GESCHICHTE UND GERECHTIGKEIT
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GESCHICHTE UND GERECHTIGKEIT Aleida Assmann, Jan Assmann, Oliver Rathkolb (Hg.) Hannes Androsch • Aleida Assmann • Jan Assmann • Ursula Baatz • Anton Badinger • Sander Bekesi • Steven Beller· Eva Blimlinger • Johanna Borek • Gerhard Botz • Andrea Maria Dusl • Josef Ehmer • Irmgard Eisenbach-Stangl • Alexander Emanuely • Renee Gadsden • Ulrich Gansert • Roland Girtler • Christa Hämmerie· Wolfgang Häusler· Bodo Hell· Cornelius Hell· Roman Horak • Martina Kaller· Peter Kampits • Helmut Konrad • Ulrich Körtner • Margareth Lanzinger • Konrad Paul Liessmann • Klara Löffler· Kurt Luger· Gerhard MeißI • Christian Mertens· Lorenz Mikoletzky • Peter Moeschl • Manfred Nowak • Markus Oppenauer • Anton Pelinka • Martina Pippal • Manfred Prisching • Julya Rabinowich • Oliver Rathkolb • Helmut Reinalter • Christoph Reinprecht • Markus Reisenleitner • Elisabeth von Samsonow • Wolfgang Schmale· Michael Schmidt • Elisabeth Schratten holzer • Andreas Schwarcz • Karl Sigmund • Robert Sommer· Alfred Springer· Marianne Springer-Kremser· Friedrich Stadler • Wolfgang Stangl • Anton Tantner • Heidemarie Uhl • Eisbeth Wallnöfer • Andreas Weigl • Manfried Welan LIT
Aleida Assmann, Jan Assmann, Oliver RathkoJb (Hg.) Geschichte und Gerechtigkeit Festschrift für Hubert Christian Ehalt LIT
ARSENESSER UND GESCHICHTE ANMERKUNGEN ZUR UNTERGEGANGENEN KULTUR EINER RANDGRUPPE Inngard EISENBACH-STANGL, Wolfgang STANGL I. Arsen ist ein Mineral, das selten in reiner Form ("gediegen") vorkommt und in eigenen Bergwerken abgebaut wird, häufig hingegen mit anderen Erzen "verge sellschaftet" vorgefunden wird, und bei deren Verhüttung, durch die Anwendung eines Röstverfahrens, anfallt. Der Bergbau, der auf heutigem österreichischern Staatsgebiet ab dem 14. Jahrhundert vorangetrieben wurde, verlor am Ende des 19. Jahrhunderts seine Rentabilität - die Bergwerke schlossen, das letzte 1884. Auch die nach dem Ersten Weltkrieg wieder aufgenommene Arsenproduktion wurde aus ökonomischen Gründen im Jahr 1924 eingestellt, sowie die Arsenge winnung zwischen 1941 und 1944 in Tirol nach dem Krieg nicht weitergeführt wurde (Bylow 1935: 108; Wonisch 1951; Allesch 1959: 280-281). Arsen hatte durch die industriell organisierte Massenproduktion im 19. Jahr hundert an Bedeutung gewonnen, da die Beimengung des Minerals zu zahlreichen Gütern, wie etwa Glaswaren, Tapeten und Textilien deren Qualität verbesserte. Folge war, dass viele Gebrauchsgüter wie z.B. Möbel oder auch Kinderspielzeug arsenhaltig waren (Whorton 20 I 0). Ende des 19. Jahrhunderts häuften sich Hin weise auf gesundheitsschädigende Wirkungen der Beimengungen und so wurde die Verwendung von Arsen in der Güterproduktion beschränkt, allerdings nicht verboten: Aktuell wird das Mineral bei der Herstellung von Batterien und elektro nischen Geräten verwendet. 2. Aus Arsen wurden Arsenik (auch: arsenige Säure, weißes Arsen, Hüttenrauch oder Hittrach) und weitere toxische Präparate hergestellt, die seit Jahrtausenden bei der Schädlingsbekämpfung wie in der Heilkunde eine wichtige Rolle spielten. In der Heilkunde dienten sie bei der Bekämpfung von Fieber, Gewichtsverlust, Migräne, Diabetes, Infektionskrankheiten, Malaria, Darmgeschwüren, Blutkrank heit und Syphilis, in medizinischen Spezialfachern wie etwa der Gynäkologie und der Augenheilkunde wurden sie auf breiterer Grundlage eingesetzt (Thera- -68-
Arsenesser und Geschichte peutische Notiz 1892: 1820; Journal-Revue 1895: 2040-2041; Grabner/Gänser 1987:77). Ebenso prominent waren Arsenik und verwandte toxische Präparate als Pesti zide, Herbizide und Insektizide und bei der Vernichtung von "Raubzeug", worun ter Krähen, Häher oder auch Wanderratten in der Jägersprache des 19. Jahrhun derts verstanden wurden, und auch von Ratten und Mäusen, die Lebensmittelvor räte bedrohten. Arsenik diente nicht nur der Kontrolle schädlicher Tiere, es kam auch in Tier zucht, Tierhandel und Veterinärmedizin zum Einsatz: Um die Leistungskraft von Pferden zu erhöhen und um sie gegebenenfalls jünger und feuriger erscheinen zu lassen, wurde es dem Pferdefutter beigemengt; Muskelentzündungen von Pferden wurden traditionell mit einer arsenhaItigen Salbe kuriert (Bibra 1855: 388; Ro segger 1914: 232; Grabner/ Gänser 1987: 77). Arsenik diente auch der Schweine mast und wird aktuell bei der Bekämpfung von Rotlauf bei Schweinen eingesetzt (Schleich 1997: 120). 3. Die Verwendung von Arsenik ist risikoreich, denn auch die Einnahme sehr ge ringer Mengen des geruch- und geschmacklosen Stoffs kann bei Menschen rasch den Tod herbeiführen. So fand das Gift bekanntlich auch als "Mord-Gift" seit jeher Verwendung. Wiewohl das 19. Jahrhundert als .jhe arsen ic century" iden tifiziert wurde (Whorton 2010), ist nicht davon auszugehen, dass die - durch in tensivere wirtschaftliche Nutzung - gesteigerte Erhältlichkeit der Substanz im 19. Jahrhundert in der absoluten oder auch nur relativen Steigerung von Arsenmor den zum Ausdruck kam. Das unauffällige Gift war für Mörder "schon immer" attraktiv und für das Gros der Gift-Morde verantwortlich gewesen. Zudem konnte die erleichterte Erhältlichkeit kaum ihre Wirkung entfalten, denn 1835 gelang es erstmals, die Substanz im menschlichen Körper nachzuweisen. Die Geschichte der Arsenikmorde beschreibt die zweifellos prominentes te und an Beispielen reichste Rolle der Substanz, die alle Ausformungen und Abgründe der menschlichen Seele berührt. Anklagen wegen Giftmord gehör ten zu den großen Kriminalthemen der Lokalzeitungen im 19. Jahrhundert und Berichte über mordende Frauen und abgelegene Schauplätze steigerten das Le ser(i nnen)i nteresse. Arsenikmorde fanden zudem auch Eingang in die Belletristik, die sie subli mierte und die Öffentlichkeit mit zusätzlichen mythischen Figuren bereicherte. Als berühmte Beispiele seien Päpste aus der Familie Borgia genannt, die um des Erbes willen reiche Kardinäle vergifteten (Schmidbauer/vom Scheidt 1975:32); des Weiteren die Schwestern Abby und Martha Brewster aus dem Lustspiel "Ar senic and old Lace", die die Leichen von zwölf Männern, die sie mit Arsenik "erlösten", in ihrem Keller lagerten (Kesselring 1939); und schließlich die stei- -69-
Irmgard EISENBACH-STANGL, Wolfgang STANGL rische Bäuerin Agnes Karfreit. die sich von ihrer großen und bedrohten Mutter und Heimatliebe (von ihren drei Söhnen, die den Familienhof übernehmen kön nen, kommt 1945 nur der Jüngste zurück) in den Arsenmord treiben lässt (Wurm brand 1951). Schließlich ist auch Gustave Flaubert's 1857 erschienener Roman "Madame Bovary" zu erwähnen, in dem die HeIdin ihrem Leben mit Arsen ein Ende setzt (Flaubert). Im Lärmen der Geschichte der Arsenmorde und sensations prallen Historien über Giftmörder, Giftopfer und Zeugen lässt sich - wenn auch mit Mühe - eine Figur auszumachen, durch die der Geschichte des Arsens eine weitere Bedeutung hinzugefügt wird: Es sind dies die .Arsenesser'', wie sie die Zeitgenossen nannten, jene, die Arsen gewohnheitsmäßig als Droge konsumier ten. 4. 1864 besuchten zwei britische Ärzte die Steiermark, um Arsenesser zu stu dieren, und sammelten gemeinsam mit steirischen Kollegen wertvolles Material (Pregl 1928). Unklar bleibt, warum sie den gewohnheitsmäßigen Arsenkonsum nicht in ihrer Heimat untersuchten, wo er durchaus gebräuchlich war. Da sich bei Strafverfahren in UK wiederholt herausstellte, dass mutmaßliche Opfer - absicht lich oder durch Ungeschick -Gift zu sich genommen hatten, kam es wiederholt zu Freisprüchen. Machten Verdächtige den Arsenkonsum der Opfer geltend, sprach man von "styrian defense" (Whorton 2010:270). Das britische Bedürfnis, gewohnheitsmäßiges Arsenessen im Südosten Euro pas anzusiedeln, ist mit einer Sonderrolle der Steiermark in "Sachen Arsenessen" insofern nicht unvereinbar, als' die in diesem österreichischen Kronland umfang reiche Arsenproduktion der Entwicklung der Kunst des Arsenessens förderlich gewesen sein mag. Wenige Jahre nach der Reise der britischen Ärzte in die Stei ermark wurden in Graz jedenfalls zwei Arsen-Virtuosen der Öffentlichkeit prä sentiert: In einer Sitzung auf der 48. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte im Jahr 1875 hallen zwei steirische Arsenesser 0,3 bzw. 0,4 Gramm Arsen erheblich mehr als das Doppelte einer letalen Dosis für Anfänger - verzehrt, ohne die geringsten Vergiftungserscheinungen zu zeigen. Aber auch in der Steiermark wurden Arsenessen und Arsenesser von der For schung vernachlässigt: Die Mehrzahl der Studien beschäftigt sich mit der ver gleichsweise dichten Verbreitung der Gewohnheit im Land, der Konsum in über greifenden Gebieten interessierte nur wenige (Bebra 1855: 384; Hörmann 1912). Über Wien berichtet nur der Naturforscher Otto Tschudi, er habe hier arsenes sen de Kutscher, Schauspieler und Prostituierte beobachtet (Tschudi 1851: 455; ihm folgend Moravius 1954:8). In den vorrangig gebirgigen und waldreichen Verbrei tungsgebieten in der Steiermark stammten die - vermutlich mehrheitlich männ lichen - Arsenesser aus dem bäuerlichen Milieu, in dem das Wissen über die Droge gegebenenfalls von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Sie -70-
Arsenesser und Geschichte rekrutierten sich aber auch aus Berufsgruppen. die durch ihre Tätigkeit mit Ar sen in Berührung kamen - Bergknappen, HÜllenleuten und Hammerarbeitern - wie aus ländlich bäuerlichen Randgruppen - Holz- und Rossknechten, Waldhü tern, Jägern, Wilderern und Bergführern. Die Versorgung der Arsenesser wurde von Hausierern, Kräutersammlern, wandernden Ärzten, "fahrenden Leuten" und durch Bergarbeiter wahrgenommen (Rosegger 1914:238, Bylof 1935: 108; Mora vius 1954:8). 5. Die Wirkungen der Droge wurden von Arsenessern wie von ihren Beobach tern überraschend differenziert und konsistent beschrieben. Generell ging man davon aus, dass Arsen die Kraft und Potenz steigere: So etwa mache es Bergstei ger "luftig" und vergrößere ganz allgemein die .Kurasch'' (Rosegger 1914:232). Auch führe der Arsengenuss bei Mensch und Tier zu blühendem Aussehen, fär be die Wangen rot, mache die weibliche Brust voll und verleihe dem Haar Glanz (Allesch 1959: 247; Bibra 1855: 385). Vom Arsengenuss erhoffte man also all gemein die Verstärkung und Vermehrung der eigenen körperlichen und psychi schen Kräfte und Kompetenzen und des körperlichen Anziehungspotentials. In das Sexualleben griffen bereits andere arsenbezogenen Praktiken ein: Arsen wur de seit Jahrhunderten - wenn auch illegal - zur Verhütung von Schwangerschaft und zur Abtreibung eingesetzt und es war solcherweise mit Praktiken assoziiert, die das Sexualleben liberalisierten (Hauschildl Staschen/Troschke 1979:31; Bie dermann 1987: 165). Generell ist daher davon auszugehen, dass Arsen als Droge galt, die das Begehren fördert und die Erfüllung von Begierden erleichtert. Dass der Gebrauch verboten und risikoreich war und bei mangelnder Kunstfertigkeit zum Tode führen konnte, mag die Attraktivität der Droge nur noch weiter gestei gert haben. 6. Das Wissen um Arsenesser und Arsengenuss ist spärlich und widersprüchlich, weil die Praxis - so der Nobelpreisträger Fritz Pregl (1928), der bei Arsenmorden wiederholt als Gutachter fungierte - der "tiefste Schleier der Geheimhaltung" um gab. Denn - so klingt es bei Pregl an - würde die Potenz eines Mannes oder die Schönheit einer Frau als arseninduziert erkannt, kehrte sich erwünschtes Begehren leicht ins Gegenteil. Wie rasch Attraktion und Anziehung in Abscheu umschlagen können - wird etwa die Herkunft "gesunder Wangen" aus den "Bergwerken in Un garn" entdeckt - schildert Heinrich von Kleist im .Käthchen von Heilbronn". Das letzte Wort, das der enttäuschte Liebhaber der Frau nachruft, die ihn mit künstli chen Reizen verführt hat - und zugleich das letzte Wort des "Ritterspiels" - ist: "Giftmischerin". Der Genuss des Arsens, dessen Drogenprofil in Vielem jenem von Hexen salben gleicht, erregte auch den Abscheu der Kirche, die jegliches Begehren der Fortpflanzung unterworfen und auf diese reduziert sehen wollte. Doch auch der -71-
Irrngard EISENBACH-STANGL, Wolfgang STANGL Einsatz von Arsen als Schönheitsmittel und als Therapeutikum widersprach kirch lichen Dogmen und förderte die Geheimhaltung des Gebrauchs vor "Priestern und Ärzten": Denn der Kirche galt "Putzsucht" lange als das übelste aller Laster und galten die Schmerzen des Gebarens als gottgewollt (Hauschild/Saschenl Troschke 1979:27). In der Literatur wird der Einfluss der Kirche auf das Arsenessen gerne unter schätzt, der des Staates aber überschätzt. Dafür spricht, dass die Regulierung des Arsenverkehrs - der Lagerung, des Transportes, des Handels - ab Beginn des 19. Jahrhunderts zwar mit größerer Konsequenz vorangetrieben wurde, jedoch lange Stückwerk blieb und auch nur rudimentär durchgesetzt werden konnte. Im Ge gensatz zu den zahlreichen Regierungsentwürfen "zur Hintanhaltung der Trunk sucht", deren Bestimmungen aufgrund des politischen Dissenses ein Gesetzesvor haben blieben und erst im 20. Jahrhundert stückweise realisiert wurden, griffen die arsenbezogenen Bestimmungen auf Personenebene in den Konsum nicht ein. Sie sind als frühe sicherheitsstaatliche Regelungen einzustufen, die vor allem Handel, Transport und Lagerung regelten (Tremel 1947) und wirtschaftlichen Interessen Rechnung trugen. Die zahlreichen Entwürfe für präventive Maßnahmen gegen die Trunksucht reagierten hingegen auf nationale und internationale Bewegun gen, und nicht zuletzt auf den politischen Aufstieg der Arbeiterschaft, als deren Droge der Alkohol galt (Eisenbach-Stangl 2016). Das gesetzgeberische Desinter esse an den Arsenessern war vermutlich auch ihrer Unauffälligkeit geschuldet: Anders als alkoholische Getränke war Arsen keine Droge der Öffentlichkeit und nicht mit diversen Spielalten unmittelbar wahrnehmbarer Devianz - etwa Lärmen und Gewalttätigkeiten - assoziiert. 7. Die kargen Berichte über Arsenesser aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts las sen vermuten, dass der Arsengenuss im habsburgischen Österreich weit verbreitet gewesen war, dass sich intensiver Konsum aber auf ausgewählte Gebiete kon zentrierte. Idealtypisch besehen zeichneten sich die .Hochkonsumgebiete" durch einen bäuerlich provinziellen Charakter und traditionelle Lebensformen aus, auch waren sie topografisch unzugänglich und wirtschaftlich rückständig, wenn nicht arm. Ein beträchtlicher Anteil der Arsenesser gehölte überdies sozial benachtei ligten Berufs- und Randgruppen an. Unter diesen Vorzeichen betrachtet, lässt sich die Bedeutung des Arsengenusses nahe der verpönten Hexensalben früherer Jahr hunderte ansiedeln. Arsen war ein .Berauschungsmittel des armen Volkes ... dem kostspieligere Genüsse versagt waren" (Hauschild/StaschenITroschke 1979: 37). Die Einstufung der Arsenesser als benachteiligte Randgruppe und des Arsen essens als Ersatz gründet in einem Material, dessen erhebliche Mängel im Rah men der Arbeit an diesem Text nicht zu beheben waren. Ob und in wieweit der -72-
Arsenesser und Geschichte Text daher im Sinne von Christian Ehalts Vorschlägen (1984) zur Sichtbarkeit be nachteiligten sozialen Milieus und zur Hörbarkeit wenig artikulierter subjektiver Bedürfnisse und Anliegen beitragen konnte, ist ungewiss. Gewiss wurde das viel gestaltige Thema in mehrfacher Hinsicht idealtypisch vereinfacht und, um ihm gerechter zu werden, werden abschließend ausgewählte Verkürzungen angespro chen. Kompensierte der Genuss von Arsen für einige gesellschaftlichen Ausschluss, war er für andere Ausdruck der selbstgewählten Distanz zu sozialpolitischen Strukturen, Organisationen und Institutionen und damit zur gegebenen "Gesell schaft" schlechthin. Auch "distanzierte" Arsenesser lebten häufig im sozialen wie rechtlichen Abseits - sie stammten aus sozialen Milieus, die in Auflösung begrif fen waren oder sich bereits aufgelöst hatten. Die Konsumgewohnheiten glichen den Lebensgewohnheiten - dem selbst gewähltem "Lebensstil", der zusätzliche Kraft versprach und mit hohem (Überiebens)Risiko assoziiert war. Sie bedurften weder Gleichgesinnter noch der Advokaten. Hielt das gesellschaftliche Abseits Arsenesser generell von Mitteilungen über Lebens- und Konsumgewohnheiten zurück - in den letzten 200 Jahren haben nur Einzelne ausnahmsweise Auskunft gegeben und eine aktuelle Anfrage wür de wohl negativ beschieden - war die Geheimhaltung zweifellos ein machtvol lerer Schutz. Geheimhaltung separiert die Gewohnheit von der Sprache, mögli cherweise sogar von der "Menthalisierung", sie bleibt leiblich dominiert, stülpt sich in ihrer Leiblichkeit über andere Lebensangelegenheiten und erzeugt ihrer seits gesellschaftliches Abseits. Zu hören ist bestenfalls das Schweigen, liegt die Botschaft darin? Und wenn ja, handelt sie von den Ansprüchen emanzipatori scher Forschung angesichts sprachloser Adressaten, von deren Aussterben in den 1950er Jahren (Moravius, 1954), von Ersatz-Kulturen, und/oder von? LrTERATURVERZEICHNlS Richard M. Allesch: Arsenik. Seine Geschichte in Österreich. Klagenfurt: Verlag Fcrdi nand Kleinmayr (1959). Ernst von Bibra: Die Narkotischen Genußmittel und der Mensch. Nürnberg: Verlag Wil helm Schmid (1855). Hans Biedermann: Schaden- und Abwehrzauber. In: Helfried Valentinitsch (Hg.)Hexen und Zauberer. Die große Verfolgung - ein europäisches Phänomen in der Steiermark, Graz- Wien: Leykam- Verlag (1987), S. 165 - 174. Fritz Bylow: Die steirische Arsenikesserei in geschichtlicher Betrachtung. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark, 29. Jg. (1935), S. 107-110. _ 7',-
Irmgard EISENBACH-STANGL, Wolfgang STANGL Die 48. Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte in Graz. In: Carinthia, Zeit schrift für Vaterlandskunde, Belehrung und Unterhaltung, 65. Jg. NI'. II u. 12 (1875), S.245-258. Die Verwendung von Arsen in der gynäkologischen Praxis. In: Wiener Medizinische Wo chenschrift, 47 (1892),1820. Irmgard Eisenbach-Stangl: Towards Individual Responsibilities: Interests affecling Major Aicohol Policy Changes in 1950s Austria. In: Social History of Alcohol and Drugs, Volume30(2016),p.120-137. Huben Christi an Ehalt: "Geschichle von unten". Zwischen Wissenschaft, politischer Bil dung und politischer Aktivierung.ln: Beiträge zur historischen Sozialkunde, I (1984), S.32-36. EI friede Grabnerl Gerald Gänser: Volksmedizin und ärztliche Versorgung. In: Hexen und Zauberer, Steirische Landesausstellung 1987, Katalog, Graz: Leykam_ Verlag (1987), S. 77 - 92. Thomas Hauschild/ Heidi Stase he nl Regina Troschke: Hexen. Katalog zur Ausstellung. Hamburg: Hochschule für bildende Künste (1979). Ludwig von Hönnann: Gcnuß- und Reizmittel in den Ostalpen. eine volkskundliche Skiz ze. In: Zeitschrift des Deutschen und Österreich ischen Alpenvereins, Jg. 1912, Bel. XLIII, S. 78-100. Journal-Revue: Zur Methode des subcutanen Anwendung des Arsens. 1n: Wien er Medi zinische Wochenschrift 48 (1895), S. 2040-2041. Dieter Martinetz: Rauschdrogen und Stimulantien, Leipzig, Jena, Berlin: Urania-Verlag (1994), S. 143-145. Ludwig Morovius: Die Hidrimänner und der Hüttenrauch. In: Neue Illustrierte Wochen schau, Nr. 39,26. September 1954, S. 8. Fritz Pregl: Arsen als Volksmedizin und Gift in der Steiermark. In: Die medizinische Welt, Nr.25 (1928), S. 939-940. Peter Rosegger: Der Arsenikesser. In: Gesammelte Werke, Bd. 20, Waldheimat - Erzäh lungen aus der Jugendzeit - Vierter Band, Leipzig: Staackmann, (1914), S. 232 - 239. Wolfgang Schmidbauer/Jürgen vom Scheidt: Handbuch der Rauschdrogen, München: Nymphenburger Verlagshandlung (1975). Ferdinand Tremel: Der Handel der Stadt Judenburg im 16. Jahrhundert. In: Zeitschrift des historischen Vereins für Steiermark vol. 38 (1947), S. 95-164. Otto Tschudi: Über die Giftesser. In: Wien er medizinische Wochenschrift I (1851), S.454-455. Othmar, Wonisch: Der Hittrachbergbau in St. Blasen bei St. Lambrecht. In: Blätter für Heimatkunde, 25. Jg., Heft 4, (1951), S. 97-100. James C. Whorton: The Arsenic Century. How Victorian Britain was poisened at Horne, Work & Play, Oxford (2010), Oxford University Press -74-
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