Im Interview: Staatssekretär Wolfgang Schmidt - Bundesfinanzministerium
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Coronahilfen BMF-Monatsbericht Februar 2021 Schlaglicht Wolfgang Schmidt (Archivbild) © Bundesministerium der Finanzen/photothek Im Interview: Staatssekretär Wolfgang Schmidt Die Auswirkungen der Coro- Kolleginnen und Kollegen im BMF versuchen wir, na-Pandemie sind deutlich zu helfen, wo wir können. Ansonsten geht es mir genauso wie den meisten: Die Haare wachsen und spürbar. Schulen, Kitas und mir fehlt das sonntägliche Kicken mit Freunden Restaurants wurden geschlos- ebenso wie der Besuch im Fußballstadion oder ei- sen, Konzerte und kulturelle nes Konzerts. Veranstaltungen abgesagt. Wie Das sind aber doch eher Luxusprobleme, wenn wir gehen Sie im Alltag damit um? an die Situation der Künstlerinnen und Künstler selbst denken. Die Pandemie verdeutlicht, welchen Mich bewegen vor allem die vielen Briefe und Stellenwert Kunst und Kultur für unser Zusam- E-Mails, die jeden Tag hier im Ministerium ein- menleben haben. Deshalb sind wir im Finanzmi- gehen. Da schreiben Beschäftigte, Selbstständige, nisterium in einem ständigen Austausch mit der Künstlerinnen und Künstler sowie Unternehmen Kulturbranche. Und deshalb hat sich Bundesfi- und die Verbände und berichten, wie schwierig die nanzminister Olaf Scholz stark dafür eingesetzt, Lage ist. Ich bemühe mich, möglichst viele Schrei- dass wir spezielle Förderprogramme für die Kul- ben zu lesen. Dadurch bekommen wir ein gutes Bild tur und die Veranstaltungswirtschaft auf die Beine davon, wo der Schuh drückt. Gemeinsam mit den stellen. Es ist für unsere Gesellschaft wichtig, dass 19
Coronahilfen BMF-Monatsbericht Im Interview: Staatssekretär Wolfgang Schmidt Februar 2021 es diese großartige kulturelle Vielfalt auch nach der schnell gehen. Anträge können auch für die Über- Pandemie noch gibt. brückungshilfe III gestellt werden und die ersten Abschlagszahlungen fließen. Es gibt auch Kritik an den Bei den Programmen, die nicht neu entwickelt wirtschaftlichen Unter werden mussten, geht es zum Glück schneller. Die Kurzarbeit ist sicher eine der wichtigsten Kri- stützungsmaßnahmen der senmaßnahmen. Das war schon in der Finanz- Bundesregierung. Sie seien krise 2008/2009 so, als Olaf Scholz zuständiger Ar- nicht ausreichend und kämen beitsminister war und das Kurzarbeitergeld als zu spät. Was sagen Sie dazu? Instrument zur Krisenbewältigung ausgeweitet hat. Jetzt war es bei der Corona-Bewältigung so- Als wir vor ungefähr einem Jahr die ersten Krisen- fort verfügbar und hat Millionen Arbeitsplätze ge- maßnahmen vorbereitet haben, war das Credo des sichert. Im April 2020 waren 6 Millionen Beschäf- Finanzministers: Ich will, dass möglichst alle gut tigte in Kurzarbeit. Kurzarbeit hat sofort geholfen. durch die Krise kommen. In der Praxis bedeutete Und auch die vielen steuerlichen Hilfen – wie z. B. dies, dass wir unsere Hilfsangebote ständig ausge- die Möglichkeit, fällige Steuerzahlungen aufzu- weitet und an die jeweiligen Umstände und Ein- schieben oder Verluste mit schon gezahlter Steuer schränkungen angepasst haben. Denn für diese zu verrechnen – haben sehr schnell gewirkt. Krise gibt es kein Drehbuch und es lagen keine fer- tigen Konzepte in der Schublade. Gleichzeitig ver- Und bei aller Kritik, die es an den Hilfen gibt: Im ändert sich die Pandemie und macht immer wie- europäischen wie internationalen Vergleich sieht der neue Schließungen notwendig. Wir versuchen, es in Deutschland ziemlich gut aus. Ich denke, dass die Hilfen entsprechend zu justieren. Daher gab viele Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger es – wie bei einem Softwareupdate – immer wie- ganz froh sind, in einem Land zu leben, in dem der der Verbesserungen, z. B. der Überbrückungshil- Staat reagiert und Unterstützung in diesem Um- fen. Inzwischen sind wir bei der Überbrückungs- fang mobilisiert. hilfe Nummer drei. Sie sieht zusätzliche Hilfen für diejenigen vor, die wirtschaftlich ganz besonders von der Pandemie betroffen sind, also für den Tou- Was ist für Sie das Kernstück rismus, die vielen Soloselbstständigen sowie die der Überbrückungshilfe III, die Künstlerinnen und Künstler und den Einzelhandel. jetzt gilt? Ich würde mir wünschen, dass das Geld sofort nach Programmstart auch zu den Betroffenen kommt. Im Kern geht es darum, Unternehmen und Selbst- In der Praxis ist das leider nicht so einfach: Da es ständigen bei ihren Kosten zu helfen, die jeden Mo- sich um staatliche Gelder für Unternehmen han- nat anfallen und die nicht veränderbar sind. Also delt, gilt das europäische Beihilferecht und muss die Fixkosten. Die Inhaberin eines Friseursalons hat beachtet werden. Und obwohl es sich um ein Bun- nicht nur das Problem, dass sie derzeit keine Ein- desprogramm handelt, muss das Bundeswirt- nahmen erzielen kann. Gleichzeitig hat die Salon- schaftsministerium (BMWi) die Bedingungen mit besitzerin ja trotzdem Ausgaben für ihr Geschäft, den Wirtschaftsministerien der 16 Länder koordi- etwa für Miete oder Versicherungen. Hier hel- nieren und entsprechende Vereinbarungen schlie- fen wir mit der Überbrückungshilfe, indem wir ei- ßen. Und schließlich musste die IT-Plattform von nen Großteil dieser Fixkosten erstatten. Die Höhe einem Dienstleister des BMWi programmiert wer- richtet sich nach dem Umsatzrückgang, also wie den. Das alles hat länger gedauert. Länger, als wir stark jemand wirtschaftlich von den nötigen Ein- alle uns das gewünscht hätten. Nun sollte es aber schränkungen betroffen ist. Der maximale Betrag 20
Coronahilfen BMF-Monatsbericht Im Interview: Staatssekretär Wolfgang Schmidt Februar 2021 sind 1,5 Mio. € im Monat. Dabei gehen wir auch auf Verbänden wie Handwerkskammern, Steuerbera- die Sondersituation bestimmter Branchen ein, wie tungsbüros und Kulturverbänden zusammen. Das Einzelhandel und Tourismuswirtschaft. Und auch ist sehr wichtig, denn die Verbände sind oft die ge- den vielen Soloselbstständigen helfen wir mit der übten Ansprechpartner für die Unternehmen und Überbrückungshilfe. Viele von ihnen können kaum Selbstständigen. Mein Eindruck ist, dass das gut Schlaglicht Fixkosten geltend machen, weil sie z. B. kein eige- klappt. Ich bin für diese Zusammenarbeit und den nes Büro oder Studio haben. Deshalb bieten wir ih- Austausch sehr dankbar. Ich hoffe, das hält auch nen mit der „Neustarthilfe“ einen Zuschuss von bis nach der Pandemie an. zu 7.500 €, der nicht zurückgezahlt werden muss und auch auf andere staatliche Leistungen nicht angerechnet wird. Anträge für die Neustarthilfe Was gibt Ihnen Kraft und können seit kurzem gestellt werden. Zuversicht, dass Deutschland Ansonsten empfehle ich einen Blick in die- diese schwierige Situation gut sen Monatsbericht. Im Schlaglichtartikel fin- meistern wird? det sich ein Überblick über die Einzelheiten der Überbrückungshilfe. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger steht hinter den Maßnahmen, die Bund und Länder ge- meinsam beschlossen haben. Und das, obwohl die Wie behalten Sie den Über Einschränkungen z. B. für Eltern und Kinder eine blick über die verschiedenen enorme Belastung darstellen. Ich bin beeindruckt davon, wie solidarisch sich alle in der Pandemie Hilfsprogramme und zeigen. Auch das sehen wir z. B. in den Umfragen: Bedingungen seit März 2020? Die meisten Bürgerinnen und Bürger machen sich mehr Sorgen darum, ihre Familie, Kolleginnen oder (lacht) Also das können die Bürgerinnen und Bür- Freunde anzustecken als darum, selbst angesteckt ger schon erwarten, dass die Zuständigen in der zu werden. Bundesregierung einen Überblick über die Hilfen haben. Fast alle Instrumente hat das BMF ja eng Dass die Infektionszahlen derzeit wieder runterge- mit verhandelt, viele auch selbst konzipiert. Aber hen, liegt daran, dass sich die meisten an die Regeln es stimmt, seit vergangenem Jahr hat die Bundes- halten. Das ist ein gemeinsamer Erfolg. Ein Erfolg, regierung sehr viele Hilfsangebote in ganz unter- um den wir allerdings jeden Tag kämpfen müs- schiedlichen Politikbereichen bereitgestellt: vom sen. Die Mutationen des Virus zeigen es noch ein- vereinfachten Zugang zur Grundsicherung über mal deutlich: Wir sind noch nicht über den Berg. Änderungen im Insolvenzrecht bis zu den vielen Aber zusammen mit den fortschreitenden Impfun- steuerlichen und direkten Finanzhilfen. Wenn es gen bin ich zuversichtlich, dass wir die Pandemie um Spezialfragen geht, haben wir zum Glück im Fi- in diesem Jahr entscheidend zurückdrängen kön- nanzministerium viele Kolleginnen und Kollegen, nen. Wir alle wollen eine Perspektive und die mög- die mit unglaublicher Energie an den Hilfsinstru- lichen Schritte hin zur Normalität kennen. Die ers- menten arbeiten und die alle Details kennen. ten Schritte dahin haben Bund und Länder bei ihrem letzten Zusammentreffen vereinbart, indem Wichtig ist aber vor allem, dass die Unternehmen, etwa für die Schulen festgelegt wurde, dass die Län- Beschäftigten und Selbstständigen wissen, welche der sie Schritt für Schritt je nach Lage vor Ort öff- Unterstützung ihnen zur Verfügung steht. Deshalb nen sollen. geben wir uns in der Bundesregierung große Mühe, all die Informationen gut darzustellen, z. B. auf un- Und auch ökonomisch gesehen bin ich zuversicht- seren Internetseiten. Und wir arbeiten eng mit den lich, dass wir aus dieser Krise stark herauswachsen. 21
Coronahilfen BMF-Monatsbericht Im Interview: Staatssekretär Wolfgang Schmidt Februar 2021 Das Wirtschaftswachstum ist im vergangenen Jahr Gerechtigkeitsempfinden und die Akzeptanz unse- deutlich weniger eingebrochen als von den For- res Steuersystems. schungsinstituten im Sommer vorhergesagt. Auch die Arbeitslosigkeit ist dank Kurzarbeit nur mini- Die Erfahrung der Pandemie hat vielen Bürgerin- mal gestiegen. Daran zeigt sich, dass unsere Kri- nen und Bürgern außerdem deutlich gemacht, wie seninstrumente und auch das Konjunkturpaket gut wichtig ein gut funktionierender Staat ist. Ein na- gewirkt haben. Wir haben dafür richtig viel Geld in heliegendes Beispiel ist natürlich die Gesundheits- die Hand genommen. Und wir können es uns leis- versorgung. Ein anderes Beispiel sind Arbeitsplätze. ten – wir haben die finanzielle Kraft. Dafür geben Ohne umfangreiche staatliche Hilfe hätten in uns internationale Organisationen wie der Inter- Deutschland Millionen Beschäftigte ihren Job ver- nationale Währungsfonds und die Organisation für loren. Da reicht ein Blick in andere Staaten, um sich wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) sehr gute dessen bewusst zu werden. Noten. Wirtschaftlich erhoffe ich mir einen echten Mo- dernisierungsschub durch die Pandemiebewälti- Wir möchten mit Ihnen gung. Digitale Anwendungen spielen in der Bewäl- einen Ausblick wagen: tigung der Krise eine große Rolle und werden nun viel mehr genutzt als zuvor. Das betrifft ja fast alle Was denken Sie, wie wird Lebensbereiche. Besonders dringend ist es im Bil- Corona Deutschland dungsbereich. Hier hat der Bund schon vor der Pan- verändern; wirtschaftlich und demie Investitionsprogramme aufgelegt, damit die gesellschaftlich? Schulen Anschluss an das digitale Zeitalter bekom- men. Wir müssen unsere Wirtschaft aber nicht nur Ich finde das derzeit, mitten in der Pandemie, sehr digitalisieren, sondern auch dekarbonisieren. Des- schwer vorhersehbar. Ich hoffe darauf, dass die Er- wegen enthält das Konjunkturpaket über die Mittel fahrung der gegenseitigen Rücksichtnahme und zur Pandemiebekämpfung hinaus auch 50 Milliar- Solidarität auch nach der Krise anhält. Denn wir se- den Euro für Investitionen in den Klimaschutz und hen ja weltweit, zu welchen schlimmen Ereignissen in die Digitalisierung. und Krisen es führt, wenn Gesellschaften gespalten sind. Selbst in Ländern, in denen wir das für nicht Gespannt bin ich darauf, wie stark sich unser beruf- möglich gehalten hätten. Gesellschaftlicher Zu- licher Alltag ändern wird. Mein Eindruck ist, dass sammenhalt hat auch viel mit der Verteilung von viele Beschäftigte, deren Tätigkeit Homeoffice zu- Einkommen und Vermögen zu tun. Deshalb zie- lässt, die damit verbundene Flexibilität – bei allen len unsere Krisenmaßnahmen darauf, Beschäfti- Schwierigkeiten – auch schätzen gelernt haben. Ich gung und Einkommen zu stabilisieren. Bisher ge- merke das auch bei mir: Wenn wir z. B. wieder mal lingt es uns ganz gut. Es wäre gefährlich, wenn am Wochenende zusammenkommen müssen, um die Pandemie als ökonomischer Spaltpilz wirkt. die nächste Ministerpräsidentenkonferenz vorzu- Ich glaube, dass die Krisenerfahrung dazu führt, bereiten, ist es schon ganz angenehm, das im eige- dass eine gerechte Steuerpolitik für die Bürgerin- nen Wohnzimmer machen zu können und nicht nen und Bürger noch stärker auf der Agenda steht. ins Ministerium fahren zu müssen. Und vielleicht Etwa mit Blick auf die großen Digitalkonzerne, die führt die Erfahrung des vergangenen Jahres dazu, ja zu den wenigen wirtschaftlichen Gewinnern der dass nicht mehr für ein zweistündiges Meeting ins Pandemie gehören. Olaf Scholz arbeitet daran, bis Flugzeug gestiegen wird. Das wäre ja auch ein Bei- zum Sommer im Kreis der OECD zu einer Einigung trag für mehr Klimaschutz. zu kommen, dass Digitalunternehmen zukünftig überall ihren fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Das ist auch wichtig für das 22
Coronahilfen BMF-Monatsbericht Im Interview: Staatssekretär Wolfgang Schmidt Februar 2021 Zum Abschluss: Worauf freuen Unterricht in der Schule stattfindet. Wir sehen ja, Sie sich ganz persönlich am wie sehr die Einschränkungen sie treffen. Für mich meisten nach dem Ende der persönlich wünsche ich mir, dass das Leben wie- der unbeschwerter wird: Treffen mit Freunden, Pandemie? Fußballspielen, Essen im Restaurant oder Konzert- Schlaglicht besuche. All diese kleinen normalen Freuden des Wie viel Platz haben wir (lacht)? Ich denke, dass Alltags. Darauf freue ich mich sehr. Und ich hätte sich meine Wünsche nicht so sehr von denen der auch nichts dagegen, wenn nach der Krisenbewäl- meisten Bürgerinnen und Bürger unterscheiden. tigung die Arbeitstage wieder etwas kürzer würden. Weit oben steht für mich als Vater, dass die Kinder Das wünsche ich vor allem den engagierten Kolle- schnell wieder zu einem normalen Leben zurück- ginnen und Kollegen hier im BMF und überall im kehren können – ihre Freundinnen und Freunde Land, wo derzeit sehr viel gearbeitet wird. treffen können, Sport machen dürfen und der Wolfgang Schmidt © Bundesministerium der Finanzen/photothek 23
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