Globalisierung der Erstversicherungsmärkte: Stand und Entwicklungstendenzen am deutschen Markt
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Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Globalisierung der Erstversicherungsmärkte: Stand und Entwicklungstendenzen am deutschen Markt Volkswirtschaftliche Themen und Analysen Nr. 6 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Wilhelmstraße 43 / 43 G, 10117 Berlin Postfach 080264, 10002 Berlin Tel. 030/2020-5000, Fax 030/2020-6000 berlin@gdv.de, www.gdv.de
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Volkswirtschaftliche Themen und Analysen Nr. 6 1 Globalisierung der Erstversicherungs‑ 1 Einführung 2 märkte: Stand und Entwicklungsten‑ 2 Internationalisierung der Versicherungswirtschaft 2 denzen am deutschen Markt 2.1 Globalisierung und Finanz‑ dienstleistungen 2 Die zunehmende weltwirtschaftliche Integration ist auch im Bereich der Erstversicherung deutlich erkennbar, vor allem im grenzüberschreitenden 2.2 Möglichkeiten und Grenzen der Internationalisierung in Geschäft über Tochterunternehmen, der Bildung grenzüberschreitender der Erstversicherung 6 regionaler oder globaler Versicherungsgruppen und der zunehmenden in- ternationalen Arbeitsteilung innerhalb dieser Gruppen. Die Zunahme der 2.3 Die Perspektive der Versiche- rungsunternehmen 9 grenzüberschreitenden Aktivitäten hat den Wettbewerb an den nationalen Märkten gestärkt und trägt zu einer effizienteren Bereitstellung von Ver- 3 Bestandsaufnahme: sicherungsschutz und einem verbesserten Produktangebot für die Kun- „Ausländer“ am deutschen Versicherungsmarkt 11 den bei. Mit einem Marktanteil von ca. 25 % sind „ausländische“ Versiche- rungsunternehmen heute ein selbstverständlicher Bestandteil des deut- 3.1 Der deutsche Versicherungs- schen Erstversicherungsmarkts. Umgekehrt gehören deutsche Versicherer markt als Standort für auslän- dische Versicherer 11 in zahlreichen Ländern in Europa und weltweit zu den großen Marktteil- nehmern und erzielen signifikante Beitragseinnahmen im Ausland. Die 3.2 Engagement ausländischer Ver- direkte grenzüberschreitende Bereitstellung von Versicherungsschutz – sicherer am deutschen Markt 13 über rechtlich unselbständige Niederlassungen oder im freien Dienstlei- 4 Bestandsaufnahme: Deutsche stungsverkehr, also ohne den Weg über Tochterunternehmen an den na- Versicherer im Ausland 20 tionalen Erstversicherungsmärkten – spielt dabei bis heute allerdings nur 4.1 Auslandsstrategien eine untergeordnete Rolle. Zudem sind die Erstversicherungsmärkte nach deutscher Versicherer 20 wie vor in starkem Maße national geprägt. 4.2 Daten zum Auslandsgeschäft deutscher Versicherer 23 Aufgrund der rechtlichen, sozialen und kulturellen Besonderheiten dürfte der Großteil der Erstversicherungsmärkte auf absehbare Zeit auch weiter- 5 Zusammenfassung und Aus- hin einen nationalen Charakter behalten, selbst in der Europäischen Union. blick: Perspektiven der Inter nationalisierung in der Erst Auch in der Erstversicherung ist aber eine weitere Ausweitung der grenz- versicherung 27 überschreitenden Aktivitäten, insbesondere im Rahmen von internatio- nal tätigen Versicherungsgruppen, zu erwarten. Die deutschen Versicherer Literaturverzeichnis verfügen dabei über eine gute Wettbewerbsposition, um die vielfältigen Chancen im Ausland wahrzunehmen. Umgekehrt werden ausländische Versicherer auch zukünftig die Potenziale des deutschen Markts nutzen. Für die weitere weltweite und europäische Integration im Bereich der Erst- versicherung kommt der konsequenten Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die grenzüberschreitende Tätigkeit eine hohe Be- deutung zu. Durch die Fortsetzung der Öffnung nationaler Märkte für aus- ländische Anbieter und sachgerechte Reformen des regulatorischen Um- felds in Europa, aber auch im globalen Rahmen, kann die Politik einen wichtigen Beitrag dazu leisten, noch bestehende rechtliche Integrations- hemmnisse zu beseitigen und so die Leistungsfähigkeit der privaten Ver- sicherungswirtschaft und damit ihre Möglichkeiten zur Übernahme gesell- schaftlicher Risiken weiter zu stärken.
2 Volkswirtschaftliche Themen und Analysen Nr. 6 1 Einführung feldes zwischen der zunehmenden In- ternationalisierung einerseits und der 2 Internationalisie weiterhin zentralen Bedeutung natio- rung der Versiche‑ Die fortschreitende Globalisierung – die zunehmende wirtschaftliche Inte- naler Besonderheiten in der Erstversi- cherung andererseits, Stand und aktu- rungswirtschaft gration der Nationalstaaten – gehört elle Entwicklungstendenzen in der In- zu den zentralen Trends, denen sich die ternationalisierung der Erstversiche- 2.1 Globalisierung und Finanzdienst deutsche Versicherungswirtschaft ge- rung bezogen auf die deutschen Versi- leistungen genüber sieht. Während einige Versi- cherungsmärkte darzustellen. Auf die cherungssparten – etwa die Seeversi- Rückversicherung, die seit jeher durch In den Jahrzehnten nach dem Zweiten cherung oder die Rückversicherung mit globale Märkte geprägt ist, wird dabei Weltkrieg war die zunehmende Integra- ihrer weltweiten Risikoteilung – schon nur am Rande eingegangen. Auf der Ba- tion der Weltwirtschaft vor allem durch seit vielen Jahrzehnten einen interna- sis einer grundlegenden Diskussion der den Handel mit industriellen Gütern tionalen oder sogar globalen Charak- Internationalisierung in der Erstversi- getragen. Grenzüberschreitende Kapi- ter aufweisen, ist es in den letzten bei- cherung als Teil der Globalisierung der talströme und Aktivitäten von Finanz- den Jahrzehnten auch in vielen anderen Finanzdienstleistungen werden anhand dienstleistungsunternehmen unterlagen Sparten zu einer weiteren starken Aus- der verfügbaren Daten zum grenzüber- dagegen zunächst noch in starkem Ma- weitung der grenzüberschreitenden Be- schreitenden Geschäft die Aktivitäten ße nationalen Restriktionen. Seit den ziehungen gekommen. Versicherungs- ausländischer Unternehmen auf dem Siebziger Jahren zeigt sich aber auch im schutz für deutsche Haushalte oder Un- deutschen Erstversicherungsmarkt so- Finanzsektor eine kontinuierlich wach- ternehmen wird längst in vielen Fällen wie das Auslandsgeschäft der deut- sende Internationalisierung. Wichtige über die nationalen Grenzen hinaus ge- schen Erstversicherer betrachtet und Triebkräfte dieser „finanziellen“ Globali- währt, und auch darüber hinaus sind aktuelle Trends herausgearbeitet. sierung waren dabei vor allem deutsche Versicherer in vielen auslän- dischen Versicherungsmärkten als An- Eine wichtige Bedeutung kommt da- •• der Abbau rechtlicher Schranken bieter von Versicherungsprodukten ak- bei auch den vielfältigen Wechselwir- für die grenzüberschreitende Tätig tiv. Umgekehrt treten am deutschen kungen zwischen der Internationalisie- keit (internationale Handelsabkom- Versicherungsmarkt zahlreiche aus- rung der Versicherungswirtschaft und men, regionale grenzüberschreiten- ländische Anbieter auf. Viele Versiche- wirtschaftspolitischen Entscheidungen de Binnenmärkte, Abschaffung von rer sind zudem in multinationale Versi- auf nationaler und supranationaler Ebe- Kapitalverkehrsbeschränkungen) cherungsgruppen unter deutscher oder ne zu, die in der Untersuchung ebenfalls verbunden mit einer Deregulierung ausländischer Leitung integriert. Gleich- beleuchtet werden. Während der Abbau der nationalen Märkte. Insbesonde- zeitig sind die meisten Erstversiche- protektionistischer Schranken und die re die Schaffung des Europäischen rungsmärkte allerdings nach wie vor in Deregulierung der Versicherungsmärkte Binnenmarktes hat in den europä- erster Linie nationale Märkte, die durch viele internationale Aktivitäten der Ver- ischen Volkswirtschaften einen In- länderspezifische Faktoren geprägt sicherer erst ermöglicht haben, stellen tegrationsschub ausgelöst. werden. So unterscheiden sich z. B. die die zunehmenden grenzüberschreiten- Wünsche der Kunden und die genaue den Verflechtungen in der Erstversiche- •• die revolutionären Veränderungen Ausgestaltung der Produkte weiterhin rung nun ihrerseits Wirtschaftspolitik in Informations- und Kommunika ganz erheblich zwischen den einzelnen und Versicherungsaufseher vor wich- tionstechnologie. Die neuen tech- Ländern. tige neue Herausforderungen. nologischen Möglichkeiten – eben- so wie starke Kostensenkungen Ziel der vorliegenden Ausarbeitung im in Transport und Logistik – haben Rahmen der Reihe „Volkswirtschaftliche nicht nur zu erheblichen Kosten- Themen und Analysen“ des GDV ist es, senkungen bei traditionellen grenz- auch angesichts dieses Spannungs- überschreitenden Aktivitäten ge-
Volkswirtschaftliche Themen und Analysen Nr. 6 3 führt, sondern – etwa über völ- lig neuartige Transaktionsmöglich- Wachstum des weltweiten Handels mit Dienstlei keiten über die weltweiten Daten- stungen* und Kommunikationsnetze – auch die „finanzielle“ Globalisierung er- 4.000 sonstige Dienstleisungen heblich begünstigt. (darunter auch Finanzdienstleistungen) 3.500 Verstärkt wurden diese Effekte durch 3.000 Reisen die Integration zusätzlicher Länder in 2.500 Transport die Weltwirtschaft. Nach dem Zusam- Mrd. USD 2.000 menbruch der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges haben sich die 1.500 Staaten des früheren Ostblocks, die vor- 1.000 her nur sehr eingeschränkt über Han- dels- und Finanzbeziehungen mit ande- 500 ren Ländern verfügten, in das Weltwirt- 0 schaftssystem integriert. Auch die zu- 2000 2009 2005 1980 1990 1985 1995 nehmende Öffnung wichtiger Schwel- lenländer, insbesondere China und * Gemessen an den Exporten Quelle: WTO Indien, aber beispielsweise auch der la- teinamerikanischen Länder, hat eine si- gnifikante Erweiterung der grenzüber- Weltweiter Handel mit Versicherungsdienstleistungen* schreitenden Wirtschaftsbeziehungen mit sich gebracht. Dabei haben die Pri- 80 vatisierung bisher staatlicher Unterneh- men und die Aufhebung von Monopo- 70 len gerade auch im Versicherungsbe- 60 reich neue Chancen für ausländische Anbieter eröffnet. Die wirtschaftliche 50 Mrd. USD Globalisierung wird zudem auch durch 40 die zunehmende kulturelle und soziale Globalisierung und eine steigende Mo- 30 bilität der Bürger – etwa auch die zu- 20 nehmende Migration zwischen ver- schiedenen Ländern der Europäischen 10 Union – gefördert und erleichtert. 0 2000 2004 2006 2005 1990 1986 1988 1996 2002 1994 1989 1998 2003 1999 2007 2001 1985 1995 1987 1992 1997 1991 1993 Besonders deutlich drückt sich die Glo- balisierung im Wachstum des Welthan- * Gemessen an den Exporten dels aus. Während von 1970 bis 2007 die Quelle: WTO, eigene Berechnungen weltweite Produktion gemessen am no- minalen Welt-Bruttoinlandsprodukt um beiden Jahrzehnten war insbesondere schafts- und Finanzkrise stockte der Pro- das 16-Fache zugenommen hat, ist das auch der Handel mit Dienstleistungen, zess der Globalisierung zwar vorüberge- Welthandelsvolumen gemessen an den der heute gut ein Fünftel des Welthan- hend, mit einem deutlichen Einbruch Exporten im gleichen Zeitraum um das dels ausmacht, durch hohe Steigerungs- des grenzüberschreitenden Handels. 44-Fache angestiegen. In den letzten raten gekennzeichnet. Durch die Wirt- Im Zuge der zunehmenden wirtschaft-
4 Volkswirtschaftliche Themen und Analysen Nr. 6 lichen Erholung ist aber davon auszuge- hen, dass der Prozess der Internationali- Grenzüberschreitende Direktinvestitionen weltweit sierung sich weiter fortsetzen wird. 20.000 2.500 Bestand (linke Achse) Auch Finanz- und Versicherungsdienst- Zuflüsse (rechte Achse) leistungen werden zunehmend grenz- 2.000 überschreitend gehandelt. Aufgrund 15.000 ihres spezifischen Charakters und des umfassenden staatlichen Regulierungs- 1.500 Mrd. USD Mrd. USD rahmens erfordert die Erbringung von 10.000 Finanz- und Versicherungsdienstlei- 1.000 stungen für die privaten Haushalte – trotz entsprechender Veränderungen in 5.000 den rechtlichen Rahmenbedingungen 500 für den weltweiten Handel – allerdings auch weiterhin in vielen Fällen eine räumliche Nähe der Anbieter zu ihren 0 0 2000 2004 2006 2008 2009 2005 1996 2002 1994 1998 2003 1999 2007 2001 1995 1997 Kunden. Der Anteil der Finanz- und Ver- sicherungsdienstleistungen am welt- Quelle: UNCTAD weiten Handelsvolumen ist daher nach wie vor vergleichsweise gering (2007: ca. 2 %). Bei den Versicherungsdienst- Transaktionsvolumen der grenzüberschreitenden leistungen sind die grenzüberschreiten- Fusionen und Übernahmen den Handelsströme zudem auch wei- terhin überwiegend durch die – global 1.200 Käufer aus anderen Branchen organisierte – Rückversicherung domi- niert. 1.000 Finanzdienstleister als Käufer Als eine Alternative zum internationalen 800 Handel mit Finanz- und Versicherungs- Mrd. USD dienstleistungen erfolgt die Internatio- 600 nalisierung daher in diesem Wirtschafts- bereich vor allem auch dadurch, dass Fi- 400 nanzdienstleister grenzüberschreitende Direktinvestitionen tätigen, um durch 200 den Aufbau oder den Erwerb von Unter- nehmen in ausländischen Märkten ak- 0 tiv zu werden. Der Bestand an grenz- 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 2000 1999 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 überschreitenden Direktinvestitionen hat – bei zyklischem Verlauf der Zuflüs- Quelle: UNCTAD se an Investitionskapital – über die letz- ten Jahre stetig zugenommen; ein si- Auch die zunehmende Zahl grenzüber- len hier eine wichtige Rolle. So entfiel in gnifikanter Anteil dieser Direktinves- schreitender Fusionen und Übernah- den letzten Jahren etwa die Hälfte des titionen – knapp 20 % im letztverfüg- men zeigt die wachsende internationa- Transaktionsvolumens auf Käufe von baren Jahr 2008 – entfällt dabei auf die le Verflechtung der nationalen Volks- Finanzdienstleistungsunternehmen. Finanzdienstleistungsbranche. wirtschaften. Finanzdienstleister spie-
Volkswirtschaftliche Themen und Analysen Nr. 6 5 Rechtliche Rahmenbedingungen der Internationalisierung in der Erst- versicherung Schaffung des Europäischen Binnen‑ fung eines einheitlichen Währungsraums teilweise Marktöffnung für ausländische markts für Versicherungen die grenzüberschreitende Tätigkeit der Versicherer erreicht, z. B. auch in China, Versicherungsunternehmen in Europa Indien und Brasilien. Im Zuge der Schaffung des Europäischen weiter erleichtert. Viele Regelungen der EU Binnenmarkts wurden seit den Siebziger wurden auch auf den Europäischen Wirt- Internationalisierung der Aufsicht im Jahren drei Generationen von Versiche- Versicherungsbereich schaftsraum (EWR) ausgedehnt. Zudem rungsrichtlinien verabschiedet, mit de- erfolgt derzeit mit dem Solvency-II-Projekt nen die rechtlichen Markteintrittsbarrie- Gefördert wird die Internationalisie- der Europäischen Union und der Schaf- ren zwischen den EU-Ländern sukzessive rung in der Erstversicherung auch durch fung der europäischen Aufsichtsbehörde abgebaut wurden. Mit der Dritten Richt- die zunehmende internationale Zusam- EIOPA eine weitere Angleichung der Ver- liniengeneration traten im Jahr 1994 menarbeit der Versicherungsaufseher sicherungsaufsicht in den europäischen die neuen Bestimmungen des EU-Bin- und den weltweiten Trend zu einer An- Ländern. nenmarkts für Versicherungsdienstlei- näherung der nationalen Regulierungs- stungen in Kraft. Ein zentraler Fortschritt systeme auf Basis von internationalen Weltweiter Trend zur Marktliberali- war dabei die Einführung eines „einheit- sierung Standards und Best Practices der Interna- lichen Passes“, der es Versicherungsun- tionalen Vereinigung der Versicherungs- ternehmen, die in einem EWR-Mitglied- Auch über die Europäische Union bzw. den aufseher (IAIS). Die geplanten Schritte staat zugelassen sind, ermöglicht, Nie- EWR hinaus zeigt sich seit den Neunziger zur Reform der internationalen Finanz- derlassungen in anderen EWR-Ländern Jahren ein weltweiter Trend zur Liberali- aufsicht im Rahmen des G20-Prozesses zu errichten oder direkt von ihrem Hei- sierung der Versicherungsmärkte und des bzw. der entsprechenden Aktivitäten der matland aus im freien Dienstleistungs- grenzüberschreitenden Versicherungsge- IAIS sowie eine zunehmende gegensei- verkehr grenzüberschreitenden Versi- schäfts. Ein wichtiger Schritt war dabei tige Anerkennung von Aufsichtssyste- cherungsschutz anzubieten und dabei 1995 das Inkrafttreten des General Agree- men dürften hier zu weiteren Fortschrit- weiterhin der Finanzaufsicht ihres Hei- ment on Trade in Services (GATS), das ein ten führen. Auch die Verbände und Ver- matlands zu unterliegen. In Deutschland integraler Eckpfeiler der Welthandelsorga- einigungen der Versicherungswirtschaft sowie zahlreichen anderen europäischen nisation WTO ist und seit 1997 auch den – so etwa auch der GDV – tragen der in- Ländern war die Schaffung des EU-Bin- Bereich der Finanzdienstleistungen um- ternationalen Dimension des Versiche- nenmarkts zudem mit einer starken De- fasst. Auch die Bedingungen für grenz- rungsgeschäfts zunehmend durch eine regulierung der Versicherungsmärkte überschreitende Direktinvestitionen wur- Internationalisierung ihrer Ausrichtung verbunden, z. B. der Aufhebung der Ge- den durch zahlreiche Abkommen er- und eine Verstärkung der internationa- nehmigungspflicht für Versicherungs- leichtert. In einer ganzen Reihe von wei- len Zusammenarbeit Rechnung. produkte. Darüber hinaus hat die Schaf- teren Ländern wurde so zumindest eine Im Versicherungsbereich zeigt sich die sicht im Versicherungsbereich zeugen auf ihre Kernaktivitäten konzentrieren wachsende Internationalisierung dem- von dieser Entwicklung. mussten. Umgekehrt bieten sich damit entsprechend u. a. auch in der Heraus- für andere Unternehmen aber auch zu- bildung multinationaler Versicherungs- Auch bei den grenzüberschreitenden Di- sätzliche Möglichkeiten der grenzüber- gruppen, die in ihrer Geschäftstätig- rektinvestitionen und Unternehmens- schreitenden Geschäftstätigkeit. Gera- keit oft eine stärkere internationale Ori- übernahmen hat die Finanz- und Wirt- de die Versicherungswirtschaft, die die entierung aufweisen als etwa Banken. schaftskrise zunächst zu einem Rück- Krise – von wenigen Ausnahmen ab- Dies gilt insbesondere auch für die euro- gang der jährlichen Transaktionsvolu- gesehen – sehr gut überstanden hat, päischen Versicherungsgruppen. Auch mina geführt. Zudem hat die Krise auch könnte hier von den durch die Krise aus- die Bestrebungen zu einer weiteren in- dazu geführt, dass eine Reihe von Un- gelösten Umstrukturierungen profitie- ternationalen Harmonisierung der Auf- ternehmen ihre Auslandsengagements ren.
6 Volkswirtschaftliche Themen und Analysen Nr. 6 2.2 Möglichkeiten und Grenzen der wirtschaften zugehören. Denkbar ist so, ischen Binnenmarktes möglich ist. Eine Internationalisierung in der Erstversi dass ein Versicherer von seinem Heimat- andere Möglichkeit besteht aber auch cherung land aus aktiv Versicherungsschutz in darin, dass sich der Kunde eigeninitia- einem anderen Land anbietet, wie dies tiv an einen ausländischen Versicherer 2.2.1 Formen der Internationalisie vor allem im Rahmen des freien Dienst- wendet, z. B. über das Internet (sog. Kor- rung in der Erstversicherung leistungsverkehrs innerhalb des Europä- respondenzversicherung). Ein anderer Im Bereich der Erstversicherung treten grenzüberschreitende Geschäftsbezie- Globaler Charakter der Rückversicherung hungen in vielfältigen Formen auf. Ein Die gesamtwirtschaftliche Funktion der selbst aus anderen Regionen nachfra- erstes Beispiel ist hier bereits die Aus Rückversicherung besteht vor allem da- gen. landsdeckung in inländischen Versi rin, auch sehr große und komplexe Ri- cherungsverträgen. Zahlreiche Versi- siken tragbar zu machen und so etwa Auch in der Rückversicherung besteht cherungsverträge, die inländische Kun- auch die Versicherung von Naturkata- bis heute allerdings noch kein vollstän- den mit einem im Inland ansässigen strophen zu ermöglichen. Die weltweite dig integrierter internationaler Markt. Versicherer abschließen, beinhalten ei- Diversifizierung der versicherten Risiken So erfolgt die Regulierung der Rückversi- ist hier mit das wichtigste Instrument. cherer weiterhin überwiegend national, nen Versicherungsschutz, der zumin- Dementsprechend haben Rückversiche- und auch aufsichtsrechtliche Vorgaben dest teilweise auch im Ausland Geltung rungsmärkte seit jeher einen globalen an die Erstversicherungsunternehmen hat. So gilt beispielsweise der Risiko- Charakter, und ein hoher Anteil der Rück- können zu Wettbewerbshemmnissen schutz der Lebensversicherung oder der versicherungsbeiträge wird für grenz- im grenzüberschreitenden Rückversiche- privaten Krankenvollversicherung welt- überschreitenden Versicherungsschutz rungsgeschäft führen. Ein Beispiel ist weit. Darüber hinaus sind auch speziel- geleistet. Traditionell kommt dabei den hier die teilweise bestehende Anforde- le Auslandsdeckungen verfügbar, die europäischen Rückversicherungsstand- rung, dass nicht ortsansässige Rückver- als eigenständiger Versicherungsvertrag orten eine führende Rolle zu. Die europä- sicherer besondere Sicherheiten stellen oder als Zusatzbaustein gezielt „aus- ischen Märkte stellen so in deutlich hö- müssen, damit ein Rückversicherungs- ländische“ Risiken abdecken, etwa die herem Maße Rückversicherungsschutz vertrag aufsichtsrechtlich anerkannt weit verbreitete Auslandskrankenver- für andere Weltregionen bereit als sie wird. sicherung oder im Bereich der Indus- trieversicherung die Deckung des Haf- Regionale Verteilung der weltweiten Beiträge in der tungsrisikos im Ausland. In einigen Be- Rückversicherung (2008) reichen wie der Luftfahrtversicherung oder der Seeversicherung ist ein Versi- 105 übernommene Rückversicherung cherungsschutz, der für mehrere Länder 90 abgegebene Rückversicherung gilt, meist sogar konstitutiv für das Ver- Saldo 75 sicherungsprodukt. 60 Mrd. USD Ein Im- oder Export von Versicherungs 45 dienstleistungen liegt dann vor, wenn 30 ein Versicherer von einem Land aus Ver- 15 sicherungsschutz für Kunden aus an- deren Ländern anbietet. Entscheidend 0 ist hier somit nicht, welchem Land das -15 Europa Afrika, Naher Latein- Nordamerika Asien und versicherte Risiko zuzuordnen ist, son- Australien und Mittlerer amerika dern der Umstand, dass Versicherungs- Osten nehmer und Versicherungsunterneh- Quelle: IAIS men unterschiedlichen nationalen Volks-
Volkswirtschaftliche Themen und Analysen Nr. 6 7 Fall liegt darin, dass sich der Versiche- Ländern, und mit den neuen technolo- liche andere Teile des Finanzsystems rungsnehmer temporär im Ausland be- gischen Rahmenbedingungen erfolgt auch weiterhin in starkem Maße natio- findet und dort einen Versicherungsver- verstärkt auch eine internationale Ar nal geprägt. Dies gilt auch für die Erst- trag mit einem ortsansässigen Versiche- beitsteilung bei der Produktion von versicherung. Selbst in der Europäischen rer abschließt. Unabhängig davon, wie Versicherungsschutz, etwa durch die Union, wo die größten Fortschritte im die Vertragsbeziehung genau zustande Zentralisierung bestimmter Funktionen Abbau von Zugangsbeschränkungen für gekommen ist, liegt in all diesen Fällen oder gemeinsame Projekte innerhalb ei- ausländische Versicherer erfolgt sind, ein Im- oder Export von Finanzdienstlei- ner internationalen Versicherungsgrup- kann nach wie vor nicht von einer voll- stungen vor. pe. Beispiele wären hier ein zentrales ständigen Integration der nationalen Rechenzentrum für mehrere Länder Märkte im Bereich der Erstversicherung Eine weitere Möglichkeit der Internatio- oder die konzernübergreifende Durch- gesprochen werden. Die Schaffung des nalisierung im Bereich der Erstversiche- führung von Softwareentwicklungsauf- EU-Binnenmarkts und die damit ver- rung ist das Auslandsengagement durch gaben. In gewissem Maße ist auch ein bundene Deregulierung haben zwar die Etablierung im Ausland bzw. die Be Offshoring von Standardaufgaben et- in erheblichem Maße zu den umfang- teiligung an ausländischen Versiche wa im EDV-Bereich oder der Vertrags- reichen Strukturveränderungen auf den rungsunternehmen. Eine Ansiedlung im verwaltung in Niedriglohnländer zu be- europäischen Versicherungsmärkten bei- Ausland kann dabei durch die Errichtung obachten. Die Bedeutung des Offsho- getragen. So ist es unter anderem zu einer rechtlich unselbständigen Nieder- ring für die Versicherungswirtschaft ist zahlreichen Fusionen und Übernahmen lassung (unternehmensinterne Lösung) allerdings nach wie vor eng begrenzt.2 mit grenzüberschreitendem Charakter oder das Angebot von Versicherungs- und zur Bildung europäischer Gruppen schutz durch ein rechtlich selbständiges 2.2.2 Grenzen der Internationali- in der Erstversicherung gekommen. Eine Tochterunternehmen – also den Erwerb sierung in der Erstversicherung echte Integration der nationalen Märkte oder den Aufbau eines Versicherers im in der Europäischen Union ist dagegen Ausland – erfolgen. Verbreitet sind aber Nach wie vor ist der direkte grenzüber- auch weiterhin allenfalls ansatzweise auch grenzüberschreitende Kooperatio- schreitende Handel mit Versicherungs- zu erkennen, etwa in einzelnen Markt- nen zwischen verschiedenen Versiche- dienstleistungen in der Erstversiche- segmenten im Industriegeschäft oder in rungsgruppen, beispielsweise Joint Ven- rung verglichen mit anderen Märkten Ansätzen paneuropäischer Produkt- und tures ausländischer Versicherer mit in- relativ gering; der Erwerb oder die Betei- Vertriebsstrategien einiger Versiche- ländischen Versicherern. So bestehen ligung an ausländischen Unternehmen rungsgruppen. Erst recht nur in sehr ge- beispielsweise in den Emerging Mar- bzw. die Etablierung von Töchtern oder ringem Maße grenzüberschreitend inte- kets vielfach noch rechtliche Marktzu- Niederlassungen stellt die wichtigste griert sind die Erstversicherungsmärkte trittsbeschränkungen für ausländische Form des Auslandsengagements dar. außerhalb der Europäischen Union. Versicherer, die die Gründung entspre- Allerdings bedeutet dieser Befund nicht chender Joint Ventures erfordern. Gene- zwangsläufig ein Defizit; ursächlich Die Ursachen für die auch im europä- rell stellt die Internationalisierung über sind hier vielmehr auch spezifische Cha- ischen Binnenmarkt nur eingeschränkte den Erwerb von oder die Beteiligung an rakteristika des Erstversicherungsge- Integration der nationalen Erstversiche- ausländischen Versicherern sowie die schäfts, die einer Internationalisierung rungsmärkte bzw. die noch immer vor- Etablierung von Töchtern oder Nieder- in der Erstversicherung auch Grenzen 1 Zu diesem Ergebnis kommt auch die Europäische lassungen in der Erstversicherung nach setzen. Zwar weisen viele Finanzmärk- Kommission in ihrem jüngsten European Finan- wie vor die wichtigste Form des Aus- te – etwa die Märkte für Devisen oder cial Integration Report, vgl. Europäische Kommis- sion (2009). landsengagements dar. Dies gilt selbst die Märkte für Staatsanleihen wichtiger innerhalb der Europäischen Union.1 Industrieländer, aber auch die Rückversi- 2 So schätzt die Unternehmensberatung McKinsey (2005), dass im Versicherungssektor der Industrie- cherungsmärkte – seit jeher eine globa- länder das Volumen des Offshoring weniger als Schließlich erstreckt sich die Interna- le Orientierung auf oder haben mittler- ein Prozent der Arbeitsplätze ausmacht. Für eine Untersuchung der Möglichkeiten und Grenzen des tionalisierung in der Erstversicherung weile einen weitgehend globalen Cha- Offshoring in der deutschen Versicherungswirt- auch auf die Kapitalanlage in anderen rakter erlangt. Dagegen bleiben wesent- schaft vgl. auch Theis / Wolgast (2005).
8 Volkswirtschaftliche Themen und Analysen Nr. 6 wiegend nationalen Marktstrukturen der Liberalisierungsfortschritte der sellschaft und Mentalität zu nennen, sind vielfältig. Hier sind zunächst die letzten Jahre weiterhin auch direkte wie sie z. B. die Einstellung der Bevöl- staatlichen Rahmenbedingungen zu Zutrittsbeschränkungen für auslän- kerung zum Risiko und die Präferenzen nennen, die für die Versicherungsmärk- dische Finanzdienstleister. So dür- im Hinblick auf die jeweilige Risikoabsi- te von zentraler Bedeutung sind. Nach fen beispielsweise in Indien auch 10 cherung bestimmen. Die unterschied- wie vor bestehen erhebliche rechtliche, Jahre nach der 2001 erfolgten Libe- lichen historischen Entwicklungspfade steuerliche und sozialpolitische Barrie ralisierung und teilweisen Öffnung und die jeweiligen institutionellen Ge- ren zwischen den nationalen Versiche- des Versicherungsmarktes für pri- gebenheiten haben oft zur Herausbil- rungsmärkten: vate Versicherer ausländische Un- dung ganz unterschiedlicher Produktva- ternehmen nach wie vor höchs‑ rianten geführt, die in erheblichem Ma- •• Versicherungsmärkte gehören zu tens eine Beteiligung von 26 Pro- ße auch in die Zukunft wirken. Nicht zu- den am stärksten regulierten Märk- zent an einem Versicherungsunter- letzt sind auch die Risikosituation und ten. Die relevanten Aufsichts- und nehmen halten. In China bestehen damit die von den Versicherern heran- Rechtssysteme sind dabei weiter- weiterhin hohe Hürden für auslän- gezogenen Kalkulationsgrundlagen in hin überwiegend national gere- dische Versicherungsunternehmen den einzelnen Ländern sehr unter- gelt. Selbst in der Europäischen bei der Genehmigung von Nieder- schiedlich. Hier schlagen sich beispiels- Union, in der schon heute die Auf- lassungen, und im Bereich der Le- weise das nationale Haftungsrecht oder sichtssysteme teilweise harmoni- bensversicherung gibt es auch hier unterschiedliche Sterbe- und Berufsun- siert sind und mit Solvency II die eine Beteiligungsgrenze für aus‑ fähigkeitswahrscheinlichkeiten nieder. Einführung eines neuen europä- ländische Versicherer, die bei 49 % Auch aus diesem Grund unterscheiden ischen Aufsichtsrahmens bevor- liegt. sich die Produkte in einzelnen Ländern steht, bleiben einige Aspekte des teilweise erheblich, auch in der Scha- Aufsichtsrechts weiterhin natio- •• Im Bereich der Personenversicher- den- und Unfallversicherung. Ein Bei- nal. Erst recht gilt dies in Bezug auf ungen hängen der Bedarf an pri- spiel ist hier die Kfz-Versicherung, deren die weltweite Harmonisierung der vatwirtschaftlichem Versicherungs- genaue Ausgestaltung und Tarifierung Versicherungsaufsicht. Im Hinblick schutz und die Attraktivität der in Europa erhebliche Unterschiede auf- auf das Versicherungsvertragsrecht einzelnen Produkte vielfach auch weist. und viele Aspekte des Verbraucher- wesentlich von den sozialen Si- schutzes, aber auch im Bereich des cherungssystemen und den steu- Auch wenn in naher Zukunft weitere In- Zivil- und Haftungsrechts besteht errechtlichen Regelungen ab. Diese tegrationsschritte bevorstehen – ins- bisher selbst ansatzweise kaum Bereiche sind auch innerhalb der Eu- besondere auch die mit Solvency II ver- eine Harmonisierung zwischen den ropäischen Union, geschweige denn bundene Angleichung der Aufsichtssys- Mitgliedstaaten der EU. Das Feh- international, ebenfalls weiterhin teme in der Europäischen Union –, wird len eines kohärenten europäischen national geregelt und von hoher es aufgrund der natürlichen Integra- Rechtsrahmens verhindert damit Komplexität, so dass sich auch hie- tionshemmnisse vermutlich auf abseh- einen echten „europäischen Versi- raus implizite Markteintrittsschran- bare Zeit nicht zu einer vollständigen In- cherungsraum“. In Drittländern sind ken für ausländische Anbieter und tegration der nationalen Erstversiche- die rechtlichen Barrieren für auslän- Hemmnisse für eine Marktintegra- rungsmärkte kommen. Selbst wenn ein dische Anbieter noch weitaus hö- tion ergeben, auch innerhalb der Eu- Abbau noch verbleibender rechtlicher her. ropäischen Union. und wirtschaftspolitischer Integrations- hindernisse gelingen sollte – etwa eine •• Neben den indirekten Marktein- Aber auch „natürliche“ Hemmnisse für stärkere Harmonisierung des Verbrau- trittsschranken, die aus unter- eine vollständige Integration der Erst cherschutzes in der Europäischen Uni- schiedlichen rechtlichen Anforde- versicherungsmärkte spielen eine wich- on, aber auch eine verbesserte Markt- rungen resultieren, bestehen in vie- tige Rolle. Hier sind etwa die nationalen öffnung in den Emerging Markets – len Ländern außerhalb der EU trotz Besonderheiten in Kultur, Sprache, Ge- wäre damit nicht zwangsläufig eine eu-
Volkswirtschaftliche Themen und Analysen Nr. 6 9 ropäische oder gar weltweite Integra- sicherung, der Lebensversicherung oder cen auch in den bereits weiter entwi- tion der Erstversicherungsmärkte ver- der Kfz-Versicherung. Die Bandbreite ckelten Auslandsmärkten der Industrie- bunden. Fortschritte im grenzüber- reicht dabei von der Integration eines länder. Die Initiative für das Auslands- schreitenden Versicherungsgeschäft Auslandsschutzes in einen inländischen engagement kann dabei auch von po- – insbesondere auch über Tochterun- Versicherungsvertrag bis hin zu der Ein- tenziellen Geschäftspartnern in auslän- ternehmen und Niederlassungen – wä- richtung einer ausländischen Nieder- dischen Märkten ausgehen, die einen ren dagegen mit all ihren Vorteilen er- lassung oder eines ausländischen Toch- „Import“ von spezifischem Know-how zielbar. Der damit verbundene größere terunternehmens zur Begleitung indus- aus dem Ausland anstreben, um Lücken Wettbewerb und die erweiterten Wahl- triell-gewerblicher Kunden auf Auslands- im jeweiligen inländischen Marktange- möglichkeiten für die Versicherungs- märkten. bot zu schließen. nehmer könnten so auch zu einer ver- besserten Versorgung der Bevölkerung Eine ganz andere, nicht weniger typische Aber auch weitere Motive für eine In- oder der Wirtschaft mit Versicherungs- Motivation liegt darin, im Ausland be ternationalisierung in der Erstversiche- schutz beitragen. stehende Wachstums- und Ertrags rung sind möglich. Durch Aktivitäten chancen zu nutzen und so insbesondere auf verschiedenen nationalen Versiche- 2.3 Die Perspektive der Versiche dann, wenn der Heimatmarkt tenden- rungsmärkten kann so z. B. aus Sicht rungsunternehmen ziell eher durch Stagnation und eine In- des einzelnen Unternehmens eine Risi tensivierung des Wettbewerbs gekenn- kodiversifizierung im Hinblick auf Um- 2.3.1 Motive für eine grenzüber zeichnet ist, an schneller wachsenden satz und Ertrag erzielt werden. Dies gilt schreitende Tätigkeit Versicherungsmärkten zu partizipieren. etwa hinsichtlich der konjunkturellen Während die Wachstumsmöglichkeiten Entwicklung oder des politischen Um- Letztlich entscheidend dafür, inwieweit in den Industrieländern nicht zuletzt felds in den einzelnen Märkten, aber auch sich innerhalb der bestehenden Rah- auch aufgrund der bereits erreichten – unabhängig von den Möglichkeiten menbedingungen eine Internationalisie- hohen Marktdurchdringung zumeist der Rückversicherung – hinsichtlich rung in der Erstversicherung vollzieht, begrenzt sind, bieten viele Schwellen- des versicherungstechnischen Risikos. sind die Motive für eine grenzüberschrei- länder ein hohes Wachstumspotenzial. Durch ein Produktangebot in mehreren tende Tätigkeit aus der Sicht der Unter- Viele Versicherer der Industrieländer Ländern können zudem Economies of nehmen. Ein Auslandsengagement von wollen durch entsprechende Auslands- Scale und Scope genutzt werden, z. B. Versicherungsunternehmen im Bereich engagements an diesen wachsenden im Hinblick auf die Entwicklung neu- der Erstversicherung kann dabei durch Märkten partizipieren. Besondere Chan- er Produktvarianten, im Risikomanage- ganz unterschiedliche Motive bestimmt cen zur Erschließung ausländischer Ver- ment oder in der Betriebsorganisa- sein. In vielen Fällen besteht beispiels- sicherungsmärkte bestehen aber auch tion. Auslandsaktivitäten können aber weise so bei den inländischen Kunden dann, wenn ein Export von Know-how auch durch die Zielsetzung begründet ein Bedarf an Versicherungsschutz, der und Wettbewerbsvorteilen aus dem in sein, ein zusätzliches Angebot im Hei- auch Auslandsrisiken beinhaltet. Ver- ländischen Geschäft möglich erscheint. matmarkt durch die Nutzung beson- sicherungsunternehmen sind hier zur Versicherungsunternehmen verfügen derer aufsichts- oder steuerrechtlicher Sicherung ihrer inländischen Marktpo- oftmals über ein spezifisches Know- Rahmenbedingungen im Ausland zu sition bestrebt, entsprechenden Wün how aus ihrem Heimatmarkt, das in an- ermöglichen („Re-Import“ von Versi schen ihrer Kunden Rechnung zu tra- deren Märkten als Wettbewerbsvorteil cherungsprodukten). gen. Diese Motivation spielt seit langem genutzt werden kann. Ein Beispiel hier- bei gewerblichen und industriellen Ver- für sind etwa langjährige Erfahrungen Schließlich kann ein Auslandsengage- sicherungen eine wichtige Rolle, etwa in mit einem bestimmten Produkt oder ment aber auch opportunistisch da- der Transport-, Haftpflicht- und Kredit- einem innovativen Vertriebsmodell, das durch zustande kommen, dass sich in versicherung oder den Technischen Ver- in anderen Ländern noch nicht existiert einem Land besonders günstige Ak- sicherungszweigen, aber auch im Privat- oder wenig verbreitet ist. Hier bestehen quisitionschancen bieten, aktuell etwa kundengeschäft, z. B. in der Krankenver- dann Wachstums- und Ertragschan- aufgrund von Umstrukturierungen von
10 Volkswirtschaftliche Themen und Analysen Nr. 6 Wachstumschancen an den Versicherungsmärkten der Emerging Markets Der weit größte Teil der Beitragseinnah- men der Versicherungswirtschaft – in Wachstum der Versicherungsbeiträge 2004 - 2009 in 2009 87 % – entfällt nach den Zahlen ausgewählten Ländern* der Swiss Re bisher auf die Industrielän- 20 der. 2009 hatte Westeuropa einen Anteil Gesamt am Weltbeitragsaufkommen von 38 %, Leben auf Nordamerika entfiel ein Beitragsan- 15 Nicht-Leben teil von 30 % und auf Japan und die neu- in Prozent en Industrieländer Asiens ein Anteil von 10 17 %. Dagegen betrug der Weltmarkt- anteil der Emerging Markets insgesamt 5 lediglich 13 %. 6 % entfielen dabei auf Süd- und Ostasien, 3 % auf Lateiname- 0 rika und die Karibik und 2 % auf Mittel- Großbrit- Deutsch- und Osteuropa. Brasilien Mexico tanien Indien Frank- -5 Japan China Polen reich land USA Dem hohen Weltmarktanteil der „reifen“ Märkte in den Industrieländern stehen * Durchschnittliches reales Beitragswachstum allerdings in den letzten Jahren nur noch Quelle: Swiss Re sehr moderate Wachstumsraten auf die- sen Märkten gegenüber, zuletzt waren wirtschaftliche Entwicklung der entspre- rungsmärkte in den Emerging Markets die Beitragseinnahmen der Industrie- chenden Länder zurückzuführen. Dabei kommt vielfach den Versicherern der In- länder sogar rückläufig. Viele Emerging wirkt sich zusätzlich noch aus, dass die dustrieländer eine wichtige Rolle zu. Mit Markets sind dagegen durch sehr ho- Verbreitung von Versicherungsprodukten deren Aktivitäten erfolgt ein Kapital- und he Wachstumsraten gekennzeichnet. in diesen Ländern bisher noch vergleichs- Know-how-Transfer in die Schwellenlän- Besonders der chinesische Versiche- weise gering ist. Während die Versiche- der, der neben der Versicherungstechnik rungsmarkt hat sich in den letzten rungsdurchdringung (Beitragseinnahmen beispielsweise auch das Feld der Scha- Jahren mit durchschnittlichen realen in Prozent des BIP) in 2009 beispielsweise denverhütung umfasst. Wachstumsraten von 17 % zu einem der in Deutschland bei 7,0 % und in den USA wichtigsten Versicherungsmärkte entwi- bei 8,0 % lag, betrug sie in den Emerging Zwar hat die Finanz- und Wirtschafts- ckelt. Während China noch im Jahr 2000 Markets im Durchschnitt erst 2,9 %. Das krise kurzfristig auch in vielen Emerging vergleichsweise geringe Versicherungs- Entstehen einer breiten Mittelschicht in Markets die Dynamik der Versicherungs- beiträge aufwies (Anteil an den weltwei- vielen Emerging Markets und damit ver- märkte gedämpft, und in einigen Län- ten Beitragseinnahmen 0,8 %), verfügte bunden die zunehmend vorhandenen dern, insbesondere in Osteuropa, ist es das Land in 2009 bereits über den siebt- finanziellen Spielräume für einen Risiko- auch zu erheblichen Einbrüchen in den größten Versicherungsmarkt weltweit, schutz – sowohl über Personenversiche- Prämieneinnahmen gekommen. Auf- mit einem Anteil von über 4 % an den rungen als auch zur Absicherung des zu- grund des bestehenden Nachholbedarfs Beitragseinnahmen in der Erstversiche- nehmenden materiellen Wohlstands – füh- ist aber davon auszugehen, dass die Ver- rung. Auch Indien, eine Reihe der mittel- ren dagegen dort jetzt zu einem starken sicherungsmärkte in den Emerging Mar- und osteuropäischen sowie die latein- Wachstum der Versicherungsnachfrage. kets auch weiterhin auf absehbare Zeit amerikanischen Versicherungsmärkte Gleichzeitig wird die weitere Verbreitung deutlich stärker als die Versicherungs- wiesen in den letzten Jahren regelmäßig von Versicherungsprodukten aber auch märkte der Industrieländer wachsen hohe reale Wachstumsraten auf. durch wirtschaftspolitische Maßnahmen werden. gefördert, wie z. B. die Einführung neu- Das hohe Beitragswachstum in der Ver- er Pflichtversicherungen, etwa in der Kfz- sicherungswirtschaft der Emerging Mar- Haftpflichtversicherung. Für die Weiter- kets ist auch auf die sehr dynamische entwicklung leistungsfähiger Versiche-
Volkswirtschaftliche Themen und Analysen Nr. 6 11 Finanzdienstleistungskonzernen in Fol- 2.3.2 Mögliche Auslandsstrategien kus haben (z. B. Europa) oder global tä- ge der Finanz- und Wirtschaftskrise. von Versicherern tig sein (globale Versicherungsgruppe). Die meisten multinationalen Versiche- Hervorzuheben ist allerdings, dass Aus- Im Hinblick auf ein mögliches Engage- rungsgruppen entstehen durch den Er- landsaktivitäten nicht nur mit Chancen ment im Ausland steht den Versicher- werb von Gesellschaften in anderen verbunden sind, sondern auch erheb- ern eine Vielzahl von möglichen Strate- Ländern. In der internen Struktur un- liche Risiken und Zusatzkosten mit sich gien offen. Dabei ergibt sich eine Rang- terscheiden sich die einzelnen Gruppen bringen können. Mit jedem zusätzlichen folge wichtiger Entscheidungen, die zu ganz wesentlich. Während in einigen Tätigkeitsland erhöht sich die Komplexi- treffen sind: Versicherungsgruppen die nationalen tät des Managements. Der stark natio- Unternehmen weitgehend selbständig nale Charakter der Versicherungsmärk- •• Soll überhaupt ein Auslandsengage- agieren, streben andere Unternehmen te erfordert jeweils ein spezifisches ment erfolgen? eine starke Verzahnung der Tätigkeit der Know-how über die einzelnen natio- nationalen Versicherer und die Zentrali- nalen Märkte, in denen ein Versicherer •• In welchen ausländischen Märkten sierung wichtiger Unternehmensfunk- tätig ist. Geschäftsmodell und Produkte (Anzahl und Charakteristika, z. B. In- tionen an. lassen sich meist nicht ohne weiteres dustrieländer versus Emerging Mar- auf ein anderes Tätigkeitsland übertra- kets, räumliche Nähe versus grund- gen. Insbesondere Emerging Markets sätzlich weltweit) will das Unter- 3 Bestandsaufnah stellen oft besondere Anforderungen nehmen tätig sein? an die ausländischen Unternehmen. me: „Ausländer“ In vielen Ländern besteht auch heute noch ein erhebliches politisches Risiko. •• In welcher Form (Tochtergesell- schaft, Niederlassung oder freier am deutschen Ver So hat etwa in Argentinien die 2008 er- Dienstleistungsverkehr, ggf. Zusam- sicherungsmarkt folgte Verstaatlichung der privaten Pen- menarbeit mit lokalen Unterneh- sionskassen zu einem Einbruch in der men) soll das internationale Enga- 3.1 Der deutsche Versicherungs privaten Vorsorge geführt, und die ak- gement erfolgen? markt als Standort für ausländische tuellen Sanktionen gegen den Iran ha- Versicherer ben vor kurzem die deutschen Ver- •• Wie soll das internationale Engage- sicherer bewogen, sich aus diesem ment intern eingebunden werden In Deutschland wurden in 2009 in der Markt zurückzuziehen. Sofern das Aus- (Grad der Zentralisierung, Ein-Mar- Erstversicherung Beitragseinnahmen landsgeschäft zusammen mit einem ken-Strategie versus Beibehaltung von 171 Mrd. Euro erzielt, Ende 2009 ausländischen Partner betrieben wird, nationaler Marken usw.)? bestanden ca. 449 Millionen Versiche- ergeben sich auch aus der Abhängigkeit rungsverträge. Mit einem Anteil von von diesem Partner besondere Risiken. Die in der Praxis bedeutendste Form des 5,9 % an den weltweiten Versicherungs- Jedes Auslandsengagement ist zudem grenzüberschreitenden Versicherungs- beiträgen ist Deutschland der fünft- auch mit Reputationsrisiken in allen Tä- geschäfts in der Erstversicherung stellt größte Erstversicherungsmarkt welt- tigkeitsländern verbunden. Damit kann dabei nach wie vor die multinationale weit. In Europa verfügt Deutschland es für einen Erstversicherer unter be- Versicherungsgruppe dar. Multinatio- über den drittgrößten Erstversiche- stimmten Bedingungen durchaus auch nale Versicherungsgruppen verfügen in rungsmarkt. erwägenswert sein, sich auf den Hei- mehreren Ländern über nationale Toch- matmarkt zu fokussieren und im Aus- tergesellschaften, die überwiegend je- Von den Beitragseinnahmen entfie- land gar nicht oder nur sehr begrenzt – weils im Inland Versicherungsschutz an- len in 2009 85 Mrd. Euro (knapp 50 %) etwa in einzelnen Nachbarstaaten – tä- bieten. Versicherungsgruppen können auf die Lebensversicherung, 55 Mrd. tig zu werden. ganz unterschiedlich ausgestaltet sein, Euro auf die Schaden- und Unfallversi- sie können sich z. B. auf wenige Län- cherung und 31 Mrd. Euro auf die pri- der beschränken, einen regionalen Fo- vate Krankenversicherung (Nicht-Le-
12 Volkswirtschaftliche Themen und Analysen Nr. 6 bensversicherung zusammen: gut 50 %). Aufgabenteilung zwischen Staat und gekennzeichnet. Die gesetzlichen Vor- Der Anteil der Lebensversicherung an privater Versicherungswirtschaft in der gaben sind streng und unterliegen häu- den Beiträgen der Erstversicherung sozialen Sicherung mittel- und lang- figen Veränderungen, politischen Re- ist damit geringer als in vielen ande- fristig mit erheblichen Wachstums- formen kommt eine hohe Bedeutung ren Industrieländern, im europäischen spielräumen für die Personenversiche- zu. Die in Deutschland tätigen Versiche- Durchschnitt betrug er 2008 gut 60 %. rung (Lebens-, Kranken- und Pflegever- rer stehen damit vor großen Herausfor- Auch die Versicherungsdurchdringung – sicherung) verbunden sein. Auch die derungen, um unter den sich kontinuier- also die Höhe der Beiträge gemes- Herausforderungen des Klimawandels lich wandelnden Rahmenbedingungen sen am Bruttoinlandsprodukt – ist in und das Angebot innovativer Produkte ihren Geschäftserfolg dauerhaft zu Deutschland in der Lebensversicherung in Anpassung an die zunehmende Zahl sichern. geringer als in vielen anderen Ländern. älterer Menschen oder neue Formen des Hier spiegelt sich das in Deutschland tra- Zusammenlebens (z. B. im Bereich der Als einer der weltweit größten Versi- ditionell hohe Gewicht der staatlichen Assistance) eröffnen wichtige neue Auf- cherungsmärkte ist der deutsche Markt Sicherungssysteme für die Altersvor- gabenfelder für die Versicherer auf dem für viele ausländische Versicherer schon sorge wider. deutschen Markt. Gleichwohl werden allein aufgrund des Marktvolumens auf absehbare Zeit vorerst auch weiter- attraktiv. So zeigt eine Untersuchung Nach dem Zweiten Weltkrieg wies der hin nur vergleichsweise geringe Wachs- zu den Tätigkeitsländern internationa- deutsche Erstversicherungsmarkt im tumsraten erwartet. ler Versicherungsgruppen, dass diese Zuge des Wiederaufbaus der deutschen zu einem hohen Prozentsatz auch in Wirtschaft und des zunehmenden Die Rahmenbedingungen und Marktge- Deutschland aktiv sind.3 Darüber hinaus Wohlstands der Bevölkerung zunächst gebenheiten sind in Deutschland für die sehen viele ausländische Versicherer über viele Jahrzehnte hinweg kräf- Anbieter von Versicherungsschutz zu- in Deutschland auch in denjenigen Be- tige Wachstumsraten auf. In den letz- dem keineswegs einfach. Die deutschen reichen Chancen, in denen die Versiche- ten Jahren konnte allerdings nur noch Erstversicherungsmärkte sind durch ei- ein sehr moderates Wachstum der Ver- ne hohe Intensität des Wettbewerbs 3 Vgl. Outreville (2008). sicherungsbeiträge erzielt werden. Die verringerte Dynamik der Gesamtwirt- schaft und die zunehmende Markt- Versicherungsdurchdringung in Deutschland im inter- durchdringung im Bereich der Scha- nationalen Vergleich 2009 den- und Unfallversicherung, aber auch 16 die steigende Bedeutung von Abgän- Gesamt gen und Abläufen in der Personenversi- 14 Leben cherung aufgrund des Geschäftserfolgs 12 Nicht-Leben Beiträge in % des BIP der Versicherer in früheren Jahrzehnten 10 schlagen sich hier nieder. Wichtige fun- damentale Faktoren sprechen auch wei- 8 terhin für eine stabile Versicherungs- 6 nachfrage und nachhaltige Wachs- tumschancen auf dem deutschen Ver- 4 sicherungsmarkt. Neben der bisher im 2 internationalen Vergleich nur durch- 0 schnittlichen Versorgung der deut- Großbrit- Deutsch- Spanien Schweiz schen Bevölkerung mit Versicherungs- Austra- Nieder- tanien Italien Frank- Japan lande reich land USA lien schutz dürfte insbesondere die vor dem Hintergrund der demographischen Ent- Quelle: Swiss Re wicklung notwendige Neudefinition der
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