GEOINFORMATION ALS SCHLÜSSEL - für gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimawandel und Naturgefahren - OIAV
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166 WISSENSCHAFT & PRAXIS September 2021 GEOINFORMATION ALS SCHLÜSSEL für gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimawandel und Naturgefahren Stefan Kienberger & Daniel Hölbling Die Fülle und Qualität an heutzutage verfügbarer Geoin- pert_innen aus Wissenschaft und Wirtschaft zu Vernetzung formation eröffnet neue und weitreichende Möglichkeiten und Austausch nach Salzburg. Im Weiteren verbindet Z_GIS um den Klimawandel und Naturgefahren sowie deren Aus- Grundlagenforschung mit angewandter Forschung und Ent- wirkungen auf Mensch und Umwelt besser untersuchen, wicklung und unterstützt mit innovativen räumlichen Kon- verstehen und darauf reagieren zu können. Mit Hilfe von zepten und Methoden Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt. Geographischen Informationssystemen (GIS) können solche Kernkompetenzen bestehen im Bereich Geoinformatik/ raumbezogenen Daten effizient erfasst, bearbeitet, organi- Fernerkundung fokussiert auf Naturgefahrenmanagement, siert, analysiert und präsentiert werden. Einen wesentlichen Klimawandel, Risikoanalysen sowie besonders international Beitrag dazu liefern boden-, luft- und satellitengestützte im Kontext der humanitären Hilfe. Erdbeobachtungssysteme, die es erlauben, flächendecken- de Geodaten mit einer immer höheren räumlichen und zeit- Der Klimawandel stellt eine der größten Herausforderun- lichen Auflösung aufzunehmen. Geoinformation kann somit gen der Menschheit dar. Aufgrund der Vielschichtigkeit wesentlich dazu beitragen gesellschaftsrelevante Fragestel- und der Verbindung mit verschiedensten Lebensbereichen lungen und Herausforderungen in Bezug auf den Klimawan- des Menschen, ergeben sich aber konkrete Möglichkeiten del und Naturgefahren zu erkennen und zu bewältigen. Geoinformation als Werkzeug und Methodenset zur Be- wältigung dieser Herausforderung zum Einsatz zu bringen. Der Interfakultäre Fachbereich für Geoinformatik - Z_GIS an So wurden in Zusammenarbeit mit der ZAMG und der Uni der Paris-Lodron Universität Salzburg ist seit mehr als 30 Graz hochaufgelöste Klimamodellierungen für Österreich Jahren als interdisziplinäres Kompetenzzentrum für Geoin- bereitgestellt (ÖKS15 Daten). Neben wichtigen Parametern formation national sowie auch international fest verankert. wie Temperatur und Niederschlag, wurden aussagekräftige Schwerpunkte bilden dabei die Ausbildung in Präsenz-Stu- Klimaindizes berechnet, welche als Entscheidungsgrundlage diengängen und der etablierte Fernstudienlehrgang UNIGIS, und für Planungsaspekte von Wichtigkeit sind (wie Hitzetage, mit über 10.000 Absolvent_innen. Das jährliche AGIT Sym- Anzahl der Kühlgrad-/Heizgradtage etc.). Wissenschaftler posium bringt über 1.000 internationale Geoinformatik-Ex- des Z_GIS haben die Rohdaten visuell und kartographisch 1 OIAZ 166
© ÖKS15 - Z_GIS/Uni Graz/ZAMG aufbereitet und Factsheets für die Beratung von Gemeinden Im Forschungsprojekt RESPECT2 wurden Risiko- und Ver- bzw. Akteuren der Länder entwickelt. Die Daten sind über wundbarkeitsregionen für Österreich erstellt. “Mit diesem das „CCCA Data Centre1 “ frei verfügbar. Ansatz, konnten wir erstmals für Österreich eine umfassen- de Verwundbarkeits- und Risikobewertung entwickeln, wel- Aufbauend auf diesen Klimaszenarien, werden am Z_GIS che eine Fülle von verschiedenen Indikatoren bzw. Daten- weitere Informationsprodukte erforscht, welche eine Ver- strömen mit Hilfe des Geon-Ansatzes integriert”, so Stefan dichtung, räumliche Analyse bzw. Integration der Daten er- Kienberger vom Z_GIS. “Die Ergebnisse unterstützen dabei möglichen. So macht der am Z_GIS entwickelte Ansatz der einen integrativen Risikomanagement-Ansatz, um räumlich Genese von homogenen, räumlichen Regionen - welche un- komplexe Inhalte kondensiert darstellen zu können”. abhängig von „künstlichen“ administrativen Einheiten sind - eine integrative und räumlich-explizite Darstellung möglich. Wie wichtig die Verfügbarkeit, Aktualität, Qualität und ins- Diese sogenannten „Geone“ (geon, aus griech. geo - Erde; besondere der Zugang zu Daten ist, zeigt sich derzeit im Zuge und on – „etwas sein“) können so z.B. über einen Index-Wert der Pandemie. Im Kontext des Naturgefahrenrisikomanage- charakterisiert werden, aber auch hinsichtlich ihrer Qualität ments ist dies in Österreich bisher vernachlässigt und über bzw. charakterisierenden Elemente. So wurden aktuell in Zu- verschiedenste Akteure zersplittert. Das Projekt CESARE3 hat sammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur in Wien, sich zum Ziel gesetzt, eine nationale Ereignis- und Schadens- für das Bundesland Salzburg Geone für kumulierte Klima- datenbank aufzubauen. In dem von der ZAMG geleiteten indizes ausgewiesen, welche für strategische Entscheidun- Projekt sollen Visualisierungs- und Analysewerkzeuge zu gen und zur Identifikation des Beratungsbedarfs als Exper- Sturm-, Überflutungs- und Massenbewegungsereignissen ten-Tool verwendet werden. Neben reinen Klimafaktoren, und korrespondierenden Schadens- und Verlustindikatoren lassen sich diese auch zu Risikoregionen weiterentwickeln. 2 https://respectproject.net/ 1 https://data.ccca.ac.at/ 3 https://projekte.ffg.at/projekt/3307382 2 OIAZ 166
© ÖKS15 - Z_GIS/Uni Graz/ZAMG auf der Gemeindeebene zur Verfügung gestellt werden. “Für Typen von Massenbewegungen möglichst automatisiert zu uns bietet dieses Projekt die Chance, Geoinformation und detektieren, deren Entwicklung zu dokumentieren, und ge- insbesondere Fernerkundungsdaten zu integrieren, mit dem fährdete Gebiete auszuweisen. Ziel, einer Verknüpfung der Schadensdatenbank mit einer Risikoanalyse zu bewerkstelligen”, so Stefan Kienberger. Die Auswirkungen von Massenbewegungen auf die alpine Infrastruktur, vor allem Wanderwege, werden derzeit im Naturgefahren verursachen jedes Jahr zahlreiche Todesop- Projekt MontEO4 untersucht. Dafür werden über Satelliten- fer, erhebliche Infrastrukturschäden und beeinträchtigen die daten Gebiete in den österreichischen Alpen identifiziert, Lebensgrundlage vieler Menschen. Viele der im Alpenraum die stark von Massenbewegungen betroffen sind. Die Er- auftretenden Naturgefahren wie Hochwasser, Massenbe- gebnisse werden mit Geodaten zur alpinen Infrastruktur wegungen (Rutschungen, Steinschläge, Muren), Lawinen, kombiniert und für die Erstellung von Suszeptibilitätskarten Stürme, Hagel oder Waldbrände werden durch den Klima- sowie die Modellierung und Simulation von Steinschlag und wandel begünstigt. Hitzeperioden begünstigen Waldbrände, Rutschungen verwendet. “Mit unseren Ergebnissen wollen der Rückgang der Gletscher und des Permafrostes im Hoch- wir Alpenvereine unterstützen und können zu einer sicheren gebirge führt zu vermehrter Steinschlagaktivität und extre- alpinen Infrastruktur mit einem gesteigerten Wert für den me Niederschlagsereignisse bewirken Überschwemmungen nachhaltigen Tourismus beitragen”, erklärt Daniel Hölbling. und lösen Rutschungen und Muren aus. Außerdem untersuchen Wissenschaftler am Z_GIS auch Kas- kadeneffekte und Auswirkungen von Massenbewegungen wie massenbewegungsbedingte Flusslaufänderungen und Geoinformation über die räumliche und zeitliche Verteilung Seenbildungen durch die Aufstauung von Flüssen im Pro- von Naturgefahren, vor allem zu Massenbewegungen, zu ge- winnen ist ein weiterer Forschungsschwerpunkt am Z_GIS. Insbesondere werden Fernerkundungsdaten, vor allem verschiedene Satellitendaten, verwendet um verschiedene 4 https://monteo.zgis.at 3 OIAZ 166
Mure im Kleinarltal © Daniel Hölbling Neben Forschungsprojekten mit Bezug auf Österreich be- stehen vielfältige Kooperationen auf internationalem Ni- veau; mit besonderem Fokus auf Länder in Afrika, Asien bzw. Neuseeland. Forscher_innen des Z_GIS kooperieren neben Hangruschtung im Pongau © Daniel Hölbling international anerkannten Forschungs-Partnern mit ver- schiedensten Einrichtungen der Vereinten Nationen, Orga- nisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie NGOs. jekt RiCoLa5. Dafür arbeitet Z_GIS eng mit internationalen Einen besonderen Schwerpunkt bilden dabei Aktivitäten im Experten aus Taiwan, Neuseeland und Island zusammen. Im Kontext der humanitären Hilfe in Zusammenarbeit mit Ärzte Rahmen dieser internationalen Tätigkeiten, wurden unter ohne Grenzen. anderem die Auswirkungen von Starkniederschlägen auf Rutschungsaktivitäten und damit verbundene Effekte auf Methoden der Geoinformatik und Fernerkundung spielen Flusssysteme mit Zeitreihen von frei verfügbaren Satelli- eine Schlüsselrolle um neue Erkenntnisse über den Klima- tenbildern analysiert. Die gewonnen Erkenntnisse können wandel und über Naturgefahren zu gewinnen und relevante Entscheidungsträger wesentlich unterstützen um poten- Ergebnisse sowohl für die Wissenschaft als auch für die Pra- zielle Gefahren für Mensch und Infrastruktur einschätzen xis bereitzustellen. Geoinformation ist dabei der Schlüssel, und entsprechende Maßnahmen setzen zu können. “Geo- Informationen räumlich zu analysieren und bereitzustellen information trägt wesentlich dazu bei Massenbewegungen und trägt wesentlich dazu bei, ein gesteigertes Bewusst- und dadurch ausgelöste Naturgefahrenkaskaden, wie Über- sein zu schaffen und eine effiziente Kommunikation zu schwemmungen und Muren nach Dammbrüchen, besser zu ermöglichen. dokumentieren, verstehen und in Zukunft besser vorhersa- gen zu können”, so Daniel Hölbling. 5 https://landslides-and-rivers.sbg.ac.at/ 4 OIAZ 166
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