Gerettete Quellen in Haiti
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Nr. 212/Mai 2013 MAGAZIN PARTNER- SCHAFT gerettete Quellen in Haiti AUF UNSEREM TELLER Nahrung zwischen Genuss und Globalisierung WIR ESSEN DIE WELT Neue Ausstellung von Helvetas WETTBEWERB 2 Nächte im Hotel Glocke im Goms zu gewinnen RÜCKBLICK – AUSBLICK Jahresbericht 2012 und Einladung zur GV
212 /13 Partnerschaft INHALT PERSPEKTIVEN © Flurina Rothenberger Stadtgärtnerei .......................................................................... 04 KLARTEXT Seite Mehr Respekt vor Nahrungsmitteln...................................... 05 REPORTAGE Haiti: Wasserversorgung aus den Trümmern gerettet ....... 06 06 Reportage FOKUS «Ernährung global – die Welt auf dem teller» Die Zukunft ist Bio: Interview mit Urs Niggli, Direktor FiBL.................................11 Ernährungssicherheit: (K)ein Thema für die Schweiz ................................................ 13 Spekulation: Nein zu Profit auf Kosten der Ärmsten ................................. 14 Gastkommentar: Rolf Hiltl, CEO des ältesten Vegi-Restaurants der Welt....... 15 «Wir essen die Welt»: Die neue Helvetas-Ausstellung .............................................. 16 Lebensquelle Mehr erfahren.......................................................................... 18 Schweiz ©Alexander Egger Therese Frösch engagiert sich für Helvetas .......................... 24 Sammelfieber auf www.mein-wunsch.org .......................... 26 AKTUELL Engagiert Brunnengeschenke zum Weltwassertag 2013....................... 27 Stimmungsbarometer.............................................................. 27 Wer sammelt, gewinnt: Verlosung von Globetrotter ................................................... 28 Cinema Sud geht auf Tournee ............................................. 28 Neue Bio-Schokolade aus Helvetas-Projekt in Honduras . 28 Impressum ............................................................................... 28 Do it yourself: Helvetas Clip Award zu Klimawandel......... 29 Wettbewerb: 2 Nächte im Hotel Glocke zu gewinnen ........ 29 FAIRER HANDEL Erfolgsgeschichte: Zehn Jahre Bio-Baumwolle aus Mali...... 30 HELVETAS-JAHRESBERICHT........................................... 19 EINLADUNG ZUR GENERALVERSAMMLUNG VOM 28. JUNI 2013 .............................................................. 32 Therese Frösch Seite 24 stellt sich als Vizepräsidentin zur Wahl. Porträt Titelbild: Flurina Rothenberger einer engagierten Frau und Politikerin. Schweiz HELVETAS – Handeln für eine bessere Welt Vision: Wir wollen eine Welt, in der alle Menschen in Würde und Sicherheit selbstbestimmt leben und der Umwelt Sorge tragen. AUFTRAG: Wir engagieren uns für benachteiligte Menschen und Gemeinschaften in Entwicklungsländern, die ihre Lebens- bedingungen aktiv verbessern wollen. 2 Inhalt
212 /13 Partnerschaft Editorial © Vera Hartmann «Die Landwirt- Seite 11 schaft der Fokus Zukunft muss Der Direktor des Forschungsinstituts Der Geschmack der Unschuld in die Bauern für biologischen Landbau (FiBL) Wenn meine Kindheit einen Ge- über kluge Bauern, schmack hat, dann den der Apfelküch- investieren.» die Agrarindustrie lein meiner Mutter. Gibt es ein hei- und darüber, wer meligeres und unschuldigeres Essen in Zukunft die Welt ernährt. als dieses Wunder aus Äpfeln, Eiern, Zucker, Milch und Mehl? Schlicht, lo- Urs Niggli kal, geerdet. Doch was wären Apfel- küchlein ohne eine Prise Fremdheit, ohne Zimt und Vanillecreme? Da wis- sen wir schon nicht mehr genau, unter welchen Bedingungen sie gewonnen werden. Damit nicht genug: Auch © Panos/Jason Larkin unsere Milchkühe werden mit Import- kraftfutter versorgt. Und selbst das Heu kommt nicht immer von der Wiese neben dem Stall. 170’000 Tonnen da- von wurden allein 2011 importiert. Der Seite 14 Blick in die Zollstatistiken zeigt, dass das Grasland Schweiz gar Heu aus Staaten wie Eritrea, Kirgistan und Peru FoKus kauft. Selbst wenn wir kein Thai oder Mexikanisch auf dem Teller haben: Wir So viele Menschen essen die Welt. So heisst der Titel hat die letzte Nahrungsmittel- der neuen Helvetas-Ausstellung, die krise 2010/11 laut die oft verschlungenen Wege unserer 44’000’000 der Weltbank in Nahrung aufzeigt und aus dem Leben äusserste Armut jener erzählt, die sie produzieren. getrieben. Die Ihre Unschuld haben die «Öpfel- Spekulation trifft eine Mitschuld. chüechli» verloren, aber ihren Kind- heitszauber werden sie dennoch be- wahren. Herzlich Susanne Strässle, Redaktorin «Partnerschaft» susanne.straessle@helvetas.org HELVETAS Swiss Intercooperation Weinbergstrasse 22a, Postfach, CH-8021 Zürich Tel +41 (0)44 368 65 00 Fax +41 (0)44 368 65 80 info@helvetas.org, www.helvetas.ch PC 80-3130-4 3 Editorial
212/13 Partnerschaft Stadtgärtnerei © Matthieu Zellweger © Keystone/Alessandro della Bella Urban Farming, das engagierte Ackern in Gemeinschaftsgärten, boomt in Schweizer Städten. Die Gärtnerinnen im Stadiongarten beim ehemaligen Hardturm-Stadion in Zürich (u.) wollen mit Bio- Gemüse zurück zu den Wurzeln. Selbstversorgung steht dabei nicht im Zentrum, sondern gemein- sames Tun und geteiltes Ernteglück. Ganz anders in westafrikanischen Städten, wo man es manch- mal gar auf Verkehrsinseln grünen sieht. Urbane Landwirtschaft leistet dort einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit der Städte. In Benins Hauptstadt Cotonou etwa wird unmittelbar neben dem Flughafen gegärtnert (o.). Neben dem Gemüseanbau bessern Menschen auch mit dem Ziehen von Zierpflanzen das Familieneinkommen auf. –SUS 4 PERSPEKTIVEN
212 /13 Partnerschaft Die Verantwortung liegt auf Unseren Tellern Der Anbau von Futtermitteln, bringen wollen. Wenn wir beim Ein- «Die armen Kinder in Afrika wären froh Agrotreibstoffen und Getreide ist ein kauf sozial und ökologisch verträgliche darum!» Das haben Eltern ihren Kin- globalisiertes Geschäft, dabei werden Nahrungsmittel wählen und so auch die dern früher gesagt, wenn diese ihren weltweit riesige Agrarflächen an interna- Grossverteiler für Fragen der Nachhal- Teller nicht leer essen wollten. Natür- tionale Grossinvestoren abgetreten. Oft tigkeit sensibilisieren. Und … beim Ab- lich war das pädagogisch fragwürdiger handelt es sich um Land, auf dem Klein- fallkübel. Denn dort landen jedes Jahr Unsinn, denn die Kinder konnten den bauernfamilien zuvor Grundnahrungs- 220 Millionen Tonnen Nahrungsmittel. Spinat auf ihrem Teller ja nicht nach mittel wie Kartoffeln, Mais oder Weizen Das entspricht der Jahresproduktion al- Afrika schicken. Und doch: Ein Quänt- für den Eigenbedarf angebaut haben. ler afrikanischen Länder südlich der Sa- chen Wahrheit steckt in der moralischen Die Ernährungssicherheit die- hara. So gesehen steckt in der elterlichen Ermahnung. Unser Menuplan und un- ser Familien gerät immer mehr unter Ermahnung aus früheren Zeiten sogar Druck. Egal, ob vermehrt für die Tier- mehr als nur ein Quäntchen Wahrheit. mast und für Agrartreibstoffe produ- Noch viel mehr über die globale ziert wird oder ob Bauernfamilien direkt Ernährung erfahren Sie in der neuen «Unser Konsum- von ihrem Land vertrieben werden – in Helvetas-Ausstellung «Wir essen die verhalten hat direkte unserer globalisierten Welt hat unser Welt» (vgl. S. 16). Wir freuen uns auf Ih- Auswirkungen auf Konsumverhalten ganz direkte Auswir- ren Besuch! kungen auf die Lebens- und Nahrungs- die Lebensgrundlagen grundlagen anderer. anderer.» Es ist wichtig, dass wir unsere Konsummuster überdenken – und an- passen. Wenn wir uns entscheiden, ob Melchior Lengsfeld, Geschäftsleiter von ser Kaufverhalten haben einen Einfluss und wie oft wir Fleisch auf den Tisch HELVETAS Swiss Intercooperation auf das Leben von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, auf die Umwelt und letzt- lich auf den Hunger in der Welt. Nahrungsvernichter Nummer eins ist der Fleischkonsum, der in den In- dustrieländern besonders hoch ist. Um diesen Fleischbedarf zu decken, werden Kühe, Schweine und Hühner mit viel Getreide und Soja gemästet. Für das Kraftfutter, das die Schweiz importiert, braucht es eine Ackerfläche von 200’000 Hektar, ein grosser Teil davon liegt in Entwicklungsländern. Ausserdem ist die Produktion von Fleisch mit einem Aus- stoss von 18 Prozent aller Klimagase ei- ner der wichtigsten Klimafaktoren. Nahrung geht auch bei der Pro- duktion von Agrotreibstoff verloren. Grosse Nahrungsflächen werden auf den Anbau von Zuckerrohr und Jatropha umgestellt. In den USA landet 40 Pro- zent der Maisproduktion als Ethanol in den Tanks von Verbrennungsmotoren. In Mexiko haben wir Hungerunruhen © Maurice K. Grünig gesehen, weil der Mais wegen der erhöh- ten Produktion von Agrotreibstoffen in den USA unerschwinglich teuer wurde. 5 Klartext
212 /13 Partnerschaft Louise Beneche weiss, wie wichtig sauberes Wasser ist, und behandelt es mit der nötigen Sorgfalt.
212 /13 Partnerschaft Wasserretterin Wenn Louise Beneche das Wassergeld einkassiert, ist das mehr als ein administrativer Akt. Denn das Wassergeld ist für die Haitianerin der Beweis, dass die Leute ihres Dorfes hinter der neuen Quellfassung stehen. Dass sie bewahren wollen, was sie nach dem Erdbeben mühevoll wieder aufgebaut haben. Von Hanspeter Bundi (Text) und Flurina Rothenberger (Fotos) Am Tag nach dem Erdbeben kehrte Louise Beneche in ihr Dorf «Ich war tieftraurig, als ich die Quelle sah», sagt Louise. «Sie zurück. Sie war bei Verwandten zu Besuch gewesen. Dort hatte ist unsere Lebensader.» Louise sagt diesen pathetischen Satz sie gesehen, wie die Erde sich aufbäumte, wie das Haus, die ohne das geringste Pathos. Die Quelle als Lebensader. Das ist Palmen geschüttelt wurden, und irgendwo war ein Grollen ge- eine einfache, unverrückbare Feststellung. wesen, ähnlich wie bei einem Gewitter, aber bedrohlicher. Als Wir sitzen auf dem ebenen Platz zwischen dem Haus, alles vorbei war, lag eine Wolke aus Staub über der Landschaft. der überdachten Kochstelle und einem geflochtenen Schuppen Louise und ihre Verwandten waren wohlauf. Nach einer unru- für die Hühner. Das Haus ist klein, die traditionellen Malerei- higen Nacht machte sie sich auf den Heimweg. Sie ging über en an den Lehmwänden sind verblasst. Hier lebt Louise zu- Fusspfade und Karrwege, an zerstörten Häusern vorbei, an sammen mit ihrem Mann, mit vier Kindern, einem Enkelkind Leuten mit Verbänden an Armen und Beinen, an entwurzel- und ihrem 78-jährigen Vater, der den ganzen Tag auf seinem ten Bäumen. Sie sah die Verzweiflung der Menschen und war Hocker sitzt und mithilft, Bohnenschoten zu entkernen oder in Sorge, dass es daheim ähnlich aussehen könnte. Maiskörner von den Kolben zu klauben. Die Familie besitzt einen Ochsen, eine Handvoll Ziegen und sechs Hennen, eine Das Dorf totenstill, die Quelle zerstört davon mit piepsenden Jungen, die nicht müde werden, den Als sie dort ankam, erschrak sie. Die Häuser standen noch, sauber gewischten Erdplatz nach Körnern oder Brotkrumen aber im Dorf war es totenstill. Einen Moment lang dachte sie, abzusuchen. Zum Haus und den Tieren kommt die kleine Par- alle seien umgekommen, doch dann sagte jemand, die Men- zelle Land, auf der Louises Mann Mais und Bohnen anpflanzt, schen seien in die Hügel geflohen. Dort traf Louise ihre Fa- wenn er nicht in der Stadt ist, um als Zimmermann zu arbeiten. milie. Alle hatten überlebt. Dann ging sie zur Quelle. Louise «Wir haben immer gekämpft im Leben. Das ist das ist ehrenamtliche Kassierin des Quellenkomitees von Bastin in Schicksal von uns kleinen Bauern.» Auch das sagt Louise im der weitläufigen Gemeinde Petit Goâve, und deshalb liegt ihr Ton einer nüchternen Feststellung, klaglos, ohne zu jammern. das Wasser besonders am Herzen. Kann sie sich ein Leben ohne Kampf überhaupt vor- Die einfache Betonkonstruktion der Quellfassung stellen? war zerstört. Die Decke war eingebrochen, die Wände waren «Ja. Aber dann ist sowieso alles ganz anders.» geborsten, und das Wasser floss über die Trümmer hinweg. «Wie denn?» Jemand hatte die grössten Betonbrocken entfernt, um den «Das hängt von Gott ab.» Zugang zum offen dahinfliessenden Wasser zu erleichtern. Hühner gackern, Ziegen meckern. Hin und wieder 7 Reportage
212 /13 Partnerschaft schlägt ein Hund an. Die Frauen, die auf einem schmalen Fuss- Wenige Tage nach dem Beben riefen Louise und Jean weg oberhalb von Louises Haus vorbeigehen, rufen ein paar Théodor, den alle Tisoul nennen, die Einwohner von Bastin Worte hinunter, und Louise ruft ein paar Worte zurück. Wie zusammen. Tisoul, der Präsident des Komitees, sagte, was alle bei allen anderen Häusern in Bastin stehen auch hier Man- schon wussten, nämlich, dass die Quellfassung zerstört war, und go- und Avocadobäume, dazu kommen die allgegenwärtigen Louise, die Kassierin, gab bekannt, wie viel Geld das Komitee in Bananenstauden mit ihren eingerissenen Blättern. Die Bäume der Kasse hatte, nämlich zu wenig, um die Quellfassung wieder sind locker gepflanzt, und so geben sie den Blick frei auf die aufzubauen. Es war allen klar, dass sie Hilfe brauchten. Jemand Hügel der Umgebung mit ihren kahlen Flanken und tiefen hatte von jemandem erfahren, der von jemand anderem gehört Erosionsgräben. Unter den vereinzelten Baumgruppen dort hatte, dass es in Petit Goâve eine Schweizer Organisation gebe, drüben sind helle Häuser auszumachen. die sich auf Wasserversorgung spezialisiert habe. Kontakte und erste Abklärungen mit Helvetas waren schnell gemacht. Und so Die Lebensader retten schleppten die Bewohner von Der Weiler Bastin liegt tief Bastin einmal mehr Steine. Sie in den Hügeln im Südosten hoben Gräben für die Funda- Haitis. Die 43 Familien, «Ich war tieftraurig, als ich nach dem mente aus, besorgten Kies und die hier leben, haben für Erdbeben die zerstörte Quelle sah.» wuschen Sand aus. Helvetas die traumhafte Ruhe um kam für Zement, Röhren, Ar- sie herum wenig Sinn. Sie Louise Beneche, Bäuerin und Kassierin des Quellenkomitees mierungseisen und die Löhne würden gern hin und wie- der Maurer auf. Die Leute von der das Tuckern eines Mo- Bastin und Chaufi waren für tors, das Hämmern eines Schreiners, das Trampeln vieler Hufe die Unterkunft und das Essen der auswärtigen Bauarbeiter hören, denn diese Geräusche würden zeigen, dass es vorangeht zuständig. Ziemlich genau ein Jahr nach dem Erdbeben war mit dem Dorf und der Region. Doch in Bastin tut sich wenig, die neue Quellfassung gebaut und konnte eingeweiht werden. was den eintönigen Gang des Lebens unterbrechen könnte. Die Für Tisoul ist die Quellfassung mehr als nur der Ort, wo man Menschen leben vom Mais und den Früchten, die sie auf ihren sauberes Wasser holt. «Rund um die Quellfassung haben wir kleinen Parzellen anbauen, und vom Geld der Verwandten, die viel gelernt», sagt er. «Hygiene, Verantwortung und Verwal- sich in der Dominikanischen Republik als Plantagenarbeiter tung.» verdingen. Bastin und der Nachbarweiler Chaufi sind privilegiert, Gegen die Resignation denn sie haben Quellen, die das ganze Jahr über Wasser füh- Nicht alle fühlen sich für die Quelle so verantwortlich wie ren. «Ein Segen Gottes», sagt Louise. Früher mussten die Leute Louise und Tisoul. Einige zahlen ihre Quote für das Wasser von Bastin das Wasser aus einem verschmutzten Teich unter- nur widerwillig, und etwa 15 Familien zahlen gar nichts. Auch halb der Quelle holen. Mit Hilfe einer amerikanischen Organi- beim Bau der neuen Quellfassung war das Engagement der sation haben sie vor über 20 Jahren eine Quellfassung gebaut. Leute unterschiedlich. Während die einen jeden Tag auf der Baustelle waren, glänzten andere durch Abwesenheit. «Ist das nicht ärgerlich?» «Ich ärgere mich nicht», gibt Tisoul zur Antwort. «Aber Den Menschen in Haiti ihr Wasser ich spreche mit den Leuten immer wieder darüber, wie wichtig zurückgeben die Quelle ist.» Viele Haitianer sind skeptisch, wenn jemand an ih- Nach dem Erdbeben im Januar 2010 stellte Helvetas in ren Gemeinsinn appelliert. Zwar befreite sich Haiti vor mehr kurzer Zeit ein Notprogramm zur Reparatur zerstörter Was- als 200 Jahren durch mehrere Sklavenaufstände von seinen serversorgungen auf die Beine. Mit Hilfe der Glückskette, Kolonialherren. Doch die Euphorie darüber, dass man die der DEZA und mit eigenen Spendengeldern wurden Trink- Kolonialherrschaft als erstes Land Lateinamerikas abgeschüt- wasserzisternen und Quellfassungen repariert oder ganz telt hatte, war nur kurz. Ablösezahlungen an die ehemalige ersetzt. Kolonialmacht Frankreich ruinierten den jungen Staat. Eine In den drei Jahren nach dem Erdbeben haben 653 Familien neue, diesmal schwarze Oberschicht betrieb die einträglichen Regenwasserzisternen wieder instand stellen oder neu er- Zuckerraffinerien und vergab Lizenzen zur Abholzung der richten können. In der Gemeinde Petit Goâve, zu der auch Wälder. Es ging ihnen nicht um eine dauerhafte, wirtschaftli- die beiden Weiler Bastin und Chaufi gehören, hat Helvetas che Entwicklung, sondern um das schnelle Geld. Die Gewinne in dieser Zeit 17 Quellfassungen repariert oder neu gebaut. werden auch heute noch unverzüglich ausser Landes gebracht, nach Europa und vor allem in die USA. Investitionen im Land 8 Reportage Reportage
212 /13 Partnerschaft Im Weiler Bastin ist die neu aufgebaute Quellfassung zum wichtigsten Treffpunkt der Frauen und Mädchen geworden. Louise Beneche zieht das Wassergeld ein und verwahrt es. Die Quelle ist auch Waschplatz für den ganzen Weiler. Auf dem kleinen Hof von Louise leben vier Generationen zusammen. Hauswirtschaftsstunde für junge Männer. 9 Reportage
212 /13 Partnerschaft 3 Fragen an Pierre Saint Fort, Bauer und Projektmitarbeiter selber gibt es kaum. Heute ist die ehemalige «Perle der Antil- Sie wohnen in den Bergen ober- len» ein ausgelaugtes, bitterarmes Land. halb der Küstenstadt Petit Goâve. Das Erdbeben von 2010 ist nicht die Ursache für das Wie haben die Menschen dort das Elend Haitis, sondern ein weiterer Mosaikstein dazu. Vie- Erdbeben 2010 erlebt? le Menschen haben sich resigniert in ihr Schicksal ergeben. Es gab bei uns nur wenige Opfer, Andere kehren dem Land den Rücken und wandern nach meistens Verletzte. Was bei uns ka- Nordamerika oder nach Europa aus. Die Appelle an den Ge- putt ging, waren Wasseranlagen meinsinn, die von den Politikern auch heute noch regelmässig und Strassen. Zisternen wurden un- heruntergebetet werden, können sie alle nicht mehr hören. brauchbar. Quellfassungen wurden Umso erfreulicher ist es, auf Menschen wie Louise zu zerstört. Doch damals wurden vor allem die Zerstörungen treffen. Sie sieht nicht so aus, als ob sie je ans Aufgeben ge- in den Städten wahrgenommen. Wir hier oben kamen erst dacht hätte. Sie ist vielmehr eine dieser Frauen, die überall mit an zweiter Stelle. Helvetas war eine Ausnahme. Helvetas anpacken. Ihre Augen blitzen. Sie weiss sich zu helfen, unter- ging dorthin, wo die anderen nicht hingingen. nimmt etwas, um die Lage ihrer Familie zu verbessern. Eine Schule hat sie nie besucht, doch sie hat sich selber ein wenig Wie würden Sie die Arbeit von Helvetas Lesen und Schreiben beigebracht, und das Rechnen lernte sie charakterisieren? mit dem kleinen Handel, den sie betreibt: Brot, Rum und Sei- Helvetas macht hier eine Arbeit, die wir nie vergessen wer- fe. Gross ist der Verdienst nicht. Das Brot kauft sie für fünf den. Die Organisation begleitet uns, wenn wir die Quell- Gourdes ein und verkauft es für sechs. Beim billigen Rum, den fassungen reparieren oder neu bauen. Sie hilft uns, die sie in kleinen Flaschen verkauft, ist die Marge etwas grösser. Zugangsstrassen zu verbessern und erosionsgefährdete Jetzt steht Louise vor ihrem kleinen Haus und schreibt Hänge zu sichern. Quittungen. Zwei Frauen aus Bastin haben die gestrige Versamm- Werden diese Werke auch Bestand haben, wenn Helvetas sich irgendwann zurückzieht? Entscheidend ist, dass Helvetas mit den Menschen arbei- tet. Wir sind verpflichtet, einen grossen Teil der Arbeiten selber zu machen. Helvetas hilft auch bei der Organisation der Quellenkomitees, die einen bescheidenen Wasserzins einziehen und damit Reparaturen finanzieren. Deshalb wer- den die neuen Quellfassungen viel Zeit überdauern, ausser natürlich, wenn es wieder zu einer Katastrophe kommt. lung versäumt und sind gekommen, um Wassergeld zu bezahlen. Louise macht ihnen keine Vorwürfe, sondern dankt ihnen und er- klärt, wie wichtig es sei, dass alle ihren Beitrag leisten. Sie weiss, wie mühsam das Leben wird, wenn das Was- ser fehlt. Als sie noch bei ihren Eltern lebte, musste sie in der Trockenzeit eine halbe Stunde weit gehen, um Wasser für die Familie herbeizuschaffen. Und auch in Bastin verlor sie in ei- nem besonders heissen Sommer jeden Tag mehr als eine Stun- de Zeit mit Wasserholen. Louise weiss auch, dass Frauen im karstigen Teil der Insel auch heute noch stundenlang unter- wegs sind, um Wasser zu holen. Wasser – oder der Kampf darum – ist ein wichtiger Teil ihres Lebens. Vielleicht gibt es in Louises Haus deshalb so viele Utensilien und Gefässe, die mit Wasser zu tun haben. Krüge, Kessel, Gläser, Waschschüsseln, alles gleich in mehrfacher Ausführung aus Kunststoff, Glas oder Email. Und das in ei- nem Haushalt, wo die Küche sonst nur mit dem Allernötigsten Diskussion auf einer Versammlung der Nutzerinnen und Nutzer. ausgerüstet ist. 10 Reportage
212 /13 Partnerschaft Fokus Ernährung global – Die Welt auf dem Teller Grüne Zukunft Bio-Landwirtschaft kann die Welt ernähren, sagt der Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) Urs Niggli. Aber dafür muss statt in immer raffiniertere agroindustrielle Produkte mehr in kluge Bäuerinnen und Bauern investiert werden. Interview: Susanne Strässle Sie denken also nicht an einen zertifi- aus Hochlohnländern. Wenn ein Betrieb zierten Bio-Anbau mit Label? bereits in einem lokalen System etabliert Es geht auch ohne Bio-Label. Ein Label ist, kann er aber relativ rasch auf eine of- Bäuerinnen und Bauern sollen mit stellt letztlich nur die Kommunikation fizielle Zertifizierung umsteigen, wenn Bio-Produkten die Welt ernähren. Ist zwischen dem Bauern und dem Konsu- sich eine Möglichkeit ergibt, in einen das mehr als Wunschdenken? menten sicher, weil sie sich nicht mehr ertragreicheren Markt zu exportieren. Urs Niggli: Der hochstehende zertifizier- persönlich kennen. Das Label schafft te Bio-Anbau, wie wir ihn in Mitteleu- Transparenz und gibt Gewissheit. Und Wieso funktioniert das partizipative ropa kennen, ist sicher nicht das globale auf globalen Märkten stellt es sicher, dass System? Modell der Zukunft. Es geht vielmehr jeder in der Kette weiss, was er bekommt. Damit sich die Bäuerinnen und Bauern um die wesentlichen Charakteristiken an die Vorgaben halten, setzt man auf des Bio-Landbaus. Darin sehe ich ein Wie sieht denn ein lokal angepasster einen gewissen Gruppendruck. Gleich- Modell, wie sich die Welt in Zukunft si- Bio-Anbau im Süden aus? zeitig bilden sie Lerngemeinschaften cher ernähren kann. Es ist ein Bio-Landbau mit ganz einfa- und tauschen sich intensiv aus. Das chen Elementen zur Qualitätssicherung. ist zentral, denn nachhaltige Landwirt- Welche Charakteristiken sind das? «Partizipative Garantiesysteme» (PGS) schaft hat viel mit Wissen zu tun. Da Man betrachtet das ganze Ökosystem bringen Bauern zusammen und ver- kann man nicht einfach etwas aus dem und schafft geschlossene Kreisläufe or- schaffen ihnen Zugang zu lokalen Märk- Katalog einkaufen und alle Probleme ganischer Substanzen und Nährstof- ten. Dazu braucht es keine Zertifizierer sind gelöst. fe. Die lokal vorhandenen Ressourcen © HELVETAS Swiss Intercooperation werden optimal genutzt. Es geht da- rum, die Leistungen der Ökosysteme ohne umweltbelastende Techniken oder energieintensive Dünger zu verbessern. Stattdessen setzt man auf natürliche Regulierungsmittel wie Nützlinge oder Pflanzen, die dem Boden Stickstoff zu- rückgeben. «Bio-Anbau hat viel mit Wissen zu tun. Da kann man nicht einfach etwas aus dem Katalog einkaufen und alle Probleme sind gelöst.» Urs Niggli Gemeinsam stark: Die Bäuerinnen im Helvetas-Projekt in Burkina Faso setzen auf Bio und tauschen ihr Wissen untereinander aus. 11 Fokus
212 /13 Partnerschaft © Matthew Bennett Oft hört man, eigentlich betrieben lusion bewirtschaftet, man könne ohne arme Bauern im Süden de facto sowie- ökologische Nebenwirkungen noch so schon Bio-Landbau. Ist da was dran? mehr produzieren. Aber die Umweltkos- Nein, denn Bio-Anbau ist mehr als die ten sind gigantisch. blosse Abwesenheit von Dünger und Pestiziden. Kleinbauern in Entwick- Ameisen im Kakaogarten: Nützlinge spielen Was halten Sie von den Lösungsansät- lungsländern betreiben eine Selbstver- eine wichtige Rolle im Bio-Anbau. zen der Agrarindustrie? sorgerlandwirtschaft, in der traditio- Die Industrie setzt auf gentechnisch ver- nelles Wissen steckt, das man aber auch Und unter dem Strich bringt Bio-Anbau änderte Pflanzen. Aber die Lösungen nicht romantisieren darf. Demgegen- sogar ein besseres Einkommen. der Gentechnik sind noch nicht einmal über stellt der Bio-Landbau eine klare bahnbrechend. Es sind bislang vor al- Intensivierung dar. Das lokale Wissen Aber bis 2050 müssen laut FAO 70 Pro- lem herbizidresistente Sorten oder re- wird nicht einfach plattgewalzt, aber zent mehr Lebensmittel produziert lativ einfache Konstrukte. So kann das viele Techniken des Bio-Anbaus sind werden, um die Welt zu ernähren. Bazillus thuringiensis (BT) relativ leicht das Ergebnis moderner agrarökologi- De facto werden heute mit Ackerbau ins Genom eingefügt werden. Der Clou scher Forschung. Das geht weit über die weltweit 4’600 kcal pro Kopf und Tag ist, dass man BT-Extrakt genauso gut als Subsistenzlandwirtschaft hinaus. produziert, das ist doppelt so viel, wie hochwirksames Bio-Insektizid versprü- ein Erwachsener braucht. Gleichzei- hen kann. Die grosstechnologische Lö- Aber kommt der Bio-Anbau an die tig gehen jedoch mehr als 50 Prozent sung ist unnötig und könnte sogar uner- Erträge aus konventioneller Landwirt- von dem, was geerntet wird, verloren: wünschte Resistenzen zur Folge haben. schaft heran? als Abfall, Ernte- oder Lagerverlust, Die Erträge aus der Intensivlandwirt- Agrodiesel oder Tierfutter. Würde die Heute sind erst 0,9 Prozent der weltwei- schaft im Norden sind höher, sonst wä- Schweizer Energiewirtschaft so viel ten Anbaufläche Bio-zertifiziert. Halten ren ja alle Bauern dumm, die in Kunst- Energie im Leitungsnetz verlieren, wäre Sie es für realistisch, dass Bio zulegt? dünger und chemischen Pflanzenschutz das ein Riesenskandal. Angesichts die- Die Bio-Fläche wächst zwar um jährlich investieren. Im Vergleich dazu kommt ser Verluste ist der Ertragsunterschied zehn bis zwanzig Prozent, aber auf tie- der Bio-Landbau in unseren Breitengra- zwischen konventionell und biologisch fem Niveau. Für einen echten Wandel den auf 75 bis 80 Prozent der Erträge. nicht sehr relevant. Zudem steckt im muss sich wirtschafts- und agrarpoli- Wir im Norden müssen aber nicht noch Bio-Landbau noch viel unerforschtes tisch Grundsätzliches ändern. Bislang mehr produzieren, um den Welthunger Potential. Nur gerade vier Promille der kann die Landwirtschaft ihre Umwelt- zu besiegen. Wenn wir unsere Über- Agrarforschungsgelder gehen in den kosten einfach abwälzen: im Norden auf schüsse subventioniert exportieren, Bio-Landbau, weil die Industrie daran die Steuerzahler, in anderen Weltregio- zerstört das nur die lokalen Märkte im noch kein Interesse hat. nen auf künftige Generationen. Wenn Süden. Direkt im Süden muss mehr ge- sich das ändert, hat der Bio-Anbau gute erntet werden. Kritiker insistieren aber, für Bio reiche Chancen. schlicht die globale Anbaufläche nicht. Wie sieht es mit den Bio-Erträgen im Lange war die industrielle Landwirt- Wie kann sich die Landwirtschaft nach- Süden aus? schaft wegen ihrer katastrophalen Um- haltig weiterentwickeln? Da ist die Situation völlig anders. Ge- weltbilanz unter Druck. Doch sie hat Ich finde es katastrophal, dass alles Wis- genüber der Subsistenzlandwirtschaft es geschafft, die Argumentation völlig sen in eine Sorte oder einen Dünger bringt ökologischer Anbau eine Verdop- umzudrehen: Nun heisst es, das Land gepackt und teuer an Bauern verkauft pelung bis Verdreifachung. Die Agrar- sei die knappste Ressource, und wenn wird, die dann nur noch säen, aber selber industrie sagt natürlich, sie könnten die eine Methode nicht das Maximum aus nicht mehr viel wissen müssen. Künftig Erträge mehr als vervierfachen. Dieser dem Boden heraushole, sei sie nicht zu- werden die Saaten und Dünger noch viel Ansatz ist aber ökologisch hochprob- kunftstauglich. raffinierter werden. Ein gigantisches Ge- lematisch. Und viele Bauern verarmen, schäft. Ich möchte, dass die Bauern die wenn sie Darlehen für Dünger, Pestizi- Für Sie steht die Agrarindustrie hinter Natur beobachten und experimentieren, de und Saatgut aufnehmen, die sie bei diesen Argumenten? welche Sorte am besten gedeiht oder wie Missernten nicht zurückzahlen können. Monsanto und Syngenta sind führend sie auf Kunstdünger verzichten können. Es reicht, mit Bio den Ernteertrag zu ver- im Diskurs des knappen Landes. Der Ich finde, man sollte nicht in einzelne doppeln. Das ist bereits ein entscheiden- Nachhaltigkeits-Claim von Syngenta Produkte, sondern in die Bildung der der Beitrag zur Ernährungssicherheit. lautet: «More from less». Da wird die Il- Bauern investieren. 12 Fokus
212 /13 Partnerschaft Engpässe vermeiden dem zweiten Konzept steht die interna- © RDB/ATP/Lindroos tionale Kleinbauern- und Landarbeiter- bewegung Via Campesina, die sich für das Recht aller Völker und Länder ein- setzt, ihre Landwirtschafts- und Ernäh- rungspolitik selber zu definieren. Die re- gionale kleinbäuerliche Landwirtschaft soll vor Enteignungen und Dumping- Importen geschützt werden. Sie soll in der Lage sein, Nahrungsmittel für den lokalen Markt zu produzieren und so die Bevölkerung vor der Volatilität der internationalen Märkte zu schützen. Am Rande der Diskussion um das Landwirtschaftsgesetz ist die Ernäh- rungssouveränität auch in der Schweiz zum Thema geworden. Linke Parteien, Umwelt- und Entwicklungsorganisatio- nen auf der einen, Bauernorganisationen Ernährungssicherheit war ein Thema, bevor es das Wort gab. auf der anderen Seite wollen die Ernäh- Das zeigt auch ein Blick in die Schweizer Geschichte. rungssouveränität gesetzlich verankern. Die einen haben dabei die Kleinbauern Von Daniela Kimmich rung und beeinflusste die Politik des Bundes weit über den Zweiten Weltkrieg im Süden vor Augen, die anderen wollen nicht zu «Landschaftsgärtnern» degra- Im Sommer 1944 wogte auf dem heuti- hinaus. Importeure und Grossverkäu- diert werden, sondern engagierte Ak- gen Sechseläutenplatz in Zürich ein gel- fer mussten Pflichtlager unterhalten, in teure und Versorger des Landes bleiben. bes Kornfeld. Es war ein symbolträchti- denen genug Nahrungsmittel gelagert ges Bild für die Anbauschlacht, den so wurden, um eine längere Blockade über- Daniela Kimmich ist Mitarbeiterin Kommunika- genannten Plan Wahlen. stehen zu können. Die Privathaushalte tion bei Helvetas. Bereits im Ersten Weltkrieg war waren unter dem Motto «Kluger Rat – auch die Schweiz, obwohl ohne direkte Notvorrat!» aufgefordert, genug Zucker, © RDB/SI/Hans Gerber Kriegsbeteiligung, von der allgemeinen Mehl und Reis für die Überbrückung Versorgungsnot betroffen. Die Schweizer einiger Krisentage zu lagern. Im Jahr Regierung war auf einen mehrjährigen 2003 wurden die Pflichtlager reduziert. Krieg nicht vorbereitet. Um der immer Sie müssen heute noch für vier Monate schwierigeren Versorgungslage und der reichen. Der Selbstversorgungsgrad der Teuerung entgegenzuwirken, wurden ab Schweiz fiel wieder auf 54 Prozent. 1917 Lebensmittel und Konsumgüter rati- Die Kriegsgefahr für Europa ist oniert. Als Mitte der Dreissigerjahre erneut minim, und im Fall einer Nahrungskri- ein Krieg immer wahrscheinlicher wurde, se hätte die Schweiz die nötigen Devi- übernahm Bundesrat Traugott Wahlen sen, um sich ganz mit Nahrungsmitteln die Ausarbeitung eines Versorgungsplans. aus dem Ausland zu versorgen. Für die Dank einer gezielten Kriegswirtschaft und Schweiz wäre es heute kurzfristig güns- durch die radikale Erweiterung der An- tiger, ganz auf die Billigproduktion im bauflächen sollte die Schweiz weniger ab- Ausland zu setzen. Trotzdem werden hängig von importierten Nahrungsmitteln die Bauern subventioniert, nicht nur und Gütern werden. Der Plan wurde 1940 für ihren Beitrag zur Ernährungssicher- umgesetzt und zeigte Wirkung: Der Ver- heit, sondern auch, um die vielgestaltige sorgungsgrad der Schweiz stieg bis 1945 Landschaft zu erhalten. von 52 auf 70 Prozent. Die Diskussionen über Ernäh- Versorgung sichern: Die Zürcher Sechseläu- Der Plan Wahlen war eine politi- rungssicherheit und Ernährungssou- tenwiese während der Anbauschlacht 1944 sche Massnahme zur Ernährungssiche- veränität finden anderswo statt. Hinter (o.), Medienkampagne für Notvorrat 1963. 13Fokus
212 /13 Partnerschaft Verspekuliert Die Spekulation mit Agrargütern ist in den letzten Jahren zunehmend in Verruf geraten. Aus volks- wirtschaftlicher wie auch aus ethischer Sicht gilt die Suche nach dem raschen Gewinn mit Weizen, Mais und Co. mittlerweile als höchst fragwürdig. Nun beginnt die öffentliche Diskussion darüber endlich auch in der Schweiz. Von Bernd Steimann Goldene Ähren, pralle Maiskolben, Sä- sogenannter Termingeschäfte sichern rechenbar gewordenen Aktienmärkten cke voller Kaffee und glückliche Bau- sich Produzenten und Händler gegen sind Agrargüter seither zu einem be- ern: Noch vor kurzem bewarben Fi- allfällige Schwankungen ab, indem sie gehrten Spekulationsobjekt geworden. nanzinstitute mit solchen Bildern ihre sich frühzeitig auf Menge, Preis und Ver- Zudem will das viele Geld, das Anlageprodukte im Agrargüterbereich Europa und die USA zur Bewältigung und versprachen ihrer Kundschaft satte der Finanz- und Eurokrise drucken, ir- Renditen. Heute sind diese Anzeigen aus gendwo investiert werden, weshalb auf dem Alltag verschwunden, statt Bauern Die Preise für Agrargüter den Agrarbörsen heute viel mehr Geld lachen nun wieder Tennisspieler von richten sich immer als Ware zirkuliert. Als Folge ist der An- den Plakaten der Banken. Denn obwohl weniger nach realem teil der rein spekulativen Weizenkon- sich damit weiterhin gute Gewinne er- trakte an der Chicagoer Börse innert zielen lassen, ist die Spekulation mit Ag- Angebot und Nachfrage. weniger Jahre von 20 auf 80 Prozent rargütern zunehmend in Verruf geraten. gestiegen. Das Verhältnis von realem zu kaufstermin einigen. Der globale Han- rein spekulativem Handel wurde damit Auf Kosten der Ärmsten del mit Rohstoffen wird dank solcher auf den Kopf gestellt. 2007/08 sowie 2010/11 stiegen die Welt- Geschäfte überhaupt erst möglich. 2000 marktpreise für Grundnahrungsmittel jedoch lockerten die USA die Investiti- Doppelt fragwürdig innert kurzer Zeit stark an. In Entwick- onsregeln für Agrargüter und öffneten Heute richten sich die Preise für Ag- lungsländern wurden Mehl, Reis und diesen bisher stark geschützten Markt rargüter darum immer weniger nach Brot für viele Menschen plötzlich uner- für rein gewinnorientierte Anleger. Als realem Angebot und Nachfrage, viel- schwinglich, und viele Staaten bekun- Alternative zu den mittlerweile unbe- mehr entwickeln sie sich oft parallel zu deten grosse Mühe, ihre Kornspeicher gefüllt zu halten. Die Weltbank schätzt, ©Keystone/AP/M. Spencer Green dass die letzte Krise rund 44 Millionen Menschen in äusserste Armut getrieben hat – und warnt, dass schon dieses Jahr eine weitere Krise folgen könnte. Auf der Suche nach den Ursachen für diese Ent- wicklung ist auch die Spekulation mit Agrargütern in die Kritik geraten. Den Anlegern wird vorgeworfen, mit der Suche nach dem raschen Geld die Prei- se anzutreiben, ohne sich um die dras- tischen Konsequenzen für die Ärmsten dieser Welt zu kümmern. Mittlerweile hat die Diskussion auch die Schweiz er- reicht. Während die JUSO Unterschrif- ten für ein Verbot der Spekulation mit Nahrungsmitteln sammelt (www.juso. ch/spekulationsstopp), wehrt sich die Wirtschaft gegen staatliche Eingriffe. Auf dem Weltmarkt wird seit je- her mit Agrargütern gehandelt. Mittels Rohstoffbörse Chicago: Was an der Börse geschieht, bestimmt die Marktpreise im Süden mit. 14 Fokus
212 /13 Partnerschaft Gastkommentar Wir haben die Wahl anderen Märkten. «Währungen, Akti- Anleger. Für Regierungen gibt es kein Wir wählen täglich. Täglich entschei- en, Rohstoffe, Immobilien, alles bewegt eigentliches Interesse an völlig liberali- den wir drei Mal bewusst oder auch sich einförmig, weil alle die gleichen sierten Rohstoffmärkten, im Gegenteil. unbewusst, aber als Erwachsene Informationen haben», erklärte Hei- Im Sinne grösstmöglicher Trans- immer selbstbestimmt, was wir auf ner Flassbeck, damals Chefökonom der parenz fordern international renom- dem Teller möchten. Diese freie Wahl UNO-Welthandels- und Entwicklungs- mierte Experten wie Olivier de Schutter, stellt unsere heutigen Generationen konferenz (UNCTAD), 2011 in einem UNO-Sonderberichterstatter für das oft vor schöne Entscheidungen. Auf Interview. So lässt sich der tatsächliche Recht auf Nahrung, darum einen Bör- was habe ich Lust, und welche Le- Einfluss der Spekulation auf die langfris- senzwang für den Handel mit Agrargü- bensmittel bereiten mir Freude? tige Preisentwicklung kaum präzise er- tern. Denn nach wie vor werden viele Aber sie stellt uns gleichzeitig vor mitteln. Die Produktion von Grundnah- Transaktionen ausserhalb der Börsen Entscheidungen mit Konsequenzen rungsmitteln wird zudem inzwischen getätigt und sind folglich kaum kontrol- für unser unmittelbares Umfeld: für massiv durch die global steigende Nach- lierbar. Zudem soll von den Investoren unsere Gesundheit, unsere Umwelt frage nach Fleisch und Biotreibstoffen mehr Eigenkapital gefordert werden, um und somit auch für die «Schöpfung» bedrängt, was immer mehr gutes Acker- die kurzfristige, durch Kredite gestützte allgemein. land in Anspruch nimmt. Vermehrte Spekulation zu unterbinden. Solange wir die Wahl haben, tragen Dürren und Überschwemmungen be- Bereits haben die USA und die wir eine Verantwortung. Diese Ver- einträchtigen die Ernten zusätzlich und EU erste Schritte in diese Richtung un- antwortung nehmen wir im Hiltl, dem können preistreibend wirken. ternommen, und in Deutschland haben ältesten vegetarischen Restaurant Dennoch sind sich breite Kreise sich mehrere Banken bewusst aus dem der Welt, in der vierten Generation einig, dass spekulative Agrargeschäfte Handel mit Agrargütern zurückgezo- unserer Familie ernst. Seit 115 Jah- in Zukunft viel stärker reguliert werden gen. In der Schweiz – immerhin eine ren setzen wir auf ein vegetarisches, sollten. Denn der rein gewinnorientierte der weltweit wichtigsten Drehscheiben nachhaltiges Angebot. Wir sind of- Handel mit Agrargütern ist nicht nur aus im internationalen Rohstoffhandel – hat fizieller Fair-Trade-Partner von Max ethischer, sondern auch aus volkswirt- sich bisher wenig getan. Mit der Initia- Havelaar, pflegen den persönlichen schaftlicher Sicht fragwürdig. Anders tive «Keine Spekulation mit Nahrungs- Kontakt mit unseren Lieferanten und als der Aktienhandel, bei dem es um die mitteln» könnte sich das bald ändern. stellen so sicher, dass wir einen Bei- Bereitstellung von Kapital geht, gene- Bernd Steimann ist Koordinator für Entwick- trag für die Welt von heute und die riert diese Art der Spekulation lediglich lungspolitik bei Helvetas. Zukunft unserer Kinder leisten. Gewinne für institutionelle und private Es ist wünschenswert, dass jeder Mensch sein Ess- und Kaufverhalten hinterfragt und seine Entscheide im © Fokus/Peter Menzel Alltag umsetzen kann. Vegetarische Gerichte mit Zutaten aus Fairem Han- del sollten deshalb aus Gründen der Nachhaltigkeit und Fairness in jedem Restaurant angeboten werden – in einer Form, die auch Fleischliebha- ber überzeugt und zu nichts zwingt. Die vegetarische Ernährung ist eine Möglichkeit und eine Wahl. Um Jean Ziegler, bis 2012 UNO-Sonderbe- richterstatter für das Recht auf Nah- rung, zu zitieren: «Kein Fleisch zu essen, ist ein mini- © Miriam Graf maler Anfang.» Rolf Hiltl, Geschäfts- führer der Hiltl AG, mit dem laut Guiness-Buch ältesten Vegi-Restaurant der Welt. Maisernte in den USA: Mit der realen Produktion haben Börsenpreise nur bedingt zu tun. 15Fokus
212 /13 Partnerschaft Wir Essen die Welt «Wir essen die Welt» heisst die neue, spielerisch konzipierte Wanderausstellung von Helvetas. Auf der imaginären Weltreise dreht sich alles um Genuss, Geschäft und Globalisierung. Bis Februar 2014 macht die Ausstellung im Naturama Aarau Station. Von Beatrice Burgherr Manchmal verbirgt sich die Wahrheit ganz hinten im Küchenschrank. Und zeigt: Es lohnt sich, genau hinzuschau- en, was in unseren Kästchen und Kühl- schränken steckt. «Wo schwimmen Fischstäbchen?» steht auf dem Gefrier- fach, «Wer macht es am längsten?» auf Hier verstecken sich Fakten rund ums Essen. dem Herd. Die neue Helvetas-Ausstel- lung «Wir essen die Welt» führt rund um den Globus. Doch sie beginnt mit bekannten Kindheitserinnerungen von Schlaraffenland, Schneewittchen und Suppenkaspar und in einer typischen Schweizer Küche. Hier erfahren Besu- cherinnen und Besucher verblüffende und bisweilen aufrüttelnde Fakten. Aber in eigener Pass bringt Besuchern … auch, wie exotisch hierzulande wohl- vertraute Lebensmittel einst waren, wie die Natur sich als Künstlerin betätigt und wie lange man in welchem Land am Herd steht. Der Rundgang in vertrauter Umgebung ist eine Einladung zum Blick über den eigenen Tellerrand hinaus und Einstimmung auf eine Reise um die wir-essen-die-welt.ch … eine von acht Persönlichkeiten näher. Eintauchen in die Welt der Spekulanten. Wollen Sie vor oder nach Ihrem Aus- stellungsbesuch mehr erfahren? Auf der Website www.wir-essen-die-welt. Welt, durch die Zeiten und Konsum- Sie auch viel über die weite Welt des glo- ch finden Sie Videobotschaften von landschaften. balisierten Essens: über Fairen Handel, Ausstellungsbesuchern und Promi- Wie jede weite Reise beginnt das Agrobusiness, Bio-Anbau, Wasser- nenten, Angaben zum breiten Ange- auch diese – am Zoll. Sie erhalten einen not, Artenvielfalt, Land Grabbing, die bot an Rahmenveranstaltungen, Bilder Pass, der Ihnen eine Persönlichkeit aus Schattenseiten der Fleischproduktion und Texte zu den in der Ausstellung acht Ländern näherbringt, zum Beispiel oder Überfischung. Halten Sie in Ihrem behandelten Themen und Ländern einen amerikanischen Börsenmakler, Reisepass fest, was Sie beeindruckt, und sowie Unterlagen für Lehrpersonen. ein äthiopisches Schulmädchen oder sammeln Sie Land für Land die Visum- Nicht zuletzt erhalten Sie auf der Aus- einen bengalischen Fischer. Damit be- stempel Ihrer Reisestationen. Schliess- stellungswebsite Tipps zum sinnvollen geben Sie sich auf Entdeckungsreise in lich lassen Sie die Welt von heute hinter Einkaufen sowie zum fairem und nach- die acht Länder. Finden Sie heraus, wel- sich und bekommen einen Geschmack haltigen Kochen. Und Sie erfahren, che Lebensmittel von dort kommen, wie von der Zukunft unserer Nahrung. Wie wie Sie sich darüber hinaus rund ums lange man für ein Kilo Reis arbeitet, was sehen optimistische, wie pessimistische Thema Ernährung für eine bessere die Menschen essen und trinken. Und Vorhersagen für die bereisten Länder im Welt engagieren können. hören Sie den Personen zu, wie sie aus Jahr 2050 aus? Was werden wir morgen ihrem Leben erzählen. Dabei erfahren essen? Sie werden feststellen, dass die 16Fokus
212 /13 Partnerschaft Wir essen die Welt eine Ausstellung von Helvetas über Genuss, Geschäft und Globalisierung. 3.5.2013 - 9.2.2014 Naturama aargau - AArAu www.wir-essen-die-welt.ch FEINHEIT Hauptpartner Weitere Partner Lauschen Sie in jedem besuchten Land den Ernährungsgeschichten der Menschen. Wir essen die Welt Eine Ausstellung von Helvetas über Genuss, Geschäft und Globalisierung Bis 9. Februar 2014 im Naturama Aargau am Bahnhofplatz in Aarau Öffnungszeiten: Di–So 10-17 Uhr Führungen und Workshops sowie kostenlose Einführungen für Lehr- personen werden angeboten. Für Schulen ist eine Anmeldung nötig. Ein Schulraum mit Materialien steht zur Verfügung. Weitere Infos sowie Unterlagen für Lehrkräfte auf www.wir-essen-die-welt.ch Die Reise durch die Welt der Ernährung führt in acht Länder im Norden und Süden. Podiumsdiskussion 22.5.2013 «Wer ernährt die Welt?» Zukunft bereits begonnen hat, mit Func- rieren, was nehmen Sie persönlich mit tional Food, Urban Farming, Slowfood nach Hause? Der Zöllner fordert Sie Künftige Stationen der Ausstellung: und Heuschreckenproteinen. Blicken auf, eine Videobotschaft aufzunehmen, Februar–Mai 2014 Käfigturm Sie in die Köpfe eines Schweizer Bauern, die Sie auch auf der Ausstellungswebsite Politforum des Bundes Bern des Strategen einer Handelsfirma, einer veröffentlichen können: Wohin soll Ihre Juni–August 2014 Folium (unter- Wissenschaftlerin und einer afrikani- Reise als Konsument oder Konsumentin halb Papiersaal) Sihlcity Zürich schen Kleinbauernaktivistin, die enga- gehen? Wir werden Sie, zurück im All- September 2014–Februar 2015 giert darüber debattieren, wie die Welt tag, irgendwann an Ihre Entdeckungs- Liechtensteinisches Landesmuseum von morgen neun Milliarden Menschen reise erinnern. Vaduz ernähren soll. Das Zollhäuschen signali- Beatrice Burgherr ist Verantwortliche für Ausstel- siert, dass Sie bald wieder in der Schweiz lungen und Veranstaltungen bei Helvetas. Weitere Standorte folgen angelangt sind. Was haben Sie zu dekla- Partner: 17 Fokus
212 /13 Partnerschaft Mehr erfahren Medientipps zum Fokus-Thema «Ernährung global – Die Welt auf dem Teller» Bücher und Magazine Essbar. Bodenrausch. Die globale Jagd nach Rest(e)loses Kochvergnügen den Äckern der Welt Usch von der Winden, Edition Wilfried Bommert, Eichborn 2012 Fackelträger 2013 CHF 31.90 CHF 29.90 In 115 einfachen, aber überraschen- Faktenreich, aber gut leserlich und an- den Rezepten verrät die erfolgrei- schaulich legt der Agrarwissenschaftler che Köchin und Kochbuchautorin, und Journalist Ausmass und Folgen des wie sich nicht nur Essensreste, Land Grabbing dar. Er zeigt auch, wie sondern auch vermeintliche Rüst- der Einzelne mit seinem Konsum- und abfälle verwerten lassen. Aus Ra- Essverhalten Gegensteuer geben kann. dieschenblättern wird Pastasauce, Gerade weil Bommert auf Betroffen- aus Kohlrabigrün feines Pesto. Das heitsrhetorik verzichtet, alarmiert sein schmeckt nachhaltig! Buch umso mehr. Welternährung. Global denken – lokal Wir lassen sie verhungern. Die Massenvernichtung in der säen Dritten Welt Manuel Schneider (Hrsg.), Oekom Jean Ziegler, Bertelsmann 2012 CHF 28.40 2012 CHF 25.90 Der Hungertod von mehreren zehn Millionen Menschen im Jahr Das Buch vereint unterschiedliche Pers- ist der Skandal unseres Jahrhunderts, sagt Jean Ziegler, der pektiven auf Hunger und Überfluss und auch in diesem Buch nicht vor klaren Worten zurückschreckt. zeigt auf, was global schief läuft und wie Der ehemalige UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf eine Landwirtschaft aussieht, die Men- Nahrung geisselt die Gleichgültigkeit der Massen und klagt schenrechte und Arbeitsplätze ebenso Freihandel und Spekulation an. schützt wie Klima und Ressourcen. Filme Die Zukunft pflanzen. Wie können Good Food, Bad Food. Anleitung für wir die Welt ernähren? eine bessere Landwirtschaft F 2012, Marie-Monique Robin, F 2011, Coline Serreau, Dokfilm, Dokfilm, 90 Min. CHF 18.90 113 Min. CHF 24.90 Was isst die Welt morgen? Bio, sagt Coline Serreau zeigt in ihrem pointier- die Filmerin Marie-Monique Robin. Bei ten Film die Folgen industrialisierter ihrer Recherche auf vier Kontinenten Landschaft und den Einfluss dominanter befragt sie Agronomen, Ökonomen Grosskonzerne auf. Sie stellt zudem in- sowie Vertreter internationaler Hilfs- telligente, lokale Alternativen zum Raub- organisationen und skizziert dringend bau an den globalen Ressourcen vor. nötige Lösungsmodelle. Links www.wir-essen-die-welt.ch Die neue Helvetas-Ausstellung zum Thema www.vegi-tag.ch Diese Initiative will auch Fleischessern einen «Vegi-Tag» Ernährung ist in Aarau gestartet. Auf der Website erfahren Sie virtuell und schmackhaft machen und zeigt auf, wie viel allein schon das für Umwelt multimedial viel Spannendes rund ums Thema Essen. (Vgl. S. 16) und Klima bringen würde. Mit Link zum Beitrag des Kassensturz vom März www.boell.de/downloads/2013-01-Fleischatlas.pdf 2013 zum Thema. Der Fleischatlas (u. a. von Le Monde Diplomatique) zeigt, wie sich der glo- www.maxhavelaar.ch/de/mitmachen/fair-kochen bale Fleischkonsum entwickelt und welche Probleme das mit sich bringt. Diverse Schweizer Spitzenköche sind Fair-Trade-Botschafter von Max Eindrückliche Grafiken visualisieren Daten und Fakten über Tiere als Nah- Havelaar und steuern Rezepte für faires Kochen bei. Mit Rezeptsuch- rungsmittel. Kostenloser Download. funktion. 18Fokus
212 /13 Partnerschaft Jahresbericht 2012 – Sozialen Ausgleich schaffen Erfolge in der Projektarbeit. Ausbau der Partnerschaften. Eine neue Strategie. Spenden in Rekord- höhe. 2012 war für HELVETAS Swiss Intercooperation ein erfreuliches Jahr. Vor drei Jahren lancierte Helvetas eine Verankerung in lokalen Institutionen Ziele für die nahe Zukunft Kampagne mit einem ehrgeizigen Ziel: und Verlässlichkeit. So kann Helvetas Im ersten Jahr nach dem erfolgreichen Sauberes Trinkwasser für eine Million über die eigenen Projekte hinaus Wir- Zusammenschluss hat sich Helvetas Menschen bis zum Jahr 2013. Das Ziel kung erzielen. Zeit genommen, einen Schritt zurück- wurde schon 2012 erreicht, ein Jahr früher als vorgesehen. Möglich wur- de dieser Erfolg durch die Beiträge von Spenderinnen und Spendern und von Nepal: Fair gehandelter Bio-Kaffee zeugt bist, musst du es anpacken und institutionellen Partnern. Sie haben Hel- auch dranbleiben», sagt Mina. vetas auch über das Thema Wasser hin- Unbekannte Bohnen Helvetas berät die Bäuerinnen und aus 2012 so viele Spenden anvertraut wie Bauern bei der Pflege der Pflanzen noch nie. Nepal ist ein Land des Tees, und am und der Umstellung auf biologische Helvetas hat die Spenden gut Anfang war Mina Timalsina skeptisch, Produktion, bei der Verarbeitung der genutzt und 2012 in 33 Partnerländern ob es mit dem Kaffee etwas werden geernteten Kaffeebohnen und bei der 3’155’051 Menschen dabei unterstützt, könnte. Doch der Präsident einer re- Vermarktung. Mittlerweile haben in ihre Lebensumstände ganz konkret zu gionalen Genossenschaft schilderte Nepal 26’000 Familien die Produktion verbessern. ihr die Chancen des Kaffeeanbaus, von Kaffee aufgenommen. Die Hälf- und zusammen mit ihrem Mann legte te von ihnen sind direkt oder indirekt Vernetzung auf allen Ebenen sie auf einer steil abfallenden Parzelle mit dem Helvetas-Projekt verbunden. An der Generalversammlung vom 23. eine kleine Pflanzung an. Mit anderen Wo regionale Genossenschaften das Juni 2012 übergab Peter Arbenz als Bäuerinnen und Bauern aus Südlalit- wünschen, werden ihnen Kontakte zu langjähriger Präsident von Helvetas sein pur im zentralen Hügelland schloss sie internationalen Fair-Trade-Organisatio- Amt an Elmar Ledergerber, den frühe- sich zu einer Produktionsgruppe zu- nen vermittelt. ren Präsidenten von Intercooperation. sammen. «Wenn du von etwas über- Mit dem ehemaligen Nationalrat und © Martin Saxer Stadtpräsidenten von Zürich kann Hel- vetas wiederum auf eine gut vernetzte Persönlichkeit zählen. Mit HELVETAS Swiss Interco- © Peter Schmidt operation ist eine Organisation ent- standen, die noch stärker als früher mit Partnern und Institutionen auf verschie- denen Ebenen arbeitet – vom lokalen Schulkomitee und der Gemeindever- waltung über regionale und nationale Regierungs- oder Nichtregierungsorga- nisationen bis zu internationalen Netz- werken und multilateralen Organisatio- nen. Aus der Verbindung dieser Ebenen entstehen neue Entwicklungsinitiativen. Helvetas bringt die Erfahrungen aus Projekt- und Beratungsarbeit in natio- nale und internationale Netzwerke ein und vertritt dort die besonderen Quali- täten schweizerischer Entwicklungszu- sammenarbeit: Innovation, Basisnähe, 19 Jahresbericht Schweiz
212 /13 Partnerschaft zutreten und die Ziele der Organisation Arbeit. Gleichzeitig werden sozialer Jahresbericht 2012 neu zu formulieren. Die Strategie für Ausgleich und eine den Ländern ange- Der ausführli- die Jahre 2013 bis 2017 reagiert auf die messene Sozialpolitik stärker ins Zent- che Jahresbe- Swiss Intercooperation Veränderungen im Umfeld der Entwick- rum gerückt. Es ist ein zentrales Anlie- richt von HEL- JAHRESBERICHT Landwirtschaftliche Schulung für lungszusammenarbeit: auf den rasanten gen, auch den Ärmsten den Anschluss wirtschaftlichen Aufstieg der Schwellen- an Entwicklungsdynamiken in ihrem 631’679 VETAS Swiss Menschen Intercooperati- länder, auf die internationale Stagnation Land zu ermöglichen. Die neue Strate- Nachhaltige Pflege natürlicher Ressourcen für Trinkwasser- zugang für 406’859 Menschen 344’483 Menschen on ist ab Ende Förderung im Kampf gegen die Klimaerwärmung, gie betont neben dem sozialen Ausgleich Mai erhältlich. auf das Bevölkerungswachstum und die auch die Förderung der Frauen, denn von Demokratie Grundschul- und Frieden für und Berufs- ausbildung für 192’706 193’438 Menschen Kinder und Jugendliche Sie können ihn Vertiefung sozialer Gräben, auf Jugend- wo Frauen sich aktiv einbringen, vertieft auf der Ge- EIN BESSERES LEBEN arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit. sich der Entwicklungsprozess. Stärker s ch ä f t s s t e l l e FÜR 3’155’051 MENSCHEN Auch in der neuen Strategie bil- als bisher berücksichtigt die neue Strate- bestellen (unter det die Umsetzung konkreter Entwick- gie auch das Lernen und den Austausch Tel. 044 368 65 00 oder info@hel- lungsprogramme das Rückgrat unserer von Wissen – in der Organisation selbst, vetas.org) oder als PDF von unserer Website unter www.helvetas.ch/jah- resbericht herunterladen. Dort fin- den Sie ausserdem den detaillierten Tansania: Bessere Lehrkräfte für thematik, Naturkunde und nachhalti- Finanzbericht ebenfalls als PDF. bessere Schulen ger Entwicklung mit einem Weiterbil- dungsprogramm verbessern. Neue Motivation Meist geht es um einfache Verände- rungen im pädagogischen Alltag, die Unsere Projekte Zwar haben 74 Prozent aller tansani- auch in Europa vor noch nicht allzu schen Kinder einen Primarschulab- langer Zeit zu Umwälzungen im Schul- in Zahlen schluss, doch ihre Schulbildung ist unterricht führten. Die Schüler werden mangelhaft. In Schulklassen mit 65 ermuntert, Fragen zu stellen. Inhalte Kindern und nur gerade sieben Schul- werden in Gruppen erarbeitet. Im Eng- büchern ist der Unterricht schwierig. lischunterricht wird nur Englisch ge- 344’483 Menschen haben 2012 Disziplinprobleme und Strafen dämp- sprochen. Helvetas unterstützt diese dank Helvetas Zugang zu Trinkwasser fen die Motivation, bei den Kindern Bestrebungen. Seit 2003 liessen sich oder sanitären Einrichtungen erhalten. ebenso wie bei Lehrpersonen. Die im Rahmen des Programms 2’000 Tansanische Lehrergewerkschaft TTU, Lehrpersonen zu «expert teachers» 1’019’821 Menschen haben mit 180’000 Mitgliedern eine wichti- weiterbilden und gaben ihr Wissen an 2012 dank Brücken und Strassen Zu- ge und geachtete Institution, will den rund 10’000 Kolleginnen und Kolle- gang zu Schulen, Spitälern und regiona- Primarschulunterricht in Englisch, Ma- gen weiter. len Märkten erhalten. Intercooperation 366’065 Menschen auf dem Land SwissSchmidt konnten ihr Einkommen dank besserer © Peter Vermarktung ihrer Produkte verbessern. 406’859 Menschen haben 2012 © HELVETAS mit Helvetas die nachhaltige Pflege na- türlicher Ressourcen in Angriff genom- men. 32’409 mehrheitlich junge Men- schen haben dank Helvetas eine beruf- liche Ausbildung oder Weiterbildung absolviert. 161’029 Schülerinnen und Schü- ler haben 2012 ihre Grundschulbildung in von Helvetas unterstützten Institutio- nen abschliessen können. 20 Jahresbericht
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