Giuseppe Franco Von Salamanca nach Freiburg: Joseph Höfffner und die Soziale Marktwirtschaft - Verlag Ferdinand ...
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Giuseppe Franco Von Salamanca nach Freiburg: Joseph Höfffner und die Soziale Marktwirtschaft
Veröfffentlichungen der Joseph-Höfffner-Gesellschaft Herausgegeben von Lothar Roos, Christian Müller, Elmar Nass, Johannes Zabel Band 7
Giuseppe Franco VON SALAMANCA NACH FREIBURG: JOSEPH HÖFFNER UND DIE SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT 2018 Ferdinand Schöningh
Bibliografijische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografijie; detaillierte bibliografijische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlags nicht zulässig. Originalausgabe: Giuseppe Franco: Da Salamanca a Friburgo: Joseph Höfffner e l’Economia Sociale di Mercato, Lateran University Press, Città del Vaticano 2015 (Corona Lateranensis 66). (ISBN): 9788846510259 © 2018 Verlag Ferdinand Schöningh, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV , Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA , USA ; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland) Internet: www.schoeningh.de Satz: Martin Mellen, Bielefeld Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München Herstellung: Brill Deutschland GmbH, Paderborn ISBN 978-3-506-78908-2
Petrus Iohannis Olivi (1248 – 1298) gewidmet
»Die Sozialtheologie bietet – sowohl als theologia socialis dogmatica wie auch als theologia socialis moralis – über die naturrechtlichen Kategorien hinaus wesentlich Neues.« »Die Diskussion spitzt sich mehr und mehr zu der Frage zu, ob die katholische Soziallehre durch die Entfaltung spezifijisch theologischer Kategorien – wie Erschafffung, Erbsünde, Erlösung, Volk Gottes, soziale Dimension der Sünde, Heilsgeschichte, Wiederkunft des Herrn und Überwältigung der Weltgeschichte – über das nach wie vor unersetzbare Naturrecht hinaus entwickelt werden könne.« Joseph Höfffner
Inhalt Johannes Zabel OP Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Vorwort zur deutschen Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Zum Thema der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Ziel und Vorgehensweise der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Die Wirtschaftsanalyse und die Wirtschaftsethik der Schule von Salamanca . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1.1 Die Methodologie der Wirtschaftsethik nach der spanischen Spätscholastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1.1.1 Wirtschaft als empirische Wissenschaft . . . . . . . . . 41 1.1.2 Interdisziplinäre Arbeit und das argumentativ- rationale Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1.1.3 Die Einbettung der Wirtschaftsanalyse in normative Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1.2 Marktfreiheit und Wettbewerb: Die spätscholastische dynamische Sicht der Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1.2.1 Die Rechtfertigung des Handels und des Eigeninteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1.2.2 Die subjektive Wertlehre und die Frage nach gerechten Preisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1.2.3 Die Quantitätstheorie des Geldes . . . . . . . . . . . . . . . 58 1.2.4 Die Frage der Monopole und die Kritik an behördlichen Preisfestsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 61 1.3 Die Begründung des Privateigentums . . . . . . . . . . . . . . . . 63 9
Inhalt 1.3.1 Theologische und wirtschaftsethische Argumente für das Privateigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1.3.2 Die Institution der Privateigentumsordnung nach dem jus gentium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1.3.3 Anthropologie der Freiheit und objektiver Realismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1.4 Niedergang und Einfluss der spätscholastischen Wirtschaftsethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1.4.1 Joseph Höfffners wirtschaftsethische Dissertation als historische Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1.4.2 Zur Wirkungsgeschichte der spätscholastischen Wirtschaftsethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1.4.3 Die Spätscholastiker als »Vorläufer« der Österreichischen Schule der Nationalökonomie 87 1.4.4 Der Niedergang und die Renaissance der scholastischen Tradition: Eine Würdigung . . . . . . 93 1.4.5 Historisch-theoretische Leistung von Höfffners Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Wirtschaftsordnungen und Katholische Soziallehre . . . . . . 105 2.1 Vom scholastischen Ordo-Gedanken zum Ordoliberalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2.1.1 Höfffner über den Ordo-Gedanken des Mittelalters 106 2.1.2 Das Ordo-Verständnis Walter Euckens . . . . . . . . . . 110 2.1.3 Der Beitrag Wilhelm Röpkes zur »natürlichen Ordnung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2.2 Der christliche Glaube als ethische Grundlage des Ordoliberalismus von Eucken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2.2.1 Die Freiburger-Kreise und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2.2.2 Die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nach der Anlage 4 der Denkschrift des Freiburger Bonhoefffer-Kreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2.2.3 Der normative Gehalt des Ordo-Gedankens und die christliche Sozialethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 10
Inhalt 2.3 Höfffner und die Wirtschaftsordnungen im Lichte der Katholischen Soziallehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2.3.1 Die Kritik am klassischen ökonomischen Liberalismus und am Paläoliberalismus . . . . . . . . . 142 2.3.2 Der Neoliberalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2.3.3 Die Ablehnung des Sozialismus und des Kollektivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2.3.4 Die Soziale Marktwirtschaft als eine menschenwürdige Wirtschaftsordnung . . . . . . . . . 152 2.3.5 Wettbewerbsordnung und Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2.4 Höfffners Wirtschaftsethik und die Konvergenzen zum Ordoliberalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2.4.1 Wirtschaftsethik als Ordnungsethik . . . . . . . . . . . . 163 2.4.2 Das Sachziel der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2.4.3 Das Denken in Ordnungen bei Höfffner, Eucken und den Spätscholastikern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3. Das christliche Menschenbild als Grundlage einer freien Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3.1 Die Spanische Kolonialethik und die Verteidigung der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3.1.1 Der Kampf um die Würde des Menschen . . . . . . . 175 3.1.2 Der Beitrag von Francisco de Vitoria . . . . . . . . . . . . 178 3.1.3 Die Begründung der Völkerrechtswissenschaft und Höfffners Ergebnisse bezüglich der spanischen Kolonialethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3.1.4 Höfffners Beitrag zur Renaissance des Naturrechtsdenkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3.1.5 Die Kraft und der normative Gehalt der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3.2 Die Biblisch-theologische Grundlagen des christlichen Menschenbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3.2.1 Der Mensch als Geschöpf und Beziehungswesen 199 3.2.2 Der Mensch als Bild Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 3.2.3 Der Mensch als Sünder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3.3 Das Personalitätsprinzip der Katholischen Soziallehre und seine normative Bedeutung für die Wirtschaft . . . 207 11
Inhalt 3.3.1 Die Anordnung der Sozialprinzipien und das Primat des Personalitätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . 208 3.3.2 Der Mensch als Träger und Ziel des gesellschaftlichen Lebens nach Joseph Höfffner . . 212 3.4 Der homo oeconomicus und das christliche Menschenbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3.4.1 Der homo oeconomicus: Analyseinstrument oder normatives Konzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 3.4.2 Die ökonomische Rationalität und das christliche Menschenbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 4. Der theologische und epistemologische Beitrag von Joseph Höfffner zur Identität und Relevanz der Christlichen Gesellschaftslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 4.1 Die Christliche Sozialethik als theologische Wissenschaft: Eine theologisch-dogmatische und theologisch-moralische Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 4.2 Die interdisziplinäre Methode der christlichen Soziallehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 4.3 Das Engagement der Kirche mit sozialen und wirtschaftlichen Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 5. Caritas in veritate von Benedikt XVI . aus der Perspektive Joseph Höfffners und der Sozialen Marktwirtschaft . . . . . . . 251 5.1 Der ethische Wert der Marktwirtschaft und der institutionelle Weg der Liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 5.2 Für eine menschenwürdige Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 5.3 Unentgeltlichkeit und Logik des Geschenks . . . . . . . . . . 266 5.4 Entwicklung der Völker und Solidarität der Menschheitsfamilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 5.5 Die theologische Begründung der Menschenrechte im Zeitalter der Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 5.6 Das Naturrecht und die Qualität der Geschichte im Denken Joseph Ratzingers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 5.7 Die Aufgabe der Wissenschaft und der Sozialverkündigung der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 12
Inhalt 5.8 Die Soziallehre der Kirche als Bestandteil der Neuevangelisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 6. Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 1. Dokumente der lehramtlichen Sozialverkündigung . . . 329 1.a Konziliare Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 1.b Enzykliken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 1.c Apostolische Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 1.d Päpstliche Reden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 1.e Dokumente der Päpstlichen Räte . . . . . . . . . . . . . . . 330 2. Scholastische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 3. Bibliographie von Joseph Höfffner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 4. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Bibliographische Nachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 13
Johannes Zabel OP Geleitwort Als Vorsitzender der Joseph-Höfffner-Gesellschaft freue ich mich, der vorliegenden deutschen Übersetzung der italienischen Dissertation von Herrn PD DD r. Giuseppe Franco ein Geleitwort zu schreiben. Diese theologische Dissertation im Fachgebiet »Christliche Gesell- schaftslehre« wurde im Jahre 2015 an der Päpstlichen Lateran Uni- versität – Rom abgeschlossen und mit summa cum laude bewertet. Die Arbeit befasst sich mit Joseph Höfffners wirtschaftswissenschaftlichen und sozialethischen Studien, die vor allem dem spätscholastischen Denken und der theoretischen Grundlagen der Sozialen Marktwirt- schaft gewidmet sind, sowie mit dem Ordoliberalismus der Frei- burger Schule von Walter Eucken. Diese Arbeit wurde im Jahre 2015 mit dem Alfons-Fleischmann-Preis der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und im Jahre 2016 mit dem Max-Weber-Preis für Wirtschaftsethik des Institutes der Deutschen Wirtschaft Köln ausgezeichnet. In historischer Hinsicht wird zunächst Inhalt und Rezeptions- geschichte der wirtschaftswissenschaftlichen und sozialethischen Studien von Joseph Höfffner dargestellt und erläutert, Studien, die dem scholastischen und spätscholastischen Denken gewidmet sind. Dr. Franco schreibt mit Recht, dass die ökonomische Theorie der spa- nischen Spätscholastik einer der bedeutendsten Versuche des Spät- mittelalters war, um wirtschaftliches Verhalten in der Gesellschaft und ökonomische Institutionen von einem umfassend ethischen Standpunkt aus zu analysieren. Der zweite behandelte Problemkreis betriffft die Frage der Statik und Dynamik wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ordnungen. Ein besonderer Stellenwert wird dem gesellschaftlich und religiös bedeutenden mittelalterlichen Ordo-Gedanken eingeräumt; in Höfffners Untersuchungen wird dessen Kontinuität in Gestalt der 15
Johannes Zabel OP Ordnungsidee des Ordoliberalismus aufgezeigt. Dr. Franco vertritt argumentativ die These, dass Höfffner und Eucken mit der Ordo-Idee eine Wirtschaftsanalyse erarbeitet haben, die sich an normativen Kriterien orientiert, und dass die Idee der Ordnung als die Suche nach einem funktionsfähigen und zugleich menschenwürdigen Rahmen für die industrialisierte Wirtschaft auch unter den Bedingungen der Moderne verwirklicht werden kann. Es werden ferner die konzep- tionellen Gemeinsamkeiten zwischen Sozialer Marktwirtschaft und christlicher Sozialethik herausgearbeitet. Ein dritter Fragenkomplex der Arbeit befasst sich in normativer Hinsicht mit den Wertvorstellungen, die bei der Gestaltung einer gerechten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zugrunde gelegt werden müssten. Dies wird zunächst in Bezug auf die spanische Kolonialethik erörtert. Auch die Frage nach dem normativen Gehalt der Menschenrechte wird behandelt. Außerdem zeigt Dr. Franco, dass Höfffners Sozialethik und Euckens Ordnungsethik eine gemeinsame normative Grundlage haben. Diese besteht in der sozialen Ausrich- tung der marktwirtschaftlichen Prozesse und in der Verankerung und Einbettung der marktwirtschaftlichen Ordnung in einen ethischen, rechtlichen und institutionellen Rahmen. Beide Konzeptionen beto- nen, dass das Ziel der Wirtschaft darin besteht, eine menschenwür- dige Ordnung für das gesellschaftliche Zusammenleben zu schafffen. Ein vierter, die Untersuchung leitender Gesichtspunkt betriffft das Zusammenwirken von Wirtschaft, Glauben und Gesellschaft. Dabei wird erörtert, welche Bedeutung die christliche Religion für die Ge- staltung der Gesellschaftsordnung hat und welche Rolle der christ- liche Glaube als normative Dimension im ordnungsökonomischen und ordnungspolitischen Denken Euckens gespielt hat. Dr. Franco untersucht außerdem Joseph Höfffners Beitrag zur theologischen und epistemologischen Grundlage der Christlichen Gesellschaftslehre sowie zur Aufgabe der Kirche, sich mit wirtschaftlichen und sozialen Fragen zu beschäftigen. Hier zeigt er die Aktualität und Relevanz von Höfffners Aufffassungen, die die sozialen Fragen mit den Inhalten des christlichen Glaubens verbindet. Abschließen bietet die Arbeit eine originelle Interpretation der Sozialenzyklika Caritas in Veritate von Benedikt XVI im Lichte der Aufffassungen der Sozialen Marktwirtschaft. Dazu werden noch ein- 16
Geleitwort mal pointiert die theoretischen Gemeinsamkeiten zwischen den theoretischen Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft und den Prinzipien der Katholischen Soziallehre hervorgehoben. Außerdem zeigt Dr. Franco, dass die Begründung der Menschenrechte bei Joseph Ratzinger/Benedikt XVI und seine Suche nach den vorpolitischen ethischen und normativen Grundlagen eines demokratischen Staates in Kontinuität zu Höfffners Denken stehe. Die Beschäftigung von Herrn Dr. Franco mit Fragen der christ- lichen Sozialethik sowie der Wirtschaftsethik hat inzwischen eine weitere Errungenschaft in seiner im Jahre 2016 abgeschlossenen Ha- bilitationsschrift gefunden, in der er sich mit dem ordnungsethischen Denken von Wilhelm Röpke und seiner Beziehung zur Christlichen Sozialethik befasst hat. Diese Untersuchung, die inzwischen mit dem Preis der Volksbank Raifffeisenbank Bayern für die beste inter- disziplinäre Arbeit ausgezeichnet, zeichnet in originaler Weise die Rezeptionsgeschichte von Röpkes Denken im sozialethischen Dis- kurs des deutschen Sprachraums nach, gibt aber auch einen Teil der Wirkungsgeschichte der Sozialen Marktwirtschaft in Italien wieder. Dr. Franco, Privatdozent an der Theologischen Fakultät der Ka- tholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, ist derzeit Forschungs- stipendiat an der Universität Salento/Lecce, gefördert durch ein Feodor Lynen-Forschungsstipendium für erfahrene Wissenschaftler bei der Alexander von Humboldt-Stiftung. Gegenstand und Ziel des bewilligten Forschungsstipendiums ist die systematische Erschlie- ßung und Untersuchung des wirtschaftsethischen »Tractatus de contractibus« des bedeutenden mittelalterlichen franziskanischen Theologen Petrus Iohannis Olivi (1248 – 1298). Damit kann Dr. Franco seine Forschungen über den Zusammenhang zwischen Theologie, Wirtschaft und Ethik fortsetzen. Auf seine Ergebnisse dürfen wir gespannt sein! 17
Vorwort zur deutschen Ausgabe Die vorliegende Arbeit stellt die überarbeitete und ergänzte Fassung meiner – bereits in italienischer Sprache veröfffentlichten1 – theo- logischen Inauguraldissertation im Fachgebiet »Christliche Ge- sellschaftslehre« dar, die im akademischen Jahr 2014 – 2015 von der Theologischen Fakultät der Päpstlichen Lateran-Universität in Rom angenommen wurde. Diese Arbeit bietet eine historische und theoretische Analyse von Joseph Höfffners Aufffassungen, ausgehend von den wissenschaft- lichen Studien, die Höfffner der wirtschaftsethischen und rechtli- chen Aufffassungen der spanischen Spätscholastik und vor allem der Schule von Salamanca gewidmet hat. Diese Untersuchung zielt darauf, Höfffners Beiträge zur theologisch-dogmatischen und theo- logisch-praktischen Fundierung der christlichen Gesellschaftslehre, der Bestimmung des ekklesiologischen und kulturellen Profijils der sozialen Verkündigung der Kirche sowie der wissenschaftlichen For- schung der christlichen Sozialethik zu erarbeiten und zu würdigen, also Aspekte, die als integrierender Bestandteil und als Instrument der Neuevangelisierung zu betrachten sind. Joseph Höfffners Aufffassungen und sein Ansatz über die Christliche Gesellschaftslehre sind von herausragender Bedeutung und Aktua- lität, nicht nur für die heutige ökonomische Konjunktur, sondern auch für die religiöse und geistige Gesellschaftskrise der Gegenwart. Höfffner ist ein außerordentlicher Gesprächspartner dafür. Seine Untersuchungen bieten eine argumentierte und solide Antwort auf die theoretische Fundierung der Wirtschaftsethik, die Beziehung zwi- schen Sozialer Marktwirtschaft und christlicher Sozialethik, sowie die Frage nach der Identität und Relevanz der Katholischen Soziallehre. 1 G. Franco, Da Salamanca a Friburgo. Joseph Höfffner e l’Economia Sociale di Mercato, Lateran University Press, Città del Vaticano 2015. 19
Vorwort zur deutschen Ausgabe Die Gesamtperspektive, die dieser Arbeit zugrunde liegt, besteht darin, vor dem Hintergrund von Höfffners Ideen einen Beitrag zu den methodologischen und inhaltlichen Anforderungen der christlichen Sozialethik und zur Aufgabe der Sozialtheologie zu leisten. Diese Aufgabe, wie Höfffner vorzüglich gezeigt hat, soll heute durch die Erarbeitung der lehramtlichen Verkündigung der Kirche, durch die wissenschaftliche Forschung und institutionellen und akademischen Aktivitäten, sowie durch das konkrete soziale und politische Enga- gement der Gläubigen zum Ausdruck gebracht und weiter entfaltet werden. Höfffners Ausarbeitung der christlichen Sozialethik, die er bereits in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in seinen Studien über die scholastische Wirtschafts-, Gesellschafts- und Sozialethik ent- wickelt hat, nehmen die Aufffassungen des Zweiten Vatikanischen Konzils und der späteren Reflexion der Soziallehre der Kirche vor- weg. Man kann Höfffners Werk als einen Leitfaden und als Grundlage für die Gestaltung und Orientierung einer Wirtschafts- und Gesell- schaftsordnung ansehen, die die Erwartungen und Forderungen der christlichen Sozialethik erfüllt. Wenn es darum geht, die Soziale Marktwirtschaft zu gestalten oder nationalen Gegebenheiten anzu- passen, kann man von einer doppelten Aktualität der Höfffnerschen Aufffassung sprechen. Einerseits kann der gegenwärtige Vertrauensverlust in die So- ziale Marktwirtschaft und ihre gesellschaftspolitische Akzeptanz überwunden werden, und zwar durch eine Rückbesinnung auf das ursprüngliche theoretische Konzept der Sozialen Marktwirtschaft samt der christlichen Prinzipien, die ihre Wertgrundlage bilden. Anderseits kann die christliche Sozialethik in den pluralistischen Gesellschaften der Gegenwart durchaus Einfluss ausüben und einen erheblichen Beitrag leisten. Dieser Beitrag zur ethisch-normativen Orientierung und zur Gestaltung einer efffijizienten und menschen- würdigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung kann durch die bewusste und kreative Anpassung ihrer Normen und Prinzipien an die sich verändernden ökonomischen und gesellschaftspolitischen Situ- ationen realisiert werden, die ihr stetiges aggiornamento ausmachen. *** 20
Vorwort zur deutschen Ausgabe Im Blick auf die deutsche Übersetzung der Arbeit habe ich die Quellen und die Primärliteratur von Joseph Höfffner aktualisiert und sie nach den neuen Ausgaben der Ausgewählten Schriften angepasst, die im Ferdinand Schöningh Verlag erschienen sind. Dafür konnten einige bereits veröfffentlichten Bänden (Bd. 1, 2, 3, 4 und 6) berücksichtigt werden. Darüber hinaus habe ich einige kleine Verbesserungen bzw. Änderungen vorgenommen, vor allem bezüglich der eingeführten Zitate aus den Primärquellen und den bibliographischen Angaben. In der vorliegenden deutschen Übersetzung wird das Kap. III aus der italienischen Fassung der Dissertation im zwei Kapitel (Kap. III und IV in dieser Ausgabe) geteilt, so dass die deutsche Übersetzung insgesamt fünf Kapitel enthält. Inzwischen sind bereits einzelne Teile aus Kapiteln dieser Übersetzung in einigen deutschsprachigen Zeitschriften erschienen (siehe bibliographische Nachweise). Ich möchte den entsprechenden Redaktionen dafür danken, dass sie die Veröfffentlichung der Beiträge in diesem Buch freundlicherweise genehmigten. Zur anregenden und lebendigen Ermutigung und Unterstützung für die deutsche Übersetzung dieser Arbeit bin ich der Joseph-Höfff- ner-Gesellschaft (Köln), der Geschwister-Zabel-Stiftung (Datteln) sowie der Stiftung zur Förderung der Katholischen Soziallehre (Bonn) dankbar. Für die Realisierung und Durchführbarkeit dieses Unter- nehmens bin ich vor allem Herrn Prof. Dr. Christian Müller für seine großzügige wissenschaftliche, menschliche und freundschaftliche Unterstützung ganz besonderes dankbar. Herrn Prof. Dr. Christian Müller bin auch sehr dankbar für die freundliche Aufnahme als Mit- glieder des Arbeitskreises Ethik und Soziale Marktwirtschaft (ESMA ) und für die zahlreichen Gesprächsmöglichkeiten, die ich im Rahmen dieses Arbeitskreises miterleben durfte und darf. Ein besonders Dank gilt an Frau Julia Sega, Frau Dagmar Niemann und Herrn Pater Jo- hannes Zabel OP für die sorgfältige Korrektur meiner Übersetzung der Arbeit: Ihnen möchte ich nicht nur für ihre Geduld und Bereit- schaft, sondern auch für ihre wertvollen inhaltlichen Anmerkungen, Kritiken und Mitdenken danken. Herzlich danke ich all denen, die mich im Laufe dieser Forschungs- arbeit und beruflichen Tätigkeiten mit wertvollen Anregungen und inhaltlichen Anstößen bereichert und ermutigt, sowie für ihre Wert- 21
Vorwort zur deutschen Ausgabe schätzung, Unterstützung und Gesprächsmöglichkeiten, die sie mir gewährt haben. Ein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Flavio Felice. Er hat mit starker Bereitschaft, Kompetenz und liebenswürdige Ermutigung diese Untersuchung betreut. Herzlich danke ich all denen, die ich auf meinem Denkweg im deutschen Sprachraum und in Italien begegnet bin, vor allem Frau Professorin Ursula Nothelle-Wildfeuer und den Herren Professoren Jörg Altham- mer, Dario Antiseri, Manfred Gerwing, Elmar Nass, Salvatore Mele, Anton Rauscher, Richard Schenk, Loris Sturlese und Vincenzo Viva. Ganz besonders danke ich meiner Familie, die mir während meiner menschlichen und akademischen Bildung immer sehr nahestand und steht, und die in mir die Begeisterung und die Lebensfreude über- mittelt hat. Dankbar bin ich meiner Verwandten und Freunden, mit denen ich die Schönheit meines Landes und vor allem des Salento im Stiefelabsatz Italiens genießen darf. Ein besonderer Dank gilt der salesianischen Gemeinschaft Rosental in Eichstätt, wo ich über mehrere Jahre die Freude hatte, als Gast zu wohnen. Ein wertschätzender Dank gilt Herrn Dr. Hans-Joachim Niemann und seiner Frau Dagmar Niemann sowie Herrn Dr. Wolfgang Thiel, Herrn Pater Josef Költringer OSFS , Frau Angela Baumgartner und Frau Inge Miehling für ihre Freundschaft und die Gespräche über Gott und die Welt. Last but not least danke ich Herrn Prof. Dr. André Habisch, der in mir die Leidenschaft für die Wirtschafts- und Unternehmensethik wie- dererweckt und gefördert hat. Herrn Habisch bin ich auch für die quali- fijizierte Betreuung meiner theologischen Habilitationsschrift2 dankbar. Der Kardinal-Höfffner Stiftung des Erzbistums Köln, der Geschwis- ter-Zabel-Stiftung, der Pax-Bank (Köln) und dem Prälaten Dr. Karl- Heinz Vogt danke ich sehr herzlich für die Gewährleistung des Druck- kostenzuschusses für die deutsche Veröfffentlichung dieser Arbeit. Ihnen allen wünsche ich die Fortsetzung unseres Gespräches! Lecce, am Tag des Heiligen Josef, dem 19. März 2018 Giuseppe Franco 2 G. Franco, Economia senza etica? Il contributo di Wilhelm Röpke all’etica economica e al pensiero sociale cristiano, Rubbettino, Soveria Mannelli 2016. 22
Abkürzungsverzeichnis AAS Acta Apostolicae Sedis BAT Bistumsarchiv Trier Bd./Bde. Band / Bände CA Enzyklika Centesimus annus CiV Enzyklika Caritas in veritate CS Christliche Soziallehre / Christliche Sozialethik DCE Enzyklika Deus caritas est EnV Enchiridion Vaticanum GS Pastoralkonstitution Gaudium et spes HAEK – NH Historisches Archiv des Erzbistums Köln – Nachlass Joseph Höfffner Hrsg. Herausgeber Kap. Kapitel LE Enzyklika Laborem exercens MM Enzyklika Mater et Magistra PP Enzyklika Populorum progressio PT Enzyklika Pacem in terris QA Enzyklika Quadragesimo anno RH Enzyklika Redemptor hominis RN Enzyklika Rerum novarum SMW Soziale Marktwirtschaft SRS Enzyklika Sollicitudo rei socialis übers. übersetzt / Übersetzung 23
Einführung Zum Thema der Arbeit Die Arbeit beschäftigt sich mit dem historischen und theoretischen Beitrag von Joseph Höfffner (1906 – 1987) zur christlichen Gesellschafts- lehre und Wirtschaftsethik. Insbesondere geht es um die Analyse vom Höfffners Untersuchungen und wissenschaftlichen Studien, die dem christlichen, sozialen und ethischen Denken der Schule von Salamanca gewidmet sind. Höfffner hat sich besonders mit den histo- rischen Wurzeln der christlichen Soziallehre bzw. Sozialethik (= CS ) befasst, indem er vor allem die ethischen, ökonomischen, sozialen und rechtlichen Aufffassungen der Scholastik und der Spätscholastik analysiert hat. Darüber hinaus hat er sich intensiv und mehrfach in seiner Forschung mit der Entwicklung des Sozialkatholizismus, den epistemologischen und theologischen Grundlagen der CS sowie mit Fragen des Naturrechts, der Sozialpolitik und der Rolle der Familie auseinandergesetzt. In allen diesen Bereichen hat sich Höfffner einen Namen gemacht und wesentliche Beiträge geleistet. Als Theologe, Soziologe und Wirtschaftswissenschaftler ist Höfffner einer der renommiertesten Sozialethiker und wichtigsten Vertreter des sozialen Katholizismus des 20. Jahrhunderts in Deutschland1. 1 Über eine historisch-biographische Einordnung und Würdigung des Den- kens von Höfffner vgl. N. Trippen, Joseph Kardinal Höfffner (1906 – 1987). Bd. 1, Lebensweg und Wirken als christlicher Sozialwissenschaftler bis 1962, Ferdi- nand Schöningh, Paderborn 2009; N. Trippen, Joseph Kardinal Höfffner. Bd. 2, Seine bischöflichen Jahre 1962 – 1987, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2012; L. Roos, Joseph Kardinal Höfffner (1906 – 1977), in: J. Aretz – R. Mor- sey – A. Rauscher (Hrsg.), Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deut- schen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 8, Aschendorfff, Mainz 1997, 173 – 195; L. Roos, Joseph Kardinal Höfffner. Wissenschaftler, Bischof und Zeuge des Glaubens, in: E. Colom (Hrsg.), Dottrina sociale e testimonianza cristiana. Atti del Simposio in onore del Cardinale Joseph Höfffner (Roma, 30 Ottobre 1997), Libreria Editrice Vaticana, Città del Vaticano 1999, 252 – 276; 25
Einführung Er hat zur Entwicklung und Verbreitung der Perspektive des Ordo- liberalismus der Freiburger Schule einen entscheidenden Beitrag geleistet und man kann ihn mit Recht als Mitarchitekt und einen der Gründungsväter der Sozialen Marktwirtschaft (= SMW ) bezeichnen. Höfffner hat nicht nur Brücken zwischen der CS und der SMW ge- schlagen, er war zugleich eine der einflussreichsten Persönlichkeiten, die wesentlich zu der theoretischen Konzeption und der praktischen Umsetzung von CS und SMW beigetragen hat, vor allem in Bezug auf die Verfassung von Sozialstaat und Sozialpolitik sowie die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips in der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Ordnung Deutschlands. Joseph Höfffner wurde am 24. Dezember 1906 in Horhausen (Wes- terwald) geboren. Von 1926 bis 1934 studierte er an der Päpstlichen Uni- versität Gregoriana, wo er 1929 in Philosophie mit einer nicht veröfffent- lichten Arbeit mit dem Titel De problemate erroris2 promoviert wurde. 1934 schloss er ebenfalls an der Gregoriana Universität die theologische Promotion mit einer Arbeit über Soziale Gerechtigkeit und soziale Liebe ab3. Seine zweite Dissertation in Theologie beendete er 1938 in Frei- burg mit einer Arbeit über Bauer und Kirche im deutschen Mittelalter4. 1940 schloss Höfffner bei Walter Eucken (1890 – 1950) in Freiburg seine wirtschaftswissenschaftliche Dissertation mit dem Titel Wirtschafts- ethik und Monopole im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert5, M. Hermanns, Sozialethik im Wandel der Zeit. Persönlichkeiten, Forschun- gen, Wirkungen des Lehrstuhls für Christliche Gesellschaftslehre und des Ins- tituts für Christliche Sozialwissenschaften der Universität Münster, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2006, 227 – 308. 2 Die Abschrift der Promotionsurkunde befijindet sich im Historischen Archiv des Erzbistums Köln Nachlass Höfffner 1403. Siehe auch die Personalakten von Höfffner in: Bischöfliches Archiv Trier – 88/402, 1. 3 J. Höffner, Soziale Gerechtigkeit und soziale Liebe. Versuch einer Bestim- mung ihres Wesens (1935), in: Ders., Perspektiven sozialer Gerechtigkeit (Aus- gewählte Schriften, Bd. 1), Ferdinand Schöningh, Paderborn 2015, 47 – 149. 4 J. Höffner, Bauer und Kirche im deutschen Mittelalter (1939), in: Ders., Ursprünge der sozialen Frage (Ausgewählte Schriften, Bd. 6), Ferdinand Schöningh, Paderborn 2017, 63 – 166. 5 J. Höffner, Wirtschaftsethik und Monopole im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert (1941), in: Ders., Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsethik (Aus- gewählte Schriften, Bd. 3), Ferdinand Schöningh, Paderborn 2014, 33 – 188. 26
Zum Thema der Arbeit sowie 1944 die moraltheologische Habilitationsschrift mit dem Titel Christentum und Menschenwürde ab6. 1945 wurde Höfffner Professor für Pastoraltheologie und CS am Priesterseminar in Trier. 1952 wurde er zum Lehrstuhlinhaber für Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Münster berufen. Dort gründete er im Jahr 1960 das Institut für Christliche Sozialwissen- schaften und das Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften. Im selben Jahr erschien auch das Handbuch Christliche Gesellschaftsleh- re, das inzwischen in mehreren Sprachen übersetzt worden ist. 1962 wurde er zum Bischof vom Münster geweiht und nahm aktiv an dem Zweiten Vatikanischen Konzil teil. Im Jahr 1969 wurde er zum Erzbischof von Köln ernannt und vom Papst Paul VI . in das Kardi- nalskollegium aufgenommen. Von 1976 bis 1987 war er Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. In seinen beiden Amtsperioden setzte sich Höfffner für die Verbreitung und Konsolidierung der CS ein. Er starb in Köln am 16. Oktober 1987. Höfffners Aufffassungen sind von aktueller Bedeutung. Dies wird auch durch die neue Herausgabe seiner gesammelten Schriften und die Forschungen, die sich mit seinem Denken befassen7, bezeugt. Im Vorwort zu der italienischen Ausgabe seines erfolgreichen Handbu- 6 J. Höffner, Christentum und Menschenwürde. Das Anliegen der spanischen Kolonialethik im Goldenen Zeitalter, Paulinus-Verlag, Trier 1947. 7 Zur Analyse der ökonomischen, politischen und sozialethischen Beiträgen Höfffners und zur Beziehung zwischen seinen Aufffassungen über die CS und dem Ordoliberalismus vgl.: N. Goldschmidt – U. Nothelle-Wildfeu- er (Hrsg.), Freiburger Schule und Christliche Soziallehre. Joseph Kardinal Höfffner und die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Mohr Siebeck, Tübingen 2010. Zum zehnten Todesjubiläum Höfffners wurde an der Päpst- lichen Universität vom Heiligen Kreuz im Rom eine Gedenkfeier und ein Symposium veranstaltet, welches dem Denken und den Beiträgen von Höfff- ner zur CS gewidmet wurde. Vgl. dazu: E. Colom (Hrsg.), Dottrina sociale e testimonianza cristiana, Libreria Editrice Vaticana, Città del Vaticano 1999. Zum sozialethischen Denken von Höfffner vgl. auch: A. N. Desczyk, Joseph Kardinal Höfffners Sozialverkündigung im Bischofsamt, Logos-Verl., Berlin 2004. Diese Dissertation bietet die erste organische intellektuelle Biographie von Höfffner und befasst sich inhaltlich vor allem mit den sozia- len Stellungnahmen von Höfffner während seines Bischofsamtes und mit den Hauptreferaten, die er als Vorsitzender bei der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in den Jahren 1976 bis 1986 gehalten hat. 27
Einführung ches Christliche Gesellschaftslehre8, äußert Höfffner dankbar, dass sein Interesse an der CS in Italien, während seiner Studienzeit in Rom, gewachsen ist. Rückblickend erinnert er sich an die Vorlesungen des Jesuitenpaters Arthur Vermeersch (1858 – 1936), der ihn in die wichtigen Themen der CS eingeführt hatte. Mit Dankbarkeit lobt Höfffner das Land, wo er gelernt habe, die christliche Gesellschafts- lehre zu lieben, bevor er diese Liebe nach der deutschen Heimat mitgebracht habe9. Seine wissenschaftlichen Qualifijikationsschriften bezeugen Höfff- ners Interesse an sozialethischen und sozialwissenschaftlichen Fra- gen, sowohl in historischer, aber auch in systematischer Perspektive. Diese Studien stellen darüber hinaus eine Einheit dar, indem sie zusammengenommen die ethischen, philosophischen, wirtschaft- lichen, juristischen und theologischen Leistungen der Denker ana- lysieren, die die Zeit der Früh-, Hoch- und Spätscholastik umfassen. In seinen spätscholastischen Untersuchungen setzt sich Höfffner nicht nur mit wirtschaftsethischen Themen, sondern auch mit den Stellungnahmen der Schule von Salamanca zur spanischen Kolonial- ethik, zum Naturrechtsdenken und zur Menschenwürde auseinander. Diese Forschungen stellten für Höfffner die Grundlagen seiner Betrachtungen der verschiedenen Wirtschaftsordnungen und seiner späteren Ausarbeitung der Wirtschaftsethik sowie seiner Beiträge zur Identität und Relevanz der CS dar. Die Ergebnisse dieser Arbeiten ermöglichen es Höfffner, seine spätere Erarbeitung der epistemo- logischen Verfassung der CS als theologische Disziplin sowie der Notwendigkeit der Auseinandersetzung der Kirche mit wirtschaft- lichen und politischen Fragen zu formulieren. Von diesen Werken ausgehend zeigt Höfffner darüber hinaus den Beitrag des christlichen Menschenbildes zur Gestaltung einer menschenwürdigen wirtschaft- lichen und gesellschaftlichen Gesamtordnung, indem er sich mit der Rehabilitierung und Renaissance, aber auch mit Grenzen des Naturrechtsdenkens befasst. 8 J. Höffner, Christliche Gesellschaftslehre (1983), in: Ders., Perspektiven sozialer Gerechtigkeit (Ausgewählte Schriften, Bd. 1), Ferdinand Schöningh, Paderborn 2015, 239 – 481. 9 J. Höffner, La dottrina sociale cristiana, Ed. San Paolo, Cinisello Balsamo 1995, 5. 28
Ziel und Vorgehensweise der Untersuchung Ziel und Vorgehensweise der Untersuchung Als normative Wissenschaft benötigt die Wirtschaftsethik eine so- lide Grundlage in wirtschaftlicher und ethischer Theorie. Aufgrund des Bruches zwischen Sozialwissenschaft und Moraltheorie, der im frühen 19. Jahrhundert begann und von der positivistischen Wende der Sozialwissenschaften in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts abgeschlossen wurde, sind Ethik und Ökonomie jedoch heute völ- lig verschiedene Forschungsbereiche geworden. Daraus folgt, dass die ethische Argumentation in die ökonomische Analyse entweder als Fremdkörper eingeführt wird oder moralische Konzepte in rein ökonomischen Begrifffen formuliert und neu interpretiert werden müssen. Die Vertreter der Schule von Salamanca haben dagegen, wie Höfffner gezeigt hat, die Wirtschaftsanalyse in normative Frage- stellungen eingebaut. Die vorliegende Arbeit befasst sich weitgehend mit den wissen- schaftlichen und akademischen Qualifijikationsarbeiten von Höfff- ner, die das ethische und ökonomische Denken der Spätscholastik und seine Entfaltung der CS als theologische Disziplin umfassen. Ziel dieser Untersuchung ist, die Aufffassungen von Höfffner kritisch zu reflektieren und vor allem seine Studien über das soziale, wirt- schaftsethische und rechtliche Denken der Schule von Salaman- ca zu rekonstruieren und zu analysieren. Dabei wird der Versuch unternommen, die Aktualität von Höfffners Aufffassungen und die Konvergenz zwischen der CS und den Prinzipien der SMW und des Ordoliberalismus zu zeigen. Im ersten Kapitel werden die Beiträge der Spätscholastiker zur Wirtschaftsethik rekonstruiert und analysiert. Vor dem Hintergrund von Höfffners Arbeiten werden die Verdienste der spanischen Scho- lastiker des 15. und 16. Jahrhunderts der sogenannten Schule von Salamanca gewürdigt. Nach einer Darstellung der Methodologie der Wirtschaftsethik, die diese Denker erarbeitet haben, werden ihre wichtigsten Beiträge zur Wirtschaftsanalyse untersucht, wie z. B. das Wettbewerbsprinzip, die ethische Rechtfertigung des Handelns, das Eigentumsrecht, die Theorie des gerechten Preises und die Geld- theorie. Von besonderer Bedeutung ist die subjektive Wertlehre, die die Denker der Schule von Salamanca aus der vorherigen franziska- 29
Einführung nischen und dominikanischen Tradition übernommen haben, und die einen nachhaltigen Einfluss auf die schottische Moralphilosophie bis hin zur Österreichischen Schule der Ökonomie hatten. Die Ausführungen basieren vor allem auf einigen Aspekten der Re- zeption der scholastischen Lehre durch die Schriften von Höfffner, die bisher in der internationalen Diskussion wenig berücksichtigt worden sind. Von den zahlreichen Vertretern der Schule von Salamanca wird beispielsweise und paradigmatisch auf Luis de Molinas Aufffassungen hingewiesen. Molina ist einer der repräsentativen und wichtigsten Vertreter der Spätscholastik im Allgemeinen und der Schule von Sala- manca im Besonderen. Die Auswahl der zu untersuchenden Themen und einige Auszüge aus den Werken der spanischen Theologen zielen darauf, einen Überblick über die wirtschaftsethischen Aufffassun- gen dieser Denker und über die von ihnen formulierten wichtigsten ökonomischen Prinzipien zu bieten. Danach folgen Diskussionen über und eine kritische Würdigung der sekundären Literatur über die wirtschaftswissenschaftliche Dissertation Höfffners. Dabei wird auf die Gründe des Niedergangs und der Vernachlässigung der spät- scholastischen wirtschaftsethischen Tradition eingegangen. Darüber hinaus wird versucht, der Rezeptionslinie und dem Einfluss dieser Tradition nachzugehen und diese zu rekonstruieren. Im zweiten Kapitel wird die Kontinuitätslinie zwischen dem scho- lastischen Ordo-Begrifff und der Aufffassung des Ordoliberalismus der Freiburger Schule gezeigt. Die Hauptthese besagt, dass durch Höfffners Untersuchungen die wirtschaftsethischen Aufffassungen der Spätscholastiker eine Brücke zur Freiburger Schule und indirekt zur SMW darstellen. Nach einer Analyse und Rekonstruktion der Diskussion um den Ordo-Begrifff bei Walter Eucken und anderen Vertretern des Ordoliberalismus werden die Rolle und die norma- tive Dimension des christlichen Glaubens für das Denken Euckens sowie für seine ordnungsökonomischen und ordnungspolitischen Aufffassungen untersucht. Es werden darüber hinaus Höfffners Beiträge zur Wirtschaftsethik und zur Gestaltung einer menschenwürdigen Wirtschafts- und Ge- sellschaftsordnung erläutert und erörtert. In diesem Zusammenhang werden Höfffners Bewertungen der verschiedenen Wirtschaftsord- nungen im Lichte der CS betrachtet, wie z. B. die des Laissez-faire 30
Ziel und Vorgehensweise der Untersuchung Liberalismus, des Neoliberalismus, des Sozialismus, des Ordolibe- ralismus und der SMW . Dabei wird auch auf die Afffijinitäten und Konvergenzpunkte zwischen CS und dem Ordoliberalismus sowie der SMW eingegangen. Das dritte Kapitel widmet sich Höfffners Analyse der Beiträge der Schule von Salamanca zur spanischen Kolonialethik. Es wird ein kur- zer systematischer Überblick ihrer Beiträge über die Begründung der Völkerrechtswissenschaft und über die Verteidigung der Menschen- rechte und der Menschenwürde gegeben. Von besonderer Bedeutung sind hier die Reflexionen von Francisco de Vitoria, denen Höfffner in höherem Maße seine Aufmerksamkeit schenkt. Diesem Kapitel geht es nicht darum, eine bis ins letzte Detail ausgearbeitete Analyse und Rekonstruktion der Aufffassungen der Denker und Missionare der Spätscholastik darzustellen, sondern letztlich darum, die Bewertun- gen und die theoretischen Ergebnisse von Höfffners Untersuchungen über die spanische Kolonialethik zu präsentieren und zu würdigen. Dabei wird auch versucht, die theoretische Gültigkeit und Aktuali- tät von Höfffners Aufffassungen über den Begrifff der Menschenwürde und seine Beiträge zur Renaissance des Naturrechtsgedankens zu zeigen. Danach werden die zentralen Aspekte der theologischen Anthropologie und – im Lichte der Schöpfungstheologie – die We- sensmerkmale des Menschen als Geschöpf, Ebenbild Gottes und Sünder dargestellt. Es wird auf die Bedeutung des Personalitätsprin- zips und auf seine Rolle für die Gestaltung einer menschenwürdigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung eingegangen. Außerdem wird ein Vergleich zwischen dem christlichen Men- schenbild und dem Begrifff des homo oeconomicus durchgeführt, mit dem Ziel, die beiden Aufffassungen in Einklang zu bringen und die He- rausforderung des normativen Inhalts der christlichen Anthropologie zu zeigen. Es sollen auch die Missverständnisse aufgeklärt werden, denen der homo oeconomicus – der als ökonomisches Verhaltens- modell und analytisches Instrument und nicht als ökonomisches Menschenbild zu verstehen ist – ausgesetzt sind. Im vierten Kapitel werden im Lichte der Ergebnisse der vorheri- gen Kapitel nicht nur Höfffners Beiträge zur epistemologischen und interdisziplinären Verfassung der CS rekonstruiert und untersucht, sondern auch ihre Identität als theologische Disziplin und die Auf- 31
Einführung gabe der Kirche, über die sozialen und wirtschaftlichen Probleme »mitzureden« und dazu Stellung zu nehmen. Im fünften und ab- schließenden Kapitel wird eine neue Lesart der Sozialenzyklika CiV von Benedikt XVI . angeboten. Vor dem Hintergrund der dort be- handelten Themen, vor allem am Beispiel der Beziehung zwischen Wirtschaft und Ethik, der Solidarität der Menschheitsfamilie, der internationalen Entwicklung und der Menschenrechte, werden das soziale Lehramt von Benedikt XVI . mit dem Denken der Theoretiker des Ordoliberalismus und der SMW , unter anderem mit den Aufffas- sungen von Höfffner, verglichen und deren Konvergenzpunkte gezeigt. Das Kapitel wendet sich zunächst den in CiV enthaltenen Über- legungen über die Rolle und die Grenze des Marktes und seinen not- wendigen institutionellen und ethischen Voraussetzungen zu. Es wird besonders der institutionelle und politische Weg der Nächstenliebe hervorgehoben, die in diesem Schreiben ausdrücklich thematisiert wird. Dabei wird die Übereinstimmung dieser Idee mit den kon- zeptionellen Grundlagen der SMW aufgezeigt. Danach wird einer der neuen und bedeutendsten Aspekte dieser Enzyklika behandelt, gemeint ist das Prinzip der Unentgeltlichkeit und die Logik des Ge- schenks. Schließlich wird auf die Bedeutung der epistemologischen Dimension der Soziallehre und auf den unentbehrlichen Dialogpro- zess zwischen Theologie und Ökonomie eingegangen. Mit ihrer Lehre besitzen die christliche Religion und die katho- lische Kirche in der heutigen globalisierten, interkulturellen und pluralistischen Gesellschaft keine wirkungsvolle und ausschließ- liche öfffentliche Bedeutung. In dieser Untersuchung wird versucht, im Lichte von Höfffners Beiträgen zur CS für die Identität der CS zu argumentieren und durch eine historische und theoretische Analyse die Relevanz der CS für die Behandlung von gesellschaftlichen und ökonomischen Problemen zu zeigen. Für diesen Zweck ist es erforderlich, die Berücksichtigung des christlichen Menschenbildes und die Erarbeitung der theologischen Qualität und Dimension der CS zu betonen10. Diese Überlegungen 10 Vgl. S. Lanza, La teologia pastorale secondo la »scuola lateranense«, in: I La- terani – Questioni di teologia pastorale, Bd. 1., Lateran University Press, Città del Vaticano 2010, 13 – 64; S. Lanza, Magistero sociale e teologia sociale, in: 32
Ziel und Vorgehensweise der Untersuchung involvieren auch die theoretische Einordnung der Wirtschaftsethik und der epistemologischen Verfassung der CS . Es geht darum, die soziale Wirksamkeit des Glaubens zu zeigen, d. h. den Glauben als »Richtmaß« der sozialen, politischen und ökonomischen Prozesse zu entfalten. I Laterani – Questioni di teologia pastorale, Bd. 2, Lateran University Press, Città del Vaticano 2010, 63 – 98; U. Nothelle-Wildfeuer, Einführung in die Christliche Sozialethik, in: K. Ruhstorfer (Hrsg.), Systematische Theologie (Theologie studieren – Modul 3), Ferdinand Schöningh, Pader- born 2012, 233 – 285. 33
1. Die Wirtschaftsanalyse und die Wirtschaftsethik der Schule von Salamanca Der Begrifff Scholastik bezeichnet das philosophische und theolo- gische Denken, das den Zeitraum vom 10. bis zum 16. Jahrhundert und bis zum Beginn des Humanismus und der Renaissance um- fasst. Im Allgemeinen wird zwischen der Ersten Scholastik (9. bis 16. Jahrhundert) und der Zweiten Scholastik (15. bis 17. Jahrhundert) unterschieden, die letztere wird auch als Spätscholastik bezeichnet. In der historiographischen Debatte und Periodisierung wird auch die Unterscheidung zwischen der Frühscholastik (10. bis 12. Jahr- hundert) und Hochscholastik (13. Jahrhundert) – deren wichtigste Vertreter Albertus Magnus (1206 – 1280) und Thomas von Aquin waren (1225 – 1274) waren – einerseits, und der Spätscholastik anderseits verwendet, die nach Johannes Duns Scotus (1265 – 1308) beginnt. Der ersten Terminologie folgend wird einstimmig anerkannt, dass die wichtigste philosophische und theologische Entwicklung der Spätscholastik im katholischen Spanien stattgefunden hat, das starkes kulturelles, religiöses und politisches Prestige gewonnen hatte. Diese Rolle geht historisch betrachtet auch auf die Expansion des spanischen Kolonialreiches zurück. Aufgrund der über mehrere Jahrhunderte anhaltenden zentralen kulturellen und theologischen Bedeutung Spaniens wird die Zweite Scholastik auch als spanische Scholastik bezeichnet. Das grundlegende kulturelle und universitäre Zentrum und die Hochburg des westlichen Christentums wurde von der Schule von Salamanca geprägt. Von dieser Schule aus, die am Ende des 16. Jahrhunderts gegründet wurde und eine erstaunliche theologische Aktivität hervorgebracht hat, nahmen an dem Konzil von Trient (1545 – 1563) mehr als sechsundsechzig Gelehrte, unter anderem auch Bischöfe, teil. Innerhalb der Gruppe der Spätscholastiker, die wichtige Beiträge über ökonomisches, ethisches und juristisches Denken geleistet ha- 35
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