Generationenprofile der Mediennutzung im digitalen Umbruch

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              270       Perspektiven
                        5/2021

                        Kohortenanalysen auf Basis der
                        ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie
                        Generationenprofile der Mediennutzung
                        im digitalen Umbruch
                        Von Andreas Egger*, Karin Gattringer** und Thomas Kupferschmitt***

  Ist Mediennutzung     Kaum eine andere Variable erklärt so stark, wie Per-         wird angenommen, dass sich beispielsweise eine
    eher eine Alters-   sonen Medien nutzen, wie das Alter. Diese scheinbar          veränderte Mediennutzung der Geburtskohorte
 oder Generationen-     triviale Feststellung zieht sich durch die Erhebungen        1950 bis 1959 vom Jahr 2010 bis zum Jahr 2020
              frage?    der ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie,              auf eine tatsächliche Veränderung des Verhaltens
                        die seit 1964 alle fünf Jahre den Medienkonsum der           dieser Geburtsjahrgänge zurückführen lässt. Dies
                        Bevölkerung in Deutschland erhebt. Auch die 2020er-­         entspricht nicht vollständig der Realität. So verän-
                        Welle bestätigt diesen Befund, mit einem besonders           dert sich die Population etwa ab einem Alter von 65
                        stark ausgeprägten Altersgefälle bei Zeitungen und           Jahren leicht und deutlicher ab 75 Jahren durch
                        Zeitschriften, aber auch beim linearen Fernsehen. (1)        das Einsetzen der Mortalität, was sich auch auf die
                        Für die Analyse von Langzeitdaten und daraus ab-             soziodemografische Zusammensetzung der Kohor-
                        geleitete Prognosen ist es jedoch entscheidend, was          ten auswirkt. Ab einem Alter von 85 Jahren (Ge-
                        diesen Effekt genau ausmacht.                                burtsjahrgänge 1930 bis 1939) ist die Aussagekraft
                                                                                     der Ergebnisse zudem aufgrund der geringer wer-
                        Ein klassischer „Alterseffekt“ würde bedeuten, dass          denden Fallzahlen eingeschränkt, weshalb dies die
                        Personen im gleichen Alter eine ähnliche Medien-             letzte Kohorte ist, die in der aktuellen Befragungs-
                        nutzung aufweisen, weil sie sich in ähnlichen Lebens-        welle 2020 abgebildet wird. (3) Erwähnenswert ist
                        situationen befinden. Veränderungen der Situation,           zudem, dass die Geburtskohorten 1970 bis 1979
                        die bei vielen Menschen in einem bestimmten Alter            und früher mit der Erhebungswelle 1990 um die
                        auftreten, wie die Aufnahme der ersten Berufstätig-          Bevölkerung der ehemaligen DDR erweitert wur-
                        keit, der Auszug aus dem Elternhaus, die Gründung            den, womit keine komplette Vergleichbarkeit zu den
                        einer Familie oder der Eintritt in den Ruhestand wären       vorherigen Wellen gegeben ist.
                        dann in erster Linie für die veränderte Mediennut-
                        zung verantwortlich. Für eine Prognose würde dies
                                                                                      Kurz und knapp
                        bedeuten, dass die 40-Jährigen von heute in zehn
                        Jahren eine ähnliche Mediennutzung aufweisen                  • Mediennutzung ist nicht nur eine Alters-, sondern auch eine
                        werden wie die heute 50-Jährigen – wenngleich                   Generationenfrage.
                        selbstverständlich beeinflusst durch die technische           • Die lineare Fernsehnutzung steigt mit dem Alter. Gleichzeitig sorgt
                        Entwicklung und Veränderungen im Medienangebot,                 die Digitalisierung für einen Anstieg bei der On-Demand-Nutzung.
                        die sich als „Periodeneffekt“ bezeichnen lassen. Ein          • Je jünger die Kohorte, desto höher die nonlineare Audio- und
                        „Kohorteneffekt“ bedeutet hingegen, dass die An-                Videonutzung.
                        gehörigen eines Geburtsjahrgangs aufgrund ihrer               • Ab 2000 Geborene nutzen Medien intensiver als alle anderen
                        Sozialisation ein bestimmtes Nutzungsverhalten ent-             Generationen.
                        wickeln, das sie von weiter entfernt liegenden Jahr-          • Ein neuer Kohorteneffekt zur „Generation Video“ zeichnet sich ab.
                        gängen deutlich unterscheidet – und sie ihre Nut-
                        zungsmuster (auch hier wieder moderiert durch
                        Veränderungen bei Technik und Angebot) beim Älter-           Grundsätzlich können die Auswertungen ab der Be-       Auswertung je nach
                        werden weitgehend beibehalten.                               fragungswelle des Jahres 1970 durchgeführt werden,     Medium rückwirkend
                                                                                     da erst seitdem elektronisch verarbeitbare Daten       bis 1970 oder 1980
Kohortenanalyse als     Um diese beiden Effekte voneinander abzugrenzen,             vorliegen. Jedoch sind bei einer Langzeitstudie über   möglich
Langzeitbetrachtung     werden für die Langzeitstudie Massenkommunika-               50 Jahre Veränderungen in der Erhebung unvermeid-
   von Geburtsjahr­     tion seit dem Jahr 2000 regelmäßig Kohortenanaly-            bar. So kann für viele Wahrnehmungsdimensionen
             gängen     sen erstellt, die die Mediennutzung von Geburtsjahr-         und Mediengattungen die Betrachtung erst ab dem
                        gängen im Langzeitvergleich betrachten. (2) Hierbei          Jahr 1980 beginnen, da die Studie damals über die
                                                                                     tagesaktuellen Medien Fernsehen, Radio und Tages-
                          *	BR-Unternehmensanalyse und Medienforschung,             zeitung hinaus auch auf nicht-tagesaktuelle Medien
                             ARD/ZDF-Projektgruppe Massenkommunikation Trends.       wie Tonträger, Bücher und Zeitschriften ausgeweitet
                          **	ARD-Werbung SALES & SERVICES, Frankfurt am Main,       wurde. Zuletzt 2015 wurde ein Bruch in der Fort-
                             ARD/ZDF-Projektgruppe Massenkommunikation.              schreibung noch damit umgangen, dass der Fokus
                          ***	ZDF-Medienforschung, ARD/ZDF-Projektgruppen Massen-   der Kohortenanalyse auf den tagesaktuellen Medien
                             kommunikation und Massenkommunikation Trends.           lag. Inzwischen ist das Konstrukt „Tagesaktualität“
Generationenprofile der Mediennutzung im digitalen Umbruch
                                                                                                                                   Media
                                                                                                                             Perspektiven   271
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                   Tabelle 1
                   Kohortendarstellung in der Langzeitstudie Massenkommunikation
                   Kohorte, Erhebungsjahr und Durchschnittsalter der Befragten im Erhebungsjahr

                                          Erhebungsjahr
                   Kohorte
                   (Geburtsjahrgang)      1970*      1974*      1980         1985        1990      1995      2000       2005        2010      2015      2020
                   1900-1909              65         70         75           80          85         –          –         –           –         –         –
                   1910-1919              55         60         65           70          75        80         85         –           –         –         –
                   1920-1929              45         50         55           60          65        70        75         80          85         –         –
                   1930-1939              35         40         45           50          55        60        65         70          75        80        85
                   1940-1949              25         30         35           40          45        50        55         60          65        70        75
                   1950-1959              15         20         25           30          35        40        45         50          55        60        65
                   1960-1969               –          –         15           20          25        30        35         40          45        50        55
                   1970-1979               –          –          –            –          15        20        25         30          35        40        45
                   1980-1989               –          –          –            –           –         –        15         20          25        30        35
                   1990-1999               –          –          –            –           –         –          –         –          15        20        25
                   2000-2009               –          –          –            –           –         –          –         –           –         –        15
                   Lesebeispiel: Die Mitglieder der Geburtskohorte 1950 bis 1959 waren im Erhebungsjahr 2000 im Durchschnitt 45 Jahre alt. Durch die
                   Altersgrenze von 14 Jahren als Untergrenze für die Teilnahme an der Erhebung sind in der jeweils jüngsten Kohorte bei geraden Erhebungs­
                   jahren jeweils nur vier Altersjahrgänge enthalten, bei ungeraden Erhebungsjahren wäre nur ein Jahrgang enthalten. Diese Kohorten wurden
                   deshalb nicht berücksichtigt.
                   * 1970/74: Nur Daten für tagesaktuelle Medien (Fernsehen, Radio, Tageszeitung) erhoben.
                   Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie.

                  aber kaum noch abzubilden, da insbesondere durch                Altersverlauf abgetragen. Auf der x-Achse findet sich
                  Onlineangebote die Unterscheidung zwischen tages-               somit nicht das Kalenderjahr der Erhebung, sondern
                  aktuellen und sonstigen Medien in vielen Fällen ver-            das Durchschnittsalter, das die Kohorten zum Erhe-
                  schwimmt und an Relevanz verliert. Auch hat die Neu-            bungszeitpunkt erreicht hatten. Dies ermöglicht, meh-
                  konzeption der Studie seit dem Jahr 2017 zwischen-              rere Kohorten im gleichen Alter vertikal miteinander
                  zeitlich dazu geführt, dass gedruckte Zeitungen nicht           zu vergleichen – also beispielsweise, wie sich die
                  mehr getrennt von Zeitschriften abgefragt werden,               unterschiedlichen Geburtsjahrgänge jeweils im Alter
                  sodass der Dreiklang von Fernsehen, Radio und                   von 65 Jahren verhielten. Daraus lässt sich ablesen,
                  Tageszeitung nicht mehr fortschreibbar ist. (4) Somit           ob sich die verschiedenen Kohorten in ihrer Medien-
                  spielen die Wellen 1970 und 1974 tatsächlich nur                nutzung ähneln oder deutlich unterscheiden. Das
                  noch bei der Betrachtung des linearen Fernsehens                Alter von 65 Jahren hat die 1900 bis 1909 geborene
                  und Radios eine Rolle. Zentral ist in der vorliegenden          Generation bereits in der ersten Welle aus dem Jahr
                  Analyse nun die Unterteilung der Inhalte in Video               1970 erreicht, während in der aktuellen Welle die
                  (Bewegtbild), Audio und Text, wie sie seit 2017 stan-           1950 bis 1959 Geborenen dieses Alter aufweisen.
                  dardmäßig erfolgt und durch Zusammenfassungen
                  und Umkodierungen auch rückwirkend vorgenom-                    Die hauptsächlich betrachtete Kennzahl in der vor-        Nutzungsdauer
                  men werden kann. (5)                                            liegenden Analyse ist die Nutzungsdauer. Zwar lie-        und Anteil an
                                                                                  gen auch für Nutzungsfrequenzen und Tagesreich-           Gesamtnutzung
                  Der Zusammenhang zwischen Geburtskohorte, Erhe-                 weiten vieler Medien Zeitreihen vor, doch liegen die      als wesentliche
                  bungsjahr und Alter der Befragten ist in Tabelle 1              Werte bei viel genutzten Medien über verschiedene         Kennzahlen
                  dargestellt. Die älteste in der aktuellen Welle betrach-        Kohorten teilweise eng beisammen. Die Nutzungs-
                  tete Kohorte umfasst (wie auch in der Welle von 2015)           dauer differenziert zwischen Kohorten und Alters-
                  die Geburtsjahre 1930 bis 1939. Als jüngste Kohorte             gruppen hingegen teilweise erheblich, was den Ver-
                  werden erstmals die Geburtsjahrgänge 2000 bis 2009              gleich gut rezipierbar macht. In manchen Fällen
                  analysiert. Hierbei ist anzufügen, dass diese tatsäch-          werden auch Anteile an einer Gesamtnutzungsdauer
                  lich nur sieben Jahrgänge umfasst, da das Mindest-              berechnet, um die relative Relevanz einer Nutzungs-
                  alter für die Befragung bei 14 Jahren liegt.                    form für die Gesamtnutzung darzustellen. Ein Exkurs
                                                                                  beleuchtet darüber hinaus die Nennungen des TV-­
Nutzungsdauern    Aus der Überkreuzdarstellung in Tabelle 1 resultiert            Lieblingssenders getrennt nach öffentlich-rechtlichen
 im Zentrum der   auch das Schema für die Abbildungen. Die Medien-                und privaten Angeboten. Die bislang ebenfalls in den
    Betrachtung   nutzung der Geburtsjahrgänge, die hier zu Zehn-                 Kohortenanalysen betrachteten Einstellungen der
                  jahreskohorten zusammengefasst werden, wird im                  Befragten wie das Image von oder die Bindung an
Andreas Egger/Karin Gattringer/Thomas Kupferschmitt
                     Media
            272      Perspektiven
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                     Medien sind aufgrund einer stark veränderten Ab-        te). In diesem zeitgeschichtlichen Rahmen sind die
                     frage 2020 hingegen nicht fortschreibbar und daher      Ergebnisse der Kohortenanalyse zu interpretieren: als
                     kein Teil dieser Langzeitbetrachtung.                   Periodeneffekte, wenn die Entwicklungen über Ge-
                                                                             nerationsgrenzen hinweg zeitgeschichtlichen Be-
                     Gesamtnutzung der Medien im Kohortenverlauf             sonderheiten folgen. Davon abzugrenzen sind die
     Erhebung der    Die Ermittlung der Mediennutzung in der Langzeit-       bereits beschriebenen Alterseffekte (d. h. Einflüsse
   Mediennutzung     studie Massenkommunikation erfolgt über die Erhe-       aufgrund der Lebensphase, z. B. Adoleszenz, Start
 über Tagesablauf­   bung des Tagesablaufs am Vortag der Befragung.          ins Erwerbsleben, Ruhestand) und Kohorten-, sprich
        befragung    Dabei werden die Tätigkeiten der Befragten zwischen     Generationeneffekte.
                     5.00 und 24.00 Uhr und in Kombination damit auch
                     die unterschiedlichen Möglichkeiten der Mediennut-      Abbildung 1 veranschaulicht die Entwicklung der          Mediennutzung
                     zung sowie die dafür verwendeten Geräte in einem        täglichen Mediennutzungsdauer in Summe (Brutto-          geht in mittleren und
                     Viertelstundenraster erfasst. Nutzt die befragte Per-   wert) der Zehnjahreskohorten. Startpunkt der Be-         älteren Generationen
                     son in einer Viertelstunde mehrere Medien, werden       trachtung ist die Erhebungswelle 1980 der Lang-          zurück
                     alle medialen Berührungspunkte festgehalten. In der     zeitstudie, in der erstmals auch nicht-tagesaktuelle
                     Auswertung kann die gesamte Mediennutzungs-             Medien abgefragt wurden. Ab 2000 ist die Internet-­
                     dauer am Befragungstag zu einem Bruttowert auf-         Nutzungsdauer enthalten, darunter auch nicht-me-
                     addiert werden. Oder es wird alternativ, durch          diale Anwendungen (Kommunikation, Gaming, Trans-
                     ­Herausrechnung der Parallelnutzung, ein Nettowert      aktion, Suche, „Surfen“). (9) Über alle Kohorten der
                     der insgesamt mit Mediennutzung verbrachten Zeit        vor 1990 Geborenen lassen sich die bereits in der
                     bestimmt. Es zeigt sich, dass die Parallelnutzung       Vergangenheit von Best und Engel (10) für die Nut-
                     2020 gegenüber den vorherigen Erhebungswellen           zung der tagesaktuellen Medien (Fernsehen, Radio,
                     stark angestiegen ist – insbesondere, aber nicht nur    Tageszeitung, Internet) beschriebenen Perioden­
                     bei jungen Menschen. Der Anstieg erklärt sich vor-      effekte auch für den Medienkonsum einschließlich
                      nehmlich durch die Gleichzeitigkeit von Medientätig-   nicht-tagesaktueller Angebotstypen insgesamt nach-
                      keiten im engen Sinn und nicht-medialer Internet-      vollziehen – der steile Anstieg der täglichen Medien-
                      nutzung (Kommunikation, Gaming, Suche, Erledigun-      zeit zwischen 1995 und 2005 sowie die Sättigung
                      gen und Shopping). (6) Beide Kennwerte tragen zum      ab 2010. Dies führt dazu, dass alle zwischen 1930
                      Verständnis der Mediennutzung der Bevölkerung          und 1990 geborenen Zehnerkohorten mit zuneh-
                      bzw. einzelner Alterskohorten bei: Zeigt die Netto-­   mendem Alter etwas weniger Zeit mit Medien ver-
                      Nutzungsdauer das tatsächlich mit Medien verbrachte    bringen als die jeweils altersmäßig vor ihnen liegende
                      Zeitbudget am Tag auf, gibt der Bruttowert zudem       Kohorte. Einzige Ausnahme sind die in den 1950er-­
                      noch Hinweise auf die Intensität der Mediennutzung.    Jahren Geborenen, die nun mit einem Durchschnitts-
                                                                             alter von 65 Jahren wieder etwas länger Medien
       Allgemeine    Die allgemeine zeitgeschichtliche Entwicklung bildet    nutzen als noch vor fünf Jahren und auch mehr als
  Entwicklung der    den Rahmen für die Kohortenanalyse. Ein wesent-         die ihnen vorausgehenden Generationen in diesem
Mediennutzung von    liches Ergebnis der Langzeitstudie Massenkommu-         Lebensalter. Eine gegenläufige Tendenz und damit
    1970 bis 2020    nikation ist, dass die täglich für Medienkonsum auf-    ein Kohorteneffekt scheint sich in der Dekade der ab
                     gewendete Zeit der Bevölkerung ab 14 Jahren in          1990 Geborenen abzuzeichnen: Diese nutzt anders
                     Deutschland nicht mehr wächst, sondern im Gegen-        als die in der Literatur meist mit ihnen zusammen
                     teil im vergangenen Jahrzehnt schrittweise abge-        als „Millennials“ oder „Generation Y“ zusammenge-
                     nommen hat. Seit einem im Jahr 2005 erreichten          fasste Vorkohorte aktuell mehr Medien als noch vor
                     Höchstwert von 10 Stunden (brutto) bzw. 9 Stunden       fünf Jahren und verhält sich damit anders als die
                     und 15 Minuten (netto) gingen die Werte zurück –        1980er-Jahrgänge in ihrem Alter.
                     insbesondere der um Überschneidungen bereinigte
                     Nettowert fiel um über eine Stunde auf nun noch         Eine Konstante bleibt hingegen, dass jede neu in         Ab 2000 Geborene
                     8 Stunden und 8 Minuten im Jahr 2020. Dagegen           der Langzeitstudie Massenkommunikation ausweis-          nutzen Medien
                     stabilisierte sich die Brutto-Mediennutzung 2015        bare Alterskohorte bei einem Durchschnittsalter von      intensiver als
                     und 2020 bei einem um etwa eine halbe Stunde            15 Jahren mit einem höheren täglichen Zeitbudget         alle anderen
                     niedrigeren Wert als 2005. (7) Der Sättigungs- bzw.     für Medien „einsteigt“ als die Generationen vor          Generationen
                     Stagnationsphase ab 2005 voraus ging eine Phase         ­ihnen. Ein Novum ist dabei jedoch, dass die aktuell
                     der kontinuierlichen Expansion (8) des täglichen Me-     jüngste Kohorte der im Jahrzehnt ab 2000 Gebo­
                     dienkonsums (stark beschleunigt zwischen 1995 und        renen („Generation Z“) – nicht zuletzt aufgrund
                     2005). Diese wurde angetrieben von Zuwächsen der         extensiver Parallelnutzung von Internetanwen­
                                                                              ­
                     Fernseh-, Radio- und später auch der beginnenden         dungen – die höchste Brutto-Mediennutzungs­
                     Internetnutzung im Zuge der starken quantitativen        dauer aller Alterskohorten aufweist. Jugendliche
                     Ausweitung und inhaltlichen Ausdifferenzierung des       früherer Zeiten widmeten im Unterschied dazu den
                     (Programm-) Angebots und der ausgeweiteten Zu-           Medien in Summe weniger Zeit pro Tag als ältere
                     gangsmöglichkeiten (Verbreitungswege und Gerä-           Altersgruppen.
Generationenprofile der Mediennutzung im digitalen Umbruch
                                                                                                                            Media
                                                                                                                      Perspektiven   273
                                                                                                                           5/2021

Abbildung 1
Mediennutzung 1980 bis 2020 im Kohortenverlauf (brutto)
Nutzungsdauer in Std./Tag

12:00
          2000-09

                                                                                        1950-59                         1920-29
           2020          1990-99                                                                       1940-49
10:00                                                                                                                     2010
                                                                    1960-69                                             1930-39
         2010                      1980-89        1970-79
08:00                                                                                                                   1910-19
           2000                                                                                                           2000

                                                                                                                       1900-09
06:00
           1990           1980                                                           1980                           1990
                                         1980           1980              1980
           1980                                                                                        1980
04:00

                                             2010 etc.: Welle Studie Massenkommunikation
                                             1940-49 etc.: Kohorte (Geburtsjahrgang)
02:00

00:00
            15      20      25      30    35       40       45      50      55     60     65      70    75    80         85

                                                   Durchschnittsalter
Basis: Ab 1990 BRD gesamt.

Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 1980-2020.

Abbildung 2
Mediennutzung 1980 bis 2020 im Kohortenverlauf (netto)
Nutzungsdauer in Std./Tag

12:00

10:00                                1970-79                             1950-59        1940-49                         1920-29
          2000-09                                   1960-69
                         1980-89
                                                                                                                        1930-39
08:00
                  1990-99
                                                                                                                        1910-19

06:00

                                                                                                                        1900-09
04:00

02:00

00:00
             15     20      25      30       35    40       45       50     55     60      65     70    75       80      85

                                                   Durchschnittsalter
Basis: Ab 1990 BRD gesamt.

Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 1980-2020.

Analysiert man das tägliche Zeitbudget der Generatio-               trachtung noch stärker hervor (vgl. Abbildung 2): Der
nen ohne Parallelnutzung (Netto-Nutzungsdauern)                     übergreifend feststellbare Rückgang der Nutzungs-
treten die grundlegenden Tendenzen der Bruttobe-                    dauer bzw. deren Stagnation (1990er-Kohorte als
Andreas Egger/Karin Gattringer/Thomas Kupferschmitt
                       Media
              274      Perspektiven
                       5/2021

                       jüngste der betrachteten Kohorten, für die mehrere     zung (bzw. 76 %, wenn auch die anderen Ausspiel-
                       Messzeitpunkte vorliegen) ist als Periodeneffekt zu    wege für TV-Inhalte abseits des laufenden Pro-
                       werten. Darin spiegeln sich neben der faktischen       gramms berücksichtigt werden), während noch 2005
                       Limitation der für Medienkonsum nutzbaren Freizeit     die Nutzungswerte für Bewegtbild und Fernsehen
                       und der „Verdichtung“ der Medienzuwendung durch        fast identisch waren. (13)
                       deutlich gestiegene Parallelnutzung (gerade bei den
                       jüngeren Generationen) in begrenztem Maße auch         In diesem gewandelten Marktumfeld, das die aktu-        Längsschnittanalyse
                       methodische Effekte durch die stark ausdifferen-       elle Erhebung der ARD/ZDF-Massenkommunikation           dokumentiert
                       zierte Abfrage von Medientätigkeiten (11) wider. Der   sehr ausdifferenziert erfasst, verspricht die Längs-    Entwicklungslinien
                       Periodeneffekt der Sättigung des täglichen Medien-     schnitt-Analyse nach Alterskohorten besonders auf-      in der Bewegtbild-
                       budgets überdeckt auch den seit Anbeginn der           schlussreiche Hinweise auf die künftige Rezeptions-     nutzung
                       Studienreihe Massenkommunikation bis in das erste      entwicklung. Abbildung 3 zeigt sehr unterschied­
                       Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts stabilen Befund, dass   liche Entwicklungslinien in der Bewegtbildnutzung
                       nachwachsende Generationen in zunehmendem Alter        und gewisse Brüche zwischen den Generationen.
                       jeweils mehr Zeit am Tag mit Medien verbringen als     Die Kurven der vor 1980 geborenen Kohorten doku-
                       die jeweils älteren Kohorten. Besonders drastisch      mentieren in mehr oder minder deutlicher Ausprä-
                       zeigt sich dies für die Dekaden der in den 1970er-     gung den beschriebenen Periodeneffekt einer star-
                       sowie in den 1980er-Jahren Geborenen. Während          ken Ausweitung der Nutzungsdauer zwischen 1995
                       die Generationen vor ihnen in der Lebensphase der      und 2010 – der Hochzeit des linearen Fernsehens
                       beruflichen und familiären Etablierung im Alter zwi-   mit stetig wachsendem Angebot an Programmen
                       schen 30 und 50 Jahren ihren Medienkonsum kon-         und Formatmarken mit hoher Bindungskraft im Pu-
                       tinuierlich ausbauten, schränken die 1970er- und       blikum – und die anschließende Sättigungsphase.
                       1980er-Kohorten in diesem Alter ihre tägliche Me-
                       dienzeit so deutlich ein, dass im Abgleich mit der     Dieser allgemeine Trend schlägt allerdings in den       Bruch in Kohorte
                       Entwicklung in den anderen Generationen zusätzlich     einzelnen Kohorten, für die in der aktuellen Erhe-      1970-1979:
                       zu dem beschriebenen Periodeneffekt von einem          bung 2020 Daten vorliegen, in unterschiedlicher         „Zwischen­
                       Kohorteneffekt auszugehen ist. Hier könnten sich       Stärke durch und wird zum Teil durch andere Effekte     generation“
                       soziologische Veränderungen, konkret eine im Ver-      überlagert. Bei den Zehnerkohorten der 1940er-,
                       gleich zu früheren Jahrzehnten später einsetzende,     1950er- und mit Abstrichen auch der 1960er-Jahr-
                       zeitlich ausgedehntere – und im Jahr 2020 durch        gänge ist – in etwas abgeschwächter Form gegen-
                       die Corona-Pandemie in Teilen des Befragungszeit-      über der TV-Expansionsphase bis 2010 – weiterhin
                       raums noch akzentuierte – Phase der „Rushhour          der aus früheren Untersuchungen bekannte Alters-
                       des Lebens“ (12) niederschlagen. Deutlich wird in      effekt einer parallel zum steigenden Lebensalter zu-
                       der Betrachtung der Netto-Nutzungsdauern zudem,        nehmenden Bewegtbild- bzw. Fernsehnutzung fest-
                       dass die jüngste hier untersuchte Kohorte der in den   zustellen. Darauf, dass die Zeitbudgets künftig aber
                       2000er-Jahren Geborenen zwar wie beschrieben           auch in diesem Alterssegment voraussichtlich nicht
                       deutlich mehr Zeit am Tag für Medien aufwendet als     mehr in den Himmel wachsen, weist die rückläufige
                       alle Generationen vor ihnen in der Lebensphase der     Kurve in der ältesten aktuell ausweisbaren Kohorte
                       Adoleszenz. Unter Kontrolle der Parallelnutzung lie-   der zwischen 1930 und 1939 Geborenen hin. Eine
                       gen sie jedoch mit ihrem täglichen Medienkonsum        ganz eigene Entwicklung nimmt dagegen die Alters-
                       2020 nicht mehr deutlich vor allen anderen Kohorten,   kohorte 1970 bis 1979. Verlief die Entwicklung in
                       sondern gleichauf mit den besonders fernseh- und       dieser Gruppe bis 2010 parallel zu den ihnen voran-
                       radioaffinen 1940er- und 1950er-Generationen. Die      gehenden Generationen, sank die Nutzungsdauer nun
                       jüngste Kohorte ist damit die Generation, die Medien   die zweite Erhebungswelle in Folge. Damit unter-
                       am stärksten parallel nutzt.                           scheidet sich die 1970er-Kohorte sowohl von den
                                                                              älteren als auch von den ihr nachfolgenden Genera-
                       Bewegtbildnutzung im Kohortenverlauf                   tionen, was auf einen Kohorteneffekt hinweist. Dieser
       Konsum von      Mit 216 Minuten am Tag entfällt in der Gesamtbevöl-    liegt in erster Linie in der (bewusst oder unbewusst)
   Fernsehinhalten     kerung ab 14 Jahren der größte Anteil der Medien-      starken Reduzierung der Medienzeit insgesamt in
dominiert (noch) die   nutzung im engen Sinne auf die Nutzung von Be-         dieser Kohorte begründet. Denn auch Audio- und
 Bewegtbildnutzung     wegtbild-Inhalten. Die Video-Sehdauer hatte in der     Textinhalten widmen die in den 1970er-Jahren Ge-
                       Langzeitstudie Massenkommunikation 2010 mit 229        borenen weniger Zeit pro Tag als in der Vergangen-
                       Minuten ihren Höchststand erreicht, ist seither aber   heit. Neben außermedialen Rahmenbedingungen,
                       im Vergleich zu der mit Audio und Text verbrachten     wie etwa Arbeitszeit oder veränderten Vorstellungen
                       Zeit recht stabil geblieben. Auch 2020 bildete der     von Familienzeit, wäre ein möglicher Interpretations-
                       Konsum von Fernsehinhalten und dabei speziell das      ansatz, dass dieses Segment eine Art „Zwischen-
                       „klassische“ lineare Programm noch die mit Ab-         generation“ zwischen der linear dominierten Medien-
                       stand höchste Nutzungssäule. Allerdings liegt der      welt früherer Jahrzehnte und der sich entwickeln-
                       Anteil nur noch bei 73 Prozent der Gesamtvideonut-     den Streamingwelt bildet. Gerade im Bewegtbild-­
Generationenprofile der Mediennutzung im digitalen Umbruch
                                                                                                                                           Media
                                                                                                                                     Perspektiven   275
                                                                                                                                          5/2021

                       Abbildung 3
                       Bewegtbild-/Videonutzung 1980 bis 2020 im Kohortenverlauf (netto)
                       Sehdauer in Std./Tag

                       05:00                                                                                          1930-39
                                                                                                                                     1920-29
                                                                                                       1940-49

                                                                                        1950-59
                                                                                                                                       1910-19
                       04:00     2000-09                  1970-79    1960-69
                                                1980-89

                       03:00
                                                                                                                                     1900-09
                                1990-99

                       02:00

                       01:00

                       00:00
                                   15      20      25     30   35   40     45      50      55     60    65       70     75      80      85

                                                                    Durchschnittsalter
                       Basis: Ab 1990 BRD gesamt.

                       Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 1980-2020.

                       Bereich könnte zudem das Angebotsspektrum, mit              tägliches Zeitbudget für Bewegtbild aufbrachten,
                       dem diese Kohorte sozialisiert wurde, eine Rolle für        widmeten bzw. widmen die Kohorten der Generation
                       die rückläufige Nutzung spielen: Prägten noch in den        Y und Z im Durchschnittsalter von 15 Jahren zwi-
                       2000er-Jahren starke TV-Unterhaltungsmarken die             schen drei und vier Stunden am Tag Videoinhalten.
                       Medienwahrnehmung der damals in etwa 25- bis                Von diesen Gemeinsamkeiten abgesehen trennen
                       35-Jährigen, haben diese im vergangenen Jahr-               die drei analysierten Gruppen allerdings auch starke
                       zehnt an Bindungskraft in dieser von ihren Nutzungs-        Kohorteneffekte: Die 2000er-Geburtsjahrgänge wei-
                       mustern noch überwiegend linear geprägten Gene-             sen nicht nur den höchsten Bewegtbildkonsum aller
                       ration verloren. Den Status als „Zwischengeneration“        Generationen im Jugendalter auf, sondern gehören
                       unterstreicht die Betrachtung der Anteile der einzel-       auch im Querschnittsvergleich zu den video-affinsten
                       nen Angebotstypen (TV vs. andere Videos, linear vs.         Generationen. Nur die vier Kohorten der vor 1970
                       on-demand) am gesamten Bewegtbildmenü der                   Geborenen verbrachten 2020 mehr Zeit pro Tag mit
                       1970er-Kohorte (vgl. Tabelle 2): 71 Prozent ihrer täg-      bewegten Bildern. Der Schwerpunkt ihrer Videonut-
                       lichen Videonutzungszeit entfällt auf klassisches           zung liegt eindeutig im Internet, wobei neben Strea-
                       Fernsehen (auf TV-Inhalte insgesamt 76 %), wäh-             mingdiensten mit einem Anteil von 41 Prozent auch
                       rend Netflix, Amazon Prime und Co. 13 Prozent auf           YouTube und Social-Media-Plattformen einen sehr
                       sich verbuchen können. Die Anteile weichen im Ver-          hohen Stellenwert haben. Ob es sich bei Letzterem
                       gleich zu den älteren Generationen, bei denen Fern-         um einen (mit steigendem Alter stabilen) Kohorten-
                       sehinhalte zwischen 90 und 100 Prozent des Be-              effekt oder um einen (auf die Lebensphase der Ado-
                       wegtbildkonsums ausmachen, zwar ein gutes Stück             leszenz beschränkten) Alterseffekt handelt, kann zum
                       ab. Noch weitaus deutlicher ist allerdings der Unter-       heutigen Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden.
                       schied zur Verteilung in den jüngeren Generationen,         Im Unterschied zur Generation Z sind die beiden Mil-
                       die wesentlich intensiver Streamingdienste nutzen.          lennial-Kohorten mit deutlichem Abstand Schluss-
                                                                                   lichter bei der täglichen Videonutzungszeit. Beide
      Junge Kohorten   Völlig quer zu den vor 1980 geborenen Kohorten              Gruppen eint, dass sie in den letzten zehn Jahren
mit deutlich höherem   liegt die Bewegtbildnutzung der jüngeren Genera-            ihren Bewegtbildkonsum relativ stabil gehalten,
      Videokonsum in   tionen. Das betrifft neben der deutlich stärkeren           dabei aber ihren Nutzungsschwerpunkt (in etwas
    frühester Jugend   Affinität zu Videoangeboten im Internet vor allem die       stärkerer Intensität in der 1990er-Kohorte) vom linea-
                       Primärsozialisation. Während frühere Generationen           ren Fernsehen in Richtung Onlineplattformen, vor-
                       in ihrer Jugend ein vergleichsweise überschaubares          rangig Streamingdienste, verschoben haben. Wäh-
Andreas Egger/Karin Gattringer/Thomas Kupferschmitt
                            Media
                276         Perspektiven
                            5/2021

 Tabelle 2
 Anteil der Angebotstypen an der gesamten Bewegtbild-/Videonutzung (brutto) nach Kohorten
 Nutzungsdauer-Anteile (brutto) pro Tag in %

                                                                Kohorte
                                                  Gesamt        1930-1939    1940-1949   1950-1959   1960-1969   1970-1979   1980-1989      1990-1999   2000-2009
 Bewegtbild/Video gesamt (brutto)                  100          100          100         100         100         100          100           100         100
   Fernsehsendungen gesamt (brutto)                 76          100           98          97          90          76           54            40          26
 		 Fernsehen zum Zeitpunkt der Ausstrahlung        72           99           94          94          86          71           46            32          23
 		aufgenommene Fernsehsendungen                     2            1               2        1           2            2           1             3           0
 		 Fernsehsendungen/Videos in Mediatheken           2            0               1        1           2            2           4             3           1
 		Fernsehsendungen auf YouTube                      1            0               2        0           0            1           3             2           1
   Videos im Internet gesamt (brutto)               23            0               2        3           9          21           44            58          74
 		 Videos bei Streamingdiensten                    14            0               0        1           5          13           32            39          41
 		 andere Videos auf YouTube                        6            0               2        1           2            6           9            14          20
 		 Videos in Sozialen Medien                        2            0               0        0           0            2           2             5          10
 		 Videos bei anderen Anbietern im Internet         1            0               0        0           1            1           1             1           3
   Videos auf DVD/Blu-ray                            1            0               0        0           1            3           2             2           1
 Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 Jahren (n= 3 003).
 Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020.

                            rend diese Entwicklung bei den zwischen 1990 und          ginnend mit der Generation der ab 1960 Geborenen
                            1999 Geborenen im Lebensalter von etwa 15 bis             gesellt sich in Bezug auf das lineare Fernsehen als
                            etwa 25 Jahren verlief, vollzog sie sich bei der in der   Kohorteneffekt eine weitere Entwicklungstendenz
                            Expansionszeit des Fernsehens sozialisierten 1980er-­     hinzu: Die Verschiebung von Nutzungszeit vom line-
                            Kohorte in höherem Lebensalter und nach einem             aren Fernsehen hin zu Bewegtbild im Internet. Je
                            starken Abbruch der Bewegtbildnutzungszeit insge-         jünger die Kohorten, desto ausgeprägter zeigt sich
                            samt (und der Fernsehnutzung im Speziellen) zwi-          dieser Effekt, der sich in sehr deutlich gesunkenen
                            schen 2010 und 2015.                                      TV-Sehdauern in den drei Geburtsdekaden zwischen
                                                                                      1970 und 1999 niederschlägt.
Starke Generationen-        Der Nutzungsverlauf des linearen Fernsehens (vgl.
   unterschiede beim        Abbildung 4) war in den Jahrzehnten von 1970 bis          Der größte Teil dieser Verschiebungen bleibt, wie
  linearen Fernsehen        2010 durch eine starke Ausweitung in allen Genera-        Tabelle 2 deutlich macht, nicht bei den Fernsehsen-
                            tionen gekennzeichnet (= Periodeneffekt). Kenn-           dern (in den Mediatheken oder ihren Channels im
                            zeichnend war zudem ein für alle vor 1980 geborenen       Videoportal YouTube), sondern verlagert sich hin zu
                            Generationen ein deutlicher Alterseffekt – je älter die   Netflix, Amazon Prime Video und anderen Strea-
                            Menschen wurden, desto mehr Zeit am Tag widme-            mingdiensten. An der TV-Sehdauer der jüngsten in
                            ten sie dem stetig anwachsenden Programmangebot.          der aktuellen Studie ausgewiesenen Alterskohorte
                            Ein erstes Anzeichen des Medienwandels war 2010           zeichnet sich ab, dass eine Trendwende nicht zu
                            der Rückgang der Sehdauer in der Geburtskohorte der       erwarten ist: Denn während die Vorkohorten der
                            1980er-Jahrgänge, die dennoch damals mit einem            Millennials im Teenageralter jeweils deutlich mehr
                            Alter von Mitte 20 intensiver fernsahen als die meis-     fernsahen als die vorangegangenen Generationen,
                            ten Generationen vor ihnen in diesem Lebensalter.         steigen die 2000er-Jahrgänge mit der im Langzeit-
                                                                                      vergleich niedrigsten Sehdauer ein.
                            Ein Jahrzehnt später ist das Bild deutlich uneinheit-
                            licher geworden. Auf die Expansionsphase folgte seit      Auch wenn die Dauer der Zuwendung zum linearen         Zuschauer aller
                            2010 eine Phase der Sättigung, in der die TV-Seh-         Fernsehen wie gezeigt in den meisten Generationen      Generationen können
                            dauer quer durch die Generationen stagniert oder –        abnimmt, so nutzen doch weiterhin in allen Alters-     Lieblingsprogramme
                            insbesondere von 2015 auf 2020 – mehr oder weni-          kohorten über 90 Prozent der Menschen mindestens       nennen
                            ger stark zurückgeht. Diese ebenfalls als Perioden-       selten Fernsehsendungen in linearer oder nonline-
                            effekt zu deutende Entwicklung erklärt sich, wie          arer Form. Bei den vor 1980 Geborenen liegen die
                            vorangehend dargelegt, in erster Linie dadurch, dass      Anteile zwischen 96 Prozent und 98 Prozent. Dass
                            die Menschen in Deutschland ihre zuvor exorbitant         die genutzten Fernsehprogramme auch weiterhin
                            angewachsene tägliche Medienzeit insgesamt Stück          Bindungskraft ausüben, zeigt sich daran, dass quer
                            für Stück wieder leicht zurückgefahren haben. Be-         durch die Generationen beinahe alle Zuschauer
Generationenprofile der Mediennutzung im digitalen Umbruch
                                                                                                                                          Media
                                                                                                                                    Perspektiven   277
                                                                                                                                         5/2021

                      Abbildung 4
                      Lineare Fernsehnutzung 1970 bis 2020 im Kohortenverlauf
                      Sehdauer in Std./Tag

                      05:00                                                                                          1930-39
                                                                                                                                     1920-29
                                                                                                      1940-49

                                                                                       1950-59
                                                                                                                                      1910-19
                      04:00
                                                      1970-79       1960-69
                                    1980-89

                      03:00
                                                                                                                                     1900-09
                               1990-99

                      02:00

                      01:00

                                2000-09

                      00:00
                                   15     20   25     30    35     40    45       50      55     60    65       70     75      80      85

                                                                  Durchschnittsalter
                      Basis: Ab 1990 BRD gesamt.

                      Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 1970-2020.

                      Lieblingsprogramme nennen können. (14) Dabei über-          mit zunehmendem Lebensalter steigt die Präferenz
                      wiegen in Summe in allen vor 1990 geborenen Ko-            der Programme von ARD und ZDF an und sinkt
                      horten die öffentlich-rechtlichen Programme, in den        ­parallel dazu die Nennung kommerzieller Kanäle als
                      beiden jüngsten hier betrachteten Gruppen private          Lieblingssender. Diese grundlegende Tendenz wird
                      Programme. Dies ist insofern bemerkenswert, als            durch zwei Periodeneffekte variiert: Die durch die
                      noch bei der letzten Erhebungswelle der ARD/ZDF-­          Etablierung und beginnende Ausdifferenzierung des
                      Massenkommunikation Langzeitstudie 2015 die                 Privatfernsehens zu erklärenden Rückgänge beim
                      Privatsender in den jüngsten drei der damals ana-           öffentlich-rechtlichen Fernsehen bzw. Anstiege für
                      lysierten Kohorten vorne lagen – darunter auch              das privatrechtliche Angebot in der ersten Hälfte der
                      in den beiden Dekaden der 1980er- und 1970er-­              1990er-Jahre bilden den ersten zeitgeschichtlichen
                      Jahrgänge, bei denen das Programmangebot von                Einschnitt in allen Generationen. Auf diese deutliche,
                      ARD und ZDF 2020 einen Vorsprung von 7 bzw. 13              in den 1960er- und 1970er-Generationen noch etwas
                      Prozentpunkten erreichte. Die Gründe für diese              länger andauernde Verschiebung folgte etwa ab
                      Verschiebungen dürften sowohl in der speziellen             2005 und verstärkt ab 2010 der „Rückschwung“ in
                      Situation des Jahres 2020 (Corona-Effekte) als              den Präferenzurteilen zu ARD und ZDF, der ebenfalls
                      auch in langfristigen Entwicklungen (stärkere Pub­          quer durch die Generationen feststellbar ist. Die
                      likumsverluste an Streamingdienste im traditionell          nachlassende Innovationkraft im Unterhaltungspro-
                      jüngeren Publikum der Privatsender, Marktanteils-           gramm der Privatsender und die verstärkten An-
                      verschiebungen hin zu öffentlich-rechtlichen Pro-           strengungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks,
                      grammen, höhere Nutzung der öffentlich-recht­               mit Mediatheken und Spartenprogrammen mittlere
                      lichen Mediatheken als der Videoplattformen der             und jüngere Altersgruppen besser anzusprechen,
                      Privatsender) zu suchen sein.                               könnten die wesentlichen Ursachen für den Um-
                                                                                  schwung darstellen. Auffällig ist, dass sich die Um-
      Präferenz für   Über den gesamten Zeitraum der Langzeitstudie be-           orientierung bei den Lieblingssendern von den kom-
  ö.-r. Programme     trachtet sind die Effekte bei der Programmbindung           merziellen Angeboten zum Programmbouquet von
setzt immer früher    der Zuschauer klarer ersichtlich als dies beim Zeit-        ARD und ZDF in den „jüngeren“ Kohorten der ab
      im Leben ein    budget für das Medium Fernsehen insgesamt der               1960 Geborenen über die letzten beiden Messzeit-
                      Fall ist. Aus den Abbildungen 5 und 6 lassen sich die       punkte der Studie Massenkommunikation in starkem
                      Perioden- und Alterseffekte ablesen. Einerseits zeigt       Maße fortsetzt. Parallel dazu zeigt sich die jüngste
                      sich quer durch die Kohorten ein Alterseffekt, denn         hier betrachtete Generation, die ab 2000 Geborenen,
Andreas Egger/Karin Gattringer/Thomas Kupferschmitt
      Media
278   Perspektiven
      5/2021

      Abbildung 5
      Öffentlich-rechtlicher Fernseh-Lieblingssender 1990 bis 2020 im Kohortenverlauf
      1990/1995: "Welches Fernsehprogramm würden Sie am liebsten behalten?"
      ab 2000: "Welches Fernsehprogramm ist Ihr Lieblingsprogramm?", in %

      100
                                                                                                             1910-19
        90
                                                                                                             1930-39
        80                                                                    1950-59                        1920-29

        70                                                        1960-69                         1940-49

        60                                           1970-79

        50                               1980-89

                           1990-99
        40

        30    2000-09

        20

        10

         0
                     15   20      25     30   35   40       45    50     55     60      65   70    75   80    85

                                                    Durchschnittsalter
      Basis: BRD gesamt.

      Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 1990-2020.

      Abbildung 6
      Privater Fernseh-Lieblingssender 1990 bis 2020 im Kohortenverlauf
      1990/1995: "Welches Fernsehprogramm würden Sie am liebsten behalten?"

       100

        90

        80

        70

        60
               2000-09
        50
                               1990-99
        40
                                         1980-89        1970-79
        30
                                                                   1960-69                        1940-49
        20                                                                                                   1920-29
                                                                                1950-59
        10                                                                                                   1910-19
                                                                                                             1930-39
         0
                     15   20      25     30   35   40       45    50     55    60       65   70    75   80    85

                                                    Durchschnittsalter
      Basis: BRD gesamt.

      Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 1990-2020.
Generationenprofile der Mediennutzung im digitalen Umbruch
                                                                                                                                        Media
                                                                                                                                  Perspektiven   279
                                                                                                                                       5/2021

                      Abbildung 7
                      Audionutzung 1980 bis 2020 im Kohortenverlauf (netto)
                      Hördauer in Std./Tag

                      5:00
                                                       1970-79    1960-69        1950-59
                                       1980-89
                                                                                                       1940-49
                      4:00
                                                                                                                           1920-29

                      3:00    2000-09                                                                                          1910-19
                                               1990-99
                                                                                                                                    1930-39
                      2:00
                                                                                                                                     1900-09

                      1:00

                      0:00
                                  15      20      25     30      35   40    45      50     55     60    65       70   75     80      85

                                                                      Durchschnittsalter

                      Basis: Ab 1990 BRD gesamt.

                      Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie1980-2020.

                      schon im Teenageralter weitaus affiner zu öffentlich-­        In den 1980er Jahren lag das Niveau des täglichen
                      rechtlichen Programmen als die beiden Kohorten vor            Audiokonsums bei den damals Jugendlichen (Kohorte
                      ihnen in der gleichen Lebensphase. Abzuwarten                 1960-69) bei gut zwei Stunden und in den mittleren
                      bleibt, ob es sich dabei um einen Corona-Effekt im            Altersgruppen (Kohorte 1950-59 bis 1980-89) gleich-
                      Jahr 2020 zugunsten des im Informationsbereich                auf mit dem aktuellen Wert bei drei Stunden (vgl.
                      stärker profilierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks         Abbildung 7). Die Nutzungsdauern der Jahrgänge
                      handelt oder gerade die ganz jungen Generationen              1940 bis 1949 und ältere Kohorten wiesen hingegen
                      schon im jungen Erwachsenenalter langfristig tat-             ein sichtbar niedrigeres Niveau auf, was auf die
                      sächlich andere Präferenzmuster ausbilden als die             zunehmende Fernsehnutzung in dieser Altersgrup-
                      Generationen vor ihnen. Mit Blick auf die niedrige            pe zurückzuführen war. In diesem Ausgangsniveau
                      Fernseh- (und auch Mediatheken-) Nutzung der Mil-             von 1980 war erstmals das Hören von Tonträgern
                      lennials und der Generation Z ist allerdings nicht            (Kassette/Schallplatte, später auch CD) in die Be-
                      auszuschließen, dass bei den Jüngsten selbst der am           fragung aufgenommen worden. Dieser, mutmaß-
                      meisten bevorzugte Fernsehsender – sei er öffent-             lich weitgehend auf Musik entfallende nonlineare
                      lich-rechtlich oder privat – kaum noch an die emo-            Audiokonsum spielte allerdings bis zur Jahrtau-
                      tionale Bindungskraft der großen globalen Video-              sendwende mit einer durchschnittlichen Nutzungs-
                      plattformen heranreichen dürfte, über die sie den             dauer von einer Viertelstunde am Tag nur eine
                      Großteil ihrer Bewegtbildnutzung bestreiten.                  ­untergeordnete Rolle. Bis ins Jahr 2005 steigerten
                                                                                     alle Alterskohorten ihren Audiokonsum, und dieser
                      Audionutzung im Kohortenverlauf                                erreichte in der Langzeitstudie Massenkommuni-
Audionutzung hat im   In der Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren in Deutsch-             kation 2005 dann den Höchstwert von fast fünf
 Bevölkerungstrend    land werden nach den aktuellen Daten der Studie               Stunden Nutzungszeit (286 Min.) in der Kohorte 1950
       vorerst Peak   Massenkommunikation täglich drei Stunden (181                 bis 1959, den damals 50-Jährigen.
      überschritten   Min. brutto) für den Konsum von Audioinhalten –
                      also Radio (über alle Verbreitungswege), Hör­                 In den Erhebungswellen ab 2010 reduzierte sich das           Jüngere Kohorten
                      bücher/-spiele, Podcasts und Musik hören – aufge-             Nutzungsvolumen für Audioangebote in allen Kohor-            mit geringerer
                      wendet. (15) Das entspricht 40 Prozent des täg­               ten. Das Ausgangsniveau in den beiden jüngsten Ko-           Audionutzungszeit
                      lichen Medienkonsums und liegt damit etwas unter              horten der ab 1990 Geborenen ging zweimal in Folge           als ihre Eltern
                      der Bewegtbildnutzung (48 %) und deutlich vor der             leicht zurück auf nunmehr 190 Minuten. Dies be-
                      Textnutzung (12 %).                                           deutet: Die jüngeren Generationen erreichen das sehr
Andreas Egger/Karin Gattringer/Thomas Kupferschmitt
                         Media
                 280     Perspektiven
                         5/2021

Tabelle 3
Anteil der Angebotstypen an der gesamten Audionutzung (brutto) nach Kohorten
Nutzungsdauer-Anteile (brutto) pro Tag in %

                                                          Kohorte
                                            Gesamt        1930-1939   1940-1949   1950-1959    1960-1969    1970-1979     1980-1989       1990-1999   2000-2009
Audio (Brutto)                              100           100         100         100          100           100          100             100         100
  Radio (zum Ausstrahlungszeitpunkt)         74            98          97          93            88           75           71              44          28
	Radiosendungen/Beiträge aus
  Radiosendungen (auf Abruf)                  1             0            0          1             1            2            1               1           0
  Podcasts                                    1             0            0           0            0            1            3               1           2
  Musik über YouTube                          4             0            1           1            2            2            4              10          14
  Musik über Spotify / Amazon Music          14             0            0           1            4           11           14              38          51
  Musik auf CD/MP3/Download                   4             2            2           4            3            5            5               4           4
  Hörbücher/Hörspiele (CD/MP/Download)        1             0            0           0            1            3            3               2           0
Basis: Deutschspr. Bevölkerung ab 14 Jahren (n= 3 003).
Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020.

                         hohe Audionutzungsvolumen ihrer Elterngeneration         Während in den drei ältesten Kohorten, also bei den       Bei unter
                         nicht mehr, trotz der zusätzlichen Nutzungsmöglich-      ab 60-Jährigen, der Anteil des Radios am Audiobud-        30-Jährigen setzt
                         keiten, die mittlerweile im Markt verfügbar sind und     get zum Teil deutlich über 90 Prozent liegt (1950-59:     sich das Audio­
                         sukzessive in die Abfrage integriert wurden. So kam in   93 %, 1940-49: 97 %, 1930-39: 98 %), nimmt er – je        repertoire merklich
                         der Erhebungswelle 2000 das Hören digitaler Musik-       jünger die Kohorte ist – zunehmend ab. Bei den            anders zusammen
                         träger (MP3 und Download) und ab 2010 die zeitver-       1960 bis 1969 Geborenen liegt er noch etwas über-
                         setzte Radio- sowie die Podcastnutzung neu dazu. In      durchschnittlich bei 88 Prozent, bei den mittleren
                         der aktuellen Welle 2020 ist die Erhebung um die         Kohorten, also bei Personen im Alter von 30 bis 50
                         Nutzung von Musik-Streamingdiensten, Hörbüchern          Jahren macht klassisches Radio noch drei Viertel
                         und -spielen oder das Musikhören bei YouTube er-         der Audionutzungszeit aus. Bei jungen Menschen
                         gänzt bzw. ausdifferenziert worden. Die Adaption         unter 30 Jahren (Kohorten 1990-99, 2000-2009) ist
                         des Fragebogens spiegelt somit den digitalen Trans-      jedoch eine zunehmende Digitalisierung des Audio-
                         formationsprozess im Audiobereich wider, der Mitte       repertoires deutlich erkennbar. Der Anteil des linea-
                         der 1990er Jahre mit Einführung des MP3-Standards        ren Radios sinkt merklich und ein hoher Anteil der
                         begann. Wichtige weitere Meilensteine waren die          Nutzungszeit wird mit dem Hören von individuell
                         Einführung des iPods Anfang 2001, der Start von          zusammengestellter Musik (15-Jährige: 69 %, 25-
                         YouTube im Jahr 2005, die Verfügbarkeit des Musik-­      Jährige: 52 %) vor allem über Musik-Streaming-
                         Streamingdienstes Spotify ab 2012 in Deutschland         dienste, aber auch zu einem kleineren Teil via You-
                         und die zunehmende Vielfalt und damit auch Popu-         Tube zugebracht. Tonträger oder Download/MP3
                         larität von Podcasts ab 2015.                            machen nur geringe Anteile aus. Hier ist ein Trans-
                                                                                  formationsprozess zu beobachten, der sicherlich auf
     Periodeneffekt      Der zuvor beschriebene markante Anstieg der Audio-       die zunehmende individuelle Verfügbarkeit von tech-
   bei heute 35- bis     nutzungsdauer beginnend in den 1980er Jahren bis         nischen Endgeräten mit Medien-Abspielmöglichkei-
        80-Jährigen      ins Jahr 2005 und ein Rückgang ab 2010 sind nach         ten und mobilem Internetzugang zurückzuführen ist.
                         den Daten der Langzeitstudie Massenkommunikation         So kam das iPhone 2007 auf den Markt, heute ist in
                         in allen Generationen gleichermaßen zu konstatieren      den jungen Generationen nahezu eine Vollversorgung
                         und können daher als Periodeneffekte eingeordnet         mit Smartphone-Geräten gegeben.
                         werden. Sie können fast vollständig dem klassischen
                         Radio zugeschrieben werden, das in den 1970er            Die Dekaden der in den 1970er- sowie in den 1980er-­      Mittlere Generation
                         Jahren durch das Aufkommen der Popwellen einen           Jahren Geborenen nutzen zeitsouveräne Audioange-          ist „Meistnutzer“
                         großen Aufschwung erlebte, der in den 1980ern und        bote wie „Radiosendungen auf Abruf hören“ (Kohorte        bei zeitsouveränen
                         1990ern durch Privatradio zusätzlich beflügelt wur-      1970-79: Anteil am Audiobudget = 2 %), „Podcasts“         Audioangeboten
                         de, sich bis 2005 fortsetzte und mit über 83 Prozent     (1980-89: 3 %), „Hörbücher/-spiele“ (jeweils 3 %)
                         Anteil an der Audionutzungszeit seinen Höhepunkt         oder „Musik auf Tonträgern/Speichermedien“ (je-
                         verzeichnete. Seither ist der Anteil rückläufig und      weils 5 %) im Vergleich zu den Generationen vor
                         liegt aktuell im Bevölkerungsdurchschnitt 9 Prozent-     und nach ihnen am längsten, wenn auch auf nied-
                         punkte niedriger bei immerhin 74 Prozent (vgl. Ta-       rigem Niveau. Diese selbstbestimmte Nutzungs-
                         belle 3).                                                form kommt anscheinend den jetzt 30- bis 50-­
Generationenprofile der Mediennutzung im digitalen Umbruch
                                                                                                                                     Media
                                                                                                                               Perspektiven   281
                                                                                                                                    5/2021

                      Abbildung 8
                      Lineare Radionutzung 1970 bis 2020 im Kohortenverlauf
                      Hördauer/Tag in Std.

                      05:00

                                                                                  1950-59
                                                                                                 1940-49
                                                                   1960-69
                      04:00                         1970-79

                                                                                                                          1920-29

                      03:00
                                1980-89                                                                                          1910-19

                                                                                                                                 1930-39

                      02:00
                                                                                                                                1900-09

                                          1990-99
                      01:00

                               2000-09

                      00:00
                                  15      20    25     30     35     40      45     50      55     60      65   70   75   80      85

                                                                     Durchschnittsalter
                      Basis: Ab 1990 BRD gesamt.

                      Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 1970-2020.

                      Jährigen, die in der Mitte des Lebens stehen – mit           einer Stunde Hördauer. Zum anderen zeichnet sich
                      hohem Zeitaufwand für Erwerbsarbeit und mög­                 in der aktuellen Erhebung bei den jüngeren Kohorten
                      lichen Doppelbelastungen in Beruf und Familie –              (1970-79 und danach) ein sehr deutlicher Rückgang
                      entgegen.                                                    in der Radionutzung ab. Ob es sich bei diesem Rück-
                                                                                   gang bei den 20- bis 49-Jährigen um einen Genera-
  Unterschiedliche    Bei der Kohortenbetrachtung für das Radio zeigt sich         tionenabriss oder (zum Teil um) einen aktuellen Co-
Generationenprofile   zunächst ein sehr ähnliches Bild zur Audionutzung,           rona-Effekt (16) handelt, kann noch nicht abschlie-
bei der klassischen   was auf die dominante Rolle des Mediums im Audio-            ßend beurteilt werden.
      Radionutzung    bereich zurückzuführen ist, vor allem in den mittle-
                      ren und älteren Kohorten. Kohortenspezifische Nut-           Die Kohortenbetrachtung der nonlinearen Audio-             Je jünger die Kohorte,
                      zungsmuster zeigen sich im Niveau der Radio-Nut-             nutzung – Hörbücher/-spiele, Podcasts und Musik            desto höher die non­
                      zungsdauer. Die Kohorte 1950 bis 1959 erzielte in            hören – zeigt ein eindeutiges Altersgefälle: Je jün-       lineare Audionutzung
                      ihrem Lebensverlauf die höchsten Radio-Nutzungs-             ger die Kohorte, desto höher ist der Konsum (vgl.
                      dauern und ist somit besonders radioaffin. Auch              Abbildung 9). Die Kohorte 2000 bis 2009 steigt mit
                      wenn die rückläufige Tendenz seit dem Jahr 2005              der bisher höchsten erhobenen Nutzungsdauer
                      deutlich zu Tage tritt, hat diese sich aktuell etwas         von 137 Minuten ein, die sie fast ausschließlich der
                      abgeschwächt (vgl. Abbildung 8). Die vor 1950 Ge-            digitalen Musik widmet. Der mittlerweile deutlich
                      borenen liegen in ihrer Radionutzungsdauer umso              einfachere und bequemere Zugang zu Musik vor
                      niedriger, je früher sie geboren wurden. Auch ihr            allem über Musik-Streamingdienste wie Spotify,
                      Radionutzungsvolumen ist seit 2005 rückläufig. Das           aber auch auf Videoportalen wie YouTube, macht
                      kann, wie bereits im Zusammenhang mit der Be-                sich hier deutlich bemerkbar. Die Kohorte 1990 bis
                      wegtbildnutzung erwähnt, auf den bekannten Alters-           1999 hat keinen eindeutigen Verlauf. Nach einem
                      effekt „je älter, desto höher die Fernseh-/Bewegt-           relativ hohen Einstieg verzeichnete sie in der vor-
                      bildnutzung“ zurückgeführt werden.                           letzten Befragungswelle einen deutlichen Rück-
                                                                                   gang, den sie jetzt wieder ausgeglichen hat. Da
                      Bei den Kohorten ab 1970 und jünger lässt sich ak-           auch ihr nonlineares Mediennutzungsmenü haupt-
                      tuell von Kohorte zu Kohorte ein bemerkenswerter             sächlich aus Musik besteht, könnte der Start von
                      Unterschied feststellen: Zum einen hat sich das Aus-         Spotify auf dem deutschen Markt im Jahr 2012
                      gangsniveau Schritt für Schritt reduziert und liegt          eine mögliche Erklärung für den wieder angestie-
                      nun in der jüngsten Kohorte (2000-2009) bei knapp            genen Musikkonsum sein.
Andreas Egger/Karin Gattringer/Thomas Kupferschmitt
                Media
       282      Perspektiven
                5/2021

                Abbildung 9
                Nonlineare Audionutzung 1980 bis 2020 im Kohortenverlauf (netto)
                Hördauer in Std./Tag

                02:30

                           2000-09
                02:00
                                    1980-89

                                            1990-99

                01:30

                                                   1970-79
                01:00

                                                              1960-69
                                                                              1950-59
                00:30                                                                        1940-49        1930-39

                                                                                                                       1920-29

                00:00                                                                                                            1910-19
                               15      20     25      30     35   40     45    50       55     60      65      70     75   80    85

                                                                  Durchschnittsalter
                Basis: Ab 1990 BRD gesamt.

                Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 1980-2020.

                Bei den mittleren Kohorten (1970-89) zeigt sich der            oder (seit 2015) in Apps und 2020 um das Lesen von
                Umbruch der letzten Jahre im Audiosektor am deut-              E-Books. Diese Erweiterungen in der Abfrage und die
                lichsten, wie der anfängliche Aufwärtstrend mit ei-            methodische Neukonzeption der Studie ab dem Jahr
                nem Peak im Jahr 2005, einer deutlichen Reduktion              2017 (17), die unter anderem die Abfrage von ge-
                danach und der neuerliche Anstieg in der aktuellen             druckten Zeitungen und Zeitschriften zusammenfass-
                Welle vor Augen führen. Im Gegensatz jedoch zu den             te, machen eine Fortschreibung der Kohortenanalyse
                jüngeren Kohorten ist in der mittleren Altersklasse            für gedruckte Tageszeitungen unmöglich.
                der 30- bis 50-Jährigen nicht nur Musik der Treiber
                für das aktuelle Wachstum im Bereich nonlineares               Möglich ist jedoch eine Kohortenbetrachtung der Textnutzung gesamt
                Audio, sondern auch Wortinhalte, also Hörbücher/               Textnutzung gesamt seit 1980, die in der 2020er-­ mit Altersgefälle und
                -spiele und Podcasts.                                          Befragungswelle auch das bisher von der gedruckten weiterhin rückläufig
                                                                               Tageszeitung schon bekannte Altersgefälle wider-
                Textnutzung im Kohortenverlauf                                 spiegelt – analog zum linearen Fernsehen: Je älter
  Methodische   Die Textnutzung wurde in der Langzeitstudie Massen-            die Kohorte, desto höher liegt die Nutzungszeit (vgl.
Veränderungen   kommunikation ab 1964 knapp 15 Jahre lang mit der              Abbildung 10). In der Langzeitstudie Massenkom-
                Tageszeitungslektüre abgebildet, die während dieser            munikation 2015 wurde eine grundlegend zurück-
                Zeit stabil bei gut einer halben Stunde pro Tag im Be-         gehende Tendenz der Tageszeitungslektüre als Print-
                völkerungsdurchschnitt lag, bei den jüngeren Men-              ausgabe (Rückgang von 35 Min./Tag im Jahr 1970
                schen etwa zehn Minuten darunter (mit leicht abneh-            auf 23 Min./Tag im Jahr 2015) in allen Kohorten als
                mender Tendenz). Ab der Studie 1980 wurde das                  Periodeneffekt konstatiert. (18) Bei der Analyse der
                Lesen von Zeitschriften (damals 11 Min. Nutzungs-              nunmehr vorliegenden Daten zur Textnutzung ist
                dauer im Bevölkerungsdurchschnitt) und Büchern (22             diese Tendenz in allen Alterskohorten bis zum Alter
                Min.) in die Abfrage aufgenommen. Bücher wurden                von 75 Jahren ebenfalls sichtbar und wird mit der
                Anfang der 1980er Jahre in der jungen Bevölkerung              aktuellen Befragungswelle weiter fortgeführt. Die
                zwischen 14 bis 29 Jahren noch eine Dreiviertelstun-           Menschen lesen weiterhin weniger als ihre Vorgän-
                de pro Tag gelesen (47 Min.), Zeitschriften mit einer          gergeneration im gleichen Lebensalter. Auch die
                Viertelstunde Lesezeit etwas länger als im Bevölke-            jüngste Kohorte startet mit knapp 40 Minuten Lese-
                rungsdurchschnitt. Die Erhebung der Textnutzung                zeit pro Tag auf niedrigerem Niveau als die Vor­
                wurde in den darauffolgenden Jahren noch um die                gängergenerationen. Nur die jetzt 35-Jährigen hatten
                digitalen Nutzungsmöglichkeiten ergänzt, 2010 um               als Jugendliche nach dem Jahrtausendwechsel ein
                das Lesen von Nachrichten bzw. Artikeln auf Websites           ähnlich niedriges Level an Lesezeit.
Generationenprofile der Mediennutzung im digitalen Umbruch
                                                                                                                                             Media
                                                                                                                                       Perspektiven   283
                                                                                                                                            5/2021

                        Abbildung 10
                        Textnutzung 1980 bis 2020 im Kohortenverlauf (netto)
                        Lesedauer in Std./Tag

                        02:00

                                                                                                                                    1930-39

                        01:30
                                                                                                      1940-49                          1920-29
                                                                                                                                       1910-19

                                                                                       1950-59
                        01:00
                                                                                                                                         1900-09

                                 2000-09                                         1960-69
                                                                1980-89
                                                 1990-99
                        00:30                                                  1970-79

                        00:00
                                     15     20      25     30      35     40      45      50     55     60      65   70    75     80      85

                                                                          Durchschnittsalter
                        Basis: Ab 1990 BRD gesamt.

                        Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie1980-2020.

      Umbruch bei       Auffällig ist die Entwicklung der Kohorte 1970 bis                Apps dementsprechend höher aus und liegt bei fast
   Kohorte 1970-79      1979, die aktuell mit einer Lesedauer von nur noch                zwei Dritteln (63 %).
                        gut einer halben Stunde den niedrigsten Wert aller
                        Kohorten aufweist und deutlich unter den Werten                   Vergleicht man bei der Textnutzung den Anteil von
                        der Vorgängergenerationen liegt. Die 1970er Kohorte               Artikeln, egal ob sie in Papierform oder digital gele-
                        unterscheidet sich sowohl von den älteren Kohorten                sen wurden, ergibt sich in der Gesamtbevölkerung
                        (ab 1960 Geborene), die im Vergleich eine mindes-                 aktuell ein durchschnittlicher Anteil von täglich 61
                        tens doppelt so hohe, zumindest beständige, Lese-                 Prozent. Die jüngste Kohorte (zwischen 2000-2009
                        dauer aufweisen, als auch von den jüngeren Kohor-                 Geborene) und die Kohorte 1970 bis 1979 liegen
                        ten (ab 1980 Geborene), die von vornherein weniger                beide bei überdurchschnittlichen 70 Prozent und
                        leseaffin waren, sich aber in den letzten beiden Er-              haben damit den höchsten Anteil an Artikeln, also
                        hebungswellen stabilisierten.                                     journalistischen Inhalten im weitesten Sinne, in ihrem
                                                                                          Leseportfolio.
    Digitaler Trans­    Bei einem Blick auf die jeweiligen Mediennutzungs-
 formationsprozess      menüs in den einzelnen Kohorten bestätigen sich                   Allerdings verteilen die Kohorten ihr Zeitbudget für
im Textbereich setzt    bekannte Tendenzen und zeigen sich neue Entwick-                  Artikel unterschiedlich auf die verschiedenen Platt-
            sich fort   lungen (vgl. Tabelle 4). Während die gedruckten Print-            formen. So ist in den jungen Kohorten (ab 1970 Ge-
                        produkte bei den Kohorten 1950 bis 1959 und älter                 borene) eine deutliche Zunahme im Anteil von gele-
                        noch mindestens drei Viertel der Textnutzungszeit                 senen Texten bei sozialen Medien von 14 auf 39
                        ausmachen, fällt der Anteil der gedruckten Zeitun-                Prozent zu verzeichnen: Je jünger die Leser sind,
                        gen und Zeitschriften am Zeitbudget bei den Kohor-                desto mehr Informationen holen sie sich in ihren
                        ten danach umso niedriger aus, je jünger die Leser                Netzwerken. In den älteren Kohorten (ab 1950 Ge-
                        sind. In der Kohorte der 1960 bis 1969 Geborenen                  borene) zeigt sich die gegenläufige Entwicklung. Die
                        (den heute durchschnittlich 55-Jährigen) liegt der                Apps von Zeitungen/Zeitschriften werden am meisten
                        Anteil bei etwas mehr als der Hälfte der Zeit (52 %),             in der Kohorte der 1970 bis 1979 Geborenen genutzt
                        bei Jüngeren fällt dieser dann sukzessive ab und                  und unterdurchschnittlich bei den beiden ältesten
                        erreicht seinen niedrigsten Wert bei den heute 14-                Kohorten, die noch eher zur Printausgabe greifen.
                        bis 20-Jährigen, die nur noch 27 Prozent ihrer Text-              In allen anderen Generationen liegen die Apps von
                        nutzungszeit mit Gedrucktem verbringen. Im Gegen-                 Zeitungen bzw. Zeitschriften zwischen 10 und 14
                        satz dazu fällt ihr Anteil für Artikel im Internet oder in        Prozent.
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