Magazin 1 - Allianz für die Bodenfruchtbarkeit - BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS - Bodenfruchtbarkeitsfonds
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Liebe Freunde und Interessierte des Bodenfruchtbarkeitsfonds und der Bio-Stiftung Schweiz Der Bodenfruchtbarkeitsfonds wird in diesem Jahr mit einigen konzeptionellen Erweiterungen in die Pilotphase II eintreten. Der Boden und die Förderung seiner Frucht- barkeit bleiben also weiterhin ein Hauptthema unserer Mathias Forster Geschäftsleiter Bio-Stiftung Schweiz Aktivitäten. Für die Pilotphase II wurden einige zusätzliche Betrie- be in den BFF aufgenommen, die wir ganz herzlich be- grüssen und die wir im vorliegenden Magazin auch kurz basisdemokratischen Prozess zeigen, ob die Entschie- vorstellen. denheit und der Mut ausreichen werden, eine längst In der letzten Ausgabe hatten wir bereits das Projekt überfällige grundlegende Reform der schweizerischen «Richtig rechnen in der Landwirtschaft» vorgestellt, Landwirtschaft einzuleiten und umzusetzen. Wir sind na- welches wir in Zusammenarbeit mit Christian Hiss und türlich sehr gespannt auf die Ergebnisse und unterstüt- der Regionalwert AG in den Bodenfruchtbarkeitsfonds zen die Aufklärung und Bewusstseinsbildung im Vorlauf integrieren. Auch hierzu gibt es einiges zu berichten. der Abstimmungen so gut wir es können. Aufgrund der Am 14. und 15. April fand unsere Projektkonferenz statt, Bedeutung dieser Abstimmungen geben wir dem The- die wir einmal im Jahr durchführen. ma synthetische Pestizide in diesem Magazin viel Raum Eigentlich wollten wir uns auf dem Herzberg wieder real und hoffen dabei auf Ihr Verständnis. treffen. Leider ist dies durch die Corona-Massnahmen Unser Magazin wird ab der nächsten Ausgabe in das Ma- ein weiteres Mal verunmöglicht worden, sodass wir es gazin der Bio-Stiftung Schweiz verwandelt, auch weil sich wieder online durchführen mussten. gezeigt hat, dass wir es immer wieder für nötig erachten Das Erscheinen dieser Ausgabe liegt mitten in der Über- auch Beiträge zu anderen landwirtschaftlichen Themen gangszeit zwischen Pilotphase I und II. zu bringen. Daher berichten wir auch in kurzer Form darüber, welche Dazu kommt, dass sich innerhalb der Bio-Stiftung in der Erfahrungen und Erkenntnisse wir in den hinter uns lie- letzten Zeit einige Projekte und Fonds entwickelt haben, genden drei Jahren gewonnen und welche Konsequen- die in Zukunft auch ihren gebührenden Platz im Magazin zen wir daraus gezogen haben. erhalten sollen. Am 13. Juni werden wir Schweizer Bürgerinnen und Bürger darüber abstimmen, ob der Einsatz von syn- Wir wünschen Ihnen viel Freude und Anregung beim thetischen Pestiziden in Zukunft weiterhin erlaubt sein Lesen und «unseren» Bauern ein fruchtbares und ertrag- soll. Das betrifft auch importierte Lebens- und Futter- reiches Jahr mittel. Wir sehen in diesen Abstimmungen eine grosse Chance für die Schweiz und darüber hinaus. Bei immer mehr Menschen setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Ausbringen von giftigen bis sehr giftigen Stoffen in die freie Natur ein Ende haben muss, weil alles andere gegenüber der Umwelt und nachfolgenden Generatio- nen und schliesslich auch im Hinblick auf unsere eigene Gesundheit unverantwortlich ist. Nun wird sich in einem BODEN FRUCHTBARKEIT 2 FONDS
Richtig rechnen in der Landwirtschaft FONDS FÜR DAHER WÄREN WIR SEHR DANKBAR LEISTUNGSAUSGLEICH FÜR JEDE HILFE BEI DER FINANZIERUNG DIESER AUSGLEICHSLEISTUNGEN ZUR ERÖFFNUNG DES FONDS FÜR LEISTUNGSAUSTAUSCH In der letzten Ausgabe hatten wir einen Beitrag von Christian Hiss publiziert, der sich seit Jahren darum FÜR DETAILLIERTE INFORMATIONEN bemüht, die Voraussetzungen zu schaffen, dass die WENDEN SIE SICH BITTE AN Leistungen der Bauern*innen, Gärtner*innen und MATHIAS FORSTER Winzer*innen buchhalterisch richtig erfasst werden m.forster@bio-stiftung.ch können. Denn das ist die Voraussetzung dafür, dass diese Leistungen, die ja weit über die Produktion von Lebens- und Futtermitteln hinausgehen, auch fair ver- gütet werden können. CHF Spendenkonto: Wir sind davon überzeugt, dass diese Bewertungsme- thoden und Werkzeuge geeignet sind, einer wirklich Bio-Stiftung Schweiz, nachhaltigen Landwirtschaft den Weg zu ebnen. Fabrikmattenweg 8, 4144 Arlesheim Wir freuen uns daher ganz besonders darüber, dass Raiffeisenbank Dornach 4/5 von unseren insgesamt dreissig Partnerbetrieben IBAN: CH39 8093 9000 0046 4206 2 bei diesem Projekt mitmachen. Banken-Clearing-Nr.: 80939 Wir beabsichtigen innerhalb der Bio-Stiftung einen SWIFT-BIC: RAIFCH22939 Fonds zu gründen, aus dem diejenigen Leistungen Spendenzweck: Fonds für Leistungsausgleich der Bäuerinnen und Bauern, die durch die Leistungs- rechnung ermittelt werden, und die bisher nicht durch Subventionen oder Zuwendungen aus dem Boden- fruchtbarkeitsfonds finanziert werden, auch tatsächlich EUR Spendenkonto: abgegolten werden können. Wenn es uns in diesem geplanten Best-Practice-Bei- Bio-Stiftung Schweiz, spiel gelingt, eine wirklich leistungsbezogene Finanzie- Fabrikmattenweg 8, 4144 Arlesheim rung der bäuerlichen Tätigkeit zu ermöglichen, dann GLS Bank Bochum wäre eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen, IBAN: DE87 4306 0967 4121 8575 00 dass auch die öffentliche Subventionspolitik den SWIFT-BIC: GENODEM1GLS Schritt weg von der Belohnung von Landeigentum hin Spendenzweck: Fonds für Leistungsausgleich zu Leistungsvergütung vollziehen kann. 3
Unsere Partnerhöfe stellen sich vor Gut Rheinau Von Christopher Schümann Gut Rheinau liegt in der Nähe der Stadt Schaffhausen Das Klima ist mild und trocken, der Boden ein sandi- im Kanton Zürich und an einer schwungvollen Schlaufe ger Lehmboden mit hohem Kies- und Steinanteil. Trotz des Rheins. In einigen Kilometern Entfernung der Rhein- einem durchschnittlichen Humusgehalt zwischen drei fall, wo der Strom auf einer Breite von einhundertfünfzig und vier Prozent ist der Boden extrem austrocknungs- Metern über zwanzig Meter in die Tiefe fällt, was ihn zu gefährdet, was eine konsequente Bewässerung aller Kul- einem der grössten Wasserfälle Europas macht. turen erforderlich macht. Durch weiteren Humusaufbau soll die Notwendigkeit der künstlichen Bewässerung in Zukunft mehr und mehr reduziert werden. Gut Rheinau liegt an einer Schlaufe des Rheins BODEN FRUCHTBARKEIT 4 FONDS
Betriebsleitung Gut Rheinau VON «KONVENTIONELL» AUF BIO Der Hof wurde bis vor etwa zwanzig Jahren konventio- da sie bei der Übernahme eine Reihe von Verträgen mit nell bewirtschaftet. Dann verpachtete der Kanton Zü- übernehmen mussten. So lernten sie das «konventionel- rich seinen grössten und schönsten Landwirtschaftsbe- le» System von innen her kennen und stellten fest, dass trieb an eine Gruppe von Menschen aus verschiedenen für die bäuerliche Selbstbestimmung hier nicht viel Platz Berufsfeldern, die eine gemeinsame Vision hatten: Im ist. Wer die Beschreibungen im Buch liesst, kann den Ein- Einklang mit der Natur leben, gesunde Lebensmittel druck gewinnen, dass das industrielle Denken und Orga- produzieren, sozialtherapeutisch wirksam werden und nisieren der verschiedenen Kunden und Zulieferer den als Gesellschaft dadurch stark werden, dass man die Hof praktisch übernommen hatte. Alle Entscheidungen Schwachen mitnimmt und auch dadurch, dass man sich waren vollständig ausgegliedert und die Bauern hatten die individuelle Entwicklung aller zum Anliegen macht. zu funktionieren als wären sie Teil des Maschinenparks. Martin und Annigna Ott sowie Hans und Lotti Braun- Unangemeldet stand plötzlich der Tierarzt im Kuhstall walder übernahmen die Verantwortung für die Land- und machte sich an den Kühen zu schaffen, ohne dies wirtschaft und begannen mit ihrem Lebenswerk: Der vorher abzusprechen. Im Spinatfeld sahen die Bauern Umstellung einer der grössten landwirtschaftlichen Be- plötzlich einen Mann im weissen Anzug herumgehen, triebe in der Schweiz auf biodynamische Landwirtschaft. der einen Kanister hinterliess mit genauen Befehlen, In dem Buch «Das Gift und Wir» beschreiben die bei- «wie, wo und in welcher Verdünnung dieses Mittel in den den Biobauern diesen Prozess der Umstellung sehr de- Spinatacker zu bringen sei.» tailliert und konkret und damit aufschlussreich. Denn sie Ihnen wurde durch diese Erfahrungen klar, weshalb wurden vorübergehend zu «konventionellen» Bauern, sich so viele Bauern, einmal über längere Zeit in diesem 5
Betriebsspiegel Flächennutzung Ackerfläche 73ha Naturwiesen 20ha Rebbau 3.45ha Obstbau (Hochstamm) 500 Stk. Öko-Flächen 21ha Wald 3ha Tiere Milchvieh 50-60 Stiere 1-3 Rinder 70 in Aufzuchtbetrieb ... UND WAS DARAN SCHWIERIG WAR Schweine 5-20 (1-2Mutterschweine) Es traten bei der Umstellung eine ganze Reihe von Pferde 8 Schwierigkeiten und Herausforderungen auf, bei der Ziegen 14 Gesundheit der Kühe zum Beispiel, aber auch bei der Hühner 50 Belebung des Bodens. Der hatte vollständig die Fähig- Bienenvölker 20 keit verloren, organische Substanz umzuwandeln. Als Hans Braunwalder den oben erwähnten Spinat- acker umpflügte, sah er den ganzen Tag über keinen einzigen Wurm. Aus 25 Zentimetern Tiefe kamen völlig intakte Zuckerrüben zum Vorschein, die zwei Jahre vor- her angebaut wurden. System gefangen, eine Welt ohne Pestizide und andere Die Agrarchemie und ihre bäuerlichen Helfer hatten Produkte der Agrarchemie nicht mehr vorstellen können. offenbar in der Vergangenheit wenig Rücksicht auf das Also begannen sie mit der Rückeroberung der «bäuerli- Bodenleben genommen, dieses vielmehr nahezu voll- chen Gestaltungshoheit» und holten sich alle «professio- ständig zerstört. An die Stelle natürlicher Bodenfunktio- nellen» Entscheidungen Schritt für Schritt zurück. nen war eine maximale Abhängigkeit von künstlichem Von Anfang an war das Ziel, den Hof in eine vielfälti- Stickstoffdünger und synthetischen Pestiziden entstan- ge Agrarlandschaft zu verwandeln, um möglichst vielen den. Eine ideale Situation sozusagen – zumindest aus verschiedenen Lebewesen einen Lebensraum zu ermög- Sicht der Agrarchemie. lichen: Das Bodenleben zurückzubringen wurde zu einer «Was wir ganz am Anfang konsequent und mit viel Ener- herausfordernden Aufgabe. Zunächst wurde eine fünf- gie durchsetzten, war ein System von Hecken, Bäumen, hundert Meter lange Kompostmiete angelegt. Aber der Magerwiesen anzubauen, mit dem Ziel, dieses Netz so Kompost konnte sich anfangs schwer mit dem Boden über die Erde zu verteilen, dass ein Vogel oder ein In- an diesem eher trockenen Standort verbinden. Und so sekt auf dem ganzen Hof innerhalb von dreissig oder gingen die Biobauern dazu über, den Kompost mit Grün- vierzig Metern einen Rückzugsort findet, und sich von düngungen flach in den Boden einzuarbeiten. Zunächst Hecke zu Baum, von Magerwiese zu Blühstreifen bewe- gingen die Erträge zurück, im Getreide, bei den Kartof- gen kann», schreibt Martin Ott. BODEN FRUCHTBARKEIT 6 FONDS
feln und im Futterbau. Aber nach einigen Jahren wuchs VIELFALT ALS auf der grossen Naturwiese wieder Rotklee, nicht nur ERNTEAUSFALLVERSICHERUNG die fetten Gräser. Und so nahm die Heumenge wieder zu. Insgesamt stiegen die Erträge im Verhältnis zur Ge- Inzwischen haben Moritz Ehrismann und David Jacobsen sundung des Bodens nach und nach die Verantwortung für den Acker- und Feingemüsebau übernommen. Ihre Erfahrungen zeigen, dass die Viel- falt den Betrieb vor grösseren Schädlingsproblemen und FREUDE AN DER VIELFALT wetterbedingten Ertragsausfällen schützt, sich also po- sitiv auf das Betriebsergebnis auswirkt. Durch das komplexe Netzwerk aus Bäumen, Sträuchern Auf Gut Rheinau werden auf vier Hektar über vierzig und Hecken sind viele Vögel und Insekten nach Gut Rhei- verschiedene Gemüsesorten angebaut und auf gut sieb- nau zurückgekehrt. Sie finden dort Rückzugsräume. «Der zig Hektar Ackerfläche neben Hackfrüchten, Futter, Kör- Hof hat heute über die Vielfalt begonnen, sich selber nern und Leguminosen in elfjähriger Fruchtfolge zwölf schöner zu besingen», sagt Martin Ott. verschiedene Getreidesorten. Die Begeisterung für Vielfalt und deren Förderung «In sehr heissen, trockenen Sommern haben wir sehr zeigt sich in allen Bereichen und sie wirkt sich gleichzei- gute Erträge bei Kulturen, welche die C4-Photosynthe- tig positiv auf das Betriebsergebnis aus, zum Beispiel bei se machen können, aber auch bei anderen Pflanzen, den Kühen, unter denen es Schweizer Fleckvieh, reine die besonders gut mit starker und lange andauernder Simmenthaler, Original Braunvieh, Eringer, schwarzbun- Sonneneinstrahlung umgehen können. Wir haben te Holsteiner und alle möglichen Kreuzungen gibt. dann sehr gute Erträge bei Mais, Auberginen, Melo- Ein Teil der Kühe verbringt den Sommer auf der Alp nen, Trauben und Hirse. In regenreichen, eher kühlen Walop im Simmental, die zum Betrieb gehört. Sommern wächst dagegen eigentlich alles sehr gut, Einige Schweine und Ziegen dürfen dann auch mit hin- was in der Mittelmeerregion im Winter angebaut wird, auf. Von dort wird im Herbst der Käse ins Tal gebracht und also zum Beispiel Kohl, Zuckererbsen, überhaupt Erb- schliesslich auf Gut Rheinau bis zur Genussreife gepflegt. sen, Radieschen, Fenchel, Spinat», sagt David Jacob- Auch bei den fünfhundert Hochstamm-Apfelbäumen sen, der für den Feingemüseanbau auf Gut Rheinau und beim Wein, sowie beim Gemüse und Getreide zeigt verantwortlich ist. sich die Vielfalt. 7
«Wenn man bei uns die Buchhaltung der letzten zehn Längst wurde wissenschaftlich bewiesen, dass durch Jahre anschaut, dann kann man sehen, dass da eigent- Vielfalt im Gemüsebeet (Mischkultur) und im zeitlichen lich immer ein Ausgleich erreicht wird. Da gibt es beim Verlauf (Fruchtfolgen) der Schädlingsdruck gesenkt Gesamtumsatz kaum Schwankungen, selbst die Dürre werden kann. Das sind typische präventive Massnah- 2018 haben wir finanziell kaum gemerkt. Da wurde viel men, die auch auf Gut Rheinau praktiziert werden. durch die Rekordernte bei den Trauben ausgeglichen», Daneben wird darauf geachtet, dass die Nützlinge sagt Moritz Ehrismann, verantwortlich für den Ackerbau Zugriff haben zu den Gemüsebeeten. Das wird durch auf Gut Rheinau. Blühstreifen zwischen den Gemüsebeeten erreicht und dadurch, dass die Gemüsebeete nicht breiter als 1.5–3 Meter sind. VIELFALT IM GLEICHGEWICHT Vielfalt als Schutz vor Schädlingsbefall beginnt aber schon beim Saatgut. «Wir machen ja Vermehrung für Wenn Bauern und Gärtner über agrarökologische Kennt- biologisch-dynamisch zertifiziertes Bio-Saatgut und nisse verfügen und diese praktisch anwenden, dann kön- arbeiten bei der Züchtung und Vermehrung mit der nen sie der Natur dabei helfen, dasjenige zu erreichen, Sativa AG zusammen. In der Züchtung geht es ja auch was sie von sich aus sowieso immer anstrebt: innerhalb immer um Resistenzen», sagt David Jacobsen. Kon- ihrer Lebenswelten Einseitigkeiten auszugleichen und in ventionelles Hybridsaatgut der gleichen Sorte hat zu Gleichgewichtszustände zu bringen. hundert Prozent die gleiche Genetik. Wenn Schädlinge «Viele Schädlingsprobleme treten bei uns gar nicht erst sich weiter entwickeln, was sie fortwährend tun, und auf, wegen des präventiven Ansatzes», sagt David Ja- Resistenzen gegen synthetische Pestizide entwickeln, cobsen. Aber was heisst das konkret? oder Resistenzen der Pflanzen durchbrechen, dann er- BODEN FRUCHTBARKEIT 8 FONDS
fordert das immer mehr und oft auch immer giftigeres Dämme werden dann in drei Stufen mit dem Wachstum Gift, oder es ist gleich der ganze Bestand gefährdet. der Pflanzen immer mehr angehäufelt. Diese Strategie Beim samenfesten Biosaatgut ist das nicht so. Da gibt funktioniert einigermassen gut. Was dann noch an Ern- es eine gewisse genetische Vielfalt innerhalb der glei- teverlusten auftritt, müssen die anderen Kulturen auffan- chen Sorte. Das ist auch Zuchtziel, weil die genetische gen, von denen es ja viele gibt. Denn ganz will man auf Vielfalt dazu führt, dass immer nur einige Pflanzen von den Kartoffelanbau nicht verzichten. einem bestimmten Schädlingsbefall auf dem Acker oder dem Gemüsebeet betroffen sind. Im Ackerbau bewegt sich der Schädlingsbefall auf DAS FINTAN–PROJEKT tragbarem Niveau. Da wird nur mechanische Unkraut- bekämpfung gemacht. Im Gemüseanbau gelingt die Im Laufe der Jahre entwickelten sich aus dem gesunden- Schädlingsregulierung durch den präventiven Ansatz in den Umfeld der Landwirtschaft von Gut Rheinau eine Kombination mit den Massnahmen, die im biodynami- Reihe von Verarbeitungs-, Saatgut-, Sozial-, Kunst- und schen Landbau erlaubt sind, im grossen und ganzen gut. Bildungsbetrieben, die heute jährlich zusammen zwan- Probleme gibt es aber nach wie vor bei den Kartoffeln zig Millionen Franken erwirtschaften. Diese Betriebe mit der Krautfäule. Die Hälfte ihrer Kartoffeln werden in- haben sich unter dem Dach der Stiftung Fintan zusam- zwischen vom Nachbarn angebaut, weil sich dessen Bo- mengefunden, teilweise als Fintan-Betriebe mit engen den besser für Kartoffeln eignet. Für die übrigen Kartof- vertraglichen Bindungen so wie Gut Rheinau und teil- feln wird versucht darauf hinzuarbeiten, dass so schnell weise als Fintan-Partnerbetriebe mit einer eher lockeren wie möglich kräftige gesunde Pflanzen wachsen. Wenn Zusammenarbeit mit der Stiftung. Das Fintan–Projekt ist die Krautfäule dann später doch noch kommt, richtet sie ein praxisbezogenes Projekt, bei dem ökologisch nach- keinen so grossen Schaden mehr an. haltige und tierwohlorientierte Landwirtschaft, sonstige Die Strategie hierfür ist, den exakt richtigen Zeitpunkt innovative Lösungen und zukunftsfähige Gemeinschafts- zum Setzen zu erwischen. Danach arbeiten die Kartoffel- und Gesellschaftsbildung geübt und umgesetzt werden. bauern mit kleinen Dämmen, damit das Wasser besser Aus dieser Intention gehen immer wieder neue Initiati- abfliessen kann und der Boden schnell warm wird. Die ven und Projekte hervor. 9
POT Ein neueres Projekt von Gut Rheinau zusammen mit ist, dass jeweils genügend Mitglieder und Kunden in Partnern heisst zum Beispiel POT. Dieses Projekt will Fussdistanz gefunden werden. Gut Rheinau entwickelt eine praktische Antwort auf die Frage geben, wie in der auf diese Weise seine Beziehungen zu Geschäftspart- Landwirtschaft existenzsichernde Löhne gezahlt, eine nern und den Endverbrauchern weiter. regenerative Bodenbearbeitung gewährleistet und ein Vor der Umstellung auf bio-dynamisch wurde Gut umfassend nachhaltiger Anbau ermöglicht werden kann. Rheinau defizitär bewirtschaftet, was heute nicht mehr Basis hierfür bildet eine gemeinschaftlich getragene der Fall ist. Im Gegenteil: Der Staat erhält eine viertel Mil- Landwirtschaft, verbunden mit einem Quartierdepot lion CHF an Pacht pro Jahr für Ländereien und Gebäude. mit Lebensmitteln und angegliederter Quartierküche. Ein anderer Erfolgsfaktor ist die Entstehung einer ein- Das Quartierdepot ist 7 Tage 24 Stunden für Mitglieder drucksvollen Anzahl von sinnvollen Arbeitsplätzen. Als zugänglich und stellt die 250 wichtigsten Grundnah- der Hof noch «konventionell» bewirtschaftet wurde, arbei- rungsmittel verpackungsarm bereit. Die Quartierküche teten dort zwölf kantonale Angestellte, inzwischen sind kocht aus den Lebensmitteln und den Überschüssen des für gut fünfunddreissig Menschen in der engeren Land- Depots und Hofes täglich Menüs, die entweder vor Ort wirtschaft Arbeitsplätze entstanden. Alle Betriebe zusam- oder zu Hause genossen werden können. Dies ermög- men beschäftigen heute hundertfünfzig Mitarbeiter. licht die vollumfängliche Verwertung aller Lebensmittel und verhindert die Entstehung von Foodwaste. Wir wünschen Gut Rheinau und dem Projekt Fintan viel Zusammen mit Bachsermärt, einer kleinen Lebensmit- Freude, Mut und Begeisterung auf ihrem weiteren Weg telkette, sollen in den nächsten Jahren mehrere POTs an und eine erfreuliche und dynamische Entwicklung in die unterschiedlichen Standorten in Zürich entstehen. Ziel Zukunft. BODEN FRUCHTBARKEIT 10 FONDS
Warum sind wir Paten des Bodenfruchtbarkeitsfonds? schaden vielerorts auf dramatische Weise der Natur: sei es in Form der Massentierhaltung, im Anbau von Monokulturen oder durch das Roden der Urwälder. Leicht verliert man den Überblick über die Vielzahl an Umweltsünden, die wir Menschen täglich verbrechen. Gleichermassen unübersichtlich sind aber auch die Möglichkeiten selbst Gutes zu tun – ist doch diese Problematik über den gesamten Globus weit verbreitet und es sind viele gute Aktivitäten zu finden. Aus diesem Grund möchten wir uns als Paten des Bodenfruchtbarkeitsfonds engagieren – eine Initiative, Noemi und Johannes die sich vor unserer Haustüre für nachhaltige Landwirt- schaft einsetzt, Bauern die Möglichkeit gibt unserem wertvollen Boden die Fruchtbarkeit zu erhalten und Die Erde zu achten, die Schönheit der Natur zu schät- die somit den Schaden, den wir selbst verursachen, zen und dankbar zu sein für die Nahrung, die uns der heilt. Nicht zuletzt spricht der Bodenfruchtbarkeits- Boden täglich gibt – das sind Werte, mit welchen wir fonds unser wirtschaftliches Herz an: als Ökonomen beide aufgewachsen sind. Viele Stunden verbrachten wissen wir beide, dass im Falle von Marktversagen die wir als Kinder draussen. Wir wanderten durch die Internalisierung externer Effekte zum Pareto-Optimum Berge, spielten im Dreck, streiften durch das hohe führt. Oder in anderen Worten: Wenn der Schaden, Gras, pflückten Blumen und sammelten alles, was es zu der durch die Herstellung unserer Nahrung entsteht, sammeln gab. Faszinierende Tierchen wurden unter- nicht durch den Preis der Lebensmittel abgebildet sucht. Beeren wurden gesammelt. Bunte Herbstblätter wird, so muss der Schaden auf einem anderen Weg getrocknet. abgeglichen werden, um die Gesamtwohlfahrt der Ja, es war eine heile Welt, in welcher wir aufgewachsen Gesellschaft zu optimieren. Der Bodenfruchtbarkeits- sind und die Natur zu lieben gelernt haben. Mit dem fonds hilft uns also nicht Gutes zu tun, nein, er hilft Älterwerden verändert sich auch das Bewusstsein. uns vielmehr den Schaden, den wir verursachen, Schnell wird jedem klar, dass heute unsere Natur auszugleichen und somit unsere Verantwortung als bedroht ist. Der Mensch und mit ihm der Klimawandel Menschen wahrzunehmen. Noemi und Johannes Kossmann Wir würden uns sehr freuen, auch Dich demnächst als Patin oder Pate in der Bodenfruchtbarkeits- fonds-Gemeinschaft begrüssen zu dürfen! 11
Drei Jahre Bodenfruchtbarkeitsfonds – der Keimling hat sich entwickelt! BODEN FRUCHTBARKEIT 12 FONDS
Von Hans Holland «Krümel! Hier siehst Du die Krümel!» Mit der Nase Im Rückblick auf die jetzt zu Ende gegangene drei- fast am ausgestochenen Bodenblock stehen wir auf jährige Aufbau- und Pilotphase im Fonds wird mir sehr unserem Kleegrasacker und staunen über das, was bewusst, wie viele Impulse mir die Begegnung mit den wir sonst selten sehen, selten beachten: unseren Menschen des Bodenfruchtbarkeitsfonds (BFF) gege- Ackerboden. Bodenberater Uli Hampl zeigt mir die ben hat. Das anfängliche neugierige Kennenlernen hat Grenze zwischen Ober- und Unterkrume, beurteilt die nicht lange gedauert – moderiert von Mathias Forster, Gefügeform, entdeckt junge Regenwürmer und feine Geschäftsführer des Fonds, und eben unserem Berater Wurzelfäden. Uli haben wir sehr schnell die gemeinsame Basis, den Uli war mir schon lange aus der süddeutschen lebendigen Boden unter unseren Füssen, buchstäblich Bioszene bekannt, aber mit ihm und seinem Spaten gespürt. Dabei brachten wir durchaus verschiedene zusammen auf dem Acker unterwegs zu sein war ein Hintergründe mit: Vielfalt in Betriebszweigen, Be- neues, ein eindrückliches Erlebnis. Eigentlich ja nicht triebsgrössen, im Lebensalter und nicht zuletzt in den AUF, sondern mehr IM Acker, und dass Krümel die Dialekten! Krönung ackerbaulichen Wirkens sind, hatte ich in den Dieses ist sicher ein besonderes Merkmal des letzten Monaten bei den Treffen des Bodenfruchtbar- BFF: Austausch der betrieblichen Erfahrungen und keitsfonds bereits verinnerlicht. persönlichen Perspektiven über die Ländergrenzen Im Frühjahr 2016 hatte ich in einer Bauernzeitung hinweg. Ob wir uns nun im Kaisersaal des ehemaligen gelesen, ein «Bodenfruchtbarkeitsfonds» aus der Benediktinerklosters Rheinau bei Schaffhausen, auf Schweiz biete interessierten Bauern im Bodenseeraum den Feldern der Hofgemeinschaft Heggelbach oder im eine Mitgliedschaft an. Der Fonds wolle die Bio-Höfe grossen Kuhstall des Hofgutes Rengoldshausen getrof- bei ihrer Arbeit hinsichtlich der Bodenfruchtbarkeit fen haben – nachhause gefahren jedenfalls bin ich im- unterstützen und beraten. mer mit dem Gefühl, meinen Horizont ein gutes Stück Zu dieser Zeit hatten wir auf unserem Hof gerade geweitet zu haben. Wie läuft die landwirtschaftliche begonnen, die ersten Versuche beim Kompostieren zu Ausbildung in Österreich? Können Schweizer Kollegen starten, und da war mir fachliche Unterstützung sehr mit nur wenigen Hektar Betriebsfläche im Vollerwerb willkommen. Die Bewerbung haben wir geschrieben, bestehen? Wie ist der landwirtschaftliche Bodenmarkt und nicht lange danach kam Post zurück aus der in Liechtenstein? Schweiz – unser Hof war jetzt Partnerhof beim Boden- fruchtbarkeitsfonds! 13
Im BFF haben wir Bäuerinnen und Bauern aus ver- Umso lieber erinnere ich mich noch an den Gesang schiedenen Bioverbänden kennengelernt – und auch von Ioana Farcasanu beim Projekttreffen im Saal des deren Arbeitsweise, ihre Traditionen. Stark vertreten Lehenhofes … da kam manche/r von uns doch mindes- sind die Demeter-Höfe. Sie bringen mehr als wir ande- tens ins Mitsummen! ren auch kulturelle Aspekte mit ein – Agri-Kultur eben. Im Mittelpunkt standen natürlich immer die fach- So ergaben sich interessante Diskussionen, inwieweit lichen Fragen: unsere Böden, deren Fruchtbarkeit, wir LandwirtInnen nicht nur Lebensmittel-Erzeuger nachhaltige Humuswirtschaft, schonende Bearbeitung. sind, sondern gleichzeitig immer auch Landschaftsge- Wir haben uns dem Bodenleben angenähert, mit Uli stalter, nicht nur «Handwerker», sondern auch «Künst- Hampls Lupe und bei einem faszinierenden Mikros- ler». Zwar ist mir selbst das angebotene Experiment kop-Vortrag von Prof. Fritz auf dem Biolandhof Braun. nicht gelungen, den Ackerboden mittels Fusssohle Wir haben verschiedene Kompostierungsverfahren so zu erspüren, als ob ich hineinsehen könnte – hätte besprochen und Bodenuntersuchungsmethoden ich dazu doch vielleicht die Schuhe ausziehen sollen? verglichen. Viele von uns haben Technikvorführun- BODEN FRUCHTBARKEIT 14 FONDS
gen organisiert für KollegInnen und Bodentage für bodenschonende Technik, Weiterbildung und Bera- Landwirtschaftslehrlinge. Und bis zum Ausbruch der tung, schliesslich sogar bodenkundliche Forschung Corona-Pandemie war – und wird hoffentlich bald wie- auf den Höfen finanziert werden. Dies hat uns bisher der sein – die Vermittlung von «Bodenwissen» an inte- unbekannte Freiräume in unserer Landwirtschaft ressierte VerbraucherInnen ein zentrales Anliegen des eröffnet, ein tieferes Boden-Verstehen ermöglicht BFF. Und zwar ganz praktisch; Boden zum Anfassen, und neue Freude an einer Handvoll Erde – wenn sie wir wurden und werden immerhin auch zu Bodenpäd- krümelig ist! agogen weitergebildet! Erstaunlich, welche Kreativität Die Pilotphase I ist vorbei. Wir haben in den letzten die Partnerhöfe hier schon entwickelt haben … Monaten Bilanz gezogen; unsere Erfahrungen und Ganz sicher auch im Namen meiner KollegInnen Eindrücke sortiert, die Veranstaltungen und Projekte darf ich jetzt nach Abschluss der Pilotphase I ein bewertet. Dies alles ist jetzt Grundlage für unsere zu- grosses Dankeschön an die Aktivisten des BFF, die künftige Arbeit im BFF – der Plan dafür steht, die Ener- Geschäftsführung, die Partner, die Botschafter für ihre gie ist vorhanden, die Ideen haben schon gekeimt … grosse Unterstützung richten. Unterstützung wie be- … und so wünschen wir dem Bodenfruchtbarkeits- schrieben fachlich und ideell, Unterstützung aber sehr fonds jetzt den Übergang in eine langfristige und aus- grosszügig auch finanziell – durch die Zuschüsse des geglichene Fruchtfolge, gesundes und nachhaltiges BFF konnten vielfältige Zwischenfruchtmischungen, Wachstum, kräftige Wurzeln und reichen Ertrag! 15
Phasenwechsel Erste Erkenntnisse aus Pilotphase I für die Pilotphase II im Bodenfruchtbarkeitsfonds Von Dr. Ulrich Hampl Die erste Pilotphase des Boden- Das Entwicklungsjahr 2021 soll dazu Die von den Partnerhöfen jährlich fruchtbarkeitsfonds ist mit den Jah- dienen, den Impuls des Bodenfrucht- erstellten Rechenschaftsberichte ren 2018 bis 2020 abgeschlossen barkeitsfonds verstärkt in eine zweite können dazu dienen, die Erkenntnis- worden. Das «Brachejahr» 2021 der Pilotphase zu übertragen. Aufbau- se aus den ersten drei Projektjahren mittlerweile begonnenen Pilotpha- end auf den Erkenntnissen aus der wiederzugeben. So wurden die se II markiert als Entwicklungsjahr Pilotphase I wurden daher 7 neue Menschen auf den Partnerhöfen auf- die Mitte von insgesamt 7 Pilotpha- Elemente entwickelt, die in der Pilot- gefordert, Bewertungen zu vier zen- se-Jahren, die bis zum Ende des phase II zusätzlich umgesetzt werden tralen Projektbereichen abzugeben: Jahres 2024 dauern werden. sollen (vgl. BFF-Magazin 2/20). • Erfolg der vereinbarten Bodenverbesserungsmassnahmen • Erfolg der jährlichen Boden-Hoftage zur Information der Öffentlichkeit • Beurteilung der im Projekt angebotenen Fachveranstaltungen • Beurteilung der angebotenen Fachbegleitung für die Partnerhöfe BODEN FRUCHTBARKEIT 16 FONDS
Die Bäuerinnen und Bauern sollten diese Bereiche mit Punkten bewerten. Die Grafik zeigt die in Prozent umgerechnete Beurteilung durch die Partnerhöfe im Laufe der ersten drei Projektjahre (2018 bis 2020): Bewertungen durch Partnerhöfe 2018 2019 2020 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Erfolg der Erfolg Hof-Bodentag Beurteilung BFF- Beurteilung BFF- Bodenmassnahmen Fachveranstaltungen Fachbegleitung 17
Zunächst ist zu erkennen, dass Es sind schöne Erträge und Die Veranstaltungen, also die der Erfolg der umgesetzten Bestände gewachsen. Wir jährlichen Boden-Hoftage für Bodenmassnahmen im Lauf der sind auf einem guten Weg. die Öffentlichkeit, sowie die vom Jahre von den Höfen zunehmend Stephan Bauck Projekt organisierten Fachveran- positiv beurteilt wurde. Dies wird staltungen litten im Jahr 2020 unter auch durch die Dokumentation den Beschränkungen durch die der Bodenentwicklungen auf den Die Fachbegleitung durch den Corona-Pandemie. So mussten in Demonstrationsflächen der Partner- Bodenexperten wird ebenfalls hoch diesem Jahr leider einige geplante höfe bestätigt (Auswertungsergeb- und weiter steigend bewertet – und Hoftage ersatzlos abgesagt werden nisse im nächsten Magazin). kann offensichtlich noch weiter und auf die durchgeführten kamen Auch Zitate aus den Rechenschafts- gesteigert werden, wie diese Zitate nicht immer sehr viele Besucher. berichten 2020 belegen diese zeigen: Fachveranstaltungen wurden häu- erfreuliche Entwicklung – hierzu ein figer online durchgeführt, was zwar paar Beispiele: Die Unterstützung von Dr. für die Vernetzung und den Aus- Hampl erachte ich persön- tausch als positiv beurteilt wurde, Wir sehen beim Blick in den lich als extrem hilfreich … In aber die Qualität von Vor-Ort-Ver- Boden weiterhin positive den drei Jahren haben wir anstaltungen nicht erreichen, ge- Veränderung und Verbes- unglaublich viel Knowhow in schweige denn ersetzen konnte. serung der Krümelstruktur, Bezug auf unsere wichtigste Online-Angebote zeigten jedoch auch in sehr kurzer Zeit Ressource sammeln und in auch, dass es durch den Wegfall waren hier deutliche Verbes- die Tat umsetzen können. von Fahrzeiten oft gelang, viele serungen sichtbar Der Spaten ist auch in dieser Menschen aus voneinander entfern- Florian Reyer Saison regelmässiger Be- ten Regionen zu verbinden. Daraus gleiter auf dem Acker. entstand vielfach der Wunsch, ab Erfolg ist für mich durch die Simon Vetter 2021 regionale Vor-Ort-Veranstal- guten Erträge messbar. Ver- tungen durch überregionale On- besserung der Bodenstruk- Ich habe es nicht geschafft line-Angebote für einen wirksamen tur auf den meisten Flächen. die Gelegenheit maximal zu Austausch zu ergänzen. Georg Frick nutzen, wenn Uli auf dem In diesem Zusammenhang werden Betrieb war. insbesondere die für Pilotphase II Unsere Böden entwickeln sich Markus Knösel geplanten regionalen Bodenent- positiv und das sehen wir. wicklungsgespräche von den Part- Richard Gasse nerhöfen freudig erwartet. Die noch nicht überall als erfolg- reich beurteilten Boden-Hoftage bestärken darin, in Pilotphase II David Steyer Jäten und hacken ging wesentlich leichter. Es gab diesbezüglich viele positive Rückmeldungen unserer Mitglieder. BODEN FRUCHTBARKEIT 18 FONDS
die pädagogische Aufbereitung Wir sehen auch, dass die Besucher berichten bei des Themas Bodenfruchtbarkeit zu intensive gedankliche Führungen regelmässig vom intensivieren. So ist die Erstellung Auseinandersetzung und guten Gefühl beim Betreten eines «bodenpädagogischen der Austausch mit Kollegen des Ackers und gutem Ge- Werkzeugkoffers» geplant – darin im Rahmen des BFF den ruch des Bodens! sollen Methoden zum Erleben der Umgang mit dem Boden Bernd Kiechle Faszination Boden beschrieben verändert und wir spüren und den Höfen zur Verfügung ge- den deutlichen Wunsch, uns • stellt werden. Weiterhin wird eine auch weiterhin intensiv mit Ausbildung zum «Bodentrainer» dem Thema Bodenfrucht- Dass die Impulse des Bodenfrucht- entwickelt und interessierten Men- barkeit zu beschäftigen, um barkeitsfonds in den ersten Jahren schen der Partnerhöfe angeboten die Zusammenhänge immer bereits wirksam werden konnten werden. besser zu verstehen. und sich nun in der zweiten Pilot- Florian Reyer phase weiterhin verstärkt verbreiten • werden, kann aus diesen Worten Ein zentrales Ziel des Projektes ist gelesen werden: Wie sehr die Teilnahme am Projekt es, die Bedeutung der Bodenfrucht- BFF auch innerhalb der Höfe barkeit als gesamtgesellschaftliche Die Teilnahme am BFF Veränderungen bewirkt, zeigen bei- Aufgabe in die Umgebung der fördert und fordert uns als spielhaft folgende Auszüge aus den Partnerhöfe zu tragen. Dass dies zu- Gärtnerei im positivsten Rechenschaftsberichten: nehmend gelingt, zeigen folgende Sinne. Zitate: David Steyer Das Thema Bodenfruchtbar- keit ist bei uns in den Fokus Unser Umfeld reagiert mit Ich finde das Brachejahr und gerückt und wir haben das grossem Interesse und Ver- die Ideen für die sieben neu- Gefühl, schon gute Schritte ständnis auf die Bedeutung en Projektelemente Klasse nach vorne gemacht zu ha- der Bodenfruchtbarkeit für und hoffe den erforderten ben. Einher mit dem Aufbau ihre Ernährungsgrundlage Input bieten zu können, um einer besseren Bodenfrucht- David Steyer den notwendigen Resonanz- barkeit werden am Hof raum bei mir zu erzeugen. die sozialen Prozesse neu … viele Follower bei Markus Knösel strukturiert und verbessert. Bodenthemen auf Social Eine Aufbruchstimmung ist Media. Der Bodenfruchtbarkeits- in allen Bereichen des Hofs Simon Vetter fonds ist der Kristallisations- zu spüren. keim für das Bewusstsein für Johannes Burka Boden ist ein Thema, mit den Boden! welchem der Brückenschlag Martin Haas zum Austausch gesteigert wird. Markus Knösel 19
Wir freuen uns über unsere neuen Partnerbetriebe! schulbauernHof untere Tüfleten mit Gärtnerei am Goetheanum Beide Betriebe nehmen wir gemeinsam als «Partner- hof-Duo» auf, da sie auch sonst zusammen arbeiten. Am Hof untere Tüfleten freuen wir uns auf einen viel- fältigen Hoforganismus, der auch pädagogisch genutzt wird. Betriebsleiter Felix Gebhardt stellt den Hof dem Bauernhofpädagogen Wolfgang Unger als Lernort für regelmässige Kindergruppen-Aufenthalte zur Verfü- gung. Die schönen rätischen Grauvieh-Kühe des Hofes trifft man im Sommer regelmässig auf den Wiesen rund ums Goetheanum. Die Gärtnerei am Goetheanum hat schon länger Interesse an einer Kooperation mit dem Bodenfruchtbarkeitsfonds gezeigt, worüber wir uns freuen. So können wir in Zukunft die Bodenentwicklung der Gärtnerei-Flächen ums Goetheanum gemeinsam in den Blick nehmen. BODEN FRUCHTBARKEIT 20 FONDS
Hofmann GbR Steffen Hofman bewirtschaftet den Hof mit seinem Va- ter. Er liegt in Badisch Franken und ist ein erfolgreicher Fleckvieh-Herdbuchzuchtbetrieb. Auf dem seit 1986 biodynamisch bewirtschafteten Hof leben 100 Milch- kühe plus Nachzucht sowie einige Hühner. Besonderheit im Ackerbau ist der Dinkel, der auf dem Hof zur regiona- len Spezialität «Fränkischer Grünkern» verarbeitet wird. Die zum Teil schweren Böden neigen naturgemäss zur Verdichtung, sodass wir uns im Projekt gemeinsam um die Optimierung von Fruchtfolge, Bodenbearbeitung und Gründüngung kümmern werden. 21
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Pächtergemeinschaft Feldbach Rund um die Getreidezüchtung Peter Kunz hat sich am Nordufer des Zürichsees eine Pächtergemeinschaft mit drei weiteren biodynamischen Höfen gebildet. Gemeinsam bewirtschaften die Getreidezüchtung, Hof Stämpfi, Hof Breitlen und Familie Richartz Flächen in Feldbach mit Ackerbau- und Gemüsefruchtfolgen. Rege Öffentlichkeitsar- beit sowie Angebote für «Schule am Bauernhof» gehören auch zu den Aktivitäten der Pächtergemeinschaft. Auf Initiative von Herbert Völkle (GZPK) wurde der Kontakt mit dem BFF hergestellt und wir freuen uns darauf, mit dieser lebendigen Gemeinschaft zusammen auf die Bodenentwicklung in Feldbach schauen zu können. Markgräflich Badischer Gutsbetrieb Bernhard Prinz von Baden hat seinen Ackerbaubetrieb am Bodensee rund um Schloss Salem vor zwei Jahren auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt. Im Jahr 2022 wird dort demnach die erste echte Bioernte eingefahren. Betriebsleiter Roman Strasser hat sich bereits intensiv in die regenerative Bodenbewirtschaftung eingearbeitet. Wir freuen uns, dass der Gutsbetrieb als Partnerhof im BFF aufgenommen werden konnte. Nun werden wir gemeinsam daran gehen, die Fruchtbarkeit der Böden, die lange konventionell bewirtschaftet worden waren, durch abgestimmte Massnahmen des ökologischen Ackerbaus weiter zu verbessern und zu stabilisieren. Weingut Roland und karin Lenz Das Weingut von Roland und Karin Lenz liegt im Thurgau in Iselisberg mit herrlichem Ausblick auf die Alpen. Eine Besonderheit des Weinguts ist die Bestockung von über 80 % mit pilzwiderstandsfähigen Rebsorten (Piwis), die ohne Pflanzenschutzmittel auskommen auch ohne Kupferpräparate, die ja im ökologischen Weinbau noch häufig verwendet werden. Durch die Vermeidung von Pflanzenschutzspritzungen wird der Boden deutlich weniger oft befahren als bei herkömmlichen Rebsorten, was vorteilhaft für den Boden ist und zudem weniger betrieblichen Aufwand bedeutet. In Fragen der Bodenentwicklung tauschen wir uns unter anderem zu den Themen Kompostierung sowie Bodenbearbeitung und Begrünung aus. 23
SCHWERPUNKTTHEMA SYNTHETISCHE PESTIZIDE Bewusstseinsbildende Aktivitäten der Bio-Stiftung Schweiz zur Problematik der synthetischen Pestizide Wie zwischenzeitlich wahrscheinlich die Meisten wissen, ist der 13. Juni diesen Jahres in der Schweiz ein Tag, an dem viele wichtige Abstimmungen stattfinden. Die Pesti- zid-Verbots-Initiative, die Trinkwasser-Initiative und das Co2-Gesetz sind diejenigen, die auch die Tätigkeit und den statutarischen Auftrag der Bio-Stiftung Schweiz betreffen. Da es für alle Seiten um viel geht, legen sich auch die Agrochemie-Konzerne, der Bauernverband und Fenaco sowie Economie Suisse und andere, die mit dem heutigen System gut verdienen und keine Lust haben, dass sich etwas verändert, mächtig ins Zeug. Sie investieren Millionen und engagieren Marketingagenturen. Dabei nehmen sie BODEN FRUCHTBARKEIT 24 FONDS
es mit der Wahrheit allzu oft nicht sehr genau, sondern lancieren Angstkampagnen und setzen Behauptungen und Halb- oder Viertelwahrheiten in die Welt. So ist zum Beispiel auf der Propaganda-Website von Syngenta und Bayer www.swiss-food.ch unter der Rubrik «Politik» ein Papier mit dem Namen «10 Gründe für synthetische Pestizide» zu finden. Die Argumente sind so hanebüchen und verdreht, dass wir uns entschieden haben, einige davon in 7 kurzen Animationsvideos zu widerlegen. Diese sind unter www.pestizidmythen.ch in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch zu finden. Sie dürfen gerne weitmöglichst verbreitet und gelikt werden.
Trittst im Alpengift daher PESTIZIDE AUF SCHWEIZER ALPEN DER AUTOR Peter Jaeggi DIE CARTOONISTEN*IN Christoph Biedermann René Fehr Mattiello Werner Nydegger Heinz Pfister alias Pfuschi Caroline Rutz Felix Schaad Max Spring Ruedi Widmer Hanspeter Wyss www.pestizidmythen.ch Der Journalist, Radio- und Fernsehmann Peter Jaeggi lesen haben, war klar, dass wir daraus gemeinsam ein hat zu dem Einsatz von Pestiziden auf den Schweizer E-Booklet erstellen und herausbringen wollen. Um in Alpweiden recherchiert und mit zwei ausgewiesenen diesen verrückten Zeiten auch das lahmgelegte Kunst- Fachleuten eine Wanderung unternommen, um diesem und Kulturleben mit einzubeziehen und zu unterstüt- unliebsamen Thema auf die Schliche zu kommen. Er hat zen, haben wir zehn bekannte Cartoonschaffende der dabei einiges zu Tage gefördert, was nicht allen passt. Schweiz eingeladen, einen künstlerischen Beitrag zu Im «Beobachter» hat er zuerst einen Beitrag über seine Jaeggis Text zu leisten. Das Ergebnis kann auf www. Recherche publiziert und wurde dafür teilweise hart dasgiftundwir.ch kostenlos in Deutsch, Französisch und angegangen. Er ist nun mit einer erweiterten Version Italienisch heruntergeladen werden. Wir freuen uns, an uns herangetreten. Nachdem wir seinen Text ge- wenn es weitmöglichst weiterverbreitet wird. BODEN FRUCHTBARKEIT 26 FONDS
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Synthetische Pestizide - Fluch oder Segen? Unter diesem Namen haben wir eine Veranstaltungsreihe in sechs Städten der Deutschschweiz konzipiert, geplant und organisiert. Fünf davon konnten wir, allerdings bereits unter Corona-Voraussetzungen, noch durchführen. Wir haben die fünf Vorträge von Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Präsident BÖLW, Prof. Dr. Johann G. Zaller, Universität für Bodenkultur BOKU, Wien, Dr. Christian Stamm, Stv. Leiter Umwelt- chemie, Eawag, Tobias Bandel, Gründer und CEO Soil & More Impacts und Martin Ott, Stiftungsratspräsident des Forschungsinstituts für bio- logischen Landbau FiBL, Schweiz, professionell gefilmt. Diese sind sehr zu empfehlen und kostenlos anzuschauen auf www.dasgiftundwir.ch Sie sind sehr geeignet, sich ganzheitlich über die Problematik der syn- thetischen Pestizide und der Auswirkungen des industriellen Denkens in der Land- und Ernährungswirtschaft zu informieren. www.dasgiftundwir.ch Prof. Dr. Johann G. Zaller Dr. Christian Stamm Tobias Bandel Martin Ott BODEN FRUCHTBARKEIT 28 FONDS
Fieser Pestizid-Kuhhandel Seit Jahrzehnten beherrscht eine Bauern- und Chemielobby unsere Lebensmittelproduktion. Per Initiative kann dem endlich ein Ende gemacht werden. von Rudolf Strahm Der politische Kuhhandel zwischen dem Bauernverbands- weiteres Zückerchen für die Chemiebauern beschloss präsidenten Markus Ritter und den freisinnigen Kon- der Ständerat per Motion, die zuvor festgelegten Ge- zern-Vertretern im Ständerat gehört zur fieseren Sorte wässerschutzräume in der Landwirtschaftszone wieder von Politintrigen. zu verkleinern; dies zur Konsternation der kantonalen Der Deal ist bereits im August 2020 aufgegleist wor- Gewässerschutzämter. den: Ritter versprach den Freisinnigen die Bekämp- fung der Konzernverantwortungsinitiative durch den Bauernverband – und im Gegenzug sagten sie ihm die «In der halben Schweiz ist das Grundwasser Bekämpfung der ökologischen Agrarreform des Bun- über die Grenzwerte hinaus belastet.» desrates zu. Darauf drückte Ritter im Bauernverband die Nein-Parole zur Konzernverantwortungsinitiative durch, obschon manche Landwirte diese zuvor befür- Wer die Medien zur Kenntnis nimmt, weiss, dass un- wortet hatten. ser Trinkwasser schon lange in Not ist. In der halben Dieser Deal ist letzte Woche nun in Erfüllung gegan- Schweiz, namentlich im Mittelland, ist das Grundwasser gen: Eine bürgerliche Mehrheit hat nach dem Ständerat mit zu hohen Werten von Pestiziden und deren Metaboli- auch im Nationalrat die Vorschläge von Bundesrat Guy ten (Abbaustoffen) über die Grenzwerte hinaus belastet. Parmelin zur Agrarpolitik 22+ «sistiert». Mit dieser Vor- Von allen Ländern Europas werden in der Schweiz pro lage wollte der Bundesrat den Pestizideinsatz und die Hektare am meisten Pestizide ausgetragen. Stickstoffüberschüsse in der Landwirtschaft wirksam In allen Gemüseanbauregionen sind die Grenzwer- senken und den Treibhausgas-Ausstoss mindern. te bei den Trinkwasserfassungen massiv überschritten. «Sistieren» heisst nun aber Folgendes: Zuerst will Grenzwertüberschreitungen werden auf Druck der Ag- diese unheilige Allianz zwischen Bauernverband und rarlobby nur sporadisch bekanntgegeben. Messdaten Chemieindustrie die Trinkwasserinitiative und die Pes- von Einzelfassungen werden unterdrückt. Erst jüngst tizidinitiative in der Volksabstimmung des kommenden wurde zwei Trinkwasserspezialisten im Schweizerischen 13. Juni abschmettern. Und wenn der Druck des Volkes Verein des Gas- und Wasserfachs ein Maulkorb verpasst, dann weg ist, soll im Parlament eine neue Agrarvorla- einer davon wurde entlassen. Erst aus zusammengefass- ge mit verminderten ökologischen Auflagen und noch ten kantonalen Statistiken lässt sich später das Ausmass mehr Intensivproduktion durchgepaukt werden. Als ermitteln. 29
80% Kraftfutter mit hohem Energie- und Proteingehalt, wie etwa Soja aus gerodeten Urwaldflächen im Mer- cosur. Zusätzlich zu den 400’000 Hektar Ackerfläche in der Schweiz werden über solche Kraftfutterimporte Die Chemikalienzulassung wird diskret von der Pesti- etwa weitere 200’000 Hektar im Ausland genutzt. Viel zid-Lobby diktiert. Obschon die Gefährlichkeit des Syn- ökologischer wäre es, wenn zertifiziertes Weidefleisch genta-Fungizids Chlorothalonil seit 2001 nachgewiesen aus Mercosur-Ländern direkt eingeführt werden könnte. wurde, hat es der Bund erst 2019 gestoppt – erst nach- Ich war Anfang der 1990er-Jahre bei der Agrarreform dem die EU es verboten hatte. Auch nach dem Einsatz- dabei, als man erstmals die Direktzahlungen an die Land- verbot bleiben in 20 Gemeinden die Thalonilwerte im wirte einführte. Die Wirtschaftskommission WAK des Trinkwasser um das bis zum 20-Fache überschritten. Nationalrats beschloss – gegen den Willen des damali- Chlorierte Kohlenwasserstoffe bleiben während Jahr- gen Direktors des Bundesamts für Landwirtschaft BLW, zehnten im Grundwasser. Per Richterbeschluss verbot Jean-Claude Piot –, dass die Hälfte der Direktzahlungs- die zum chinesischen Staatskonzern ChinaChem gehö- mittel den Biolandwirten zukommen müssen, um deren rende Syngenta den Bundesbehörden, Chlorothalonil Marktanteil zu erhöhen. Doch dieser WAK-Beschluss wur- als «wahrscheinlich krebserregend» zu bezeichnen. de bald darauf von der Verwaltung unterlaufen. Und seit- her wird getrickst, geschummelt und es werden immer neue Schlupflöcher für die Pestizidwirtschaft geschaffen. «Ursache der Überdüngung ist der zu hohe Tierbestand, der mit dem Import von 1.6 Mil- lionen Tonnen Futtermittel gestützt wird.» «Der Bauer ist Gefangener und Opfer im Hamsterrad des Produktivitätskarussells.» Seit den 1980er-Jahren haben wir im Mittelland zudem das Krebsübel von zu hohen Nitratwerten im Grundwas- In jungen Jahren habe ich als Chemiker in der Schäd- ser. Seit 1985 mussten Dutzende, wenn nicht Hunderte lingsbekämpfungs-Forschung bei der Firma Geigy Basel Grundwasserquellen abgestellt werden. Das Auswei- gearbeitet. Sie ist heute dem chinesisch beherrschten chen auf entferntere Trinkwasserquellen und Seewas- Syngenta-Konzern einverleibt. Vierzig Jahre später hat- serentnahmen kostete Hunderte Millionen Franken. te ich als Preisüberwacher wiederum mit dem Pestizid- Gemeinden und Wasserkonsumenten bezahlten. Auch markt, diesmal wegen überhöhter Preise, zu tun. Gerade 2019 sind wiederum in 76 Messstellen die Nitratgrenz- weil ich die Pestizidchemie kenne, würde ich dezidiert werte überschritten worden. sagen: Der Bauer ist heute schlicht nicht in der Lage, zu Ursache der Überdüngung ist der zu hohe Tierbe- beurteilen, was ihm die Berater der Pestizidfirmen andre- stand, der mit dem Import von sage und schreibe jähr- hen. Er ist gewissermassen Gefangener und Opfer im lich 1.6 Millionen Tonnen Futtermittel aus dem Ausland Hamsterrad des Produktivitätskarussells, selbst wenn er (für alle Nutztierarten) gestützt wird. Davon sind rund sich der integrierten Produktion verpflichtet fühlt.
Im Januar oder Februar werden jeweils die Landwir- te von der Landi einzeln zu einem Bestellungsgespräch eingeladen. Jeder erhält 15 bis 30 Minuten bei einem «Berater», der zugleich als Verkäufer von Syngenta, Bay- er oder Maag wirkt. Früher gab es noch Hofbesuche. Dann wird gemäss Anbauplan und Hektarberechnung für jede Kultur ein Pestizidprogramm errechnet und die Bestellung aufgenommen. Oft gibt es bei Frühbestellun- gen 10% Rabatt. Die Pestizid-Tonnage wird danach nicht direkt auf den Hof, sondern über die Landi ausgeliefert. So wird der Bauer dauernd an den Fenaco-Konzern mit seinen sieben Milliarden Umsatz und marktbeherrschen- der Stellung gebunden. Mit einem solchen Vertriebssystem wird ein Pesti- zid-Absenkungspfad ohne Verbote, wie ihn das Parla- ment als Alibi-Ersatz nun fordert, wirkungslos bleiben. Dieser legt keine Absatzziele fest, ist nicht kontrollierbar, Rudolf Strahm ist ein Schweizer Öko- nicht durchsetzbar und wird todsicher wie die bisherigen nom und Politiker (SP). Er war von 1991 Aktionspläne umgangen werden. Bloss eine weitere Täu- bis 2004 Nationalrat und von 2004 bis schungsrunde! 2008 Preisüberwacher. Strahm hat zahlreiche Bücher zu wirtschaftspoli- tischen Themen publiziert. www.rudolfstrahm.ch «Dass die biologische Produktionsmethode funktioniert, haben unsere Biobetriebe längst bewiesen.» Der agroindustrielle Komplex aus Syngenta, Fenaco, Wir erleben nunmehr dreissig Jahre ökologischen Agroscope, Bauernverband und BLW steuert diskret, und ökonomischen Agrar-Irrsinn. Es gibt nur einen ein- aber wirksam unsere Agrarpolitik. Im Hintergrund wirkt zigen realistischen Weg, diesen festgefahrenen agroin- auch die Economiesuisse, deren heutiger Präsident dustriellen Trend zu brechen, nämlich mit der Trinkwas- Christoph Mäder zuvor 18 Jahre lang Syngenta-Mana- serinitiative oder der Pestizidinitiative oder mit beiden. ger war. Diese streben innert eines Jahrzehnts eine schrittweise Einzig die rund 7300 Biobetriebe, die 11% Marktanteil Umsteuerung an. Jetzt, nach dem fiesen Kuhhandel des beitragen, haben sich diesem Intensivierungskarussell Agrobusiness, ist dies erst recht nötig! entziehen können. Dass die biologische Produktions- methode funktioniert, haben unsere Biobetriebe längst bewiesen. Obschon ihre Produktionspreise nur 10–15% Rudolf Strahm in TA-Online und gekürzt in höher liegen, werden die Bio-Produkte im Detailhandel Tages-Anzeiger und Bund vom 23.3.2021 indes 50% teurer verkauft als die konventionellen und Publiziert um 06:00 Uhr 23.3.2021 TA-Online IP-Produkte. Würde die Bioproduktion nach einem Pes- tizidverbot einen marktfüllenden Anteil erzielen, würden deren Handelspreise sicher sinken.
Aus dem Inhalt unseres Buches haben wir fünf Beiträge für Sie zusammengefasst. Insgesamt umfasst das Buch über dreissig Beiträge von führenden Expertinnen und Experten aus Praxis, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und NGOs. Mit diesem Buch wollen wir zur Aufklärung und Bewusstseinsbildung zu den schwerwiegenden Problemen des Einsatzes von synthetischen Pes- tiziden beitragen. Wir hielten es für nötig, den von finanziellen Interessen geleiteten Propagandaak- tionen der Agrochemieindustrie etwas entgegen- zusetzen, insbesondere vor den Abstimmungen am 13. Juni in der Schweiz. Denn da geht es um viel. An diesem denkwürdigen Tag werden die Schweizer Bürgerinnen und Bürger ja darüber abstimmen, ob synthetische Pestizide nach einer Übergangszeit von acht bzw. zehn Jahren verbo- ten werden. Wir hoffen, dass das Buch bis dahin und auch spä- ter noch viel gelesen wird. BODEN FRUCHTBARKEIT 32 FONDS
UNSER TÄGLICH GIFT Die vielfältigen nicht beabsichtigten Auswirkungen der Pestizide von Johann G. Zaller Dr. Johann G. Zaller ist Professor für Ökologie an der Universität Unser modernes Wissenschaftssys- für Bodenkultur Wien tem mit seiner starken Zersplitterung in unterschiedliche, sehr komplexe Teildisziplinen hat einerseits unser De- tailwissen von spezifischen Prozessen ver- bessert. Andererseits wurde dadurch aber auch der Blick auf die grossen Zusammenhänge verstellt. In diesem Buch wird anschaulich dargelegt, wie vielfältig die Einflüsse der synthetischen Pestizide sind. Der Mensch ist zu einem der wichtigsten Einflussfak- toren für biologische, geologische und atmosphärische Neben den sonstigen Chemikalien, die wir in indust- Prozesse auf der Erde geworden – es wird diskutiert die- riellen Prozessen verwenden, nehmen die Pestizide eine ses Zeitalter demnach auch Anthropozän zu nennen. Sonderrolle ein, da sie in die freie Natur ausgebracht Folgt man der wissenschaftlichen Beurteilung der pla- werden. Neben den vielfältigen nicht-beabsichtigten netaren Grenzen, deren Einhaltung für den Fortbestand Auswirkungen auf verschiedene Lebewesen kommt es der menschlichen Spezies unabdingbar ist, so muss man auch zu Wechselwirkungen mit anderen Stressoren wie erkennen, dass derzeit noch nicht abschätzbar ist, wie Lichtverschmutzung, Mikroplastik, oder dem Klimawan- weitreichend der Einfluss der Pestizide auf das Ökosys- del – die meisten dieser Aspekte sind unzureichend un- tem Erde ist. tersucht. Es gibt weder über die eingesetzten Pestizidmengen, Das, was bisher an Nebenwirkungen bekannt ist, noch über deren Toxizität einheitliche systematische Er- macht allerdings besorgt. Immer mehr Studien weisen hebungen auf regionaler, nationaler oder globaler Ebe- pestizid-induzierte Störungen von Ökosystemfunktionen ne. Das heisst: Wir versprühen weltweit jedes Jahr Mil- nach, inklusive einer Förderung von pestizidresistenten lionen an Tonnen von Pestiziden in der Umwelt, wissen Organismen und einer erhöhten Anfälligkeit von Kultur- aber im Grunde genommen nicht, in welchem Umfang pflanzen für Pflanzenkrankheiten sowie einen allgemei- dadurch das Ökosystem Erde und damit auch uns Men- nen, von Pestiziden mitverursachten Biodiversitätsrück- schen geschadet wird. gangs. 33
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