Magazin 1 - Allianz für die Bodenfruchtbarkeit - BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS - Bodenfruchtbarkeitsfonds

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Magazin 1 - Allianz für die Bodenfruchtbarkeit - BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS - Bodenfruchtbarkeitsfonds
Magazin

                               1 | 2021
                                          BODEN
                                          FRUCHTBARKEIT
                                          FONDS

Allianz für die Bodenfruchtbarkeit
Magazin 1 - Allianz für die Bodenfruchtbarkeit - BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS - Bodenfruchtbarkeitsfonds
Liebe Freunde und Interessierte
des Bodenfruchtbarkeitsfonds
und der Bio-Stiftung Schweiz

Der Bodenfruchtbarkeitsfonds wird in diesem Jahr mit
einigen konzeptionellen Erweiterungen in die Pilotphase
II eintreten. Der Boden und die Förderung seiner Frucht-
barkeit bleiben also weiterhin ein Hauptthema unserer                         Mathias Forster
                                                                              Geschäftsleiter Bio-Stiftung Schweiz
Aktivitäten.
Für die Pilotphase II wurden einige zusätzliche Betrie-
be in den BFF aufgenommen, die wir ganz herzlich be-
grüssen und die wir im vorliegenden Magazin auch kurz          basisdemokratischen Prozess zeigen, ob die Entschie-
vorstellen.                                                    denheit und der Mut ausreichen werden, eine längst
In der letzten Ausgabe hatten wir bereits das Projekt          überfällige grundlegende Reform der schweizerischen
«Richtig rechnen in der Landwirtschaft» vorgestellt,           Landwirtschaft einzuleiten und umzusetzen. Wir sind na-
welches wir in Zusammenarbeit mit Christian Hiss und           türlich sehr gespannt auf die Ergebnisse und unterstüt-
der Regionalwert AG in den Bodenfruchtbarkeitsfonds            zen die Aufklärung und Bewusstseinsbildung im Vorlauf
integrieren. Auch hierzu gibt es einiges zu berichten.         der Abstimmungen so gut wir es können. Aufgrund der
Am 14. und 15. April fand unsere Projektkonferenz statt,       Bedeutung dieser Abstimmungen geben wir dem The-
die wir einmal im Jahr durchführen.                            ma synthetische Pestizide in diesem Magazin viel Raum
Eigentlich wollten wir uns auf dem Herzberg wieder real        und hoffen dabei auf Ihr Verständnis.
treffen. Leider ist dies durch die Corona-Massnahmen           Unser Magazin wird ab der nächsten Ausgabe in das Ma-
ein weiteres Mal verunmöglicht worden, sodass wir es           gazin der Bio-Stiftung Schweiz verwandelt, auch weil sich
wieder online durchführen mussten.                             gezeigt hat, dass wir es immer wieder für nötig erachten
Das Erscheinen dieser Ausgabe liegt mitten in der Über-        auch Beiträge zu anderen landwirtschaftlichen Themen
gangszeit zwischen Pilotphase I und II.                        zu bringen.
Daher berichten wir auch in kurzer Form darüber, welche        Dazu kommt, dass sich innerhalb der Bio-Stiftung in der
Erfahrungen und Erkenntnisse wir in den hinter uns lie-        letzten Zeit einige Projekte und Fonds entwickelt haben,
genden drei Jahren gewonnen und welche Konsequen-              die in Zukunft auch ihren gebührenden Platz im Magazin
zen wir daraus gezogen haben.                                  erhalten sollen.
Am 13. Juni werden wir Schweizer Bürgerinnen und
Bürger darüber abstimmen, ob der Einsatz von syn-              Wir wünschen Ihnen viel Freude und Anregung beim
thetischen Pestiziden in Zukunft weiterhin erlaubt sein        Lesen und «unseren» Bauern ein fruchtbares und ertrag-
soll. Das betrifft auch importierte Lebens- und Futter-        reiches Jahr
mittel. Wir sehen in diesen Abstimmungen eine grosse
Chance für die Schweiz und darüber hinaus. Bei immer
mehr Menschen setzt sich die Erkenntnis durch, dass
das Ausbringen von giftigen bis sehr giftigen Stoffen in
die freie Natur ein Ende haben muss, weil alles andere
gegenüber der Umwelt und nachfolgenden Generatio-
nen und schliesslich auch im Hinblick auf unsere eigene

Gesundheit unverantwortlich ist. Nun wird sich in einem

      BODEN
      FRUCHTBARKEIT
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      FONDS
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Richtig rechnen
        in der Landwirtschaft
FONDS FÜR                                                      DAHER WÄREN WIR SEHR DANKBAR
LEISTUNGSAUSGLEICH                                             FÜR JEDE HILFE BEI DER FINANZIERUNG
                                                               DIESER AUSGLEICHSLEISTUNGEN ZUR
                                                               ERÖFFNUNG DES FONDS FÜR
                                                               LEISTUNGSAUSTAUSCH
In der letzten Ausgabe hatten wir einen Beitrag von
Christian Hiss publiziert, der sich seit Jahren darum
                                                               FÜR DETAILLIERTE INFORMATIONEN
bemüht, die Voraussetzungen zu schaffen, dass die
                                                               WENDEN SIE SICH BITTE AN
Leistungen der Bauern*innen, Gärtner*innen und
                                                               MATHIAS FORSTER
Winzer*innen buchhalterisch richtig erfasst werden
                                                               m.forster@bio-stiftung.ch
können. Denn das ist die Voraussetzung dafür, dass
diese Leistungen, die ja weit über die Produktion von
Lebens- und Futtermitteln hinausgehen, auch fair ver-
gütet werden können.                                           CHF Spendenkonto:
Wir sind davon überzeugt, dass diese Bewertungsme-
thoden und Werkzeuge geeignet sind, einer wirklich             Bio-Stiftung Schweiz,
nachhaltigen Landwirtschaft den Weg zu ebnen.                  Fabrikmattenweg 8, 4144 Arlesheim
Wir freuen uns daher ganz besonders darüber, dass              Raiffeisenbank Dornach
4/5 von unseren insgesamt dreissig Partnerbetrieben            IBAN: CH39 8093 9000 0046 4206 2
bei diesem Projekt mitmachen.                                  Banken-Clearing-Nr.: 80939
Wir beabsichtigen innerhalb der Bio-Stiftung einen             SWIFT-BIC: RAIFCH22939
Fonds zu gründen, aus dem diejenigen Leistungen                Spendenzweck: Fonds für Leistungsausgleich
der Bäuerinnen und Bauern, die durch die Leistungs-
rechnung ermittelt werden, und die bisher nicht durch
Subventionen oder Zuwendungen aus dem Boden-
fruchtbarkeitsfonds finanziert werden, auch tatsächlich        EUR Spendenkonto:
abgegolten werden können.
Wenn es uns in diesem geplanten Best-Practice-Bei-             Bio-Stiftung Schweiz,
spiel gelingt, eine wirklich leistungsbezogene Finanzie-       Fabrikmattenweg 8, 4144 Arlesheim
rung der bäuerlichen Tätigkeit zu ermöglichen, dann            GLS Bank Bochum
wäre eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen,             IBAN: DE87 4306 0967 4121 8575 00
dass auch die öffentliche Subventionspolitik den               SWIFT-BIC: GENODEM1GLS
Schritt weg von der Belohnung von Landeigentum hin             Spendenzweck: Fonds für Leistungsausgleich
zu Leistungsvergütung vollziehen kann.

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Unsere Partnerhöfe stellen sich vor

              Gut
               Rheinau
Von Christopher Schümann

Gut Rheinau liegt in der Nähe der Stadt Schaffhausen               Das Klima ist mild und trocken, der Boden ein sandi-
im Kanton Zürich und an einer schwungvollen Schlaufe            ger Lehmboden mit hohem Kies- und Steinanteil. Trotz
des Rheins. In einigen Kilometern Entfernung der Rhein-         einem durchschnittlichen Humusgehalt zwischen drei
fall, wo der Strom auf einer Breite von einhundertfünfzig       und vier Prozent ist der Boden extrem austrocknungs-
Metern über zwanzig Meter in die Tiefe fällt, was ihn zu        gefährdet, was eine konsequente Bewässerung aller Kul-
einem der grössten Wasserfälle Europas macht.                   turen erforderlich macht. Durch weiteren Humusaufbau
                                                                soll die Notwendigkeit der künstlichen Bewässerung in
                                                                Zukunft mehr und mehr reduziert werden.

                                                                                     Gut Rheinau liegt an einer Schlaufe des Rheins

      BODEN
      FRUCHTBARKEIT
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      FONDS
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Betriebsleitung Gut Rheinau

VON «KONVENTIONELL» AUF BIO

Der Hof wurde bis vor etwa zwanzig Jahren konventio-            da sie bei der Übernahme eine Reihe von Verträgen mit
nell bewirtschaftet. Dann verpachtete der Kanton Zü-            übernehmen mussten. So lernten sie das «konventionel-
rich seinen grössten und schönsten Landwirtschaftsbe-           le» System von innen her kennen und stellten fest, dass
trieb an eine Gruppe von Menschen aus verschiedenen             für die bäuerliche Selbstbestimmung hier nicht viel Platz
Berufsfeldern, die eine gemeinsame Vision hatten: Im            ist. Wer die Beschreibungen im Buch liesst, kann den Ein-
Einklang mit der Natur leben, gesunde Lebensmittel              druck gewinnen, dass das industrielle Denken und Orga-
produzieren, sozialtherapeutisch wirksam werden und             nisieren der verschiedenen Kunden und Zulieferer den
als Gesellschaft dadurch stark werden, dass man die             Hof praktisch übernommen hatte. Alle Entscheidungen
Schwachen mitnimmt und auch dadurch, dass man sich              waren vollständig ausgegliedert und die Bauern hatten
die individuelle Entwicklung aller zum Anliegen macht.          zu funktionieren als wären sie Teil des Maschinenparks.
   Martin und Annigna Ott sowie Hans und Lotti Braun-           Unangemeldet stand plötzlich der Tierarzt im Kuhstall
walder übernahmen die Verantwortung für die Land-               und machte sich an den Kühen zu schaffen, ohne dies
wirtschaft und begannen mit ihrem Lebenswerk: Der               vorher abzusprechen. Im Spinatfeld sahen die Bauern
Umstellung einer der grössten landwirtschaftlichen Be-          plötzlich einen Mann im weissen Anzug herumgehen,
triebe in der Schweiz auf biodynamische Landwirtschaft.         der einen Kanister hinterliess mit genauen Befehlen,
   In dem Buch «Das Gift und Wir» beschreiben die bei-          «wie, wo und in welcher Verdünnung dieses Mittel in den
den Biobauern diesen Prozess der Umstellung sehr de-            Spinatacker zu bringen sei.»
tailliert und konkret und damit aufschlussreich. Denn sie          Ihnen wurde durch diese Erfahrungen klar, weshalb
wurden vorübergehend zu «konventionellen» Bauern,               sich so viele Bauern, einmal über längere Zeit in diesem

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Betriebsspiegel

Flächennutzung
Ackerfläche              73ha
Naturwiesen              20ha
Rebbau                   3.45ha
Obstbau (Hochstamm)      500 Stk.
Öko-Flächen              21ha
Wald                     3ha

Tiere
Milchvieh                50-60
Stiere                   1-3
Rinder                   70 in Aufzuchtbetrieb
                                                                ... UND WAS DARAN SCHWIERIG WAR
Schweine                 5-20
                         (1-2Mutterschweine)
                                                                Es traten bei der Umstellung eine ganze Reihe von
Pferde                   8
                                                                Schwierigkeiten und Herausforderungen auf, bei der
Ziegen                   14
                                                                Gesundheit der Kühe zum Beispiel, aber auch bei der
Hühner                   50                                     Belebung des Bodens. Der hatte vollständig die Fähig-
Bienenvölker             20                                     keit verloren, organische Substanz umzuwandeln.
                                                                   Als Hans Braunwalder den oben erwähnten Spinat-
                                                                acker umpflügte, sah er den ganzen Tag über keinen
                                                                einzigen Wurm. Aus 25 Zentimetern Tiefe kamen völlig
                                                                intakte Zuckerrüben zum Vorschein, die zwei Jahre vor-
                                                                her angebaut wurden.
System gefangen, eine Welt ohne Pestizide und andere               Die Agrarchemie und ihre bäuerlichen Helfer hatten
Produkte der Agrarchemie nicht mehr vorstellen können.          offenbar in der Vergangenheit wenig Rücksicht auf das
Also begannen sie mit der Rückeroberung der «bäuerli-           Bodenleben genommen, dieses vielmehr nahezu voll-
chen Gestaltungshoheit» und holten sich alle «professio-        ständig zerstört. An die Stelle natürlicher Bodenfunktio-
nellen» Entscheidungen Schritt für Schritt zurück.              nen war eine maximale Abhängigkeit von künstlichem
   Von Anfang an war das Ziel, den Hof in eine vielfälti-       Stickstoffdünger und synthetischen Pestiziden entstan-
ge Agrarlandschaft zu verwandeln, um möglichst vielen           den. Eine ideale Situation sozusagen – zumindest aus
verschiedenen Lebewesen einen Lebensraum zu ermög-              Sicht der Agrarchemie.
lichen:                                                            Das Bodenleben zurückzubringen wurde zu einer
«Was wir ganz am Anfang konsequent und mit viel Ener-           herausfordernden Aufgabe. Zunächst wurde eine fünf-
gie durchsetzten, war ein System von Hecken, Bäumen,            hundert Meter lange Kompostmiete angelegt. Aber der
Magerwiesen anzubauen, mit dem Ziel, dieses Netz so             Kompost konnte sich anfangs schwer mit dem Boden
über die Erde zu verteilen, dass ein Vogel oder ein In-         an diesem eher trockenen Standort verbinden. Und so
sekt auf dem ganzen Hof innerhalb von dreissig oder             gingen die Biobauern dazu über, den Kompost mit Grün-
vierzig Metern einen Rückzugsort findet, und sich von           düngungen flach in den Boden einzuarbeiten. Zunächst
Hecke zu Baum, von Magerwiese zu Blühstreifen bewe-             gingen die Erträge zurück, im Getreide, bei den Kartof-
gen kann», schreibt Martin Ott.

      BODEN
      FRUCHTBARKEIT
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      FONDS
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feln und im Futterbau. Aber nach einigen Jahren wuchs             VIELFALT ALS
auf der grossen Naturwiese wieder Rotklee, nicht nur              ERNTEAUSFALLVERSICHERUNG
die fetten Gräser. Und so nahm die Heumenge wieder
zu. Insgesamt stiegen die Erträge im Verhältnis zur Ge-           Inzwischen haben Moritz Ehrismann und David Jacobsen
sundung des Bodens nach und nach                                  die Verantwortung für den Acker- und Feingemüsebau
                                                                  übernommen. Ihre Erfahrungen zeigen, dass die Viel-
                                                                  falt den Betrieb vor grösseren Schädlingsproblemen und
FREUDE AN DER VIELFALT                                            wetterbedingten Ertragsausfällen schützt, sich also po-
                                                                  sitiv auf das Betriebsergebnis auswirkt.
Durch das komplexe Netzwerk aus Bäumen, Sträuchern                   Auf Gut Rheinau werden auf vier Hektar über vierzig
und Hecken sind viele Vögel und Insekten nach Gut Rhei-           verschiedene Gemüsesorten angebaut und auf gut sieb-
nau zurückgekehrt. Sie finden dort Rückzugsräume. «Der            zig Hektar Ackerfläche neben Hackfrüchten, Futter, Kör-
Hof hat heute über die Vielfalt begonnen, sich selber             nern und Leguminosen in elfjähriger Fruchtfolge zwölf
schöner zu besingen», sagt Martin Ott.                            verschiedene Getreidesorten.
   Die Begeisterung für Vielfalt und deren Förderung                 «In sehr heissen, trockenen Sommern haben wir sehr
zeigt sich in allen Bereichen und sie wirkt sich gleichzei-       gute Erträge bei Kulturen, welche die C4-Photosynthe-
tig positiv auf das Betriebsergebnis aus, zum Beispiel bei        se machen können, aber auch bei anderen Pflanzen,
den Kühen, unter denen es Schweizer Fleckvieh, reine              die besonders gut mit starker und lange andauernder
Simmenthaler, Original Braunvieh, Eringer, schwarzbun-            Sonneneinstrahlung umgehen können. Wir haben
te Holsteiner und alle möglichen Kreuzungen gibt.                 dann sehr gute Erträge bei Mais, Auberginen, Melo-
   Ein Teil der Kühe verbringt den Sommer auf der Alp             nen, Trauben und Hirse. In regenreichen, eher kühlen
Walop im Simmental, die zum Betrieb gehört.                       Sommern wächst dagegen eigentlich alles sehr gut,
   Einige Schweine und Ziegen dürfen dann auch mit hin-           was in der Mittelmeerregion im Winter angebaut wird,
auf. Von dort wird im Herbst der Käse ins Tal gebracht und        also zum Beispiel Kohl, Zuckererbsen, überhaupt Erb-
schliesslich auf Gut Rheinau bis zur Genussreife gepflegt.        sen, Radieschen, Fenchel, Spinat», sagt David Jacob-
   Auch bei den fünfhundert Hochstamm-Apfelbäumen                 sen, der für den Feingemüseanbau auf Gut Rheinau
und beim Wein, sowie beim Gemüse und Getreide zeigt               verantwortlich ist.
sich die Vielfalt.

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Magazin 1 - Allianz für die Bodenfruchtbarkeit - BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS - Bodenfruchtbarkeitsfonds
«Wenn man bei uns die Buchhaltung der letzten zehn                Längst wurde wissenschaftlich bewiesen, dass durch
Jahre anschaut, dann kann man sehen, dass da eigent-           Vielfalt im Gemüsebeet (Mischkultur) und im zeitlichen
lich immer ein Ausgleich erreicht wird. Da gibt es beim        Verlauf (Fruchtfolgen) der Schädlingsdruck gesenkt
Gesamtumsatz kaum Schwankungen, selbst die Dürre               werden kann. Das sind typische präventive Massnah-
2018 haben wir finanziell kaum gemerkt. Da wurde viel          men, die auch auf Gut Rheinau praktiziert werden.
durch die Rekordernte bei den Trauben ausgeglichen»,           Daneben wird darauf geachtet, dass die Nützlinge
sagt Moritz Ehrismann, verantwortlich für den Ackerbau         Zugriff haben zu den Gemüsebeeten. Das wird durch
auf Gut Rheinau.                                               Blühstreifen zwischen den Gemüsebeeten erreicht und
                                                               dadurch, dass die Gemüsebeete nicht breiter als 1.5–3
                                                               Meter sind.
VIELFALT IM GLEICHGEWICHT                                         Vielfalt als Schutz vor Schädlingsbefall beginnt aber
                                                               schon beim Saatgut. «Wir machen ja Vermehrung für
Wenn Bauern und Gärtner über agrarökologische Kennt-           biologisch-dynamisch zertifiziertes Bio-Saatgut und
nisse verfügen und diese praktisch anwenden, dann kön-         arbeiten bei der Züchtung und Vermehrung mit der
nen sie der Natur dabei helfen, dasjenige zu erreichen,        Sativa AG zusammen. In der Züchtung geht es ja auch
was sie von sich aus sowieso immer anstrebt: innerhalb         immer um Resistenzen», sagt David Jacobsen. Kon-
ihrer Lebenswelten Einseitigkeiten auszugleichen und in        ventionelles Hybridsaatgut der gleichen Sorte hat zu
Gleichgewichtszustände zu bringen.                             hundert Prozent die gleiche Genetik. Wenn Schädlinge
 «Viele Schädlingsprobleme treten bei uns gar nicht erst       sich weiter entwickeln, was sie fortwährend tun, und
auf, wegen des präventiven Ansatzes», sagt David Ja-           Resistenzen gegen synthetische Pestizide entwickeln,
cobsen. Aber was heisst das konkret?                           oder Resistenzen der Pflanzen durchbrechen, dann er-

      BODEN
      FRUCHTBARKEIT
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      FONDS
Magazin 1 - Allianz für die Bodenfruchtbarkeit - BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS - Bodenfruchtbarkeitsfonds
fordert das immer mehr und oft auch immer giftigeres              Dämme werden dann in drei Stufen mit dem Wachstum
Gift, oder es ist gleich der ganze Bestand gefährdet.             der Pflanzen immer mehr angehäufelt. Diese Strategie
   Beim samenfesten Biosaatgut ist das nicht so. Da gibt          funktioniert einigermassen gut. Was dann noch an Ern-
es eine gewisse genetische Vielfalt innerhalb der glei-           teverlusten auftritt, müssen die anderen Kulturen auffan-
chen Sorte. Das ist auch Zuchtziel, weil die genetische           gen, von denen es ja viele gibt. Denn ganz will man auf
Vielfalt dazu führt, dass immer nur einige Pflanzen von           den Kartoffelanbau nicht verzichten.
einem bestimmten Schädlingsbefall auf dem Acker oder
dem Gemüsebeet betroffen sind.
   Im Ackerbau bewegt sich der Schädlingsbefall auf               DAS FINTAN–PROJEKT
tragbarem Niveau. Da wird nur mechanische Unkraut-
bekämpfung gemacht. Im Gemüseanbau gelingt die                    Im Laufe der Jahre entwickelten sich aus dem gesunden-
Schädlingsregulierung durch den präventiven Ansatz in             den Umfeld der Landwirtschaft von Gut Rheinau eine
Kombination mit den Massnahmen, die im biodynami-                 Reihe von Verarbeitungs-, Saatgut-, Sozial-, Kunst- und
schen Landbau erlaubt sind, im grossen und ganzen gut.            Bildungsbetrieben, die heute jährlich zusammen zwan-
Probleme gibt es aber nach wie vor bei den Kartoffeln             zig Millionen Franken erwirtschaften. Diese Betriebe
mit der Krautfäule. Die Hälfte ihrer Kartoffeln werden in-        haben sich unter dem Dach der Stiftung Fintan zusam-
zwischen vom Nachbarn angebaut, weil sich dessen Bo-              mengefunden, teilweise als Fintan-Betriebe mit engen
den besser für Kartoffeln eignet. Für die übrigen Kartof-         vertraglichen Bindungen so wie Gut Rheinau und teil-
feln wird versucht darauf hinzuarbeiten, dass so schnell          weise als Fintan-Partnerbetriebe mit einer eher lockeren
wie möglich kräftige gesunde Pflanzen wachsen. Wenn               Zusammenarbeit mit der Stiftung. Das Fintan–Projekt ist
die Krautfäule dann später doch noch kommt, richtet sie           ein praxisbezogenes Projekt, bei dem ökologisch nach-
keinen so grossen Schaden mehr an.                                haltige und tierwohlorientierte Landwirtschaft, sonstige
   Die Strategie hierfür ist, den exakt richtigen Zeitpunkt       innovative Lösungen und zukunftsfähige Gemeinschafts-
zum Setzen zu erwischen. Danach arbeiten die Kartoffel-           und Gesellschaftsbildung geübt und umgesetzt werden.
bauern mit kleinen Dämmen, damit das Wasser besser                Aus dieser Intention gehen immer wieder neue Initiati-
abfliessen kann und der Boden schnell warm wird. Die              ven und Projekte hervor.

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Magazin 1 - Allianz für die Bodenfruchtbarkeit - BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS - Bodenfruchtbarkeitsfonds
POT

Ein neueres Projekt von Gut Rheinau zusammen mit           ist, dass jeweils genügend Mitglieder und Kunden in
Partnern heisst zum Beispiel POT. Dieses Projekt will      Fussdistanz gefunden werden. Gut Rheinau entwickelt
eine praktische Antwort auf die Frage geben, wie in der    auf diese Weise seine Beziehungen zu Geschäftspart-
Landwirtschaft existenzsichernde Löhne gezahlt, eine       nern und den Endverbrauchern weiter.
regenerative Bodenbearbeitung gewährleistet und ein           Vor der Umstellung auf bio-dynamisch wurde Gut
umfassend nachhaltiger Anbau ermöglicht werden kann.       Rheinau defizitär bewirtschaftet, was heute nicht mehr
Basis hierfür bildet eine gemeinschaftlich getragene       der Fall ist. Im Gegenteil: Der Staat erhält eine viertel Mil-
Landwirtschaft, verbunden mit einem Quartierdepot          lion CHF an Pacht pro Jahr für Ländereien und Gebäude.
mit Lebensmitteln und angegliederter Quartierküche.           Ein anderer Erfolgsfaktor ist die Entstehung einer ein-
Das Quartierdepot ist 7 Tage 24 Stunden für Mitglieder     drucksvollen Anzahl von sinnvollen Arbeitsplätzen. Als
zugänglich und stellt die 250 wichtigsten Grundnah-        der Hof noch «konventionell» bewirtschaftet wurde, arbei-
rungsmittel verpackungsarm bereit. Die Quartierküche       teten dort zwölf kantonale Angestellte, inzwischen sind
kocht aus den Lebensmitteln und den Überschüssen des       für gut fünfunddreissig Menschen in der engeren Land-
Depots und Hofes täglich Menüs, die entweder vor Ort       wirtschaft Arbeitsplätze entstanden. Alle Betriebe zusam-
oder zu Hause genossen werden können. Dies ermög-          men beschäftigen heute hundertfünfzig Mitarbeiter.
licht die vollumfängliche Verwertung aller Lebensmittel
und verhindert die Entstehung von Foodwaste.               Wir wünschen Gut Rheinau und dem Projekt Fintan viel
   Zusammen mit Bachsermärt, einer kleinen Lebensmit-      Freude, Mut und Begeisterung auf ihrem weiteren Weg
telkette, sollen in den nächsten Jahren mehrere POTs an    und eine erfreuliche und dynamische Entwicklung in die
unterschiedlichen Standorten in Zürich entstehen. Ziel     Zukunft.

      BODEN
      FRUCHTBARKEIT
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      FONDS
Warum sind wir Paten des

Bodenfruchtbarkeitsfonds?

                                                          schaden vielerorts auf dramatische Weise der Natur:
                                                          sei es in Form der Massentierhaltung, im Anbau von
                                                          Monokulturen oder durch das Roden der Urwälder.
                                                          Leicht verliert man den Überblick über die Vielzahl an
                                                          Umweltsünden, die wir Menschen täglich verbrechen.
                                                          Gleichermassen unübersichtlich sind aber auch die
                                                          Möglichkeiten selbst Gutes zu tun – ist doch diese
                                                          Problematik über den gesamten Globus weit verbreitet
                                                          und es sind viele gute Aktivitäten zu finden.

                                                          Aus diesem Grund möchten wir uns als Paten des
                                                          Bodenfruchtbarkeitsfonds engagieren – eine Initiative,
                          Noemi und Johannes
                                                          die sich vor unserer Haustüre für nachhaltige Landwirt-
                                                          schaft einsetzt, Bauern die Möglichkeit gibt unserem
                                                          wertvollen Boden die Fruchtbarkeit zu erhalten und
Die Erde zu achten, die Schönheit der Natur zu schät-     die somit den Schaden, den wir selbst verursachen,
zen und dankbar zu sein für die Nahrung, die uns der      heilt. Nicht zuletzt spricht der Bodenfruchtbarkeits-
Boden täglich gibt – das sind Werte, mit welchen wir      fonds unser wirtschaftliches Herz an: als Ökonomen
beide aufgewachsen sind. Viele Stunden verbrachten        wissen wir beide, dass im Falle von Marktversagen die
wir als Kinder draussen. Wir wanderten durch die          Internalisierung externer Effekte zum Pareto-Optimum
Berge, spielten im Dreck, streiften durch das hohe        führt. Oder in anderen Worten: Wenn der Schaden,
Gras, pflückten Blumen und sammelten alles, was es zu     der durch die Herstellung unserer Nahrung entsteht,
sammeln gab. Faszinierende Tierchen wurden unter-         nicht durch den Preis der Lebensmittel abgebildet
sucht. Beeren wurden gesammelt. Bunte Herbstblätter       wird, so muss der Schaden auf einem anderen Weg
getrocknet.                                               abgeglichen werden, um die Gesamtwohlfahrt der
Ja, es war eine heile Welt, in welcher wir aufgewachsen   Gesellschaft zu optimieren. Der Bodenfruchtbarkeits-
sind und die Natur zu lieben gelernt haben. Mit dem       fonds hilft uns also nicht Gutes zu tun, nein, er hilft
Älterwerden verändert sich auch das Bewusstsein.          uns vielmehr den Schaden, den wir verursachen,
Schnell wird jedem klar, dass heute unsere Natur          auszugleichen und somit unsere Verantwortung als
bedroht ist. Der Mensch und mit ihm der Klimawandel       Menschen wahrzunehmen.

                                                                                 Noemi und Johannes Kossmann

                                 Wir würden uns sehr freuen, auch
                                 Dich demnächst als Patin oder
                                 Pate in der Bodenfruchtbarkeits-
                                 fonds-Gemeinschaft begrüssen
                                 zu dürfen!

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Drei Jahre

Bodenfruchtbarkeitsfonds
  – der Keimling hat sich entwickelt!

   BODEN
   FRUCHTBARKEIT
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   FONDS
Von Hans Holland

«Krümel! Hier siehst Du die Krümel!» Mit der Nase                 Im Rückblick auf die jetzt zu Ende gegangene drei-
fast am ausgestochenen Bodenblock stehen wir auf               jährige Aufbau- und Pilotphase im Fonds wird mir sehr
unserem Kleegrasacker und staunen über das, was                bewusst, wie viele Impulse mir die Begegnung mit den
wir sonst selten sehen, selten beachten: unseren               Menschen des Bodenfruchtbarkeitsfonds (BFF) gege-
Ackerboden. Bodenberater Uli Hampl zeigt mir die               ben hat. Das anfängliche neugierige Kennenlernen hat
Grenze zwischen Ober- und Unterkrume, beurteilt die            nicht lange gedauert – moderiert von Mathias Forster,
Gefügeform, entdeckt junge Regenwürmer und feine               Geschäftsführer des Fonds, und eben unserem Berater
Wurzelfäden.                                                   Uli haben wir sehr schnell die gemeinsame Basis, den
   Uli war mir schon lange aus der süddeutschen                lebendigen Boden unter unseren Füssen, buchstäblich
Bioszene bekannt, aber mit ihm und seinem Spaten               gespürt. Dabei brachten wir durchaus verschiedene
zusammen auf dem Acker unterwegs zu sein war ein               Hintergründe mit: Vielfalt in Betriebszweigen, Be-
neues, ein eindrückliches Erlebnis. Eigentlich ja nicht        triebsgrössen, im Lebensalter und nicht zuletzt in den
AUF, sondern mehr IM Acker, und dass Krümel die                Dialekten!
Krönung ackerbaulichen Wirkens sind, hatte ich in den             Dieses ist sicher ein besonderes Merkmal des
letzten Monaten bei den Treffen des Bodenfruchtbar-            BFF: Austausch der betrieblichen Erfahrungen und
keitsfonds bereits verinnerlicht.                              persönlichen Perspektiven über die Ländergrenzen
   Im Frühjahr 2016 hatte ich in einer Bauernzeitung           hinweg. Ob wir uns nun im Kaisersaal des ehemaligen
gelesen, ein «Bodenfruchtbarkeitsfonds» aus der                Benediktinerklosters Rheinau bei Schaffhausen, auf
Schweiz biete interessierten Bauern im Bodenseeraum            den Feldern der Hofgemeinschaft Heggelbach oder im
eine Mitgliedschaft an. Der Fonds wolle die Bio-Höfe           grossen Kuhstall des Hofgutes Rengoldshausen getrof-
bei ihrer Arbeit hinsichtlich der Bodenfruchtbarkeit           fen haben – nachhause gefahren jedenfalls bin ich im-
unterstützen und beraten.                                      mer mit dem Gefühl, meinen Horizont ein gutes Stück
   Zu dieser Zeit hatten wir auf unserem Hof gerade            geweitet zu haben. Wie läuft die landwirtschaftliche
begonnen, die ersten Versuche beim Kompostieren zu             Ausbildung in Österreich? Können Schweizer Kollegen
starten, und da war mir fachliche Unterstützung sehr           mit nur wenigen Hektar Betriebsfläche im Vollerwerb
willkommen. Die Bewerbung haben wir geschrieben,               bestehen? Wie ist der landwirtschaftliche Bodenmarkt
und nicht lange danach kam Post zurück aus der                 in Liechtenstein?
Schweiz – unser Hof war jetzt Partnerhof beim Boden-
fruchtbarkeitsfonds!

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Im BFF haben wir Bäuerinnen und Bauern aus ver-             Umso lieber erinnere ich mich noch an den Gesang
schiedenen Bioverbänden kennengelernt – und auch               von Ioana Farcasanu beim Projekttreffen im Saal des
deren Arbeitsweise, ihre Traditionen. Stark vertreten          Lehenhofes … da kam manche/r von uns doch mindes-
sind die Demeter-Höfe. Sie bringen mehr als wir ande-          tens ins Mitsummen!
ren auch kulturelle Aspekte mit ein – Agri-Kultur eben.           Im Mittelpunkt standen natürlich immer die fach-
So ergaben sich interessante Diskussionen, inwieweit           lichen Fragen: unsere Böden, deren Fruchtbarkeit,
wir LandwirtInnen nicht nur Lebensmittel-Erzeuger              nachhaltige Humuswirtschaft, schonende Bearbeitung.
sind, sondern gleichzeitig immer auch Landschaftsge-           Wir haben uns dem Bodenleben angenähert, mit Uli
stalter, nicht nur «Handwerker», sondern auch «Künst-          Hampls Lupe und bei einem faszinierenden Mikros-
ler». Zwar ist mir selbst das angebotene Experiment            kop-Vortrag von Prof. Fritz auf dem Biolandhof Braun.
nicht gelungen, den Ackerboden mittels Fusssohle               Wir haben verschiedene Kompostierungsverfahren
so zu erspüren, als ob ich hineinsehen könnte – hätte          besprochen und Bodenuntersuchungsmethoden
ich dazu doch vielleicht die Schuhe ausziehen sollen?          verglichen. Viele von uns haben Technikvorführun-

      BODEN
      FRUCHTBARKEIT
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      FONDS
gen organisiert für KollegInnen und Bodentage für              bodenschonende Technik, Weiterbildung und Bera-
Landwirtschaftslehrlinge. Und bis zum Ausbruch der             tung, schliesslich sogar bodenkundliche Forschung
Corona-Pandemie war – und wird hoffentlich bald wie-           auf den Höfen finanziert werden. Dies hat uns bisher
der sein – die Vermittlung von «Bodenwissen» an inte-          unbekannte Freiräume in unserer Landwirtschaft
ressierte VerbraucherInnen ein zentrales Anliegen des          eröffnet, ein tieferes Boden-Verstehen ermöglicht
BFF. Und zwar ganz praktisch; Boden zum Anfassen,              und neue Freude an einer Handvoll Erde – wenn sie
wir wurden und werden immerhin auch zu Bodenpäd-               krümelig ist!
agogen weitergebildet! Erstaunlich, welche Kreativität            Die Pilotphase I ist vorbei. Wir haben in den letzten
die Partnerhöfe hier schon entwickelt haben …                  Monaten Bilanz gezogen; unsere Erfahrungen und
  Ganz sicher auch im Namen meiner KollegInnen                 Eindrücke sortiert, die Veranstaltungen und Projekte
darf ich jetzt nach Abschluss der Pilotphase I ein             bewertet. Dies alles ist jetzt Grundlage für unsere zu-
grosses Dankeschön an die Aktivisten des BFF, die              künftige Arbeit im BFF – der Plan dafür steht, die Ener-
Geschäftsführung, die Partner, die Botschafter für ihre        gie ist vorhanden, die Ideen haben schon gekeimt …
grosse Unterstützung richten. Unterstützung wie be-               … und so wünschen wir dem Bodenfruchtbarkeits-
schrieben fachlich und ideell, Unterstützung aber sehr         fonds jetzt den Übergang in eine langfristige und aus-
grosszügig auch finanziell – durch die Zuschüsse des           geglichene Fruchtfolge, gesundes und nachhaltiges
BFF konnten vielfältige Zwischenfruchtmischungen,              Wachstum, kräftige Wurzeln und reichen Ertrag!

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Phasenwechsel
                Erste Erkenntnisse aus Pilotphase I für
                die Pilotphase II im Bodenfruchtbarkeitsfonds

Von Dr. Ulrich Hampl

Die erste Pilotphase des Boden-         Das Entwicklungsjahr 2021 soll dazu      Die von den Partnerhöfen jährlich
fruchtbarkeitsfonds ist mit den Jah-    dienen, den Impuls des Bodenfrucht-      erstellten Rechenschaftsberichte
ren 2018 bis 2020 abgeschlossen         barkeitsfonds verstärkt in eine zweite   können dazu dienen, die Erkenntnis-
worden. Das «Brachejahr» 2021 der       Pilotphase zu übertragen. Aufbau-        se aus den ersten drei Projektjahren
mittlerweile begonnenen Pilotpha-       end auf den Erkenntnissen aus der        wiederzugeben. So wurden die
se II markiert als Entwicklungsjahr     Pilotphase I wurden daher 7 neue         Menschen auf den Partnerhöfen auf-
die Mitte von insgesamt 7 Pilotpha-     Elemente entwickelt, die in der Pilot-   gefordert, Bewertungen zu vier zen-
se-Jahren, die bis zum Ende des         phase II zusätzlich umgesetzt werden     tralen Projektbereichen abzugeben:
Jahres 2024 dauern werden.              sollen (vgl. BFF-Magazin 2/20).

           •   Erfolg der vereinbarten Bodenverbesserungsmassnahmen
           •   Erfolg der jährlichen Boden-Hoftage zur Information der Öffentlichkeit
           •   Beurteilung der im Projekt angebotenen Fachveranstaltungen
           •   Beurteilung der angebotenen Fachbegleitung für die Partnerhöfe

      BODEN
      FRUCHTBARKEIT
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      FONDS
Die Bäuerinnen und Bauern sollten diese Bereiche mit Punkten bewerten.
Die Grafik zeigt die in Prozent umgerechnete Beurteilung durch die Partnerhöfe
im Laufe der ersten drei Projektjahre (2018 bis 2020):

                            Bewertungen durch Partnerhöfe
                                             2018           2019      2020

100
 90
 80
 70
 60
 50
 40
 30
 20
 10
   0
              Erfolg der             Erfolg Hof-Bodentag             Beurteilung BFF-    Beurteilung BFF-
          Bodenmassnahmen                                          Fachveranstaltungen   Fachbegleitung

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Zunächst ist zu erkennen, dass         Es sind schöne Erträge und            Die Veranstaltungen, also die
der Erfolg der umgesetzten             Bestände gewachsen. Wir               jährlichen Boden-Hoftage für
Bodenmassnahmen im Lauf der            sind auf einem guten Weg.             die Öffentlichkeit, sowie die vom
Jahre von den Höfen zunehmend          Stephan Bauck                         Projekt organisierten Fachveran-
positiv beurteilt wurde. Dies wird                                           staltungen litten im Jahr 2020 unter
auch durch die Dokumentation                                                 den Beschränkungen durch die
der Bodenentwicklungen auf den         Die Fachbegleitung durch den          Corona-Pandemie. So mussten in
Demonstrationsflächen der Partner-     Bodenexperten wird ebenfalls hoch     diesem Jahr leider einige geplante
höfe bestätigt (Auswertungsergeb-      und weiter steigend bewertet – und    Hoftage ersatzlos abgesagt werden
nisse im nächsten Magazin).            kann offensichtlich noch weiter       und auf die durchgeführten kamen
Auch Zitate aus den Rechenschafts-     gesteigert werden, wie diese Zitate   nicht immer sehr viele Besucher.
berichten 2020 belegen diese           zeigen:                               Fachveranstaltungen wurden häu-
erfreuliche Entwicklung – hierzu ein                                         figer online durchgeführt, was zwar
paar Beispiele:                        Die Unterstützung von Dr.             für die Vernetzung und den Aus-
                                       Hampl erachte ich persön-             tausch als positiv beurteilt wurde,
Wir sehen beim Blick in den            lich als extrem hilfreich … In        aber die Qualität von Vor-Ort-Ver-
Boden weiterhin positive               den drei Jahren haben wir             anstaltungen nicht erreichen, ge-
Veränderung und Verbes-                unglaublich viel Knowhow in           schweige denn ersetzen konnte.
serung der Krümelstruktur,             Bezug auf unsere wichtigste           Online-Angebote zeigten jedoch
auch in sehr kurzer Zeit               Ressource sammeln und in              auch, dass es durch den Wegfall
waren hier deutliche Verbes-           die Tat umsetzen können.              von Fahrzeiten oft gelang, viele
serungen sichtbar                      Der Spaten ist auch in dieser         Menschen aus voneinander entfern-
Florian Reyer                          Saison regelmässiger Be-              ten Regionen zu verbinden. Daraus
                                       gleiter auf dem Acker.                entstand vielfach der Wunsch, ab
Erfolg ist für mich durch die          Simon Vetter                          2021 regionale Vor-Ort-Veranstal-
guten Erträge messbar. Ver-                                                  tungen durch überregionale On-
besserung der Bodenstruk-              Ich habe es nicht geschafft           line-Angebote für einen wirksamen
tur auf den meisten Flächen.           die Gelegenheit maximal zu            Austausch zu ergänzen.
Georg Frick                            nutzen, wenn Uli auf dem              In diesem Zusammenhang werden
                                       Betrieb war.                          insbesondere die für Pilotphase II
Unsere Böden entwickeln sich           Markus Knösel                         geplanten regionalen Bodenent-
positiv und das sehen wir.                                                   wicklungsgespräche von den Part-
Richard Gasse                                                                nerhöfen freudig erwartet.
                                                                             Die noch nicht überall als erfolg-
                                                                             reich beurteilten Boden-Hoftage
                                                                             bestärken darin, in Pilotphase II

             David Steyer
 Jäten und hacken ging wesentlich
leichter. Es gab diesbezüglich viele
 positive Rückmeldungen unserer
             Mitglieder.

      BODEN
      FRUCHTBARKEIT
                                                        18
      FONDS
die pädagogische Aufbereitung          Wir sehen auch, dass die               Besucher berichten bei
des Themas Bodenfruchtbarkeit zu       intensive gedankliche                  Führungen regelmässig vom
intensivieren. So ist die Erstellung   Auseinandersetzung und                 guten Gefühl beim Betreten
eines «bodenpädagogischen              der Austausch mit Kollegen             des Ackers und gutem Ge-
Werkzeugkoffers» geplant – darin       im Rahmen des BFF den                  ruch des Bodens!
sollen Methoden zum Erleben der        Umgang mit dem Boden                   Bernd Kiechle
Faszination Boden beschrieben          verändert und wir spüren
und den Höfen zur Verfügung ge-        den deutlichen Wunsch, uns                •
stellt werden. Weiterhin wird eine     auch weiterhin intensiv mit
Ausbildung zum «Bodentrainer»          dem Thema Bodenfrucht-                 Dass die Impulse des Bodenfrucht-
entwickelt und interessierten Men-     barkeit zu beschäftigen, um            barkeitsfonds in den ersten Jahren
schen der Partnerhöfe angeboten        die Zusammenhänge immer                bereits wirksam werden konnten
werden.                                besser zu verstehen.                   und sich nun in der zweiten Pilot-
                                       Florian Reyer                          phase weiterhin verstärkt verbreiten
   •                                                                          werden, kann aus diesen Worten
                                       Ein zentrales Ziel des Projektes ist   gelesen werden:
Wie sehr die Teilnahme am Projekt      es, die Bedeutung der Bodenfrucht-
BFF auch innerhalb der Höfe            barkeit als gesamtgesellschaftliche    Die Teilnahme am BFF
Veränderungen bewirkt, zeigen bei-     Aufgabe in die Umgebung der            fördert und fordert uns als
spielhaft folgende Auszüge aus den     Partnerhöfe zu tragen. Dass dies zu-   Gärtnerei im positivsten
Rechenschaftsberichten:                nehmend gelingt, zeigen folgende       Sinne.
                                       Zitate:                                David Steyer
Das Thema Bodenfruchtbar-
keit ist bei uns in den Fokus          Unser Umfeld reagiert mit              Ich finde das Brachejahr und
gerückt und wir haben das              grossem Interesse und Ver-             die Ideen für die sieben neu-
Gefühl, schon gute Schritte            ständnis auf die Bedeutung             en Projektelemente Klasse
nach vorne gemacht zu ha-              der Bodenfruchtbarkeit für             und hoffe den erforderten
ben. Einher mit dem Aufbau             ihre Ernährungsgrundlage               Input bieten zu können, um
einer besseren Bodenfrucht-            David Steyer                           den notwendigen Resonanz-
barkeit werden am Hof                                                         raum bei mir zu erzeugen.
die sozialen Prozesse neu              … viele Follower bei                   Markus Knösel
strukturiert und verbessert.           Bodenthemen auf Social
Eine Aufbruchstimmung ist              Media.                                 Der Bodenfruchtbarkeits-
in allen Bereichen des Hofs            Simon Vetter                           fonds ist der Kristallisations-
zu spüren.                                                                    keim für das Bewusstsein für
Johannes Burka                         Boden ist ein Thema, mit               den Boden!
                                       welchem der Brückenschlag              Martin Haas
                                       zum Austausch gesteigert
                                       wird.
                                       Markus Knösel

                                                        19
Wir freuen uns über unsere

neuen Partnerbetriebe!

                               schulbauernHof untere Tüfleten
                               mit Gärtnerei am Goetheanum

                               Beide Betriebe nehmen wir gemeinsam als «Partner-
                               hof-Duo» auf, da sie auch sonst zusammen arbeiten.
                               Am Hof untere Tüfleten freuen wir uns auf einen viel-
                               fältigen Hoforganismus, der auch pädagogisch genutzt
                               wird. Betriebsleiter Felix Gebhardt stellt den Hof dem
                               Bauernhofpädagogen Wolfgang Unger als Lernort für
                               regelmässige Kindergruppen-Aufenthalte zur Verfü-
                               gung. Die schönen rätischen Grauvieh-Kühe des Hofes
                               trifft man im Sommer regelmässig auf den Wiesen rund
                               ums Goetheanum. Die Gärtnerei am Goetheanum hat
                               schon länger Interesse an einer Kooperation mit dem
                               Bodenfruchtbarkeitsfonds gezeigt, worüber wir uns
                               freuen. So können wir in Zukunft die Bodenentwicklung
                               der Gärtnerei-Flächen ums Goetheanum gemeinsam in
                               den Blick nehmen.

BODEN
FRUCHTBARKEIT
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FONDS
Hofmann GbR
Steffen Hofman bewirtschaftet den Hof mit seinem Va-
ter. Er liegt in Badisch Franken und ist ein erfolgreicher
Fleckvieh-Herdbuchzuchtbetrieb. Auf dem seit 1986
biodynamisch bewirtschafteten Hof leben 100 Milch-
kühe plus Nachzucht sowie einige Hühner. Besonderheit
im Ackerbau ist der Dinkel, der auf dem Hof zur regiona-
len Spezialität «Fränkischer Grünkern» verarbeitet wird.
Die zum Teil schweren Böden neigen naturgemäss zur
Verdichtung, sodass wir uns im Projekt gemeinsam um
die Optimierung von Fruchtfolge, Bodenbearbeitung
und Gründüngung kümmern werden.

         21
BODEN
FRUCHTBARKEIT
                22
FONDS
Pächtergemeinschaft Feldbach
Rund um die Getreidezüchtung Peter Kunz hat sich am Nordufer des Zürichsees eine
Pächtergemeinschaft mit drei weiteren biodynamischen Höfen gebildet. Gemeinsam
bewirtschaften die Getreidezüchtung, Hof Stämpfi, Hof Breitlen und Familie Richartz
Flächen in Feldbach mit Ackerbau- und Gemüsefruchtfolgen. Rege Öffentlichkeitsar-
beit sowie Angebote für «Schule am Bauernhof» gehören auch zu den Aktivitäten der
Pächtergemeinschaft. Auf Initiative von Herbert Völkle (GZPK) wurde der Kontakt mit
dem BFF hergestellt und wir freuen uns darauf, mit dieser lebendigen Gemeinschaft
zusammen auf die Bodenentwicklung in Feldbach schauen zu können.

              Markgräflich Badischer Gutsbetrieb
Bernhard Prinz von Baden hat seinen Ackerbaubetrieb am Bodensee rund um Schloss
Salem vor zwei Jahren auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt. Im Jahr 2022 wird
dort demnach die erste echte Bioernte eingefahren. Betriebsleiter Roman Strasser
hat sich bereits intensiv in die regenerative Bodenbewirtschaftung eingearbeitet.
Wir freuen uns, dass der Gutsbetrieb als Partnerhof im BFF aufgenommen werden
konnte. Nun werden wir gemeinsam daran gehen, die Fruchtbarkeit der Böden, die
lange konventionell bewirtschaftet worden waren, durch abgestimmte Massnahmen
des ökologischen Ackerbaus weiter zu verbessern und zu stabilisieren.

                  Weingut Roland und karin Lenz
Das Weingut von Roland und Karin Lenz liegt im Thurgau in Iselisberg mit herrlichem
Ausblick auf die Alpen. Eine Besonderheit des Weinguts ist die Bestockung von über
80 % mit pilzwiderstandsfähigen Rebsorten (Piwis), die ohne Pflanzenschutzmittel
auskommen auch ohne Kupferpräparate, die ja im ökologischen Weinbau noch häufig
verwendet werden. Durch die Vermeidung von Pflanzenschutzspritzungen wird der
Boden deutlich weniger oft befahren als bei herkömmlichen Rebsorten, was vorteilhaft
für den Boden ist und zudem weniger betrieblichen Aufwand bedeutet. In Fragen der
Bodenentwicklung tauschen wir uns unter anderem zu den Themen Kompostierung
sowie Bodenbearbeitung und Begrünung aus.

                           23
SCHWERPUNKTTHEMA SYNTHETISCHE PESTIZIDE

  Bewusstseinsbildende Aktivitäten der Bio-Stiftung Schweiz
  zur Problematik der synthetischen Pestizide

       Wie zwischenzeitlich wahrscheinlich die Meisten wissen, ist der 13. Juni diesen Jahres
       in der Schweiz ein Tag, an dem viele wichtige Abstimmungen stattfinden. Die Pesti-
       zid-Verbots-Initiative, die Trinkwasser-Initiative und das Co2-Gesetz sind diejenigen, die
       auch die Tätigkeit und den statutarischen Auftrag der Bio-Stiftung Schweiz betreffen.
       Da es für alle Seiten um viel geht, legen sich auch die Agrochemie-Konzerne, der
       Bauernverband und Fenaco sowie Economie Suisse und andere, die mit dem heutigen
       System gut verdienen und keine Lust haben, dass sich etwas verändert, mächtig ins
       Zeug. Sie investieren Millionen und engagieren Marketingagenturen. Dabei nehmen sie

   BODEN
   FRUCHTBARKEIT
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   FONDS
es mit der Wahrheit allzu oft nicht sehr genau, sondern lancieren Angstkampagnen und
setzen Behauptungen und Halb- oder Viertelwahrheiten in die Welt. So ist zum Beispiel
auf der Propaganda-Website von Syngenta und Bayer www.swiss-food.ch unter der
Rubrik «Politik» ein Papier mit dem Namen «10 Gründe für synthetische Pestizide» zu
finden. Die Argumente sind so hanebüchen und verdreht, dass wir uns entschieden
haben, einige davon in 7 kurzen Animationsvideos zu widerlegen. Diese sind unter
www.pestizidmythen.ch in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch zu finden. Sie
dürfen gerne weitmöglichst verbreitet und gelikt werden.
Trittst im Alpengift daher
    PESTIZIDE AUF SCHWEIZER ALPEN

                                                                      DER AUTOR
                                                                      Peter Jaeggi

                                                                      DIE CARTOONISTEN*IN
                                                                      Christoph Biedermann
                                                                      René Fehr
                                                                      Mattiello
                                                                      Werner Nydegger
                                                                      Heinz Pfister alias Pfuschi
                                                                      Caroline Rutz
                                                                      Felix Schaad
                                                                      Max Spring
                                                                      Ruedi Widmer
                                                                      Hanspeter Wyss

                                                                      www.pestizidmythen.ch

Der Journalist, Radio- und Fernsehmann Peter Jaeggi        lesen haben, war klar, dass wir daraus gemeinsam ein
hat zu dem Einsatz von Pestiziden auf den Schweizer        E-Booklet erstellen und herausbringen wollen. Um in
Alpweiden recherchiert und mit zwei ausgewiesenen          diesen verrückten Zeiten auch das lahmgelegte Kunst-
Fachleuten eine Wanderung unternommen, um diesem           und Kulturleben mit einzubeziehen und zu unterstüt-
unliebsamen Thema auf die Schliche zu kommen. Er hat       zen, haben wir zehn bekannte Cartoonschaffende der
dabei einiges zu Tage gefördert, was nicht allen passt.    Schweiz eingeladen, einen künstlerischen Beitrag zu
Im «Beobachter» hat er zuerst einen Beitrag über seine     Jaeggis Text zu leisten. Das Ergebnis kann auf www.
Recherche publiziert und wurde dafür teilweise hart        dasgiftundwir.ch kostenlos in Deutsch, Französisch und
angegangen. Er ist nun mit einer erweiterten Version       Italienisch heruntergeladen werden. Wir freuen uns,
an uns herangetreten. Nachdem wir seinen Text ge-          wenn es weitmöglichst weiterverbreitet wird.

      BODEN
      FRUCHTBARKEIT
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      FONDS
27
Synthetische Pestizide -
                Fluch oder Segen?

                    Unter diesem Namen haben wir eine Veranstaltungsreihe in sechs
                    Städten der Deutschschweiz konzipiert, geplant und organisiert. Fünf
                    davon konnten wir, allerdings bereits unter Corona-Voraussetzungen,
                    noch durchführen. Wir haben die fünf Vorträge von Dr. Felix Prinz zu
                    Löwenstein, Präsident BÖLW, Prof. Dr. Johann G. Zaller, Universität
                    für Bodenkultur BOKU, Wien, Dr. Christian Stamm, Stv. Leiter Umwelt-
                    chemie, Eawag, Tobias Bandel, Gründer und CEO Soil & More Impacts
                    und Martin Ott, Stiftungsratspräsident des Forschungsinstituts für bio-
                    logischen Landbau FiBL, Schweiz, professionell gefilmt. Diese sind sehr
                    zu empfehlen und kostenlos anzuschauen auf www.dasgiftundwir.ch
                    Sie sind sehr geeignet, sich ganzheitlich über die Problematik der syn-
                    thetischen Pestizide und der Auswirkungen des industriellen Denkens
                    in der Land- und Ernährungswirtschaft zu informieren.

                                                                  www.dasgiftundwir.ch

                   Prof. Dr. Johann G. Zaller                                  Dr. Christian Stamm

                              Tobias Bandel                                             Martin Ott

BODEN
FRUCHTBARKEIT
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FONDS
Fieser
Pestizid-Kuhhandel
                       Seit Jahrzehnten beherrscht eine Bauern- und
                       Chemielobby unsere Lebensmittelproduktion.
                       Per Initiative kann dem endlich ein Ende gemacht werden.

von Rudolf Strahm

Der politische Kuhhandel zwischen dem Bauernverbands-        weiteres Zückerchen für die Chemiebauern beschloss
präsidenten Markus Ritter und den freisinnigen Kon-          der Ständerat per Motion, die zuvor festgelegten Ge-
zern-Vertretern im Ständerat gehört zur fieseren Sorte       wässerschutzräume in der Landwirtschaftszone wieder
von Politintrigen.                                           zu verkleinern; dies zur Konsternation der kantonalen
   Der Deal ist bereits im August 2020 aufgegleist wor-      Gewässerschutzämter.
den: Ritter versprach den Freisinnigen die Bekämp-
fung der Konzernverantwortungsinitiative durch den
Bauernverband – und im Gegenzug sagten sie ihm die           «In der halben Schweiz ist das Grundwasser
Bekämpfung der ökologischen Agrarreform des Bun-             über die Grenzwerte hinaus belastet.»
desrates zu. Darauf drückte Ritter im Bauernverband
die Nein-Parole zur Konzernverantwortungsinitiative
durch, obschon manche Landwirte diese zuvor befür-           Wer die Medien zur Kenntnis nimmt, weiss, dass un-
wortet hatten.                                               ser Trinkwasser schon lange in Not ist. In der halben
   Dieser Deal ist letzte Woche nun in Erfüllung gegan-      Schweiz, namentlich im Mittelland, ist das Grundwasser
gen: Eine bürgerliche Mehrheit hat nach dem Ständerat        mit zu hohen Werten von Pestiziden und deren Metaboli-
auch im Nationalrat die Vorschläge von Bundesrat Guy         ten (Abbaustoffen) über die Grenzwerte hinaus belastet.
Parmelin zur Agrarpolitik 22+ «sistiert». Mit dieser Vor-    Von allen Ländern Europas werden in der Schweiz pro
lage wollte der Bundesrat den Pestizideinsatz und die        Hektare am meisten Pestizide ausgetragen.
Stickstoffüberschüsse in der Landwirtschaft wirksam             In allen Gemüseanbauregionen sind die Grenzwer-
senken und den Treibhausgas-Ausstoss mindern.                te bei den Trinkwasserfassungen massiv überschritten.
   «Sistieren» heisst nun aber Folgendes: Zuerst will        Grenzwertüberschreitungen werden auf Druck der Ag-
diese unheilige Allianz zwischen Bauernverband und           rarlobby nur sporadisch bekanntgegeben. Messdaten
Chemieindustrie die Trinkwasserinitiative und die Pes-       von Einzelfassungen werden unterdrückt. Erst jüngst
tizidinitiative in der Volksabstimmung des kommenden         wurde zwei Trinkwasserspezialisten im Schweizerischen
13. Juni abschmettern. Und wenn der Druck des Volkes         Verein des Gas- und Wasserfachs ein Maulkorb verpasst,
dann weg ist, soll im Parlament eine neue Agrarvorla-        einer davon wurde entlassen. Erst aus zusammengefass-
ge mit verminderten ökologischen Auflagen und noch           ten kantonalen Statistiken lässt sich später das Ausmass
mehr Intensivproduktion durchgepaukt werden. Als             ermitteln.

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80% Kraftfutter mit hohem Energie- und Proteingehalt,
                                                          wie etwa Soja aus gerodeten Urwaldflächen im Mer-
                                                          cosur. Zusätzlich zu den 400’000 Hektar Ackerfläche
                                                          in der Schweiz werden über solche Kraftfutterimporte
Die Chemikalienzulassung wird diskret von der Pesti-      etwa weitere 200’000 Hektar im Ausland genutzt. Viel
zid-Lobby diktiert. Obschon die Gefährlichkeit des Syn-   ökologischer wäre es, wenn zertifiziertes Weidefleisch
genta-Fungizids Chlorothalonil seit 2001 nachgewiesen     aus Mercosur-Ländern direkt eingeführt werden könnte.
wurde, hat es der Bund erst 2019 gestoppt – erst nach-       Ich war Anfang der 1990er-Jahre bei der Agrarreform
dem die EU es verboten hatte. Auch nach dem Einsatz-      dabei, als man erstmals die Direktzahlungen an die Land-
verbot bleiben in 20 Gemeinden die Thalonilwerte im       wirte einführte. Die Wirtschaftskommission WAK des
Trinkwasser um das bis zum 20-Fache überschritten.        Nationalrats beschloss – gegen den Willen des damali-
Chlorierte Kohlenwasserstoffe bleiben während Jahr-       gen Direktors des Bundesamts für Landwirtschaft BLW,
zehnten im Grundwasser. Per Richterbeschluss verbot       Jean-Claude Piot –, dass die Hälfte der Direktzahlungs-
die zum chinesischen Staatskonzern ChinaChem gehö-        mittel den Biolandwirten zukommen müssen, um deren
rende Syngenta den Bundesbehörden, Chlorothalonil         Marktanteil zu erhöhen. Doch dieser WAK-Beschluss wur-
als «wahrscheinlich krebserregend» zu bezeichnen.         de bald darauf von der Verwaltung unterlaufen. Und seit-
                                                          her wird getrickst, geschummelt und es werden immer
                                                          neue Schlupflöcher für die Pestizidwirtschaft geschaffen.

«Ursache der Überdüngung ist der zu hohe
Tierbestand, der mit dem Import von 1.6 Mil-
lionen Tonnen Futtermittel gestützt wird.»                «Der Bauer ist Gefangener und Opfer
                                                          im Hamsterrad des Produktivitätskarussells.»

Seit den 1980er-Jahren haben wir im Mittelland zudem
das Krebsübel von zu hohen Nitratwerten im Grundwas-      In jungen Jahren habe ich als Chemiker in der Schäd-
ser. Seit 1985 mussten Dutzende, wenn nicht Hunderte      lingsbekämpfungs-Forschung bei der Firma Geigy Basel
Grundwasserquellen abgestellt werden. Das Auswei-         gearbeitet. Sie ist heute dem chinesisch beherrschten
chen auf entferntere Trinkwasserquellen und Seewas-       Syngenta-Konzern einverleibt. Vierzig Jahre später hat-
serentnahmen kostete Hunderte Millionen Franken.          te ich als Preisüberwacher wiederum mit dem Pestizid-
Gemeinden und Wasserkonsumenten bezahlten. Auch           markt, diesmal wegen überhöhter Preise, zu tun. Gerade
2019 sind wiederum in 76 Messstellen die Nitratgrenz-     weil ich die Pestizidchemie kenne, würde ich dezidiert
werte überschritten worden.                               sagen: Der Bauer ist heute schlicht nicht in der Lage, zu
   Ursache der Überdüngung ist der zu hohe Tierbe-        beurteilen, was ihm die Berater der Pestizidfirmen andre-
stand, der mit dem Import von sage und schreibe jähr-     hen. Er ist gewissermassen Gefangener und Opfer im
lich 1.6 Millionen Tonnen Futtermittel aus dem Ausland    Hamsterrad des Produktivitätskarussells, selbst wenn er
(für alle Nutztierarten) gestützt wird. Davon sind rund   sich der integrierten Produktion verpflichtet fühlt.
Im Januar oder Februar werden jeweils die Landwir-
te von der Landi einzeln zu einem Bestellungsgespräch
eingeladen. Jeder erhält 15 bis 30 Minuten bei einem
«Berater», der zugleich als Verkäufer von Syngenta, Bay-
er oder Maag wirkt. Früher gab es noch Hofbesuche.
Dann wird gemäss Anbauplan und Hektarberechnung
für jede Kultur ein Pestizidprogramm errechnet und die
Bestellung aufgenommen. Oft gibt es bei Frühbestellun-
gen 10% Rabatt. Die Pestizid-Tonnage wird danach nicht
direkt auf den Hof, sondern über die Landi ausgeliefert.
So wird der Bauer dauernd an den Fenaco-Konzern mit
seinen sieben Milliarden Umsatz und marktbeherrschen-
der Stellung gebunden.
   Mit einem solchen Vertriebssystem wird ein Pesti-
zid-Absenkungspfad ohne Verbote, wie ihn das Parla-
ment als Alibi-Ersatz nun fordert, wirkungslos bleiben.
Dieser legt keine Absatzziele fest, ist nicht kontrollierbar,              Rudolf Strahm ist ein Schweizer Öko-
nicht durchsetzbar und wird todsicher wie die bisherigen                   nom und Politiker (SP). Er war von 1991
Aktionspläne umgangen werden. Bloss eine weitere Täu-                      bis 2004 Nationalrat und von 2004 bis
schungsrunde!                                                              2008 Preisüberwacher. Strahm hat
                                                                           zahlreiche Bücher zu wirtschaftspoli-
                                                                           tischen Themen publiziert.
                                                                           www.rudolfstrahm.ch
«Dass die biologische Produktionsmethode
funktioniert, haben unsere
Biobetriebe längst bewiesen.»

Der agroindustrielle Komplex aus Syngenta, Fenaco,                 Wir erleben nunmehr dreissig Jahre ökologischen
Agroscope, Bauernverband und BLW steuert diskret,               und ökonomischen Agrar-Irrsinn. Es gibt nur einen ein-
aber wirksam unsere Agrarpolitik. Im Hintergrund wirkt          zigen realistischen Weg, diesen festgefahrenen agroin-
auch die Economiesuisse, deren heutiger Präsident               dustriellen Trend zu brechen, nämlich mit der Trinkwas-
Christoph Mäder zuvor 18 Jahre lang Syngenta-Mana-              serinitiative oder der Pestizidinitiative oder mit beiden.
ger war.                                                        Diese streben innert eines Jahrzehnts eine schrittweise
    Einzig die rund 7300 Biobetriebe, die 11% Marktanteil       Umsteuerung an. Jetzt, nach dem fiesen Kuhhandel des
beitragen, haben sich diesem Intensivierungskarussell           Agrobusiness, ist dies erst recht nötig!
entziehen können. Dass die biologische Produktions-
methode funktioniert, haben unsere Biobetriebe längst
bewiesen. Obschon ihre Produktionspreise nur 10–15%             Rudolf Strahm in TA-Online und gekürzt in
höher liegen, werden die Bio-Produkte im Detailhandel           Tages-Anzeiger und Bund vom 23.3.2021
indes 50% teurer verkauft als die konventionellen und           Publiziert um 06:00 Uhr 23.3.2021 TA-Online
IP-Produkte. Würde die Bioproduktion nach einem Pes-
tizidverbot einen marktfüllenden Anteil erzielen, würden
deren Handelspreise sicher sinken.
Aus dem Inhalt unseres Buches haben wir fünf
        Beiträge für Sie zusammengefasst. Insgesamt
        umfasst das Buch über dreissig Beiträge von
        führenden Expertinnen und Experten aus Praxis,
        Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und NGOs.

Mit diesem Buch wollen wir zur Aufklärung und
Bewusstseinsbildung zu den schwerwiegenden
Problemen des Einsatzes von synthetischen Pes-
tiziden beitragen. Wir hielten es für nötig, den von
finanziellen Interessen geleiteten Propagandaak-
tionen der Agrochemieindustrie etwas entgegen-
zusetzen, insbesondere vor den Abstimmungen
am 13. Juni in der Schweiz. Denn da geht es um
viel. An diesem denkwürdigen Tag werden die
Schweizer Bürgerinnen und Bürger ja darüber
abstimmen, ob synthetische Pestizide nach einer
Übergangszeit von acht bzw. zehn Jahren verbo-
ten werden.

Wir hoffen, dass das Buch bis dahin und auch spä-
ter noch viel gelesen wird.

   BODEN
   FRUCHTBARKEIT
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   FONDS
UNSER TÄGLICH GIFT
Die vielfältigen nicht beabsichtigten
Auswirkungen der Pestizide

von Johann G. Zaller

                                                                                       Dr. Johann G. Zaller ist Professor
                                                                                       für Ökologie an der Universität
Unser modernes Wissenschaftssys-                                                      für Bodenkultur Wien
tem mit seiner starken Zersplitterung
in unterschiedliche, sehr komplexe
Teildisziplinen hat einerseits unser De-
tailwissen von spezifischen Prozessen ver-
bessert. Andererseits wurde dadurch aber
auch der Blick auf die grossen Zusammenhänge
verstellt. In diesem Buch wird anschaulich dargelegt, wie
vielfältig die Einflüsse der synthetischen Pestizide sind.
   Der Mensch ist zu einem der wichtigsten Einflussfak-
toren für biologische, geologische und atmosphärische                Neben den sonstigen Chemikalien, die wir in indust-
Prozesse auf der Erde geworden – es wird diskutiert die-          riellen Prozessen verwenden, nehmen die Pestizide eine
ses Zeitalter demnach auch Anthropozän zu nennen.                 Sonderrolle ein, da sie in die freie Natur ausgebracht
Folgt man der wissenschaftlichen Beurteilung der pla-             werden. Neben den vielfältigen nicht-beabsichtigten
netaren Grenzen, deren Einhaltung für den Fortbestand             Auswirkungen auf verschiedene Lebewesen kommt es
der menschlichen Spezies unabdingbar ist, so muss man             auch zu Wechselwirkungen mit anderen Stressoren wie
erkennen, dass derzeit noch nicht abschätzbar ist, wie            Lichtverschmutzung, Mikroplastik, oder dem Klimawan-
weitreichend der Einfluss der Pestizide auf das Ökosys-           del – die meisten dieser Aspekte sind unzureichend un-
tem Erde ist.                                                     tersucht.
   Es gibt weder über die eingesetzten Pestizidmengen,               Das, was bisher an Nebenwirkungen bekannt ist,
noch über deren Toxizität einheitliche systematische Er-          macht allerdings besorgt. Immer mehr Studien weisen
hebungen auf regionaler, nationaler oder globaler Ebe-            pestizid-induzierte Störungen von Ökosystemfunktionen
ne. Das heisst: Wir versprühen weltweit jedes Jahr Mil-           nach, inklusive einer Förderung von pestizidresistenten
lionen an Tonnen von Pestiziden in der Umwelt, wissen             Organismen und einer erhöhten Anfälligkeit von Kultur-
aber im Grunde genommen nicht, in welchem Umfang                  pflanzen für Pflanzenkrankheiten sowie einen allgemei-
dadurch das Ökosystem Erde und damit auch uns Men-                nen, von Pestiziden mitverursachten Biodiversitätsrück-
schen geschadet wird.                                             gangs.

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