Generation Smartphone - Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - Katholische Pfarrei Romanshorn
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Nummer 14 9. bis 29. Juli 2017 3 Wochen Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau Generation Smartphone
Gesellschaft und Kirche Editorial Wie erreicht man Jugendlic Sie klicken, liken und kommentieren, sie Die Kirche will ins Netz twittern, surfen und posten, sie sind vir- tuell unterwegs und mehrheitlich online: die Millennials. Jene Generation, die kurz Sie heissen JAMES und Generation Smart- Zwischen Jugendlichen und ihren Smart- vor oder nach 2000 geboren wurde. Will phone und geben Auskunft über das Me- phones bestehe eine geradezu physische man mit ihnen kommunizieren, erreicht dienverhalten von Schweizer Jugend- und emotionale Nähe. Aussagen wie: «Ich man sie am besten im Netz. Das Familien- lichen. Zwei Forschungsprojekte zeigen: und mein Handy sind Best Friends.» oder leben wird deshalb über den Familienchat Jugendliche haben quasi eine zweite, eine «Wir sind ein Team.» kämen in der Erhe- organisiert, die Hausaufgaben über Whats- digitale Identität. bung mehrmals vor. Aufgrund der bisheri- app und das Ferienlager über Facebook. gen, noch nicht offiziellen Erkenntnisse, Telefon- oder Kursbücher kennen Millenni- Das Katholische Medienzentrum nahm die nutzen Jugendliche das Smartphone zur als bestenfalls vom Hörensagen, eine Te- Generalversammlung vom 19. Juni zum An- Pflege sozialer Kontakte und zur Unter- lefonwählscheibe ist für sie ein Gadget lass, um gleichsam der Jugend den Puls zu haltung. Sie organisieren damit aber auch aus dem letzten Jahrtausend. Dafür ha- fühlen. Es lud mit Lilian Suter und Gregor ihren Alltag. So finden sie online Informa- ben sie moderne Technologien gleichsam Waller zwei Forschende der ZHAW Zürcher tionen zu Stundenplan, Fahrplan, Haus- mit der der Muttermilch eingesogen. Hochschule für Angewandte Wissenschaft aufgaben, Wetter und anderem. Die Generationenkluft, die sich einst in ein, die direkt an den Projekten beteiligt Gregor Wanner von der ZHAW öffnete mit unterschiedlichen Weltanschauungen auf- sind. Sie gaben Einblick in ihre Untersu- seinen Ausführungen zur JAMES-Studie (sie- tat, ist heute primär zu einem digitalen chungen zum Medienverhalten von Jugend- he Kasten) den Fokus auf das Freizeit- und Graben geworden. Auf der einen Seite die lichen. Das ist ein Thema, das seit länge- Medienverhalten von Jugendlichen. Aus der Digital Natives, also die digitalen Urein- rem auch die Kommission für Kommuni- Langzeitstudie geht einerseits hervor, dass wohner, auf der andern die Digital Immi- kation und Öffentlichkeitsarbeit der Schwei- der mediale Alltag der Jugendlichen haupt- grants, wie sie von Soziologen genannt zer Bischofskonferenz beschäftigt. Sie war sächlich durch Handynutzung, Internetnut- werden, die sich in der Welt der «Bits and am Anlass vertreten durch ihre Leiterin, zung und Musikhören geprägt ist. Laut Erhe- Bites» nie ganz heimisch fühlen werden. Encarnación Berger-Lobato. Für die kirch- bung von 2016 verfügen 99 Prozent der Sie nutzen zwar Online-Medien, sie besit- liche Jugendarbeit referierte Viktor Zwölf- bis Neunzehnjährigen über ein Smart- zen ein Smartphone, Computer und Ta- Diethelm. Die Voten machten klar: Die phone und 75 Prozent über ein Laptop. Die blet. Aber sie denken und fühlen nach wie Vernetzung durch soziale Medien und Zeit, die sie online verbringen hat seit der vor analog. Digitale Medien sind ihre digitale Kommunikationskanäle ist aus Befragung von 2014 zugenommen. Sie stieg Werkzeuge – und nicht ihre Welt. dem Leben von Jugendlichen nicht mehr werktags um eine halbe Stunde auf zweiein- Diesen medialen Graben möchte die ka- wegzudenken. Wer sie erreichen will, halb Stunden und an Wochenenden um 40 tholische Kirche überbrücken, um in Zei- muss ins Netz gehen. Minuten auf drei Stunden 40 Minuten. ten von Fake News ein Zeichen zu setzen. Die Studie gibt auch Auskunft über die Be- Dass die Zeit überreif ist, machte un- Handy als «Best Friend» liebtheit von sozialen Netzwerken und Web- längst eine europaweite Online-Befragung «Das Smartphone hat eine grosse Bedeu- sites. Demnach sind 2016 Snapchat und mit dem Namen «Generation What» deut- tung im Leben der Jugendlichen.» Zu die- Instagram die grossen Aufsteiger bei den lich. Über sechs Millionen Menschen im sem Schluss kommt Lilian Suter, die aktiv sozialen Netzwerken. Facebook hat dage- Alter von 16 bis 34 Jahren nahmen daran am Forschungsprojekt «Generation Smart- gen an Popularität verloren. Bei den Websi- teil. Für die Kirchen sieht das Resultat phone» (siehe Kasten) beteiligt ist. tes ist Youtube bei Jugendlichen aktuell mit Titelbild: Für Jugendliche ein ständiger Begleiter: das Handy. Bild: clipdealer.com bedenklich aus: Auf die Frage, Traust du Abstand am beliebtesten. Allgemein stellt religiösen Institutionen?, lautete die Wanner einen Trend vom Wort zum Bild dominierende Antwort: Überhaupt nicht. fest. Das heisst, Jugendliche nutzen Youtu- In der Schweiz betrug die entsprechende Inhalt be nicht nur, um Videos zu ihrer Unterhal- Zustimmung 58 Prozent. tung anzusehen, sondern auch um Informa- Und so stellt sich die Frage: Wie erreicht 500 Jahre Reformation 6 tionen und Anleitungen zu erhalten. Aus die Kirche diese Generation? Anlässlich Wegbereiter und Rebell den Ergebnissen kann, so Wanner, der einer Veranstaltung im Katholischen Me- Martin Luther Schluss gezogen werden, dass sich Ju- dienzentrum Zürich referierten Kirchen- gendliche in ihrem Medienkonsum «noma- vertreter und Experten über gute Ideen Kirche ohne Grenzen – Albanisch 10 disierend» verhalten. und Grundlagenforschung. Jugendliche, «Heimat in die Schweiz bringen» Konstant zeigten sich die Jugendlichen da- Neue Mutter-Teresa-Statue in Wil wurde festgestellt, sind mediale Noma- gegen in ihrem nichtmedialen Freizeitver- den. Im Netz verhalten sie sich volatil. halten. «Freunde treffen» steht in allen vier Thurgau 12 Aber noch etwas anderes wurde deutlich. Lagerleben als Lebensschule bisher erstellten Befragungen an der Spit- In ihrem nichtmedialen Freizeitverhalten Suchtprophylaxe im Ferienlager ze. 2016 setzten es 76 Prozent an erste zeigen sich Digital Natives seit Jahren Stelle. Das zeigt, dass Jugendliche den per- konstant: «Freunde treffen» ist mit Ab- Kurse · Tagungen 14 sönlichen sozialen Kontakt hoch werten. stand der Spitzenreiter! Zudem würden sich die Kriterien «medial» Gottesdienste an den Wochenenden 15 und «nichtmedial» immer häufiger über- schneiden. Etwa dann, wenn Jugendliche Kalenderblatt · Zum Schluss 16 gemeinsam digitale Medien nutzten. 2 forumKirche | 14-2017
Gesellschaft und Kirche he? News Bild: Sibylle Zambon-Akeret ■ Web-Video-Serie zum Niklaus-Jubiläum Der Trägerverein «600 Jahre Niklaus von Flüe» und das Katholische Medienzentrum produzieren gemeinsam eine Web-Video- Serie zum Jubiläumsjahr. Diese startet mit einem Besuch im Museum Bruder Klaus in Sachseln, zeigt aktuelle Projekte wie Abt Christian Meyer auf dem Bruderklau- senweg, «Niklaus von Flüe – Unterwegs» oder Einblicke in die geplanten Gedenk- tage im Herbst 2017. ■ Leistungen grösser als Staatsbeitrag 50 Millionen Franken erhalten die rö- misch-katholische und die reformierte Kirche jedes Jahr vom Kanton Zürich. Die- ser Beitrag ist mehr als gerechtfertigt, wie eine aktuelle Studie der Universität Zürich ergeben hat. Denn die gesamtgesellschaft- E. Berger, G. Waller, Ch. Martig (Medienzentrum), L. Suter, V. Diethelm (v. l. n. r) lichen Leistungen der Kirchen betragen in Geld umgerechnet etwa 62 Millionen Franken und sind grösser damit als der Wanner: «Die Grenzen zwischen online und Whatsapp verbreitet werden. Und Diethelm Staatsbeitrag. offline sind fliessend.» schloss: «Viele kleine Initiativen sollen etwas Grosses geben. Es braucht einen ■ Kolumbianische Menschenrechtler «Lücke füllen» Auftritt der katholischen Kirche.» geehrt Encarnación Berger-Lobato griff in ihrem Der Prix Caritas 2017 in der Höhe von Votum nochmals die Bedeutung persön- Sibylle Zambon-Akeret 10’000 Franken geht nach Kolumbien: Die licher Kontakte auf: «Das Medienprojekt der Anwältin Luz Estela Romero und ihr Be- Kirche soll keinesfalls den direkten Kontakt rufskollege Ricardo Esquivia durften den zu den Jugendlichen ersetzen.» Es gehe Generation Smartphone Preis in Luzern entgegennehmen. Romero deshalb darum, die Zusammenarbeit mit Im Fokus des Projekts steht die Nutzung leitet die feministische Menschenrechts- den Jugendlichen zu suchen. Als Beispiele, des Smartphones durch 13- bis 19-Jähri- organisation «Colemad». Ricardo Esquivia wie diese funktionieren könnte, nannte sie ge. Die Erhebungsphase der qualitativen gehörte dem nationalen Friedensrat an das St. Galler Jugendmagazin «d(ich)!» oder Studie ist bereits abgeschlossen. Dafür und war Koordinator der Menschenrechts- Radio Fisherman.FM. Wichtig sei, so Berger, wurde das Medienverhalten von 30 Ju- kommission der evangelischen Kirchen. dass die Medienzentren sich mit den Ju- gendlichen untersucht. Diese führten ■ Vatikan-Finanzchef unter Verdacht gendverbänden und der Pastoral vernetzten. Tagebuch zu ihrem Smartphone-Konsum Die australische Polizei hat ein Ermitt- «Wir möchten Bestehendes aufnehmen und und kommunizierten diesen via Whatsapp lungsverfahren gegen den Finanzchef des dort, wo gute Anfänge gemacht wurden, an die Studienleitenden. In einem zweiten Vatikan, Kurienkardinal George Pell, ein- verstärkend wirken.» Schritt wurden acht Jugendliche in Inter- geleitet. Wie die Polizei mitteilte, geht es Auch Viktor Diethelm bestätigte, dass es views zu ihrem Smartphone-Verhalten be- um länger zurückliegende Missbrauchs- bereits gute Ansätze bei Verbandsseiten fragt. Die offizielle Auswertung der Studie vorwürfe. Es gebe mehrere Kläger. Weitere und Jugendorganisationen gebe. Als Leiter wird auf Herbst 2017 erwartet. Details nannte sie nicht. Pell soll demnach der Deutschschweizer kirchlichen Jugendar- am 18. Juli vor dem Amtsgericht in Mel- beit vertritt er eine Zielgruppe von 350‘000 JAMES bourne erscheinen. Pell weist alle Vorwürfe Jugendlichen. Es gehe nun darum, so JAMES steht für Jugend, Aktivitäten, Me- nachdrücklich zurück. Diethelm, «die unterschiedlichen Outputs zu dien – Erhebung Schweiz und wird seit bündeln.» Wichtig sei, dass auch die 2010 alle zwei Jahre repräsentativ ■ Vatikan bewirbt sich um Oscar katholische Kirche in den neuen Medien durchgeführt. Dazu werden jeweils über Der Vatikan schickt für die Oscars 2018 vertreten sei. «Es geht darum, eine Lücke 1'000 Jugendliche im Alter von 12 bis erstmals einen eigenen Beitrag ins Ren- zu füllen.» Allerdings betont er, dass dabei 19 Jahren aus den drei grossen Sprach- nen, nämlich den 45-minütigen Dokumen- nicht nach dem Top-Down-Prinzip gehandelt regionen der Schweiz befragt. In diesem tarfilm «Papst Franziskus. Meine Vorstel- werden dürfe. Vielmehr müsse von den Be- Rahmen wurden auch Schulklassen aus lung von Kunst». Als Produzenten firmieren dürfnissen und Kompetenzen der Jugend- Kreuzlingen und Romanshorn befragt. die Vatikanischen Museen gemeinsam mit lichen ausgegangen werden. «Sie sollen sel- Da es sich bei JAMES um eine Langzeit- dem Vatikanstaat. Für Papst Franziskus sei ber produzieren und darüber berichten, was studie handelt, geben die Resultate «Kunst mit seiner Botschaft der Barm- sie bewegt und inspiriert», sagte Diethelm. auch Auskunft über Veränderungen im herzigkeit verknüpft», sagte Museums- Konkret stellt er sich Youtube-Beiträge zum Medienverhalten der relevanten Alters- direktorin Barbara Jatta. Thema «Firmung» vor, Fotoserien, Anima- gruppe. kath.ch/Red. tionsfilme oder auch Besinnungen, die über forumKirche | 14-2017 3
Zum Nachdenken Leichtes Gepäck Ein Song über eine stille Sehnsucht Bild: pixabay.com diesen ersten Schritt zu tun. Aber auch be- stehende Kontakte fordern heraus: Wie kann ich meine Bedürfnisse angemessen einbringen? Wie entsteht ein Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen? Wann braucht es auch einmal eine Auseinander- setzung zwischen zwei Freunden? Trag- fähige Beziehungen fordern heraus, kosten ihren Preis, aber sie geben mir auch Zu- spruch und Halt. Da ist es viel einfacher, eine Shopping-Tour zu unternehmen, wenn es einem langweilig ist oder man von jemandem enttäuscht ist. Ein Frustkauf hilft unangenehme Gedanken zu verscheuchen, wenigstens für eine ge- wisse Zeit. Noch einfacher ist es am Lap- top: Nur den Kaufen-Button anklicken und schon bald halte ich das begehrte Objekt in meinen Händen. Und noch eins: Wer viel besitzt, braucht niemanden um etwas bitten. Die Zeiten, als Es lebt sich leichter mit leichtem Gepäck. man beim Nachbarn um etwas Zucker nachgefragt oder ein Gerät ausgeliehen hat, sind vorbei. Alle haben (fast) alles. Volle Regale, volle Schränke, volle Vorrats- leisten zu können. Vor allem die Nach- Damit fallen aber auch Begegnungen, räume – grenzenloser Wohlstand kann zur kriegsgeneration hat es geschätzt, endlich Gespräche und das Füreinander-Dasein Belastung werden, kann erdrückend sein. nicht mehr sparen zu müssen. weg. Unser Überfluss schwächt unser Von der Sehnsucht, sich von allem Über- Und dennoch beschleicht uns ein Unbeha- Beziehungsnetz. flüssigem zu befreien, erzählt das Lied gen, spüren wir, dass Kaufen und Haben «Leichtes Gepäck» von der Popband nicht wirklich befriedigen, ja dass unsere Ruf nach Befreiung Silbermond. Es regt an, unser Konsum- Art zu leben sogar krank machen kann: Geballt auf einem Haufen kann der eigene verhalten zu hinterfragen. «…die Armee aus Schrott und Neurosen auf Besitz zur Belastung werden: Was ziehe deiner Seele wächst immer mehr». Es be- heute an? Was mache in meiner Freizeit? Ein Wanderer mittleren Alters keucht steht die Gefahr, dass wir mit unserem Er fordert mich ständig zu Entscheidungen schwitzend einen Hügel hinauf. Sein Ruck- Konsum das schnelle Glück suchen, dass heraus, besetzt meine Denken, raubt mir sack zwingt ihn fast in die Knie. Kurzent- wir damit aber elementare Sehnsüchte in Zeit: «Zu viel Spinnweben und zu viel Kram, schlossen verlässt er seine Gruppe, uns ignorieren oder gar zum Schweigen zu viel Altlast in Tupperwaren». Da wundert schlägt sich ins Gebüsch und schmeisst bringen. Zum Beispiel die Sehnsucht da- es nicht, wenn eine Gegenbewegung ein- unbemerkt Dinge aus einem Rucksack: nach, heil und ganz zu sein, oder von ande- setzt, zerstörerische Fantasien auftauchen: Parfüm, Elektronik, Medikamente… ren angenommen zu werden, in beglücken- «Wie geil die Vorstellung wär, das alles loszu- Sichtlich erleichtert eilt er seiner Gruppe den Beziehungen zu leben, oder eine Spur werden, alles auf einen Haufen mit Brenn- hinterher. Eine Szene aus dem Film von Sinn zu finden und Antworten auf die paste und Zunder und es lodert und brennt «Pilgern auf Französisch». grossen Fragen des Lebens. Die Beachtung so schön». Was dem unerfahrenen Pilger schmerzhaft dieser seelischen Bedürfnisse ist lebens- Aber es ist klar: Mit dem Loswerden des klar wird, ereignet sich auch im ganz nor- wichtig, aus ihr wächst Lebensfreude und Überflüssigen ist der unselige Kreislauf malen Leben: Wir stehen vor unserem ma- neue Kraft. noch nicht durchbrochen. Es braucht letzt- teriellen Überfluss und spüren, dass er uns Für das Bruttoinlandsprodukt mag es gut lich eine klare Absage an das «Immer- nicht gut tut. «Eines Tages fällt dir auf, dass sein, dass die Binnennachfrage ständig mehr»: «Ab heut nur noch die wichtigen Din- du 99 Prozent nicht brauchst. Du nimmst all steigt, für unsere persönliche Entwicklung ge», heisst es beschwörend. Und was sind den Ballast und schmeisst ihn weg, denn es ist es sicherlich kein Segen. die wirklich wichtigen Dinge? Das erfährt reist sich besser mit leichtem Gepäck», derjenige, der das Wagnis eingeht und heisst es im Refrain des Silbermond- Zum Beispiel: Beziehung ernst macht mit «leichtem Gepäck». Songs. Zugegeben: Es ist nicht einfach, Beziehun- gen zu gestalten und am Leben zu erhal- Detlef Kissner Ein schmaler Grat ten. Das zeigt sich schon beim Kennenler- Eigentlich ist es ja nichts Verwerfliches, nen: Wie gehe ich auf den anderen zu? Wie ■ Offizielles Musikvideo zum Lied: materiell gut gestellt zu sein, sich etwas spreche ich ihn an? Viele tun sich schwer, www.youtube.com/watch?v=ohHJjPSsW8c 4 forumKirche | 14-2017
Guatemala «Wir müssen die Solidarität globalisieren» Bischof kämpft für würdige Lebensbedingungen «Guatemala ist ein reiches Land, die Men- wollten. Einer der Anführer wurde angeklagt grieren viele von ihnen in die USA und hof- schen aber sind dennoch arm.» Das sagt und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. fen, dort Geld zu verdienen, nicht zuletzt Álvaro Ramazzini, Bischof und Menschen- «Das ist das legale politische System von um ihre Familien in der Heimat zu unter- rechtsaktivist, der mit Fastenopfer zu- Guatemala. Ungerechtigkeit und Einschüch- stützen. Dazu hat Bischof Ramazzini ganz sammenarbeitet. Seit 35 Jahren setzt er terung herrschen vor. Der Bürger darf sich klare Forderungen. «Wir müssen uns für un- sich für die Rechte der guatemalteki- nicht für seine Interessen einsetzen. Die sere jungen Menschen einsetzen. Es schen Bevölkerung ein und setzt alles Wirtschaft hat sämtliche Freiheiten, wäh- braucht dringend eine Reform des Bil- daran, dass die Menschen in Würde ein rend die Bevölkerung leidet.» Dennoch dungsgesetzes. Zudem müssen die Defizi- gutes Leben führen können. sieht er auch eine vorsichtig positive Ent- te im Gesundheitswesen behoben werden. wicklung seit den 30 Jahren, in denen er Es kann nicht sein, dass die Menschen kei- Obwohl ein Grossteil des Landes auf der aktiv ist und sich unermüdlich für die Men- ne ärztliche Betreuung bekommen und die Halbinsel Yucatan fruchtbar ist, leiden ins- schenrechte in seinem Heimatland ein- Pharmaunternehmen ihre Produkte zu über- besondere die Maya-Gemeinschaften unter setzt. Er anerkennt, dass die Regierung et- teuerten Preisen anbieten, die sich der grosser Armut. Bergbau- und Wasserkraft- was durchlässiger geworden ist. Bei der Grossteil der Bevölkerung nicht leisten projekte, Monokulturen von Ölpalmen, Bevölkerung ist die Erkenntnis darüber, was kann.» Der Bischof und Konrad-Lorenz- Zuckerrohr oder Gemüse gefährden die Ungerechtigkeit ist, gewachsen und damit Preisträger wird nicht müde, auf die unhalt- Umwelt und verschlechtern ihre Lebens- auch das Verständnis – oder besser gesagt baren Zustände in seinem Land aufmerk- bedingungen zunehmend. Doch gerade – der Mut, sich dagegen zur Wehr zu set- sam zu machen. Denn er ist überzeugt, Land ist für die Maya Dreh- und Angelpunkt zen. Auch hier arbeitet Fastenopfer aktiv dass er mit seinen Vorträgen, seinen Tref- ihrer Kultur. mit und unterstützt Projekte, die unter an- fen mit Politikern und seinem unermüd- derem Rechtsberatung und Workshops in lichen Einsatz Gleichgesinnte erreicht. Und Lebensgrundlage bedroht Menschenrechtsarbeit anbieten. kurz vor der Ankunft in Bern fügt er noch Bischof Álvaro Ramazzini erzählt, um die Si- hinzu: «Ich bin überzeugt, dass wir die Soli- tuation im Land zu beschreiben, von einem Gesundheitssystem verbessern darität globalisieren müssen, um der Wirt- Wasserkraftwerk, das im Norden des Lan- Dennoch hat sich die Situation Guatemalas schaftsglobalisierung, die viele negative des gebaut werden soll. Doch die Bewoh- in den letzten Jahren erneut verschlechtert. Auswirkungen hat, gemeinsam etwas ner des Landstriches werden nicht etwa Die Menschen sind ärmer geworden, die Ar- Positives entgegenzusetzen.» miteinbezogen oder können ihre Bedürf- beitslosigkeit gestiegen und die Jugend nisse formulieren, sie werden einfach vor sieht für sich nur wenige Chancen. So mi- Colette Kalt/Red. vollendete Tatsachen gestellt. «Die Bau- firma fährt mit ihren Maschinen auf. Das Bild: Colette Kalt Land haben sie vom Staat erworben. Künf- tig werden sie das Wasser aus dem Fluss brauchen und verschmutzen. Das Wasser aber ist Lebensgrundlage für die Men- schen, die dort wohnen. Die Bevölkerung fühlt sich missbraucht, dagegen formiert sich Widerstand.» Das ist nur eines der Beispiele die Bischof Ramazzini anlässlich seines Besuches in der Schweiz erzählt. Auf der Zugfahrt von Zürich nach Bern, wo er einen Vortrag zu der Menschenrechtssi- tuation in Guatemala hält, schaut er immer wieder aus dem Fenster und ist beein- druckt von Landschaft, Flüssen und Ber- gen. «Guatemala ist auch ein reiches Land, aber im Gegensatz zur Schweiz sind seine Bewohner arm.» Eingeschränkte politische Rechte Ramazzini lächelt sanft und erzählt mit ru- higer Stimme von den Aktivisten, die in Santa Cruz Barillias gegen dieses Wasser- kraftwerk protestiert haben und dass dabei eine Person starb. Er erwähnt Aktivisten, die im Justizzentrum von Santa Ulalia auf die Ungerechtigkeiten aufmerksam machen Álvaro Ramazzini, Vorsitzender der guatemaltekischen Bischofskonferenz, zu Besuch in Bern. forumKirche | 14-2017 5
Ökumene · 500 Jahre Reformation Die Kirchen verbindet schon viel Wegbereiter u Ein Interview mit Kardinal Koch Persönlichkeiten der Reformati Bild: Vera Rüttimann Die Feier «500 Jahre Reformation» des Nur durch einen Zufall verpflichtete sich Schweizerischen Evangelischen Kirchen- Martin Luther (1483–1546) der Kirche. bundes (SEK) am 18. Juni in Bern stand im Dort liess er keinen Stein auf dem ande- Zeichen der Ökumene. Auch der Schwei- ren. Er kritisierte den Ablasshandel, legte zer Kardinal Kurt Koch nahm an dem An- sich mit dem Papst an und schuf die theo- lass teil. Im Gespräch mit kath.ch zeigt logischen Grundlagen für die Reformation. er auf, dass trotz aller Unterschiede das Luther hatte aber auch eine weniger Verbindende der Konfessionen viel stärker rebellische Seite. zu betonen ist. Das Werk eines Menschen ist mit seinem Vor 500 Jahren fand die Reformation statt, Lebensweg verknüpft. Für Martin Luther die auch sehr gewalttätige Folgen hatte. traf dieser Grundsatz in besonderer Weise Heute ist dies ein Anlass zur Feier. Was gibt zu. Sein ungeheures Schriftwerk umfasst es daran überhaupt zu feiern? 127 Bände der Weimarer Ausgabe, beste- Da gibt es zwei Dinge klar zu unterschei- hend aus Bibelübersetzungen, Schriften, den: Durch die Reformation ist es zu Spal- Predigtreihen, Vorlesungsmanuskripten und tungen und anschliessend zu grausamen Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Briefen. Luthers Schriften entstanden in Kriegen gekommen. Dies kann man gewiss Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Auseinandersetzungen mit dem damaligen nicht feiern. Auf der anderen Seite blicken im Interview Zeitgeschehen und der geistigen Situation wir auf fünfzig Jahre des ökumenischen der Kirche. Sein Wirken als Reformator hat Dialogs zurück, der gezeigt hat, dass der die Geschichte Europas entscheidend Bruch nicht bis ins Fundament des Glau- bundes eine profilierte Ansprechperson ha- geprägt, wie auch er selbst von den Um- bens ging. Wir haben erkannt, dass uns ben. Eine solche Stimme ist für den öku- brüchen der Zeit geprägt wurde. mehr eint als uns trennt. Dafür dürfen wir menischen Dialog wichtig. dankbar sein. Einschneidendes Erlebnis Wird es in der Ökumene bei der heutigen Am 10. November 1483 wurde Martin Sie sagen, der Bruch ging nicht in die Tiefe. gegenseitigen Akzeptanz bleiben oder ist Luther im sächsischen Eisleben als Kind Von aussen schaut das anders aus. eine Wiedervereinigung denkbar? einfacher, frommer Leute geboren. Sein Im Ökumenismusdekret des Zweiten Vati- Im Johannesevangelium betet Jesus, dass Vater arbeitete im Kupferbergwerk in Mans- kanischen Konzils werden die Gemeinsam- alle Jünger eins sein sollen. Die Einheit, die feld. Er wollte aus dem begabten Jungen keiten betont: Die christlichen Kirchen ver- Jesus wünscht, haben wir sicher noch nicht einen Rechtsgelehrten machen. Der Plan bindet der Glaube an den Dreieinen Gott erreicht. Doch was heute die christlichen wurde durch ein einschneidendes Erlebnis und die gegenseitige Anerkennung der Kirchen miteinander verbindet, ist schon zunichte gemacht, wonach Luther in ein Taufe. Diese Grundlage ist wesentlich be- sehr viel. Auf diesem Weg müssen wir vor- schweres Gewitter geriet und beinahe von deutender als die Differenzen. angehen. einem Blitz erschlagen wurde. In Todes- angst rief er die heilige Anna an und gelob- In der Schweiz muss eigentlich von vielen Ist das für Sie als «Ökumeneminister» des te: «Ich will Mönch werden.» Sich diesem unterschiedlichen Reformationen ge- Vatikans nicht frustrierend? Gelübde verpflichtet fühlend, trat er 1505 sprochen werden. Ist das heute noch von Für meine ökumenische Arbeit habe ich in das Schwarze Kloster der Augustinerere- Bedeutung? Moses als Patron gewählt: Er führte die Is- miten in Erfurt ein. Nach der Priesterweihe Die Inhalte der Reformation und die refor- raeliten an, konnte selber aber nicht ins im Erfurter Dom wurde Luther durch den matorischen Kirchen sind sehr unterschied- Gelobte Land einziehen. Genauso ist es für Ordensvikar Staupitz an die Theologische lich, nicht nur in der Schweiz. Die Kirchen in mich wichtig, den Weg der Christen auf die Fakultät nach Wittenberg geschickt, um Nordeuropa oder Grossbritannien unter- Einheit hin zu begleiten, auch wenn ich das Theologie zu studieren. Nach der Promo- scheiden sich stark von den reformierten Ziel nicht mehr erleben werde. tion zum Doktor der Theologie 1514 hatte Kirchen hier. Aber in der Schweiz hat die Luther 30 Jahre die Professur für Biblische Reformation mit Zwingli in Zürich und Gibt es aus Ihrer Sicht ein Ideal für die Calvin in Genf tatsächlich ein sehr beson- Ökumene heute? deres Gesicht erhalten. Die Aufgabe ist, sich immer näherkommen, indem wir Christus näherkommen. Dabei ist rn in ad Macht das die Arbeit in der Ökumene es wichtig, dass alle Christen den Weg mit- me Zw mp Zim schwieriger? einander gehen und zusammenarbeiten wol- h) ola ryc Es kommt darauf an, welches der Partner len. Besonders wichtig ist dabei, dass alle on ec r the uld av sO ist! Ich bin dankbar dafür, dass die ver- Christen in den verschiedenen Kirchen ge- Lu (H rin ne schiedenen reformierten Kirchen in der meinsam Zeugnis von ihrem Glauben geben. rtin 4 Ma 3 Ka 8 Joh 2 Ulr 4 tha ich an 48 48 47 48 48 Schweiz im Präsidenten des Rates des *1 *1 *1 *1 *1 Schweizerischen Evangelischen Kirchen- Martin Spilker 6 forumKirche | 14-2017
500 Jahre Reformation nd Rebell Bild: fotolia.com on: Martin Luther Theologie an der Wittenberger Universität inne. Gleichzeitig war er als Mönch Priester der Stadtkirche. Das Nachdenken über Römer 1,17 – «Der Gerechte wird aus Glauben leben» – besänftigte ihn in seiner Angst, dereinst vor dem Jüngsten Gericht nicht bestehen zu können. Die Einsicht und Gewissheit, dass es einen gnädigen Gott gibt, der jeden Menschen liebt, war für Luther persönliche Befreiung und theo- logische Erkenntnis zugleich. Kampf gegen Ablasshandel Der erste grosse Streit um Luther war ver- bunden mit dem Ablasshandel. In Anhalt In Eisleben ist Martin Luther geboren und gestorben. Auf dem Marktplatz erinnert eine Statue an und Brandenburg wurden überall Ablass- den Reformator. briefe verkauft; für die Gläubigen eine Gele- genheit, um den Gefahren des Fegefeuers und des ewigen Gerichtes zu entgehen. kenntnis war, dass Gottes Gerechtigkeit viele Jahre. 1534 erschien die erste voll- Der Erlös des Ablasses war eine wichtige nicht Verderben, sondern Heil bedeutete, ständige Ausgabe der Bibel in deutscher Einnahmequelle der römischen Kurie und gerade für den sündigen Menschen. Sprache, illustriert von seinem guten diente der Finanzierung des Petersdoms in Freund und Künstler Lucas Cranach. Rom. Schon vor 1517 sprach sich Luther in Verbannung durch den Papst Predigten gegen den Ablasshandel aus. Die Mit den Jahren des Ablassstreites begann Heirat während Bauernkrieg Kritik an der kirchlichen Praxis brachte ihn der Weg der Reformation. Luther definierte Privat waren Luthers letzten 25 Jahre von mehr und mehr in Gegensatz zur Lehre der den Kirchen- und Sakramentsbegriff neu Liebe erfüllt. 1525 heiratete er, mitten im katholischen Kirche und führte schliesslich und bestritt den Unfehlbarkeitsanspruch Bauernkrieg, die ehemalige Nonne Katharina 1517 mit dem Anschlag der 95 Thesen an des Papstes. 1520 wurde daraufhin unter von Bora. Aus der glücklichen Ehe gingen der Wittenberger Schlosskirche zum Kon- Papst Leo X. der Ketzerprozess gegen ihn sechs Kinder hervor. Liebevoll nannte er sie flikt zwischen Luther und Rom. aufgenommen. Er sollte seine Lehre wider- «mein Herr Käthe». Er sah sie «als von Gott rufen. Luther verbrannte die Bannandro- zugedacht» und lernte nach vielen Jahren Wort Gottes im Zentrum hung mit dem gesamten päpstlichen Recht des Zölibats das Eheleben schätzen. Ein Programm für eine Reformation war vor dem Elstertor zu Wittenberg und sagte Problematisch wurde im Alter sein Verhält- jedoch nicht sein Ziel. Ihm ging es darum, sich dadurch endgültig von Rom los. Im Ja- nis zu den Juden. Dennoch, «Luthers religi- das Wort Gottes, wie es die Schrift be- nuar 1521 verhängte der Papst den Bann- ös-eschatologisch begründeter Antisemi- zeugt, «sola scriptura» (allein die Schrift), fluch über Luther. Von der römischen Kirche tismus kann nicht mit dem rassistischen wieder zur Richtschnur der kirchlichen als Ketzer erklärt, wurde Luther auf Druck Antisemitismus der Moderne gleichgesetzt Verkündigung und des kirchlichen Lebens des deutschen Kaisers vor den Reichstag werden», schreibt der Historiker Heinz werden zu lassen. Zusammen mit «sola zu Worms beordert, seine Lehre zu widerru- Schilling in seinem Buch «Rebell in einer fide» (allein aus Glauben) und «sola gratia» fen. Luther widerrief nicht. Kurfürst Zeit des Umbruchs». Nicht zu vergessen, (allein aus Gnade) bildet das «sola scriptu- Friedrich der Weise von Sachsen liess Luthers Liebe zur Musik. Seine zahlreichen ra» die Grundelemente der reformatori- Luther auf die Wartburg entführen und Kirchenlieder und Choräle standen im Zei- schen Lehre von der Rechtfertigung, wo- brachte ihn so in Sicherheit. Dort begann chen der Verkündigung des Evangeliums nach der Mensch allein durch den Glauben dieser, die Bibel ins Deutsche zu überset- und zur Stärkung der Seele. vor Gott gerecht gemacht wird und nicht zen. Die Übersetzungen aus dem Hebräi- durch Werke des Gesetzes. Die neue Er- schen und Griechischen beschäftigten ihn Rosemarie Hoffmann/Red. r ge is/ Bu - in/ nd llin Alb n) is ers alv Abe ion dia li ers ng m eo Luth lig (Va la er s C s: uth on Re en nu au pe X hth att ps ion er gL r ns uri ch ng Kap e na tio in g lar nW nc Pa ikat hla ros alv llin ko Tig tL tia itu sB ela lis i sC d Z be sc Bu hF vo ris Inst e rch mun hls us pM siu an To acht ma ens ne top im ich wi en m : bro Joh 9 Joa 4 Ph 7 Am 2 Ch 0 He 4 an n ch ilip 21 49 36 17 inr 31 ris 50 ns ko 49 49 49 50 lvi es hl 15 15 15 Co 15 15 Ca Ex Ch du Sc *1 Th *1 *1 *1 *1 forumKirche | 14-2017 7
Leserbrief · Kirche Schweiz Leserbrief Bild: pixabay.com forumKirche Nr. 12, Seite 2 bis 4: Eine selbstverständliche Willkommenskultur Der Bericht betreffend die Ablehnung eines homosexuellen Seelsorgers als Spitalseel- sorger (Ostschweiz am Sonntag, 11. Juni 2017) durch Bischof Gmür hat mich nach- denklich gestimmt. Ich kenne den betroffe- nen Seelsorger und die genauen Umstände nicht, aber die Begründung, warum der Spitalseelsorger seine Stelle nicht antreten kann, ist für mich mehr als bedenklich. Wie kann es sein, dass das Kirchenrecht die Lebensform einer Person höher einstuft als ihre Fähigkeiten? (Siehe: «Die An- stellung von Priestern, Diakonen, Laien- theologen/-innen… Missio canonica – 28.02.2017). Ist ein Mensch, der in einer kirchlich anerkannten Lebensform lebt (wie das Zölibat oder die Ehe zwischen Mann und Frau), wirklich ein besserer Mensch? Was ist mit den Missbrauchsfällen in den letzten Jahrzehnten? Was ist mit den Pries- Was kann aus veralteten Bibeln entstehen? tern, die in heimlicher Beziehung mit einer Frau leben und ihren gemeinsamen Kin- dern? Warum ist die Bistumsleitung nicht willens, auch andere Lebensformen an- Zu schade fürs Altpapier zuerkennen? Es geht nicht darum alles auf Kreativer Umgang mit ausrangierten Bibeln den Kopf zu stellen, sondern dass differen- zierter entschieden und gehandelt wird. Weil im vergangenen Jahr eine neue katholische Einheitsübersetzung der Bibel auf den Hat Jesus nicht viele Menschen an seinen Markt kam, müssen nach und nach Hunderte von Bibeln in Pfarreien ersetzt werden. Tisch eingeladen, die nicht dem Denk-Sche- Das Schweizerische Katholische Bibelwerk (SKB) und das Religionspädagogische Institut ma der Pharisäer und ihren Gesetzen ent- Luzern (RPI) wollen nun mit einem Wettbewerb zu einem kreativen Umgang mit sprochen haben, um mit ihnen als gleich- ausrangierten Bibeln anregen. wertige Mitarbeiter am Reich Gottes weiterzubauen? Hat er nicht die damaligen Beim Wettbewerb «Bibelwerken» gehe es darum, auf konstruktive und kreative Weise die teilweise menschenverachtenden Gesetze Frage auszuloten, was mit «Heiliger Schrift» geschehen kann, wenn sie nicht mehr angeprangert und neu interpretiert? Wie gebraucht wird. kann es sein, dass die Botschaft Jesu von Religiöse Schriften hätten als besonderes kulturelles Erbe auch bei der Entsorgung seinen Stellvertretern dem Kirchengesetz entsprechende Sorgfalt verdient, heisst es auf der Webseite des Wettbewerbs. Die beiden untergeordnet wird? Organisationen weisen dort darauf hin, dass es sowohl im jüdischen als auch im islami- So verwundert es nicht, dass sich sehr vie- schen Kontext Empfehlungen gebe, wie sich beschädigte Thora-Rollen oder Ausgaben des le engagierte Katholiken von der offiziellen Koran entsorgen lassen. «Für christliche Bibeln gibt es keine Leitlinie, aber gute Ideen.» Kirche abwenden (teils mental, teils ganz). Und diese wollen das Bibelwerk und das Religionspädagogische Institut mit Hilfe des Zum guten Glück setzen sich trotzdem viele Wettbewerbs sammeln. Der Wettbewerb soll ein Anstoss sein, sich mit der Frage aus- weiterhin im Sinne Jesu für eine menschen- einanderzusetzen, «was eigentlich die Heiligkeit einer Schrift ausmacht» und was dies für gerechtere Kirche ein. Für viele Junge ist den Umgang mit ihr bedeutet. die Kirche nicht mehr glaubwürdig. Sie entfernen sich ganz von der Kirche. Es ist Mindestens zwölf Bibeln verwerten höchste Zeit, dass sich die Verantwort- Am Wettbewerb können Einzelpersonen und Gruppen teilnehmen, etwa Schulklassen, lichen im Bistum Gedanken machen, wel- Gruppen von Firmanden oder von Pfarreimitgliedern. Sie sind eingeladen, kreativ nach che Botschaft sie vertreten wollen, die der Lösungen zu suchen, «wie überholte Bibeln mehr sein können als Altpapier». Evangelien oder die eines teils fragwürdi- Die Projekte der Teilnehmer müssen mindestens zwölf ausrangierte Bibeln verwerten. gen Kirchenrechtes. Eine unabhängige Jury prämiert die drei besten Projekte. Der erste Preis ist mit 500 Ich hoffe sehr, dass sich der betroffene Franken dotiert. Projekte können bis am 14. Februar 2018 eingereicht werden. Seelsorger nicht entmutigen lässt, und seine seelsorgerischen Fähigkeiten weiter- kath.ch/Red. hin den Mitmenschen angedeihen lassen kann, auch ausserhalb der «offiziellen» ■ Nähere Infos: www.bibelwerken.ch Kirche. Rainer Naeff-Ludin 8 forumKirche | 14-2017
Kinder fragen … Zeichnung: Cansel (12) Die 2d-Klasse der Mittelschule Kirchdorf in Lustenau, Vorarlberg, hat das Philosophieren vor einem Jahr kennengelernt. Heute sind die Schülerinnen und Schüler im Alter von 11 bis 12 Jahren in zwei Gruppen geteilt. Die eine Hälfte macht sich Gedanken über «Wieso gibt es Propheten?», die anderen sieben wollen folgendes wissen: Wie wird die Zukunft aussehen? Wir starten, indem wir unseren Gesprächsball reihum die Welt kommen.» – «Also ich würde das nicht wollen. geben: «In 3 Millionen Jahren wird es Ufos und fliegen- Mir war das Baby im Bauch schon gross genug.» – «Wie de Autos geben.» – «In 30 Jahren werden Roboter den soll das überhaupt gehen?» – «Maschinen könnten die ganzen Haushalt machen.» – «Wir werden alle fett Kinder machen.» – «Nein, das geht nicht.» Den Kindern sein.» – «Die Schiedsrichter beim Fussball werden Ro- wird bewusst, dass manches möglich ist und anderes boter sein.» – «Roboter werden unsere Hausübung ma- nicht. Daher fragen wir uns erneut, wie wir die Zukunft chen». Wir einigen uns darauf, die Welt in 100 Jahren gerne hätten. Auch Vorstellungen wie, dass wir alle in den Blick zu nehmen. Die Roboter aufgreifend frage reich sind, führen zu Schwierigkeiten. Uns fällt auf, ich: «Wenn die Roboter alles für uns machen, selbst dass wir uns nicht einig werden. Am Ende der Stunde die Hausaufgaben, wie ist das dann für uns?» – «Lang- bringt ein Mädchen ihren Beitrag ganz leise. Es wird weilig» – «Ok. Was ist, wenn uns langweilig ist?» – verstanden, dass in Zukunft alle fliegen können. Sofort «Dann werden wir fett.» – «Wenn alle fett sind, was ist geht es wieder los, wie das denn möglich sein könnte. dann?» – «Dann sterben wir.» – «Ok. Was ist, wenn es Aber dann hören die Mitschüler doch, was sie meinte: keine Menschen mehr gibt?» – Kurzes Schweigen. Un- «Eine Welt, die jeder wollen würde, wäre eine, auf der verständnis. Wie soll das gehen? «Nehmen wir einfach überall Frieden ist.» mal an, es gäbe keine Menschen mehr. Wie würde die Welt aussehen?» – «Es gäbe auch keine Tiere, weil die Maria Rüdisser, Kinderphilosophin Menschen sie nicht mehr füttern könnten.» Obwohl klargestellt wird, dass viele Tiere die Menschen nicht brauchen, bleiben einige dabei: ohne Menschen keine Tiere. Für viele Schülerinnen und Schüler ergibt die Vor- stellung einer Welt ohne Menschen gar keinen Sinn. Daher frage ich: «Eine Welt ohne Menschen ist schwer vorzustellen und auf jeden Fall etwas, das wir nicht wol- Mitmachen! Wenn Ihnen Ihr Kind oder Enkel schon einmal len. Wie würde Euch die Welt gefallen?» – «Wenn es eine «grosse Frage» gestellt hat, schicken Sie sie an uns keine kleinen Kinder gäbe. Die sind nämlich lästig.» – (redaktion@forumkirche.ch). Wir versuchen darauf zu «Was? Dann würde es uns ja gar nicht geben. Wir wa- antworten. Wir freuen uns auch über Kinderzeichnungen. ren auch mal klein.» – «Wir könnten ja gleich gross auf forumKirche | 14-2017 9
Ethik · Kirche ohne Grenzen – Albanisch Kirche besser als Hedgefonds «Heimat in die Ethische Anlagen bringen mehr ein Neue Mutter-Teresa-Statue in Gier ist gut. Mit diesem Motto prägte die nen.» Die Kirche hat ihr Geld auch in Forst- Schon bald ein Jahr ist es her, dass die «Wall Street»-Filmfigur Gordon Gekko in gebiete investiert. Dort beträgt das Plus albanische Ordensfrau Mutter Teresa in den Achtzigern das Image des skrupel- mehr als 24 Prozent. Über die letzten 30 Rom von Papst Franziskus heiliggespro- losen, aber erfolgreichen Geldmanagers. Jahre kommt eine beachtliche Rendite von chen wurde. Scharen von Menschen Eine kirchliche Institution hat nun den mehr als neun Prozent pro Jahr zusammen. reisten damals nach Rom, um live dabei Beweis erbracht, dass die Todsünde Gier Die für ihre riskanten Anlageentscheide be- zu sein. Ein Anlass, der nun auch in Wil keine Bedingung ist, um erfolgreich Geld kannten Hedgefonds fuhren 2016 im Konsequenzen hat. anzulegen. Denn viele Banken und Ver- Schnitt eine Performance von 5,5 Prozent mögensverwalter dürften derzeit neidisch ein, schreibt die «Basler Zeitung» weiter. Es war die Heiligsprechung in Rom, die die nach Grossbritannien schauen, schreibt albanischen Gläubigen in Wil auf eine Idee die «Basler Zeitung». Einfluss auf Unternehmen brachte. Der Missionar Don Albert Demaj Das gute Anlageergebnis sorgt für volle erinnert sich: «Wir wollten etwas Spezielles Die Church of England verwaltet ein Vermö- Kassen. 230 Millionen Pfund schüttete die machen, und fragten uns: Was können wir gen von rund acht Milliarden Pfund. In Zei- Kirche letztes Jahr aus. Das sei zwar ein persönlich für das Andenken an die heilige ten mit rekordtiefen oder gar negativen Zin- willkommener Zuschuss, entspreche aber Mutter Teresa machen?» Und jetzt, ein sen hat die englische Landeskirche mit nur rund 15 % des jährlichen Einkommens, knappes Jahr später, ist das Resultat da: ihren Anlagen 2016 um mehr als 17 Pro- heisst es bei der Church of England. Der Am 10. Juni 2017 wurde eine Statue zent zulegen können. Darüber berichtete grösste Teil des Kirchenhaushalts würde von Mutter Teresa in Wil, bei der Kirche «The Guardian». Die englische Kirche über- nach wie vor von den Spendern kommen. St. Peter aufgestellt. Dies geschah in Zu- trumpft damit viele professionelle Geld- Die Church of England verdient mit ihren In- sammenarbeit mit der Pfarrei Wil und der verwalter. Zum Vergleich: Die grossen vestments nicht nur gutes Geld. Sie übt Albanermission. Mit einem Gottesdienst Schweizer Pensionskassen erreichten in auch ihren Einfluss auf die Geschäfte der und anschliessendem Festakt wurde das den letzten Jahren eine durchschnittliche Unternehmen aus, von denen sie Beteili- Ereignis gebührend gefeiert. Unter den Rendite zwischen zwei und vier Prozent. gungen hält. Sie setzt sich dafür ein, dass Gästen waren Persönlichkeiten, wie zum die Firmen mehr auf den Umweltschutz ach- Beispiel Don Lush Gjergji, der Generalvikar Strenge Kriterien ten oder keine exorbitanten Managerlöhne der Diozöse Kosovo, oder Kastriot Tusha, Die Kirche führt ihre erfolgreiche Anlage- bezahlen. Zudem habe sie sich dafür einge- der berühmte Sänger aus Albanien. politik nicht auf den Beistand von ganz setzt, dass mehr Frauen in die Verwaltungs- oben zurück. Vielmehr glaubt sie so erfolg- räte kommen. Die Kritik der Church of Eng- Antrag bewilligt reich zu sein, weil sie bei ihren Geldent- land zeigt Wirkung. Die Rohstoffkonzerne Weshalb diese Statue genau in Wil aufge- scheiden nicht jedem Trend nachrennt und Glencore und Anglo American legen nach stellt wurde, begründet Demaj folgender- ihr Geld nach strengen ethischen Kriterien dem Einsatz der Kirche Klimaberichte vor. massen: «Jede zweite Woche findet in Wil anlegt. Gegenüber dem «Guardian» sagte ein albanischer Gottesdienst statt. Bei die- der für die Aktienanlagen zuständige Markus Baumgartner sem Gottesdienst nehmen sehr viele Men- Richard Saunders: «Wir haben immer ge- schen teil. Die Kirche ist jeden Sonntag sagt, dass ethische Anlagen kein Nachteil ■ Nähere Infos www.bazonline.ch/wirt- proppenvoll. In Wil selber, wie auch in der für uns sind. Ich würde nun nicht bestrei- schaft/englische-kirche-laesst-hedge- Umgebung, haben wir äusserst viele alba- ten, dass sie sogar ein Vorteil sein kön- fonds-alt-aussehen/story/11838446 nisch sprechende Gläubige.» Zudem war Mutter Teresa einmal für ein paar Tage in der Schweiz zu Besuch gewesen. Die Alban- Bild: Hans Musil/Wikimedia Commons ermission stellte deshalb einen Antrag an die Pfarrei. «Wir sind unheimlich froh, dass Roman Giger diesen Antrag rasch ange- nommen hat, und wir uns schnell auf das weitere Vorgehen einigen konnten», führt Demaj aus. Erfüllt mit Stolz «Der albanischen Ordensfrau auf diese Art die Ehre zu erweisen, erfüllt unsere Mis- sion mit Stolz», so Demaj weiter, «darum haben sich unsere Gläubigen sehr über die Die Church of England Verwirklichung dieser Idee gefreut.» Sie ha- ist finanziell gut ben die Bronze-Statue finanziert und auch aufgestellt: hier die die nötigen Umgebungsgestaltungen ehren- Kathedrale von amtlich vorgenommen. «Alles geschah vol- Canterbury. ler Freude und Enthusiasmus. Unseren 10 forumKirche | 14-2017
Kirche ohne Grenzen – Albanisch Schweiz bringen» Wil Nach der Einweihung und Segnung der Mutter-Teresa-Statue im Garten von St. Peter. Don Albert Demaj links und Don Lush Gjergji rechts von der Statue. Bild: InfoWILplus.ch Gläubigen lag sehr viel daran, etwas Heimat in die Schweiz zu bringen. Das Idejën tonë për statujën e Nënës Terezë haben sie nun geschafft», beschreibt Demaj die Umstände. Një intervistë me Misionarin Don Albert Demaj Bedeutung und Wurzeln Vitin e kaluar, derisa përgatitëshim për të shkuar në Romë, në shenjtërimin e Nënës «Die Statue in Wil hat einen enormen Stel- Tëreze, menduam, si mund të bëjmë diçka të veçantë edhe ne për të. Dhe kështu na lenwert, besonders auch für ältere Men- lindi ideja të bëjmë një statujë, pasi që Nëna Tëreze, mund të sjell frymëzim pozitiv tek schen der Mission, welche bereits pensio- të gjithë njerëzit që e dëgjojnë emrin e saj apo e shohin statujën e saj. niert sind. Diese kamen in die Schweiz, um Idejën tonë për statujën e Nënës Terezë ia paraqitëm famullisë në Wil për dy arsyena: ein besseres Leben für ihre Kinder und En- E para: Këtu kemi meshën shqip dy herë në muaj dhe pjesëmarrja e popullit, siç e dini kelkinder zu schaffen», erklärt Demaj den është shumë e madhe. Pastaj në Wil dhe rrethinë jetojnë shumë shqiptar katolikë. hohen Stellenwert. Die Statue sei ein Sym- E dyta: kam dëgjuar se Nëna Tëreze ka pas lidhje direkte me Zvicrën. Një shoqatë bol der Heimat wie auch des heutigen Le- humanitare me seli në Luzern, e ka ndihmuar për shumë vjet me radhë veprimtarinë bens in der Schweiz, wo die katholischen e Nënë Tërezës. Bile viteve të shtatdhjeta, Nëna Tëreze i ka vizituar dhe ka qëndruar Albaner eine zweite Heimat gefunden ha- dy tre ditë në Luzern. ben. «Die Anwesenheit von Mutter Teresa, Çfarë do të thotë për ju? in Form einer Statue, erinnert uns immer Statuja e Nënë Tërezës në Wil, ka domëthënje të madhe. Duke pas parasysh se ne kemi an die bedingungslose Liebe und den Hu- shumë besimtar të moshuar në Wil, pensionera, ata tani e tutje mund të vijnë pranë manismus eben dieses Vorbildes.» Die stutjës së saj dhe të luten. Prania e Nënës Tëreze, në qytetin tonë të bukur, në formën e Menschen würden sich ein Beispiel am Le- statujës, na frymëzon edhe ne, në fytyrën e njëri tjetrit, të dallojmë fytyrën e Jezu Krishtit. ben der Heiligen nehmen. Ein Leben, in Nëna jonë Tëreze, na mëson të bëhemi një laps në duar të Zotit, duke e lejuar atë, që dem man anderen helfe, füreinander da sei nëpërmes nesh, të shkruaj një histori humanizmi dhe dashurie. und in Solidarität miteinander lebe. Für vie- Pastaj Nëna Tëreze, si asnjë personalitet tjetër na mëson si të ruajmë identitetin le sei Mutter Teresa nach wie vor die perso- kombëtar dhe fetar edhe këtu në Zvicër. Ajo kur mori çmimin Nobel për paqe në Oslo nifizierte Nächstenliebe. (1979) para të pranishmëve pati thënë: Me nënshtetësi jam indiane, me gjak jam shqiptare, jam murgeshë katolike, por zemra ime i përket Jezu Krishtit. Text und Übersetzung: Marijeta Cerkini Mesha ne Wil Për inaugurimin e shtatorës kemi ftuar don Lush Gjergjin, vikar gjeneral i ipeshkvisë së Kosovës, biografi më i njohur shqiptar i Nënë Tërezës, pastaj në bashkëpunim me Bild: zVg Marijeta Cerkini (23) famullitarin e Wil – it, kemi organizuar meshën dhe festën. Pasi që kjo është një ngjarje stammt ursprünglich aus e madhe për ne si Mision dhe shqiptar, kemi thirr Ambasadën e Kosovës dhe të dem Südosten des Kosovos Shqipërisë, Ministrinë e Diasporës nga Kosova, mediat lokale, kantautorin e njohur und studiert in Luzern. shqiptar nga Shqipëria Kastriot Tusha, që një këngë ia ka kushtuar Nënë Tërezës e shumë mysafir të tjerë. forumKirche | 14-2017 11
Thurgau Lagerleben als Lebensschule Suchtprophylaxe im Ferienlager Bild: zVg Viele Kinder und Jugendliche besuchen im Sommer ein Ferienlager. Hinter den Kulis- sen sorgen Institutionen für die Aus- und Weiterbildung der Leitenden. So setzt sich der Thurgauer Verein PROphyl aus- drücklich für die Suchtprophylaxe ein. Sommerzeit ist Lagerzeit. Das gilt vor allem für Kinder und Jugendliche. Beliebt sind etwa die Angebote von Jungwacht Blauring (Jubla). Sie stehen allen Kindern und Ju- gendlichen unabhängig von ihrer Konfes- sion oder ihrem kulturellen Hintergrund of- fen. Vorbereitet und geleitet werden die Jubla-Lager von jungen Erwachsenen in eh- renamtlicher Tätigkeit. 2016 nahmen im Kanton Thurgau ungefähr 750 Kinder und 300 Leitende teil. Von 21 Scharen beteili- gen sich zudem 15 am Programm des Ver- eins PROphyl. Der Verein engagiert sich für die Suchtprävention und Gesundheitsförde- rung in Kinder- und Jugendverbänden des Kantons. «PROphyl deckt ganzheitliche Suchtprävention ab», sagt Patrizia Geiges. Sie ist im Vorstand von PROphyl und dort Kinder stärken ihre Persönlichkeit im Spiel. die Verantwortliche für Jubla. In Ausbildung investieren problematik. Das heisst pro Lager werden wahrnehmung», meint die Fachfrau. Also Die Aufklärungsarbeit von PROphyl beginnt fünfmal zwei Stunden direkt oder indirekt um Fragen wie: Spüre ich meinen Körper, mit einem eintägigen Grundkurs für Lei- der Suchtprävention gewidmet. Oft könnten wo sind meine Grenzen, wie kann ich tungspersonen. Zudem stellt der Verein sich solche Programmpunkte mit den Inhal- meinem Körper etwas Gutes tun? spezielle Coaches zur Verfügung, die bei ten eines Sportblocks, wie sie etwa von der Lagervorbereitung helfen; er stellt The- Jugend und Sport gefordert werden, über- Reflexion und Inputs menideen bereit und überprüft das Pro- schneiden. «Spiel und Sport fördern ja die Negative Rückmeldungen auf die direkte gramm. «Wer in seinem Lager eine ausge- soziale Gesundheit eines Jugendlichen und Sensibilisierungsarbeit hat Patrizia Geiges bildete PROphyl-Leitungsperson hat, kann dienen damit der Suchtprävention», sagt in ihrer Zeit als Lagerleiterin selten erlebt. mit finanzieller Unterstützung rechnen», so sie. Aber auch das kritische Hinterfragen Sie findet denn auch die Lager mit Beteili- Geiges. Ziel aller Massnahmen ist es, Kin- des eigenen Freizeitverhaltens könne ein gung von PROphyl unterschieden sich äus- der und Jugendliche in Ferienlagern phy- Programmpunkt sein. So habe man etwa serlich kaum von anderen. Der Unterschied sisch, psychisch und sozial zu stärken. schon mit den Kindern ein Freizeitprofil er- finde eher in den Köpfen der Teammitglie- Das sind freilich Ziele, die auch die Schule stellt, auf dem der Zeitanteil von Handy- der statt. «Sie machen sich bei der Vorbe- anvisiert. Braucht es diese Suchtprophy- und Fernsehkonsum demjenigen vom Spie- reitung Gedanken dazu, was man mit einem laxe in den Ferien? «Ja», findet Patrizia len im Freien gegenübergestellt wurde. Block erreichen will.» Bei der Durchführung Geiges, «im Lager passiert die Prävention «Das bietet jeweils guten Gesprächsstoff», lege man dann Wert auf eine kurze Refle- auf spielerische Art.» Oft merkten die Kin- sagt Geiges. xion und eine Rückmeldung der einzelnen der gar nicht, dass sie gerade etwas zur Als besonders wichtig empfindet Patrizia Teilnehmenden. «Wir fragen etwa: Wie war Suchtprävention machen. So sei schon das Geiges, «dass die Themen altersgemäss die Zusammenarbeit, wie hast du dich oder Ferienlager an sich ein Beitrag zu ihrer so- vorbereitet sind». Bei den Jüngeren gehe die Gruppe erlebt?» So fördere man die zialen Gesundheit. Denn dieses schule ihre es dann etwa um die Frage: Was mache Selbstreflexion und erhalte wertvolle Rück- Teamfähigkeit und stärke das Bewusstsein ich, wenn mir langweilig ist? «Mit den Jün- meldungen. Rückmeldungen, die auch die der eigenen Persönlichkeit. Es seien also geren kann man ein Spiel machen, zeich- Leitenden wieder aufgreifen können. Sie eher die Leitenden, die sich bei der Vorbe- nen oder Theater spielen.» Die Älteren kön- haben in regelmässigen Abständen Gele- reitung der Suchtthematik bewusst seien. ne man dagegen direkt auf die eigentliche genheit, sich in Wiederholungskursen von Suchtproblematik ansprechen und mit ih- PROphyl auszutauschen und wichtige Anre- Spielerisch und sportlich nen diskutieren. «Dabei geht es nicht nur gungen und Inputs zu erhalten. Laut Patrizia Geiges befassen sich die um Medienverhalten und Drogensucht, son- meisten Jubla-Lager intensiv mit der Sucht- dern auch um Essverhalten und Körper- Sibylle Zambon-Akeret 12 forumKirche | 14-2017
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