Tiere als Vektoren und Reservoire von Erregern importierter lebensbedrohender Infektions-krankheiten

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Bundesgesundheitsbl -
Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz           Originalien und Übersichtsarbeiten
2002 · 45:139–151 © Springer-Verlag 2002
                                                M. Faulde1 · R. Fock2 · G. Hoffmann3 · M. Pietsch4
                                                1 Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Koblenz · 2 Robert Koch-Institut,Berlin
                                                3 Umweltbundesamt,Berlin · 4Abt.Hygiene und Umweltmedizin,Universität Mainz

                                                Tiere als Vektoren und Reservoire
                                                von Erregern importierter
                                                lebensbedrohender Infektions-
                                                krankheiten

Zusammenfassung                                 Schlüsselwörter                                           Bei den als lebensbedrohend und
                                                                                                     hochkontagiös definierten Erregern han-
Erreger lebensbedrohender und zugleich          Virusbedingte hämorrhagische Fieber ·                delt es sich um Erreger von viralen hä-
hochkontagiöser viraler und bakterieller In-    Zoonosen · Vektorassoziierte                         morrhagischen Fiebern (VHF),Ausnah-
fektionskrankheiten können nicht nur durch      Infektionserkrankungen ·                             me: virusbedingte Affenpocken sowie
den Menschen selbst, sondern – je nach Er-      Vektorenbekämpfung · Öffentlicher                    bakterielle Lungenpest. Folgende Krank-
regerspezies – unter anderem durch infizier-    Gesundheitsdienst                                    heiten werden durch diese Erreger ver-
te Reservoirwirte und tierische Vektoren                                                             ursacht [4, 5]:
nach Deutschland eingeschleppt werden.
Insbesondere Nagetiere als Reservoire und                                                            ◗ Affenpocken,
vektorielle Gliedertiere sind besonders durch                                                        ◗ Argentinisches Hämorrhagisches
                                                                                                       Fieber,
den See- und den Luftverkehr global zu ver-
schleppen.Während das Management und
die Kontrolle durch den Menschen impor-
                                                D   erzeit ist global eine Ausbreitungs-
                                                tendenz von alten und neuen Infektions-
                                                                                                     ◗ Bolivianisches Hämorrhagisches
                                                                                                       Fieber,
tierter lebensbedrohender Infektionskrank-      erregern aufgrund multifaktorieller Ur-              ◗ Brasilianisches Hämorrhagisches
heiten in Deutschland ein funktionsfähiges      sachen zu verzeichnen [1, 2]. Der natio-               Fieber,
Handlungsniveau erreicht hat und derzeit        nale Sicherheitsrat der Vereinigten Staa-            ◗ Ebola-Fieber,
Prüfungen für die Listung geeigneter Mittel     ten von Amerika befasst sich aufgrund                ◗ Krim-Kongo-Hämorrhagisches
und Verfahren zur Flugzeugentwesung statt-      einer Direktive des Präsidenten seit 1996              Fieber,
finden, werden Inspektionen und Bekämp-         verstärkt mit dieser Thematik. Er schätzt            ◗ Lassa-Fieber,
fungen von Gesundheitsschädlingen, die          das gesundheitliche Gefährdungsrisi-                 ◗ Lungenpest,
z.B.über kontainerisierte Güterlieferungen      ko zumindest für die nächsten 20 Jah-                ◗ Marburg-Krankheit,
auf dem Seeweg eingeschleppt werden, ge-        re als steigend ein [3]. Auch in Deutsch-            ◗ Omsker Hämorrhagisches Fieber,
genwärtig nicht durchgeführt.Wegen der          land wurden die Einschleppungsge-                    ◗ Rifttal-Fieber und
Seltenheit des Auftretens solcher Krankhei-     fährdung sowie das Management und                    ◗ Venezuelanisches Hämorrhagisches
ten sind konkrete Handlungsanweisungen          die Kontrolle von lebensbedrohenden                    Fieber.
für Schädlingsbekämpfer, Desinfektoren und      hochkontagiösen Infektionskrankheiten
medizinisch-entomologisches Fachpersonal        umfassend diskutiert [4, 5].Als Folge da-            Knobloch [5] bezieht in diese Kategorie
notwendig, um wirksam einer Weiterverbrei-      von befinden sich gegenwärtig überre-                auch folgende Krankheiten mit ein:
tung des Erregers, vor allem seiner Etablie-    gionale Behandlungs- und Kompetenz-
rung, entgegenwirken zu können.Zu ent-          zentren in der Planung bzw. im Aufbau.
wickeln sind konkrete Überwachungs- und         Ihr Ziel ist es, die professionelle und spe-
                                                                                                          Dr. Michael Faulde
Schutzvorkehrungen sowie präzise Verfah-        zifische Versorgung von Patienten, die
                                                                                                          Regierungsdirektor, Zentrales Institut
rensbeschreibungen.                             mit den entsprechenden Erregern infi-                     des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Koblenz,
                                                ziert sind, in logistischer, diagnostischer               Ltr Laborgruppe Medizinische Zoologie,
                                                und klinischer Hinsicht zu gewährlei-                     Postfach 7340, 56065 Koblenz
                                                sten [6].                                                 E-Mail:fauldem@bwb.org

                                                                                   Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2•2002    | 139
Bundesgesundheitsbl -
    Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz                     Originalien und Übersichtsarbeiten
    2002 · 45:139–151 © Springer-Verlag 2002
                                                             ◗ Dengue Hämorrhagisches Fieber,             den, die je nach Vektoreneigenschaft und
    M. Faulde · R. Fock · G. Hoffmann                        ◗ Hantavirus Pulmonales Syndrom,             -kompetenz die assoziierten Erreger auf
    M. Pietsch                                               ◗ Hämorrhagisches Fieber mit                 Mensch und/oder Tier weiter übertra-
                                                               renalem Syndrom,                           gen können [9].
    Vectors and Animal Reservoirs of                         ◗ Lungenmilzbrand.                                Der Gesetzgeber hat bereits 1961 mit
    Pathogens of Imported Life-Threatening                                                                dem Bundes-Seuchengesetz (BSeuchG)
    Human Infectious Diseases                                Wegen ihrer Übertragbarkeit von Mensch       (§§ 13 und 41; später 10c), dem dieses
                                                             zu Mensch erfordern mehrere der ge-          Gesetz seit dem 1.1.2001 ablösenden In-
    Abstract                                                 nannten Krankheiten – neben einer In-        fektionsschutzgesetz (IfSG) (§§ 17 und
                                                             tensivtherapie und/oder Intensivpflege       18), mit dem Gesetz zu den Internatio-
    Pathogens of life-threatening and simulta-               – eine besondere Isolierung bzw.Abson-       nalen Gesundheitsvorschriften (IGV)
    neously highly contagious viral and bacterial            derung der Erkrankten,Krankheits- bzw.       vom 25.7.1969 sowie den aufgrund die-
    human infectious diseases might be brought               Ansteckungsverdächtigen sowie eine in-       ser Gesetze erlassenen Verordnungen
    into Germany from foreign countries not on-              tensive Suche, Feststellung und Überwa-      der Länder bzw. Durchführungsbestim-
    ly by infected humans, but also by infected              chung der Kontaktpersonen [4]. Die Ge-       mungen hinreichende Grundlagen zur
    arthropod and rodent vectors and/or animal               fahr, dass eine derartig infizierte Person   Beherrschung jeglicher Vektorsituation
    hosts and reservoir animals.Especially peri-             in Deutschland zur Krankenhausauf-           geschaffen. Ergänzt werden diese Rechts-
    domestic and commensal rodent and arthro-                nahme kommt, wird derzeit als gering         vorschriften durch entsprechende Rechts-
    pod vector species have been proven to                   angesehen [5]. Dennoch belegen die vier      setzungen auf dem Feld der Veterinär-
    spread globally, mainly by unintended trans-             im Jahre 2000 aus Deutschland, den Nie-      medizin, die den Schutz vor Zoonosen
    port via ship or aircraft after infestation of           derlanden und Großbritannien gemel-          bzw. Lebensmittel-assoziierten Infektio-
    the transport device.While management                    deten Fälle von Lassa-Fieber die reale       nen betreffen. Auch der hohe Sicher-
    and control of life-threatening disease                  Gefährdung durch den Import von VHF          heitsstandard in der Tierkörperbeseiti-
    agents brought in by humans recently                     [7]. Um eine für Deutschland flächen-        gung trägt wesentlich zur Abwehr von
    reached a functional working level, and eval-            deckende professionelle Handlungs-           Zoonosen bei.
    uation of effective aircraft disinsection                grundlage bei Import von VHF-Patien-              Um die Gefährdung durch lebens-
    methods are currently under investigation                ten bereit zu stellen, schlug die Arbeits-   bedrohende hochkontagiöse Infektions-
    aiming at licensing suitable products for vec-           gruppe Seuchenschutz den Aufbau über-        erkrankungen des Menschen in seiner
    tor control, no coordinated countermeasures              regionaler Behandlungs- und Kompe-           epidemiologisch-infektiologischen Ge-
    were implemented so far to monitor and                   tenzzentren vor [4, 8]. Diese sollen die     samtheit qualitativ und quantitativ ana-
    control vector species brought in by interna-            spezifische mikrobiologische Diagno-         lysieren zu können und gleichzeitig die
    tional travel and commerce e.g.by shipping               stik mit dem Sicherheitsstandard S-4         Grundlage für eine effiziente und effek-
    via containerized crop products.Due to the               (Virologie) bzw. S-3 (Bakteriologie) vor-    tive Infektkettenunterbrechung von Na-
    rare occurrence in Germany of these diseases             halten. Eine enge Zusammenarbeit ent-        turherden und/oder Vektoren mit Ent-
    associated with a high case fatality rate stan-          sprechend ausgestatteter ziviler und mi-     wesungsmitteln und -verfahren nach
    dardized reaction schemes are necessary to               litärischer Fachstellen wird dabei als un-   § 18 Infektionsschutzgesetz zu gewähr-
    prevent the further spreading of the most                abdingbar angesehen [4, 8].                  leisten, ist die exakte Kenntnis aller mög-
    highly contagious agents.Therefore, disease                   Während das Management sowie            lichen Infektionswege ausgehend z. B.
    monitoring and preventive medical strate-                die Kontrolle importierter lebensbe-         von einem Naturreservoir oder einem
    gies have to be developed and implement-                 drohender hochkontagiöser Infektions-        tierischen Überträger zum Menschen
    ed, thus integrating the professional exper-             krankheiten mit den komplett einge-          hin erforderlich [9].
    tises of medical entomologists, pest control             richteten bzw. sich derzeit im Aufbau be-         Ziel dieser Arbeit ist es darzulegen,
    operators, and disinfectors.                             findlichen Behandlungs- und Kompe-           ob und wie das genannte Erregerspek-
                                                             tenzzentren in Hamburg, Berlin, Leipzig,     trum mit Vektoren und Tierreservoiren
    Keywords                                                 Frankfurt am Main und München im             assoziiert ist, welche Einschleppungswe-
                                                             Hinblick auf die Versorgung VHF-er-          ge der Erreger nach Deutschland – au-
    Viral haemorrhagic fevers · Zoonoses ·                   krankter Patienten ein funktionsfähiges      ßer über den infizierten Menschen – zu-
    Vector-borne diseases · Vector control ·                 Handlungsniveau erreicht hat, ist die        sätzlich möglich und zu berücksichtigen
    Public health                                            Problematik der simultanen Einschlep-        sind und welche Anforderungen an die
                                                             pung VHF-infizierter Vektoren und Re-        Schädlingsüberwachung und -bekämp-
                                                             servoirtiere bisher nicht angesprochen       fung im Rahmen der Infektionsketten-
                                                             worden. Da in erster Linie der VHF-Er-       unterbrechung gestellt werden müssen.
                                                             krankte im Blickfeld des Handelns steht,
                                                             war die Frage des Erregerursprungs bis-        Assoziation pathogener
                                                             lang sekundär. Gleichwohl können z. B.         Erreger mit tierischen Vektoren
                                                             durch Tourismus, Tiertransporte oder           sowie Tierreservoiren
                                                             Güterverkehr auch mit lebensbedro-
                                                             henden hochkontagiösen Erregern in-          Bei näherer Betrachtung der mit den
                                                             fizierte Reservoirtiere und Vektoren         vorgenannten Infektionskrankheiten as-
                                                             nach Deutschland eingeschleppt wer-          soziierten Erreger wird deutlich, dass es

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sich hierbei ausnahmslos um Zooan-          Pneumonie aus. Sie haben aber aufgrund          in der südamerikanischen Pampas
throponosen handelt. Krankheiten al-        ihrer hohen Letalitätsrate von ≥45% be-         großflächig Mais angebaut wurde und
so, die entweder direkt vom natürlichen     sondere Bedeutung.                              sich das natürliche Erregerreservoir, die
Tierreservoir oder über einen zusätzlich          Im natürlichen Nagetierwirt rufen         Maus Calomys musculinus, über Befall
dazwischen geschalteten Vektor über-        diese Viren eine chronische Virämie und/        gelagerter Maisvorräte explosiv vergrö-
tragen werden. Für die genaue Kenntnis      oder Virurie hervor. Primär wird die In-        ßern konnte. Über die neuen kommen-
der gesamten Infektionskette ist es sehr    fektion über direkten Kontakt mit infi-         salen Verhaltenseigenschaften dieser
wichtig zu wissen, wie sich die einzelnen   zierten Nagetieren, deren Speichel, Urin        Maus kam der Mensch vermehrt mit
Bestandteile zueinander verhalten, d. h.    oder Kot bzw. über infektiösen Exkret-          dem Erreger in Kontakt [12].
wie der Erreger mit natürlichen und an-     staub übertragen. Hierbei spielt vor al-             Hämophage Arthropoden (blutsau-
deren suszeptiblen Reservoiren und ggf.     lem die Eigenschaft der Mikromiktion,           gende Gliedertiere) spielen nach bishe-
mit aktiven oder passiven Vektoren ver-     d. h. die kontinuierliche Abgabe feinst         rigen Erkenntnissen bei der primären
gesellschaftet ist, welches die einzelnen   verteilten Urins in Abhängigkeit vom            Übertragung von „Roboviren“ keine oder
Komponenten des Gesamtübertragungs-         Grad des Synanthropismus (zusammen              nur eine sehr untergeordnete Rolle, ob-
mechanismus sind, wie sich der Erreger      mit dem Menschen lebend) und Kom-               wohl gelegentlich der Virusnachweis in
in den entsprechenden Wirten verhält,       mensalismus (Kommensale: „Tischge-              hämophagen Milben gelang (z. B. Junin-
auf welchem Wege der Erreger schließ-       nosse“, d.h. Lebewesen in Gemeinschaft          virus, Hantaanvirus) [13]. Sekundär sind
lich auf den Menschen gelangt und wel-      mit einemWirt, von dem es Nahrung be-           die genannten Arenaviren insbesondere
che nicht an den Vektor oder den Wirt       ansprucht, deren Entzug den Wirt nicht          auch nosokomial von Mensch zu Mensch
gebundenen Faktoren in welchem Aus-         direkt schädigt) der Reservoirmäuse ei-         übertragbar, was zur Klassifikation in
maß die Ausbreitung der Vektoren und        ne entscheidende Rolle bei der passiven         die entsprechende Sicherheitsstufe bei-
der Erreger in vormals nicht endemi-        Keimübertragung auf den Menschen                getragen hat [14]. Infektionen im Rah-
sche Gebiete bzw. Nischen begünstigen.      [9]. Je enger das Nagerreservoir mit dem        men von Labortätigkeiten sind ebenso
Ein Beispiel für letztgenanntes Prinzip     direkten Umfeld des Menschen assozi-            bekannt. Bei Hantaviren ist eine Über-
ist die Nordwärtswanderung der Schild-      iert ist, desto eher treten die gefürchte-      tragung von Mensch zu Mensch noch
zecke Ixodes ricinus (Holzbock) [10].       ten urbanen Transmissionszyklen auf.            nicht gesichert und tritt wenn, dann nur
     Eine Übersicht über die mit den ge-    Dies erhöht das epidemische Ausbrei-            sehr selten auf (Genospezies Andes) [15].
fährlichen Erregern assoziierten Tierre-    tungsrisiko signifikant. Es ist daher ent-      Humanpathogene Hantaviren der Geno-
servoire und hämophagen (blutsaugen-        scheidend, die Bionomie (genaue Kennt-          spezies Puumala und Dobrava sind in
de) Vektoren, ihr Vorkommen und ihre        nis der Lebensweise von Organismen in           Deutschland endemisch, und auftreten-
Pathogenität, einschließlich der mögli-     ihrer Abhängigkeit von der Umwelt) der          de Erkrankungsfälle werden nach Im-
chen Einschleppungsgefährdung und           natürlichen Erregerreservoire und die           plementierung des Infektionsschutzge-
des Ausbreitungsrisikos von Reservoir       Wirtsspezifitäten des Erregers auch in          setzes seit Januar 2001 dem Robert Koch-
und/oder Vektor in Deutschland ist der      seinen Feinheiten exakt zu kennen, um           Institut gemeldet. Die mit Ratten asso-
Tabelle 1 zu entnehmen.                     Präventionsmaßnahmen sowie Infekti-             ziierte, global verbreitete Genospezies
                                            onskettenunterbrechungsmaßnahmen                Seoul wurde in Deutschland bislang noch
  Übertragung viraler Erreger               unter Anwendung von sicher tilgend              nicht nachgewiesen [11]. Erste Hinweise
  aus Tierreservoiren                       wirksamen Schädlingsbekämpfungsmit-             sprechen weiterhin dafür, dass Hantavi-
                                            teln in kürzester Zeit und mit maximaler        ren auch durch hämophage Laufmilben-
Interessanterweise sind von den oben        Wirksamkeit durchführen zu können.              larven der in Ostasien endemischen Gat-
genannten zwölf Erregern gefährlicher       Aus den primären Nagetierreservoiren            tung Leptotrombidium [16] sowie durch
viraler hämorrhagischer Fieber (VHF)        kann der Erreger unter bestimmten Be-           die Tropische Rattenmilbe Ornithonyssus
insgesamt sieben Erreger mit Ratten         dingungen zudem auf Populationen an-            bacoti [17] übertragen werden können.
und Mäusen als Primärwirte bzw. Pri-        derer, kommensaler bzw. synanthroper
märreservoire assoziiert, die den Erre-     Schadnager übergehen, z.B. das Juninvi-            Übertragung viraler Erreger
ger selbst passiv übertragen können. Zu     rus auf die Hausmaus, Mus musculus.                über infizierte Vektoren
diesen Erregern zählen die Erreger der      Dies kann zu einer Verlagerung des Trans-
bislang bekannten humanpathogenen           missionsmodus aus dem sylvatisch/ru-            Drei weitere VHF-Erreger (Krim-Kon-
amerikanischen VHF (Arenaviren), das        ralen (Wald/Land) in den urbanen Be-            go-Hämorrhagisches Fiebervirus, Rift-
afrikanische Lassavirus (Arenavirus)        reich und damit zu einer epidemischen           talfieber-Virus und Omsker Hämorrha-
sowie die hämorrhagisches Fieber her-       Ausbreitung führen [11].Veränderungen           gisches Fiebervirus), die verschiedenen
vorrufenden Altwelthantaviren (Geno-        in der Umwelt sowie neue landwirt-              Virusgattungen angehören, treten auf-
spezies Hantaan, Dobrava, Seoul) (Bun-      schaftliche Methoden können einen gro-          grund ihrer Wirtseigenschaften auch
yaviridae). Die das Hantavirus Pulmo-       ßen Einfluss auf die Inzidenz dieser „Ro-       oder überwiegend in Klein- und Schad-
nale Syndrom hervorrufenden Neuwelt-        boviren“ (Rodent-borne Viruses) haben.          nagern auf. Sie werden in der Regel je-
hantaviren der Genospezies Sin Nom-         So werden jährlich zwischen mehreren            doch nicht durch diese selbst, sondern
bre, New York, Black Creek Canal, Bayou     hundert bis zu 3500 Fälle von Argentini-        durch blutsaugende Gliedertiere auf den
und Andes zeichnen sich nicht durch         schem Hämorrhagischen Fieber diag-              Menschen übertragen. In diesem Fall
Krankheitsverläufe mit Hämorrhagien,        nostiziert. Das diese Erkrankung verur-         kann durch Kleinnager lediglich die Re-
sondern durch eine schwere atypische        sachende Juninvirus war unbekannt, bis          servoir-, nicht aber die Vektorfunktion

                                                                           Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2•2002   | 141
Originalien und Übersichtsarbeiten

        Tabelle 1
        Reservoirtiere und tierische Vektoren von lebensbedrohenden hochkontagiösen Infektionserregern
        Erreger                             Erkrankung                        Vorkommen                         Letalitätsrate     Vermutete bzw.
                                                                                                                                   belegte
                                                                                                                                   Inzidenz/Jahr

        Affenpocken-Virus                   Humane Affenpocken                West- und Zentralafrika,          10–15%
Reservoirtiere/passive            Hämophage Vektoren                               Verschleppungsgefahr        Ausbreitungsrisiko
Vektoren                                                                           des infizierten             des Reservoirtiers/Vektors
                                                                                   Reservoirtiers/Vektors      in Deutschland

Eichhörnchen der Gattungen        Keine bekannt                                    Ja                          Keines
Funisciurus und Heliosciurus
Verschiedene Mäusespezies,        Keine bekannt                                    Ja                          Unbekannt
insbesondere Akodon azarae;
Calomys musculinus;
Bolomys obscurus
Mäuse,insbesondere                Keine bekannt                                    Ja                          Unbekannt
Calomys callosus
Mäuse der Gattung Calomys         Keine bekannt                                    Ja                          Unbekannt

Mensch,Affen                      Hauptvektoren: Aedes aegypti; Ae.albopictus      Ja                          Ja
                                  Nebenvektoren: Ae.vigilax; Ae.africanus;                                     Aedes albopictus wandert derzeit als kälte-
                                  Ae.luteocephalus; Ae.furcifer-taylori-Komplex;                               resistenter Stamm aktiv von Italien und Frankreich
                                  Ae.niveus; Ae.scutellaris; Ae.hensilli;                                      aus nach Mitteleuropa ein; hat als nördl.Grenze
                                  Culex annulirostris; C.bitaeniorhynchus                                      den Gardasee und die Bretagne erreicht
Primäres Reservoir unbekannt      Keine bekannt                                    Unbekannt                   Unbekannt
Sekundär Makaken
(Maccaca fasciularis)
a) Peromyscus maniculatus         Keine bekannt                                    Ja                          Unbekannt und theoretisch möglich
(Weißfußmaus)
b) Oligoryzomys longicaudatus;
Calomys laucha u.v.a.
a) Apodemus agrarius              Hämophage Laufmilbenlarven der                   Ja                          Ja
(Brandmaus)                       Gattung Leptotrombidium,                         Alle genannten              Bislang bekannte hämophage Vektoren
b) A.flavicollis (Gelbhalsmaus)   wie L.subpalpale; L.scutellare                   Reservoire; zumindest       nicht endemisch
c) Rattus rattus (Hausratte);     (beide Ostasien),Tropische Rattenmilbe           Dobrava-Virus endemisch
R.norwegicus (Wanderratte)        Ornithonyssus bacoti
Nagetiere,Insektivoren,Schafe,    Hauptsächlich Schildzecken wie                   Ja                          Ja
Rinder,Ziegen,Schildzecken        z.B.Hyalomma marginatum-Komplex;                                             Einige potenzielle Vektorspezies sind bereits
                                  aber auch H.truncatum; H.asiaticum;                                          endemisch wie Ixodes ricinus,Rhipicephalus
                                  H.anatolicum; Rhipicephalus sanguineus;                                      sanguineus,Dermacentor marginatus u.a.
                                  R.turanicus; R.pumilo; Dermacentor
                                  marginatus;Ixodes ricinus; Lederzecken
                                  Argas persicus; Ornithodoros lahorensis;
                                  Stechgnitzen der Gattung Culicoides
Primär Praomys natalensis         Keine bekannt                                    Ja                          unbekannt
(Erdratte)
Sekundär weitere Nagetierarten
Verschiedenste Säugetiere         Passive Übertragung in erster Linie durch        Ja                          Ja
                                  alle regurgitierenden Stechfliegen wie                                       Teilweise endemisch
                                  Wadenstecher (Stomoxys spp.); Bremsen
                                  (Tabanidae);Tsetse-Fliegen (Glossinae),
                                  aber auch durch weitere hämophage
                                  Vektoren möglich
Wildnager und                     Ca.120 Floharten,besonders die Rattenfloh-       Ja                         Ja
andere Kleinsäuger                spezies Xenopsylla cheopis; X.astia;             Urbane Reservoire
                                  X.brasiliensis; Pulex irritans (Menschenfloh);   und Vektoren z.T.endemisch
                                  Ctenocephalides felis (Katzenfloh);
                                  C.canis (Hundefloh)
Primäres Reservoir unbekannt      Keine bekannt                                    Nur durch Tiertransport     Nein
Sekundär Meerkatzen
(Cercopithecus aethiops)

                                                                                               Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2•2002   | 143
Originalien und Übersichtsarbeiten

        Fortsetzung Tabelle 1
        Reservoirtiere und tierische Vektoren von lebensbedrohenden hochkontagiösen Infektionserregern
        Erreger                             Erkrankung                          Vorkommen                     Letalitätsrate            Vermutete bzw.
                                                                                                                                        belegte
                                                                                                                                        Inzidenz/Jahr

        Omsker Hämorrhagisches              Omsker Hämorrhagisches Fieber       Westsibirien                  0,5–3%                    Unklar
        Fieber-Virus                                                                                                                    Vermutlich
Reservoirtiere/passive             Hämophage Vektoren                          Verschleppungsgefahr        Ausbreitungsrisiko
Vektoren                                                                       des infizierten             des Reservoirtiers/Vektors
                                                                               Reservoirtiers/Vektors      in Deutschland

Kleinsäuger,insbesondere           Schildzecken,insbesondere                   Ja                          Ja
Kleinnager,Ostschermaus            Dermacentor marginatus,D.reticulatus                                    Vektorkompetente Dermacentor-Zecken
(Arvicola terrestris) und          und D.apronophorus                                                      endemisch
Bisamratte (Ondrata zibethicus),
Schildzecken
Verschiedenste Säugetiere          >23 Stechmückenarten verschiedener          Ja                          Ja
                                   Gattungen wie Culex spp.(besonders                                      Vektoren teilweise endemisch
                                   Culex pipiens-Komplex); Aedes spp.;                                     (Culex pipiens-Komplex) bzw.saisonal
                                   Anopheles spp.; Stechgnitzen der Gattung                                 endemisierbar
                                   Culicoides,u.a.
Mäuse,insbesondere                 Keine bekannt                               Ja                          Unbekannt
Sigmodon alstoni;
Zygodontomys brevicauda

   eingeschleppt worden [27]. Die dortigen                misch. Die Schildzecke Dermacetor reti-           in die USA geführt haben, sind beim
   vektorkompetenten Stechmückenspezi-                    culatus wurde anscheinend im 20. Jahr-            Marburg-Virus Meerkatzen (Cercopith-
   es haben daraufhin die Infektionskette                 hundert nach Deutschland eingeschleppt            ecus aethiops) und beim Ebola-Virus
   über die infizierten Tierreservoire auf                und breitet sich seit den 70er-Jahren in          Makaken (Macacca fascicularis) [13, 32,
   den Menschen schließen können.                         Süddeutschland rasch aus, wobei sich              33]. Das Ebola-Restonvirus, das eine für
                                                          bereits fokal ein stabiler, neu endemisier-       Makaken tödliche hämorrhagische Er-
      Omsker Hämorrhagisches Fiebervirus                  ter Infektionszyklus der Hundebabesiose           krankung hervorruft, führte beim Men-
                                                          in den Räumen Kehl/Offenburg/Lahr/                schen nach allen bisher untersuchten
   Das zu den Flaviviren gehörende Omsker                 Emmendingen/Freiburg i.Br. etabliert              Fällen zu einer asymptomatisch verlau-
   Hämorrhagische Fiebervirus (OHFV)                      hat [30, 31]. Einer künftigen Etablierung         fenden Infektion mit Virämie und Anti-
   kommt hauptsächlich in den Steppenge-                  des OHFV in Deutschland steht nach Er-            körperbildung. Es konnte bisher nur mit
   bieten Westsibiriens vor und ist sehr eng              regereinschleppung hinsichtlich Reser-            einer Affenexportfirma auf den Philip-
   mit dem Erreger der Kyasanur Wald-                     voir- und Vektorvorkommen nichts im               pinen in Zusammenhang gebracht wer-
   krankheit, dem Kyasanur Forest Disease                 Wege.                                             den, wobei ungeklärt ist, ob das Ebola-
   Virus, verwandt. Als Reservoire für das                                                                  Restonvirus auf den Philippinen ende-
   OHFV sind hauptsächlich Ostschermäu-                      Ungeklärte Übertragungsmodi                    misch ist, oder vorher aus Afrika einge-
   se, Bisamratten, aber auch Mäuse, Rat-                    von Filoviren                                  schleppt wurde [32]. Filoviren werden
   ten und Spitzmäuse sowie Schildzecken                                                                    nosokomial, von Mensch zu Mensch,
   bekannt. Letztere tragen durch transova-                  Marburg- und Ebola-Viren                       neonatal oder durch Kontakt mit infi-
   rielle Übertragung des Erregers zur Er-                                                                  zierten Affen übertragen. Da bei einer
   haltung des natürlichen Zyklus bei.Vor-                Die hochpathogenen, zu den Filoviren              Reihe von Fällen der Übertragungsmo-
   nehmlich wird das Virus vektoriell durch               gehörenden Marburg- und Ebola-Viren               dus ungeklärt ist, wird zudem eine aero-
   die Schafzecken Dermacentor margina-                   scheinen seit ihrer Erstisolation 1967 re-        gene Transmission durch Tröpfchenin-
   tus und D. reticulatus übertragen. Nach                spektive 1976 häufiger als zunächst er-           fektion diskutiert, die bislang lediglich
   neueren Erkenntnissen ist das OHFV                     wartet aufzutreten [32]. Das Marburg-             beim Ebola-Restonvirus unter Affen be-
   aber auch durch direkte Transmission                   sowie das Ebola Hämorrhagische Fieber             legt ist [32].
   von der Bisamratte auf den Menschen                    zeichnen sich durch eine hohe Letalitäts-
   (Bisamrattenjäger) sowie über kontami-                 rate zwischen 22 bis 88% aus [32]. Das               Affenpockenviren
   niertes Wasser und durch Laborinfek-                   Naturreservoir beider originär in Zen-
   tionen übertragbar [13, 28, 29]. Neben                 tralafrika endemischen Virusspezies ist           Nach Eradikation des Pockenvirus kon-
   der im Pflanzenschutz in unseren Gebie-                trotz aller bisherigen Anstrengungen im-          zentriert sich die Aufmerksamkeit auf
   ten häufig schädlichen Ostschermaus                    mer noch unbekannt.Man nimmt jedoch               das mit dem Variolavirus (Poxvirus) ver-
   (Arvicola terrestris) sind nach Ansied-                an, dass es sich bei beiden Infektions-           wandte Affenpockenvirus (Orthopoxvi-
   lung der Bisamratte (Ondatra zibeticus)                krankheiten um Zoonosen handelt. Se-              rus). Klinischer Verlauf sowie Letalität
   im Jahre 1905 bei Prag und nahezu lan-                 kundäre Reservoire,die letztendlich auch          einer Affenpockeninfektion sind nahe-
   desweiter Ausbreitung in Deutschland                   zu einer Einschleppung des Marburg-               zu mit denen des Humanpockenvirus
   sowohl beide Hauptreservoire als auch                  bzw. des Ebola-Virus nach Deutschland             identisch [13]. Zwischen 1970 und 1986
   die beiden Hauptzeckenvektoren ende-                   und Jugoslawien bzw. nach Italien und             sind über 400 Fälle humaner Affenpocken

                                                                                           Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2•2002   | 145
Originalien und Übersichtsarbeiten
    aus Zentralafrika, hauptsächlich Zaire,                  Wirt annimmt, desto eher kann sie am          gungsform differenzieren. Die industri-
    dokumentiert worden. Die Erkrankung                      urbanen Transmissionsmodus der Pest           elle Form manifestiert sich beim Men-
    tritt einzeln oder in kleinen Gruppen                    teilhaben. Dies trifft insbesondere auf       schen zumeist in der kutanen, gelegent-
    von wenigen Personen auf. Neuere Da-                     den südlichen Rattenfloh, Xenopsylla          lich jedoch auch in der pulmonalen Ma-
    ten scheinen dafür zu sprechen, dass                     cheopis, aber auch auf den Menschen-          nifestation durch Kontakt mit zu verar-
    sich das Affenpockenvirus auf den Men-                   floh, Pulex irritans, zu. Auch heute noch     beitenden infektiösen Tierbestandteilen
    schen adaptieren könnte, da die Sekun-                   ist der Pesterreger in 38 Ländern Ame-        wie Haare und Felle sowie durch Kon-
    därinfektionsrate von Mensch zu Mensch                   rikas, Afrikas und Asiens zumeist in sy-      takt mit verseuchtem Erdboden aber auch
    in jüngster Zeit zugenommen hat [34].                    lvatisch-enzootischen Transmissionszy-        Schlachttieren bzw. von diesen gewon-
    War man bisher der Meinung, dass eine                    klen endemisch und tritt mit einer jähr-      nenen Produkte. Letztere kommt bei der
    Übertragung von Mensch zu Mensch                         lichen Inzidenz von 200 bis 6000 Fällen       industriellen Übertragungsform erheb-
    nur zu einem geringen Prozentsatz nach                   auf [36]. Bei auftretenden Lungen- und/       lich häufiger vor, als bei der nicht-indu-
    Kontakt zu Primärfällen auftritt, zeigte                 oder Bubonenpestepidemien, wie z. B.          striellen, die hauptsächlich über Kontakt
    der jüngste größere Ausbruch 1996/97 in                  1994 in Indien oder 1995 auf Madagas-         mit lebenden infizierten Tieren akqui-
    der Demokratischen Republik Kongo                        kar, muss die Gefährdung der Verschlep-       riert wird.Aufgrund des Transportes in-
    ein anderes epidemiologisches Trans-                     pung infizierter Schadnager und/oder          halierter Sporen durch Makrophagen in
    missionsmuster [34, 35]. Von Februar                     Flöhe über Handel und Verkehr durch           das lymphatische System führt Lungen-
    1996 bis Februar 1997 wurden insgesamt                   Überwachungs- und Quarantänisierungs-         milzbrand nach Septikämie rasch zum
    88 Fälle von Affenpocken aus zwölf Dör-                  maßnahmen auf ein vertretbares Mini-          Tode [40]. Die Bacillus-anthracis-Sporen
    fern nachgewiesen, wobei die Mehrzahl                    mum gesenkt werden. Epidemiologisch           mit sehr hoher Tenazität (Widerstands-
    der Erkrankungsfälle sekundär akqui-                     interessant ist eine Adaptierung von Yer-     fähigkeit) lassen sich effizient auch durch
    riert wurde [35]. Primärreservoir des Af-                sinia-pestis-Stämmen aus den USA an           passive Vektoren und Vehikel wie konta-
    fenpockenvirus sind hauptsächlich in                     Hauskatzen, die nicht mehr grundsätz-         minierte Erde und Wasser übertragen
    Ölpalmenplantagen um die Dörfer le-                      lich an Pest erkranken, sondern in 62,5%      [9,40],wobei eine Weiterverbreitung von
    bende Eichhörnchen der Gattungen Fu-                     der Infektionsfälle einen asymptomati-        B. anthracis-Sporen und/oder -Bakteri-
    nisciurus und Heliosciurus [13, 34].                     schen bzw. abortiven Verlauf aufweisen.       en durch Fliegen vor allem blutsaugende
                                                             75% der die Pestinfektion überlebenden        Fliegen und Schmeißfliegen (Callipho-
        Übertragung bakterieller Erreger                     Hauskatzen waren infektiös. Über infek-       ridae) unter bestimmten Voraussetzun-
                                                             tiöse Katzen mit asymptomatischem             gen möglich und experimentell belegt
        Yersinia pestis                                      Krankheitsverlauf kann das Pestbakte-         ist [41]. Eine Übertragung von Mensch
                                                             rium anschließend durch Biss, Kratzen,        zu Mensch ist extrem selten [13, 40].
    Seitens der beiden oben genannten In-                    etc. direkt auf den Menschen übertragen
    fektionserkrankungen bakteriellen Ur-                    werden, der naturgemäß einen sehr en-           Einschleppungsmöglichkeiten
    sprungs (Lungenpest, Milzbrand) ist die                  gen Kontakt zu Haustieren hält [37]. Da         pathogener Erreger
    Reservoireigenschaft von Klein- und                      bei diesem Transmissionsmodus über
    Schadnagern für Yersinia pestis von be-                  Hauskatzen die spezifische Therapie oft-      Mit Stand 2000 waren 1709 humanpa-
    sonderer Bedeutung. Das Pestbakterium                    mals zu spät einsetzt, beträgt die Letali-    thogene Erreger bekannt, von denen
    kommt zwar überwiegend im sylvati-                       tätsrate beim Menschen in den USA 16%         832 (49%) Zoonosen verursachen. Von
    schen Übertragungsmodus (Übertra-                        [37, 38] im Gegensatz zu 8,7% im Verlau-      den 1709 Erregern wiederum sind 156
    gungsmodus im Wald) bei wald- und                        fe der Bubonenpestepidemie auf Mada-          als aktuell wiederauflebend („emerg-
    steppenbewohnenden, nicht kommen-                        gaskar 1995 [39]. Dies stellt ein aktuelles   ing“) klassifiziert worden. Von die-
    salen Nagetieren vor, kann aber durch                    Beispiel dafür dar, dass Evolutions- und      sen wiederauflebenden 156 Infektions-
    Infektion von Populationen synan-                        Selektionsmechanismen von Infektions-         krankheiten sind 114 (73%) Zoonosen
    throper und kommensaler Schadnager,                      erregern kontinuierlich weiter laufen         [42]. Bezüglich der lebensbedrohenden
    z. B. Hausratten, direkt in das menschli-                und ständig beobachtet und dokumen-           hochkontagiösen Erreger von Zooan-
    che Umfeld gelangen und urbane Pest-                     tiert werden müssen. Die gefürchtete          throponosen wird in der Fachliteratur
    epidemien hervorrufen. Die möglichen                     hochkontagiöse Lungenpest tritt natür-        im Sinne der „emerging diseases“ ein
    Transmissionswege der Pest sind extrem                   lich erst im Verlaufe einer primär akqui-     häufigeres Auftreten von Affenpocken,
    heterogen und komplex, da nicht nur                      rierten, flohübertragenen Bubonenpest-        Argentinischem Hämorrhagischen Fie-
    Primär- und Sekundärwirt sowie Vek-                      epidemie durch Kompartimentwechsel            ber, Dengue Hämorrhagischem Fieber,
    tor, sondern auch der Organkomparti-                     vom Lymphsystem über die bakteriämi-          Ebolafieber, Hantavirosen, Lassafieber,
    mentwechsel im infizierten Wirt von be-                  sche Streuung in die Lunge des infizier-      Marburgfieber, Rifttalfieber und Pest
    sonderer Bedeutung ist. Neben dem spe-                   ten Menschen sekundär auf.                    postuliert. In diesem Zusammenhang
    zifischen Verhalten der Reservoirnager                                                                 können drei verschiedene Gruppen von
    spielt die Bionomie der die Pesterreger                     Bacillus anthracis                         Infektionskrankheiten differenziert wer-
    aktiv übertragenden Flohspezies eine                                                                   den [43]:
    weitere besondere Rolle. Je enger die                    Anthrax ist eine weit verbreitete Zoono-
    Flohspezies mit dem Lebensraum des                       se von Nutz- und Wildtieren. Epidemio-        ◗ Krankheiten, die erst in den
    Menschen vergesellschaftet ist, und je                   logisch lassen sich in eine industrielle        letzten vier Jahrzehnten auftauchten
    eher sie den Menschen als atypischen                     und eine nicht-industrielle Übertra-            („emerging diseases“),

146 |   Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2•2002
◗ Krankheiten, die unter Kontrolle          reger, Vektor, Vektor + Erreger, Reser-           reservoire vor allem aus der Gruppe der
  schienen und jetzt wieder vermehrt        voirmedien (Tiere, Lebens- oder Futter-           kommensalen und/oder synanthropen
  auftreten („resurging diseases“) und      mittel etc), Reservoirmedien + Erreger            Ratten und Mäuse. Diese Einschleppung
◗ Krankheiten, die sich in Gebiete          oder Erreger + Vektor + Reservoirmedi-            kann durchaus gemeinsam mit dem in-
  ausbreiten, in denen sie bislang          en selbstständig aus. Im Gegensatz dazu           fizierten Menschen oder Nutztier erfol-
  nicht endemisch waren („introduced        findet bei der passiven Ausbreitung ei-           gen. Besonders geeignet für die Ein-
  diseases“).                               ne Verschleppung der genannten Be-                schleppung von Vektoren und Reservoi-
                                            standteile der Infektionskette durch ver-         ren von Tieren aus der Klasse der Ar-
Die Gründe für die gegenwärtige, global     schiedenste Transportmedien statt. Eine           thropoden und der Ordnung der Nage-
zu verzeichnende Ausbreitungstendenz        Übersicht über die wichtigsten Fakto-             tiere sind der Luft- sowie der Seever-
von Infektionskrankheiten sind multi-       ren, die zur aktiven bzw. passiven Aus-           kehr. Die „Markererkrankung“ für eine
faktoriell und insbesondere abhängig        breitung führen gibt Abb. 1.                      tatsächlich stattgefundene Einfuhr infi-
von den folgenden Faktoren [1, 3, 9]:            Während die aktiven Ausbreitungs-            zierter hämophager Vektoren ist die
                                            mechanismen nur durch Monitoring-                 Flughafen- und Seehafenmalaria [44].
◗ Veränderungen in den Sozial-              maßnahmen überwachbar und nur in                  Zuerst im Jahre 1977 beschrieben, sind
  strukturen,                               Sonderfällen steuerbar sind, kann bei al-         bis Ende 1997 insgesamt 63 sichere Fälle
◗ globales Bevölkerungswachstum,            len passiven Ausbreitungsmechanismen,             der verschiedenen Formen der Flugha-
◗ steigendes Migrationsverhalten,           die anthropogenen Ursprungs sind, di-             fenmalaria allein aus Europa publiziert
◗ Veränderungen in den Gesundheits-         rekt durch verschiedene ein- und ver-             worden [44]. Wohl aufgrund der globa-
  systemen,                                 schleppungsverhindernde sowie -mini-              len Häufigkeit der Malaria mit einer
◗ exzessiver Gebrauch von Antibiotika,      mierende Maßnahmen eingegriffen wer-              jährlichen Inzidenz von 300 bis 500 Mil-
◗ sinkende Durchimpfungsraten               den. Beim Management im Fall der Ein-             lionen Fällen und den einfachen, über-
  und Einstellen von Impfstoff-             schleppung gefährlicher Erreger durch             all verfügbaren diagnostischen Nach-
  produktionen,                             infizierte menschliche Reservoire sind            weismöglichkeiten fällt ein Import die-
◗ steigende Anzahl immunsupprimier-         die notwendigen Risikoanalysen bereits            ser Krankheit mit großer Wahrschein-
  ter Patienten,                            durchgeführt worden und der Aufbau                lichkeit auf.
◗ Globalisierung von Nahrungs-              von Kompetenz- und Behandlungsstruk-
  mittelproduktion, -verarbeitung und       turen ist weit fortgeschritten. Ähnliches            Einschleppungen über den
  -verteilung,                              gilt für Nutztierreservoire bzw. mit ge-             Flugverkehr
◗ Veränderungen im menschlichen             fährlichen Erregern infizierte Nutztiere.
  Verhalten wie verstärkte Reisetätig-      Hier werden tierseuchenrechtliche Be-             Mit welcher Wahrscheinlichkeit z. B. Fäl-
  keiten etc.,                              stimmungen wie Quarantänierung und                le einer durch exotische Erreger hervor-
◗ Umweltveränderungen, die zu Habi-         andere tierseuchenpräventive Maßnah-              gerufenen viralen Flughafenenzephali-
  tat- und Klimaänderungen mit häu-         men mittels vorhandener Strukturen                tis oder ein autochthon in Deutschland
  figen Dürre- und Flutkatastrophen         (z. B.Veterinär- und Lebensmittelunter-           akquiriertes Flughafen-Rifttalfieber
  oder zur Schaffung von neuen              suchungsämter sowie Tiergesundheits-              diagnostiziert würde, ist derzeit unklar.
  Entwicklungsnischen für Vektoren          dienste) umgesetzt.                               Untersuchungen belegen, dass vektor-
  und Reservoirtiere führen,                     Anders ist die Situation bei der Ein-        kompetente Stechmückenspezies unter
◗ fortschreitender Zerfall staatlicher      schleppung infizierter Vektoren oder Tier-        anderem für Dengue Hämorrhagisches
  Gesundheitssysteme bzw. Eingriffe
  durch fachlich nicht entsprechend
  qualifizierte Administratoren in
  Maßnahmenplanungen und -abläufe,
◗ Mutations-, Selektions- und Adaptie-
  rungsprozesse innerhalb der Mikro-
  organismen,Vektoren und Reservoire,
◗ zunehmende Urbanisierungstenden-
  zen von Vektoren und Reservoiren
  sowie
◗ Wegfall von spezifischen Ausbildun-
  gen und Referenzstellen z. B. zur
  gesundheitlich orientierten Schäd-
  lingsbekämpfung sowie zur Ektopa-
  rasitologie und Vektorwissenschaft.

Hinsichtlich der Ausbreitungsprinzipen
vektorassoziierter Infektionserkrankun-
gen lassen sich die aktive und die passi-
ve Ausbreitung unterscheiden. Bei der
aktiven Ausbreitung verbreiten sich Er-     Abb.1  Übersicht über die wichtigsten Ausbreitungsmechanismen und -faktoren

                                                                             Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2•2002   | 147
Originalien und Übersichtsarbeiten
    Fieber, Rifttalfieber, Gelbfieber und Ma-                von Aedes atropalpus und der nordame-           sind die ca. 2 Mio. Tonnen Getreide, die
    laria auch aus Endemie- und Epidemie-                    rikanischen kälteresistenten Variante           pro Jahr eingeführt wurden, vermehrt
    gebieten auf dem Luftweg weltweit ver-                   von Aedes albopictus in Südeuropa (auf          als Schüttgut per Container umgeschla-
    schleppt werden [45, 46]. Das Verschlep-                 dem Seeweg über Altreifen mehrfach              gen worden. Überwiegend aus Westafri-
    pungspotenzial von anderen vektor-                       aus den USA eingeschleppt) und von Ae-          ka werden pro Jahr ca. 250.000 t Rohka-
    kompetenten Gliedertierordnungen wie                     des albopictus in Nordaustralien (auf           kao eingeführt, die bis zum Eintreffen
    Schild- und Lederzecken, Flöhe, Raub-                    dem Seeweg aus Papua Neuguinea ein-             im Hamburger Hafen zwölf bis 16 Tage
    wanzen, Myiasiserreger etc. sind bislang                 geschleppt).                                    auf See waren. Eine vollständige Kon-
    nur wenig untersucht worden. Der Im-                          Auch Nagetiere wie Ratten und Mäu-         trolle durch die Behörden ist völlig un-
    port von infizierten Nagetieren über                     se werden hauptsächlich auf dem Seeweg          möglich. Ein Import von hygienerele-
    Flugzeuge ist nach bisherigen Erkennt-                   vor allem mit Nahrungsgütern verschleppt.       vanten Nagetieren kann zudem auch mit
    nissen und Erfahrungen jedoch eher sel-                  Als Reservoir und Vektor der amerikani-         anderen Waren wie z.B.Textilien erfolgen
    ten. Während der Pestepidemie in Indi-                   schen hämorrhagischen Fieber, des Las-          [PD Dr. Schliesske, Universität Hamburg,
    en 1994 wurde allerdings einer von dort                  safiebers und der verschiedenen Hanta-          Institut für Angewandte Botanik, Abt.
    kommenden Maschine wegen einer Rat-                      virosen stellen insbesondere die stark          Amtliche Pflanzenbeschau, Hamburg,
    te an Bord der Weiterflug untersagt.                     kommensalen und/oder synanthropen               persönliche Mitteilung]. Eine Einschlep-
    Auch der Aspekt der Material- und Flug-                  Spezies, die aktiv das Umfeld oder die          pung z.B.über Textilien und andere Han-
    sicherheit bei Schadnagerbefall impli-                   Nahrungsmittelvorräte des Menschen su-          delsgüter halten die Nagetierexperten
    ziert, dass zumindest ein kontinuierli-                  chen, eine besondere Gefahr für die Ein-        der Biologischen Bundesanstalt für Land-
    ches Monitoring auf vorliegenden Schad-                  schleppung lebensbedrohender hoch-              und Forstwirtschaft insbesondere für
    nagerbefall im Flugzeug notwendig ist                    kontagiöser Infektionserreger dar.Da die-       Mäuse möglich, da diese bezüglich ihres
    [47]. Zur Verhütung der Einschleppung                    se Tiere – und nicht nur die Hausmaus           Wasserbedarfes anspruchsloser sind als
    von Gliedertiervektoren über den Luftweg                 sowie die Haus- und Wanderratte – be-           Ratten. Eine systematische qualitative
    nach Deutschland werden seitens des                      vorzugt Nahrungs- und Futtermittel be-          und quantitative Untersuchung zum Ein-
    Umweltbundesamtes seit etwa zwei Jah-                    fallen, werden sie mit den globalen Han-        schleppungsrisiko von hygienerelevan-
    ren Mittel und Verfahren zur Flugzeug-                   delslieferungen häufiger verschleppt (vgl.      ten Schädlingen über den Seeweg nach
    desinfektion mit dem Ziel der schnellst-                 Tabelle 1).                                     Deutschland steht bislang noch aus.Über
    möglichen Populationstilgung in Labor                         In einigen Seehäfen befinden sich          das Infektionsschutzrecht, den Hafen-
    und Praxis geprüft [47], so dass in ab-                  so genannte Einlassstellen, über die die        ärztlichen Dienst und die entsprechen-
    sehbarer Zeit auch hier eine Handlungs-                  aus Übersee stammenden Handelsgüter             den Rechtssetzungen im Veterinärwesen
    grundlage für die Verhinderung der Ein-                  nach Deutschland eingeführt werden.             allein ist daher eine wirksame Abwehr
    schleppung mit gefährlichen Erregern                     Gemäß gültiger Planzenbeschau-Ver-              eingeschleppter, potenziell vektorkom-
    infizierter Vektoren gegeben ist. Bisher                 ordnung ist für den Bereich Pflanzen-           petenter Nage- und Gliedertiere nicht
    wird die Schädlingsbekämpfung in Flug-                   schutz dezidiert vorgeschrieben, welche         möglich.
    zeugen nur ungenügend durchgeführt.                      Waren in den Einlassstellen auf welche               Im Rahmen zunehmender globaler
                                                             Schädlinge untersucht werden müssen.            Umweltveränderungen mit rapiden Ur-
        Einschleppungen                                      Entsprechende Regelungen für den Hy-            banisierungstendenzen sind auch Gleich-
        über den Schiffsverkehr                              gienebereich liegen derzeit nicht vor. In       gewichtsveränderungen im epidemiolo-
                                                             den Einlassstellen Emden und Wilhelms-          gisch-infektiologischen Gefüge zwischen
    Der Schiffsverkehr war seit jeher ein ef-                haven werden z. B. jährlich jeweils über        Reservoir, Vektor und Erreger zu analy-
    fektiver Verschleppungsweg für verschie-                 100.000 t Getreide und Futtermittel aus         sieren und zu beachten [9]. So war das
    denste Vektoren und mit ihnen assozi-                    Übersee eingeführt, die nicht beschau-          Argentinische Hämorrhagische Fieber
    ierten Erregern. Die gefürchteten Gelb-                  pflichtig nach Pflanzenschutzrecht sind,        in der Vergangenheit unbekannt, bis Far-
    fieberepidemien, die vom 16. bis zum An-                 und daher auch nicht quarantänisiert            mer in der südamerikanischen Pampas
    fang des 20. Jahrhunderts auf Schiffen                   oder auf Schädlingsbefall, z. B. auf hygie-     im großen Maßstab Mais anbauten. Die-
    und in klimatisch günstigen Seehäfen                     nerelevante Nagetiere, untersucht wer-          se Biotopveränderung führte zu einer
    auch in Europa in großem Umfang aus-                     den. Sollte bei anderen, beschaupflichti-       rapiden Populationszunahme von Calo-
    brachen, sind dafür ein gutes Beispiel                   gen Handelsgütern aus Übersee neben             mys musculinus, der Reservoirmaus für
    [48]. Heute wird eine neue Ausbreitungs-                 den eigentlich zu beprüfenden Holz-             das ursächliche Agens dieser Infektions-
    welle von vektorkompetenten Stech-                       und Pflanzenschädlingen ein Schadna-            erkrankung, dem Juninvirus, mit heute
    mücken beobachtet, die ihren Ursprung                    gerbefall festgestellt werden, so liegt z. Z.   100 bis 3500 Fällen pro Jahr [33]. Gründe
    in Altreifenlieferungen hat. Im Verlaufe                 keine Rechtsgrundlage für deren Be-             für diese permanente Massenvermeh-
    der letzen Dekade beispielsweise kam es                  kämpfung vor [PD Dr. Lauenstein, Land-          rung der Tiere war einerseits der Rück-
    zu einer Ansiedlung und Ausbreitung sta-                 wirtschaftskammer Weser-Ems, Olden-             gang der natürlichen Feinde, hauptsäch-
    biler Populationen von Aedes albopic-                    burg, persönliche Mitteilung].Vergleich-        lich Raubvögel, andererseits die Anlage
    tus, einem potenten urbanen Vektor für                   bares gilt für die Situation im Hambur-         kilometerlanger Maislager, die durch die
    mehr als 20 humanpathogene Viren und                     ger Hafen. Ein hoher Teil des dortigen          kommensal gewordene Mausspezies im
    von Ochlerotatus (Aedes) japonicus ja-                   Umschlags entfällt auf Container, von           großen Umfang befallen wird [12]. Durch
    ponicus in den USA (wahrscheinlich auf                   denen pro Jahr durchschnittlich 4 Mio.          Maislieferungen aus diesen Regionen
    dem Seeweg aus Asien eingeschleppt),                     eingeführt werden. In den letzten Jahren        können interkontinental mit hoher Wahr-

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scheinlichkeit mit dem Juninvirus infi-       Die jeweils gültige Fassung der geprüf-          bekämpfung vor der eigentlichen Nage-
zierte Calomys-musculinus-Mäuse auch          ten und anerkannten Mittel und Verfah-           tierbekämpfung, vermieden wird.
nach Deutschland verschleppt werden.          ren zur Bekämpfung von tierischen                      Der Einsatz von Mitteln und Verfah-
     Es gibt zudem Hinweise darauf, dass      Schädlingen nach § 18 IfSG wird im Bun-          ren nach § 18 IfSG stellt also hohe medi-
solche Einschleppungen tatsächlich vor-       desgesundheitsblatt bekannt gemacht.             zinisch-zoologische, infektiologische,
kommen, denn anders lassen sich in            Die bisher letzte Novellierung dieser Lis-       technische und rechtliche Anforderun-
Deutschland Funde der tropischen Rat-         te, die sowohl die Entwesungsmittelliste         gen an die einschlägige Ausbildung und
tenmilbe, Ornithonyssus bacoti, und an-       als auch die Nagetierbekämpfungsmit-             vor allem die Fortbildung der Amtsärz-
derer exotischer Ektoparasiten nicht er-      telliste enthält, wurde im Jahr 2000 ver-        te, Gesundheitsaufseher und der gewerb-
klären. Die Anwesenheit dieser Ektopa-        öffentlicht [50]. Weiterhin können für           lichen und behördlichen Schädlingsbe-
rasiten fällt in aller Regel aber erst dann   den Menschen relevante Lücken auf                kämpfer. Dies trifft insbesondere dann
auf, wenn es zu einem merklichen Befall       dem Gebiet der Lebensmittelinfektio-             zu, wenn eingeschleppte, in Deutschland
beim Menschen gekommen ist, wie z. B.         nen, Toxikationen und Intoxikationen             nicht endemische Reservoire und/oder
durch eine ausgeprägte, Lindan-resis-         sowie Zooanthroponosen durch das Tä-             Vektoren nach dem Tilgungsprinzip zu
tente Dermatitis bei sechs Studenten in       tigwerden der dafür zuständigen Veteri-          bekämpfen sind. Dann ist einerseits oft-
Lübeck, die durch Ornithonyssus bacoti        närbehörde geschlossen werden. In aller          mals wenig über Bionomie und Trans-
hervorgerufen wurde [49]. Systematisch        Regel setzt sie ebenfalls Mittel und Ver-        missionsweg des Vektor-Erreger-Kom-
wird dem Problem der Einschleppung            fahren der o.g. Liste ein. Diese Liste ist       plexes bekannt, was zu Problemen bei
hygienerelevanter Schädlinge, die Reser-      für die Behörden in vielen Bundeslän-            der exakten Definition der Infektions-
voire und/oder Überträger von human-          dern aufgrund verwaltungsrechtlicher             kette und deren Unterbrechung führen
pathogenen, auch gefährlichen Infekti-        Vorschriften verbindlich.                        kann, andererseits sind gegen exotische,
onserkrankungen darstellen können, in               Wegen der angestrebten effektiven          in Deutschland nicht vorkommende Ge-
Deutschland gegenwärtig nicht nachge-         Infektionskettenunterbrechung im Seu-            sundheitsschädlinge in der Regel keine
gangen. Überdies herrscht im Bereich          chenfall erfolgen die Wirksamkeits- und          Mittel und Verfahren nach § 18 IfSG ge-
des Gesundheits- und Veterinärwesens          Anwendungsprüfungen für Mittel und               prüft und gelistet, weshalb hierbei meist
ein eklatanter Mangel an einschlägig          Verfahren nach § 18 IfSG nach dem Til-           Indikationslücken vorliegen. Bei Indika-
epidemiologisch-entwesungstechnisch           gungsprinzip und nicht, wie beispiels-           tionslücken sollten die Gesundheitsschäd-
aus- bzw. fortgebildetem akademischen         weise im Pflanzenschutz, nach dem                linge mit Mitteln und Verfahren be-
und technischen Personal.                     Schadschwellenprinzip [9]. Die Prüfung           kämpft werden, die in Abstimmung zwi-
                                              nach § 18 IfSG setzt daher den schwie-           schen den zuständigen Landesbehörden
  Infektionskettenunter-                      rigsten Fall der Schädlingsbekämpfung            und den Mittelprüfinstitutionen (Um-
  brechung                                    im Gesundheitsbereich voraus, nämlich            weltbundesamt und Bundesinstitut für
                                              den Seuchenfall beim Menschen.Für der-           gesundheitlichen Verbraucherschutz und
Das Gesetz zur Verhütung und Bekämp-          artige Infektionsfälle ist das Bekämp-           Veterinärmedizin bzw. Bundesinstitut
fung von Infektionskrankheiten beim           fungsziel die unverzügliche Eliminie-            für Arzneimittel und Medizinprodukte)
Menschen (Infektionsschutzgesetz-IfSG)        rung der beteiligten tierischen Vektoren         einvernehmlich für wirksam sowie in
ist durch Artikel 1 des Gesetzes zur Neu-     am gleichen Ort zur gleichen Zeit unter          Bezug auf die Auswirkungen auf die Ge-
ordnung seuchenrechtlicher Vorschrif-         Massenbefallsbedingungen.Die dabei auf-          sundheit und die Umwelt für vertretbar
ten (Seuchenneuordnungsgesetz) vom            tretenden Auswirkungen auf die mensch-           gehalten werden.
20. Juli 2000 bekannt gemacht worden          liche Gesundheit und die der Haustiere                 Besonders kritisch zu bewerten ist
und am 1.1.2001 in Kraft getreten. Gleich-    sowie auf die Umwelt müssen im Rah-              bei der Einschleppung von gefährlichen
zeitig wurde das ehemalige Bundes-Seu-        men des Vertretbaren sein. Der einzelne          Infektionserregern über gebietsfremde
chengesetz außer Kraft gesetzt. Inner-        Betroffene oder der ihn betreuende Arzt          Gesundheitsschädlinge die Zeit, die von
halb des IfSG sind für die Bekämpfung         bzw. der seinen Tierbestand betreuende           der Befallskontrolle über die Anordnung
vektorassoziierter Infektionskrankhei-        Tierarzt wäre mit der Durchführung ei-           der Bekämpfungsmaßnahmen nach § 18
ten des Menschen, so genannte Zooan-          ner solchen behördlichen, hochprofes-            IfSG, die Herstellung einvernehmlicher
throponosen, die §§ 16, 17 und 18 von be-     sionell auszuführenden Anordnung zur             Definitionen über wirksame Mittel und
sonderem Interesse.Wenn Gesundheits-          Entwesung oder zur Nagerbekämpfung               Verfahren bei zu befürchtenden Indika-
schädlinge festgestellt werden und die        mit dem Ziel der Verhinderung der Keim-          tionslücken, die Benennung im Seuchen-
Gefahr begründet ist, dass durch sie          verbreitung oder -übertragung qualita-           schutz kompetenter Schädlingsbekämp-
Krankheitserreger verbreitet werden, so       tiv und oft auch wirtschaftlich i.d.R. völ-      fer bis zur Durchführung der eigentli-
hat die zuständige Behörde, in aller Re-      lig überfordert. Durch das gewählte Ver-         chen Bekämpfungsmaßnahme zur In-
gel der Amtsarzt, die zu ihrer Bekämp-        fahren der Infektionsbekämpfung muss             fektionskettenunterbrechung vergeht.
fung nach dem Tilgungsprinzip erfor-          sichergestellt sein, dass Entwesung, Na-         Um diese Zeit kurz zu halten, wird drin-
derlichen Maßnahmen anzuordnen. Die           getierbekämpfung und Desinfektion sich           gend wenigstens eine Referenzstelle für
für behördlich angeordnete Entseuchun-        nicht gegenseitig blockieren und das die         die Risikobewertung und zumindest
gen, Entwesungen sowie die Bekämp-            Erregerverschleppung aus dem Befalls-            stichprobenartige Überwachung von Re-
fung von Krankheitserreger übertragen-        herd unbedingt durch Vorsichts-, z. B.           servoirtieren bzw. Vektoren aus aktiven
den Wirbeltieren notwendigen Vorga-           Desinfektionsmaßnahmen oder z. B. im             Endemie- oder Epidemiegebieten benö-
ben sind dem § 18 IfSG zu entnehmen.          Falle der urbanen Nagerpest durch Floh-          tigt, die an ein Informationsnetz für Ge-

                                                                              Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2•2002   | 149
Originalien und Übersichtsarbeiten
    sundheitsbehörden und kompetentes                             Erfahrungen mit der Überschwem-          ordneter antiepidemischer Maßnahmen,
    Bekämpferpersonal angeschlossen sein                     mungskatastrophe in der Oderregion im         das Vorhalten ausreichend infektiolo-
    muss. Zudem ist das Vorhalten einer                      Juli und August 1997 zeigen, dass z. B. für   gisch aus- und fortgebildeter Schädlings-
    möglichst standardisierten Handlungs-                    die großflächige Bekämpfung von z. B.         bekämpfer und Desinfektoren sowie das
    richtlinie für Infektionsbekämpfungs-                    Stechmücken und deren Larven nach             Vorhalten ausreichender Mittelmengen
    maßnahmen von Nagetierreservoiren                        § 18 IfSG nicht genügend Mittel für den       im Falle von Großereignissen oder Katas-
    und Überträgern importierter gefährli-                   Katastrophenfall zur Verfügung stehen.        trophen stellen derzeit ein weiteres Pro-
    cher Infektionserreger u.a.für den schnel-               Vorräte von Notfallpräparaten in ausrei-      blem dar.
    len und effizienten Einsatz von Mitteln                  chend breiter Palette, wie sie von zahl-      Mangels entsprechend medizinisch ento-
    und Verfahren nach oder analog zu § 18                   reichen Staaten in einem zentralen, ei-       mologisch-parasitologisch und vor allem
    IfSG unabdingbar. Ziel muss in jedem                     ner staatlichen Kontrolle unterliegen-        tierisch-vektoriell arbeitender Referenz-
    Fall die Befallstilgung sein, letztendlich               dem Lager des Katastrophen- bzw. Zivil-       stellen und universitärer Einrichtungen
    auch, um eine anschließende Etablie-                     schutzes vorgehalten werden, sind in          sind die theoretischen und praktischen Er-
    rung und Ausbreitung gebietsfremder                      Deutschland nicht angelegt worden. Die-       kenntnisse und Erfahrungen bei der Über-
    Reservoirtiere und/oder tierischer Vek-                  ser Problematik der kurzfristigen Be-         wachung und Bekämpfung von vektoras-
    toren wirkungsvoll verhindern zu kön-                    reitstellung ausreichender Mengen til-        soziierten Infektionserkrankungen in
    nen. Dabei ist darauf zu achten, dass                    gend wirksamer Vektorenbekämpfungs-           Deutschland relativ gering. Gleichzeitig ist
    Menschen, Nichtzieltiere, Räume, Gerä-                   mittel für den Seuchenfall kann lediglich     das bis 1968 in Forschung und Lehre ver-
    te und anderes Material sowie Freiland-                  durch die nach Biozidrecht konzipierte,       tretene Fachgebiet der „Medizinischen En-
    zielflächen nur im Rahmen vertretbarer                   auf 120 Tage befristete Sonderzulassung       tomologie/Zoologie“, das auch die wissen-
    Auswirkungen durch das Mittel,die Rück-                  der Biozide durch die zuständige Bun-         schaftliche Bearbeitung der „praktischen
    stände und/oder deren Zersetzungspro-                    desoberbehörde entgegengewirkt wer-           Vektorenbekämpfung“ und der „persönli-
    dukte belastet werden.                                   den.                                          chen Schutzmaßnahmen gegen Vektoren-
         Dem Schädlingsbekämpfer/Desin-                                                                    stiche bzw. -bisse“ umfasst, derzeit durch
    fektor fällt trotz eines bestehenden guten                                                             deutsche Universitäten nicht mehr abge-
    hygienischen Umfeldes in Deutschland                        Fazit für die Praxis                       deckt. Aufgrund der allgegenwärtigen glo-
    eine wichtige Aufgabe im Seuchenschutz                                                                 balen Ausbreitungstendenz von alten wie
    zu, die hohe Anforderungen an Wissen,                    Ein Einschleppen lebensbedrohender und        neuen Infektionserregern ist dies ein un-
    Schutzvorkehrungen für die Mittelaus-                    zugleich hochkontagiöser Infektions-          haltbarer Zustand.
    bringer und die Zielraum- und Zielflä-                   krankheiten ist nicht nur durch den Men-      Im Rahmen der Überwachung,Verhinde-
    chennutzer sowie an die Bekämpfungs-                     schen selbst, sondern vor allem auch          rung, Minimierung und Bekämpfung vek-
    strategie stellt. Aufgrund ihrer beruflich               durch tierische Primärwirte und Vektoren      torenübertragener Seuchengeschehen
    bedingten Exposition gegenüber Nage-                     möglich. Es ist daher zwingend erforder-      durch gefährliche hochkontagiöse Erreger
    tieren und Vektoren sowie bioziden Mit-                  lich, die kompletten Infektionsketten so-     müssen daher künftig eine kontinuierlich
    teln gehören sie einer Risikogruppe an,                  wie das infektiologisch-ökologische Ver-      verfügbare Handlungsstruktur und die
    vor allem, da einige der genannten Infek-                halten der Einzelkomponenten, d. h. des       dazugehörige Logistik bereitgestellt wer-
    tionserreger wie z. B. die Hantaviren be-                Erregers, der Primär- und ggf. Sekundärre-    den. In diese muss die komplette Fach-
    reits endemisch sind [51]. Am Beispiel                   servoire und des Vektors genau zu kennen      kompetenz, insbesondere von epidemio-
    der Arenaviren, die hämorrhagische Fie-                  bzw. wissenschaftlich zu untersuchen. Nur     logisch-infektiologisch tätigen Human-
    ber hervorrufen, wird deutlich, dass kon-                diese Kenntnis wird es erlauben, ein konti-   medizinern, medizinischen Entomologen,
    sequente Infektionskettenunterbrechung                   nuierliches qualitatives wie quantitatives    Veterinärmedizinern, Gesundheitsaufse-
    nur durch Nagetierbekämpfung mit si-                     Monitoring des Infektionsdruckes sowie        hern, Schädlingsbekämpfern und Desin-
    multan durchgeführten Desinfektions-                     im Seuchenfall eine entsprechend profes-      fektoren, integriert werden. Eine solche
    maßnahmen bei gleichzeitiger Isolie-                     sionelle Infektionskettenunterbrechung        Struktur verlangt zunächst eine äußerst
    rung und Therapie von Erkrankten und                     gemäß Infektionsschutzgesetz durchfüh-        enge und kompatible Zusammenarbeit
    Ansteckungsverdächtigen erfolgen kann.                   ren zu können.                                der verschiedenen Bundesoberbehörden
    In diesem Zusammenhang ist es drin-                      Während das Management sowie die              wie z. B. des RKI, des UBA, des BgVV, aber
    gend erforderlich, dass die Schadnager-                  Kontrolle durch den Menschen importier-       auch der Bundeswehr sowie der Berufs-
    bekämpfung in enger Zusammenarbeit                       ter hochkontagiöser Infektionserkran-         verbände der Schädlingsbekämpfer und
    zwischen professionellen, durch die In-                  kungen ein funktionsfähiges Handlungs-        Desinfektoren. Für die praktische Umset-
    dustrie- und Handelskammer (IHK) ge-                     niveau erreicht hat, sind kontinuierliche     zung wiederum müssen Bekämpfungs-
    prüften Schädlingsbekämpfern und ei-                     Überwachungsmaßnahmen zur Verhin-             richtlinien, eine Liste mit ausreichend
    nem Desinfektor durchgeführt wird.Bes-                   derung der Einschleppung von infizier-        wirksamen Mitteln und Verfahren nach
    ser wäre noch die Doppelausbildung der                   ten Naturreservoiren oder Vektoren über       § 18 IfSG sowie ausreichende Mengen von
    im Teilgebiet „Gesundheitsschutz“ arbei-                 den Luft-, Land- und Seeweg nicht, noch       notwendigen Mitteln und Gerät vorgehal-
    tenden Schädlingsbekämpfer zum „Schäd-                   nicht, oder nur marginal verfügbar. Die       ten werden.
    lingsbekämpfer/Desinfektor“.                             zeitkritische, sachgerechte und professio-
                                                             nelle Anwendung von Nagetierbekämp-
                                                             fungs- und Entwesungsmitteln und -ver-
                                                             fahren nach § 18 IfSG im Rahmen ange-

150 |   Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2•2002
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