Gibt es ein polnisches Oderbruch? - PERSPEKTIVEN EINER (GRENZ)REGION - Oderbruch Museum Altranft

 
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                                                                                                                                       September
                                                                                                                                            2020

                                                Wa r t a
                                     PERSPEKTIVEN EINER (GRENZ)REGION

Gibt es ein polnisches Oderbruch?

„Grüße aus Neu Amerika” - Postkarte nach Ortner

Das Oderbruch ist eine Klein-        ner kommunalen Arbeitsgemein-       Kolonistendörfer und viele alte        einem großen Unterstützerkreis
landschaft an der deutsch-pol-       schaft „Kulturerbe Oderbruch“       Städte und Fischersiedlungen           in der polnischen Oder- und War-
nischen Grenze. Als besiedelter      zusammengeschlossen. Bereits        haben eine enge historische Be-        theregion. Begleitend sind kleine
Flusspolder ist es vor allem durch   2019 hat der Landkreis im Auftrag   ziehung zu dieser Landschaft.          Ausstellungsbausteine entstan-
sein beispielhaftes Wassersystem     der Kommunen eine Bewerbung         Außerdem schließt sich im Süd-         den, die im Oderbruch Museum
geprägt, das in der preußischen      auf das Europäische Kulturerbe-     osten das Warthebruch an, das          Altranft gezeigt werden. Die Tage
Binnenkolonisation des 18. Jahr-     Siegel eingereicht, mit der die     man geradezu als Schwesterland-        für Befragung, Exkursion, Text-
hundert begründet wurde. Über        Kulturlandschaft    überregional    schaft des Oderbruchs verstehen        erstellung, Redaktion und Ge-
Kriege, Katastrophen und poli-       in Erscheinung treten will. Als     kann. Was haben die Menschen           staltung waren knapp und ließen
tische Systembrüche hinweg ist       fachliche Koordinationsstelle der   an diesen Orten zu erzählen?           nicht viel Zeit zum Schlafen. Die
dieses Wassersystem immer wei-       Initiative agiert das Oderbruch     Welche Geschichten kennen sie,         Freude am Entdecken und an den
terentwickelt und optimiert wor-     Museum Altranft. In den letzten     und wie ist die Geschichte ihrer       Gesprächen mit vielen freund-
den, sodass man heute von einer      vier Jahren wurden durch das        Orte nach dem zweiten Weltkrieg        lichen und offenen Menschen
beispielhaften „Landschaftsma-       Museum bereits 35 Kulturerbe-       weiter gegangen? Schon lange           aber hat uns durch die Woche ge-
schine“ sprechen kann. Auffal-       Orte ausgewiesen, die in eine ge-   gab es in der Kulturerbe-Initiative    tragen. Wir wünschen Ihnen viel
lend an der Landschaft sind zu-      meinsame landschaftliche Erzäh-     den Wunsch, den Grenzhorizont          Vergnügen bei unserer Spuren-
dem die immer noch gut lesbaren      lung eintreten. Unter ihnen sind    zu überwinden und in polnisch-         suche und hoffen, dass ihr viele
Siedlungsstrukturen der Fischer-     Schöpfwerke, Kirchen, Alleen,       deutschen Partnerschaften ein          Begegnungen und gemeinsame
und Kolonistendörfer sowie eine      Dorfrundgänge, Heimat-stuben        gemeinsames Erbe zu gestalten.         Schritte folgen werden.
charakteristische Offenheit der      und Museen. Alle leisten einen      Diese Zeitung ist ein erster Schritt
ländlichen Gesellschaft, die im-     Beitrag und präsentieren sich ge-   in diese Richtung. Erarbeitet
mer wieder neue Menschen auf-        meinsam.                            wurde sie in einer Sommerschul-        Viel Freude bei der Lektüre
genommen hat.                        Aber das Oderbruch endet nicht      woche mit Studierenden der             wünschen die Teilnehmenden
Als Ausdruck des Selbstbewusst-      so einfach an der deutsch-pol-      Hochschule für Nachhaltige Ent-        der Sommerschule
seins der Oderbrücher haben sich     nischen Staatsgrenze. Auch auf      wicklung Eberswalde, der Fach-         Landschaftskommunikation
die Kommunen im Jahr 2020 zu ei-     polnischer Seite gibt es einige     hochschule Potsdam sowie mit           2020.
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Ein Fluss verbindet
Natur- und Kulturstätten auf der östlichen Seite der Oder

                                                                                                          hörte diese zu einem Gutshof
                                                                                                          der Templer.
                                                                                                          Zufällig trafen wir Jörg von
                                                                                                          Ameln, der sich im Zusam-
                                                                                                          menhang mit seiner Familien-
                                                                                                          geschichte, intensiv mit dem
                                                                                                          Mittelalter beschäftigt. Er ge-
                                                                                                          wärte uns Zutritt zur Kapelle.
                                                                                                          Im Inneren erzählte er von der
                                                                                                          Geschichte des Gutshofes, den
                                                                                                          Wandbildern und der Suche
                                                                                                          nach Krypten unterhalb des Ge-
                                                                                                          bäudes.
                                                                                                          Als Besonderheit fiel auf, dass
                                                                                                          der Kirchenbau mit den beiden
                                                                                                          kleinen Türmen und Schieß-
                                                                                                          scharten gleichsam eine Wehr-
                                                                                                          anlage war.

                                                                                                          Der nächste Halt war die Stadt
                                                                                                          Moryń. Diese liegt an schönen
                                                                                                          See in einer Endmoränenland-
                                                                                                          schaft, welche durch die Eiszeit
                                                                                                          entstanden ist. Zu dem See gibt
                                                                                                          es eine Sage über einen großen
                                                                                                          Krebs, von der es mehrere Ver-
Michael Kurzwelly neben dem Krebsbrunnen in Moryń                                                         sionen gibt. Dieser Krebs steht
                                                                                                          auch als Statue in der Mitte der
Könnte die Oder sprechen, so       Geschichte der polnischen Seite     liegt seitdem in Trümmern.         Stadt. Umringt wird die Stadt
würde sie wahrscheinlich zahl-     der Region näherzubringen.          Doch selbst die heutige Rui-       von einer noch sehr gut erhal-
lose Geschichten in vielen ver-                                        ne mit ihren geschwungenen         tenen Stadtmauer, welche sich
schiedenen Sprachen erzählen.      Wir starteten unsere kleine Rei-    Rundbögen erzählt noch von         hervorragend erkunden lässt,
Im Laufe der Zeit war sie Teil     se an einem Ort nahe Küstrin,       den unterschiedlichsten Men-       da sie zum großen Teil von
der unterschiedlichsten Länder     an dem Kultur heute ganz aktiv      schengruppen, die der Ort im       außen nicht verbaut wurde.
und das Zuhause zahlreicher        gelebt wird: Auf dem Gelän-         Laufe seiner Geschichte gese-      Wir erkundeten weiter den Mo-
Ethnien. Heute bildet sie die      de des Pol‘ and Rock Festivals      hen hat.                           rynsee und den daran angren-
Grenze zwischen Deutschland        kommen seit Jahren über eine                                           zenden Geopark. Hier sind le-
und Polen. Doch lässt sich die     halbe Million BesucherInnen         Fährt man vom Fort aus durch       bensgroße Tiere aus der Eiszeit
Oderregion, die eine so lange      aus aller Welt zusammen, um         das Dorf Sarbinowo, so gelangt     nachgebildet. In der Stadt gibt
Geschichte verbindet, wirklich     gemeinsam ihre Liebe zur Mu-        man an einen unscheinbaren         es zudem eine Ausstellung zur
einfach so trennen? Als Deut-      sik zu feiern. Das Event soll ein   Feldweg, an dem nur eine Ge-       Eiszeit, die in Zusammenarbeit
sche kennen wir das Oderbruch      Dankeschön für alle Menschen        denktafel von dem historischen     mit der Partnerstadt Joachimst-
westlich des Flusses, doch wel-    Polens sein, die jährlich bei der   Ereignis zeugt, welches hier       hal entstand.
che Geheimnisse birgt wohl das     Spendensammlung für Kin-            stattgefunden hat: die Schlacht
östliche Ufer?                     derkrankenhäuser mithelfen.         bei Sarbinowo / Zorndorf 1757      Im letzten Teil unseres ersten
Um das herauszufinden und          Dieses Jahr musste die Veran-       zwischen Preußen und dem           Tages im polnischen Oderbruch
die gemeinsame Vergangenheit       staltung aufgrund der Covid-19      Russischen Reich. Mitten im        widmeten wir uns den Natur-
der Oderregion zu ergründen,       Pandemie natürlich entfallen,       Siebenjährigen Krieg lieferten     landschaften. Unser erstes Ziel
besuchten wir besondere Orte       sie soll aber so bald wie möglich   sich die Truppen von Friedrich     war das bewaldete Tal des na-
des Kultur- und Naturerbes auf     wieder stattfinden.                 dem Großen und des russischen      turnahen Flusses Słubia, das
polnischer Seite.                                                      Generals Fermor hier eine der      Teil eines Naturschutzgebietes
Als Ortskundiger und Dolmet-       Unser Weg führte uns weiter         blutigsten Auseinandersetzung-     ist. Wir folgten der plätschern-
scher stand uns Michael Kurz-      Richtung Sarbinowo. Das klei-       en des 18. Jahrhunderts. Über      den Słubia ein Stück flussab-
welly zur Seite. Der Künstler      ne Dorf, das früher Zorndorf        34 000 Soldaten fielen hier in-    wärts und konnten beobachten,
stammt aus Bonn, zog vor 30        hieß, ist gleich für zwei be-       nerhalb eines einzigen Tages.      wie sich das Gewässer in mehre-
Jahren nach Poznan und lebt        deutende historische Stätten        Obwohl die Preußen das Ge-         re Arme aufgliederte und einen
heute in der Grenzregion. Da-      bekannt. Zum Einen befindet         fecht gewannen, standen die        Erlenbruchwald durchfloss.
rum versteht er sich als ein       sich kurz vor dem Ort das Fort      immensen Verluste auf beiden       Als Abschluss unserer Reise
Bewohner des „Dazwischens“,        Sarbinowo, eines von vier Artil-    Seiten in keinem Verhältnis        durch die Oderregion genossen
einem Raum, der frei von           lerieforts, welche im 19. Jahr-     zur strategischen Bedeutung        wir im Landschaftspark Warte-
Grenzen existiert. Seit Langem     hundert von den Preußen zum         der Schlacht. Heute kann man       mündung die Aussicht auf und
beschäftigt er sich auch künst-    Schutz der Küstriner Festung        einen Aussichtsturm besteigen      über die Oder. Nur die unauf-
lerisch mit Lebensraum, Iden-      errichtet wurden. Seit seiner       und von dort die Landschaft        fälligen Grenzsteine verwiesen
tifikation und Wirklichkeits-      Erbauung diente das Fort als        überblicken.                       darauf, dass sich auf der gegen-
konstruktion. So gründete er       Gefangenenlager, als Zwischen-                                         überliegenden Seite des Flus-
1999 die fiktive Stadt Słubfurt,   lagerplatz für Kriegsrückkehrer     Wir folgten der Straße in Rich-    ses ein anderer Staat befindet.
welche Słubice und Frankfurt       und später als Munitionsfabrik.     tung Mieszkowice nach Chwar-       Nach einem letzten Blick auf
in sich vereint. Michael zeig-     Der eindrucksvolle Bau aus hel-     szczany. Dort befindet sich eine   die am Ufer rastenden Gänse,
te uns einige Orte entlang von     lem Backstein wurde im zwei-        gut erhaltene Kapelle aus dem      machten wir uns wieder auf den
Oder und Warthe, um uns die        ten Weltkrieg gesprengt und         13.Jahrhundert. Ehemals ge-        Rückweg.
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                                                                                                            Wintermonate. Mit Rückzug des
                                                                                                            Wassers im Frühjahr erobern
                                                                                                            die Wiesenbrüter dieses Areal,
                                                                                                            um dort zu brüten und ihre Jun-
                                                                                                            gen großzuziehen. Nach erfolg-
                                                                                                            reicher Brut und wenn es der
                                                                                                            Wasserstand zulässt, wird das
                                                                                                            Grünland gemäht oder durch
                                                                                                            Rinder und Pferde ortsansässi-
                                                                                                            ger Landwirt*innen beweidet.
                                                                                                            Diese Form der extensiven Nut-
                                                                                                            zung verhindert, dass das Gebiet
                                                                                                            verbuscht. Davon wiederum
                                                                                                            profitieren die bodenbrütenden
                                                                                                            Vögel.
                                                                                                            Diese einzigartige Vogelwelt
Blick über die ausgedehnten Feuchtwiesen des Nationalparks                                                  zieht zahlreiche naturkundlich
                                                                                                            interessierte Touristen an, die
                                                                                                            dafür selbst weite Anreisewe-

Ein Vogelparadies aus Menschenhand                                                                          ge nicht scheuen. Vor Ort da-
                                                                                                            gegen ringt der Nationalpark
                                                                                                            seit Jahren um Akzeptanz. Um
Vogelschutz & Landnutzung im Überschwemmungsgebiet der Warthe                                               diese zu verbessern, setzt die
                                                                                                            Nationalparkleitung vermehrt
Schon vor 40 Jahren begeister-      ter Polens.                        Deiche dagegen entstand eines        auf Umweltbildung. Die Kinder
te das Warthebruch den jungen       Der ca. 8.000 Hektar große Na-     der wertvollsten Brut- und Rast-     und Jugendlichen liegen ihnen
Biologiestudenten Konrad Wy-        tionalpark erstreckt sich über     gebiet Polens für mehr als 250       dabei besonders am Herzen, da
pychowski. Als Vogelliebhaber       den Bereich der Warthemün-         verschiedene Vogelarten. Auf         aus ihnen die zukünftige Gene-
zog es ihn vor 25 Jahren dorthin    dung, wo die Warthe trotz der      dem Areal des Nationalparks          ration von Naturschützer*innen
zurück, um sich auch beruflich      Eindeichungen im 18. Jahrhun-      versucht man heute, Natur-           heranwachsen kann. Aber na-
für den Schutz des Gebietes ein-    dert nie vollständig gezähmt       schutz, Hochwasserschutz und         türlich sind der Park und seine
zusetzen. An der Gründung des       werden konnte. Die hochwas-        landwirtschaftliche     Nutzung      Einrichtungen für jedermann
Nationalparks „Ujście Warty“        sergeschützten Flächen außer-      miteinander zu verzahnen.            frei zugänglich.
2001 war er maßgeblich betei-       halb der Deiche konnten seither    Die Besonderheit des Warthe-
ligt. Inzwischen ist er einer der   besiedelt und landwirtschaftlich   bruches besteht in der dauerhaf-
dienstältesten Nationalparklei-     genutzt werden. Innerhalb der      ten Überflutung während der

Roadtrip - Neu Amerika
Eine sagenhafte Landschaftsgeschichte

Durch die Fensterscheiben des       dieses Versprechen. So fahren
VW-Busses bestaunen wir die         wir durch die Ortschaft Jamno,
Auenlandschaft im Warthe-           ursprünglich Jamaika genannt,
bruch. Mit uns im Auto sitzt        in Richtung Florida und verlas-
Błażej Kaczmarek, der uns           sen zu keinem Zeitpunkt polni-
durch die weitläufige Land-         schen Boden.
schaft lotst. Am Straßenrand        Für die neuen Siedler*innen,
weist ein Schild darauf hin,        die meist aus Gebirgsregionen
dass wir uns jetzt in das Gebiet    oder anderen trockenen Gebie-
Nowa Ameryka begeben. Błażej        ten stammten, stellte sich die
Kaczmarek erzählt uns wäh-          Bewirtschaftung des Warthe-
renddessen die sagenhafte Ge-       bruchs wegen der regelmäßig        Stillgelegte Fähre auf der Warthe
schichte dieser Region.             steigenden Wasserstände als
Im 18. Jahrhundert zog es die       Herausforderung dar.
Menschen ins ferne Nordameri-       Das sumpfige Gebiet ist durch-     te, aber heute verlassen auf der     werkhaus erhalten ist, zeigt uns
ka, wo sich Kolonisten und Pio-     zogen von gewundenen Fluss-        einen Seite des Ufers verharrt.      Błażej Kaczmarek in Oksza.
niere aus Europa ansiedelten.       läufen. An ihren Ufern wachsen     Seit einiger Zeit liegt sie leider   Wir steigen wieder ins Auto und
Als sie den preußischen König       Gräser und Schilf. Die flache      ohne Fährmann fest vertäut am        begeben uns auf die Weiter-
Friedrich II. um Erlaubnis ba-      Landschaft ist Heimat vieler       Ufer, sodass der Weg uns weiter      fahrt. Um die Landschaft in ih-
ten, sich auch auf den weiten       Pflanzen- und Tierarten. Auf       entlang des Flusses durch die        rer Einzigartigkeit zu erfahren,
Weg machen zu dürfen, bot er        unserer Fahrt begegnen wir         saftig grüne Wiesenlandschaft        hätten wir gerne noch einen
ihnen stattdessen die Gründung      unter anderem Kranichen und        führt.                               weiteren Tag mit dem Fahrrad
eines „Neuen Amerikas“ im           Fasanen. Der Raum als Kultur-      In den weit über das Warthe-         oder zu Fuß im Warthebruch
Wartebruch an. Durch Steuer-        landschaft wird von vielen Wei-    bruch verteilten Ortschaften         verbracht.
erlässe und geschenktes Land        deflächen geprägt, auf denen       sehen wir alte, verfallene Höfe
wurden Leute aus der Region         Kühe grasen.                       und verschieden gestaltete
ermutigt, sich dort ein neues       Wir halten an der Warthe bei       Kirchengebäude, einst evange-
Zuhause zu schaffen. Auch die       der Auffahrt zur Fähre, die eine   lisch, heute katholisch. Eine der
Namen der Orte erinnern an          Abkürzung nach Witnica bilde-      Kirchen, die komplett als Fach-
Gibt es ein polnisches Oderbruch? - PERSPEKTIVEN EINER (GRENZ)REGION - Oderbruch Museum Altranft
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Regionalgeschichte aus Liebe
Zu Besuch bei Zbigniew Czarnuch in Witnica

                                                                      Czarnuch beschäftigte die Fra-
                                                                                                         Brauerei
                                                                      ge, warum es nur wenig Interes-
                                                                      se für die gemeinsame deutsch-     Browar
                                                                                                         Witnica
                                                                      polnische Vergangenheit gibt.
                                                                      Er jedenfalls begann, diese Ver-
                                                                      gangenheit anhand vieler Zeug-
                                                                      nisse zu studieren. Schon früh
                                                                      begann er, diese Forschungen
                                                                      zu dokumentieren.
                                                                      Im Mittelpunkt standen dabei
                                                                      ganz individuelle Geschichten.
                                                                      Da das Rathaus mitsamt sei-
                                                                      nem Archiv verbrannt war, be-
                                                                      gann er, Artefakte als Zeugnisse
                                                                      dieser Zeit zu sammeln. Diese
                                                                      können in dem von ihm ge-          Die geschichtsträchtige
                                                                      gründeten Wegweiser-Park und       Brauerei Browar Witnica
                                                                      im Heimatmuseum in Witnica
Zbigniew Czarnuch in der heimischen Wohnstube mit Ordnern
                                                                      erlebt werden.                     Die Brauerei Browar Witnica ist ein
voller Erinnerungen
                                                                                                         echter Geheimtipp!
Die Region um Witnica im           dersetzen und somit auch ein       Bei unserem Besuch begleite-       Sie wurde bereits 1848 gegründet
Warthebruch ist durch Grenz-       Verständnis für die Gegenwart      te uns Herr Czarnuch auf dem       und ist noch heute weitreichend
verschiebungen,       Wiederan-    entwickeln.                        Fahrrad durch die Stadt, da ihm    unter den Einwohnern der Woiwod-
siedlungen     und    kulturelle                                      das Laufen mittlerweile schwe-     schaft Lubuskie bekannt.
Überlagerungen geprägt. Vor        Als Jugendlicher lebte Zbigniew    rer fällt. Wir erlebten ihn als
allem die Nationalsierungen        Czarnuch mit seiner Familie in     lebendigen Chronisten der Re-      Es werden Führungen durch die
des zwanzigsten Jahrhunderts       Witnica, wo sein Vater als Bür-    gionalgeschichte, der uns trotz    Brauerei angeboten, welche mit
und der von Deutschland ausge-     germeister tätig war. 30 Jahre     seines hohen Alters mit seinem     einer Bierverkostung abgeschlos-
hende zweite Weltkrieg führten     später zog es ihn wieder dort-     Geist und einem sehr modernen      sen werden können. Für all jene, die
zu enormen und oft leidvollen      hin zurück. In den 90er Jahren     Gesellschaftsverständnis über-     es ohne Umwege zur Verkostung
Bevölkerungsbewegungen.            wendete sich Herr Czarnuchs        raschte. Dass seine Kenntnisse     zieht, kann das Restaurant „Piwosz“
Dem damit einhergehenden na-       Weltbild, er beschreibt dies als   und Forschungen auch über          direkt neben an nur empfohlen wer-
tional-egoistischen Denken will    Paradigmenwechsel. „Ich woll-      Witnica hinweg gefragt sind,       den. Dort findet sich das Brauerei
der 90-jährige Publizist und Pä-   te wissen, wer in meinem Haus      merkt man an seinen zahlrei-       eigene Bier, dass nebst Pieroggi
dagoge Zbigniew Czarnuch ent-      gewohnt hat und wer an diesem      chen Publikationen. Ein Allein-    und anderen klassischen Gerichten
gegenwirken. Dafür forscht er      Tisch gesessen hat.“ Er begann,    stellungsmerkmal stellt dabei      der polnischen Küche verköstigt
nach der Geschichte dieser Re-     über Menschenrechte nachzu-        sein Buch: „Das Warthebruch“       werden kann.
gion und ihrer Menschen. Sein      denken und über die Rolle, die     dar, da dieses zum ersten Mal
Wissen will er an junge Leute      jeder einzelne Mensch in der       die Region als zusammengehö-
weitergeben, damit sie sich mit    Geschichte spielt – durch seine    rige Kulturlandschaft fasst.
ihren Orten und den Schicksa-      Entscheidungen, sein Wirken,
len ihrer Vorfahren auseinan-      seine Kommunikation.

Wegweiser der Geschichte
Der Wegweiserpark in Witnica ist beinahe ein Freiluftmuseum.
Wie andere Parks auch lädt die-    Sprache kommentierter Reigen       Unser persönliches Herzstück
ser Park zum Spazierengehen        aus Elementen, die durch ihr       des Wegweiserparks ist ein von
und Verweilen ein, aber die        Arrangement und ihre Kon-          ihm konzipiertes Kunstobjekt,
Wege führen durch vergangene       textualisierung als ein großes     welches sowohl die Orte dar-
Zeiten und die Parkbänke lie-      Versöhnungswerk zusammen-          stellt, aus denen Menschen
gen an verschiedenen histori-      wirken.                            nach Witnica gekommen sind,
schen Schauplätzen. Die Objek-     Die im Park präsentierte Samm-     als auch jene, an die es sie von
te der Orts- und Zeitgeschichte,   lung beinhaltet alte Gaslaternen   hier verschlagen hat. Die hu-
welche Zbigniew Czarnuch mit       und Wasserturbinen, Mühlstei-      manistische Haltung Czarnuchs
viel Empathie und Neugier über     ne, Strommasten und Dampf-         kommt besonders an einem als
Jahre hinweg gesammelt hat,        maschinen, ein Stück der Ber-      Scheideweg gestalteten Objekt
stehen nicht nur für verschie-     liner Mauer, Grenzpfosten und      zum Ausdruck, welches die
dene Phasen der Technik- und       Wegsteine, also verschiedenste     Vielfalt der Menschheit, ver-
Wirtschaftsentwicklung,     der    Exponate aus unterschiedli-        scheide Werte, Religionen und
politischen Geschichte oder der    chen Zeiten, die immer wieder      die Entscheidungen themati-
kulturellen Veränderungen. Sie     zu thematischen Plätzen arran-     siert, die jeder Mensch täglich    Kunstobjekt am buchstäbli-
erzählen zugleich Geschichten      giert sind, auf denen Zbigniew     für sich treffen muss.             chen Scheideweg
über das Gute und Schlechte in     Czarnuch die Besucher dazu
der Historie der Stadt und öff-    einlädt, sich über den „kleinen    Ein Highlight des Tages und ein    des neu restaurierten Schaufel-
nen den Raum für die persön-       Frieden“ des Lebens Gedanken       Erfolg der unermüdlichen Be-       rads der ehemaligen Wasser-
liche Reflexion. Entstanden ist    zu machen, den es zu suchen        mühungen von Zbigniew Czar-        mühle – genau in den Stunden
ein in polnischer und deutscher    und zu schaffen gilt.              nuch war das Wiedereinsetzen       unseres Besuchs.
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Heimatstube Witnica
In der Wohnstube begonnen, zur Heimatstube geworden.

Zbigniew Czarnuch fing früh        Werte erst erfahren werden
an, Artefakte zu sammeln. Zu-      können, wenn jemand das Ge-
erst im Kleinen bei sich zu Hau-   spräch eröffnet und ihre gehei-
se. Jedoch wurde die Samm-         men Geschichten preisgibt.
lung immer umfangreicher. Es       Netzsenker, Hochzeitsfotos, Me-
musste ein Ort gefunden wer-       daillen und sogar Eingewecktes
den, in dem diese ausgestellt      finden sich in den drei Ausstel-
und erlebt, und ihre Geschich-     lungsräumen der Heimatstube.
ten erzählt und gehört werden      Eines der Herzstücke der
können. Dieser Ort wurde in        Sammlung ist eine hölzerne         Zu Besuch im Rathaus. Frau Łopatka, stellvertretende Bürger-
einer alten Fabrikantenvilla       Truhe. Zbigniew Czarnuch           meisterin, spricht deutsch und lebt seit 13 Jahren in Witnica.
in Witnica gefunden, welche        präsentiert hier Sargbeschlä-

                                                                      Ein Besuch im Rathaus
inzwischen sorgfältig saniert      ge aus dem Schloss Tamsel. Er
werden konnte und zusätzlich       meint, jedes Museum müsse
als Standesamt und Bibliothek      doch Schätze wie diese haben.
                                                                      Witnica als Kommune im Warthebruch
dient.                             Hört man seinen Geschichten
Die Heimatstube ist kein Mu-       zu, kommt man jedoch kaum          Zusammen mit unserem Dol-            besseren Bildungsangeboten fo-
seum im klassischen Sinne. Es      umhin, ihn selbst als den wah-     metscher Robert Piotrowski           kussiert sich die Gemeinde auf
ist eine Sammlung von Objek-       ren Schatz dieser Sammlung zu      und Herrn Kaczmarek betre-           den Bau günstiger kommunaler
ten vergangener Zeiten, deren      erkennen.                          ten wir das Rathaus von Wit-         Wohnungen sowie moderner
                                                                      nica, um den Bürgermeister           Sportanlagen, um einer stei-
                                                                      der Gemeinde, Dariusz Edward         genden Landflucht entgegen zu
                                                                      Jaworski zu treffen, der seit        wirken. Ein bereits vollendetes
                                                                      2014 im Amt ist. Allerdings ist      Projekt stellt ein Skate-Park dar,
                                                                      er verhindert und wir werden         der die „sentimentale Zone“ des
                                                                      von Frau Małgorzata Łopatka          Wegweiser-Parks für eine junge
                                                                      empfangen, die sich als seine        Zielgruppe aufwerten soll. Wün-
                                                                      Vertretung für ein Interview         schenswert wäre auch der Bau
                                                                      zur Verfügung stellt. Wir er-        einer groß angelegten Sprung-
                                                                      fahren Folgendes: Als Teil der       schanze nach dem Vorbild der
                                                                      Grenzregion Neumark ist Wit-         Anlage in Bad Freienwalde.
                                                                      nica bereits in viele Partner-       Damit erhofft sich die Gemein-
                                                                      schaftsprojekte mit deutschen        de unter anderem eine Steige-
                                                                      Gemeinden involviert. Der rege       rung der Attraktivität Witnicas
                                                                      internationale Austausch sei         für seine Bewohner sowie für
                                                                      auch auf Amtsebene längst zur        die Tourismusbranche. Für das
                                                                      Normalität geworden und soll         Schloss Tamsel (Dąbroszyn),
                                                                      durch Schüleraustausche und          einen attraktiven historischen
                                                                      verbindende Interreg-Projekte        Ort, wird noch nach einem Käu-
Netzsenker als Zeugen der lokalen Fischereigeschichte in der          weiter gefördert werden. Neben       fer gesucht.
Heimatstube in Witnica

Das      Lapidarium                von        Słońsk
Błażej Kaczmarek versammelt seit über vierzig Jahren Grabplatten in seinem Lapidarium.
                                                                      tionen und erkundete den Ort.        „deutschen Zugehörigkeit“ von
                                                                      Dabei entdeckte er vereinzelt        Friedhöfen entfernt wurden. Ei-
                                                                      Grabplatten abseits des Fried-       nerseits als symbolische Hand-
                                                                      hofs. Diese vereinte er und initi-   lung, andererseits mangelte es
                                                                      ierte damit das Lapidarium von       der Region nach dem Zweiten
                                                                      Słońsk. Er betreut das Lapida-       Weltkrieg stark an Baumate-
                                                                      rium seitdem, also bereits seit      rial. Grabplatten oder Stücke
                                                                      über vierzig Jahren.                 von Grabsteinen wurden somit
                                                                      Das Lapidarium von Słońsk            für den Bau von beispielsweise
                                                                      befindet sich seitlich abgele-       Mauern und Gebäuden ver-
                                                                      gen auf einem alten evangeli-        wendet. Des Weiteren ist an-
                                                                      schen Friedhof. Es versammelt        zunehmen, dass Grabplatten
                                                                      bis heute dem Ort zugehörige         aufgrund finanziell bedingter
                                                                      Grabplatten, sowie einige Grab-      Auflösungen von Gräbern neu
                                                                      steine. Die Grabplatten werden       verortet wurden. Private Funde
                                                                      dazu auf Holzstamm-ähnlichen         werden bis heute von Bewoh-
                                                                      und verzierten Säulen, soge-         ner*innen dem Lapidarium
Grabstein von Otto Rubow, ehemals Bürgermeister von Słońsk.           nannten Lebensbäumen dra-            hinzugefügt. Angehörige der
Er setzte sich unter anderem für die Entstehung von Parks,            piert. Konfession oder Herkunft      Verstorbenen besuchen das La-
Pflasterstraßen, Industrieanlagen, Eisenbahnverbindungen oder         der erinnerten Verstorbenen          pidarium, um sich dort zu erin-
Grünanlagen ein.                                                      sind dabei nicht von Bedeutung.      nern. Das Lapidarium hat sich
                                                                      Diese Vereinigung steht teils in     durch Błażej Kaczmarek und
„Sie erschienen mir so einsam,     pidariums. Herr Kaczmarek          starkem Kontrast zu den his-         die Unterstützung der Gemein-
da habe ich sie an einem Ort       begab sich nach seinem Zuzug       torischen Ursprüngen. Es ist         de weiterentwickelt. Es schafft
vereint“, erinnert sich Błażej     auf Erkundung seines neuen         anzunehmen, dass einige der          ein gemeinsames Bewusstsein
Kaczmarek an den Fund der          Wohnorts Słońsk. Er besuchte       Grabplatten nach dem zwei-           der Bewohner*innen für die Ge-
ersten Grabplatten seines La-      Archive, sammelte Informa-         ten Weltkrieg aufgrund ihrer         schichte ihres Wohnorts.
Gibt es ein polnisches Oderbruch? - PERSPEKTIVEN EINER (GRENZ)REGION - Oderbruch Museum Altranft
6 | GAZETA Warta | PERSPEKTIVEN EINER (GRENZ)REGION

„Erfolg und Niederlage - in solchen Kategorien denke ich nicht”
Durchhaltevermögen erhält wertvolle Landschaften am Rande des Oderbruchs

Auf dem Gelände des Wiesen-         gab sich die Möglichkeit der
museums in Owszary gibt es          Übernahme eines solchen Be-
viel zu entdecken. Vom Park-        triebes samt marodem Gebäu-
platz geht es durch eine Pforte     debestand sowie 6.000 Hektar
auf den Hof. Schafe blöken hin-     Fläche, von denen der Verein
ter einem Zaun hervor, der Ge-      30 Hektar wertvoller Trocken-
ruch von Stroh liegt in der Luft.   rasenflächen im Eigentum er-
Eine Ecke des Hofs ist liebevoll    warb.
mit geflochtenen Tipis und Wei-     Seit nunmehr 17 Jahren ist Ewa
dentunneln geschmückt. Vor-         Mitglied dieser NGO und hat
sichtig tapst eine Katze in den     sich an der Sanierung des Ho-
Schafstall - bestimmt auf der       fes mit viel Mühe und Herzblut
Suche nach Mäusen.                  beteiligt. Der gemeinsame Wie-
Inmitten dieser Idylle steht        deraufbau verlangte ihnen in
voller Stolz Ewa Drewniak mit       den ersten Jahren viel ab, doch
ihrem Hütehund an der Seite.        inzwischen hat das Gelände ei-
Kräuter fand sie schon in ihrer     niges zu bieten.
Kindheit faszinierend, und          Eine Herde aus 170 Heidescha-      Vorderansicht des Wiesenmuseums
sie hegte schon damals den          fen und 20 Ziegen sichert den
Wunsch nach einem eigenen           Erhalt der umliegenden Tro-        Ewa Drewniak auf dem umlie-         werden. Ganz praktische Um-
Obstgarten.                         ckenrasen. Die genügsamen          genden Gelände sowie in den         weltbildung findet in Kursen,
Dieser Wunsch erfüllte sich         Tiere sind an magere Standorte     altdeutschen Gärten ausfindig       bei Workshops und auf Hoffes-
für Ewa im Wiesenmuseum             angepasst, halten das Gras kurz    und weitet ihre Suche stetig aus.   ten statt.
– einer Außenstelle der NGO         und verhindern, dass aus den       In einem der Gebäude des al-        In sich ruhend und mit Zuver-
„Klub Przyrodnikow“. In den         verstreut wachsenden Bäum-         ten Hofes finden Besucher eine      sicht schaut Ewa Drewniak in
1990er Jahren war die Grün-         chen ein Wald entsteht.            Ausstellung und auf dem Au-         die Zukunft. Zwar bringt ihr
dung einer NGO wie dieser mit       Zum Museum gehört ein zwei         ßengelände einen kleinen bota-      Wiesenmuseum „wenig Pres-
naturschutzfachlichem Fokus         Kilometer langer Lehrpfad, der     nischen Garten – derzeit leider     tige, aber großen persönlichen
in Polen ziemlich verrückt und      durch die seltene Trockenra-       vor allem durch die Trockenheit     Gewinn“.
außergewöhnlich. Zur gleichen       senlandschaft führt. An seinem     in Mitleidenschaft gezogen. In
Zeit schlossen zahlreiche staat-    Anfang liegt eine kleine Baum-     einem der folgenden Projekte
liche Landwirtschaftsbetriebe.      schule mit alten Obstbaumsor-      soll dieser den Bedingungen
Am Rande des Oderbruchs er-         ten. Die „Mutterbäume“ machte      des Klimawandels angepasst

Ein Museum kämpft an zwei Fronten
Das Erbe der Festung Küstrin
                                                                       Altstadt Küstrin. Diese wurde       stellung reichen derzeit die
                                                                       durch die heftigen Kriegshand-      Gelder, denn für die Stadt sind
                                                                       lungen am Ende des zweiten          die Projekte zu groß, für den
                                                                       Weltkrieges weitestgehend zer-      polnischen Staat zu klein. Mit-
                                                                       stört. Die verbliebenen Reste       telakquise ist ein schwieriges
                                                                       des preußischen Residenz-           Unterfangen.
                                                                       schlosses wurden in den 1960er      Das zweite große Problem re-
                                                                       Jahre vollständig dem Erdbo-        sultiert aus der Geschichte der
                                                                       den gleichgemacht. Erst in den      Festung und der Region selbst.
                                                                       1990er Jahren wurde der meter-      Die brandenburgisch-preußi-
                                                                       hoch aufgetürmte Schutt, unter      schen Herrscher sind in der
                                                                       denen die Reste der alten Stadt     polnischen Geschichtsschrei-
                                                                       verborgen lagen entfernt und        bung stark negativ behaftet.
                                                                       so entstand der „Park der Be-       Diesem Umstand muss das
                                                                       sonderheiten“, wie das Gelände      Museum sensibel durch eine
                                                                       heute von Küstriner*innen ge-       neutrale Darstellung Rechnung
                                                                       nannt wird.                         tragen. Da die Bewohner*in-
Überreste der Marienkirche in der Küstriner Altstadt                   Seit 2008 befindet sich in ehe-     nen Küstrins erst nach Ende
                                                                       maligen Bastionen der Festung       des zweiten Weltkriegs dort an-
Beim Betreten der Festung Küs-      fremdlich, seltsam. Was ist hier   ein Museum, das sich vor allem      gesiedelt wurden, nehmen sie
trin kommt das Gefühl auf, sich     passiert?                          mit deren militärischer Ge-         die Geschichte der Festung nur
in einem Park zu befinden. Wer      Die Festung Küstrin wurde im       schichte beschäftigt. Doch es       schwer als ihre eigene wahr.
weitergeht, sieht jedoch gepflas-   16. Jahrhundert von Markgraf       kämpft an zwei Fronten gleich-      Durch verschiedene Bildungs-
terte Straßen, kaputte Gehwege,     Johann von Brandenburg-Küs-        zeitig. Obwohl das Museum die       angebote des Museums identi-
Straßenschilder und noch teil-      trin erbaut, der damals über       Visitenkarte der Stadt Küstrin      fiziert sich die junge Generation
weise erhaltende Mauern und         die Neumark herrschte und          ist und viele v.a. internationa-    zunehmend mit der Festung
Treppen von Gebäuden, die von       dort sein Residenzschloß er-       le Tourist*innen anzieht, fehlt     und begreift deren Geschichte
Bäumen und Sträuchern über-         richten ließ. Danach blieb sie     es ihm an finanziellen Mitteln.     und die der Küstriner Altstadt
wuchert sind. Zwischen diesen       im    brandenburgisch-preußi-      Weder für eine Restaurierung        als Teil der eigenen.
finden sich freie Grasflächen.      schen Besitz, und innerhalb        weiterer Festungsteile noch
All das wirkt ein wenig be-         der Festungsmauern wuchs die       für eine Erweiterung der Aus-
Gibt es ein polnisches Oderbruch? - PERSPEKTIVEN EINER (GRENZ)REGION - Oderbruch Museum Altranft
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                                                                                                              Unbekanntes
Über die Identitätsfindung                                                                                    Land?
in einer Grenzstadt                                                                                           Der Verein „Terra Incogni-
                                                                                                              ta“ spürt dem Kulturerbe
Die polnische Stadt Chojna und ihr deutsches Kulturerbe                                                       in Chojna nach
Chojna ist von einer wechsel-                                                                                 In Lublin geboren, zog Robert
haften Geschichte geprägt: Bis                                                                                Ryss 1980 für eine neue Anstel-
1945 in Deutschland gelegen                                                                                   lung nach Chojna. Dort war er 30
und Hauptstadt der Neumark,                                                                                   Jahre lang Chefredakteur der Lo-
gehört die Stadt seit Ende des                                                                                kalzeitung „Gazeta Chojeńska“.
Zweiten Weltkrieges und der da-                                                                               Zwei Ereignisse führten dazu,
mit einhergehenden Grenzver-                                                                                  dass er sein Interesse für die
schiebung zu Polen. Die neue                                                                                  Geschichte der deutsch-polni-
Grenze zwischen der Volks-                                                                                    schen Grenzregion vertiefte: Ein
republik Polen und der Deut-
schen Demokratischen Repub-
lik war bis 1991 nicht ohne ein
Visum zu überqueren. Erst mit
dem Beitritt Polens in die EU im
Jahr 2004 und in das Schengen-
Abkommen im Jahr 2008 eröff-
neten sich neue Möglichkeiten
in der Gestaltung der Nachbar-
schaftsverhältnisse:                                                                                          Robert Ryss auf dem Turm der
Deutsche und polnische Kultur-                                                                                Marienkirche in Chojna
einrichtungen nahmen seither
Partnerschaften auf. Das Ange-                                                                                alter Stadtbewohner übergab
bot von zweisprachigen Kultur-                                                                                ihm eine persönliche Sammlung
veranstaltungen wächst stetig.                                                                                von Texten, in denen ehemalige
Viel häufiger entstehen Begeg-                                                                                deutsche Bewohner*innen ihre
nungen jedoch im Alltag. Deut-                                                                                Erinnerungen niedergeschrie-
sche fahren für einen günstigen                                                                               ben hatten. Diese ließ Robert
Einkauf nach Polen und um-                                                                                    Ryss in die polnische Sprache
gekehrt fahren die Polen dafür                                                                                übersetzen und veröffentlichen.
nach Deutschland. Auch bieten                                                                                 Das Interesse in der Leserschaft
die fünf Restaurants und mehr                                                                                 war sehr hoch und die Veröffent-
als zehn Bars in Chojna – bei                                                                                 lichungen werden noch heute
rund 7.000 Einwohnern eine                                                                                    in Schulen gelesen. Eine zweite
                                       Ein Beispiel für gelungene deutsch-polnische Zusammenarbeit:
überdurchschnittlich hohe An-                                                                                 Arbeit mit unerwarteter Reso-
zahl – viel Platz für deutsch-pol-
                                       Die Restauration der Marienkirche in Chojna.
                                                                                                              nanz war ein Artikel über die
nische Annäherung. Und wer             blieb größtenteils bestehen.       er seine Arbeit, mit der er einen   Schlacht von Cedynia. Der Arti-
hätte gedacht, dass der Weg zur        Nach dem Zweiten Weltkrieg ta-     Beitrag zur Identitätsfindung       kel hinterfragte, ob die Schlacht
Arbeit von Chojna nach Szcze-          buisiert, begann deren struktu-    der Stadtbewohner*innen leis-       an diesem Ort überhaupt stattge-
cin kürzer ist, wenn man durch         relle Aufarbeitung erst vor rund   ten möchte.                         funden hatte. Unter den Lesern
Deutschland fährt?                     zehn Jahren. Ein wichtiger Ak-     In unserem Gespräch mit ihm         entstand von Frankfurt (Oder)
Gleichzeitig gab es auf bei-           teur ist dabei der Verein „Terra   haben wir viel über die Ge-         bis Szczecin eine sehr kontrover-
den Seiten auch Vorbehalte             Incognita“, der beispielsweise     schichte einer Grenzstadt in        se Diskussion um den Ort und
bezüglich der Grenzöffnung.            regelmäßig Publikationen wie       einem besonderen Kulturraum         die Bedeutung der Schlacht für
Großräumiger Flächenaufkauf            Jahrbücher herausgibt und au-      erfahren. Der Kulturraum ist        die polnische Geschichte. Für die
durch Deutsche in Polen sowie          ßerschulische Bildungsangebo-      durch eine politische Grenze        Beteiligten war die Diskussion
Arbeitsplatzverlust in Deutsch-        te für Jugendliche organisiert.    geteilt, aber die Begegnungen       Anlass, im Jahr 2009 den Verein
land durch polnische Arbeits-          „Man nimmt an, dass Identi-        der Menschen und die Aktivitä-      „Terra Incognita“ zu gründen, in
kräfte waren Befürchtungen,            fikation erst ab der dritten Ge-   ten, wie durch den Verein „Ter-     dem auch Robert Ryss seit Be-
die sich jedoch als unbegründet        neration einsetzt“, so Robert      ra Incognita“ organisiert, lassen   ginn Mitglied ist.
erwiesen haben.                        Ryss, ein Mitglied des Vereins.    die Grenze verschwimmen und         Der Verein beschäftigt sich heu-
Doch die Skepsis bezüglich der         „Deutsche Geschichte ist auch      eine neue Identität wachsen.        te mit der Geschichte der Stadt
deutschen Geschichte Chojnas           unsere Geschichte“, begründet                                          Chojna und ihrer Bedeutung für
                                                                                                              die Neumark. Ein besonderes
Stadtmauer Chojna                                                                                             Interesse liegt im deutschen und
                                                                                                              jüdischen Kulturerbe der Stadt.
Chojna war vom 13. bis 17. Jahrhun-                                                                           Angefangen mit Jahrbüchern
dert umgeben von einer Stadtmau-                                                                              über die Geschichte der Stadt
er und drei Stadttoren. Zwei der                                                                              und der angrenzenden Region,
Stadttore sind noch heute erhalten                                                                            folgten seitdem viele weitere
– das Schwedter Tor und das Ber-                                                                              Publikationen. Auch außerschu-
nikower Tor. Hatte die Stadtmauer                                                                             lische Bildungsangebote für
den Schutz von Angreifern geboten,                                                                            Jugendliche und Konzerte wer-
zerfallen heute ganze Abschnitte.                                                                             den von dem Verein organisiert.
Andere Abschnitt werden wieder                                                                                Heute zählt der Verein 30 Mit-
in Stand gesetzt. Als Bollwerk der                                                                            glieder, die mit viel Leidenschaft
Stadt erbaut, ist sie heute verwund-                                                                          die Projekte betreuen.
bar und standhaft zu gleich.
Gibt es ein polnisches Oderbruch? - PERSPEKTIVEN EINER (GRENZ)REGION - Oderbruch Museum Altranft
8 | GAZETA Warta | PERSPEKTIVEN EINER (GRENZ)REGION

Gelebte Geschichte
Auf den Spuren des Zweiten Weltkriegs an der Oder

                                                                                                          Herzblut können heute drei Eta-
                                                                                                          gen besucht werden. Im Erdge-
                                                                                                          schoss erfuhren wir von der Ge-
                                                                                                          schichte der Gedenkstätte Stare
                                                                                                          Łysogorki. Zudem befinden sich
                                                                                                          dort viele Exponate aus der Zeit
                                                                                                          des zweiten Weltkriegs, beson-
                                                                                                          ders der letzten Kriegsjahre.

                                                                                                          Viele der Exponate hat Michał
                                                                                                          selbst erworben. Das Erleben
                                                                                                          und das Erfahren der Geschich-
                                                                                                          te sind ihm besonders wichtig.
                                                                                                          Die Vitrinen können aufge-
                                                                                                          klappt werden, um die Gegen-
                                                                                                          stände anzufassen und anzu-
                                                                                                          schauen. Die oberen Räume
                                                                                                          sind für Wechselausstellungen
                                                                                                          gedacht. Im untersten Geschoss
                                                                                                          sind historische Gegenstände
                                                                                                          aus der Region zu sehen wie
                                                                                                          Postkarten, Bilder und Alltags-
                                                                                                          gegenstände. Geplant ist dort
                                                                                                          eine Ausstellung über die Ge-
                                                                                                          schichte Mieszkowices. Sehr be-
                                                                                                          rührt hat uns der letzte Raum.
Michał Dworczyk im Museum bei Stare Łysogórki                                                             Hier sind die alten Plaketten
                                                                                                          der Kriegsgräberstätte Stare
Die Oderregion war während        Zu Beginn unseres Treffens er-      sie mussten in die sibirischen      Łysogorki mit Namen und To-
des Zweiten Weltkrieges Schau-    zählte er uns von dem von ihm       Gulags. Viele Polen schlossen       desjahr der Gefallenen dicht an
platz zahlreicher Kämpfe. Heu-    initiierten Verein „Um alte Le-     sich der Sowjetarmee an und         dicht auf einer Wand zu sehen.
te wird ihnen an bedeutenden      genden herum und Postkarten“.       mussten später an vorderster        Die Plaketten sind vor Jahren
Orten gedacht, die in den Rah-    Zusammen mit der Stadt möch-        Front gegen die Deutschen           ausgetauscht worden da sie in
men der Region des nationalen     te dieser Verein Informations-      kämpfen. Diesen Pionieren,          schlechtem Zustand waren. Die
Gedenkens eingefasst wurden.      tafeln im Stadtgebiet aufstellen,   die oft als Erste den Schlachten    Gedenkstätte für die Gefallenen
Experte zu diesem Thema ist       die alte Postkartenmotive an        an der Oder zum Opfer fielen,       der ersten polnischen Armee
Michał Dworczyk, mit dem wir      ihren Entstehungsorten zeigen.      wurde neben dem Museum in           befindet sich direkt neben dem
uns auf dem Marktplatz von        Diese sollen mit einem QR-Co-       Gozdovice eine Gedenkstätte         Museum. Hierhin wurden die
Mieszkowice trafen.               de versehen sein, der auf wei-      errichtet.                          polnischen Soldaten umgebet-
                                  tere Informationen verweist.                                            tet, welche 1945 bei der Über-
Vor dem Zweiten Weltkrieg,        Gedacht ist dies als eine Art       Michał ist nicht nur für die Lei-   querung der Oder ihr Leben
als Mieszkowice Teil des Deut-    moderne Alternative zu den üb-      tung des Museums zuständig,         ließen.
schen Reiches war, hieß die       lichen eher textlastigen Schil-     sondern arbeitet zusammen mit
Stadt Bärwalde, benannt nach      dern. Gemeinsam mit anderen         seinen beiden Kollegen auch         Michał Dworczyk hat sein Le-
Albrecht dem Bären, dessen        Ideen soll diese Initiative dabei   als Historiker, Kurator und Ak-     ben der Vermittlung der regio-
Abbild als Statue auf dem         helfen Mieszkowice zu revitali-     quisiteur der Kulturstätte. Vie-    nalen Geschichte verschrieben.
Marktplatz stand. Nachdem die     sieren.                             le Exponate der Ausstellungen       Am meisten freut er sich, wenn
Stadt polnisch wurde, änderte                                         wie Waffenreste, Uniformen          neue Ausstellungsteile Be-
sich nicht nur ihr Name, auch     Danach zeigte Michał uns das        und andere Militaria stammen        sucher*innen aus ganz Polen
die Statue wurde ausgetauscht     Museum in Gozdovice, welches        von regionalen Vereinen, die        anziehen. Doch nicht nur die
Heute steht der slawische Fürst   unter anderem die Geschich-         sich intensiv mit der Kriegs-       lebendige Vermittlung der Ver-
Mieszko I. dort.                  te der Oderüberquerung zum          geschichte des Ortes beschäfti-     gangenheit ist ihm wichtig:
                                  Ende des zweiten Weltkrieges        gen. Das ist nicht nur hilfreich,   „Landschaft gehört nieman-
Michał Dworczyk ist Mitarbei-     erzählt:                            weil es immer an nötigen För-       dem”, betont Michał, “sie wird
ter der Stadtverwaltung und       Die Nazis sprengten 1945 alle       dergeldern fehlt, sondern bin-      nur immer wieder neu erzählt”.
Direktor zweier Museen und        Brücken an der Oder, um die         det gleichzeitig die Bewohner       Im Moment erfährt die Re-
mehrerer Gedenkstätten nahe       sowjetischen Truppen am Vor-        der Region in den Ausbau des        gion wieder eine solche Neu-
der Stadt.                        marsch zu hindern. Die So-          Museums mit ein. Zusammen-          erzählung. Auf der Brücke bei
Aufgewachsen in Mieszkowi-        wjetunion schickte Pioniere,        arbeit steht für Michał sowie-      Siekierki, welche seit über 50
ce studierte Michał in Stettin    welche     Pontonbrücken aus        so an erster Stelle: „Menschen      Jahren ungenutzt war, entsteht
Geschichte. Der Zufall und der    Booten und Brettern über den        können immer voneinander            jetzt ein Radweg. Besucher*in-
glückliche Umstand, dass seine    Fluss errichten sollten. Diese      lernen, wenn wir offen und          nen aus Polen und Deutschland
Heimatstadt einen qualifizier-    Pioniere waren oft polnischer       kompromissbereit sind“.             können so schon bald beide Sei-
ten Menschen aus der Region       Herkunft, erzählte uns Michał.                                          ten der geschichtsreichen Oder-
als Direktoren suchte, brachte    Denn nachdem der Osten des          Das Museum in Stare Łysogorki       region erkunden.
ihn zurück hierher. Mit großer    Landes von der Sowjetunion          liegt Michał besonders am Her-
Motivation begann er das Mu-      besetzt worden war, stellte die-    zen. Als er 2016 den Posten des
seum in Gozdowice zu erneu-       se die polnischen Soldaten vor      Museumsdirektors übernahm,
ern und das Museum in Stare       die Wahl: Entweder sie dienten      befand es sich in schlechtem
Łysogórki aufzubauen.             in der sowjetischen Armee oder      Zustand. Durch viel Arbeit und
Gibt es ein polnisches Oderbruch? - PERSPEKTIVEN EINER (GRENZ)REGION - Oderbruch Museum Altranft
GAZETA Warta | PERSPEKTIVEN EINER (GRENZ)REGION | 9

Die Vogelrepublik von Słońsk                                                                              Słońsker Mühle
                                                                                                          Die im 19. Jahrhundert erbaute
Izabel Engel vom Verein „Freunde von Słońsk“ e.V. engagiert sich seit                                     Mühle ist die letzte gut erhal-
vielen Jahren für die Vogelwelt im Warthebruch                                                            tene, vollausgestattete Wasser-
                                                                                                          mühle in der Wojewodschaft
„Die demokratische Vogelrepu-
                                                                                                          Lubuskie. Sie wurde ursprüng-
blik in der Warthemündung ist
                                                                                                          lich mit Dampf angetrieben.
ein einzigartiges Gebiet in Po-
                                                                                                          Der frühere Bürgermeister Otto
len, welches durch den Verein
                                                                                                          Rubow (1892-1924) bewirkte
Freunde von Słońsk e.V. ins Leben
                                                                                                          schließlich den Betrieb durch
gerufen wurde“, erläutert Izabel
                                                                                                          Wasser des Flusses Lenka. Die
Engel. Sie ist ein engagiertes
                                                                                                          Mühle wurde über 50 Jahre
Mitglied des Vereins und war
                                                                                                          von Herrn Edward Goworko bis
für diesen auch schon für die
                                                                                                          zu seinem Tode im Jahre 2011
Heimatstube im Ort verantwort-
                                                                                                          betrieben. Für die regionalen
lich. Die gelernte Forstwirtin
                                                                                                          Bäckereien und Landwirte,
führt zudem in Eigeninitiative
                                                                                                          welche ihr Brot selbst produ-
eine kleine Touristeninforma-
                                                                                                          zierten, war sie von immenser
tion mit Übernachtungsmög-
                                                                                                          Bedeutung. Bis zu 5.000 t Mehl
lichkeit, die am Rande der
                                                                                                          konnten in diesem kulturhisto-
Vogelrepublik gelegen ist. Sie
                                                                                                          rischen Gebäude in einem Jahr
bietet allen Besucher*innen
                                                                                                          produziert werden. Des Weite-
nicht nur einen Überblick über
                                                                                                          ren wurde der erzeugte Strom
die vorkommenden Vogelarten,
                                                                                                          in der Nachkriegszeit für die
sondern auch über die weiteren
                                                                                                          Beleuchtung der Ortschaft ge-
Attraktionen im Umland.
                                                                                                          nutzt. Mittlerweile ist die Mühle
Der Verein „Freunde von
                                    Einer der drei Grenzpfähle, welche die Vogelrepublik markieren.       seit ca. acht Jahren nicht mehr
Słońsk“ e.V. existiert bereits
                                                                                                          in Betrieb. Das Gebäude wird
seit ca. 20 Jahren und besteht
                                    Umgebung ausgewählt. Dieses         Górzyca sowie mit dem Forst-      jedoch gelegentlich für Work-
aus etwa 30 Mitgliedern. Be-
                                    Jahr ist es der Eisvogel. Insge-    amt Ośno Lubuskie Routen ent-     shops, sowie die Aufnahme von
reits 2009 hat das Projekt den
                                    samt zählt die Republik bereits     worfen, die unterschiedlichen     Hochzeitsfotos genutzt.
Wettbewerb EDEN um das in-
                                    über 3.400 Bürger*innen, die        Vogelarten gewidmet sind und
teressanteste Reiseziel in den
                                    sich durch den Beitritt für den     mit aufmerksamen Augen bei
europäischen Schutzgebieten
                                    Schutz und den Erhalt der Vo-       den Begehungen gesichtete
gewonnen. Für das Staatsge-
                                    gelwelt einsetzen. Einige beson-    werden können. Die Wege sind
biet ist ein Bürgerpass vor Ort
                                    ders Engagierte übernehmen          zu Fuß, Rad oder Kajak leicht
erhältlich und man bekommt
                                    zudem in Warschau und Berlin        zugänglich und führen durch
bei jedem Besuch einen Stem-
                                    die Verantwortung für eigene        die wasserreichen Wiesen- und
pel mit dem Motiv des jewei-
                                    Botschaften, dadurch gewinnt        Weidelandschaften des Land-
ligen „Vogel des Jahres“. Der
                                    die Vogelrepublik auch außer-       schaftsschutzparks „Ujście War-
Vogel des Jahres wird jährlich
                                    halb der Region zunehmend           ty“. Der Verein versucht letzt-   Die Słońsker Mühle
bei einem Treffen der Vereins-
                                    an Öffentlichkeit. 2010 wurden      endlich das Kulturerbe, sowie
mitglieder, sowie mit den Bür-
                                    im Gebiet, in Zusammenarbeit        den Naturschutz zu vereinen
ger*innen der Republik aus
                                    mit den Gemeinden Słońsk und        und sich für die Vogelwelt im     Um die Mühle vor dem Verfall
den etwa 280 Vogelarten der
                                                                        Warthebruch einzusetzen.          zu schützen kaufte sie Dariusz

Schloss Tamsel (Dąbroszyn)                                                                                Matkowski und gründete im
                                                                                                          August 2015 die Stiftung „Przy
                                                                                                          mlynie“ („An der Mühle“). Mit
Eine Bühne mit wechselndem Personal                                                                       der Stiftung verfolgte er das
                                                                                                          Ziel, die damalige Schönheit
Der Park ist teilweise zugewach-    auch später noch als Herrensitz                                       und Besonderheit der Mühle
sen, Sichtachsen und Pavillons      attraktiv. Die hier residierenden                                     wiederherzustellen und zu er-
sind verschwunden, die Fassa-       Geschlechter (auch die Grafen                                         halten. Seine Motivation lässt
de wartet auf frischen Putz. Das    von Dönhoff waren darunter)                                           sich auf die gemeinsamen Be-
Ensemble von Dąbroszyn strahlt      wechselten meist durch Hei-                                           suche mit seinem Opa in der
dennoch eine enorme Kraft           raten der Töchter des Hauses.                                         Kindheit zurückführen, wo-
aus. Erbaut durch Hans Adam         Zeugnisse davon finden sich                                           durch er eine persönliche Bin-
v. Schöning im 17. Jahrhundert      in der restaurierten Patronats-                                       dung zu diesem Ort aufgebaut
wurde es immer wieder zum           kirche, die gleich neben dem                                          hat. Dariusz Matkowski ist In-
historischen Schauplatz, sei es     Schloss liegt und inzwischen                                          haber der Gospodarstwo Rolne
durch die Plünderung durch          zur katholischen Kirche von                                           und züchtet Rinder in und um
die russische Armee im Vorfeld      Küstrin gehört. Der radikalste                                        Słońsk und vermarktet diese.
der Schlacht von Zorndorf oder      Bruch in der Geschichte von                                           Darüber hinaus dienen die Rin-
durch die Besuche Friedrich II.     Tamsel ist sicher der Einzug der                                      der der Offenhaltung der Land-
von Preußen bei Luise Eleonore      Roten Armee. Hier im Schloss                                          schaft des Nationalparks „Ujście
von Wreech in jener Zeit, in der    bereitete General Schukow                                             warty“ (Nationalpark Warthe-
er nach der Hinrichtung seines      mit seinem Stab minutiös die                                          mündung). In naher Zukunft
Freundes Hans Hermann Katte         Schlacht um die Seelower Hö-                                          soll, nach Möglichkeit mit deut-
noch auf der nahe gelegenen         hen und die Einnahme Berlins                                          schen Kooperationspartnern,
Festung Küstrin bleiben muss-       vor. Später wurde das Schloss                                         in der Mühle ein Restaurant
te. Zum literarischen Schau-        kommunal genutzt, nun wartet                                          mit einem angrenzenden Hotel
platz wurde Tamsel durch Theo-      es, teilweise saniert, auf eine                                       entstehen. Bei einem Ausbau
dor Fontanes „Wanderungen           neue Blütezeit.                                                       sollen die originalen Maschi-
durch die Mark Brandenburg.
                                    Schloss Tamsel: zwischen Zerfall                                      nen und somit der Charme der
Das Oderland“. Durch die Lage
                                    und Hoffnungsschimmer                                                 Mühle erhalten bleiben.
an der Ostbahn blieb der Ort
Gibt es ein polnisches Oderbruch? - PERSPEKTIVEN EINER (GRENZ)REGION - Oderbruch Museum Altranft
1 0 | GAZETA Warta | PERSPEKTIVEN EINER (GRENZ)REGION

Das Martyrium
Museum
In Słońsk erinnert heute ein Museum an eines der ersten
Konzentrationslager der Nationalsozialisten

Das 2012 nach einer umfang-        marsch der Roten Armee erging
reichen Modernisierung neu         der Befehl, das Konzentrations-
eröffnete Museum erinnert an       lager zu räumen. 819 Insassen
das Zuchthaus Sonnenburg. Do-      wurden erschossen. Lediglich
minika Piotrowska-Kuipers ist      vier Personen überlebten.
die Leiterin des Martyrium Mu-     Das Martyrium Museum er-
seum in Słońsk. Sie informierte    innert seit 1974 an diese Er-
uns über die Geschichte und        eignisse, seit 2012 in einer
ihre Aufgaben:                     überarbeiteten multimedialen
1832 wurde das Zuchthaus auf-      Ausstellung. Durch zusätzliche
grund seiner fluchtsicheren        Vermittlungsformate, wie län-
und abgelegenen Lage am Rand       derübergreifende Workshops
des Warthebruchs gegründet.        und Bildungsangebote für deut-     Die Johanniterkirche in Słońsk mit neuem Dachstuhl nach einem
Es wurde mehrfach erweitert        sche und polnische Schüler         Entwurf von Schinkel
und zu einem großen Arbeitge-      und Schülerinnen, schafft es
ber der Stadt Sonnenburg. Die
hygienischen Bedingungen des
                                   das Museum, ein kollektiv-his-
                                   torisches Bewusstsein des Or-
                                                                      Der Johanniterorden in Słońsk
Zuchthauses waren allerdings       tes zu bewahren. Zudem ist die
                                                                      Wie ein Orden eine ganze Stadt beeinflusste und das Interes-
so schlecht, dass es 1931 ge-      Leiterin des Museums bestrebt,
schlossen werden musste. Die       Kooperationen und den Aus-         se einer Frau zu der Gründung einer Heimatstube führte
Schließung sorgte für Unruhe       tausch zu anderen Gedenkorten
                                                                      Der in Słońsk geborene Henryk      malig statt und wurde bis in die
                                                                      Radowski berichtet mit Leiden-     Kriegszeit gefeiert. Erst um 2000
                                                                      schaft von der Geschichte sei-     herum wurde sie wiederbelebt.
                                                                      ner Heimat. Er ist Leiter der      Bei Aufräumarbeiten des Glo-
                                                                      Heimatstube und Präsident          ckenturms wurde ein Zirkel mit
                                                                      des Vereins der Vogelrepublik      Gravuren des Symbols des Jo-
                                                                      „Rzeczpospolita Ptasia“. Darü-     hanniterordens vom Großvater
                                                                      ber hinaus teilt er sein Wissen    Radowskis gefunden. Dieser
                                                                      über die Einrichtungen der         lässt sich heute in der Heimats-
                                                                      Stadt.                             tube von Słońsk besichtigen.
                                                                      Der im Jahr 1474 begonnene         In der Heimatstube, die einst
                                                                      Bau der Kirche wurde im Jahr       eine Johanniter-Schule war,
                                                                      1522 mit der Fertigstellung des    findet man heute die verschie-
                                                                      Steingewölbes vollendet. Sie       densten Exponate aus der Ver-
                                                                      wurde vom Johanniterorden          gangenheit von Sonnenburg
                                                                      genutzt, welcher eine wesent-      und wenige aus der jüngeren
                                                                      liche Rolle für die Entwicklung    Geschichte Słońsks wieder. Des
                                                                      von Sonnenburg und später          Weiteren sind einige Exponate
                                                                      Słońsk spielte. In den Jahren      zu sehen, die Bürger und Bür-
                                                                      1652 bis 1657 war Moritz von       gerinnen aus Słońsk aus ihrer
                                                                      Nassau das Oberhaupt des Or-       Heimat mitgebracht haben. Die
                                                                      dens. Er brachte der Stadt viele   Mutter von Henryk Radowski
                                                                      Errungenschaften. So wurde         hat durch ihr persönliches Inte-
Das Martyrium Museum in Słońsk.                                       beispielsweise die alte Burgrui-   resse die Idee der Heimatstube
                                                                      ne zu einem Schloss mit einem      ins Leben gerufen. Bis heute
unter der Stadtbevölkerung,        zu vertiefen und zu pflegen. Mit   20m hohen Tanzsaal, auch Rit-      werden die unterschiedlichsten
die sich über fehlende Ein-        der Gedenkstätte Seelower Hö-      tersaal genannt, aufgebaut und     Gegenstände in die Sammlung
nahmen durch ausbleibende          hen am Rande des Oderbruchs        Sonnenburg erhielt ein Johan-      aufgenommen. Beispielsweise
Besucher*innen der Insassen        besteht ein solcher Austausch      niter-Krankenhaus.                 kann man den letzten erhalte-
beklagten. Die Nationalsozia-      bereits.                           Nachdem die Bevölkerung von        nen Stuhl aus dem Rittersaal,
listen nutzten diese Sorgen aus.   Darüber hinaus wurde für die       Sonnenburg 1945 ihre Heimat        das Grundbuch von Sonnen-
1933 wurde das Zuchthaus, die      Verstorbenen eine Grabstätte       verlassen musste und Men-          burg und ein Paar selbstgebas-
„Folterhölle Sonnenburg“, eines    mit zugehörigem Denkmal er-        schen aus dem ehemaligen           telte Schuhe begutachten. Die
der ersten Konzentrationslager     richtet. Ein Besuch empfiehlt      Ostpolen in die Stadt Słońsk       Ausstellungsstücke erzählen so-
des NS-Regimes. Bis zur Auf-       das Museum, um einen all-          kamen, setzten sich diese stark    mit eine persönliche Geschich-
lösung durch die Rote Armee        umfassenden Eindruck zu er-        für die Erhaltung der Kirche       te, die Henryk Radowski den
saßen dort politische Wider-       halten. Zusätzlich erinnert die    ein. Mit ihrem Engagement er-      Besuchenden        näherbringen
standskämpfer,       sogenannte    Bevölkerung in Słońsk Ende         hielten sie dadurch auch Ver-      kann. Das unweit der Heimat-
Schutzhäftlinge, sowie Wider-      Januar an das furchtbare Mas-      antwortung für das kulturelle      stube stehende Schloss hat den
ständler aus Westeuropa, die im    saker mit einem offiziellen/ öf-   Erbe von Sonnenburg. Heute         Zweiten Weltkrieg unbeschä-
Rahmen der „Nacht und Nebel“       fentlichen Gedenktag.              möchte die Gemeinde die alten      digt überstanden, ist jedoch
- Aktion in Sonnenburg inter-                                         jährlichen Feste „Moritziade“      später ausgebrannt, sodass
niert wurden. Vor dem Ein-                                            wieder einführen und somit         heute nur noch das Mauerwerk
                                                                      an die Geschichte von Sonnen-      sichtbar ist. Was mit der Ruine
                                                                      burg erinnern. Die Moritziade      geschehen wird, ist offen.
                                                                      fand in den 1930er Jahren erst-
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Von Mammuts und Menschen
Die vielen Geschichten von Cedynia

Im äußersten Westen Polens         in einer erstaunlichen Größe
befindet sich die dörflich an-     sehen. Mit circa zwei Metern
mutende Stadt Cedynia. In für      überragte dieser Dorfbewohner
die Region ungewöhnlich hüge-      seine mittelalterlichen Zeit-
ligem Terrain mischen sich alte    genossen deutlich. Das Skelett
Bauernhäuser und Nachkriegs-       steht beispielhaft für unzählige
neubauten mit restaurierten        Funde menschlicher Überreste
Gebäuden. Der Kirchturm der        in und um Cedynia – Nachweis
stattlichen neogotischen Kirche    einer permanenten Besiedlung.
ist weithin sichtbar.              Die Gründe hierfür liegen vor
Wer in Polen aufgewachsen ist,     allem in der leichten Passier-
kennt den Namen der Stadt und      barkeit der dort flachen Oder,
assoziiert ihn allgemein mit der   einem reichhaltigen Wildbe-
dort verorteten Schlacht unter     stand, der eine Nahrungsver-
Fürst Mieszko I. im Jahr 972.      sorgung sicherte, und einer gu-
Auch wenn die Vorbereitungen       ten Handelsinfrastruktur.
für das 1.000-jährige Jubiläum     In den 25 Jahren, die er schon
der Anlass zur Gründung des        in Cedynia lebt, setzte sich Rys-    Das Regionalmuseum am Freiheitsplatz in Cedynia enthält
dortigen Regionalmuseums wa-       zard Matecki mit diesen zahlrei-     einen Teil der Sammlung von Exponaten aus verschiedenen Epo-
ren, reproduziert es nicht nur     chen geschichtlichen Aspekten
                                                                        chen. Doch für viele Artefakte reicht der Platz nicht aus.
die Erzählung jener Schlacht.      der Stadt und des Umlandes
Es befinden sich hier vor allem    auseinander.                         fluss begreifen. Die Betrach-       geschichtlichen Erfahrungen in
Artefakte der Eiszeit und des      Aus persönlichem Interesse be-       tung vom Ufer stellt er dabei       eine literarische Beschreibung.
gesamten Mittelalters sowie der    schäftigt er sich zudem schon        der Betrachtung aus der Luft        An Projektideen und Visionen
Zeit bis 1945.                     seit 20 Jahren mit der polnisch-     oder dem Erleben vom Wasser         mangelt es ihm nicht und so
„Cedynia ist die zweitgrößte       deutschen Beziehung, auch in         aus gegenüber.                      dürfen wir gespannt sein, wie
Ausgrabungsstätte von Mam-         Zusammenhang der Mythisie-           Neben der Arbeit im Museum          sich die Stadt und das Museum
mutüberresten in Europa“, so       rung der Schlacht von Cedynia.       verarbeitet Matecki seine Ein-      in Zukunft entwickeln werden.
Ryszard Matecki, Leiter des        Wichtig ist ihm in diesem Kon-       drücke der Region sowie die Be-
Museums. Neben den Knochen         text vor allem ein Perspektiv-       ziehungen der Menschen zum
und Stoßzähnen dieser eiszeit-     wechsel der Grenzbetrachtung.        Nachbarland in Kinderbüchern
lichen Riesen kann man hier        So solle man die Oder viel eher      und neuen selbstverfassten Sa-
auch ein menschliches Skelett      als Landschaft denn als Grenz-       gen. Somit verwandelt er seine

Die Schlacht von Cedynia – Ein lebender Mythos
Zwischen Wahrheit und Legende im polnisch-deutschen Grenzraum
                                   bereitet hat. Mit Ausnahme           Stadt herum statt. Um die zahl-     Bei unserem Besuch in Cedynia
                                   von dem Markgrafen Hodo und          reichen Fundstücke verschiede-      erzählte uns der heutige Leiter
                                   seinem Verbündeten Graf Sieg-        ner Zeitalter auszustellen und      des Regionalmuseums Ryszard
                                   fried sollen alle Ritter ihres Ge-   die Geschichte der Schlacht zu      Matecki, dass es nach neuen Er-
                                   folges erschlagen worden sein.       erzählen, wurde 1966 ein Regio-     kenntnissen die Schlacht in Ce-
                                   Es handelt sich somit um die         nalmuseum gegründet.                dynia gar nicht gegeben hat. Sie
                                   erste dokumentierte siegreiche       Zwei Jahre vor den geplanten        wird bis heute in Schulen ver-
                                   Verteidigung polnischen Ter-         Feierlichkeiten kam es infolge      mittelt, aber ist wissenschaft-
                                   ritoriums gegen eine deutsche        der Unruhen im Dezember 1970        lich in dieser Form nicht nach-
                                   Provokation.                         zur Entmachtung Gomułkas,           weisbar. Sowohl der Ort des
                                   1000 Jahre danach, im Jahr           dessen Nachfolge Edward Gie-        Konfliktes als auch die große
                                   1972, sollte in Cedynia ein gro-     rek antrat. Dieser wollte, anders   Anzahl der Beteiligten wird von
                                   ßes Jubiläum gefeiert werden.        als sein Vorgänger, die Kontakte    einigen Historikern angezwei-
                                   Insbesondere nach der Grenz-         zu den westlichen Ländern ver-      felt. Wahrscheinlicher handelte
Der polnische Adler als            verschiebung infolge des Zwei-       bessern. Doch die Dynamik der       es sich nur um einen Überfall
                                   ten Weltkriegs sollte so der         Vorbereitungen und die Schaf-       der Piasten auf den Markgraf
Denkmal für die Schlacht bei
                                   rechtmäßige Anspruch Polens          fung des nationalen Mythos um       Hodo sowie Graf Siegfried und
Cedynia - eine missverstande-      auf die neuen Gebiete bekräf-        die Schlacht bei Zehden / Cedy-     wenige ihres Gefolges, bei dem
ne Geschichte?                     tigt werden. Hauptinitiator war      nia konnte nicht mehr gestoppt      die Ritter getötet und beide Ad-
Im Jahr 972 zieht der Lausit-      der damalige Staatssekretär          werden.                             lige als Geisel gefangen genom-
zer Markgraf Hodo I. mit einer     Władysław Gomułka, dessen            Am Festtag nahmen 30.000            men wurden. Dies war damals
Streitmacht in die Provinz         Ziel die Anerkennung der Oder-       Menschen an der Eröffnung           eine gängige Praxis, um Löse-
Pommern, die von dem Pias-         Neiße-Grenze gewesen ist. Mit        des Ehrendenkmals teil. Doch        geld zu erpressen. Indem er
ten-Fürst Mieszko I. verwal-       den Vorbereitungen der Feier-        Gierek war nicht unter ihnen.       Besuchergruppen wie uns oder
tet wird. Es kommt zu einem        lichkeiten wurde schon zehn          Stattdessen feierte er mit Erich    polnischen Schulklassen von
ersten Kampf in der Nähe von       Jahre früher begonnen.               Honecker an der Brücke der          beiden Versionen der Schlacht
Niederwutzen / Osinów Dolny,       Cedynia erlebte in der Folge         Freundschaft, die Frankfurt         erzählt, möchte er eine kriti-
nach welchem sich Mieszko          einen großen Aufschwung: Stra-       (Oder) und Słubice verbindet,       sche Auseinandersetzung mit
nach Zehden / Cedynia zurück-      ßen wurden gebaut, Häuser sa-        ein Abkommen über den pass-         dem Mythos und der späteren
zieht. Dort lockt er die Truppen   niert und mit Schmuckelemen-         und visafreien grenzüberschrei-     politischen Instrumentalisie-
Hodos in einen Hinterhalt, den     ten verschönert. Zudem fanden        tenden Verkehr – ein wichtiges      rung anregen.
Mieszkos Bruder Czcibor vor-       viele Ausgrabungen um die            Zeichen der Annäherung.
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