Geschichte erfahren - das Projekt PEACE LINE - Quer durch Europa gehen junge Menschen mit dem Volksbund auf Tour - Volksbund ...

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Geschichte erfahren - das Projekt PEACE LINE - Quer durch Europa gehen junge Menschen mit dem Volksbund auf Tour - Volksbund ...
GEFÖRDERT DURCH

Geschichte erfahren –
das Projekt PEACE LINE
Quer durch Europa gehen junge
Menschen mit dem Volksbund auf Tour

Mit dem Projekt PEACE LINE eröffnet                lens – mit Stationen in Riga, Kaunas und Danzig.      Mehr Informationen
                                                   Ziel ist die Jugendbegegnungs- und Bildungsstät-      gibt es unter
der Volksbund Deutsche Kriegsgrä-
                                                   te des Volksbundes auf dem Golm auf Usedom.           www.peaceline.eu und
berfürsorge 2020 neue Wege. Junge                  Wegen der Covid-19-Pandemie startet die Route         www.volksbund.de.
Erwachsene aus vielen Ländern Europas              2020 in Berlin statt in St. Petersburg.

will er auf vorerst zwei Gedenk- und Er-           Die zweite Route führt bis nach Frankreich. Sie
innerungsrouten schicken, die untrenn-             beginnt in Berlin mit Stationen in Weimar, Prag,
                                                   München und Verdun. Auch diese Route endet
bar mit Geschichte und Gegenwart ver-
                                                   an einer Jugendbegegnungs- und Bildungsstät-
knüpft sind. Das Ziel: eine neue Form              te: im französischen Niederbronn-les-Bains. Ge-
des Erinnerns entwickeln und dabei                 planter Zeitpunkt für die Premiere der beiden Tou­-
                                                   ren: 11. bis 24. September. Ursprünglich sollte im    PROF. DR. ECKART
unterschiedliche nationale Narrative               Mai der Startschuss fallen.                           D. STRATENSCHULTE
einbeziehen.                                                                                             Unser Autor koordi­niert
                                                   Was damals und am 8. Mai 2020 zu 75 Jahren            das Projekt PEACE LINE

Z
      wei von drei Routen für 18- bis 26-Jährige   Weltkriegsende geplant und wegen der Pandemie         und lehrt Politische
      sind nach Corona-bedingtem Ausfall im        nicht möglich war, mündete beim Volksbund in-         Wissenschaft an der
      Frühjahr 2020 geblieben und sollen – we-     nerhalb kürzester Zeit in ein neues Format: Statt     Freien Universität Berlin.
gen des ernomen Zuspruchs – zeitnah wiederholt     einer Großveranstaltung mit PEACE LINE-Teil-          Zu seinen beruflichen
werden. Grundsätzlich will der Volksbund dieses    nehmenden und Gästen gab es eine Live-Diskus-         Positionen gehörte die
Format für die Zukunft beibehalten.                sion im Museum Karlshorst, an der sich zahlrei-       Leitung der Europäi-
                                                   che junge Leute per Video-Schaltung beteiligten.      schen Akademie Berlin,
Eine Route führt von Sankt Petersburg über das     Die Resonanz war so groß und nachhaltig, dass         die er 24 Jahre lang
Baltikum bis an die Grenze Deutschlands und Po-    der Volksbund das Angebot fortsetzt.                  innehatte.
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Erinnerung
                                                                   ohne eigenes
                                                                   Erleben
                                                                   Warum Gedenken für alle
                                                                   Generationen wichtig ist

                                                                   Die Generation, die den Krieg 1939 bis 1945 noch
                                                                   bewusst erlebt hat, geht von uns – und mit ihr die
                                                                   persönlichen Erfahrungen und Erzählungen, die
Seit 1953 bringt der Volksbund bei internationalen Workcamps       Augenzeugenberichte und die Vermittlung der
junge Leute zusammen – wie hier im Kaliningrader Gebiet,
wo sie 2019 das „Band der Nationen“ verlängerten.
                                                                   Gefühle, die mit Krieg, Tod, Verletzung, Zerstörung
  Volksbund/Klaus Knoll                                            und Vertreibung verbunden sind.

A
         ber: Das alles darf nicht in Vergessenheit geraten. Wir   die Gefühle weitertragen. Nur so können sie sich immunisie-
         müssen uns immer wieder deutlich machen, wohin            ren gegen neue Versuche, Menschen gegen Menschen aufzu-
         Hetze, Propaganda, Ausgrenzung und Rassismus ge-          hetzen.
führt haben – und führen können. „Es ist geschehen und folg-
lich kann es wieder geschehen.“ Diesen Satz des Holocaust-         Die Erinnerung bewahrt auch Positives: von den hoffnungs-
Überlebenden Primo Levi schrieb Frank-Walter Steinmeier,           vollen Anfängen vieler Länder nach dem Ende des Ersten
Bundespräsident und Schirmherr des Volksbundes, leicht ab-         Weltkrieges über die Weimarer Republik, mutige Akte des Wi-
gewandelt im Januar 2020 ins Gästebuch der KZ-Gedenkstätte         derstandes im Nationalsozialismus, den Aufbruch gegen Dik-
Auschwitz.                                                         taturen von Portugal bis Polen bis zur europäischen Einigung
                                                                   nach 1989. Es gibt viele solcher Stationen, die ebenfalls Teil
Es ist eine deprimierende Aussage, aber sie gibt auch Hoff-        unserer geschichtlichen, politischen und geistigen Habe sind.
nung. Dass „es“ wieder geschehen kann, heißt nicht, dass es        PEACE LINE erweitert die Bildungs- und Erinnerungstätigkeit
wieder geschehen muss. Es liegt an uns, zu verhindern, dass        um einige neue, verstärkende Elemente.
eine Gesellschaft noch einmal auf solche Abwege gerät, die in
den menschlichen und zivilisatorischen Höllenschlund führen.       Eine von 20 guten Ideen –
                                                                   von Jugendlichen entwickelt
Deshalb sind Gedenken und Erinnerung wichtig. Wir erweisen
damit nicht nur den Toten die Reverenz und geben den Ange-         Die Idee des Projekts PEACE LINE geht zurück auf ein Treffen
hörigen eine Gelegenheit zu trauern, sondern sichern den Le-       von 500 Jugendlichen aus 48 Ländern zum 100. Jahrestag des
benden ihre Zukunft. „Erinnern für die Zukunft“ nennt das der      Endes des Ersten Weltkrieges. Gemeinsam stellten sie dem
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.                           Bundespräsidenten sowie dem französischen Staatspräsi-
                                                                   denten 20 Ideen für den Frieden vor. Darunter war auch der
Der jungen Generation kommt dabei eine besondere Rolle zu.         Vorschlag, „Peace Lines“ durch Europa zu ziehen, um an ver-
Wir sprechen von einer Vier-Generationen-Annahme: Die ers-         schiedenen Gedenk- und Erinnerungsorten aus verschiedenen
te Generation erlebt etwas und spricht oder schweigt darüber,      Sichtweisen über Geschichte zu lernen. Sich an die schwieri-
die zweite Generation nimmt das hin, die dritte Generation         gen Zeiten in Europa zu erinnern, sei wichtig, so die Ideenge-
stellt Fragen – und die vierte Generation vergisst.                ber – um dauerhaft Frieden zu sichern und sich vor Augen zu
                                                                   halten, dass Versöhnung nach einem Krieg möglich ist.
Ein wichtiges Ziel der Gedenk- und Bildungsarbeit des Volks-
bundes ist es, sicherzustellen, dass das bei der vierten (und      Der Volksbund hat diese Idee zu einem Projekt entwickelt, das
jeder weiteren) Generation nicht geschieht, dass die jungen        finanziell vom Auswärtigen Amt getragen und von einer Reihe
Menschen nicht vergessen, sondern die Erkenntnisse und auch        von Partnerinstitutionen unterstützt wird.
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PEACE LINE verbindet                                                                                       Danzig ist eine der
                                                                                                           Stationen, die PEACE

und reflektiert
                                                                                                           LINE miteinander
                                                                                                           verbindet.
                                                                                                             pixabay.com/Makalu

Angebot ist zugänglich für alle
Wo sich junge Leute unterschiedlicher Nationalitäten begegnen, werden verschiedene
Sichtweisen offenbar, kommen verfestigte nationale Narrative auf den Prüftstand.

P
       EACE LINE bringt nicht nur Menschen aus verschiede-          PEACE LINE ist anspruchsvoll
       nen Ländern zusammen, sondern auch unterschiedli-            und zugänglich
       che Erfahrungen, Erkenntnisse und Empfindungen. Im
Diskurs merken die Teilnehmenden, dass Dinge oftmals nicht          Die Reisen stellen in verschiedener Hinsicht hohe Ansprüche
so einfach sind, wie nationale Erzählungen sie erscheinen las-      an die Teilnehmenden. Sie nehmen Informationen und Stand-
sen. Wessen gedenkt man wie? Wie geht man mit Opfern um             punkte auf und verarbeiten sie, sie tauschen sich aus und
(gefallenen deutschen Soldaten), die auch Täter waren, näm-         setzen sich miteinander auseinander. Die 18- bis 26-Jährigen
lich Invasoren in einem überfallenen Land? Wie beurteilt man        beschäftigen sich mit verschiedenen Ländern und den dort
Täter, die auch Opfer waren – wie beispielsweise die „Greifer“      vorherrschenden Narrativen, sie reisen durch Staaten mit un-
im nationalsozialistischen Deutschland? Der Begriff steht für       terschiedlichen Sprachen und Mentalitäten. Das alles verlangt
Jüdinnen und Juden, die für die Gestapo Glaubensschwestern          den Teilnehmenden viel ab, schafft aber auch eine große intel-
und -brüder aufspürten (und in den meisten Fällen schließlich       lektuelle und emotionale Bereicherung.
selbst ermordet wurden). Haben die Bombenopfer von Dres-
den denselben Anspruch auf Trauer und Gedenken wie die von          Aber: PEACE LINE ist kein rollendes Universitätsseminar,
Coventry? Ist die Sowjetunion Opfer des Zweiten Weltkrieges         sondern verbindet für alle Interessenten unterschiedliche
wegen des Überfalls 1941 und der ungeheuren Verluste, die das       Elemente miteinander: Das Zusammensein mit anderen jun-
Land erlitten hat? Oder ist sie Mittäter wegen des Hitler-Stalin-   gen Menschen, Reisen, Neues erfahren und erleben, regionale
Pakts 1939? War der Zweite Weltkrieg in Europa 1945 zu Ende         Spezialitäten probieren – all das gehört ebenso dazu wie Infor-
(mit der Kapitulation der Wehrmacht) oder erst 1989 (mit dem        mationen, Diskussionen und gemeinsam gestaltete Freizeit.
Fall des sowjetisch dominierten politischen Systems)?               Dadurch ist PEACE LINE auch und gerade für junge Menschen
                                                                    geeignet, die dem klassischen (akademischen) Lernen eher dis-
Auf diese und viele andere Fragen gibt es keine einfachen Ant-      tanziert gegenüberstehen.
worten und auch jeweils nicht nur eine. Beides gaukelt PEACE
LINE auch nicht vor. Im Gegenteil: Auf der Basis von Respekt        Die Kosten für die Reisen (einschließlich der An- und Abreise)
und Toleranz sind die Teilnehmenden eingeladen und auf-             werden dank einer Zuwendung des Auswärtigen Amtes über-
gefordert, ihre unterschiedlichen Sichtweisen zu artikulieren       nommen. Das eröffnet auch denjenigen die Möglichkeit, dabei
und zur Diskussion zu stellen.                                      zu sein, die nicht über finanzielle Reserven verfügen.
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Prag ist eine der
                                                                                             Stationen der Grünen Route.

PEACE LINE bewegt
und aktiviert
Erlebtes teilen in Sozialen Medien

Auf vorerst zwei Routen bereisen junge Erwachsene
verschiedene Länder Europas.

E
      ine Route führt von St. Petersburg über Riga, Kaunas      PEACE LINE ist multidimensional und kommunikativ
      und Danzig in die Jugendbildungsstätte des Volksbun-
      des auf der Insel Usedom. Die andere verbindet Berlin     Das Projekt verbindet unterschiedliche didaktische Dimen-
zunächst mit Weimar, Prag und München und führt dann an         sionen. Die Angebote reichen von der klassischen Information
den Bodensee, von dort über den Hartmannswillerkopf, Ver-       über Texte, Filme und Audiodateien, über Vor-Ort-Besuche, Ge-
dun und Luxemburg ins Elsass – in die Jugendbegegnungs-         spräche mit Expertinnen und Experten bis hin zu Gruppenarbei-
und Bildungsstätte des Volksbundes in Niederbronn-les-Bains.    ten, Rollenspielen und Einheiten im Selbststudium. Damit wer-
                                                                den nicht nur geografische Verbindungslinien gezogen, sondern
In jeder Stadt besuchen die Gruppen mehrere Gedenkorte,         auch inhaltliche und menschliche. Um dieser Entwicklung Zeit
die jeweils didaktisch aufbereitet sind. Die Teilnehmenden      und Raum zu geben, sind die Touren jeweils auf 13 Tage angelegt.
erhalten nicht nur Informationen über die konkrete Erinne-
rungsstätte, sondern auch über das politische und historische   Die Teilnehmenden werden gebeten, während der Touren aktiv
Umfeld. Sie werden gebeten, Arbeitsaufgaben in Gruppen zu       über die Sozialen Medien zu kommunizieren und viele Freun-
lösen, damit in der Zusammenarbeit die unterschiedlichen        de und Bekannte an ihren Erfahrungen und Erkenntnissen
Sichtweisen der Beteiligten zur Geltung kommen.                 teilhaben zu lassen. Außerdem soll aus den Reisen jeweils ein
                                                                digitales Erinnerungsbuch für die breite Öffentlichkeit ent-
So lernen sie nicht nur anhand von Informationen und Gesprä-    stehen. Das garantiert, dass ein großer Interessentenkreis von
chen vor Ort, sondern auch und vor allem voneinander. Sie       PEACE LINE nicht nur erfährt, sondern Anregungen erhält,
stellen Bezüge zur Gegenwart her, sind miteinander aktiv und    sich mit den Themen zu beschäftigen. Nachahmen – vielleicht
schaffen ein Wurzelgeflecht aus Begegnungen, das die Grund-     in kleinen Gruppen, vielleicht nur an einigen Orten – ist also
lage für gegenseitiges Verständnis schafft.                     ausdrücklich erwünscht.
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Die Blaue Route                                                                                           Diese Route
                                                                                                          bindet mehrere Städte
                                                                                                          an der Ost­see ein.

Von St. Petersburg bis Usedom

Schwerpunkte der Blauen Route sind der Zweite Weltkrieg,
die europäische Teilung sowie der Aufbruch in Europa ab 1989.

W
            enn die Reisebedingungen es zulas-        Die nächste Station der Reise ist die lettische     FRANZISKA REUTE
            sen, beginnt die Tour in St. Peters-      Hauptstadt Riga. Auch hier werden die Teilneh-      zeichnet im PEACE
            burg. Leningrad, wie die Stadt bis 1991   menden mit einem besonders tragischen Aspekt        LINE-Team für die
hieß, hatte im Zweiten Weltkrieg in enormem           des nationalsozialistischen Terrors konfrontiert:   Blaue Route verant-
Maße gelitten – vor allem durch die 28 Monate         An der Gedenkstätte Bikernieki, die an Massen-      wortlich. Sie hat in
anhaltende Blockade der deutschen Wehrmacht,          gräbern für ermordete Juden errichtet wurde,        Greifswald und Riga
der über eine Million Menschen zum Opfer fiel.        steht der Holocaust im Fokus. Auch die Gedenk-      Slawistik und Baltis-
                                                      stätte Rumbula – ebenfalls ein Ort der massenhaf-   tik studiert und hat
Der Besuch des Blockademuseums, der Gedenk-           ten Ermordung von Juden – sowie die KZ-Gedenk-      Berufserfahrung als
stätte auf dem Piskarevskoe-Friedhof sowie ein        stätte Salaspils sind Stationen. Auch sie geben     Projektmanagerin und
Gespräch mit „Blockadekindern“ – mit Menschen,        Anlass, sich in Gruppen mit vorgegebenen Auf-       als Mitarbeiterin der
die diese Zeit noch selbst erlebt haben – sind Aus-   gaben mit dem Thema der millionenfachen Ver-        Online-Datenbank
gangspunkte. Fahrten auf die Sinjawino-Anhö-          nichtung von Menschenleben zu beschäftigen.         vifanord gesammelt –
hen sowie auf die deutschen Kriegsgräberstätte                                                            einer virtuellen Biblio-
Sologubovka vertiefen das Thema. Vorgesehen           In Riga gab es – wie an vielen weiteren Orten –     thek zu Literatur und
sind auch eine Begegnung mit Jugendlichen aus         einzelne Mutige, die jüdische Mitbürgerinnen und    Forschungsergebnissen
Kirov sowie Auswertung der Zeitzeugengesprä-          Mitbürger versteckt und vor der Ermordung geret-    zu den nordischen und
che mit einer Historikerin.                           tet haben.                                          baltischen Ländern.
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Michelle Müntefering
                                                                                                           bei der Live-Diskussion

75 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg: Statt der geplanten Veranstaltung mit Hunderten
Teilnehmenden organisierte der Volksbund eine Video-Konferenz am Ort der Kapi-
tulation im Museum Karlshorst. Mit dabei: Volksbund-Präsident Wolfgang Schnei-
derhan und die Volksbund-Generalsekretärin Daniela Schily, Michelle Müntefering,
Staatsministerin im Auswärtigen Amt, und Museumsleiter Dr. Jörg Morée.

        Einer von ihnen ist Žanis Lipke, dessen damaliges           Eine durch den Status Danzigs bedingte Besonderheit war
Wohnhaus mit Versteck heute Museum und Bildungsstätte ist,          auch die Polnische Post: ein Postamt unter polnischer Verwal-
in der die PEACE LINER mit jungen Letten ins Gespräch kommen.       tung, das von den Nationalsozialisten gestürmt und besetzt
                                                                    wurde. Die Verteidiger der Post wurden, soweit sie nicht bei
Lettland war unfreiwillige Republik der Sowjetunion. An die         dem Angriff umkamen, nach einem Scheinprozess der deut-
deutsche und die sowjetische Besetzung des Landes erinnert          schen Militärjustiz hingerichtet. Erst 1998 hat das Landgericht
das Okkupationsmuseum, an die Wiedererlangung der staat-            Lübeck dieses Urteil aufgehoben. Heute ist die Polnische Post
lichen Unabhängigkeit das Volksfrontmuseum, das den „Balti-         im Zentrum Danzigs ein Museum, das einen wichtigen Platz in
schen Weg“ in die nationale Souveränität widerspiegelt.             der polnischen Erinnerungskultur einnimmt.

Im litauischen Kaunas verbinden die Teilnehmenden den               Auch im innerpolnischen Diskurs umstritten ist das Museum
Besuch der Gedenkstätte „Fort IX“ mit der Erarbeitung ver-          des Zweiten Weltkrieges, das die Geschichte mit einem klaren
schiedener nationaler Blickwinkel auf den Zweiten Weltkrieg.        Narrativ erzählt: Der Zweite Weltkrieg sei erst 1989 mit den
Hier lassen sie das bis dahin Erfahrene noch einmal Revue           ersten halbfreien Wahlen zuende gegangen, die zur Berufung
passieren.                                                          eines nichtkommunistischen Ministerpräsidenten führten.

Danzig, die nächste Station, hat eine komplizierte Geschichte.      In der Nähe von Danzig liegt der Ort Sztutowo (früher Stutt-
Sie wurde nach dem Ersten Weltkrieg von Deutschland ab-             hof). Hier befand sich ein deutsches Konzentrationslager. Im
getrennt und zur Freien Stadt unter Verwaltung des Völker-          dortigen Museum nehmen sich die Teilnehmenden bei einer
bundes erklärt. Mit dem Hitler-Stalin-Pakt – dem deutsch-so-        Führung und für Gruppenarbeiten und Eigenrecherchen
wjetischen Nichtangriffspakt – im Rücken, hatte Adolf Hitler        viel Zeit, sich mit dem Terrorregime des Nationalsozialismus
hier am 1. September 1939 den Zweiten Weltkrieg begonnen.           aus­einanderzusetzen. Diesen Ort verlässt niemand unbeein-
Mehrere Gedenkorte verbindet PEACE LINE bei dieser Station:         druckt.
Die Westerplatte, eine zu Danzig gehörende Halbinsel und 1939
Ort eines polnischen Munitionsdepots, wurde von einem deut-         Die Blaue Route endet in der Jugendbegnungs- und Bildungs-
schen Kriegsschiff beschossen. Praktisch zeitgleich begann ein      stätte des Volksbundes auf dem Golm auf der Insel Usedom –
Überfall auf die Stadt Wieluń. Heute ist die Westerplatte eine      direkt an der deutsch-polnischen Grenze. Dort fassen die Teil-
Gedenkstätte, über deren Ausbau und Gestaltung in Polen hef-        nehmenden zwei Tage lang ihre Eindrücke zusammen, werten
tig diskutiert wird.                                                sie aus und diskutieren sie, bevor sie die Heimreise antreten.
Geschichte erfahren - das Projekt PEACE LINE - Quer durch Europa gehen junge Menschen mit dem Volksbund auf Tour - Volksbund ...
Die Grüne Route
                                                                                                          Diese Route führt bis ins
                                                                                                          Elsass – zur Jugend­
                                                                                                          begegnungs- und Bil­
                                                                                                          dungs­stätte Nieder-

Von Berlin bis nach Verdun
                                                                                                          bronn-les-Bains.

Die Grüne Route nimmt neben der NS-Zeit mit Okkupation
und Widerstand auch den Ersten Weltkrieg in den Fokus.

S
      ie beginnt in Berlin und führt zunächst       Der Terror der Nationalsozialisten hatte viele For-
      nach Weimar, zur KZ-Gedenkstätte Bu-          men. Eine war die Vernichtung ganzer Dörfer, um       VIOLA BENZ
      chenwald. Die PEACE LINE-Gruppe nähert        Rache zu nehmen und die Bevölkerung einzu-            ist im PEACE LINE-
sich dem Thema Terror und Vernichtung durch         schüchtern. So wurde 1942 als Vergeltung für das      Team hauptverantwort-
die Nationalsozialisten mit einer Führung, in       Attentat auf den amtierenden „Reichsprotektor         lich für die Grüne Route.
Gruppenarbeiten und mit eigenen Recherchen.         von Böhmen und Mähren“, den SS-Führer Rein-           Sie hat ihr Studium der
                                                    hard Heydrich, der tschechische Ort Lidice dem        Geschichte, Geschichts-
Was ist in der Weimarer Republik falsch gelaufen,   Erdboden gleichgemacht. Alle Bewohner wurden          didaktik und Kulturma-
dass es überhaupt zur Machtübernahme durch          ermordet, die Bewohnerinnen und ihre Kinder           nagement in Mannheim,
die Nationalsozialisten kam? Dieser Frage gehen     in Konzentrationslager verschleppt, in denen die      Prag und Berlin mit
die PEACE LINER am nächsten Tag im „Haus der        meisten ebenfalls umkamen.                            Master abgeschlossen
Weimarer Republik“ nach, einem 2019 eröffneten      Die Gruppe besucht diesen Ort unweit der tsche-       und ein Volontariat
Geschichtsmuseum in unmittelbarer Nähe des          chischen Hauptstadt, den es nicht mehr gibt, und      (Projektmanagement) in
Nationaltheaters, in dem einst die Nationalver-     befasst sich in der Gedenkstätte mit dem Thema.       einem Berliner Aus-
sammlung tagte und die Weimarer Verfassung          Auch in Prag selbst ist das Attentat Thema – eben-    stellungsbüro absolviert
beschloss. Von Weimar geht es anschließend wei-     so wie die Entwicklung der Stadt in der Zeit des      – neben weiteren beruf-
ter nach Tschechien, nach Prag.                     Kommunismus.                                          lichen Stationen.
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Abends treffen sich die PEACE LINER mit jungen Leu-              der die dort ansässige Rüstungsindustrie vor Bombenangriffen
ten aus Prag.                                                           schützen sollte.

Die nächste Station ist München. Auf der vom Volksbund be-              Der Toten des Ersten Weltkrieges gedenkt die Gruppe auf der
treuten Kriegsgräberstätte auf dem Münchner Waldfriedhof                nahegelegenen Kriegsgräberstätte Lerchenberg. Gemeinsam
sind Kriegstote aus den beiden Weltkriegen aus 18 Nationen              mit jungen Menschen aus der Region besucht sie die Gedenk-
begraben. Die Gruppe beschäftigt sich dort mit einzelnen Bio-           stätte und beginnt, sich mit der Geschichte des Ersten Welt-
grafien. Den Besuch am Grab von Professor Kurt Huber, einem             krieges zu beschäftigen.
Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, nimmt sie zum
Anlass, sich mit der Geschichte des überwiegend studenti-               Der Krieg von 1914 bis 1918, der in der deutschen Erinnerungs-
schen Widerstandes in der bayerischen Landeshauptstadt ver-             kultur sehr stark im Schatten des Zweiten Weltkrieges steht,
traut zu machen. In München ist ebenfalls ein Gespräch mit              forderte rund 17 Millionen Tote. Die wahnsinnigen und mili-
jungen Menschen aus der Stadt geplant.                                  tärisch völlig sinnlosen großen Schlachten sind im Elsass auf
                                                                        dem Hartmannswillerkopf sowie in Verdun Anlass, den Ers­-
Auch die Bodenseeregion, eine reizvolle und friedliche Ge-              ten Weltkrieg in seiner ganzen Grausamkeit zum Thema zu
gend, birgt Erinnerungen an Unrecht, Leid und Tod im Zweiten            machen, um Ursachen, Entwicklung und Folgen besser zu
Weltkrieg. Bei Überlingen mussten Zwangsarbeiter unter un-              ver­stehen.
menschlichen Bedingungen den Goldbacher Stollen graben,
                                                                        Nirgendwo zeigt sich das Europa von heute so symbolisch wie
                                                                        in dem kleinen luxemburgischen Ort Schengen. Das dortige
Mehr Informationen finden Sie unter                                     Museum, das dem Schengener Abkommen 1985 gewidmet ist,
www.peaceline.eu.                                                       zeichnet die Abschaffung der Binnengrenzkontrollen in der
                                                                        Europäischen Union nach.

Weitere Videokonferenzen sind im Zusammen-                              Im Anschluss an den Besuch dieses Museums fährt die Gruppe
hang mit PEACE LINE geplant. Unser Bild zeigt                           weiter nach Niederbronn-les-Bains im Elsass, in die Jugendbe-
die Volksbund-Generalsekretärin Daniela Schily                          gegnungsstätte des Volksbundes. Auch auf dieser Route dienen
am 8. Mai in Karlshorst.                                                die letzten beiden Tage der Zusammenfassung und Reflexion.

                                                                           Was bleibt?

                                                                           Wie wird das Fazit ausfallen? Sicher ist: Die PEACE
                                                                           LINE-Touren werden das Verständnis vergrößern für
                                                                           europäische Geschichte und für die Fragilität des Frie-
                                                                           dens, der auch heute des Einsatzes bedarf. Das Kennen-
                                                                           lernen von Menschen aus anderen Ländern, anderer
                                                                           Standpunkte, Empfindungen und Empfindlichkeiten
                                                                           wird ein wertvoller Erfahrungsschatz sein. PEACE LINE
                                                                           wird für gelebtes Europa stehen und ein Netzwerk
                                                                           schaffen gegen Hass und Hetze und für ein friedliches
                                                                           Miteinander in Europa.

                                      Impressum:                          Redaktion:                            Verantwortlich:
                                      Herausgegeben vom                   Prof. Dr. Eckart D. Stratenschulte,   Daniela Schily, Generalsekretärin
                                      Volksbund Deutsche                  Dr. Christiane Deuse
                                      Kriegsgräberfürsorge e.V.                                                 Spendenkonto:
                                      Bundesgeschäftsstelle               Fotos: peaceline.eu                   IBAN: DE23 5204 0021 0322 2999 00
                                      Sonnenallee 1                       (soweit nicht anders angegeben)       BIC: COBADEFFXXX
                                      34266 Niestetal (seit 1.7.2020)
                                      Telefon: +49 (0)561 7009-0          Gestaltung/Satz: René Strack          Spendentelefon: +49 (0)561 7009-0
                                      Telefax: +49 (0)561 7009-221
                                      E-Mail: info@volksbund.de           Druck:                                Auflage: 200 Exemplare
                                      Internet: www.volksbund.de          PRINTEC OFFSET medienhaus, Kassel     Stand Juli 2020
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