Was ist los mit unserem Geld, dem neutralen Vermittler, Zahlungs- und Schmiermittel in der Wirtschaft?
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Was ist los mit unserem Geld, dem neutralen Vermittler, Zahlungs- und Schmiermittel in der Wirtschaft? Helmut Creutz Auch wenn es inzwischen verschiede- einem Zehn-Euro-Schein hinzu und der Kaufwilligen bei dem Geld-Festhal- ne Theorien gibt, dürfte Geld aus dem würde einen der angebotenen Gegen- ter den Geldschein ausgeliehen hätte. Bedürfnis entstanden sein, Leistungen stände erwerben, dann könnte der Zu diesem Ausleihen wäre der Geldhal- gegeneinander zu tauschen. Während Verkäufer seinen eigenen Kaufwunsch ter wahrscheinlich aber nur bei einem die anfangs dazu benutzten Zwischen- bei einem zweiten Anbieter realisieren, Aufgeld bereit gewesen. Also jenem tauschmittel – ob Teeziegel, Salzbar- dieser bei einem dritten usw., bis alle Aufgeld, Zins genannt, das wir als Spa- ren, Getreide oder Kakaobohnen – Beteiligten ihre Gegenstände verkauft rer von der Bank für unsere Geldfreiga- selbst noch nutzbare Güter waren, die hätten und der Schein, beim letzten be erhalten. Das heißt, der unterbro- der Alterung oder dem Verschleiß un- Kaufvorgang, wieder bei jenem Zehn- chene Geldkreislauf wäre also nur über terlagen, schien mit den Münzen aus ten angekommen wäre, der den Vor- eine mit Zins belastete Kreditaufnah- Edelmetall das ideale Material für die- gang möglich gemacht hatte. me wieder in Gang gekommen, womit sen Zweck gefunden zu sein. Aber gera- der Verleiher, aus dieser von ihm selbst de diesem dauerhaften Münzgeld haf- Alle Kauf- und Verkaufswünsche in der verursachten Störung des Marktge- tete von Anfang an eine Eigenschaft an, Runde konnten also mit Hilfe dieses ei- schehens, auch noch einen Nutzen zie- die zu seiner eigentlichen Funktion im nen Geldscheins abgewickelt werden! hen könnte! Widerspruch stand, nämlich die Versu- Dabei ist es völlig gleichgültig, ob der chung und die Möglichkeit, es zu ver- hinzugekommene Zehnte den Schein Welche Geldfunktionen schatzen! Diese Eigenschaft, die man durch Leistungen verdient, als Ge- sind wirklich wichtig? als Vorteil bei der Geldhaltung auch schenk erhalten oder zufällig gefunden heute noch empfindet, wurde jedoch zu hat. Selbst wenn es sich bei seinem Nach allgemeiner Auffassung werden einem Problem bei seiner Tauschmit- Geldschein um eine Fälschung gehan- drei Geldfunktionen als gleichwertig telfunktion. Denn im gleichen Umfang, delt hätte, wären die abgewickelten nebeneinander gestellt: wie man das Geld für die Wertaufbe- Geschäfte gültig gewesen. Denn nie- wahrung nutzte, fehlte es als Zah- mand wurde geschädigt und der fal- • Die Funktion als allgemein aner- lungsmittel im Wirtschafts-Kreislauf – sche Schein wäre letztlich wieder in kanntes Zahlungsmittel mit der Folge einer Wertsteigerung, die den Händen des Erstbesitzers gelangt, • Die Funktion als Rechenmittel und man bei seiner leihweisen Freigabe in gleichgültig ob er selbst oder ein unbe- Wertmaßstab positive Zinsen umsetzen konnte. kannter Dritter der Fälscher war. – • Die Funktion als Wertaufbewah- rungsmittel Dieses Beispiel zeigt nicht nur die Be- Welche Bedeutung hat ein deutung, die das Geld bei Abläufen Wie das Flohmarkt-Beispiel zeigt, sind ungestörter Umlauf des Geldes? oder Belebungen der Wirtschaftstätig- die beiden erstgenannten Eigenschaf- keiten hat, sondern auch die Wichtig- ten problemlos miteinander zu verbin- Stellen Sie sich vor, Sie würden mit ei- keit seiner regelmäßigen Weitergabe. den. Sie fallen gewissermaßen sogar nem Gegenstand den sie verkaufen Denn wenn wir jetzt einmal annehmen, zusammen, denn bei jeder Zahlung fin- möchten, auf einen Flohmarkt gehen einer in der Runde hätte – nach dem det gleichzeitig eine Wertbemessung und dort auf acht andere Anbieter tref- Verkauf seines angebotenen Gegen- der gehandelten Güter statt, die wiede- fen, die ebenfalls das Gleiche wollen. standes – selbst kein Kaufinteresse rum aus Vergleichen mit anderen Gü- Nehmen wir weiter an, alle Gegenstän- mehr gehabt, den Schein eingesteckt tern resultiert. Die dritte Eigenschaft de hätten zufällig den gleichen Wert, und den Heimweg angetreten, dann des Geldes, die Wertaufbewahrungs- z. B. von zehn Euro, und alle Beteiligten müssten die restlichen Anbieter unver- funktion, setzt dagegen die beiden an- wären nicht nur bereit, ihr Mitgebrach- richteter Dinge nach Hause gehen. deren Funktionen außer Kraft. Mit ihr tes für diesen Preis abzugeben, son- entsteht nicht nur eine Unterbrechung dern auch in gleicher Höhe in der Run- Aus dieser Geschichte wird jedoch nicht des Kreislaufs, vielmehr kommt es zu- de einen Kauf zu tätigen. nur der Vorteil des Geldes als Tausch- sätzlich auch noch zu einer Wertever- vermittler deutlich, sondern auch die schiebung, weil die Menge des im Um- Und nehmen wir noch weiter an, alle Folgen für den Wirtschaftskreislauf, lauf bleibenden Geldes nun in einem neun Beteiligten hätten zufällig ihre wenn das Zahlungsmittel Geld zum anderen Verhältnis zur Menge der an- Brieftasche vergessen, so dass nie- Wertaufbewahrungsmittel wird. Denn gebotenen Güter steht: Das verbleiben- mand zu einer normalen Nachfrage zur Wiederbelebung der unterbroche- de knapper gewordene Geld wird ge- in der Lage wäre. Käme jetzt noch ein nen Kaufvorgänge wäre es in dem Bei- wissermaßen wertvoller und die gleich weiterer Anbieter und Kaufbereiter mit spiel nur gekommen, wenn sich einer gebliebene Ware relativ teurer. 8 www.humane-wirtschaft.de 04/2014
WAS IST LOS MIT UNSEREM GELD, Die Verwendung des Geldes als Wert- Das heißt, während der Lkw-Besitzer dann auf der anderen Seite – und meist aufbewahrungsmittel widerspricht bei Nutzung seines Wagens als Lager- an anderen Stellen – als Reichtums-Zu- also der Zahlungsmittel- und Maßstab- raum Verluste macht und der Parker gewinn zu Buche schlagen. Funktion, ähnlich wie die Nutzung ei- auf der Autobahn mit Strafgebühren nes Lkw's als Lagerraum oder die einer rechnen muss, wird der Blockierer des Konkret: Die Geldvermögen schwel- Autobahn als Parkplatz. Selbstver- Geldkreislaufs, statt mit einer Belas- len durch den Zins bei einer Minder- ständlich kann ein Lkw zwischen den tung, heute mit einer Belohnung dazu heit zunehmend im gleichen Umfang Fahrten bzw. während der Beladung gebracht, sein die Allgemeinheit schä- an, wie bei der Mehrheit der Haushal- auch als Lagerraum angesehen und digendes Verhalten aufzugeben. te – breit verteilt – die damit verbunde- die Autobahn bei einem Stau zum Park- nen Verluste wachsen. Und erscheint platz werden. Und zweifellos kann und In unserem Geldsystem kommt es also dem Geldbesitzer die Zinsbelohnung darf auch das Geld zwischen Annahme bei dem Bemühen, Unterbrechungen nicht hoch genug, dann hält er einfach und Wiederausgabe als Wertaufbe- des Geldkreislaufs zu minimieren, zu ei- sein Geld so lange zurück, bis ihm – wahrungsmittel genutzt und gehalten ner Belohnung der Unterbrecher und zu zwangsläufig – irgendwann eine höhe- werden. Aber jedes Mal, wenn diese Belastungen derjenigen, welche die Un- re Belohnung angeboten wird. – Diese Zwischennutzung über den normalen terbrechung aufheben! Dabei ist diese problematischen Entwicklungen könn- Rhythmus der Wirtschaftsvorgänge Aufhebung und Schließung des Kreis- te man vermeiden, wenn man die Frei- hinausgeht, muss es zu Störungen im laufs nicht nur von allgemeinem Interes- gabe der Geld-Überschüsse nicht be- Marktgeschehen kommen. se, sondern auch im Interesse derjeni- lohnen, sondern deren Zurückhaltung gen, die Geld übrig haben. Denn in dem mit einer Gebühr belasten würde. Zu solchen Störungen kam es in einem Umfang wie diese aus ihren Einkommen besonderen Maße mit der Einführung Geld erübrigen, haben sie normalerwei- Soll man denn des Edelmetallgeldes, vor allem durch se mehr Leistungen in die Wirtschaft nicht mehr sparen? die damit möglichen Verschatzungen eingebracht, als sie selbst nachfragen. ohne Wertverlust. Ganze Kulturen sind Das aber heißt, die Ausleihung des Er- Das wäre keinesfalls die Lösung. Denn durch solche Geldmengen-Reduzierun- sparten, mit der diese Nachfragelücke Ersparnis-Bildungen sind nicht nur für gen zusammen gebrochen und nicht geschlossen werden kann, dient also in die Altersvorsorge notwendig, son- ohne Grund waren die Feldzüge, bei einem besonderen Maße den Haltern dern ebenso zur Ansammlung größerer denen neuer Geldrohstoff erobert wer- dieser Geldüberschüsse selbst, die so- Beträge für Käufe oder Investitionen. den konnte, in geschichtlichen Zeiten gar weiterhin mehr Leistung in den Markt Durch eine Umlaufsicherung in Form so oft an der Tagesordnung. Und selbst einbringen und nach Belieben weitere einer Geldhalte- oder Liquiditätsge- in der heutigen Papiergeldzeit, in der Rücklagen ansammeln können. Der Aus- bühr soll nur verhindert werden, dass fehlendes Geld jederzeit nachgedruckt leiher des Geldes, der mit seiner Nach- es bei marktgerecht sinkenden Zinsen werden kann, spielt das Ansammeln frage nicht nur für die Lückenschließung zu Zurückhaltungen jenes Tauschmit- oder Horten von Geld immer noch eine sorgt, sondern langfristig auch für die tels kommt, das jeder Wirtschaftsor- das Gleichgewicht störende erhebliche Stabilität des Wirtschaftsgeschehens ganismus genauso zum Funktionieren Rolle. – Und nach Untersuchungen der und damit für den Kaufkrafterhalt des braucht, wie der menschliche Organis- Deutschen Bundesbank wird das Gros Geldes über die Zeit hinweg, wird dage- mus das Blut. Und sogar der Aufpreis, der von ihr gedruckten Euro-Noten so- gen mit Kosten belastet. Dabei ist dieses den der Geldverleiher zeitbezogen für gar im Ausland gehortet. Ausleihen auch für den Verleiher, also die Weitergabe erhalten kann, ist so den Sparer wichtig. Denn nur bei kursie- lange gerechtfertigt, wie die Nachfra- Diese Kreislaufstörungen durch Geld- rendem Geld kann er bei der Geldrück- ge nach Krediten über dem Angebot entzug aus der Wirtschaft sind jedoch gabe, also am Ende der Kreditlaufzeit, an Ersparnissen liegt, also eine echte nur die eine Seite des Problems. Noch mit der gleichen Kaufkraft rechnen, die Knappheit besteht, für deren Abbau gewichtiger ist der Tatbestand, dass er als Ersparnis eingebracht hat. Zinsbelohnungen sinnvoll sind. Neh- alle Geld-Ersparnisse im Allgemeinen men aber in einer Wirtschaftsepoche nur gegen Zinsbelohnung wieder frei Was sind die Folgen die Ersparnisse und schließlich auch gegeben werden. Denn als Folge die- dieser Zinsbelohnung? die Sättigungsprozesse zu, dann darf ser Zinsforderung kommt es zu einer es nicht mehr zulässig sein, auf der Kostenbelastung, durch die sich das Dass die Zinsbelohnungen für die leih- Sparerseite das Geldangebot durch Zu- Wirtschaftsleben – jeweils zuguns- weise Geldfreigabe zu einer Verteue- rückhaltung künstlich knapp und damit ten der Geldhalter – verteuert. Und je rung des Geldkreislaufs führen, ist leicht die Zinsen hoch zu halten, wie das im- häufiger und größer solche zinsbelas- nachzuvollziehen. Vor allem wenn man mer noch der Fall ist. teten Kredit-Umwege in der Wirtschaft beachtet, dass diese Belohnungen auf werden, umso gravierender sind die der anderen Seite – also bei den Kredit- Unser heutiges Geld ist also kein neu- damit verbundenen Effekte. Vor allem nehmern – als Kapitalkosten genauso in traler Tauschvermittler, wie das allzu oft auf Grund der Tatsache, dass diesen die Kalkulationen und damit in die Prei- noch gesehen wird. Außerdem lässt, im Zinskosten, die von den Kreditneh- se eingehen, wie die gesamten Perso- gleichen Maße wie das Geld – als Folge mern aufgebracht werden müssen, nal- und Materialkosten. Das heißt, mit dieses Fehlers – die Vorgänge in der Wirt- auf der anderen Seite Zinseinnah- allen Ausgaben bezahlen wir als End- schaft im Zuge immer größerer Verschul- men ohne Leistung gegenüber stehen. verbraucher auch die gesamten Zins- dungen dauerhaft belastet, auch dessen lasten in der Gesamtwirtschaft mit, die positive „Schmiermittel-Funktion“ nach. 04/2014 www.humane-wirtschaft.de 9
WAS IST LOS MIT UNSEREM GELD, Vielmehr kommt, wenn die Schulden- Um welche Größenordnungen und den daraus resultierenden dauern- zinslasten rascher als die Wirtschaft geht es bei den Zinslasten? den Wachstumszwängen in unseren wachsen, zunehmend „Sand ins Ge- Volkswirtschaften, sondern vor allem triebe“, das die sozialen und politi- Eine annähernde Vorstellung von den auch an jenen Einbrüchen, die wir zwi- schen Strukturen ebenso gefährdet wie Größen und Entwicklungen der Zins- schen 2000 und 2010 erlebt haben und das Geldsystem selbst. lasten erhält man, wenn man – wie in die sich in der Darstellung deutlich ab- der Darstellung 2 – die jährlich von der zeichnen. Die Größenordnungen, Bundesbank veröf- um die es geht fentlichten gesam- ten Bankzinserträ- 438 Diese gehen aus der Darstellung 1 her- ge über einen län- ( vor, in der die Entwicklungen sowohl geren Zeitraum 400 382 der Wirtschaftsleistung – des BIP! – als aufträgt und mit auch der Geldvermögen und Schulden, zwei anderen oft Kostenentwicklungen im Vergleich sowie der Bank-Zinserträge eingetra- diskutierten Kos- 1970-2010 in Mrd. Euro - ab 1991 Gesamtdeutschland gen sind, und zwar – um sie überhaupt tengrößen ver- darstellbar zu machen – umgerechnet gleicht, hier den 300 in Preisen von 1991. Ausgaben für die 262 $§( 244 250 Geldvermögen - Wirtschaftsleistung - Zinsen 200 Zinszahlungen Reale Entwicklungen in D, 1950 - 2010, - ab 1991 Ges. D an die Banken = 7.000 Schuldenzinslas x 46 150 t Werte in Milliarden Euro 117 in Preisen von 1991 6.000 100 Geldvermögen im Aktienblase Krankenversicherung Fünfjahresabstand, 50 ab 1991 jährlich 50 5.000 25 Mineralölimporte langfristiger Trend 0 4.000 o Geldvermögen 1970 75 80 85 90 95 2000 05 10 (bzw. Schulden ) Quelle: Bundesbank , BMAS, iw Helmut Creutz / Nr. 101a 3.000 100 BIP Darstellung 2 x8 2.000 Krankenkassen 0 Aufschlussreich ist auch der Tatbe- BIP-Wachstum p.a. 8,5% BIP-Wachstum p.a. 1,3% und der Mineral- stand, dass Anstiege der Kostengrößen 1.000 öl-Importe. Da- Krankenversicherung und Mineralöl- Bankzinserträge x 37 bei nahmen die- Importe immer wieder große Diskussi- 0 se Bankzinser- onen auslösten, obwohl deren langfris- 1950 1960 1970 1980 1990 2000 10 träge von 1970 tige Entwicklungen, gemessen an der Quelle: Bundesbank © Helmut Creutz - Nr. 110 bis 2008, wie Wirtschaftsleistung, wesentlich erträg- 4.000 der Grafik zu licher waren. Darstellung 1 entnehmen, von Daraus wird ersichtlich, dass in den 25 auf 428 Mrd. Euro zu, um danach – Sicherlich werden jedem Leser nun die ersten 3.000zehn bis zwanzig Jahren die bedingt durch die radikalen Absenkun- radikalen Absenkungen der Leitzin- Geldvermögensbestände noch un- gen durch Leitzinsen und Krisen – um sen durch die EZB in den letzten Jah- ter der Wirtschaftsleistung lagen, um mehr als ein Drittel einzubrechen. ren einfallen. Aber diese Absenkungen sie 2.000 dann, bis 2000, um mehr als das waren keine marktbezogenen Vorgän- Dreifache zu übersteigen, während die Die sich in der Grafik abzeichnenden ge, sondern betrafen nur die von den Wirtschaftsleistung weitgehend linear deutlichen Anstiegsschübe bei den Banken bei der Zentralbank zu hal- zugenommen hat. – Diskrepanzen, die Zinslasten geben jeweils die Auswir- tenden Mindestreserven, bzw. – wie nur in einem Zusammenbruch enden kungen der Zinssatzerhöhungen in mit dem jetzt so lebendig diskutierten können. Und führt man sich einmal die den jeweiligen Hochzinsphasen wie- Minus-Zins von 0,15 % – nur jene von Größenordnungen der heute erreich- der, in denen sich – wie z. B. 1972 - 74 den Banken gehaltene relativ geringen ten Geldvermögens- und der nur mini- und 1978 - 82 – die Zinslasten in Milli- Zentralbankgeld-Überschüsse, die sie mal geringeren Schuldenbestände vor arden-Beträgen jeweils etwa verdop- zur Zinseinsparung über Nacht bei der Augen, wird die Gefährdung aus den pelten. Welche Folgen solche Überent- EZB parken, die jedoch – wie wir erlebt damit verbundenen Zinslasten ebenso wicklungen hatten und haben, zeigt haben – in ähnlicher Höhe auch die erkennbar, wie die zunehmend schwin- sich nicht nur an dem zunehmenden Marktzinsen beeinflussen. dende Möglichkeit einer Entschuldung. Auseinanderklaffen von Arm und Reich 10 www.humane-wirtschaft.de 04/2014
WAS IST LOS MIT UNSEREM GELD, Die Größenordnungen von Diese Größen sind zwar kaum noch vor- und schreibe 60 Millionen DM, beloh- Veränderungen stellbar, aber sie vermitteln vielleicht nen ließ. Dabei hatte seine Leistung eine kleine Ahnung davon, in welchem nur darin bestanden, dieses alte Unter- Dass eine angehängte Null eine Zahl Umfang alle Normalverdiener und -ver- nehmen von der Bildfläche verschwin- auf das Zehnfache erhöht, weiß zwar braucher ständig ärmer werden müs- den zu lassen. jeder, von den Auswirkungen solcher sen, um solche „Über-Einkommen“ zu Verzehnfachungen hat man jedoch ermöglichen. Und das wiederum kann Ein Journalist hatte damals ausgerech- oft nur eine vage Vorstellung. In der vor dem Hintergrund des vielmals lang- net, dass sich aus der 60 Millionen- Darstellung 3 sind darum einmal vier sameren Anstiegs der Wirtschaftsleis- Abfindung des Herrn Esser, umgelegt Monatseinkommen optisch wieder- tung nur heißen, dass die Einkommen auf 45 Jahre, eine monatliche(!) Alters- gegeben, die sich jeweils durch eine der Mehrheit der Haushalte – relativ rente von 110.000 DM ergeben würde. zusätzliche Null unterscheiden. Dabei gesehen – immer deutlicher zurückfal- Allerdings hatte er dabei unbeachtet ist jedes Einkommen, in Höhe des Nor- len müssen. Das zeigt sich z. B. auch gelassen – wie leider meist der Fall –, malverdiener-Einkommens, grafisch daran, dass die Nettolöhne und -ge- dass alleine die Verzinsung dieser 60 mit einem Strich gekennzeichnet und hälter, gemessen am BIP, von 1970 bis Millionen, bei einem Zinssatz von z. B. die der höheren Einkommen mit einer 2000 von 38 % auf 28 % zurück gefal- sechs Prozent, jeden Monat bereits als entsprechend größeren Anzahl. len sind. ein Plus von 300.000 Euro zu Buche schlägt und Esser also seine 60 Milli- Die Monatseinkommen der zweiten Je gigantischer sich also die mit unse- onen gar nicht anzugreifen braucht. Kategorie, also von 25.000 Euro mo- rem Geld zusammenhängenden Ver- Und bescheidet er sich mit einem mo- natlich, dürften allerdings bereits aus mögen, Zinseinkommen und Spekula- natlichen Salär von 50.000 Euro und eigener Leistung kaum noch möglich tionsgeschäfte entwickeln, umso mehr schlägt die übrigen 250.000 jeden Mo- sein, auch wenn es im Zuge von Akti- verliert die große Mehrheit der Haus- nat dem Vermögen zu, dann verdoppelt enboom und Firmentransaktionen – halte den Boden unter den Füßen. Das sich seine Abfindung auch noch alle 15 und vor allem bei den viele Milliarden geben nicht nur die sich überschlagen- Jahre und wächst – trotz der hohen Ent- schweren Spekulationsgeschäften an den Vorgänge bei Banken und Börsen nahmen von monatlich 50.000 Euro – und außerhalb der Banken und Börsen wider, sondern, als Randerscheinung, in der ersten 15-Jahres-Periode auf 120 – manchmal den Eindruck erweckt. auch die Einkommen und Prämien auf Millionen und in der zweiten auf 240 den Manager-Etagen, die heute an der Millionen an. Die Enkel von Herrn Es- Das dritte Beispiel in der Grafik gibt Tagesordnung sind. Dabei werden oft ser, die ihn vielleicht in 45 Jahren beer- zwar schon das Hundertfache des Nor- die größten Aufsichtsratsentlohnun- ben, werden den bis dahin auf 480 Mil- maleinkommens wieder und das vierte gen oder Abfindungsbeträge gerade lionen angestiegenen und wie der Brei sogar das Tausendfache, doch auch die- dann gezahlt, wenn Unternehmen ver- im Märchen weiter wuchernden Reich- se kaum noch vorstellbare Kapital-Ein- kauft, zerschlagen oder sogar ganz ge- tum kaum noch überblicken können kommensgröße eines 500-fachen Milli- schlossen und viele Mitarbeiter auf die – sofern dieses System noch so lange onärs, steigt dann bei einem fünffachen Straße gesetzt werden. Man erinnere Bestand hat, was jedoch kaum möglich Milliardär, die es heute in der Welt be- sich nur an jenen Herrn Esser, Chef von sein kann. reits zu hunderten gibt, noch einmal auf Mannesmann, der sich bereits im Jahr das Zehnfache an! – Für deren grafische 2000, nach acht Monaten Tätigkeit in Berücksichtigt man diese zinsbedingte Darstellung wären allerdings zwei weite- der Firma, für den Verkauf derselben, Vermehrung, dann wird nicht nur deut- re ganze Seiten erforderlich! mit einer zusätzlichen Prämie von sage lich, wo das eigentliche Ärgernis zu or- ten ist, sondern auch, was wir seit Leh- man-Brothers bis heute erlebten. Denn die 60 Millionen von Herrn Esser, die Unterschiedliche Monatseinkommen - Vergleich in Euro: zu Lasten der Aktionäre gingen, dürf- ten diesen Verlust angesichts des hoch I* Normalverdiener (aus Arbeit): 2.500 € gepuschten Wertes ihrer Papiere kaum IIIIIIIIII Spitzenverdiener (aus Arbeit): 25.000 € gemerkt haben. Und die anschließen- den Vermehrungen auf das Zwei-, Vier- IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII 50-facher Millionär (aus Zinsen**): 250.000 € und Achtfache, stammen auch gar IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII nicht aus deren Taschen, sondern aus IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII jenen der arbeitenden Menschen: Sie IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII IIII 500-facher Millionär (aus Zinsen): 2.500.000 € müssen diesen Zuwachs also nicht nur IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII erwirtschaften, sondern über ihre Aus- IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII gaben auch noch laufend mit Zinsen IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII bedienen. IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII So sehr sich Leser vielleicht auch ei- IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII nen solchen Reichtum wünschen und lebenslang von einem Super-Jackpot * Jeder Strich steht für 2.500 Euro / ** bei 6 Prozent Verzinsung Helmut Creutz / Nr 115 im Lotto träumen: Eigentlich müsste Darstellung 3 jedem aufgehen, dass hier etwas nicht 04/2014 www.humane-wirtschaft.de 11
WAS IST LOS MIT UNSEREM GELD, stimmen kann. Hoffentlich erkennen also schon aus einfachen mathema- Auch wenn es häufig zu lesen ist: Der sie aber auch, dass jedes System zu- tischen Gründen nur eine bestimmte Zins soll dabei nicht „abgeschafft“ sammenbrechen muss, das auf sol- Zeit bestehen, es sei denn, man be- oder „verboten werden“, dazu ist er als chen Grundlagen basiert. mühte sich, sie noch rechtzeitig von Regulator in jeder Geldwirtschaft viel ihren Fehlern zu befreien. Auch wenn zu wichtig. Durchbrochen werden muss Die Konsequenzen: es dazu vielleicht schon zu spät sein nur die Behinderung durch die heu- Wäre Geld ein neutraler Vermittler, sollte, könnte man – ausreichend auf- te mögliche künstliche Knapphaltung also nur ein Maßstab für die mit ihm geklärt – wenigstens nach dem nächs- des Geldangebotes, mit der die Zinsen zu verrechnenden Werte, dann dürfte ten Zusammenbruch mit einem Geld ständig im positiven Bereich gehalten seine Benutzung keine solchen Spu- beginnen, das wirklich nur ein reines werden können, trotz aller bedenkli- ren hinterlassen, wie sie in den Ver- Zahlungs- und „Schmiermittel“ in der chen Folgen. mehrungsbeispielen sichtbar werden. Wirtschaft ist. Also ein ehrlicher und Es dürfte vielmehr, wie ein Längen- neutraler Vermittler, der – vom dau- Konkret: Die Bargeldhaltung, der oder Hohlmaß, bei seiner Verwen- ernd positiven Zins befreit – eine Welt „Schlüssel zum Markt“, muss so mit dung keinerlei Auswirkungen auf die in Frieden und Wohlstand für alle mög- Kosten belastet werden, dass die heu- zu messenden Werte oder die mit ihm lich machen würde. tige „Erpressungsmöglichkeit“ eines verbundenen Bestände haben. Doch ständig positiven Zinssatzes unterlau- unter den heutigen Gegebenheiten ist Die Chancen nehmen zu... fen wird. Das heißt also keinesfalls ein Geld nicht nur ein Hilfsmittel zur Mes- ständiger Nullzins, sondern ein Gutha- sung von Werten, zum Tausch von Gü- …zumindest bezogen auf einen Neu- ben-Zinsniveau, das sich – der jeweili- tern oder zur Bildung von Ersparnissen anfang. Denn in unseren Tagen hat ein gen Marktlage entsprechend – bei den und Kreditvergaben, sondern gleich- französischer Ökonom, Thomas Piket- kurzfristigen Einlagen um Null einpen- zeitig ein Instrument, das durch sei- ty, ein Buch mit dem Titel „Kapital – im delt und die heutige künstliche Knapp- ne Dauerhaftigkeit und der Möglich- 21. Jahrhundert“ geschrieben, anknüp- haltung des Geldes durch Bargeld-Zu- keit zur künstlichen Verknappung den fend an „Das Kapital“ von Karl Marx. Im rückhaltungen verhindert. Und das zu tauschenden Gütern in einer Wei- Gegensatz zu diesem ist er aber in sei- bedeutet im Ergebnis ein Schwanken se überlegen ist, die zu solchen ex- nem Werk (das in Französisch und Eng- der kurzfristigen Guthaben-Zinssätze tremen Vermögensverhältnissen führt lisch bereits zum Bestseller wurde und mittelfristig um Null, also ein schwan- und schließlich zu einem Zusammen- im Herbst auch in deutscher Sprache kender Basis-Satz, auf dem sich dann bruch des ganzen Systems. erscheint!), den Wirkungen von Zins – wie auch heute der Fall – alle ande- und Zinseszins nachgegangen, vor al- ren Zinssätze aufbauen, einschl. der Das angeblich so neutrale Geld ist also lem dem daraus resultierenden und Sachkosten-bedingten Marge, die von ein höchst fragwürdiger Wertmaßstab sich beschleunigendem Überwachs- den Banken bei den Kreditzinsen auf- und Tauschvermittler. Zur Nutzung für tum der Geldvermögen und Schulden geschlagen wird – Dass einer solchen alle Bürger herausgegeben, verschafft gegenüber der Wirtschaftsentwick- Reform unseres Geldwesens allerdings es heute denjenigen, die zu viel davon lung, die er anhand der Statistiken vie- sehr rasch durch eine des Bodenrechts in die Hand bekommen, einen ständig ler Volkswirtschaften belegte. Also das ergänzt werden müsste, ist in der Re- wachsenden Vorteil, der für die ande- Gleiche, was der Darstellung 1 zu ent- formbewegung durchweg bekannt. ren zwangsläufig mit entsprechend nehmen ist und bereits in den 1980er wachsenden Nachteilen verbunden Jahren, bezogen auf die Entwicklungen ist. Das Geld, als neutrales Tauschmit- in Deutschland, immer wieder heraus- Zum Autor tel erdacht, ist also mit einem „Joker gebracht wurde, sogar mit den unter- Helmut Creutz im Kartenspiel“ zu vergleichen (Dieter schiedlichen Auswirkungen auf jeweils Suhr), der alle anderen Karten sticht. ein Zehntel der Haushalte. Dies nicht Diese Joker-Eigenschaft des Geldes nur in vielen Aufsätzen, sondern auch Jg. 1923, ab 1972 freier Architekt, Wirt- macht die Reichen automatisch im- bereits in dem Buch „Wachstum bis zur schaftsanalytiker und mer reicher und zwingt alle anderen, Krise“, das 1986 im Basis-Verlag Berlin Publizist. 1979/80 wenn sie nicht im gleichen Umfang är- erschienen ist und in der Geldreform- war er Mitbegrün- mer werden wollen, zu einer dauern- Bewegung mehrfach nachgedruckt der der Alternativen den Steigerung ihrer Leistungen. Eine wurde. Liste und der Grünen in Aachen und NRW. ständige Leistungssteigerung kann Seit 1980 befasst er aber, bei begrenzten menschlichen Aber nicht nur das Piketty-Buch, auch sich mit den Zusam- Kräften und in einer begrenzten Welt, die heutige Debatte um den Minus- menhängen zwischen Geld und Gesellschaft, auf Dauer nicht erbracht werden. Des- oder Negativzins kommt den Bestre- Währung und Wirtschaft. Umfangreiche Vor- halb müssen alle von diesem Geld ge- bungen der Geldreformbewegung trags- und Seminartä- tigkeit, Veröffentlichung prägten Wirtschaftssysteme zwangs- entgegen, die sich – nach Silvio Ge- von zahlreichen Büchern, läufig immer wieder kollabieren und sell – für einen „Negativzins“ bzw. Aufsätzen und statis- erneut beginnen. eine Gebühr auf die Bargeldhaltung tischen Grafiken zum einsetzt. Also dort, wo sich der po- Thema zeichnen ihn aus. Unsere heutigen monetären und wirt- sitive Zins durch Angebot und Nach- Webseite: http://www.helmut-creutz.de schaftlichen Systeme, die solchen frage bei der Freigabe übrigen Geldes E-Mail: Helmut.Creutz@iit-online.de Entwicklungen unterliegen, können heute bildet. 12 www.humane-wirtschaft.de 04/2014
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