Die digitale Transformation in klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) Zukunftsfit durch Aus- und Weiterbildung - Astrid Dirks M.A ...
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Headline Die digitale Transformation in klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) Zukunftsfit durch Aus- und Weiterbildung Astrid Dirks M.A. Band 2 der Schriftenreihe der Stiftung flexible Arbeitswelt
Die Stiftung Vorwort Der Arbeitsmarkt und die Arbeitswelt befinden sich Die Digitalisierung beein- in einem ständigen Veränderungsprozess. Die de- flusst alle Bereiche unse- mografische Entwicklung und die Digitalisierung res Lebens und Arbeitens. werden die Arbeitswelt in den nächsten Jahrzehn- Am Smartphone ist praktisch zu erfahren, was ten nachhaltig verändern. Die Stiftung flexible Ar- bereits alles mithilfe von Apps erledigt wer- beitswelt möchte diesen Prozess im Austausch mit den kann – aktuell sei dabei der digitale Impf- Wirtschaft, Wissenschaft und Politik begleiten und pass zu erwähnen. Dieser Prozess wird auch in sich in den wissenschaftlichen und politischen Pro- Zukunft beständig voranschreiten. zess einbringen. Insbesondere hat die Digitalisierung Auswir- kungen auf die Arbeitswelt. Dabei werden alle Es geht um Fragen wie: Wollen die Menschen mor- Unternehmen, unabhängig von Größe und gen arbeiten? Was ist ihnen wichtig? Wie sehen jun- Branche, erfasst. In Band 2 der Schriftenreihe ge Menschen ihre Perspektiven auf dem sich rasant der Stiftung flexible Arbeitswelt gehen wir auf verändernden Arbeitsmarkt? Und: Was braucht die jene Entwicklungen infolge der Digitalisierung Wirtschaft? Welche Anforderungen stellen die Un- ein. Frau Astrid Dirks M.A. nimmt sich des The- ternehmen morgen an ihre Mitarbeiter? mas „Die digitale Transformation in klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) – Zu- Als gemeinnützige Stiftung liegt der Fokus auf der kunftsfit durch Aus- und Weiterbildung“ an Förderung von Bildung, insbesondere mit Blick auf und zeigt anhand von Praxisbeispielen aus die wachsende Flexibilisierung der Arbeitswelt, dem Arbeitsalltag einer Elektroinstallations- des Personaleinsatzes und der Firma auf, wie sich digitales Verständnis ent- Beschäftigungsverhältnisse. wickeln kann. Da jedes Unternehmen anders aufgestellt ist, handelt es sich hierbei nicht um ein universell übertragbares Konzept. Der vorliegende Text soll daher eine Hilfestellung sein und Anregungen zur Umsetzung der Di- gitalisierung in klein- und mittelständischen Unternehmen liefern. Thomas Hetz Geschäftsführender Vorstand 2 3
Inhaltsverzeichnis Die Stiftung flexible Arbeitswelt 2 Vorwort 3 1 Einleitung 7 Ein solider Mittelständler – Firma Elmrot 2 12 Elektroinstallationen Digitalisierung in KMU – Wie kann das 3 14 gehen? Digitale Kompetenz – Was ist gemeint und 4 20 was wird gebraucht? 5 Betriebliche Umsetzung 24 6 Lernen in der Aus- und Weiterbildung 33 Lernen mit digitalen Medien – Software 7 36 als Taktgeber 8 Weiterbildung ist (auch) Chefsache 42 Weiterbildung in der Firma Elmrot Elektro- 9 46 installation 10 Ausblick und Handlungsempfehlung 50 Astrid Dirks 52 Literaturverzeichnis 53 4
1 Einleitung „Die Digitalisierung und die digitale Transformati- on sind nur etwas für die Großen, die Global Player und die Marktführer.“ Diese Aussage, in der Ver- gangenheit oftmals gehört oder gelesen, ist nicht vollständig, denn es fehlt das Wort „nicht“: „Die Di- gitalisierung und die digitale Transformation sind nicht nur etwas für die Großen […]“! Eine digitale Transformation bezeichnet Verän- derungsprozesse in Betrieben, die unter Einfluss digitaler Tools und Daten umgesetzt werden. Ein solcher technologischer Wandel eröffnet auch Klein- und Mittelständlern aller Branchen die Mög- lichkeit, das eigene Geschäftsmodell an die Digi- talisierung anzupassen und einen betrieblichen Mehrwert zu generieren. Wie kann das gelingen? Was müsste getan werden? Der nachstehende Text stellt Arbeitsabläufe in klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) unter den Einwirkungen der Begriffe der „Industrie 4.0 (I 4.0)“, „Digitalisierung“ und „künstlichen Intel- ligenz (KI)“ vor. Daran anschließend werden einige Aspekte zum Themenbereich der Aus- und Weiter- bildungen erläutert und Handlungsempfehlungen gegeben. Seit dem ersten Auftreten auf der Hannover Messe im Jahr 2013 (damals noch mit dem Zusatz „Integra- ted Industry“) haben sich die Begriffe in Windeseile über den ganzen Globus verbreitet und in alle wirt- schaftlichen, gesellschaftlichen und persönlichen Bereiche hineinvernetzt. 6 7
Softwaregesteuerte und durch das Internet verbundene füllen ganze Abteilungen in Buchgeschäften, Informationen Industrie-Produktionsmaschinen prägten die Namens- im Internet gibt es an jeder virtuellen Ecke. Sich entziehen ist gebung in der 4. Industriellen Revolution. Daraus leitete einfach unmöglich. Die Corona-Pandemie mit ihren Auswir- sich eine 4.0-Spezifikation ab und schnell war diese Versi- kungen ab dem Frühjahr 2020 hin zum Social Distancing und onsnummer das Codewort für eine internetbasierte 4.0-Ver- Homeoffice hat diesen Trend noch einmal verstärkt. netzung: Arbeiten, Leben, Kochen 4.0 usw. drangen in den Sprachgebrauch und die Lebenswirklichkeit ein. Es gibt keine technologische Entwicklung, deren Auswirkun- gen sich so kleinteilig und nachhaltig in das Leben der meis- Heute gibt es in großen Teilen der Welt kaum ein Unter- ten Menschen, gewollt oder ungewollt, geschleust hat. nehmen, eine Geschäftsidee oder einen Tagesablauf, die ohne den Datenaustausch über das Internet funktionieren Menschen stehen morgens, geweckt vom Signalton ihres würden. Das Internet, gemeint ist ein schnelles Netz zum Smartphones, auf, kontrollieren auf dem Gerät die Nach- Datenaustausch, ist zur Lebensgrundlage der 4.0-Welt ge- richten, den Wetterbericht und die Termine des Tages. In worden und ein Prozessbeschleuniger und -garant für einen der digital-vernetzten Küche wurde das Frühstück von den grenzenlosen Datenaustausch als Geschäftsgrundlage rund Geräten auf die Minute genau zubereitet, die Tageszeitung um die Uhr: 24/7. steckt nicht mehr im Briefkasten, sondern im pdf-Format auf dem Tablet und dann geht es entweder an den Schreibtisch Die Begriffe der Digitalisierung und der künstlichen Intelli- im Homeoffice oder mit dem autonomen elektrischen Auto genz (englisch: Artificial Intelligence AI), haben in den ver- bzw. E-Bike an den Arbeitsplatz. Im Smartphone oder Tablet gangenen Jahren die begriffliche Dominanz erobert und die wird der analoge Arbeitstag digital gespiegelt. Das Essen Software bestimmt das globale Lernen, Denken und Han- wird per App bestellt, ebenso das Date für das Wochenen- deln. de organisiert. Der Sport wird mit der Fitness-App getrackt und bevor der Film im Internet gestreamt wird, gibt es noch Die Informationsfülle zu diesem Themenbereich ist gigan- ein Kaltgetränk aus dem Kühlschrank. Der registriert den tisch. An Universitäten und Hochschulen, in Digitallaboren Restbestand an Getränken und bestellt eigenständig und und Unternehmen wird nonstop geforscht, entwickelt und online beim Lieferanten Nachschub. Die Befüllung des Kühl- getestet. Projekte und Programme bringen in kurzen Ab- schranks erfolgt derzeit analog durch die Menschen. Hu- ständen Erkenntnisse und Produkte für das Leben und Ar- manoide Roboter wie Pepper werden das zukünftig leisten beiten in der digitalen Welt auf den Markt. können. Publikationen, Informationsveranstaltungen (analog und di- gital), Webinare und digitale Lernformate stürmen nahezu auf die Menschen ein. Bücher und Zeitschriften zum Thema 8 9
Digitalisierungsprozesse haben alle Lebens- und Arbeits- und folgenlos vorüberziehen. Die Digitalisierung und KI sind bereiche erfasst. Diese Entwicklung ist nicht rückgängig zu kein technischer Modetrend, der schon wieder verebben machen. Im Gegenteil, sie legt immer mehr an Tempo zu und wird. Sie sind eine technische Entwicklung, die global das funktioniert immer präziser und detaillierter. Lernen, Denken und Handeln verändert und deren Nichtbe- achtung einer Realitätsverweigerung gleichkommen würde. Der Getränkehändler aus dem Beispiel nimmt die Ge- „Oh, bitte nicht noch eine Broschüre über Digitalisie- tränkebestellung des Kühlschranks nicht persönlich rung“, werden Sie nun vielleicht denken. „Ich habe schon oder telefonisch entgegen. Die vom Kühlschrank über- genug davon gehört und das ist ja doch eher etwas für die sandten vollständigen Bestelldaten werden im System des Großen am Markt und nicht für unser kleines oder mittel- Getränkehändlers in eine Bestellung gewandelt, die Ware ständisches Unternehmen“. (je nach Größe des Lagers) vom Mitarbeiter mit analoger Muskelkraft oder über selbstfahrende und -agierende Ser- Hier wird nachstehend in kurzer und knapper Form mit prak- viceroboter zusammengetragen, auf den Auslieferungswa- tischen Beispielen ins Thema eingeführt. Die Praxisbeispiele gen geladen und dann beim Kunden körperlich angeliefert. aus der Firma Elmrot Elektroninstallationen zeigen Ihnen, Zukünftig können diese Auslieferungswagen autonom fah- wo Digitalisierungsprojekte in Betrieben ansetzen können ren und die Ware beim Kunden abladen sowie das Leergut und wie Sie und Ihre Belegschaft fit für den digitalen Wan- wieder mitnehmen. Aus diesen Auftragsdaten generiert die del werden, wie sich digitale Kompetenz entwickeln kann. Buchhaltungsabteilung die Rechnung und die Buchhaltungs- Dieser Text ist kein verordnetes Rezept, welches für KMU software bucht den Rechnungsbetrag vom Bankkonto des einheitlich wirkt und hilft. Er kann Ihr Einstieg ins Thema und Kunden ab. in Ihre Projekte sein, Impulse geben und zum Nachdenken und Mitmachen anregen. Ist das die neue Lebens- und Arbeitswelt? Diese Frage ist gleichzeitig mit Ja und Nein zu beantworten. Einzelne Kom- Über ein Feedback freuen sich die Stiftung flexible Arbeits- ponenten in dieser Prozesskette sind bereits in sehr vielen welt in Berlin und die Autorin. Unternehmen und Haushalten im Einsatz. Oftmals werden sie gar nicht mehr aktiv wahrgenommen, sondern gehören zum Ablauf schon mit dazu. Das Beispiel zeigt auf, dass die Digitalisierung und die KI die Geschäftsmodelle aller Unternehmen, egal welcher Größe und Sparte, beeinflussen und verändern. Das gilt auch für die Unternehmen, die sich aktiv gegen diese Prozesse sper- ren. Auch an ihnen werden Digitalisierung und KI nicht spur- 10 11
2 Ein solider Mittelständler – Firma Elmrot Elektroinstallationen Der vorbenannte internetfähige Kühlschrank ge- Ähnlich geht es gegenwärtig dem jetzigen Chef, der die hört dem Juniorchef der Firma Elmrot Elektroinstal- Begriffe der Industrie 4.0, Digitalisierung und KI über sei- lationen. Die Firma wird als Familienunternehmen nen Sohn kennenlernt. Der Juniorchef sieht seine Aufgabe geführt. Gegründet hat sie der Seniorchef Elmrot, im Familienunternehmen in der Einführung digitaler Tools der das Unternehmen vor knapp 20 Jahren an sei- und einer modernen und agilen Betriebsführung. Auch er nen Sohn und die Schwiegertochter übergeben möchte das Unternehmen zukunftsfit machen und wertet hat. Die Firma verrichtet Elektroinstallationen in Digitalisierung und KI als einen großen Wachstumsmarkt, Neu- und Umbauten für Privatpersonen und Unter- dem sich die Firma Elmrot Elektroinstallationen nicht ent- nehmen, Reparaturen und Wartungen. Zum Betrieb ziehen kann. gehört ein kleines Ladengeschäft mit Weißware und Ersatzteilen. Das Firmengelände liegt in einem Im folgenden Text werden die Erklärungen und Beispiele auf Gewerbegebiet an der Peripherie einer Kreisstadt. die Firma Elmrot Elektroinstallationen projiziert. Der Betrieb bildet die Berufsbilder „Elektroniker/in - Energie- und Gebäudetechnik“ und „Kaufmann/- frau Einzelhandel“ aus. Der größte Teil der Fach- kräfte hat bei Fa. Elmrot die Ausbildung absolviert. Es besteht ein persönliches Verhältnis zwischen Familie Elmrot, den Mitarbeitenden, Kunden und Lieferanten. Als der Chef das Unternehmen von seinem Vater, dem Seniorchef, übernahm, musste er es aufgrund des damals entwickelten neuen Umwelt- und Ener- gieverständnisses inhaltlich umstrukturieren, neue Technologien verstehen und einführen und den Betrieb zukunftsfit machen. In diese Zeit fiel die Umsetzung der Erkenntnis, dass Atomstrom nicht unbegrenzt aus der Steckdose kommt, sondern Energie einen ressourcensparenden Umgang er- fordert. Seniorchef Elmrot konnte diesen Wandel lange nicht nachvollziehen. Heute hat auch er sich an die energiesparende Technik in Haus, Auto und Umwelt gewöhnt. 12 13
Digitalisierung in KMU 3 - Wie kann das gehen? Die Digitalisierung, also die Transformation und schaft dieses Einkaufserlebnis wie vor 50 oder 100 Jahren, Nutzung von analogen Werten in digitalen Forma- weil er weiß, dass besonders die amerikanischen und asia- ten, schreitet in immer rasanterem Tempo voran. tischen Kunden das als Urlaubserlebnis schätzen. Er muss Den Überblick und die Entwicklungsgeschwindig- seine Barverkäufe werktäglich nach Geschäftsschluss per keit zu verlieren ist einfach und schnell. Im Thema Hand noch einmal nacherfassen, um die Buchhaltung aktu- zu bleiben und dieses für das eigene Unternehmen ell und abrechnungskonform zu halten. Diese Nostalgie und sinnvoll nutzbar zu machen, ist eine Herkulesauf- den Aufwand als Geschäftsmodell im Verkauf können sich gabe, der es sich zu stellen gilt. Unternehmen und nur sehr wenige Unternehmen leisten. Wareneinkauf und Unternehmer, die sich dieser Entwicklung entzie- Geschäftskommunikation außerhalb des Ladengeschäfts hen, nehmen für sich und ihre Mitarbeitenden das verlaufen auch dort heute digital. Risiko auf sich, in absehbarer Zeit nicht mehr kom- munikations- und handlungsfähig zu sein, da be- Die Digitalisierung in KMU bedeutet ein Arbeiten im Internet stimmte Entwicklungen nicht mitgemacht werden oder unter Einsatz internetbasierter Tools, Software, Geräte (können). Das wäre so, als würde bewusst auf das und Maschinen. Mensch und Maschine kommunizieren über Update der Buchhaltungssoftware verzichtet wer- das Internet miteinander. Dabei werden Daten erzeugt, die den und eine Steueranmeldung dadurch nicht mehr Handlungen und Bedarfe unter Einsatz von KI planen und möglich sein. berechnen können. Aus ihnen lassen sich vorausschauend Vorbereitungen treffen. Komplexe Denk- und Handlungs- Die Frage lautet daher nicht, ob ein Unternehmen muster werden übersichtlicher. Diese Aspekte erfahren seit beim Megatrend Digitalisierung und KI mitmacht, dem Frühjahr 2020 pandemiebedingt eine immense Bedeu- sondern welche Schritte wie erfolgen müssen, tung und Dringlichkeit. Zögerliches Abwarten wird nun von um das Unternehmen erfolgreich in der Industrie der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle abgelöst. 4.0-Epoche am Markt zu halten und zu stärken. Der Chef kalkuliert softwaregestützt eine Architekten- In einem Altstadtviertel einer bayerischen Stadt anfrage für einen Neubau unter Nutzung der digital mit hoher internationaler Touristenfrequenz bereitgestellten Informationen. In der Software sind die nutzt ein Einzelhändler immer noch die gute Daten des Elektrogroßhandels als Kalkulationsgrundlage alte Registrierkasse mit Zifferntasten, Handkur- hinterlegt. Aus dem angelegten Datensatz des Angebots bel und Belegausgabe. Die Kassenlade springt werden nach Auftragseingang die Datensätze für die Auf- mit dem historischen Klingelgeräusch auf. Gleich- tragsabwicklung und -überwachung, Lagerhaltung, Perso- wohl ist es in dem Geschäft möglich, die Postkar- nalabrechnung und Buchhaltung generiert. Die Lagerhal- ten, Weingläser, Stadtführer usw. bargeldlos zu tungssoftware organisiert den Wareneinkauf. Die Software erwerben. Der Inhaber leistet sich und seiner Kund- des Fuhrparkmanagements behält die Wartungstermine der 14 15
Fahrzeugflotte im Blick. Sie kann dank KI vorhersehen, wel- klären ist dann, welche Ausstattung, welche Hard- und Soft- ches Fahrzeug wann anlässlich einer turnusgemäßen War- ware eingesetzt werden sollen und welche Mitarbeitenden tung nicht einsatzbereit sein wird (Predictive Maintenance). Vorwissen und Interesse mitbringen, um die digitale Trans- formation im Betrieb voranzutreiben. Es soll auch in Erwä- Die Digitalisierung im Betrieb ist ein strategisches Hand- gung gezogen werden, mit zusätzlichem oder externen Per- lungsfeld, das vom Chef nicht allein zu bewältigen ist. Den sonal zu arbeiten. Spätestens an dem Punkt ist es wichtig, Betrieb in das digitale Zeitalter und im digitalen Zeitalter die Kosten zu kalkulieren und Förderprogramme für digitale zu führen, ist eine Geschäftsführungs- und Führungsaufga- Investitionen zu recherchieren. Zum Finanzierungs- und In- be 4.0, die der komplette Betrieb tragen und als Team aktiv vestitionsplan gehören ein Weiterbildungsplan und eine mitgestalten muss. Für diesen betrieblichen Transformati- Diskussion über die zukünftige Lern- und Arbeitskultur im onsprozess müssen alle Mitarbeitenden begeistert, gewon- Betrieb. nen und qualifiziert werden. Das ist eine gewaltige Aufgabe, die entsprechend auf digitale Bildung setzt. Sie muss daher Für die Digitalisierung gibt es keine betriebliche Blaupause. Bestandteil einer digitalen Unternehmensstrategie sein. Niemand kann eine Entwicklung und den Projektverlauf prä- zise prognostizieren. Jeder Betrieb und seine Menschen sind Die Digitalisierung im Betrieb sollte gegenüber den Mit- individuell zusammengesetzt. Was heute hier funktioniert arbeitenden offen kommuniziert werden, damit sie sich kann morgen dort ein Flopp werden. von Beginn an einbezogen und verstanden fühlen. Die Di- gitalisierung schürt bei Menschen oftmals Ängste vor einem Es ist empfehlenswert, nach Best-Practice-Beispielen zu su- möglichen Verlust des Arbeitsplatzes und das nicht nur bei chen: Welches Modell hat sich wo bereits bewährt? Welche den Mitarbeitenden selbst, sondern auch bei ihren Famili- Fehler haben andere gemacht? Was ist morgen interessant enangehörigen. Es stellt sich die Frage, ob der Mensch mit und wichtig? Hilfreich sind Kontakte zu Digitalisierungsnetz- einer Personalnummer gegen einen „humanoiden Kollegen werken und Kompetenzzentren, zu Kollegen und Geschäfts- Pepper mit einer IP-Adresse“ ausgetauscht wird. Ebenso partnern. sind Ängste vor der Überforderung und Überwachung durch digitale Tools vorhanden. Eine offene Kommunikation von Es empfiehlt sich die Gründung eines „Projektteams Di- Beginn an kann hier das Eis brechen. gitalisierung“, das aus den betrieblichen Abteilungen gemischt zusammengestellt werden kann. Ein Projekt- Eine digitale Transformation beginnt im Betrieb mit der Ana- team entwickelt ein Digitalisierungsvorhaben und trägt es lyse des Ist-Zustands und der Beschreibung eines möglichen parallel zum Tagesgeschäft in die Abteilungen. Dort werden Soll-Zustands. Die Strecke vom Ist zum Soll wird der Trans- betriebliche Digitalisierungspläne und -aktivitäten zielgrup- formationsprozess sein. Die Handlungsbedarfe werden er- penspezifisch kommuniziert. Das Feedback fließt zurück ins mittelt und nach Wichtigkeit und Dringlichkeit bewertet. Zu Projektteam. Ein Kollegengespräch bei Frühstücksbrot und 16 17
Tee kann mehr Verständnis erwirken und Ängste abbauen Folgende 4-E-Phasen sind sinnvoll: als eine gut vorbereitete Rede der Geschäftsleitung auf ei- ner Betriebsversammlung. Entwurf Erprobung Einrichtung in Echtumgebung Einführung. Bei Elmrots gründen der Chef und der Juniorchef ein Projekt- team, das aus sieben Personen besteht. Aus dem Außen- Entwurf Was soll gemacht werden? dienst werden ein digitalaffiner Azubi und zwei langjährige Ideen und Konzepte. Facharbeiter hinzugezogen. Einer wird in den nächsten zwei Jahren das Renteneintrittsalter erreicht haben. Der ande- Erprobung Test am Modell in den Abteilungen. re ist 45 Jahre alt. Der Leiter der Lagerlogistik, seit einigen Akteure außerhalb des Projektteams Monaten mit bestandener Meisterprüfung, ist ebenfalls im hinzuziehen. Team. Eine Einzelhandelskauffrau mit dem Aufgabenbereich Schulungsbedarfe ermitteln. im Büro und im Verkauf komplettiert die Arbeitsgruppe. Parallel zum Tagesgeschäft. Nach der Gründung des Projektteams Digitalisierung erfolgt Einrichtung in Implementation in abgegrenztem Feld. der Startschuss für das erste Digitalisierungsvorhaben. Echtumgebung Enge Beobachtung, Begleitung und Dokumentation. Ist die Abstimmung zwischen Menschen, Maschine und Software gelungen? Wo hakt es? Wie ist die Akzeptanz? Jeder gefundene Fehler zählt. Einführung Sobald dieses Pilotprojekt läuft, können weitere Projekte auf den Weg gebracht werden. Ein betriebliches Digitalisierungsprojekts erlaubt allen Be- teiligten neue betriebliche Wege unter Einsatz digitaler Tools und Modelle zu entwickeln und zu beschreiten. Dafür ist eine neue Kompetenz, eine digitale Kompetenz, notwen- dig. Auf diese wird im folgenden Kapitel näher eingegangen. 18 19
Digitale Kompetenz – Was ist 4 gemeint und was wird gebraucht? Ein Schlüsselwort, welches im Kontext der Indust- Systemkompetenz. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. rie 4.0 aus der fachsprachlichen Nische in den all- Ihnen ist gemein, dass sie den Kompetenzträger zu selb- gemeinsprachlichen Vordergrund und die gesell- ständigem und verantwortlichem Lernen und Handeln im schaftlich breite Wahrnehmung gedrungen ist, ist digitalen Umfeld befähigen, und zwar in unterschiedlichen das Wort „Kompetenz“. Singulär und in vielfältigen Positionen und Aufgabenstufen. Ausprägungen als Komposita, beispielsweise „Di- gitalkompetenz, Medienkompetenz, Kompetenz- Selbstlern- und Selbstorganisationskompetenz: Erken- entwicklung“ wie auch im Adjektiv „kompetent“, ist nen der eigenen Lerndefizite, selbstständige Suche nach Lö- die Kompetenz zu einem Leitbegriff in der digitali- sungswegen, Wissensaneignung autodidaktisch – nicht im sierten Arbeitswelt geworden. Lernverbund, Nutzung von digitalen und analogen Lernme- dien, erfolgreicher Praxistransfer. Die lernende Person orga- Der Kompetenzbegriff in der Pädagogik steht für nisiert den Lern- und Arbeitsprozess selbst (vgl. Erpenbeck die Möglichkeit, den Willen und das Wissen, Prob- & Sauter 2013). leme zu lösen. In der Arbeitswelt prägt der Begriff der Handlungskompetenz mit seinen Ausprägun- Medienkompetenz: Zielgerichtete Mediennutzung, verant- gen der Fach-, Sozial- und Selbstkompetenz seit ca. wortliche Zusammenarbeit im Einsatz digitaler Tools, Ver- 30 Jahren die Diskussion und die Ausbildungsord- wendung einer angemessenen Sprache sowie rechtliche, nungen. Kompetenzen sind keine Fähig- und Fer- ethische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen kennen tigkeiten, die durch Lehrkräfte „vermittelt“ werden. und anwenden (vgl. Krämer et al. 2017). Kompetenzen entwickeln sich im Kompetenzträger. Prozess- und Systemkompetenz: Verständnis von multi- Außenstehende können durch Anreize zur Kompe- dimensionalem Wissen um betriebliche Abläufe (Prozesse) tenzentwicklung beitragen. Diese kann und muss und multiperspektivisches Agieren in einem betrieblichen sich aber im Kompetenzträger herausbilden. Dort Gefüge (System). Im Projektverlauf erkennbar in der Abfolge ruht sie im Standby-Modus und ist bei Bedarf so- Sehen-Kennen-Reflektieren (vgl. Dirks 2021). fort abruf- und einsatzbar. Digitale Kompetenz im Betrieb wird in unterschiedlichen Be- Die Industrie 4.0 fordert eine neue Kompetenz, reichen benötigt und mittlerweile auch vorausgesetzt: eine digitale Kompetenz oder Digitalkompe- tenz1 ein. Darunter zu verstehen ist ein bunter Suchen, Auswählen und Anwenden von Informationen Strauß an Konstrukten, die kompetentes Handeln und Daten in der digitalisierten Arbeitswelt umfassen: Selbst- Arbeiten und Kommunizieren unter Einsatz digitaler lern-, Selbstorganisations-, Medien-, Prozess- und Tools, auch in virtuellen Teams 1 Der Oberbegriff der digitalen Kompetenz / Digitalkompetenz 20 wird hier im Singular verwendet. 21
Beachtung von Datensicherheit, Datenschutz und Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Kunden, Liefe- Urheberrecht ranten und andere betriebliche Kontakte eine digitale Kom- Handeln, um Probleme zu lösen, digitale Instrumente petenz beim Betrieb voraussetzen. Einkaufskonditionen bei kennen und einsetzen einem Großhändler sind ggf. an ein digitales Bestellproze- Hintergründe verstehen, Sachstand analysieren und dere per Smartphone-App geknüpft. Kunden erteilen Archi- reflektieren tekten oder Handwerkern erst den Auftrag, wenn sie vorab Offenheit und Bereitschaft zur Weiterbildung und zu in einer Computersimulation oder per VR-Brille (virtual rea- lebenslangem Lernen lity) eine Vision des Projekts gezeigt bekommen. Bewerber um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz schicken keine Be- Die vorbenannten sechs Punkte können zur innerbetrieb- werbungsmappen per Post, sondern wollen sich online in lichen Kompetenzdiagnostik genutzt werden. einem Bewerbungsportal bewerben und auch auf diesem Weg Kontakt mit dem Betrieb aufnehmen und halten. Ein Eine Kernfrage ist die nach der digitalen Kompetenz der Be- Daten- und Informationsaustausch über Instant-Messaging- legschaft und der betrieblichen Führung. Dienste ist in dieser schnelllebigen technischen Arbeitswelt eine optimale Variante. Es ist, nebenbei bemerkt, eine falsche Annahme, dass Men- schen, die zum Ende des 20. Jahrhunderts geboren wurden, Digitale Kompetenz in ihren sehr breit gefächerten und zwangsläufig digital kompetent sind. Digital Natives, also auch betriebsspezifischen Ausprägungen ist die Schlüs- Personen, die mit dem Internet und Informationstechno- selkompetenz der aktuellen Arbeits- und Lebenswelt. logien aufgewachsen sind und eine Welt ohne digitale Me- dien nicht kennen (vgl. Siepermann 2021), verfügen oftmals Im nachfolgenden Kapitel wird die digitale Kompetenz in über eine sehr schnelle Anwendungsfähigkeit von digitalen den betrieblichen Abteilungen an Beispielen dargestellt so- Tools, Devices und eine haptische Wahrnehmung. Das flotte wie Chancen und auch Risiken aufgezeigt. Knöpfedrücken ist jedoch kein Indikator für ein sicheres und verantwortliches Agieren in der digitalen Welt. Von einem abteilungs- und altersgruppenübergreifenden Weiterbildungsbedarf bei Belegschaft und Betriebsführung ist auszugehen. Erfahrene Facharbeiter und auch Vorgesetz- te sollten sich die Grundeinstellung „das macht unser Azubi, der ist jung und kennt sich mit diesen digitalen Dingen aus“ nicht zu eigen machen. 22 23
5 Betriebliche Umsetzung Eine betriebliche digitale Transformation als beleg- und KI müssen gewollt und dann offensiv kommuniziert schafts- und bereichsübergreifendes Projekt schaut umgesetzt werden. Alle Betriebsangehörigen und Bereiche mit dem Wissen und der Erfahrung der Vergangen- lassen sich auf die Arbeits- und Weiterbildungsformate ein. heit nach vorne in die Zukunft. Projekte können scheitern. Die Risikoeinschätzung obliegt der Geschäftsführung. Ein betrieblicher Erfolg wäre ein Er- Alle betrieblichen Funktionsbereiche werden ein- folg für alle; ein Scheitern ebenso. Innovationen bedeuten bezogen und sind miteinander vernetzt: auch ein Ausprobieren: das Unpassende wird ausgesondert, mit dem Passenden wird weitergearbeitet. Diese Entwick- Leitung: Geschäftsführung lung lebt die Geschäftsführung. Ein digitales Arbeitsformat Beschaffung: Einkauf und Lager lässt Mitarbeitenden einerseits mehr Freiheiten und kann Fertigung: Produktion, handwerkliche sie andererseits auch engmaschiger kontrollieren. Hier ist Auftragsarbeit ein Führungsformat gefragt, dass bei den Mitarbeitenden Vertrieb: Verkauf und Kundendienst Vertrauen schafft. Personal: Verwaltung, Abrechnungen Finanzen: Rechnungswesen / Controlling Beschaffung Einkauf und Lager: Leitung Eine digitale Lagerhaltung kennt die Bestände auf eine Geschäftsführung: Schraube oder einen Meter Kabel genau. Die Software In der Geschäftsführung fällt die Entscheidung für überblickt die Aufträge und Bedarfe in einem angegebe- die digitale Transformation und es stellt sich die nen Zeitfenster. Es lassen sich Bestellungen bei Lieferanten Frage, wer was macht. KMUs schaffen oftmals auslösen, da Konditionen, Lieferzeiten und Kundenaufträge keinen Aufgabenbereich des „Digitalisierungsbe- zusammenlaufen. Ein solcher Ablauf macht die Mitarbeiter auftragten und -umsetzers“, aber eine Person, die im Bereich der Beschaffung nicht überflüssig, sondern wich- den Betrieb und das Prozedere gut kennt, wird die tiger im betrieblichen Prozess. Die Kerndaten müssen vom Projektleitung übernehmen. Die Geschäftsleitung Menschen ausverhandelt und eingepflegt werden. Ein digi- muss als Vorbild für das Projekt mit gutem Beispiel tales Einkaufs- und Lagerhaltungskonzept kann durch Preis- vorangehen und Veränderungen vorbereiten und Leistungsvergleiche und ausgehandelte Einkaufskonditio- einführen. nen einen erheblichen betrieblichen Mehrwert bedeuten. Eine Arbeits- und Informationskultur, eine Wei- terbildungsstrategie, eine Anpassung der Ge- schäftsmodelle und eine offene Betriebsfüh- rung unter den Einflüssen von Digitalisierung 24 25
Fertigung Personal Produktion, handwerkliche Aufträge: Verwaltung, Abrechnungen: Der Mensch in Interaktion mit der vernetzten Produktions- Die Personalbeschaffung nutzt digitale E-Recruiting-Tools. maschine, Pepper als Kollege, das Smartphone als allge- Kontakte erfolgen über eine Online-Bewerbungsplattform, genwärtiger Chef. Das können Szenarien aus dem Arbeiten auf der eine KI-gestützte Vorauswahl vorgenommen wird. 4.0 sein. Der Mensch kennt die Maschine und denkt ihre Bewerber werden durch das Bewerbungsverfahren geleitet, Arbeitsschritte mit. Die Maschine wird von der Software ge- so dass danach Kandidaten und Betriebe mit einer hohen dacht, denn es ist entscheidend, dass der Mensch kein Ma- Passungswahrscheinlichkeit zusammengeführt werden. Die schinen- und Softwarebediener wird, sondern ein Maschi- Bewerberdaten werden zu Mitarbeiterdaten gewandelt. nen- und Softwareversteher und -nutzer. Der Mitarbeiter aus vorstehendem Beispiel erfasst bei der In der digitalen Arbeitswelt „lernen, denken und han- Materialentnahme für einen Auftrag auch seine Arbeitszeit. deln Menschen von der Software“ (vgl. Zinke 2019; Spöttl Diese wird dem Kunden in Rechnung gestellt und dem Mit- & Windelband 2016; Dirks 2021, hier: Kapitel 6). arbeiter vergütet. Die Datenerfassung und -übermittlung er- folgt in Echtzeit über vernetzte Tablets. Vertrieb Finanzen Verkauf und Kundendienst: Wie das Lager, so ist auch die Ware im Verkaufsraum digi- Rechnungswesen / Controlling: tal erfasst, lässt sich bestellen und verwalten. Eine aussa- Im Rechnungswesen fließen alle Daten aus den benach- gekräftige Kundenkartei schlägt interessante Produkte vor. barten Funktionsbereichen zur Abrechnung zusammen. Die Gleichermaßen ist der Bestand von Verbrauchsmaterial in Erfassung der Geschäftsvorfälle als betriebswirtschaftliche den Lieferfahrzeugen digital erfasst. Das Material, welches Grundlage für Entscheidungen erfolgt tagesaktuell mit einer für einen Auftrag vor Ort dem Fahrzeug entnommen und ver- klugen Softwarelösung. Die Software sollte funktionsüber- arbeitet wird, wird im digitalen Lager als Abgang registriert greifend ausgelegt sein, um Doppelerfassung von Daten zu und ggf. zur Neubestellung dort vorgeschlagen. Gleichzeitig vermeiden. Sie sollte ferner über eine Schnittstellenkompa- wird es in der Auftragsbearbeitungssoftware dem Kunden tibilität gegenüber Banken, Sozialversicherungen u. ä. verfü- zur Fakturierung hinzugebucht. gen. Die Datensicherheit und -sicherung ist eine Geschäfts- führungsaufgabe, der eine sehr hohe Priorität einzuräumen ist. Fazit: Eine digitale Transformation in KMUs, der sich kein Betrieb entziehen sollte, inkludiert Chancen und Risiken. 26 27
Chancen: In einem Transformationsprozess werden be- triebliche Prozesse, Handlungen und auch Gewohnheiten „Ich ändere mich nicht, hinterfragt und standardisiert. Der Einsatz digitaler Tools ihr sollt euch ändern!“ kann die Arbeitszeit für langwierige und langweilige Rou- tinearbeiten verkürzen. Moderne, vernetzte Softwaretools und stabile Schnittstellen erlauben einen schnellen Daten- zugriff bei einmaliger Datenerfassung. Die standardisierten Arbeitsschritte sind leichter nachvollziehbar und eine digi- tale Kommunikation, beispielsweise eine Zoom-Konferenz, spart Zeit und Kosten. Über Online-Vertriebswege lassen sich neue Kundenkontakte generieren. Ein KMU mit einem Digitalkonzept ist attraktiv für Kunden, Lieferanten und künftige Mitarbeitende. Digitalisierungsprojekte können in KMU mit höherem Tempo umgesetzt werden als in großen Die Herausforderung der Digitalisierung ist nicht IT, Konzernen. KMU können schneller und moderner als eine sondern die Veränderungskompetenz des Top-Managements! Aktiengesellschaft sein, die für große Projekte stets die Be- schlüsse der Aufsichtsgremien benötigt. Risiken: Fehlendes Know-how und Angst vor neuen Tech- Im Projektteam Digitalisierung bei Firma Elmrot Elektro- nologien verlangsamen Digitalisierungsanstrengungen im installationen wurden die Transformationsprojekte ge- Betrieb. Darüber hinaus können hohe Investitionen in Di- plant, besprochen und getestet. Die Mitarbeitenden wur- gitalisierungs-Equipment die Bilanz belasten. Nicht zuletzt den befragt und geschult und die Resonanz war durchgängig wollen sich Funktionsbereiche gelegentlich auch nicht ger- positiv. Investiert wurde in Tablets und Smartphones für alle ne von tradierten Handlungsmustern zu Gunsten von Soft- Mitarbeitenden sowie in einen großen interaktiven Monitor warevorgaben trennen. Der Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte an der Wand des Büros. Dort sind auf einer Landkarte die ist so gut wie leergefegt und die Gehälter für Spezialisten Einsatzorte der Elektriker im Außendienst zu sehen. Diese sprengen vereinzelt den Rahmen dessen, was für die Digi- werden getrackt, das heißt, digital verfolgt und auf der Karte talisierung ausgegeben werden kann. Eine der größten He- sichtbar angezeigt. Das hat erst bei den Mitarbeitenden für rausforderungen sind die Datensicherheit und das Fehlen Unmut und Sorge vor Überwachung gesorgt. Eine gezielte einer Regelung über den gewünschten Umgang mit Daten. Aufklärung konnte diese Sorge jedoch nehmen. Durch das Tracken der Fahrzeuge lassen sich unnötige Wartezeiten für Kunden und überflüssige Streckenkilometer für Elmrot ver- meiden. 28 29
im Kundenbereich beschrieben und eigene Lösungswege Ein Beispiel: bekanntgemacht. Die Kollegen helfen sich im Firmenwiki Ein Kunde ruft im Büro an und braucht dringend einen Elek- gegenseitig. In die Kommunikation werden Kunden und Lie- troinstallateur. Auf dem Monitor ist zu erkennen, dass sich feranten mit einbezogen. ein Mitarbeiter im Firmenfahrzeug nur wenige Kilometer vom Kunden entfernt bei einem anderen Kundendienstauf- Die Investition in die Grundausstattung war für die Firma trag aufhält. Der Mitarbeiter im Büro kann den Auftragsum- Elmrot Elektroinstallation eine Herausforderung, der sie sich fang beurteilen und entscheidet sich für den Mitarbeiter in stellen musste. Der Inhaber und Vater des Juniorchefs muss- der Nähe. Er wird per Smartphone über den Folgerauftrag te ebenfalls lernen, mit diesen Geräten umzugehen. Ein be- informiert. Seine Rückmeldung über die voraussichtliche trieblicher Weiterbildungsplan und Lerntagebücher erleich- Ankunftszeit beim Kunden wird mitgeteilt. Im Tablet erfasst terten den Durchbruch hin, zur digitalen Transformation. werden: die Fahrtzeit und -strecke zum Kunden, die Arbeits- Es gibt einen wöchentlichen Lernimpuls für alle Betriebs- zeit vor Ort, die Materialentnahme, die Auftragsbearbeitung angehörigen. Ein Mitarbeiter erklärt in einem eigenen Pod- und der weitere Bedarf des Kunden. Wenn der Mitarbeiter cast oder Video ein betriebliches Problem, das unter Einsatz den Kunden verlässt, seine Auftragsdaten im Tablet erfasst digitaler Tools behoben werden konnte. Der Podcast oder und online ins Büro schickt, ist der Auftrag erledigt und fertig das Video wird allen Mitarbeitenden zugeschickt und bei zur Fakturierung. Die gefahrenen Kilometer werden im Flot- der nächsten wöchentlichen Betriebsbesprechung werden tenmanagement bei dem Firmenfahrzeug erfasst und flie- dessen Inhalt diskutiert, Fragen beantwortet und diese an- ßen in die Wartung mit ein. Der weitere Bedarf des Kunden schließend im Firmenwiki hinterlegt. kann mit ihm besprochen und ein neuer Auftrag generiert werden. Zum Ende des Arbeitstags erhält der Mitarbeiter eine Liste des verwendeten Materials, das er dem Lager ent- nimmt, um sein Fahrzeug wieder vollständig zu bestücken. Im Lager wird eine Neubestellung ausgelöst. Die betriebliche Kommunikation bei Elmrot Elektroins- tallationen hat sich offensiv geändert. Auftrags- und Pro- jektbesprechungen werden geplant und dokumentiert. Mitarbeitende bekommen nun mehr Informationen und Ver- antwortung. Dadurch ist das Zugehörigkeitsgefühl zur Firma weiter angestiegen. Betriebliche Kommunikation läuft darü- ber hinaus über Smartphones und Tablets und wird in einem Firmenwiki dokumentiert. Dort werden auch Problemfälle 30 31
Lernen in der Aus- 6 und Weiterbildung Das duale Berufsausbildungssystem in Deutsch- land ist als Bildungskonstrukt historisch gewach- sen, bewährt und anerkannt. Die Dualität bezieht sich auf die beiden Lernorte im Betrieb und in der Berufsschule. Eine duale Ausbildung schließt for- mal mit einer Prüfung vor der zuständigen Kammer und einem Berufsschulzeugnis ab. Sie verleiht den beruflichen Status des Gesellen, des Facharbeiters oder Fachangestellten für ein Gewerk oder ein Fach. Das Lernen erfolgt im formalen oder informellen Rahmen. Formales Lernen ist organisiert, auf curri- cular strukturierte Lerninhalte ausgerichtet und soll einen Theorie-Praxis-Transfer auslösen. Informel- les Lernen geschieht beiläufig bei dem Erwerb von Erfahrungswissen und Handlungsreflexion. Beruf- liche Bildungsaktivitäten nach der Beendigung der Berufsausbildung sind Weiterbildungen, entweder im formalen oder im non-formalen Kontext. Formale Weiterbildungen führen zu einem fest- gelegten Ziel, beispielsweise der Meisterprüfung. Non-formale Weiterbildungen sind oftmals berufs- begleitende Kurse wie Sprach- oder Softwarekurse zur Anwendung im Arbeitsalltag. Die Digitalisierung und KI nehmen in vielfältiger Weise Einfluss auf die Aus- und Weiterbildung. Auf veränderte Anforderungen in der Praxis reagieren die Aus- und Weiterbildungspläne. Darüber hinaus verändern digitale Tools und Lernmedien das Ler- nen per se. 32 33
Ausschließliches Lernen und Unterrichten aus Büchern ist betreute Lernen über Videoportale oder Instant-Messaging- überholt. Buchverlage können dem Tempo der technischen Dienste hat sich seit dem Beginn der SARS-CoV2-Pandemie Entwicklungen und Veränderungen nicht immer Schritt hal- zwangsläufig zu einer alltäglichen Unterrichts- und Lernform ten und das Buch als Lernmedium nicht permanent und ak- herausgebildet. Die Aktivität und Verantwortung liegen bei tuell anpassen. Lerninhalte werden, auch unter diesem Ein- der lernenden Person. Sie steuert den Lernprozess, die Re- fluss, im Format digitaler Lernangebote und -arrangements flexion und die Organisation. Mediengestütztes und selbst- vermittelt. Der Informationsträger ist der Computer oder gesteuertes Lernen stellt kognitive und psychische Anfor- das mobile Endgerät wie Smartphone oder Tablet. Mit die- derungen und wird als „neue Lernkultur“ (vgl. Erpenbeck & sem Entwicklungsschritt ist es möglich, die betrieblichen v. Rosenstiel 2007) bezeichnet. Auch nach einem Ende der und beruflichen Veränderungen durch die Digitalisierung Pandemie und der Rückkehr zu Präsenzlernformaten wird und die KI (Lerninhalt) zeitnah in die entsprechenden Lern- das E-Learning als selbstgesteuertes Lernen erhalten blei- medien einzupflegen und die Lernprozesse anzupassen. ben. Zum Lernen für die theoretische Führerscheinprüfung beispielsweise haben die altbekannten Fahrschulbögen zum Ankreuzen mit dem Korrekturraster schon längst ausgedient. Auch für diesen Zweck wird auf das digitale Ler- nen mit einer Smartphone-App oder am PC zurückgegriffen. Die Prüfung findet dann ebenfalls an einem PC-Prüfplatz statt. Lernen mit digitalen Medien wird oftmals unter dem Be- griff E-Learning zusammengefasst. Die Anwendung dieser internetbasierten Lernmedien setzt bei Lernenden aller Al- tersstufen eine Medienkompetenz und eine Anwendungs- kompetenz, inkl. lesen und schreiben, voraus. E-Learning ist zeit- und ortsunabhängig. Erforderlich ist der Internetzugang zu den Lerninhalten, die auf einem Server des Anbieters (Schule, Verlag, Betrieb usw.) liegen oder als Pro- gramm oder Smartphone-App auf das Endgerät herunterge- laden werden. Das Lernen erfolgt allein, mit Anderen oder tutoriell betreut. Das autodidaktische, soziale oder tutoriell 34 35
Lernen mit digitalen Medien 7 – Software als Taktgeber Im vorstehenden Kapitel wird für das Lernen mit Lernen von der Software digitalen Medien eine Medien- und Anwendungs- kompetenz vorausgesetzt. Neben der Medienkom- Beim Lernen von der Software wird diese als kognitives petenz (siehe Kap. 3) ist auch die Anwendungs- Werkzeug eingesetzt. Die eigenständige Auseinanderset- kompetenz zur zielgerichteten Mediennutzung zung mit dem Lerninhalt vollzieht sich in selbstorganisier- erforderlich. Das Ziel der Anwendung von Lernme- tem und selbstgesteuerten Lernen. Beispielsweise kann das dien ist die Entwicklung der angestrebten Hand- Sprachenlernen mit einer App gelingen, nachdem der Ler- lungskompetenzen (vgl. Arnold et al. 2018), hier im nende die Architektur der Software und ihre Erwartung an Arbeitsalltag. den Anwender genau verstanden hat und den Anweisungen folgt. Dann können auch das Vokabelprogramm genutzt, Der Weg dahin führt über einen systematischen Lernwiederholungen durchgeführt und Lernerfolge ver- Einsatz digitaler Medien, speziell der Lernsoftware. zeichnet werden. Wer die Software versteht und nachvollzieht, was sie von den Lernenden verlangt, kann sie zielge- Denken von der Software richtet nutzen. Das Lernen mit digitalen Medien erfordert ein Sich-Einstellen auf die Software und Die Verinnerlichung des Lernens von der Software führt das Begreifen des softwaregesteuerten Lernwegs. konsequent zum Denken von der Software, indem bei- Damit der Lernende mit der Software lernt, muss spielsweise der Lernende und Anwender in der Software- er nämlich auch von ihr lernen, wie sie aufgebaut programmierung einer Maschine denkt. Die Reihenfolge der und wie das Lernziel mit ihr zu erreichen ist. Das Eingabeaufforderungen wird klar und wird vom Anwender gelingt daraufhin in der Abfolge des Lernens, Den- mitgedacht. Die zu erledigenden Handlungsschritte folgen kens und dann Handelns von der Software. Dabei der Struktur der Softwaregliederung. Dadurch entwickelt ist die Software der Taktgeber. sich der Mensch vom Maschinenbediener und Knöpfedrü- cker zum Maschinenversteher (siehe Kap. 4). Das Lernen und Denken von der Software erfolgen in einem fließenden zeit- lichen und inhaltlichen Übergang ohne trennscharfe inhalt- Lernen... Denken... Handeln... liche Abgrenzung. ...von der Software Abb. 01: Software als Taktgeber (Dirks, 2021) 36 37
Handeln von der Software nen mit einer Smartphone-App wird als deutlich cooler und auch handlicher angesehen als mit einem dicken Lehrbuch. Im Handeln von der Software vollzieht sich das vorgelager- Der Inhalt bleibt gleich, aber das Lernangebot ihn zu ver- te Lernen. Im Handeln wird deutlich, dass Lernen und Den- stehen, ändert sich. ken von der Software erfolgreich waren und sind (vgl. Dirks, 2021). Ein Transfer vom Lernen in die Handlung erfolgt. Der Einsatz digitaler Lernmedien hat Vor- und Nachteile, von denen hier einige ohne Anspruch auf Vollständigkeit Es ist ersichtlich, dass die Software in dieser Abfolge der aufgezeigt werden: Taktgeber ist und das Lernen mit digitalen Medien gelingt, wenn sich Medien- und Anwendungskompetenz in einem Pro Lernprozess vereinen. • Der Lerner ist zeitlich und örtlich unabhängig. Solange Das Lernen wird durch den Einsatz digitaler Medien nicht PC oder Smartphone funktionieren und die Internetver- zwangsläufig leichter und schneller. Lernende werden auch bindung steht, kann jederzeit und überall gelernt wer- nicht wie von selbst schlauer als durch den Einsatz und die den. Nutzung von Büchern, Papier und Bleistift. Digitale Medien • Dadurch wird das Lernen auch Personen zugänglich, die als kognitives Werkzeug begünstigen die aktive Erzeugung nicht mobil oder zeitlich eingeschränkt sind (körperliche und Verarbeitung von Informationen. Je nach Design nutzen Behinderung, kein Auto oder ÖPNV zur Bildungseinrich- sie unterschiedliche Zugänge zum Gehirn: lesen oder vorle- tung, Schichtdienst). sen lassen, Probeaufgaben lösen, Antworten anzeigen las- • Neue Lerninhalte können schnell eingepflegt werden. sen, Objekte in Grafiken und Lernvideos ansehen, zoomen, Somit sind die Lernmedien immer auf dem aktuellen um die Ecken schauen und nachdenken, Fehler machen, Stand der Entwicklung. üben und wiederholen. Mit Lernmedien, die virtual reality- • Durch die private Nutzung von PC und Smartphone und Sequenzen nutzen, nehmen die Lernenden das Werkzeug, Erfahrung fällt das Einarbeiten in eine Lernsoftware das Instrument oder den Stift selbst in die Hand und führen oder App leicht. eine Handlung aus. Dadurch regen sie verstärkt die eigen- • Lernsoftware und Apps können mehrsprachig aufge- ständige Auseinandersetzung mit den Lerninhalten an. Und setzt werden, bzw. auch auf eine „leichte Sprache“ zu- genau an der Stelle liegt ein Gewinn in der selbstständigen rückgreifen. und selbstbestimmten Auseinandersetzung der Lernenden • Das Lernen in digitalen Lerngruppen ist möglich. mit dem Lerninhalt sowie ihre Durchdringung (vgl. Kerres • Lernsoftware kann personalisiert werden und der Lern- 2018). fortschritt wird individuell dokumentiert. Digitale Lernmedien haben ein modernes Image. Das Ler- 38 39
•Contra • Die Anschaffung von PC und Smartphone, ggf. auch Dru- cker und Maus, kann eine finanzielle Belastung sein. • Die Lizenzen für den Zugang zu Lernsoftware sind oft- mals teurer als ein Fachbuch. • Die Nutzung digitaler Medien lässt sich von Dritten nachverfolgen. Der Chef kann abfragen, wer wann was in der Software gelernt hat. • Eine stabile Internetverbindung ist nicht immer flächen- deckend vorhanden. E-Learning ist ein Ergebnis der technischen Entwicklung und pandemiebedingt mit enormem Auftrieb und auch Potenzial verbunden. Es ist zeitgemäß. Bei Abwägung aller Pros und Contras dürfen jedoch die „alten Kulturtechniken“ des Wissens, also Lesen, Schrei- ben und Rechnen, nicht vernachlässigt oder gar verlernt werden. Früher schrieben Menschen mit dem Federkiel, Bleistift oder Füller ihre Lerntexte ab. Heute wird auf der Tastatur getippt oder geklickt. Die Nutzung digitaler Lern- medien gelingt nur, wenn diese alten Kulturtechniken weiter gepflegt werden. Bei einem Text, egal ob mit dem Füller in der Hand geschrieben oder mit der Hand auf der Tastatur getippt, zählt, dass er richtig ist. 40 41
Weiterbildung ist (auch) 8 Chefsache Eine betriebliche digitale Transformation ist neben Was müssen die Chefs und die Mitarbeitenden können und den Investitionen in die Infrastruktur vom Weiter- wie wird ein Weiterbildungsbedarf für die betriebliche Digi- bildungsstand und der -motivation der Belegschaft talisierung greifbar? geprägt und abhängig. Das Thema spricht KMU ebenso an wie Großbetriebe und Konzerne. Zwar Einsatz digitaler Kommunikation untereinander breitet sich die Transformation nicht in allen be- sowie mit Kunden und Lieferanten trieblichen Funktionsbereichen gleich schnell und Förderung der Vernetzung im Unternehmen, intensiv aus, aber sie betrifft alle Bereiche. Daher kollaborative Arbeitsformen, wo möglich ist die Entwicklung einer betriebsspezifischen Wei- Projektarbeit mit entsprechenden Tools terbildungsstrategie die vorrangige Aufgabe der Nutzung sozialer Medien Geschäftsleitung. Wie geht die Chefetage mit ihrer eigenen Digitalisierung um und wie kann sie ein Entwicklung einer Betriebskultur mit einem Schwer- Vorbild für die Belegschaft sein? punkt auf der Weiterbildung. In der Geschäftsführung selbst findet sich ein aus- Die Führung in die digitale Transformation ist eine Aufgabe, giebiger Weiterbildungsbedarf, wie Studien der die zweigleisig nach vorne gebracht werden sollte. Einer- vergangenen Jahre zeigen. Im Juni 2016 diagnosti- seits ist der Betrieb in seiner bestehenden Arbeitsweise am ziert die Studie „Digital Leadership – die Zukunft Laufen zu halten und andererseits die Digitalisierung anzu- der Führung in Unternehmen“ Diskrepanzen bei schieben. Bei diesem Spagat der Geschäftsleitung zwischen der Einschätzung der Entwicklung neuer „Füh- dem betrieblichen Ist und dem Soll überschneiden sich eini- rungskompetenzen“ zwischen Chef und Beleg- ge Prozesse und Aufgaben. schaft (vgl. Dick et al. 2016). Daraus geht hervor, dass Chefs dem Thema eine Relevanz beimessen, Neue Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche zeigen sich sich jedoch weitaus „kompetenter“ einschätzen als unter anderem im Umgang mit den durch die Digitalisie- es die Belegschaft macht. rung generierten Daten. Datenmanagement, -analyse und -schutz sind Aufgaben, die in der Geschäftsleitung angesie- delt sind, denn riesige Datenmengen (genannt: Big Data) fallen an und erfordern einen geregelten und gesicherten Umgang. Diese Aufgaben fordern auch die Weiterbildung der Geschäftsleitung ein. Als Ergebnis formalen und informellen Chef-Lernens, aus dem sich Handlungskompetenz generiert, kann die Bereit- 42 43
schaft für einen digitalen betrieblichen Wandel erkannt wer- wird sein, die Notwendigkeit einer Weiterbildungsstra- den, in welchem sich auch die betriebliche Führung wandelt. tegie für seine Mitarbeitenden zu erkennen. Sie sollte im offenen Prozess mit der Belegschaft kommuniziert, geplant Dieser Wandel ist ein (oftmals schleichender) Transforma- und dann umgesetzt werden. tionsprozess, der betriebsspezifisch geschieht und der durch die Geschäftsführung erkannt und geleitet wird. Auf einen Die Geschäftsführung geht dabei mit gutem Beispiel vor- entsprechenden Wandel kann sie sich jedoch nicht vorbe- an und ist aufgrund ihrer fachlichen, persönlichen und so- reiten, wie beispielsweise auf einen wichtigen Termin. Digi- zialen Kompetenzen Ansprechpartner und die Software ist taler Wandel ist ein nicht ab- oder eingrenzbarer Vorgang, der Taktgeber für den Transformationsprozess. Es ist eine in den bereits vorhandene Komponenten wie betriebliche Führungsaufgabe, die Menschen und die Technik im Betrieb Hard- und Software sowie das betriebliche und persönliche zusammenzubringen, Ängste vor der Digitalisierung zu neh- Wissen der Mitarbeitenden mit eingebunden werden. Auf men und den Betrieb zu leiten. einen Einsatz neuer Komponenten kann sich der Betrieb spezifisch vorbereiten, so jedoch nicht auf einen Wandel - Wandel geschieht. Dazu gehört, dass der Chef seine Führungsstrategie und seine Instrumente mit der Belegschaft bespricht; sie kommuniziert. Digitaler Wandel im Betrieb soll ein offener, kollektiver und kontinuierlicher Prozess sein, der alle Mit- arbeitenden mit einbezieht (vgl. van Dick et al. 2016). Ein Chef, der seine Mitarbeitenden mit in den digitalen Trans- formationsprozess nimmt und selbst lernt, wird anerkannt. Sein Lernprozess und seine erworbenen Handlungskom- petenzen im fachlichen, persönlichen und sozialen Bereich geben ihm die positionsspezifische Autorität, Weiterbildung und lebenslanges Lernen auch von seinen Mitarbeitenden einzufordern. Schließlich ist Weiterbildung Chefsache und ein Teil der Führungsaufgabe der Geschäftsleitung. Ein Ergebnis des eigenen formalen und informellen Chef- Lernens, aus dem sich Handlungskompetenz generiert, 44 45
Weiterbildung in der Firma 9 Elmrot Elektroinstallation In der Firma Elmrot haben sich der Chef und der Der Soll-Zustand wird beschrieben und begründet, weshalb Junior-Chef mit Komponenten digitaler Transfor- er anzustreben ist. Auch das ist der Projektgruppe klar. Die mation im Unternehmen befasst. Beide haben an Ausstattung der Belegschaft mit Tablets und betrieblichen Veranstaltungen im digitalen und Präsenzformat Smartphones erlaubt eine schnelle und zielgerichtete Kom- teilgenommen, sich mit Kollegen und Dozieren- munikation und den Einsatz beim Kunden. Die Geräte wer- den ausgetauscht und ihren eigenen Lernfortschritt den vom Büro getrackt, das heißt, dass der Aufenthaltsort schriftlich festgehalten. immer bekannt ist. Die Geräte greifen auf den Elmrot-Server zu. Eine schnellere Erreichbarkeit und Auftragserledigung Diese Reflexion hilft ihnen bei der Entscheidung, erhöhen die Kundenzufriedenheit. Die digitale Lagerhaltung welche Transformationsschritte mit welchen Inst- im Betrieb und im Mitarbeiterfahrzeug dokumentieren den rumenten im eigenen Betrieb angestoßen werden aktuellen Materialbestand, gewährleisten die Ausstattung sollen. Bei der Fülle der am Markt vorhandenen der Mitarbeiterfahrzeuge und die fristgerechte Materialbe- Denk- und Umsetzungsmodelle, wie auch der stellung. Aufgrund der eigenen Daten erfolgt eine zielge- Software und Hinweise, ist es hilfreich, an dieser naue Planung der betrieblichen Aktivitäten. Stelle ein Lerntagebuch zu führen. Lernmedien und Softwarelösungen werden als individuell an- Der Weg dahin, vom Ist zum Soll, ist die eigentliche Heraus- passungsfähig angeboten und Branchenlösungen forderung. Er ist zu beschreiben und zu entwickeln. Nachste- für Elektroinstallationsfirmen gibt es in ausrei- hend wird auf den Weg eingegangen. chender Anzahl. Zusammen mit dem Projektteam Digitalisierung werden Tests gemacht und die Pra- Die Belegschaftsakzeptanz für die digitale Transformation xistauglichkeit für Fa. Elmrot bewertet. ist untrennbar mit dem Vertrauen zum Betrieb und zum Pro- jekt als Fundament verbunden. Fa. Elmrot braucht alle (!) Als Nächstes geht es darum, das Gelernte mit der Mitarbeitenden, alle Azubis, Facharbeiter und Hilfskräfte. Belegschaft in die betriebliche Praxis umzusetzen. Und alle müssen (unterschiedlich intensiv) begleitet werden. Am Anfang hilfreich ist die Abfolge „Ist-Zustand Weg Soll-Zustand“. Bei der Nutzung der Geräte und in der Anwendung der Soft- ware gibt es Anleitungen, Hilfestellungen und Schulungen. Der Ist-Zustand wird beschrieben und die Notwen- Häufig ist die Handhabung und Nutzung selbsterklärend und digkeit zur Weiterbildung erklärt. Das wird mit der Anwendungsschritte sind von anderen Geräten bekannt. Projektgruppe besprochen. Der Weiterbildungs- Kollegen helfen sich hierarchie- und generationenübergrei- bedarf in den betrieblichen Funktionsbereichen ist fend untereinander. Softwareschulungen werden heutzuta- ermittelt. ge nicht mehr im Modell des Frontalunterrichts angeboten und ein dickes Handbuch gibt es meistens auch nicht mehr. 46 47
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