Gewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht - update September 2019
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Inhalt 3 | Editorial Online-Recht 4 | 2020: was Online-Händler jetzt zu beachten haben 6 | BVerfG zum Recht auf Vergessen Markenrecht 9 | EuGH: Im Ausland aufgezogenes Obst undGemüse darf mit „Ursprung: Deutschland“ gekennzeichnet werden 10 | „Thermomix“ – ein zulässiger Bestandteil von Kochbuchtiteln? 12 | LG Düsseldorf: keine „Malle auf Schalke“-Partys mehr ohne Lizenz Kartellrecht 14 | OLG Düsseldorf: Gespräche über die Preisgestaltung des Handels im Einzelfall erlaubt Know-how-Schutz 16 | „Geheimnisschutz-Compliance“ – ein Muss für Unternehmen und Unternehmensinhaber Aktuell 18 | Veröffentlichungen 19 | Vorträge 2 | Update Gewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht
Editorial Editorial Mit dieser neuen Ausgabe des Updates Gewerblicher Kochbuchs für den „Thermomix“ sowie eine Entscheidung Rechtsschutz und Kartellrecht informieren wir Sie über des LG Düsseldorf zu den markenrechtlichen Risiken der aktuelle Entwicklungen und gerichtliche Entscheidungen Werbung von Partyveranstaltern. aus diesen Rechtsgebieten. Im Kartellrecht erörtern wir eine Entscheidung des Zunächst beschäftigen wir uns mit wichtigen Neuerungen OLG Düsseldorf, die die Möglichkeiten und Grenzen von im Online-Recht. Wir stellen neue gesetzliche Vorschriften Gesprächen aufzeigt, die Hersteller mit Händlern über für Online-Händler vor, die im Laufe des Jahres in Kraft deren Preisgestaltung führen. treten werden oder bereits in Kraft getreten sind. Am Schluss bringen wir einen Beitrag zur „Geheimnis- Ferner befassen wir uns mit den Ende letzten Jahres ver- schutz-Compliance“, der Empfehlungen zu Art und kündeten BVerfG-Entscheidungen zum „Recht auf Verges- Umfang von Geheimhaltungsmaßnahmen enthält, die sen“, aus denen die künftige Rechtsprechung Leitlinien für Unternehmen vorsehen müssen, um den seit dem die Dauer der Abrufbarkeit und Auffindbarkeit belastender letzten Jahr neu geregelten gesetzlichen Schutz von Altmeldungen im Internet wird entwickeln müssen. Geschäftsgeheimnissen in Anspruch nehmen zu können. Im Markenrecht stellen wir eine Entscheidung des EuGH Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre! zu den Konsequenzen spezifisch lebensmittelrechtlicher Vorgaben für Herkunftsangaben vor. Ferner besprechen Mit besten Grüßen wir eine Entscheidung des OLG Köln zur Zulässigkeit der Nennung fremder Marken in Buchtiteln am Beispiel eines Michael Fricke Impressum Das Update Gewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht wird verlegt von CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB. CMS Hasche Sigle | Lennéstraße 7 | 10785 Berlin Verantwortlich für die fachliche Koordination: Michael Fricke CMS Hasche Sigle | Stadthausbrücke 1 – 3 | 20355 Hamburg Konstantin Salz CMS Hasche Sigle | Lennéstraße 7 | 10785 Berlin 3
Online-Recht 2020: was Online-Händler jetzt zu beachten haben Neues Jahr, neue Pflichten. Der Jahreswechsel bringt neue Die Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten bzw. On- gesetzliche Vorschriften für Online-Händler mit sich, die line-Suchmaschinen müssen zudem die das Produktranking bereits zu Beginn oder im Laufe des Jahres in Kraft treten. bzw. das Ranking der Suchergebnisse bestimmenden Die folgenden wichtigsten Änderungen sollten Online- Hauptparameter und eine Begründung ihrer Gewichtung Händler im Jahr 2020 beachten. in ihren AGB bzw. öffentlich leicht verfügbar darlegen (Art. 5 Abs. 1 und 2). Die Anbieter sind daher in Zukunft Platform-to-Business-Verordnung (P2B-VO) gilt ab verpflichtet, offenzulegen, nach welchen Kriterien Produk- Juli 2020 – neue Pflichten für Online-Händler te bzw. Suchergebnisse gelistet und wie diese Kriterien gewichtet werden. Insbesondere müssen die Anbieter Große Plattformen wie Idealo, Facebook oder Google auch darlegen, ob und wie eine Zahlung von Entgelten haben eine bedeutende Marktstellung inne, die ihnen an die Anbieter Einfluss auf das Ranking haben kann gegenüber gewerblichen Anbietern eine erhebliche Macht- (Art. 5 Abs. 3). position verleiht. Diesem Gefälle will die Europäische Union nun mit der ab dem 12. Juli 2020 geltenden Verordnung Schließlich müssen Anbieter von Online-Vermittlungs- zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerb- diensten ein internes System für die Bearbeitung von Be- liche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (VO [EU] schwerden gewerblicher Nutzer schaffen (Art. 11). Das 2019 / 1150) durch Stärkung der Rechte der Unternehmer System muss für den Nutzer leicht zugänglich und kosten- gegenüber den Betreibern der Plattformen entgegen- frei sein. Der Anbieter muss die Bearbeitung innerhalb wirken. eines angemessenen Zeitraums gewährleisten. Gewerb- liche Nutzer können sich mit Hilfe des Systems über die Die P2B-VO betrifft Anbieter von Online-Vermittlungs- Nichteinhaltung von Regelungen der Verordnung, techni- diensten bzw. Online-Suchmaschinen sowie gewerbliche sche Probleme sowie Maßnahmen oder Verhaltensweisen Nutzer dieser Dienste, die ihre Niederlassung oder ihren des Anbieters, die in direktem Zusammenhang mit der Wohnsitz in der EU haben und über ihre Plattform Ver- Bereitstellung der Dienste stehen und sich unmittelbar brauchern, die sich in der EU befinden, Waren oder Dienst- auf den Nutzer auswirken, beschweren. leistungen anbieten (Art. 1 Abs. 2). Mit Online-Vermitt- lungsdiensten sind sowohl klassische Handelsplattformen Streitbeilegung: Universalschlichtungsstelle wie z. B. eBay oder Amazon, aber auch andere Dienste auf Bundesebene wie Hotel- und Flugsuchportale, Lieferdienstplattformen etc. und soziale Netzwerke gemeint. Schon bisher galt: Online-Händler, die sich zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren verpflichtet haben Die Verordnung legt u. a. neue Pflichten zur Ausgestaltung oder aufgrund des Gesetzes zur Teilnahme an einem der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) fest. An- solchen verpflichtet sind, müssen auf ihrer Website und – bieter von Online-Vermittlungsdiensten müssen in ihren falls vorhanden – in ihren allgemeinen Geschäftsbedin- AGB zukünftig konkrete Gründe benennen, die dazu füh- gungen den Verbraucher zusätzlich über die zuständige ren können, dass die angebotenen Dienste vollständig Verbraucherschlichtungsstelle informieren (§ 36 Verbrau- oder teilweise ausgesetzt, beendet oder in irgendeiner cherstreitbeilegungsgesetz). anderen Art und Weise eingeschränkt werden. Verallge- meinernde Formulierungen werden dieser Anforderung Gab es keine spezialisierte Schlichtungsstelle, fiel das Ver- nicht mehr genügen. Als Einschränkung gilt auch der Fall fahren bislang in die Zuständigkeit der bundesweit tätigen der Rückstufung bzw. der Herabsetzung eines gewerbli- Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle in Kehl. Den chen Nutzers in seinem Ranking. Bei Einschränkung, Aus- Bundesländern war zudem die Möglichkeit der Einrichtung setzung oder Beendigung der Dienste müssen die Anbie- ergänzender Universalschlichtungsstellen vorbehalten. Dies ter zudem die zusätzlichen Vorschriften des Art. 4 be- sollte Verbrauchern einen örtlichen Zugang zur Schlich- achten. Die AGB müssen klar und verständlich formuliert tung ermöglichen. Aufgrund der Existenz der Allgemeinen und den gewerblichen Nutzern insbesondere auch bereits Verbraucherschlichtungsstelle hatten die Länder jedoch vor Vertragsschluss leicht verfügbar zugänglich gemacht von der Einrichtung ergänzender Universalschlichtungs- werden. Außerdem müssen die Anbieter in ihren AGB stellen abgesehen. erläutern, ob und inwiefern gegebenenfalls eigene Pro- dukte bzw. Produkte von mit dem Anbieter verbundenen Mit dem neuen § 29 Verbraucherstreitbeilegungsgesetz Unternehmen bevorzugt werden. wird die Aufgabe der Einrichtung ergänzender Schlich- 4 | Update Gewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht
Online-Recht tungsstellen nun auf den Bund übertragen. Dieser hat zum an den Rat weiter. Der Vorschlag beinhaltet die Anpas- Jahreswechsel eine zentrale Universalschlichtungsstelle sung von vier Verbraucherschutzrichtlinien. Betroffen auf Bundesebene geschaffen, die die Allgemeine Ver- sind die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken braucherschlichtungsstelle ablöst. Laut Gesetzesbegrün- (2005 / 29 / EG), die Verbraucherrechterichtlinie dung habe sich gezeigt, dass die zuvor beabsichtigte (2011 / 83 / EU), die Richtlinie über missbräuchliche Vertrags- Schaffung örtlicher Nähe für die Verbraucher nicht von klauseln (93 / 13 / EWG) und die Richtlinie über Preisangaben Bedeutung sei. Die Kommunikation der Verbraucher mit (98 / 6 / EG). Die Änderungen sehen u. a. Erweiterungen der Allgemeinen Schlichtungsstelle erfolge ohnehin über- des Widerrufsrechts, neue Schadenersatzansprüche für wiegend online oder per Post. Verbraucher und Pflichten zur Erhöhung der Transparenz (z. B. in Bezug auf Rankings) für Online-Händler vor. Ziel Seit dem 1. Januar 2020 muss die bisher potentiell zustän- des Vorschlags ist, die Rechte von Verbrauchern weiter dige Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle daher zu stärken und die EU-Verbraucherschutzvorschriften, nun als Universalschlichtungsstelle bezeichnet werden: insbesondere im Hinblick auf die digitale Entwicklung, zu modernisieren. Sobald die Richtlinie in Kraft tritt, sind die „Die X GmbH ist verpflichtet, an Streitbeilegungsverfahren Mitgliedsstaaten verpflichtet, bis spätestens 18 Monate vor der Universalschlichtungsstelle [Adresse, Website] nach Erlass entsprechende Rechts- und Verwaltungsvor- teilzunehmen.“ schriften zur Umsetzung der Richtlinie zu erlassen. Spätes- tens sechs Monate nach Ablauf dieser Umsetzungsfrist Eine Nichtbeachtung dieser Änderung stellt einen Wett- wären die neuen nationalen Vorschriften anzuwenden. bewerbsverstoß dar. Es drohen Abmahnungen und / oder Entsprechende deutsche Regelungen werden daher vor- Unterlassungsverfahren. aussichtlich frühestens im Jahr 2022 zu beachten sein. Der Aufreger 2019 – „Payment Service Directive 2“-Richtlinie (PSD2-Richtlinie) Viele Händler haben letztes Jahr über die PSD2-Richtlinie gestöhnt. Damit sollen Zahlungsvorgänge EU-weit reguliert und sicherer gemacht werden. Die Richtlinie sieht u. a. vor, dass Online-Händler ihren Kunden eine weitere Möglich- Dr. Martin Gerecke, M.Jur. (Oxford) keit zur Identifizierung einräumen müssen (zusätzlich zum Rechtsanwalt im Geschäftsbereich Gewerblicher Benutzernamen und Passwort z. B. eine TAN einzugeben Rechtsschutz bei CMS in Hamburg. oder eine Zahlung per Fingerabdruck zu bestätigen, sog. E martin.gerecke@cms-hs.com „Zwei-Faktor-Authentifizierung“). Zwar endete die Um- setzungsfrist für Online-Händler bereits am 14. Septem- ber 2019. Die deutsche Finanzaufsicht (BaFin) gewährt den Händlern allerdings einen Aufschub bis Ende 2020 für die Umsetzung von Teilen der Richtlinie. So dürfen Zahlungsdienstleister mit Sitz in Deutschland Kreditkar- tenzahlungen im Internet weiterhin auch ohne die sog. starke Kundenauthentifizierung ausführen. Laureen Schuldt Aktuelle Aussichten für den Verbraucherschutz – Rechtsanwältin im Geschäftsbereich New Deal for Consumers Technology,Media & Communications bei CMS in Hamburg. Mitte April 2019 nahm das EU-Parlament den Vorschlag E laureen.schuldt@cms-hs.com der EU-Kommission zur Stärkung von Verbraucherrechten innerhalb der EU an und leitete diese vorläufige Einigung 5
Online-Recht Schwerpunkt BVerfG zum Recht auf Vergessen Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in zwei weg- hingewiesen, dass es zwar kein „Recht auf Vergessenwer- weisenden Entscheidungen vom 6. November 2019 grund- den“ in einem allein vom Betroffenen bestimmbaren Sinn sätzliche Maßstäbe für das „Recht auf Vergessen“ im gebe; allerdings müsse dem Betroffenen gerade unter den Internet nach deutschem Recht entwickelt. Die zugrun- heutigen Bedingungen der Verbreitung von Informationen deliegenden Fragen beschäftigt die Gerichte schon seit durch das Internet die Chance eröffnet werden, Irrtümer Längerem: Dürfen ursprünglich rechtmäßige Berichte über und Fehler hinter sich zu lassen. Die Möglichkeit des Ver- Verfehlungen, Straftaten oder sonstige biografische gessens gehöre zur Zeitlichkeit der Freiheit, so das BVerfG Tiefpunkte Betroffener zeitlich unbegrenzt zum Abruf geradezu philosophierend. Auf der anderen Seite sei die bereitgehalten und von Suchmaschinen bei der Eingabe Bedeutung der Online-Archive für Bildung und Erziehung des Namens der Betroffenen zutage gefördert werden? sowie für die Information der Öffentlichkeit zu berücksich- Beeinflusst der Zeitablauf die Zulässigkeit der weiteren tigen. Die Archive seien nicht nur eine wichtige Quelle Verbreitung? Diese Fragen richten sich gleichermaßen an für journalistische und zeithistorische Recherchen und die Inhalteanbieter, insbesondere Verlage mit ihren On- damit für die demokratische Debatte, sondern auch line-Archiven, wie an die Betreiber von Suchmaschinen. wirtschaftlich zunehmend relevant in Zeiten, in denen Printprodukte einen Verlag immer weniger tragen. Bisher kannte man das „Recht auf Vergessen“ nur aus den datenschutzrechtlichen Entscheidungen des EuGH, Die Abwägung löst das BVerfG dahin, dass ein Verlag die alleine Suchmaschinen betreffen. Und im deutschen anfänglich rechtmäßig veröffentlichte Berichte grundsätz- Recht blieben die Online-Archive der Verlage hiervon nach lich in ein Online-Archiv einstellen und auch dauerhaft einer Reihe von äußerungsrechtlichen Entscheidungen des zum Abruf bereithalten darf, ohne sie von sich aus regel- BGH verschont. In beiden Konstellationen war verfassungs- mäßig auf ihre weitere Rechtmäßigkeit prüfen zu müssen. rechtlich das letzte Wort noch nicht gesprochen. Nun hat Allerdings könnten Schutzmaßnahmen dann geboten sein, das BVerfG Kriterien entwickelt, mit denen der Versuch wenn Betroffene sich an ihn gewandt und ihre Schutz- unternommen wird, den unterschiedlichen Interessen der bedürftigkeit näher dargelegt hätten. Diese müsse im Beteiligten Rechnung zu tragen. Einzelfall umfassend, u. a. anhand von Anlass und Gegen- stand der Berichterstattung, aber auch der tatsächlichen Recht auf Vergessen I – Online-Archiv der Presse Belastung für den Betroffenen und dessen eigenem Ver- halten, geprüft werden. Im Einzelfall seien Abstufungen Im Fall „Recht auf Vergessen I“ (Az. 1 BvR 16 / 13) ging es von Schutzmaßnahmen denkbar, die für die Anbieter um die Abrufbarkeit dreier Artikel im Archiv des „Spiegels“, zumutbar sein müssten. Anzustreben sei ein Ausgleich, in denen über die Verurteilung des Beschwerdeführers der einen ungehinderten Zugriff auf den Originaltext mög- zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes am lichst weitgehend erhalte, diesen auf entsprechenden Eigner der Yacht „Apollonia“ berichtet worden war. Die Schutzbedarf hin – insbesondere gegenüber namensbe- Artikel stammten aus den Jahren 1982 und 1983. Im Jahr zogenen Suchabfragen mittels Suchmaschinen – aber 2002 wurde der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen. einzelfallbezogen doch hinreichend begrenze. Dazu wür- Noch Jahre später wurden die Artikel bei Eingabe des den in der Literatur verschiedene Lösungsmöglichkeiten Namens von gängigen Suchmaschinen unter den ersten diskutiert, die zwar technisch nicht trivial sein mögen; sie Treffern angezeigt. Die Unterlassungsklage des Beschwer- seien dem Verlag aber dann zumutbar, wenn sie auf eine deführers gegen den Anbieter von „Spiegel Online“ hatte begrenzte Zahl vergleichbar gravierender Fallgestaltungen der BGH abgewiesen, weil er das Interesse der Öffentlich- beschränkt blieben. Dem muss der BGH nun näher nach- keit, sich über vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse gehen, an den das BVerfG den Rechtsstreit zurückver- in Online-Archiven der Medien zu informieren, höher wiesen hat. gewichtete als die persönlichkeitsrechtlichen und insbe- sondere Resozialisierungs-Interessen des Betroffenen. Recht auf Vergessen II – Trefferliste von Suchmaschinen Das BVerfG hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben. Es hat den Fall am Maßstab der Grundrechte des Grund- Im Fall „Recht auf Vergessen II“ (Az. 1 BvR 276 / 17) ging gesetzes beurteilt und zwischen dem allgemeinen Per- es um die Klage der Geschäftsführerin eines Unterneh- sönlichkeitsrecht des Betroffenen aus Art. 2 I GG i. V. m. mens gegen den Anbieter der Suchmaschine Google auf Art. 1 I GG und der Meinungs- und Pressefreiheit des Unterlassung der Anzeige eines Links, der in der Google- Verlags aus Art. 5 I GG abgewogen. Dabei hat es darauf Trefferliste nach Eingabe ihres Namens erschien und auf 6 | Update Gewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht
Online-Recht Schwerpunkt eine Berichterstattung des NDR mit dem Titel „Kündigung: Archive und mögliche Trefferlisten nach eventuell nicht Die fiesen Tricks der Arbeitgeber“ verwies. Die Betroffene mehr durch hinreichende Informationsinteressen zu recht- beanstandete, dass schon die Überschrift mit dem Hin- fertigende Altmeldungen durchsuchen. Wenn ein Betrof- weis auf „fiese Tricks“, die sie nie angewandt haben will, fener sich aber gegen bestimmte Altmeldungen oder dar- verfälschend sei. Überdies berief sie sich auf das Entfallen auf bezogene Links in den Trefferlisten von Suchmaschinen des öffentlichen Informationsinteresses infolge des Zeit- unter Berufung auf den Zeitfaktor wendet, muss im Ein- ablaufs. zelfall geprüft werden. Dabei gibt es keinen automatischen Gleichklang zwischen der Zulässigkeit der Abrufbarkeit Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde gegen das eines alten Beitrags in einem Archiv und der Zulässigkeit Urteil des OLG Celle zurückgewiesen, das die Klage gegen von dessen Nachweis durch eine Suchmaschine. In beiden Google abgewiesen hatte. Zuvor war auch eine äußerungs- Konstellationen muss aber eine umfassende Abwägung rechtliche Unterlassungsklage der Betroffenen gegen den zwischen den Anonymisierungsinteressen des Betroffenen NDR in allen Instanzen ohne Erfolg geblieben. Das BVerfG und möglicherweise fortbestehenden Informationsinter- beurteilt den Rechtsstreit nach datenschutzrechtlichen essen der Öffentlichkeit vorgenommen werden. So nach- Maßstäben des harmonisierten EU-Rechts (das Medien- vollziehbar das speziell im Fall von Berichten über lange privileg des Datenschutzrechts greift bei Suchmaschinen zurückliegende und verbüßte Straftaten im Grundsatz nicht). So kommen die Grundrechte der EU-Grundrechte- ist – in welchen weiteren Fällen und nach Ablauf welchen Charta (GRCh) zum Zug, namentlich die unternehmerische Zeitraums die Abwägung dann zu einem Löschungsan- Freiheit des Suchmaschinenbetreibers aus Art. 16 GRCh spruch führen kann, ist ebenso ungeklärt wie die Frage, und (gewichtiger noch) die Meinungsfreiheit des NDR und wie dieser speziell bei den Online-Archiven der Medien die Informationsinteressen der Öffentlichkeit sowie auf im Einzelfall in zumutbarer Weise technisch umzusetzen der anderen Seite die Grundrechte der Betroffenen auf ist. Hier wird auf die Gerichte noch viel Arbeit zukommen. Achtung des Privatlebens und Schutz ihrer personenbezo- genen Daten aus Art. 7 und 8 GRCh. Das BVerfG bestätigt im Wesentlichen die vom OLG Celle vorgenommene Ab- wägung. Zutreffend habe das OLG berücksichtigt, dass sich der zugrundeliegende Beitrag auf ein berufliches Verhalten der Beschwerdeführerin beziehe und überdies ein Interview enthalte, zu dem sie selbst ihre Zustimmung gegeben habe. Zutreffend habe es auch auf das Ausmaß der Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentfaltung unter Michael Fricke Berücksichtigung des Zeitablaufs zwischen der ursprüngli- Partner im Geschäftsbereich Gewerblicher chen Veröffentlichung und deren späteren Abrufbarkeit Rechtsschutz bei CMS in Hamburg abgestellt und sei dabei zum Ergebnis gekommen, dass E michael.fricke@cms-hs.com der Beitrag durch ein noch fortdauerndes, wenn auch mit der Zeit abnehmendes öffentliches Informationsinteresse gerechtfertigt sei. Ein Anspruch auf Auslistung sei jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung des OLG, rund sieben Jahre nach der Veröffentlichung des Beitrags, noch nicht gegeben. Konsequenzen für die Praxis So viel steht fest: Das BVerfG hält die zeitlich unbegrenzte Abrufbarkeit ursprünglich rechtmäßiger und abträglicher Altmeldungen in Einzelfällen verfassungsrechtlich für pro- blematisch. Möglichen Löschungsverlangen von Betroffe- nen soll aber auch nicht Tür und Tor geöffnet werden; die Online-Archive der Medien sollen nicht im Bestand gefährdet werden. Inhalteanbieter und Suchmaschinen- betreiber müssen daher auch weiterhin nicht von sich aus 7
Markenrecht EuGH: Im Ausland aufgezogenes Obst und Gemüse darf mit „Ursprung: Deutschland“ gekennzeichnet werden Der Europäische Gerichtshof hat kürzlich entschieden, dass dann mit der Angabe „Ursprung: Deutschland“ verkauft. Pilze, die vollständig in den Niederlanden gezüchtet und Scheinbar überraschend unterlag die Wettbewerbszent- erst kurz vor der Ernte nach Deutschland verbracht worden rale – und zwar in allen Instanzen. Der Grund hierfür: In sind, mit der Angabe „Ursprung: Deutschland“ versehen der EU-Verordnung Nr. 1308/2013 über eine gemeinsame sein dürfen (Urteil vom 4. September 2019, Rechtssache Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse ist C 686 / 17). Der Grund hierfür sind lebensmittelrechtliche in Art. 76 Abs. 1 vorgeschrieben, dass Obst und Gemüse Vorgaben für Obst und Gemüse im Zusammenspiel mit nur dann in den Verkehr gebracht werden darf, wenn das speziellen Zollregelungen. Konsequenzen für andere Pro- Ursprungsland angegeben ist. Was das Ursprungsland ist, duktarten ergeben sich daraus eher nicht. richtet sich wiederum nach dem sog. Zollkodex: (Verord- nung VO [EWG] Nr. 2913 / 92): Danach kommt es bei pflanz- Die Angabe „Made in Germany“ gehört zu den klassischen lichen Erzeugnissen auf das Ernteland an, auch wenn die Problemen des Wettbewerbsrechts: Ist es irreführend, ein Pflanze im Übrigen vollständig in einem anderen Land Produkt so zu bezeichnen, obwohl es nur teilweise in aufgezogen wurde. Deutschland hergestellt wurde? So ist mittlerweile aner- kannt, dass in einer globalisierten, auf Arbeitsteilung be- Mit anderen Worten: Während das Irreführungsverbot ruhenden Produktionswelt nicht mehr der vollständige eigentlich dazu zwingt, die Champignons mit dem Hin- Herstellungsvorgang in ein und demselben Land stattge- weis „Ursprung: Niederlande“ oder bestenfalls „Ursprung: funden haben muss, um ein Produkt mit der Bezeichnung Niederlande und Deutschland“ zu versehen, verlangen „Made in …“ zu versehen. Ebenso klar ist aber auch, dass andere lebensmittel- und zollrechtliche Vorschriften die es nicht völlig egal ist, wo das Produkt in welchem Um- Angabe „Ursprung: Deutschland“. Diese paradoxe Situa- fang hergestellt wurde: Nach dem Bundesgerichtshof ist tion veranlasste den BGH, die Sache dem EuGH vorzule- es für die Zulässigkeit der Angabe „Made in Germany“ gen (Beschluss vom 21. September 2017, Az. I ZR 74 / 16 – notwendig (aber auch ausreichend), dass in Deutschland Kulturchampignons). Er stellte dem Gerichtshof auch die jedenfalls diejenigen Herstellungsschritte stattfinden, durch Frage, ob die unbefriedigende Situation etwa durch auf- die das Produkt seine „qualitätsrelevanten Bestandteile klärende Zusätze aufgelöst werden muss, in denen neben oder wesentlichen produktspezifischen Eigenschaften“ der Ursprungsangabe darüber informiert wird, dass Teile erhält. Werden zum Beispiel Kondome im Ausland herge- der Produktion im Ausland stattfanden. stellt und in Deutschland nur noch verpackt, versiegelt und einer Qualitätskontrolle unterzogen, dürfen sie nicht Der EuGH schloss sich indes dem Generalanwalt und den als „Made in Germany“ bezeichnet werden – andernfalls Vorinstanzen an: Die Angabe „Ursprungsland: Deutsch- werden Verbraucher in die Irre geführt (BGH, Beschluss land“ sei zwingend, egal wie viele Herstellungsschritte im vom 27. November 2014, Az. I ZR 16/14 – Kondome Made Ausland vorgenommen wurden und egal wann das Obst in Germany). Diese Grundsätze gelten auch im Lebens- und Gemüse nach Deutschland verbracht wurde – solange mittelrecht, das dazu in Art. 7 der Verordnung (EU) nur die Ernte in Deutschland stattfindet. Aufgrund dieser Nr. 1169 / 2011 (Lebensmittelinformationsverordnung) klaren und zwingenden Vorgabe könne der Produzent einen speziellen Irreführungstatbestand vorsieht. auch nicht verpflichtet werden, einer möglichen Irrefüh- rung durch klarstellende Zusätze entgegenzuwirken. Ohne Wenn nun Obst oder Gemüse in einem anderen Land dass der EuGH dies ausdrücklich so begründet, sind also aufgezogen wird und nur noch der letzte Schritt – die die Regelungen der Verordnung Nr. 1308 / 2013 und des Ernte – in Deutschland stattfindet, könnte man meinen, Zollkodex spezieller als der Irreführungstatbestand und dass Deutschland nach diesen Maßstäben nicht als Ur- gehen diesem daher vor. sprungsland bezeichnet werden darf. Genau so hat es auch die Wettbewerbszentrale gesehen und einen Pro- Dass die Angabe des Ernteorts als Ursprungsland irre- duzenten von Champignons wegen Verstoßes gegen das führend sein kann, muss also in Kauf genommen wer- Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in An- den. Der EuGH hat sich dazu entschieden, die wider- spruch genommen: Dieser züchtete die Pilze in den Nie- sprüchliche Situation im Sinne der Rechtsklarheit und derlanden und transportierte sie kurz vor der Ernte in „Kul- -sicherheit zugunsten der Hersteller aufzulösen. turkisten“ nach Deutschland. Im Supermarkt wurden sie 9
Markenrecht Nun könnte man geneigt sein, daraus auch Konsequenzen das betreffende Erzeugnis in Verkehr zu bringen, kann für andere Produktarten abzuleiten: Wenn man Obst und nicht zugleich angenommen werden, dass diese Angabe Gemüse mit der Angabe „Ursprungsland: Deutschland“ als solche geeignet wäre, den Käufer […] irrezuführen.“ versehen kann (sogar muss), obwohl die Produkte voll- ständig im Ausland aufgezüchtet wurden, kann ein ähn- liches Vorgehen dann bei anderen Produkten unzulässig sein? Diese Bedenken scheinen im Hinblick auf den Gleich- behandlungsgrundsatz nicht ganz unberechtigt. Es ist aber unwahrscheinlich, dass dieser Widerspruch in absehbarer Zeit gelöst wird, nachdem das höchste europäische Ge- richt entschieden hat, ohne die Frage eines möglichen Grundrechtsverstoßes überhaupt zu thematisieren. Folgt Dr. Nikolas Gregor, LL. M. (Boston), man der Logik des EuGH, liegt im speziellen Fall der Ur- Partner im Geschäftsbereich Gewerblicher sprungsangabe für Obst und Gemüse schon keine Irre- Rechtsschutz bei CMS in Hamburg führung vor: „Ist es aber aufgrund der auf die Zollrege- E nikolas.gregor@cms-hs.com lungen abstellenden Angabe des Ursprungslands zulässig, „Thermomix“ – ein zulässiger Bestandteil von Kochbuchtiteln? Das OLG Köln hatte kürzlich über den Fall einer möglichen Die Beklagte benutze zwar ein mit der Wortmarke identi- Markenverletzung zu entscheiden (Urteil vom 13. Septem- sches Zeichen für identische Ware (Kochbücher), jedoch ber 2019, Az. 6 U 29 / 19), in dem die Beklagte in verschie- nicht herkunftshinweisend als Marke, sondern nur zur denen Kochbuchtiteln die Bezeichnung „Thermomix“ ver- Inhaltsbeschreibung. Der Verkehr sei daran gewöhnt, dass wendet hatte. Sie benutzte dabei die Formulierung „Die Buchtitel in aller Regel einzig als Hinweis auf den Inhalt besten [Name des Verlages]-Rezepte für den Thermomix“. des Buches und zur Unterscheidung von anderen Büchern Der Senat hielt diese Verwendung im konkreten Fall für dienten. Er verstehe daher auch hier die Benutzung nur zulässig. Dieser Beitrag fasst die wesentlichen Entschei- als inhaltsbeschreibendes Merkmal zur Unterscheidung dungsgründe zusammen und beleuchtet Reichweite und von anderen Büchern und nicht als Produktkennzeichen – Grenzen der Zulässigkeit der offenen Verwendung einer wohl wissend, dass das Kochen mit dieser „selbstwärmen- fremden bekannten Marke in Buchtiteln. den Küchenmaschine“ (wie das OLG den „Thermomix“ bezeichnete) besonderer Rezepte bedürfe, die auf die Keine markenmäßige Benutzung nach § 14 Abs. 2 besonderen Funktionen dieser Küchenmaschine abge- Nr. 1 Markengesetz (MarkenG), sondern nur In- stimmt seien. haltsbeschreibung Maßgeblich für diese Beurteilung war u. a. die konkrete Die Klage stützte sich auf die deutsche Wortmarke Art der Benutzung des Zeichens „Thermomix“: Der Name „Thermomix“ – mit Schutz u. a. für Küchenmaschinen, des Verlags befand sich nicht nur im Fließtext direkt vor Kochbücher und elektronische Publikationen, für die der Bezeichnung „Thermomix“, sondern war auch noch auch Bekanntheit geltend gemacht wurde. Das OLG unten links auf dem Cover prominent hervorgehoben. Zu- Köln verneinte zunächst eine Markenverletzung gemäß dem sei der Name des Verlages (der zu den 30 größten § 14 Abs. 2 Nr. 1 Markengesetz – Benutzung eines mit Buchverlagen gehöre) als Herkunftshinweis, insbesondere der Marke identischen Zeichens für identische Waren für Kochbücher, allgemein bekannt. Er und nicht „Ther- oder Dienstleistungen –, weil es an einer markenmäßi- momix“ werde daher auch im vorliegenden Fall als Her- gen Benutzung fehle. kunftshinweis verstanden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäi- Keine ungerechtfertigte unlautere Ausnutzung schen Union und des BGH könne der Inhaber einer Marke der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke der Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nur dann widersprechen, wenn diese Benutzung die we- sentliche Funktion der Marke, den Verbrauchern die Her- Hinsichtlich § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG – unlautere Aus- kunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, nutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft beeinträchtigt oder beeinträchtigen könne. oder Wertschätzung einer bekannten Marke ohne recht- fertigenden Grund – bejahte der Senat zwar alle übrigen 10 | Update Gewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht
Markenrecht Tatbestandsmerkmale, nicht jedoch den des fehlenden an Markenverwendung“ verlangt werden könne, und dass rechtfertigenden Grundes: insbesondere eine sachliche und informative Verwendung eines Zeichens ohne Beeinträchtigung der Herkunfts- Dabei stellte er zunächst klar, dass bei diesem Verletzungs- funktion auch dann zulässig sein könne, wenn sie her- tatbestand keine markenmäßige Benutzung / Beeinträch- vorgehoben erfolge. tigung der Herkunftsfunktion erforderlich sei. Auch auf Verwechslungsgefahr komme es nicht an, sondern es sei Andererseits wird deutlich, dass für die Frage, ob sich die ausreichend, dass die beteiligten Verkehrskreise die einan- Gestaltung im Rahmen eines angemessenen Spielraums der gegenüberstehenden Zeichen gedanklich miteinander hält, eine sorgfältige Prüfung und Gesamtwürdigung aller verknüpfen. relevanten Umstände zu erfolgen hat. Insoweit wird in der Entscheidung eine ganze Reihe von Gestaltungsmerk- Die Bekanntheit der Marke „Thermomix“ hat der Senat malen aufgeführt, die hier offenbar maßgeblich dafür war, dabei nicht nur unterstellt, sondern sogar ausdrücklich dass die Grenze des Notwendigen nicht als überschritten festgestellt. Die Tatsachen, aus denen sich die Bekannt- angesehen wurde: heit ergebe, seien vorliegend allgemein bekannt, dazu gehöre insbesondere, dass sich um den „Thermomix“ Die Kochbücher seien für jeden nutzlos, der nicht über seit langen Jahren ein „Kult“ entwickelt habe. Vor dem einen „Thermomix“ verfüge. Dementsprechend sei ein Hintergrund dieser offenkundigen Tatsachen sei es nicht deutlicher Hinweis erforderlich gewesen, dass sie aus- erforderlich, Beweis über die Bekanntheit der Wortmarke schließlich für diesen bestimmt waren, um eine Irrefüh- zu erheben. rung zu vermeiden, d. h. eine gut lesbare Anbringung auf dem Cover, die auch bis zu einem gewissen Grad hervor- Die Beklagte habe auch die Unterscheidungskraft und gehoben sein könne. Die Marke „Thermomix“ sei dabei Wertschätzung der bekannten Marke ausgenutzt, indem nicht als Hauptmerkmal des Werktitels in den Vorder- sie die Marke in den angegriffenen Titelgestaltungen blick- grund gestellt worden. Der Schriftgröße nach hervorge- fangmäßig verwendet habe, um auf ihre Kochbücher auf- hobener Titel sei vielmehr bei den unterschiedlichen Koch- merksam zu machen. Sie habe sich dadurch die Werbe- büchern jeweils „Low Carb“, „Winterzauber“, „Abend- und Kommunikationsfunktion der bekannten Marke zu essen“ und „Partyfood“, erst darunter dann in geringerer eigen gemacht und sich in deren Sogwirkung begeben, Schriftgröße die Angabe „Die besten [Name des Verlages]- um von dem fremden guten Ruf zugunsten des eigenen Rezepte für den Thermomix“. Absatzes zu profitieren. Der Verkehr werde das Zeichen „Thermomix“ – wie von der Beklagten gewollt – mit der Fazit Marke „Thermomix“ verknüpfen und als Hinweis auf die Produkte der Klägerin wahrnehmen. Ein Buch, das eine Auch wenn der Verlag gewonnen hat: Aus der Entschei- bekannte Marke im Titel führe, erfahre eine wesentlich dung lässt sich kein Freibrief ableiten, die bekannte Marke höhere Aufmerksamkeit und biete einen erheblichen „Thermomix“ – oder gar bekannte Marken im Allgemei- Kaufanreiz. Dieses Ausnutzen sei auch unlauter, weil die nen – in Buchtiteln zu benutzen. Es wird stets ganz ent- Unlauterkeit dem Tatbestandsmerkmal des Ausnutzens scheidend auf die konkrete Titel- und Covergestaltung der Unterscheidungskraft immanent sei, wenn die Marke ankommen. Schon eine noch etwas prominentere Her- in identischer oder ähnlicher Form benutzt werde. ausstellung der bekannten Marke gegenüber anderen Cover-Bestandteilen kann dazu führen, dass keine nur Die Benutzung des Zeichens sei jedoch nicht ohne recht- inhaltsbeschreibende, sondern eine markenmäßige Be- fertigenden Grund erfolgt, vielmehr greife die Schutz- nutzung angenommen wird – oder dass jedenfalls im Rah- schranke des § 23 Nr. 3 Markengesetz ein. Diese Vorschrift men des § 23 Nr. 3 MarkenG die Grenze der Notwendigkeit privilegiere die offene Verwendung einer fremden Marke als Hinweis auf die Bestimmung der Ware als überschritten als Hinweis auf die Bestimmung der eigenen Ware unter angesehen wird. Hier ist bei der Covergestaltung Finger- der Voraussetzung, dass die Benutzung dafür notwendig spitzengefühl gefragt. ist und nicht gegen die guten Sitten verstößt. Die Benutzung sei notwendig, wenn die Information über den Zweck der Ware anders nicht sinnvoll übermittelt werden könne. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liege vor, wenn die Benutzung den anständigen Gepflogen- heiten in Gewerbe und Handel widerspreche. Hier hielt sich die Benutzung nach Auffassung des Senats unter Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände noch im Rahmen der notwendigen Leistungsbestimmung. Petra Goldenbaum Dabei war dem Senat einerseits die Feststellung wichtig, Counsel im Geschäftsbereich Gewerblicher dass insoweit ein Gestaltungsspielraum bestehe, als keine Rechtsschutz bei CMS in Hamburg. Beschränkung auf das „unbedingt notwendige Minimum E petra.goldenbaum@cms-hs.com 11
Markenrecht LG Düsseldorf: keine „Malle auf Schalke“-Partys mehr ohne Lizenz Wer Partys unter dem Titel „Malle auf Schalke“ oder mit Schalke“ auf der Internetseite des Partyveranstalters einer ähnlichen Bezeichnung veranstalten möchte, sollte zumindest auch als Unterscheidungszeichen für die be- sich vorher markenrechtlich absichern. Das zeigt der Aus- worbene Veranstaltung ansehen. Die Worte seien auch gang eines jüngst vor dem LG Düsseldorf geführten Rechts- nicht rein beschreibend, sondern vielmehr herkunftshin- streits. weisend. Denn die von der Bewerbung der Party ange- sprochenen Verbraucher würden erkennen, dass die Wer- Der Inhaber der seit 2002 beim Amt der Euro späischen bung und die Party einen Bezug zu einem bestimmten Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eingetragenen Wort- Veranstalter, einem Sponsor oder dem Lizenzgeber einer marke „Malle“ wehrte sich wiederholt gegen die Nutzung Veranstaltungsreihe haben. An einem solchen Bezug des Wortes „Malle“ zur Bezeichnung verschiedener fehle es lediglich bei rein beschreibenden Begriffen wie Partyreihen. Die Wortmarke beansprucht Schutz unter etwa „Sommer ade –Party olé!“. anderem in der Nizza-Klasse 41 für die Dienstleistungen „Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Das LG Düsseldorf bestätigte ferner die markenmäßige Party-Organisation, Party-Durchführung“. Die Bezeich- Verwechslungsgefahr. Hierbei sei eine Einzelfallbetrach- nungen „Malle Party“, „Malle im Zelt“ oder „Malle Break“ tung vorzunehmen, bei der insbesondere der jeweilige sind beliebte Partynamen – so auch „Malle auf Schalke“. Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen Unter diesem Titel betrieb ein Partyveranstalter eine für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr entscheidend Internetpräsenz, auf der er seine Schlagerparty unter sei. Vorliegend bestehe zwischen „Malle“ und „Malle auf dem Motto „Malle auf Schalke“ bewarb. Nachdem der Schalke“ eine starke schriftbildliche, klangliche und begriff- Inhaber der Wortmarke „Malle“ eine Unterlassungsver- liche Ähnlichkeit. Das Wort „auf Schalke“ trete im Ge- fügung gegen den Partyveranstalter erwirkte, legte samteindruck hinter „Malle“ zurück. Auch sei es rein der Partyveranstalter Widerspruch ein. beschreibend zu verstehen, da die Party in der Veltins- Arena – in dem Stadion des Vereins Schalke – stattfand. Das LG Düsseldorf bestätigte die einstweilige Verfügung. Es stellte in seinem Urteil vom 29. November 2019 Der Rechtsstreit ist mittlerweile beendet. Die Entscheidung (Az. 38 0 96 / 19, nicht rechtskräftig) auf die Regeln der des LG Düsseldorf zeigt, dass auch vermeintlich unverfäng- Verordnung (EU) 2017 / 1001 vom 14. Juni 2017 über die liche Ortsangaben in besonderen Fällen Markenschutz Unionsmarke ab. Die Dringlichkeit für ein Vorgehen im genießen können und dann nur mit der Erlaubnis des Verfügungsverfahren sei nicht dadurch widerlegt, dass Rechteinhabers genutzt werden dürfen. Eine sorgfältige der Partyveranstalter ein Löschungsverfahren gegen die Recherche rechtzeitig vor der geplanten Nutzung ist daher streitgegenständliche Marke betreibt. Der Verfügungs- anzuraten. grund entfalle ferner nicht aufgrund einer offensichtlichen Schutzunfähigkeit der Wortmarke „Malle“. Zwar sei davon auszugehen, dass den deutschsprachigen Verkehrskreisen der umgangssprachliche Begriff „Malle“ als geografische Angabe zur Benennung der Ferieninsel Mallorca bekannt sei. Dies reiche jedoch für die Annahme einer Schutzun- fähigkeit nicht aus. Es müsse vielmehr festgestellt werden können, dass zum entscheidenden Zeitpunkt der Eintra- gung im Jahr 2002 die Bezeichnung „Malle“ eine geo- grafische Bezeichnung für die Insel Mallorca gewesen sei und als solche nicht hätte eingetragen werden dürfen. Das habe der Partyveranstalter jedoch nicht ausreichend vorgetragen und glaubhaft gemacht. Benedicta von Rauch Das LG Düsseldorf bejahte im Rahmen der Prüfung des Rechtsanwältin im Geschäftsbereich Verfügungsanspruchs die markenmäßige Benutzung. Der Gewerblicher Rechtsschutz bei CMS in Berlin. Verkehr werde die Benutzung der Worte „Malle auf E benedicta.vonrauch@cms-hs.com 12 | Update Gewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht
13 Markenrecht
Kartellrecht OLG Düsseldorf: Gespräche über die Preisgestaltung des Handels im Einzelfall erlaubt Dürfen Hersteller mit ihren Händlern während laufender verhalten von Reuter nach § 21 Abs. 2 Gesetz gegen Vertragsbeziehungen über die preisliche Positionierung Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Eine unzulässige ihrer Produkte sprechen? Wann drohen kartellrechtliche Willensbeugung durch Drohung mit einer Liefersperre Sanktionen? oder Kündigung habe nicht vorgelegen. Das OLG befasste sich zunächst mit den Voraussetzungen des Umgehungs- Das OLG hat jüngst entschieden, dass bloße Bitten um verbots nach § 21 Abs. 2 GWB: Die Norm schützt die die Berücksichtigung eigener wirtschaftlicher Belange unternehmerische Entscheidungsfreiheit vor externer noch keine verbotene Einwirkung auf die Preissetzungs- Einflussnahme und beugt zugleich der Gefahr vor, dass hoheit des Vertriebspartners darstellen müssen (OLG die gesetzlichen Wettbewerbsverbote umgangen werden. Düsseldorf, Urteil vom 18. September 2019 – VI-U [Kart] Zu diesem Zweck dürfen Unternehmen anderen Unter- 3 / 19, noch nicht rechtskräftig). Die Entscheidung gibt nehmen keine Nachteile androhen, um sie zu einem Ver- wichtige Hinweise für die Praxis. halten zu veranlassen, das nach dem GWB oder nach Art. 101, 102 Vertrag über die Arbeitsweise der Europä- Der Fall ischen Union (AEUV) nicht zum Gegenstand einer ver- traglichen Bindung gemacht werden darf. Als Nachteil ist Der Möbelhersteller Cor und der Online-Händler Reuter jedes vom Adressaten empfundene Übel zu verstehen, hatten im Jahr 2012 einen Vertriebsvertrag geschlossen, das bei objektiver Beurteilung geeignet ist, seinen Willen durch den Cor seine Produkte erstmals auch über den zu beeinflussen und ihn zu einem wettbewerbsbeschrän- Online-Handel vermarkten wollte. Ende 2013 warb Reuter kenden Verhalten zu bestimmen. Ein solches ist bereits für Cor-Produkte mit Rabatten von 10 %, bezogen auf die jedes ernsthafte Inaussichtstellen eines Druckmittels, bei unverbindliche Preisempfehlung. Hierüber beschwerten dem der Adressat unter normalen Umständen und nach sich mehrere stationäre Händler bei Cor und drohten mit verständiger Würdigung davon ausgehen muss, dass die der Beendigung ihrer Vertriebsverträge. Daraufhin suchte angedrohte Maßnahme tatsächlich ausgeführt werden Cor das Gespräch mit Reuter und sprach dessen Preis- könnte. Auf einen Erfolg kommt es nicht an. setzung und die Reaktion des übrigen Handels an. Der genaue Inhalt des Gesprächs ergibt sich aus den Urteils- Weiter bestätigte das OLG Düsseldorf im Ergebnis auch gründen nicht. Knapp zwei Jahre später kündigte Cor den die Ansicht des Bundeskartellamts (BKartA) in dessen Vertrag mit Reuter unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Hinweispapier zum Preisbindungsverbot im Lebensmitte- In einem späteren Schreiben begründete Cor die Kündi- leinzelhandel, dass bei der Beurteilung, ob unzulässiger gung mit schwachen Umsätzen und fehlendem Wachs- Druck ausgeübt wird, insbesondere auch ein bestehendes tum. Noch während der Vertragslaufzeit bewarb Reuter Machtgefälle zwischen den Unternehmen in die Einzelfall- die Produkte von Cor in mehreren Aktionen mit Rabatten bewertung mit einbezogen werden muss. Richtigerweise von bis zu 35 %, bezogen auf die unverbindliche Preis- kommt es nämlich nicht allein darauf an, was gesagt wird, empfehlung. sondern auch darauf, wer sich äußert und wie diese Äu- ßerung objektiv zu verstehen ist. Insofern ist nicht jeder Mit einer Klage vor dem LG Dortmund (Urteil vom 25. Austausch zwischen einem Lieferanten und seinem Händ- Februar 2019 – 8 O 16 / 16 [Kart]) machte Reuter nach ler über die Preisbildung als unzulässige Einwirkung auf Ende des Vertrags unter anderem Schadensersatzansprü- die Willensbildungs- und Entschließungsfreiheit zu werten. che wegen entgangenen Gewinns geltend. Cor hätte in Ein Verstoß gegen § 21 Abs. 2 GWB liegt erst vor, wenn unzulässiger Weise Druck auf die Preisgestaltung ausge- eine umfassende Einzelfallwürdigung ergibt, dass von dem übt, indem angeblich unter Androhung der Kündigung Abnehmer ein bestimmtes Preisbildungsverhalten erwar- deutlich gemacht worden sei, dass die unverbindlichen tet wird und er für den Fall der Nichterfüllung einen Preisempfehlungen einzuhalten und keine höheren Rabatte Nachteil zu besorgen hat. als 5–6 % zu gewähren seien. Das LG Dortmund wies die Klage ab. Auch die Berufung von Cor vor dem OLG Im Fall Reuter / Cor sei es bereits tatbestandsmäßig nicht Düsseldorf hatte keinen Erfolg. zu einer solchen Druckausübung gekommen. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass Cor mit einem Jahresum- In seiner Entscheidung verneinte das OLG Düsseldorf eine satz von ca. EUR 30 Mio. schwerlich in der Lage gewesen rechtswidrige Einwirkung von Cor auf das Preissetzungs- sein dürfte, seinen deutlich größeren Händler, der auf 14 | Update Gewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht
Kartellrecht einen jährlichen Umsatz von ca. EUR 200 Mio. komme, steht, sind allerdings auch die Umstände des Einzelfalles unter Druck zu setzen. Der Vertrieb der Produkte von Cor zu berücksichtigen. Besteht ein erhebliches Machtgefälle mache für Reuter nur einen Anteil von etwa 0,1 % des zum Nachteil des Abnehmers, kann auch eine mit „guss- Umsatzes aus, sodass eine wirtschaftliche Abhängigkeit eiserner Freundlichkeit“ geäußerte Bitte objektiv als er- nicht bestehe. Die umgekehrten Machtverhältnisse hät- hebliche Druckausübung verstanden werden. Dennoch ten sich daran gezeigt, dass Reuter wiederholt umfang- sollte das Urteil des OLG Düsseldorf insbesondere mittel- reiche Rabattaktionen gestartet habe, obwohl Reuter aus ständischen Unternehmen Mut geben, während laufen- den Vertragsverhandlungen gewusst habe, dass Cor ein der Vertragsbeziehungen mit ihren Händlern über die einheitliches Preisniveau wichtig gewesen sei. In derartigen preisliche Positionierung der Produkte zu sprechen, wenn Fällen, in denen der Lieferant das deutlich kleinere Un- diese mit übermäßigen Rabatten die grundsätzliche Preis- ternehmen ist, könne seine Bitte, die sich darin erschöpft, würdigkeit und damit das Produktimage gefährden. dass bei der Preisgestaltung auch auf seine wirtschaftli- chen Belange Rücksicht genommen wird, nicht zu einer unzulässigen Einflussnahme führen. Diese Sichtweise ist konsequent, bedenkt man, dass die Aufnahme von Ge- schäftsbeziehungen davon abhängig gemacht werden darf, ob die absehbare Preisgestaltung des Händlers mit den Vorstellungen des Lieferanten über die Platzierung des Produkts am Markt vereinbar ist. Insofern muss es Lieferanten auch während der Vertragsbeziehung mög- Dr. Markus Schöner, M.Jur. (Oxford) lich sein, auf ihre Preisstrategie hinzuweisen, ohne dass Partner im Geschäftsbereich Kartellrecht dies schon als unzulässiger Druck verstanden wird. bei CMS in Hamburg. E markus.schoener@cms-hs.com Konsequenzen für die Praxis Die Entscheidung des OLG Düsseldorf betrifft die prak- tisch wichtige Frage, wie ein Lieferant reagieren darf, wenn sein Händler die Marke und das Produktimage durch übermäßige Rabatte gefährdet. Zum Vorteil der Lieferan- ten hat das Gericht nunmehr entschieden, dass nicht jeder Austausch über die Preisgestaltung gegen geltendes Recht Lukas Fries verstößt. Wer seinen Vertriebspartner lediglich bittet, bei Referendar im Geschäftsbereich der Preisgestaltung auf seine Belange Rücksicht zu neh- Kartellrecht bei CMS in Hamburg. men, respektiert weiter dessen Preissetzungshoheit. Zur E referendar.lukas.fries@cms-hs.com Beurteilung der Frage, ob „lediglich“ eine Bitte im Raum 15
Know-how-Schutz „Geheimnisschutz-Compliance“ – ein Muss für Unternehmen und Unternehmensinhaber Seit dem 26. April 2019 ist in Deutschland das Gesetz stellt nicht den problematischen Fall dar. Aktives Tun ist zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in kontrollierbar und stellt die Unternehmen in diesem Zu- Kraft. Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, sammenhang nicht vor besondere Herausforderungen. die neuen Anforderungen zum Schutz ihrer Geschäfts- geheimnisse wie z. B. Innovationsideen, Kundenlisten Anders sieht es da schon bei dem weiteren unter § 4 und Vertriebsstrategien umzusetzen. Oft wird dabei GeschGehG geregelten „Handlungsverbot“ aus. Nach übersehen, dass sich Unternehmen nicht nur beim Schutz der Regelung des § 4 Abs. 3 GeschGehG darf der eigenen Geschäftsgeheimnisse gut aufstellen, sondern auch Maßnahmen implementieren sollten, um eine Haf- tung für die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen Dritter „ein Geschäftsgeheimnis […] nicht erlangen, zu vermeiden. Ansonsten kann es schnell teuer werden. nutzen oder offenlegen, wer das Geschäftsge- Unternehmen ist zu raten, ein „Geheimnisschutz-Com- heimnis über eine andere Person erlangt hat pliance-Konzept“ einzuführen. und zum Zeitpunkt der Erlangung, Nutzung oder Offenlegung weiß oder wissen müsste, Nach dem neuen Gesetz müssen Unternehmen „ange- dass diese das Geschäftsgeheimnis [unbe- messene Geheimhaltungsmaßnahmen“ ergreifen, um wei- rechtigt] genutzt oder offengelegt hat“. terhin Schutz für ihre Geschäftsgeheimnisse zu genießen. Eine Übergangsfrist ist nicht vorgesehen. So müssen Mar- ketingkonzepte und Patentideen beispielsweise durch Problematisch ist dabei, dass diese Regelung auch eine Geheimhaltungsmaßnahmen, Zugriffsbeschränkungen Haftung vorsieht, wenn eine schuldhafte Unkenntnis und Verschlüsselung gesichert werden. Soweit solche hinsichtlich der Verletzungshandlung der anderen Person Maßnahmen im Unternehmen schon existieren, müssen besteht. sie nunmehr zumindest auf die einzelnen Kategorien von Geschäftsgeheimnissen abgestimmt werden. Viele Unter- Das hier bestehende Risiko lässt sich anhand einer Ent- nehmen sind deshalb damit beschäftigt, ein umfassendes wicklungskooperation zwischen zwei Unternehmen ver- Schutzkonzept auszuarbeiten, um nicht Gefahr zu laufen, deutlichen, bei der beide Unternehmen ihr relevantes den Schutz für ihre Geschäftsgeheimnisse zu verlieren. „Background-Know-how und IP“, die bereits vor Beginn Die Herausforderung dabei: Das Gesetz gibt keinerlei der Entwicklungsarbeiten auf jeder Seite unabhängig von Hinweise, wie die Geheimhaltungsmaßnahmen konkret der Kooperation bestanden, in die Kooperation einbringen. aussehen müssen, damit diese auch „angemessen“ sind. Prüft einer der Kooperationspartner nicht ausreichend, ob das eingebrachte Background-Know-how und IP des Doch Unternehmen sollten einen wichtigen anderen As- anderen Partners unberechtigt erlangte Geschäftsgeheim- pekt des neuen Gesetzes nicht übersehen. Es regelt näm- nisse von Dritten beinhaltet, so setzt er sich unter Um- lich detailliert die Haftung bei der Verletzung von Ge- ständen dem Vorwurf der schuldhaften Unkenntnis aus. schäftsgeheimnissen Dritter. Es wäre also falsch, sich Danach könnte es sinnvoll sein, dass im Kooperationsver- ausschließlich auf den Schutz der eigenen Geschäftsge- trag vorgesehen wird, dass eingebrachtes Know-how heimnisse zu konzentrieren. Vielmehr gilt es, neben den und IP keine unberechtigt erlangten Geschäftsgeheim- bestehenden Schutzlücken auch solche Lücken zu schlie- nisse Dritter beinhalten darf. Selbstverständlich gilt dies ßen, die einen unberechtigten „Zufluss“ von Geschäfts- nicht nur für Background-Know-how und IP, sondern auch geheimnissen Dritter erlauben. Die „Renovierungsarbeiten“, hinsichtlich des neu entwickelten Know-hows und IPs die Unternehmen aufgrund des neuen Gesetzes durch- („Foreground-Know-how und IP“). führen sollten, müssen also in beide Richtungen gehen. Auch bei Neuanstellungen sollte das Haftungsrisiko be- Umfangreiche Haftungsregelungen achtet werden. Gerade bei der Neubesetzung von Schlüs- selpositionen kann es seitens des Neuangestellten eine Nach § 4 Abs. 1 GeschGehG ist es untersagt, ein Geschäfts- unscharfe Trennlinie zwischen nutzbarem Bestandswissen geheimnis eines Dritten durch aktives Tun (z. B. unbefugte und unzulässiger Nutzung von Geschäftsgeheimnissen Aneignung oder unbefugtes Kopieren) in unberechtigter des Alt-Arbeitgebers geben. Es ist natürlich reizvoll, an Weise abzuziehen, zu nutzen oder offenzulegen. Doch dies Letzterem zu partizipieren, insbesondere, wenn der 16 | Update Gewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht
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