Gesundheitsreform in Deutschland Auswirkungen unter besonderer Berücksichtigung der stationären Behandlung - Dr. med. Arndt Dohmen, attac Lörrach
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Gesundheitsreform in Deutschland Auswirkungen unter besonderer Berücksichtigung der stationären Behandlung Dr. med. Arndt Dohmen, attac Lörrach
250 Gesundheitsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung in Mrd. DM 200 Milliarden DM 150 100 50 0 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 www.attac-netzwerk.de Attac-Vortrag: Gesundheit Harald Klimenta
Warum brechen die Einnahmen der Gesetzlichen Krankenkassen weg ? Ursache: Die ausschließliche Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen durch Lohnnebenkosten: mehr Arbeitslose = weniger Beiträge Billigjobs (Ich -AG) = weniger Beiträge Aushebeln von Tarifverträgen = weniger Beiträge
Kostenverschiebungen zu Lasten der GKV - Ost-West-Transferzahlungen nach Wiedervereinigung - Reduzierung der Krankenkassenbeiträge für Arbeitslose durch die Bundesanstalt für Arbeit (Bemessung von 80% auf 58% des Arbeitsentgelts reduziert!) - Riester-Rente senkt GKV- Einnahmen Haushaltsentlastung auf Kosten der GKV seit 1982: 44 Milliarden DM/ Jahr
Größenordnung der Einnahme - Verluste der GKV - Sinken der Lohnquote in den letzten 15 Jahren um 9% = 33 Mrd. DM/ Jahr - “Verschiebebahnhöfe“ für Haushaltssanierung seit 1982 = 44 Mrd. DM /Jahr Summe: 77 Mrd. DM/Jahr
Ungleiche Lastenverteilung der Beitragszahlung durch Solidarprinzip in der GKV Beitragszahler in der GKV
Nach dem Scheitern der bisherigen Sparkonzepte Politisches Steuerungsinstrument der Gesundheitsreform: Privatisierung der Gesundheitsrisiken der Gesundheitseinrichtungen
Auswahl der wichtigsten kostenwirksamen Maßnahmen der Gesundheitsreform 2004
Ungleiche Lastenverteilung der Gesundheitsreform
Wie sieht die Bilanz des GRG 2004 für eine Normalfamilie aus ? ( Ehepaar, 1 Erwerbstätiger, 2 Kinder, Bruttoeinkommen € 2000,-) Einsparung /Jahr: Zusatzbelastung /Jahr: 0,5 % des bisherigen GKV – Beitrages Zusatzversicherung für Zahnersatz € 240,- ( die andere Hälfte spart der Krankentagegeld – Zuschlag € 120,- Arbeitgeber): Zuzahlung für Arztbesuch, Kranken- € 400,- € 120,- hausbehandlung, Kuren, Arznei- mittel, Heilmittel Bezahlung für rezeptfreie Medi- € 120,- kamente, Brillen € 880,- Zusatzbelastung pro Jahr € 760;-
Änderung der Krankenhaus-Finanzierung Altes Neues DRG- System: Finanzierungssystem: Prinzip der Fallpauschalen Prinzip des Tagespflegesatzes Codierung von: Ermittlung des Gesamtbudgets - Hauptdiagnose Umrechnung auf Kosten pro - Nebendiagnosen Tag u. pro Bett bei 100% Belegung - Operationen Ausgleichszahlung bei Minder- - Prozeduren belegung Errechnung der Rückzahlung bei Budget-Über- Fallpauschale schreitung
Betriebswirtschaftliche Zielsetzung im alten System: im neuen System: Belegung nahe an 100% möglichst häufig günstige Fall- pauschalen abrechnen Mögliches Mißbrauch-Potential im alten System: im neuen System: künstlich lange Liegedauer zu schnelle Entlassung, um mehr der stationären Patienten Fallpauschalen abzurechnen.
60-jähriger Patient mit „Raucherbein“ Hauptdiagnose:Schwere arterielle Diagnose: Durchblutungsstörung Nebendiagnosen:Herzinsuffizienz KHK Z.n. Myocradinfarkt Arr. Abs. bei Vorhofflimmern Diabetes mellitus Typ II b diabet. Polyneuropathie diabet. Nephropathie Niereninsuffizienz asymptomatische Carotisstenose Therapie: Adipositas Verweildauer 21 Tage Feinnadelangiographie li. Bein 3-607 Zusätzlich: Vorfußamputation tgl. Wundpflege nach Chopart 5-865.4 1 Woche antibiot. Therapie mit Rocephin 2 g i.v. intraart. Infusionstehrapie mit Prostavasin über 20 Tage Diabetesneueinstellung Physiotherapie Vergütung nach DRG: PCCL 3 oder 4, CW 1,69* € 5071.91 € 14141.98 * bezogen auf die G-DRG Version 2006
Auswirkungen des DRG-Systems auf medizinische Entscheidungen Quelle: DÄB
Prozeduren, die den Erlös eines stationären Aufenthaltes erhöhen Quelle: DÄB
Auswirkung der DRG´s auf die pädiatrische Versorgung: •Es gibt nur sehr wenige spezifische DRG´s für die Pädiatrie •Die meisten DRG´s aus der Erwachsenenmedizin werden auf die Behandlung von Kindern übertragen. •Die Besonderheiten der pädiatrischen Behandlung und Pflege werden in den DRG´s nicht abgebildet. •Kinderkliniken können mittelfristig mit dem derzeitigen Fallpauschalensystem nicht überleben.
Die Privatisierung öffentlicher Gesundheitseinrichtungen -Fallpauschalenfinanzierung (DRG-System) macht Kliniken „lukrativ“ -Klinikübernahme durch Privatgesellschaften verringert kommunale Budgetlöcher Aber: -Flächendeckende Krankenhausversorgung geht verloren -Rosinenpicken lukrativer Krankheiten führt zu Fehlgewichtung in der stationären Versorgung -Arbeitsbedingungen der KlinikmitarbeiterInnen verschlechtern sich
Qualitätssicherung unter DRG - Bedingungen vorher nachher Veränderung Durchschnittliche 14,4 Tage 11,0 Tage - 24 % Verweildauer Entlassung nach 21 % 48 % + 130 % Hüftfraktur in Pflegeheim Häusliche Pflegebedürftigkeit 13 % 39 % + 200 % nach Hüftfraktur Mortalität im 16,1 % 12,8% - 20,5 % Krankenhaus Mortalität in 178,8/1000 211,0/1000 + 15 % Pflegeheimen Pflegebetten Pflegebetten ( bis 20 %) „instabil“* nach 9% 17 % + 88 % Hause entlassenen Patienten nach Hüftfraktur C.Lenk et al.: Ethik und Fallpauschalen, DMW 2005, 130:1653-1655
Verbesserung der Behandlungsqualität allein durch DRG-Fallpauschalen? Verlaufsentwicklung bei KH-Behandlung von älteren Patienten mit Pneumonie in der USA: 1992 1997 +/- ∅ Verweildauer (Tage) 11,9 7,7 -35% ∅ KH-Kosten je Fall (US$) 9228 6897 -25% KH-Mortalität 14,1% 12,0% -15 % Tod< 30 Tagen nach Entl. 6,9% 9,3% +35% stat. Wiederaufnahme 3,0% 3,7% +23% wegen Rezidiv Verlegung in eine 30,3% 43,1% +42% Pflegeeinrichtung
Aktuelle Entwicklung im DRG - System ¾ Der gesamte Kuchen, der zur Verteilung ansteht, bleibt gleich groß ¾ Kliniken und Fachgesellschaften kämpfen für bessere „Abbildung“ ihrer jeweiligen Interessen ¾ Krankenkassen prüfen massiv Einzelfallabrechnungen ¾ MdK prüft Klinikabrechnungen direkt im Haus (§17 c) ¾ Krankenkassen versuchen, Kliniken unter die „untere Grenzverweildauer“ zu drücken ¾ Krankenkassen versuchen, stationäre in ambulante Behandlungen umzuwandeln
Aktuelle Entwicklung im DRG - System • Die Erlöse der Klinik hängen ausschließlich von der Fall - Codierung ab • Die Codierung ist nur durch lückenlose Dokumentation aller Diagnosen und Prozeduren zu begründen • Die für das Krankenhaus wichtigste Fähigkeit der Ärzte ist ihre Codiererfahrung • Neue Berufsgruppe im Krankenhaus ist durch DRG entstanden (Medizin-Controler) • Dokumentation und EDV-Arbeit der Ärzte nimmt massiv zu.
DRG und Qualitätskontrolle Gesetzliche Verpflichtung zum Qualitätsmanagement ist politisch begründet mit dem Risiko des Qualitätsverlustes durch das DRG – System Drastische Sanktionen drohen jeder Klinik ohne Nachweis des QM Zertifizierung durchleuchtet systematisch alle Bereiche des Krankenhauses: - Patientenorientierung von der Aufnahme bis zur Entlassung - Mitarbeiterorientierung von der Fortbildung bis zur Einbindung in Entscheidungsprozesse - Hygienestandards und Arbeitssicherheit - Führungsmethoden, Unternehmensziele (Erreichung und Durchdringung) Qualitätsmanagement als andauernder Prozess: Wiederholung nach 3 Jahren
Folgen für den Klinikalltag Dokumentation aller Tätigkeiten Codierung der stationären Behandlung Beantwortung von MdK – Anfragen Ausfüllen von Formularen für Versicherungen, Kostenträger etc. Begründen von Verlängerungen stationärer Behandlungen Teilnahme an Qualitätszirkeln und Sitzungen für QM Zeitaufwand für Übergaben wegen neuer Arbeitszeitregelungen Medizinische Betreuung von Patienten Gespräche mit Patienten und Angehörigen
Kontrollfunktion des MDK für die GKV
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft schätzt, dass von den ca. 2.200 kommunalen Kliniken in den kommenden 10 Jahren weitere 15% geschlossen werden, pessimistischere Prognosen sprechen sogar von 25 bis 30%.
Ergebnis privater Krankenhauskonzerne 2004 Konzern Anzahl Anzahl Umsatz Gewinn Kliniken Betten (in Mrd.€) (in Mio €) Rhön 30 9211 1,04 76,4 Helios 25 9539 1,16 65,6 Asklepios 65 6500 1,1 k.A. Sana 25 4700 0,55 10
Hauptdiagnose: pAVK Stadium IV I70.24 Nebendiagnosen: ¾ Koronare Herzkrankheit I25.11 ¾ Herzinsuffizienz I50.1 ¾ Arrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern I48 ¾ Arterielle Hypertonie I10 ¾ Niereninsuff. Im Stadium der komp. Retention N18.8 Therapie: Verweildauer 21 Tage ¾ Feinnadelangiographie ¾ Tgl. Wunddebridement ¾ Intravenöse antibiot. Therapie ¾ Intraarterielle Infusionsbehandlung mit Prostavasin DRG F21 A Relativ CW 2.226 Vergütung: € 5.119,80 (angenommene Baserate € 2.300,00)
Hauptdiagnose: pAVK Stadium IV I70.24 Nebendiagnosen: ¾ Koronare Herzkrankheit I25.11 ¾ Herzinsuffizienz I50.1 ¾ Arrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern I48 ¾ Arterielle Hypertonie I10 ¾ Niereninsuff. Im Stadium der komp. Retention N18.8 Therapie: Verweildauer 21 Tage ¾ Feinnadelangiographie ¾ Tgl. Wunddebridement ¾ Intravenöse antibiot. Therapie ¾ Intraarterielle Infusionsbehandlung mit Prostavasin Î PTA DRG F21 A Relativ CW 1.683 Vergütung: € 8.870,90 (angenommene Baserate € 2.300,00)
Hauptdiagnose: pAVK Stadium IV I70.24 Nebendiagnosen: ¾ Koronare Herzkrankheit I25.11 ¾ Herzinsuffizienz I50.1 ¾ Arrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern I48 ¾ Arterielle Hypertonie I10 ¾ Niereninsuff. Im Stadium der komp. Retention N18.8 Therapie: Verweildauer 21 Tage Î Amputation prox. Unterschenkel DRG F11 A Relativ CW 3.812 Vergütung: € 8.767,60 (angenommene Baserate € 2.300,00)
Belastungen für Arbeitnehmer vor und nach Gesundheitsreform 2004 Quelle: Der Spiegel
Auswirkungen des DRG-Systems auf medizinische Entscheidungen Quelle: DÄB
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