschaffen werden. Das soll z. B. auch durch die Ver-   trum Klimaschutz in energieintensiven Industrien
knüpfung der Förderung mit IPCEI-Verfahren, ähn-        (KEI) in Cottbus im Zusammenwirken mit dem Um­­
lich der Halbleiter-und Batteriezellproduktion,         weltbundesamt (UBA) oder institutionell geförderte
geschehen.                                              außeruniversitäre Forschungseinrichtungen etwa der
                                                        Max-Planck- und der Fraunhofer-Gesellschaft als
Die Stahlindustrie ihrerseits wird bei Schaffung der    Ideen­­schmieden und als Ansprechpartner für die
genannten Voraussetzungen und der Umsetzung der         Zukunft der energieintensiven Industrien in Deutsch-
genannten Maßnahmen ihren Beitrag erbringen und         land und damit auch als Mittler zwischen Stahlindust-
ist zu hohen Investitionen in klimafreundliche Tech-    rie, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Bundesregie-
nologien bereit, um die Zukunftssicherung des Stand-    rung zur Unterstützung der Transformation geschaffen.
8

Handlungskonzept Stahl

    Stahlindustrie in Deutschland: Schlüssel­               lichen Chancen, die mit der Zukunftstechnologie der
    branche für die deutsche Volkswirtschaft                CO2-neutralen oder CO2-freien Stahlerzeugung und
    und für das Erreichen der Klimaziele                    den klimaneutralen Folgeprodukten einhergehen, zu
                                                            entwickeln und die Wertschöpfung in Deutschland zu
Die Stahlindustrie hat als Grundstoffindustrie eine         sichern und auszubauen.
Schlüsselrolle: Sie ist ein integraler Bestandteil euro-
päischer und internationaler Wertschöpfungsketten           Der Werkstoff Stahl kann durch innovative Einsatz-
und -netzwerke. Insbesondere das Verarbeitende              formen einen signifikanten Beitrag zum globalen Kli-
Gewerbe in Deutschland ist in hohem Maße stahlin-           maschutz leisten. Stahlinnovationen helfen, Energie
tensiv.                                                     und Emissionen in nachgelagerten Stufen der Wert-
                                                            schöpfungskette einzusparen, indem sie z. B. Fahr-
Eine Dekarbonisierung der industriellen Wertschöp-          zeuge leichter machen, den Grundstoff für klima-
fungsketten kann nur gelingen, wenn der Basiswerk-          freundliche Anlagen stellen oder den Wirkungsgrad
stoff Stahl mit CO2-freien oder wenigstens CO2-neu­         von Kraftwerken erhöhen. Stahl ist uneingeschränkt
tralen Verfahren hergestellt wird. Trotz intensiver         und zu 100 Prozent wiederverwertbar und langlebig.
Bemühungen der Branche zur Verbesserung der Kli-            Er eignet sich damit besonders für die Wiederverwen-
mabilanz zählt die deutsche Stahlbranche zu den             dung bzw. Refabrikation von Produkten. Dies macht
größten CO2-Emittenten. 2018 beliefen sich die CO2-         Stahl zu einem Schlüsselwerkstoff für die Kreislauf-
Emissionen der deutschen Stahlindustrie auf 58,4 Mio.       wirtschaft.
Tonnen; dies entspricht einem Anteil von ca. 30 Pro-
zent an den Emissionen der gesamten Industrie. Dies          Stahlindustrie aktuell vor außerordent­
zeigt die herausragende Rolle und Verantwortung,             lichen Herausforderungen
die der Stahlindustrie bei der Dekarbonisierung
zukommt. Die Bundesregierung will die Stahlindust-          Die Stahlindustrie bekennt sich ausdrücklich zu den
rie bei der Transformation unterstützen und hat sich        Klimaschutzzielen von Paris und zum EU-Klimaziel,
zum Ziel gesetzt, sie bei der Dekarbonisierung durch        bis 2050 klimaneutral zu werden. Hierzu ist eine
Förderprogramme und zielführende Rahmenbedin-               Umstellung der Produktion auf CO2-neutrale oder
gungen zu begleiten.                                        vorzugsweise CO2-freie Verfahren notwendig. Die
                                                            Transformation geht mit einem erheblichen Investi­
Auch für den globalen Klimaschutz ist eine klima-           tionsbedarf und deutlich steigenden Herstellungs­
freundliche Stahlerzeugung zentral: Stahl zählt zu          kosten einher. Um diese Herausforderung zu meis-
den weltweit am meisten verwendeten Werkstoffen.            tern, bedarf es einer angemessenen politischen
Gerade die aufstrebenden Entwicklungs- und Schwel-          Unterstützung. Diese muss zeitnah erfolgen, da die
lenländer sind auf Stahl angewiesen. Deutschland            Inves­ti­tionszyklen der Stahlindustrie sehr lang sind
und Europa müssen eine Pilotfunktion einnehmen              und einige Anlagen aktuell am Beginn eines neuen
und beweisen, dass die Dekarbonisierung der Stahler-        Investitionszyklus stehen.
zeugung technisch, wirtschaftlich und nachhaltig
möglich ist – und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit         Die Stahlbranche ist aufgrund eines scharfen interna-
der Branche gesichert und gesteigert wird. Eine             tionalen Wettbewerbs in besonderem Maße der
Abwanderung der Stahlindustrie in Länder mit weni-          Gefahr von Carbon Leakage ausgesetzt. Globale Über-
ger ambitionierten Klimavorgaben (Carbon Leakage)           kapazitäten, die teilweise durch staatliche Subventio-
darf gerade mit Blick auf den weltweiten Klimaschutz        nen entstehen, verzerren den Weltstahlmarkt und die
keine Alternative sein. Zugleich gilt es, die wirtschaft-   Stahlhandelsströme.7 Die WTO-widrigen US-ameri-

7    Vgl. u. a. OECD, Steel Market Developments.
HANDLUNGSKONZEPT STAHL               9

kanischen Importzölle auf Stahl tragen zu zusätzli-                Rohstahlerzeugung in Deutschland auf 39,7 Mio. Ton-
chen Verwerfungen auf dem Stahlmarkt bei und sor-                  nen (WV Stahl) gesunken9. Ein so niedriges Produk­
gen dafür, dass erhebliche Mengen in den EU-Markt                  tionsniveau wurde – abgesehen von der Finanzkrise
umgelenkt werden. Die Situation für die europäische                2009 – nur in den Jahren der Stahlkrise 1992 und 1996
Stahlindustrie wird zusätzlich erschwert, da Stahl­                erreicht. Aufgrund der Corona-Krise ist mit einem
produzenten in Drittländern keine vergleichbaren                   weiteren Einbruch der Produktion zu rechnen. Es
Klima-, Umwelt- und Sozialstandards erfüllen müs-                  steht zu befürchten, dass die globale Stahlnachfrage
sen.8 Auch aufgrund des Europäischen Emissions-                    stärker einbricht als während der Finanzkrise 2009
handels und der im internationalen Vergleich relativ               und sich die Strukturprobleme in der globalen Stahl-
hohen Energie- und Strompreise unternimmt die                      industrie weiter verschärfen.
deutsche Stahlindustrie bereits große Anstrengungen,
ihren Energiebedarf zu senken und damit Kosten zu                   Beitrag der Stahlindustrie zu den
reduzieren. Durch vielfältige Entlastungs- und Umla-                Klimazielen 2030
geinstrumente werden die Energie- und Strompreise
im Rahmen des beihilferechtlich Zulässigen und mit                 Um die nationalen und europäischen Klimaziele zu
vertretbarem Aufwand verbundenen Gegenleistun-                     erreichen, kommt der Reduzierung der prozessbe-
gen, wie dem Vorliegen eines zertifizierten Energie-               dingten Emissionen und damit der Transformation
oder Umweltmanagementsystems, wettbewerbsfähig                     der Stahlerzeugung eine Schlüsselrolle zu. Es sind
gehalten.                                                          weitere Fortschritte bei der CO2-Vermeidung und ein
                                                                   grundlegender klimafreundlicher Umbau der Pro-
Steigende Importe von Stahl aus Drittländern, der mit              duktionsstruktur dringend erforderlich. Angesichts
marktverzerrender staatlicher Unterstützung herge-                 der Lebensdauer von Anlagen in der Stahlindustrie
stellt wurde, und eine wettbewerbsbedingte Verlage-                und den anstehenden Investitionen, gilt es dabei,
rung von deutschen Produktionskapazitäten ins Aus-                 Investitionssicherheit für Zukunftstechnologien mög-
land würden einen gravierenden Einschnitt für den                  lichst frühzeitig zu schaffen.
Industrie- und Innovationsstandort Deutschland dar-
stellen. Dieser würde aufgrund der Netzwerkeffekte                 Die Stahlindustrie in Deutschland arbeitet an der Ein-
weit über die besonders betroffenen Bundesländer                   führung CO2-armer, CO2-neutraler und CO2-freier
der Stahlerzeugung Brandenburg, Bremen, Hamburg,                   Verfahren, in denen etwa Eisenerz mit Wasserstoff
Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und                   statt mit Kohlenstoff reduziert wird (CDA – Carbon
Sachsen hinausreichen. Zugleich wäre dies unter kli-               Direct Avoidance), zum Teil aber auch an der weiteren
mapolitischen Gesichtspunkten kontraproduktiv, da                  Nutzung des CO2 im industriellen Wertschöpfungs-
die innovative deutsche Stahlindustrie gute Voraus-                verbund (CCU – Carbon Capture Usage). CDA bietet
setzungen für die Entwicklung von Technologien für                 für die Stahlindustrie in Europa und den Klimaschutz
eine perspektivisch CO2-neutrale bzw. vorzugsweise                 ein großes Potenzial. Auch die CO2-Abscheidung und
CO2-freie Stahlproduktion hat.                                     -Speicherung (Carbon Capture and Storage – CCS)
                                                                   kann für nicht anders zu vermeidende Prozessemissi-
Die Bewältigung der Transformation erfolgt damit vor               onen der Industrie eine mögliche Option sein. Alle
dem Hintergrund eines außerordentlich schwierigen                  drei genannten Verfahren, CDA, CCU und CCS, sind
wirtschaftlichen Umfelds: Im vergangenen Jahr ist die              noch mit Herausforderungen, insbesondere bezüglich

8   Vgl. u. a. OECD, G20.
9   Vgl. Pressemitteilung der WV Stahl vom 28.01.2020, https://www.stahl-online.de/index.php/medieninformation/rohstahlproduk-
    tion-in-deutschland-jahresbilanz-2019/2020.
10     HANDLUNGSKONZEPT STAHL

der Kosten und der gesellschaftlichen Akzeptanz (CCS),              Sektoren genutzt werden kann. An Stahlstandorten
verbunden. Mit der schrottbasierten Elektrostahlpro-                ergeben sich zusätzliche Synergien, da im Bereich der
duktion steht darüber hinaus bereits heute für rund                 Stahlverarbeitung auch heute schon Wasserstoff ein-
30 Prozent des erzeugten Rohstahls ein treibhausgas-                gesetzt wird (als reduzierendes Schutzgas) und der bei
ärmeres Verfahren zur Verfügung. Dessen Anteil ist                  der Elektrolyse entstehende Sauerstoff teilweise in
ausbaufähig, jedoch durch die limitierte Verfügbarkeit              den Elektrolichtbogenöfen genutzt werden kann.
an Stahlschrott grundsätzlich begrenzt und aufgrund
der variierenden Gehalte an Legierungsmetallen für                    Politische Rahmenbedingungen und
bestimmte höherwertige Stahlgüter nur bedingt                         Notwendig­keit eines politischen Gesamt­
geeignet.                                                             konzepts

Erhebliche CO2-Reduktionen der Branche können aller                 In dem aktuellen politischen und wirtschaftlichen
Voraussicht nach bereits bis 2030 erzielt werden. Vor-              Umfeld ist die Stahlindustrie wie auch andere ener-
aussetzung ist jedoch, dass die erforderlichen politi-              gieintensive Branchen auf politische Rahmenbedin-
schen Rahmenbedingungen, wie etwa Möglichkeiten                     gungen angewiesen, um Carbon Leakage zu verhin-
zur Förderung der Umstellung auf treibhausgasarme                   dern und die Transformation zu ermöglichen.
Produktionsverfahren, vorliegen und die Stahlindust-
rie schon heute entsprechende Investitionen vorberei-               Die Instrumente müssen ineinandergreifen und in
tet. Die Stahlindustrie kann den Aufbau eines Marktes               ein politisches Gesamtkonzept überführt werden, das
für Wasserstoff unterstützen.                                       verschiedene Herausforderungen adressiert und die
                                                                    internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche
Dabei ist aus Sicht der Bundesregierung nur Wasser-                 über den gesamten Transformationszeitraum gewähr-
stoff, der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt              leistet. Ein solches Handlungskonzept muss Themen
wurde, auf Dauer nachhaltig. Daher ist es Ziel der Bun­             wie die Schaffung von Anreizen auf der Nachfrage-
desregierung, grünen Wasserstoff zu wettbewerbsfähi­                seite für klimaneutrale, aber teurere Produkte, inno-
gen Kosten zu nutzen, für diesen einen zügigen Markt­               vationsfreundliche Rahmenbedingungen, Investi­
hochlauf zu unterstützen sowie entsprechende Wert-                  tionsförderung und Betriebskostenförderung sowie
schöpfungsketten zu etablieren.10                                   die Bereitstellung der notwendigen energiewirt-
                                                                    schaftlichen Infrastruktur umfassen. Auch die effi­
Die Nationale Wasserstoffstrategie stellt hierfür eine              zientere Nutzung der Eigenschaften von Stahl in der
wichtige Grundlage dar.                                             Kreislaufwirtschaft ist in ein solches Gesamtkonzept
                                                                    mit einzubeziehen. Gleichzeitig muss es aber auch
Große Standorte der Stahlindustrie und anderer ener-                berücksichtigen, wie Carbon Leakage verhindert und
gieintensiver Industrien können früh eine große, ver-               ein internationales Level Playing Field hergestellt
lässliche und planbare Abnahme für grünen Wasser-                   werden kann und wie die Arbeitsplätze in der Stahlin-
stoff gewährleisten und so einen wichtigen Beitrag                  dustrie zukunftssicher ausgestaltet werden können.
zum Markthochlauf von Wasserstoff in Deutschland
leisten. Dies ist eine Basis für den Aufbau der erfor-
derlichen Infrastruktur, die dann auch in anderen

10 Die Bundesregierung geht jedoch gleichzeitig davon aus, dass sich in den nächsten zehn Jahren ein globaler und europäischer Was-
   serstoffmarkt herausbilden wird. Auf diesem Markt wird auch CO2-neutraler (z. B. „blauer“ oder „türkiser“) Wasserstoff gehandelt
   werden. Aufgrund der engen Einbindung von Deutschland in die europäische Energieversorgungsinfrastruktur wird daher auch in
   Deutschland CO2-neutraler Wasserstoff eine Rolle spielen und, wenn verfügbar, auch übergangsweise genutzt werden.
HANDLUNGSKONZEPT STAHL      11

Chancengleichheit auf dem                                    Arbeit des Globalen Forums fortsetzen
globalen Stahlmarkt schaffen
                                                            Die globalen Überkapazitäten belaufen sich nach wie
                                                            vor auf das Zehnfache der deutschen Jahres-Rohstahl­
 Chancengleichheit auf den internationalen                  produktion. Aus Sicht der Bundesregierung und der
 Märkten schaffen                                           Stahlindustrie in Deutschland kann dieses Problem
                                                            nur multilateral im Rahmen der G20 adressiert werden.
Das außenwirtschaftliche Umfeld der Stahlindustrie          Hoffnungen liegen daher weiterhin auf dem 2016 unter
hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verän-        deutscher G20-Präsidentschaft gegründeten Global
dert. Vor allem in China, aber auch in vielen anderen       Forum on Steel Excess Capacity. Im Fokus dieser mul-
Schwellenländern wurden in erheblichem Umfang               tilateralen Zusammenarbeit steht das Ziel, marktver-
Kapazitäten aufgebaut, die nicht der Nachfrageent-          zerrende Subventionen und andere WTO-widrige For-
wicklung entsprechen und damit im Widerspruch zu            men staatlicher Unterstützung in den verschiedenen
grundlegenden marktwirtschaftlichen Prinzipien ste-         Ländern abzubauen und marktwirtschaftliche Anpas-
hen. Die weltweiten Überkapazitäten belaufen sich           sungsprozesse auf dem globalen Stahlmarkt zu stärken.
auf mehrere hundert Millionen Tonnen und nehmen             Industrie und Politik stimmen darin überein, dass die
nach einem leichten Rückgang 2018 wieder zu. In der         Arbeit des Global Forum on Steel Excess Capacity auf
Folge haben sich wettbewerbsverzerrende Handels-            der bisherigen Basis fortgesetzt werden muss und die
praktiken wie insbesondere Dumping im globalen              im G20-Prozess definierten Ziele erreicht werden müs-
Wettbewerb ausgebreitet.11                                  sen. Nur über die G20 kann weiterhin Einfluss auf die
                                                            Staaten ausgeübt werden, die zu den aktuellen Über-
Gleichzeitig schotten traditionelle Importländer zu­­       kapazitäten auf dem Weltmarkt im Wesentlichen bei-
nehmend ihre Stahlmärkte ab, um ihrer heimischen            tragen. Zugleich sollte alles darangesetzt werden,
Industrie Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Ein           China zu einer Rückkehr in das Forum zu bewegen.
Beispiel sind die USA. Die Verhängung von Sonder-
zöllen vermeintlich aus Gründen der nationalen               Handelsschutz ausbauen und konsequent
Sicherheit (Section 232 des Trade Expansion Act von          anwenden
1962) stellt einen WTO-widrigen Eingriff in den in­­ter­­
nationalen Handel dar und führt darüber hinaus zu           Gleichzeitig ist die Anwendung des EU-Handelsschutz­
Umleitungen von Handelsströmen in den EU-Markt.             instrumentariums unverzichtbar. Die nach WTO-
                                                            Recht zulässigen Schutzmaßnahmen müssen konse-
Im Handelsbereich setzt sich die Bundesregierung            quent und effektiv angewendet werden:
innerhalb der EU für regelbasierten Freihandel und
die Einhaltung der Regeln der WTO durch alle Dritt-         •   Gegen massive Handelsumlenkungen sind Schutz-
staaten ein. Als Antwort auf die Handelsbeschränkun-            klauselmaßnahmen (Safeguards) ein wichtiges Ins-
gen der USA im Stahlbereich hat die EU mit Einlei-              trument. Die Bundesregierung hat das Verfahren
tung eines WTO-Streitschlichtungsverfahrens, Aus-               zur zweiten Anpassung der Schutzmaßnahmen
gleichszöllen sowie Schutzmaßnahmen für die                     unter Beachtung des EU- und WTO-rechtlichen
europäische Stahlwirtschaft reagiert. Wie nach dem              Rahmens proaktiv politisch begleitet, damit den
Auslaufen letzterer (ab Juli 2021) adäquater Schutz             geänderten Rahmenbedingungen auf den interna-
gewährleistet werden kann, muss geprüft werden.                 tionalen Märkten Rechnung getragen werden kann.
                                                                Der Schutzmaßnahmenausschuss hat am 12. Juni

11 Vgl. u.a. OECD, Steel Market Developments.
12     HANDLUNGSKONZEPT STAHL

    Anpassungen beschlossen, die am 1. Juli in Kraft           Hilfen für Unternehmen, die ohne diese Zuwen-
    getreten sind­­­. Ergebnis dieser Anpassung muss           dung insolvent gehen würden, sowie für den Erlass
    der wirksame Schutz der hiesigen Industrie vor             von Schulden ohne Gegenwert geschaffen werden.
    Um­­leitungseffekten sein. Sonst besteht die Gefahr,
    dass leistungsfähige Unternehmen durch Eingriffe       •   Grundsätzlich bedarf es einer Weiterentwicklung
    anderer Staaten benachteiligt und ins Aus gedrängt         des bestehenden handelspolitischen Instrumenta-
    werden.                                                    riums der EU.
                                                               • Dazu gehört das Ziel, Drittstaaten zur Öffnung

•   Da die Schutzklauseln Mitte 2021 auslaufen, muss              ihrer Beschaffungsmärkte zu bewegen. Vorran-
    bereits heute die Frage gestellt werden, wie die              giges Ziel der Bundesregierung ist es, weitere
    Stahlindustrie in Deutschland und Europa auch                 Drittstaaten zu werthaltigen Zugeständnissen
    perspektivisch vor Handelsumlenkungen geschützt               im Rahmen des WTO-Beschaffungsüberein-
    werden kann. Denn es kann nicht ausgeschlossen                kommens zu bewegen. Das so genannte Inter-
    werden, dass die US-amerikanischen Sonderzölle                nationale Beschaffungsinstrument (IPI) soll als
    auf Stahl weiterbestehen werden. Erst im Januar               Hebel fungieren, um die Verhandlungsposition
    2020 wurde die Liste der von den US-Maßnahmen                 der Europäischen Kommission zugunsten einer
    betroffenen Stahlprodukte erweitert.                          Öffnung von Beschaffungsmärkten in Nicht-
                                                                  EU-Staaten zu stärken. Die Bundesregierung
•   Neben den Safeguards ist darüber hinaus ein kon-              strebt ein praktikables vergaberechtliches
    sequentes Vorgehen gegen unfaires Marktverhalten              Sanktionsinstrument an (vgl. „Industriestrate-
    durch den Einsatz von Antidumping- und Anti-                  gie 2030“).
    subventionsmaßnahmen unerlässlich. In eingelei-            • Ebenso wichtig ist es, die „Enforcement Regula-

    teten Verfahren sollten die durch die Reform der              tion“ so zu stärken, dass Verstößen gegen WTO-
    Handelsschutzinstrumente neu geschaffenen                     Recht im Interesse des betroffenen Industrie-
    Möglichkeiten konsequent genutzt werden. Hierzu               zweigs begegnet werden kann.
    zählt auch, bestehende Maßnahmen vor ihrem                 • Auch die Überlegungen der EU-Kommission zu

    Auslaufen von Amts wegen oder auf Antrag eines                einem neuen Instrument gegen Wettbewerbs-
    Unionsherstellers zu überprüfen (Expiry Reviews)              verzerrungen im Binnenmarkt in Form von
    und bei Vorliegen der Voraussetzungen zu verlän-              Subventionen durch Drittstaaten sollen einen
    gern, solange die weltweiten Marktverzerrungen                Beitrag zur weiteren Angleichung der globalen
    fortbestehen. Die Bundesregierung wird dies pro-              Wettbewerbsbedingungen leisten. Deutschland
    aktiv begleiten.                                              wird sich auf Grundlage des für Mitte dieses
                                                                  Jahres angekündigten Weißbuchs und des für
•   Zudem gilt es, mehr Transparenz über Subventionen             2021 geplanten Verordnungsentwurfs aktiv in
    in Drittstaaten zu schaffen. Die Europäische Kom-             die Diskussion einbringen.
    mission sollte prüfen, ob die Einrichtung einer
    Subventionsdatenbank für mehr Transparenz sor-         •   Im Zuge des Austritts aus der EU verlässt Großbri-
    gen kann. Gleichzeitig unterstützt die Bundesre-           tannien zum 31.12.2020 den EU-Binnenmarkt.
    gierung die Gespräche der Europäischen Kommis-             Verhandlungen zu einem Abkommen über die
    sion mit den USA und Japan über die Anpassung des          zukünftigen Beziehungen laufen aktuell mit dem
    internationalen Regelwerks zu marktverzerrenden            Ziel, diese bis zum Jahresende abzuschließen. Auf-
    Subventionen. Ziel ist es, auch auf WTO-Ebene              grund der hohen Relevanz des Vereinigten König-
    mehr Transparenz über Subventionen zu schaffen.            reichs als wichtiger Abnehmer von Stahl und
    Ferner müssen insbesondere neue Verbote von                stahlhaltigen Gütern aus Deutschland hat dies
    Subventionen wie unbegrenzte Staatsgarantien,              eine sehr hohe Bedeutung für die Stahlindustrie.
HANDLUNGSKONZEPT STAHL        13

Carbon Leakage vermeiden                                zusätzlichen Kosten zu entlasten, soweit die Unter-
                                                        nehmen diese Kosten nicht über die Produktpreise
                                                        abwälzen können.
 Keine Wettbewerbsnachteile durch den
 Emissionshandel schaffen                               Zum einen bedarf es zur Vermeidung von Carbon
                                                        Leakage unter den gegebenen Marktbedingungen
Die Stahlindustrie ist aufgrund des scharfen interna­   auch weiterhin eines effektiven Ausgleichs der CO2-
tionalen Wettbewerbs bei vielen Stahlprodukten in       Kosten für die direkten Emissionen. Die Produkt­
besonderem Maße von Carbon Leakage gefährdet. Ein       benchmarks für die kostenlose Zuteilung sollten sich
wirksamer Schutz vor Carbon Leakage, also der Verla-    auch weiterhin an den tatsächlich erreichten Effi­
gerung von Produktion und Emissionen in Drittlän-       zienzfortschritten der zehn Prozent besten Anlagen
der, ist notwendig, um Zukunftsinvestitionen zu         einer Branche orientieren. Zudem sollte auch zukünf-
ermöglichen und Nachteile im internationalen Wett-      tig ein sektorübergreifender Korrekturfaktor vermie-
bewerb für emissionsintensive Industrien wie die        den werden, weil er auch die effizientesten Anlagen
Stahlproduktion gegenüber Drittländern durch den        einer Branche belasten würde und in der Handelspe-
europäischen Emissionsrechtehandel (EU ETS) in der      riode 2021–2030 bei steigenden CO2-Preisen mit noch
vierten Handelsperiode ab 2021 zu vermeiden. Die        höheren Kostenbelastungen für die Industrie verbun-
Stahlindustrie ist in besonderem Maße von hohen         den wäre.
CO2- und Energiepreisen betroffen. Selbst wenn die
bisherigen Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von           Zum anderen bedarf es zum Ausgleich der indirekten
Carbon Leakage fortgeführt werden, bleibt laut Stahl-   Kostennachteile des EU ETS unter den gegebenen
industrie stets ein erheblicher CO2-Kostenanteil, der   Marktbedingungen auch weiterhin einer Kompensa-
nicht abgedeckt wird. Eine prozentual gleichblei-       tion der CO2-bedingten Stromkostensteigerungen.
bende Kompensation führt bei steigenden Zertifika-
tepreisen zu einem proportionalen Anstieg der vom       Die Bundesregierung spricht sich insbesondere dafür
Unternehmen selbst zu tragenden CO2-Kosten in           aus, dass die EU-Beihilfeleitlinien auch in der Han-
absoluten Euro-Beträgen. Diese Kosten haben Wett-       delsperiode 2021–2030 eine effektive Kompensation
bewerber aus Drittstaaten ohne vergleichbare Klima-     der indirekten CO2-Kosten bei der Erzeugung von
schutzpolitik nicht zu schultern. Vor diesem Hinter-    Roheisen und Stahl ermöglichen. Um eine Ungleich-
grund ist, solange es zumindest in den Haupthandels-    behandlung von gleichartigen Produkten zu vermei-
partner-Ländern noch keine wirksamen Ansätze zur        den, die von Unternehmen aus verschiedenen Indust-
CO2-Bepreisung gibt, wofür sich die Bundesregierung     riesektoren hergestellt werden, sollte für gleichartige
auf internationaler Ebene einsetzt, ein wirksames       Produkte ein einheitlicher Carbon-Leakage-Status
Carbon-Leakage-Schutzsystem für wettbewerbsin-          sichergestellt werden, etwa im Falle von Industriega-
tensive Produkte der energieintensiven Industrien       sen. Generell sollten die Leitlinien dahingehend kon-
erforderlich.                                           kretisiert werden, dass in bestimmten Sektoren die
                                                        Beihilfefähigkeit auch nach qualitativen Kriterien
 Kostenlose Zuteilung und Strompreis­                   (z. B. Eisenerzbergbau/Sinter) und auf Produktebene
 kompensation fortführen                                beurteilt werden kann. Die Möglichkeit für die Mit-
                                                        gliedstaaten, die Eigenlast der indirekten CO2-Kosten
Um Carbon-Leakage zu vermeiden, sind die freie Zu­­     eines Unternehmens auf einen prozentualen Anteil
teilung und Kompensation der emissionshandelsbe-        der Bruttowertschöpfung zu beschränken, ist zu
dingten Strompreissteigerungen auch vor dem Hin-        begrüßen. Das Gleiche gilt für den Vorschlag, die Bei-
tergrund des ambitionierten European Green Deal         hilfenintensität nicht mehr anhand pauschaler Vorga-
wichtige Instrumente, um die Industrieanlagen von       ben degressiv auszugestalten. Kritisch zu sehen ist
14    HANDLUNGSKONZEPT STAHL

jedoch die Absenkung der Stromverbrauchseffizienz-        des EU-Emissionshandels sowie durch Fördermittel
Benchmarks zusätzlich zur Begrenzung der Beihilfen-       aus dem EU-Innovationsfonds unterstützt werden.
höchstintensität.                                         Auf diese Weise könnte für die 4. Handelsperiode grö-
                                                          ßere Planungs- und Investitionssicherheit geschaffen
 Weitergehende Carbon-Leakage-­                           werden und zusätzliche Förderinstrumente würden
 Instrumente prüfen                                       in einem geringeren Umfang notwendig.

Die bestehenden Carbon-Leakage-Instrumente haben           Wettbewerbsfähige Energiepreise
sich grundsätzlich bewährt. Die Europäische Kom-           gewährleisten
mission untersucht auch, ob ein Grenzausgleich oder
alternative Ansätze rechtlich belastbar ausgestaltet      Um die Wettbewerbsfähigkeit des Stahlstandortes zu
werden können, um einen gleichwertigen Carbon-            gewährleisten und die Voraussetzungen für das Gelin-
Leakage-Schutz zu gewährleisten. In jedem Fall ist        gen der Transformation zu schaffen, sind wettbewerbs­
bei der Prüfung eines Grenzausgleichsystems und           fähige Preise für den Bezug (inklusive Transport) von
möglicher Alternativen durch die Europäische Kom-         verlässlich verfügbarem Strom und Gas, inklusive
mission ein Impact Assessment, wie es die Europäi-        Wasserstoff, entscheidend. Für die nationale Ebene ist
sche Kommission derzeit durchführt, erforderlich,         es daher von zentraler Bedeutung, soweit erforderlich,
das administrative, aber insbesondere auch die juris-     zu prüfen, ob auch künftig angemessene Belastungs-
tisch zu klärenden Fragen hinsichtlich der WTO-           begrenzungen und Kompensationslösungen im Be­­
Kompatibilität mit in den Blick nimmt. Angesichts         reich der Klima- und Energiepolitik fortgesetzt und
der noch offenen Fragen, vor allem zur Vereinbarkeit      sogar weiterentwickelt werden müssen. Ziel muss es
mit WTO-Recht, kann heute noch nicht abgesehen            sein, durch international wettbewerbsfähige Energie-
werden, ob ein solcher Grenzausgleich das beste-          preise einen wirksamen Beitrag zur Konkurrenzfähig-
hende Carbon-Leakage-Schutzsystem langfristig             keit der energieintensiven Industrien zu leisten. Dazu
ersetzen kann und welche Einführungs- und Über-           gehört die Prüfung der Fortführung der Belastungsbe-
gangsphasen für ein solches System gegebenenfalls         grenzungen von der EEG-Umlage und KWK-Umlage
erforderlich sein werden.                                 sowohl im Rahmen der Besonderen Ausgleichsrege-
                                                          lung wie auch beim Eigenstrom. Die Prüfung einer
 Zusätzliche Belastungen für die energie­                 Kompensation möglicher Strompreissteigerungen
 inten­siven Industrien vermeiden                         infolge des Ausstiegs aus der Kohleverstromung ist im
                                                          Kohleausstiegs­gesetz ermöglicht worden. Die Bundes-
Die Europäische Kommission kündigt in ihrer Mittei-       regierung strebt die Weiterführung des Spitzenaus-
lung zum European Green Deal an, nach einer Fol-          gleichs an, prüft aber, die bestehenden Energiesteuer-
genabschätzung einen Vorschlag zur Anhebung des           begünstigungen für fossile Energieträger stärker an
europäischen Treibhausgas-Minderungszieles für            den klimapolitischen Zielen der Bundesregierung
2030 im Rahmen des European Green Deal zu unter-          auszurichten. Die Vermeidung von Doppelbelastun-
breiten.                                                  gen und der Ausgleich von unzumutbaren Härten
                                                          durch den nationalen Brennstoffemissionshandel
Die Stahlindustrie ist bereit, einen effektiven Beitrag   sind im Brennstoffemissionshandelsgesetz vorgese-
zu leisten, um die im Pariser Übereinkommen verein-       hen. Auf EU-Ebene sollte dafür im Rahmen der Über-
barten Treibhausgasminderungsziele zu erreichen.          arbeitung der Energie- und Umweltbeihilfeleitlinien
Um die Transformation der Stahlindustrie in der           der erforderliche beihilferechtliche Spielraum
Anfangsphase adäquat zu flankieren, könnte der            ge­schaf­fen werden. Bei der angekündigten Reform
Übergang und damit die Investitionen in neue klima-       der Energiesteuerrichtlinie kommt es darauf an, dass
schonende Technologien auch durch die Instrumente         die EU-rechtlichen Grundlagen beibehalten und
HANDLUNGSKONZEPT STAHL         15

erweitert werden, um klimapolitische Anreize zu set-      gien können helfen, die deutsche Stahlindustrie für
zen und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Ver-        die Herausforderungen der Zukunft nachhaltig aufzu-
braucher zu wahren. Unter Berücksichtigung des            stellen. Notwendig ist dafür ein breiter, kohärenter
Urteils des EUGH zum EEG aus dem März 2019 sollte         und auf die jeweilige Transformationsphase abge-
erwogen werden, Investitionshemmnisse im Bereich          stimmter Mix an unterschiedlichen Politikinstrumen-
der CO2-armen oder kuppelgasbasierten Stromerzeu-         ten, über die Förderung von Forschung, Entwicklung
gung im EEG angemessen zu beseitigen.                     und Innovationen, Investitionen, Anreize zum Einsatz
                                                          CO2-arm, CO2-neutral und CO2-frei produzierter
„Carbon Contracts for Difference“, mit denen bei-         Werkstoffe auf Verbraucherseite sowie den Ausgleich
spielsweise die durch den Einsatz von grünem Was-         höherer Betriebskosten bis hin zu den energiewirt-
serstoff höheren Betriebskosten ausgeglichen werden       schaftlichen Rahmenbedingungen. Energie- und kli-
könnten, bieten zusätzlich eine projektspezifische        mapolitisch motivierte Regulierungen sind so auszu-
Möglichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit innovativer         gestalten, dass sie ihren Beitrag zur Erreichung der Kli-
Klimaschutztechnologien zu erhöhen.                       maziele leisten, die Energiewende und Klimaschutz
                                                          unterstützen, die Wettbewerbsfähigkeit wahren und
                                                          Planungssicherheit schaffen.
Transformation gemeinsam
voranbringen                                               Leitmärkte für CO2-effizienten Stahl und
                                                           Werkstoffe schaffen

Die Stahlindustrie ist gefordert, für den Transformati-   Neben Transformationsstimulationen auf Produktions­
onsprozess bereits jetzt erheblich in innovative Tech-    seite könnte auch auf der Nachfrageseite angesetzt
nologien zu investieren. Dies impliziert Marktchancen     werden. Durch entsprechende Anreize und Regulie-
für innovative und klimafreundliche Produkte, für         rung könnten die Verwender von Grundstoffen dazu
die es Zukunftsmärkte zu erobern gilt, jedoch auch        veranlasst werden, in ihren Produkten trotz der höhe-
steigende Kosten für die Produktion an europäischen       ren Kosten bspw. grünen Stahl einzusetzen. Dazu kön-
Standorten und wird sich somit auf deren Wettbe-          nen z. B. gezielte Instrumente gehören, um die Ver-
werbsfähigkeit im internationalen Vergleich auswir-       wendung von CO2-arm, CO2-neutral und CO2-frei her-
ken, sofern keine spezifischen Schutz- und Förder­        gestellten Grundstoffen (auch finanziell) attraktiver zu
mechanismen wirken.                                       machen. Auch bessere und international vergleichbare
                                                          Informationen über den CO2-Fußabdruck von Pro-
Aufgabe der Politik ist es, einen Rahmen für die deut-    dukten können zu einer stärkeren Verwendung klima-
schen und europäischen Standorte zu entwickeln, in        freundlicher Produkte beitragen.
dem CO2-arme und langfristig CO2-neutrale, vorzugs-
weise CO2-freie Produktionstechnologien (weiter) ent­     Bestehende und zukünftige Regulierungen auf natio-
wickelt und trotz hoher Investitionen und deutlich        naler wie EU-Ebene sollten daraufhin überprüft wer-
höherer Betriebskosten wirtschaftlich und nachhaltig      den, wie man deren gesamte CO2-Minderungswirkung
betrieben werden können. Die Bundesregierung för-         durch zusätzliche Nachfrageimpulse für klimafreund-
dert bereits heute die Umstellung auf treibhausgas-       licheren Stahl und andere Werkstoffe steigern kann.
arme bzw. treibhausgasneutrale Produktionsverfah-
ren in der Industrie. Die Stahlindustrie beschäftigt      Die Europäische Kommission hat bereits Initiativen
sich intensiv mit Transformationsprojekten, da bis        angekündigt, mit denen die Märkte für klimaneutrale
2030 in vielen Anlagen umfangreiche Reinvestitionen       und Kreislaufprodukte in energieintensiven Industrie-
in die traditionelle Hochofentechnologie anstehen.        sektoren stimuliert werden sollen.
Investitionen in treibhausgasarme Zukunftstechnolo-
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