Griechenland aktuell Was wollen eigentlich die Griechen?
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Griechenland aktuell Was wollen eigentlich die Griechen? fragt sich der aufmerksame Beobachter der europäischen politischen Szene in den letzten Wochen oder gar Monaten. Nach einer scheinbaren Ruhe von fast zwei Jahren flammte das Thema „Griechenland“ auf den ersten Seiten der europäischen Presse wieder auf. Und in den besten Fernseh- Sendezeiten inklusive Hauptnachrichten wird die europäische Bevölkerung damit bombardiert. Trotz aller Informationen und Diskussionen bleibt eine Frage offen: Was wollen eigentlich die Griechen? Noch sind es sehr wenige politische Beobachter, die eine zweite Frage stellen: Was wollen eigentlich die Deutschen? Aber fangen wir mit den Griechen an … Mit Memorandum und Troika assoziiert die überwältigende Mehrheit der Griechen: massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit, massiven Verlust des erreichten materiellen Wohlstands, Armut und teilweise Verelendung Teile der Gesellschaft, Auswanderung der gut ausgebildeten Jugend … Diese Assoziation ist das Ergebnis der Unfähigkeit der gesamten griechischen politischen Kaste „Politik für das Land“ zu praktizieren. Seit der Gründung des griechischen Staates (1830) bis heute wird in Griechenland keine Politik in mittel- bzw. nordeuropäischem Sinn praktiziert. 400 Jahre osmanischer Herrschaftsstrukturen wurden auf „griechische Art“ fortgeführt. Das Feudalsystem ist im Laufe der Zeit in ein paternalistisches System mutiert; als Ergebnis der zeitgemäßen Produktionsmittelanforderungen. Diese Mutation erforderte keine mentale Veränderung beim einzelnen Individuum, sondern im Gegenteil unterstützte eine Zementierung der herkömmlichen Strukturen. Das demokratische System in Griechenland beschreibt die „Geschäftsbeziehung“ zwischen dem einzelnen Wähler und dem Politiker: „ich gebe Dir meine „Stimme“ und Du wirst für mich … erledigen“ Diese rein geschäftliche Abhängigkeit zwischen dem Wähler und dem Politiker befindet sich in einem Dauerzustand des Ungleichgewichts. Der einzelne Wähler stellt seine „Stimme“ dem bestens organisierten Wirtschafts- und Sozial- Netzwerk des jeweiligen Politikers gegenüber. Dadurch ist er der ewige Bittsteller mit dem entsprechend entwickelten Bewusstsein des Unterlegenen. Dieses Verhältnis erlebt jeder, der ein Abgeordnetenbüro betritt … Wenn ein Politiker in der Wahlkampfzeit etwas verspricht, hat dieses stets den Wert des persönlichen Versprechens. Das Wahlverhalten des jeweiligen Wählers wird deshalb in der Regel von seinem persönlichen Nutzen abgeleitet. Der kollektive Nutzen ist ihm unbekannt. Demokratie ist für den Griechen der gelegentliche Einsatz seiner „Stimme“ für einen Gegenwert seines persönlichen Vorteiles. Die Fähigkeiten der griechischen Politiker beruhen auf ihre Netzwerke und die daraus resultierenden Möglichkeiten, „ihre“ Wähler „persönlich“ zu bedienen.
Dafür bauen die Politiker die Abhängigkeitsfelder wie folgt auf: Sie sorgen für unzählige Gesetze, die ohne Politiker- Hilfe nicht erfüllt werden können. Hierbei ist unter Erfüllung auch die...... Gesetzesumgehung zu verstehen! Sie bauen unvorstellbare bürokratische Hürden auf, die ohne ihre Hilfe nicht überwunden werden können. Ein Nebenprodukt davon, aber mit einem besonderen Zusatznutzen, ist die Unterbringung der eigenen Klienten („Stimmen“geber) im Staatsdienst. Sie tradieren ihre Strukturen und sorgen damit um die Zukunftssicherung ihres familiären Umfeldes. Das ist der Grund, dass Familiennamen wie Karamanlis, Papandreou, Mitsotakis und etliche weitere permanent die politische Szene dominieren. Dieser Umgang befreit die politische Kaste von jeglichem Planungszwang. Die pubertierende griechische Gesellschaft kennt den Begriff der Planung nicht und deshalb stellt sie keine solche Forderungen an ihre Politiker. Deshalb gehört die Planungsfähigkeit nicht zum Berufsprofil des griechischen Politikers. Im Gegenteil, eine solche Eigenschaft wäre für die griechische Politik kontraproduktiv, weil Planung mit Ordnung und Verbindlichkeit zu tun hat und beides kontra-indiziert zur massenhaften Gesetzes- und Bürokratieproduktion (siehe oben) sind. Die fehlende Fähigkeit zu planen ist der Grund für Memorandum und Troika. Über diese Zusammenhänge könnten ganze Bücher geschrieben werden. Das ist nicht der Sinn des vorhandenen Informationsblattes, deshalb hier nur einige Sätze, die eher den Charakter von Überschriften haben: Wie allgemein bekannt, führte die faktische Insolvenz des griechischen Staates im Jahr 2010 ihn außerhalb der Märkte. Seine weitere Finanzierung durch den IWF und die europäischen Staaten wurde mit vereinbarten Konditionen verknüpft, mit dem eigentlichen Ziel den Weg zurück zu den Märkten wieder zu öffnen. Diese vereinbarten Konditionen wurden Memorandum genannt und ihre Überwachung wurde von den drei offiziellen kreditgebenden Institutionen – Troika genannt – übernommen. Die Realisierung der quantitativen Ziele sollte durch Reformen erfolgen. Diese wurden mit der griechischen Regierung vereinbart. Notwendige negative Auswirkungen auf den Alltag der Bevölkerung waren vorprogrammiert. Deshalb wurden diese Reformen widerwillig, sehr schleppend und mit vielen Tricks (nicht) durchgeführt. Natürlich wurde so gut wie nichts umgesetzt. Nach innen machte die politische Kaste das Memorandum und seine „Überwacher“ (Troika) für alle Schmerzen verantwortlich und nach außen wurden Scheingesetze verabschiedet, die nie zum Tragen kamen. Je weniger die Vereinbarungen im Laufe der Zeit umgesetzt wurden, desto mehr Maßnahmen mit den entsprechenden Ergebnissen (wie Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Armut) wurden ergriffen und demzufolge wurden das Memorandum und die Troika dafür verantwortlich gemacht. Das Ergebnis war: Hass! So wuchs allmählich eine „Anti-Memorandum“ und „Anti-Troika“- Bewegung, die in der Zeit nach der Wahl für das EU-Parlament (Mai 2014) deutlich sichtbar und für die Regierungsparteien bedrohlich wurde. Das war die Chance für die Oppositionsparteien! Mit den absurdesten Aussagen, die ein Mensch sich vorstellen kann, kamen diese Parteien Woche für Woche und Monat für Monat näher an ihr Ziel: die Regierungsbank. Ihre Aussagen: „Wir werden das Memorandum einen Tag nach dem Wahlsieg im Vorhof des Parlaments zerreißen und die Troika verjagen“, „Wir werden den Mindestlohn auf die Höhe der Vorkrisenzeit wiederherstellen“, „300.000 Haushalte in Geldnot werden wir von den Stromkosten befreien“ und eine Reihe weiterer Versprechen zogen magnetisch alle bisherigen Verlierer mit nur einem Gedanken an : „Wer weiß, vielleicht … . und außerdem was haben wir noch zu verlieren?“
Die Besonnenen fragten immer: „Wie wollt ihr das finanzieren?“ Die Befragten hatten niemals darauf eine Antwort. Am 25. Januar dieses Jahres fand der Wechsel statt. Über den Umgang und die Sprüche der Neu-Regierenden wurde täglich europaweit berichtet. Und alle Beobachter dachten: Na ja, jetzt kommt die Stunde der Wahrheit. Mal sehen was passieren wird, wenn … Zwischenergebnisse Die Staatskasse ist sehr … übersichtlich. Die Gehälter der Staatsbediensteten und die Renten sollen weiterhin bezahlt werden. Ab März sind beträchtliche Summen an die Kreditgeber fällig. Die Unfähigkeit der Bedienung dieser Kredite wäre mit der offiziellen Insolvenz gleich zu setzen. In der Zeit der Opposition rief SYRIZA die Bürger zum Zahlungsboykott auf. Die Bürger taten dies und hörten bis heute nicht auf, dem Staat die Steuern und Abgaben zu verweigern. Würde die Regierung unter diesen Umständen ihre Wahlkampfversprechen einhalten? Kaum jemand glaubte dies. Die „europäischen Partner“ wollten weiterhin helfen unter der Voraussetzung, dass die Regierung das verhasste Memorandum verlängert … statt es zu zerreißen. Die vorläufigen Ergebnisse sind: Das „Memorandum“ wurde in „Vereinbarung“ und die „Troika“ in „Institutionen“ umbenannt und als „Sieg gegen Deutschland“ von der griechischen Regierung gefeiert. Die Vereinbarung sollte mit konkreten Zahlen aus Griechenland untermauert werden, stattdessen wurden 7 Seiten Prosa verschickt, die von den „europäischen Partnern“ als ausreichend akzeptiert werden. Diese Vereinbarung wurden letzte Woche vom Deutschen Bundestag mit großer Mehrheit bestätigt, während gleichzeitig der griechische Wirtschaftsminister in einem Interview im griechischen Fernsehen verkündete, dass ebendiese Vereinbarung zusammen mit den europäischen Partnern „extra unbestimmt formuliert wurde, damit die Zustimmung der Abgeordneten der Parlamente des Euroraumes erleichtert und in Griechenland auf der Basis der Vorwahlaussagen interpretiert wird“. Bemerkenswert ist, dass diese Aussagen vor der Bestätigung im deutschen Bundestag bekannt wurden und dass trotzdem die deutschen Abgeordneten „ja“ dazu sagten. Für die Antwort auf die eingangs gestellte Frage ist die Kenntnis folgender Fakten hilfreich: Zwischen 1981 (EG Beitritt) und 2010 (offizielle Staatsinsolvenz) erhielt Griechenland im Rahmen diverser europäischer Programme als Nettozuwendungen 225 Milliarden Euro (umgerechnet an den Währungswert von 2011). Das erhaltene Kreditvolumen betrug für den gleichen Zeitraum weitere 230 Milliarden Euro. 1980 war Griechenland zu 70% autark in Bezug auf die verbrauchten Lebensmittel. 2010 betrug die Autarkie 30%. Die nahezu bedingungslose Kapitaleinfuhr blähte den Staatsdienst auf, das Industrieproduktions- Volumen nahm stetig ab und der Löwenanteil dieser gigantischen Summen wurde konsumiert, statt investiert. In diesen fast 30 Jahren veränderte sich das Verhältnis der Gesellschaft zu der Produktivität, so dass heute darunter fast ausschließlich der Konsum verstanden wird (siehe frühere Ausgaben). An den obigen Darstellungen kann man relativ leicht erkennen, dass die Griechen eigentlich den Weg der letzten 30 Jahren allzu gern fortführen würden.
Deshalb gibt es zwei Pläne: A) Die tiefe Überzeugung des größeren Anteils der Regierungsparteien, dass die Euro-Länder auf keinen Fall auf Griechenland verzichten können, gepaart mit dem pubertierenden Übermut sowohl der Politiker als auch einer Mehrheit der Bevölkerung, veranlasst diese zu Aktivitäten wie: synchrone widersprüchliche Aussagen, einseitige gesetzgeberische Maßnahmen, die die kürzlich getroffenen Vereinbarungen missachten, provokative Aussagen: „alle Verhandlungspartner wählten „bewusst unkonkrete Formulierungen“ in der Vereinbarung, damit diese die Parlamentarier der Kreditgeber zufrieden stellen und der griechischen Politik ein Maximum an Flexibilität gewähren …“ (J. Varoufakis) Die eigentliche Basis dieses Vorgehens ist Erpressung: „Der Euro-Raum kann auf keinen Fall auf uns verzichten, weil das Ausscheiden Griechenlands eine Katastrophe für alle wäre. Deshalb werden sie unsere Bedingungen immer akzeptieren!“ (A.Tsipras) Bisher haben sie keinen Anlass anzunehmen, dass ihre Strategie falsch ist. Für den Fall, dass sie sich dabei verrechnen, gibt es den Plan B) der relativ starken Drachmen-Gruppe unter der ideologischen Führung des Energie- und Umweltministers Herrn Lafazanis und der währungspolitischen Führung des Herrn Lapavitsas (SYRIZA-Abgeordneter und Wirtschaftsprofessor in der SOAS, University of London). Das wichtigste Problem der Regierungsparteien ist, dass ihre grundsätzliche Drachmen-Position mit dem Wunsch der Mehrheit der griechischen Bevölkerung kollidiert. Eine richtige taktische Maßnahme könnte sein, dass nur ein Grexit mit Unterstützung dieser Mehrheit ohne Schaden für die Regierungsparteien erfolgen kann. Deshalb wird mit dem Plan A signalisiert: „Wir tun alles, um in dem Euro-Raum zu bleiben, aber wir wollen auch unsere „Würde“ behalten“ und wenn das nicht gelingen sollte, dann soll die Bevölkerung mit einem Referendum (oder Neuwahlen) ihr Plazet für den Grexit geben. Dieser Auftrag kann dann ausgeführt werden ohne politische Kosten. Diese Kosten sollen die Deutschen tragen müssen. Die Zeit wird knapp Im Jahr 2015 sollen Kredite in Höhe von 17 Milliarden Euro abgelöst werden. Hinzu kommen die von den Kreditgebern nicht genehmigten sozialen Zuwendungen wie: kostenloser Strom für 300.000 Haushalte, kostenlose Ernährung und Gesundheitsfürsorge für bedürftige Familien, 13. Monatsrente für Empfänger niedriger Renten etc. Die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des griechischen Staates und die griechische Weigerung der Kooperation mit den europäischen „Institutionen“ führte dazu, dass jeder Euro in diversen Kassen wie z.B. die Sozialversicherungskassen in Betracht kommt, damit eine kurzfristige Zahlungsunfähigkeit abgewendet wird. Wie in jedem privaten Haushalt so führt auch beim Staatshaushalt die Geldknappheit zu Zwietracht. Die Verantwortlichen dieser Kassen beurteilen mit Argwohn die oben ausgeführten Absichten des Herrn Varoufakis, Bankkontoinhaber reduzieren oder leeren ihre Konten (20 Milliarden in 2,5 Monaten) und immer mehr Stimmen fordern den Minister auf, in seinem Ministerium hart zu arbeiten, anstatt von Morgens bis Abends in Funk und Fernsehen seine Theorien weltweit kund zu tun. Parallel dazu verstößt Herr Lafazanis (Minister für Energie und Umwelt) nicht nur gegen die Vereinbarungen, indem er sich weigert, das staatliche Energieproduktionsunternehmen zu privatisieren, sondern in dem er, ohne Rücksprache im Kabinett, Gehaltserhöhungen bis 10% für eine der bestbezahlten Arbeitnehmergruppen Griechenlands, eben dieses Unternehmens, genehmigt. Das brachte Herrn Varoufakis ( er erfuhr diesen Sachverhalt während eines Interviews von seinem Interviewpartner ) und ebenfalls sowohl die Arbeitnehmer in der privaten Wirtschaft als auch die Arbeitslosen auf die Palme. Die Polyphonie wandelt sich zunehmend in Kakophonie. Dadurch befürchten immer mehr Euro-freundliche Wähler einen Grexit durch einen möglichen Unfall und immer mehr Drachmenanhänger, dass der Grexit chaotisch (und mit den entsprechenden negativen Konsequenzen) stattfinden könnte.
So lebt die Mehrheit der griechischen Bevölkerung in einem emotionalen Spannungsfeld: Furcht über das, was morgen kommen könnte und Stolz über die wiedererlangte … Würde! Was wollen die Deutschen? Diese bisher (in Deutschland) nicht offen gestellte Frage ist ein Produkt des ambivalenten Verhaltens der deutschen Politik. Sie wird sehr oft in Griechenland gestellt von: denjenigen, die jedesmal hoffen, dass die (deutschen) Ankündigungen endlich realisiert werden, damit dieses unwürdige Spiel ein Ende hat und doch immer wieder durch die (deutschen) Taten enttäuscht werden, den Verschwörungs-Theoretikern, die einen Plan der hegemonialen deutschen Politik zur Unterwerfung der europäischen Völker entdeckt zu haben wissen. Zu der ersten Gruppe gehören auch die deutschen Bürger, die teilweise seit dem Anfang der „Griechenland-Krise“ eine konsequente Einhaltung von Gesetzen und Vereinbarungen wünschen und immer wieder enttäuscht werden. Die unsäglichen Beleidigungen seitens der jetzigen Regierungsmitglieder gerichtet sowohl gegen deutsche Politiker als auch gegen die „Deutschen“ insgesamt sind nicht nur eine alltägliche Provokation, sondern zerstören das gesamte Vertrauen, welches in der Nachkriegszeit aufgebaut wurde. Diese griechischen Politiker sind nicht allein. Sie sind bloß das Sprachrohr einer antideutschen europäischen Bewegung, die vor einigen Jahren bedeutungslos war und in der Zwischenzeit ständig wächst. Was wollen eigentlich die deutschen Politiker? Warum nehmen sie nach außen alles stoisch hin und sind zu ihrer eigenen Bevölkerung stets unaufrichtig? Ist es ihr fast pathologischer Euroenthusiasmus, der sie so blind macht oder wissen sie etwas, was wir nicht wissen und sie uns nicht mitteilen (wollen)? 4. März 2015 Georg Kalos georg.kalos@gmail.com
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