"BEKÄMPFUNGSSTRAFRECHT" AUßER RAND UND BAND - ZUR UNVERHÄLTNISMÄßIGEN REFORM DES GELDWÄSCHETATBESTANDS - KRIPOZ
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KriPoZ 3 | 2021 151 „Bekämpfungsstrafrecht“ außer Rand und Band – Zur unverhältnismäßigen Reform des Geldwäschetatbestands von Prof. Dr. Anja Schiemann* Abstract Die Änderungen haben den Straftatbestand nicht nur im- Der Geldwäschetatbestand ist die am häufigsten geän- mer unübersichtlicher gemacht, er entfernte sich auch im- derte Vorschrift des StGB. Seit seiner Einführung im Jahr mer mehr von seiner eigentlichen Zielsetzung, Organi- 1992 reiht sich eine Reform an die andere, häufig initiiert sierte Kriminalität wirksam und effektiv zu bekämpfen. durch umzusetzende EU-Richtlinien. Auch die neue Re- form ist der überfälligen Umsetzung der EU-Richtlinie Denn das Gegenteil ist der Fall. Eine empirische Studie 2018/1673 geschuldet, geht aber weit über das erforder- ergab, dass der Geldwäschestraftatbestand nur einen sehr liche Maß an Änderungen hinaus und führt zu einer un- kleinen Ausschnitt des gesamten Spektrums der verschie- verhältnismäßigen Verschärfung mit weitreichenden denen Erscheinungsformen der Geldwäsche erfasst.7 Da Konsequenzen in der Praxis. Das Gesetz zur Verbesse- die Strafverfahren häufig gegen Kleinkriminelle weit un- rung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche ist terhalb der relevanten Strukturen geführt werden, sieht am 18.3.2021 in Kraft getreten. Fischer das mit dem Straftatbestand verfolgten Konzept einer Verminderung der Organisierten Kriminalität als ge- The money laundering law has been the most frequently scheitert an.8 amended provision of the StGB. Since its introduction in 1992, one reform has been followed by another, which is Der Geldwäschetatbestand war schon vor seiner jetzigen often prompted by EU directives that needed to be imple- Neufassung mit 9 Absätzen zum unübersichtlichen mented. The new reform is also attributable to the overdue „Monstrum“ angewachsen9 und von Jahn zu Recht als en- implementation of EU Directive 2018/1673. However, it fant terrible des Strafgesetzbuchs bezeichnet worden.10 goes far beyond the required level of change and leads to Die Neufassung hat dies nicht besser gemacht, vielmehr a disproportionate tightening of the law with far-reaching ist der Straftatbestand wieder auf 10 Absätze angewach- consequences in practice. The Improvement to Combat sen und stellt mit 848 Worten hinsichtlich seines Umfangs Money Laundering under Criminal Law Act came into den „Negativrekord im geltenden materiellen Strafrecht“ force on March 18th, 2021. dar.11 I. Metamorphose eines Straftatbestands Diese Neufassung und Neustrukturierung des Geldwä- § 261 StGB ist erst durch das OrgKG vom 15.7.1992 in schetatbestands sollte einer weiteren „Verbesserung“ der das StGB eingefügt worden und trat zwei Monate nach strafrechtlichen Geldwäsche dienen12 und stellt die we- seiner Verkündung in Kraft.1 Ziel des damaligen Gesetzes sentlichste und größte Änderung seit Einführung des war die wirksamere Bekämpfung der Organisierten Kri- Straftatbestands dar. Es ist nicht davon auszugehen, dass minalität und Abschöpfung deren Gewinne.2 Fischer das erklärte Ziel des Gesetzes, die Organisierte Krimina- nennt in seiner Kommentierung den Geldwäschetatbe- lität effektiver und erfolgreicher zu bekämpfen,13 erreicht stand als die am häufigsten geänderte Vorschrift des wird. Vielmehr ist durch die Streichung des Vortatenkata- StGB.3 Die Änderungen sind so vielfältig und unüber- logs viel „Beifang“ zu erwarten14 und die Erfassung von sichtlich, dass die Auffassung über deren Anzahl ausei- mittlerer Kriminalität und gar Bagatelldelikten könnte nanderklafft, Gazeas benennt 32 Änderungen in 29 Jah- schnell zu einer Überlastung der Strafverfolgungsbehör- ren,4 Gercke/Jahn/Paul sogar 345 und Altenhain kam bei den führen, wenn nicht eine großzügige Einstellungspra- seiner Zählung im Jahr 2017 auf 24 Änderungen.6 xis in solchen Fällen gelebt wird. 8 * Der Verfasserin ist Universitätsprofessorin und Fachgebietsleiterin Vgl. Fischer, StGB, § 261 Rn. 4c; ebenso Dietmeier, in: Matt/Ren- am Fachgebiet Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminalpolitik an zikowski, StGB, 2. Aufl. (2020), § 261 Rn. 4. 9 der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster. S. Michalke, in: FS Fischer, 2018, S. 449 (450). 10 1 S. BGBl. I 1992, S. 1302 (1312). Jahn/Ebner, JuS 2009, 597 (598); zustimmend bspw. Hecker, JuS 2 Vgl. BT-Drs. 12/989, S. 1; abrufbar unter: https://dipbt.bundes- 2020, 572 (573); Schindler, NZWiSt 2020, 457 (462). 11 tag.de/doc/btd/12/009/1200989.pdf (zuletzt abgerufen am So Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330. 12 13.5.2021). Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der 3 S. Fischer, StGB, 68. Aufl. (2021), § 261 Rn. 1. Geldwäsche, BGBl. I 2021, S. 327. 4 13 Gazeas, NJW 2021, 1041. S. Regierungsentwurf, S. 1; abrufbar unter: https://kripoz.de/wp- 5 S. Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330. content/uploads/2020/11/bt-drs-19-24180.pdf (zuletzt abgerufen 6 Vgl. Altenhain, in: NK-StGB, 5. Aufl. (2017), § 261 Rn. 1. am 13.5.2021). 7 14 S. Bussmann/Veljovic, NZWiSt 2020, 417 (422). So bereits Jahn, BT-Prot. 19/117, S. 10.
152 KriPoZ 3 | 2021 II. Die Neufassung des § 261 StGB StGB liegt, sondern in seiner Akzessorietät.23 Dies wird ebenfalls von polizeilicher Seite bestätigt. So wies Fiedler 1. Der Verzicht auf einen Vortatenkatalog zu Recht darauf hin, dass ein All-Crime-Ansatz nicht die Aufklärung komplexer Sachverhalte erleichtere, denn die Die weitreichendste Änderung – gar als Paradigmenwech- Anforderungen an die Konkretisierung der Vortat werden sel der Geldwäschebekämpfung bezeichnet15 – stellt die hierdurch nicht berührt. Hindernis sei insofern nicht die Abschaffung des bislang geltenden enumerativen Vor- Begrenzung der Strafbarkeit, sondern die Nachweis- tatenkatalogs dar. Nunmehr kommen prinzipiell alle De- schwierigkeit der kriminellen Quellen.24 likte als Geldwäschevortaten in Betracht. In der Tat war der Vortatenkatalog in der Vergangenheit stetig ange- Insofern liegt die Vermutung nahe, dass der Geldwäsche- wachsen und hätte auch nach den Vorgaben der EU-Richt- tatbestand auch nach seiner Neufassung keinen prakti- linie wieder ausgeweitet werden müssen. Daher hat sich schen Mehrwert hat, was das erklärte Ziel der Bekämp- der deutsche Gesetzgeber dazu entschlossen, den Vor- fung von Organisierter Kriminalität betrifft. Das andere tatenkatalog zu streichen und so nicht nur über die not- Ziel, die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche wendige Umsetzung der EU-Richtlinie, sondern auch dadurch zu verbessern, dass man den Straftatbestand über die Empfehlungen der Financial Action Task Force „deutlich häufiger als bisher“ greifen lässt,25 wird dagegen hinauszugehen.16 Dieser sog. „all-crimes-approach“ wird zweifellos erreicht. Sinnvoll ist das aber nicht. in der EU nur von fünf anderen Mitgliedstaaten verfolgt. Dieses „maximalpunitive Konzept“ ist kriminalpolitisch Denn schon die Studie von Bussmann hat gezeigt, dass verfehlt und wird zu einer massiven Ausweitung des Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche häufig einge- Strafbarkeitsrisikos und zu einer zunehmenden potentiel- stellt werden, da es keine verwertbaren Anhaltspunkte für len Kriminalisierung legaler Wirtschaftstätigkeit führen.17 die inkriminierte Herkunft des Geldes gibt. Ausnahme Gazeas zeigt mit seinen Beispielsfällen „Schokoladen- von dieser Regel bilden allein die Fälle von Finanz- und Fall, Schwarzfahrt-Fall und Eierdieb-Fall“ sehr plastisch Warenagenten, da die Geschädigten der Vortat sichtbar auf, dass der Verzicht auf den Vortatenkatalog primär zu sind. Rechtskräftige Verurteilungen betrafen demnach bei einer Fülle an Ermittlungs- und Strafverfahren im Bereich 669 zufällig ausgewählten Verfahrensakten in rund 99 % der Klein- und Bagatellkriminalität führen wird.18 Auch der Fälle Finanz- und Warenagenten bzw. faktisch als sol- der Gesetzgeber hat erkannt, dass die Ausweitung des che Handelnde.26 Dagegen hätten in den untersuchten Geldwäschetatbestands die Anzahl an Strafverfahren er- Verfahren bspw. Fälle von Transaktionen mit ungewöhn- höhen wird und dadurch Mehraufwand im justiziellen lich hohen Bargeldsummen oder aus stark korruptions- Kernbereich in nicht unbeträchtlichem Umfang zu erwar- und geldwäschebelasteten Ländern gefehlt. Neben dem ten ist.19 In der Gesetzesbegründung wird dieser Mehrauf- Problem der Akzessorietät des Geldwäschetatbestands, wand später weiter präzisiert und von schätzungsweise benennt Bussmann deutlich personell unterbesetzte und zu 20.000 zusätzlichen Verfahren ausgegangen.20 Das auch wenig spezialisierte Staatsanwaltschaften sowie Schwie- diesmal vom Gesetzgeber erklärte Ziel, durch diese Aus- rigkeiten bei der Durchführung internationaler Rechtshil- weitung insbesondere die Organisierte Kriminalität be- feersuchen als Hauptgründe.27 Diese Gründe fallen aber kämpfen zu wollen,21 wird wohl – wieder – nicht erreicht durch die Gesetzesreform nicht weg, sondern verstärken werden. sich im Hinblick auf fehlende Ressourcen bei den Straf- verfolgungsbehörden. Es bleibt abzuwarten, ob und wie Denn der Gesetzgeber schließt fälschlicher Weise von der Justiz, Polizei und FIU hier in angemessenem Umfang Ausweitung des Kreises der Vortaten auf sämtliche Straf- personell ausgestattet werden.28 taten auf eine Erleichterung der Beweisführung.22 Die Vortatenverknüpfung verlangt aber vom Gericht zweier- Gercke/Jahn/Paul halten den Verzicht eines Vortatenka- lei. Zum einen muss der Gegenstand einem hinreichend talogs und die dadurch bewirkte Verlagerung der Strafbar- konkret feststellbaren Tatgeschehen zugeordnet werden. keit in den Kreis der Massen- und Bagatellkriminalität für Zum anderen musste in einem nächsten Schritt dieses Ge- unverhältnismäßig. Der Verweis auf die prozessuale Ein- schehen unter einen Katalogtatbestand subsumiert wer- stellungsmöglichkeit greife zu kurz. Zumindest sei die den. Der erste Schritt der Zuordnung stellte und stellt in der Praxis das größte Problem dar. Dies ist ganz unabhän- gig davon, wie eng oder weit der Kreis der Vortaten gezo- gen wird. Auch die Geldwäschestudie von Bussmann kommt zu dem Ergebnis, dass das maßgebliche Problem nicht in einem zu lückenhaften Vortatenkatalog des § 261 15 23 S. Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330. So Bussmann/Veljovic, NZWiSt 2020, 417 (419). 16 24 Diese fordern eine Erfassung aller schwerwiegenden Straftaten, vgl. BDK-Stellungnahme, S. 2, abrufbar unter: https://kripoz.de/wp- FATF, International Standards On Combating Money Laundering content/uploads/2020/12/fiedler_bdk-data.pdf (zuletzt abgerufen And The Financing Of Terrorism & Proliferation, 2020, S. 12. am 14.5.2021). 17 25 So bereits Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (333); vgl. auch Ga- S. BT-Drs. 19/24810, S. 2. 26 zeas, NJW 2021, 1041 (1043). Vgl. Bussmann/Veljovic, NZWiSt 2020, 417 (418). 18 27 Vgl. Gazeas, NJW 2021, 1041 (1044). Vgl. Bussmann/Veljovic, NZWiSt 2020, 417 (419). 19 28 S. BT-Drs. 19/24180, S. 3 f. Zur Forderung nach mehr Personal vgl. auch Travers/Michaelis, 20 So BT-Drs. 19/24180, S. 25. NZWiSt 2021, 125 (130). Zur Belastung der Justiz Gazeas, NJW 21 Vgl. BT-Drs. 19/24180, S. 1. 2021, 1041 (1044); Hiéramente, jurisPR-StrafR 21/2020 Anm. 1. 22 S. BT-Drs. 19/24180, S. 2.
Schiemann – Reform des Geldwäschetatbestands KriPoZ 3 | 2021 153 Einführung einer dem § 248a StGB vergleichbaren Vor- 3. Tathandlungen schrift verfassungsrechtlich angezeigt gewesen.29 Sie for- dern daher eine restriktive Auslegung des gesamten Straf- Die Beschreibungen der Tathandlungen lehnen sich an die tatbestands der Geldwäsche.30 Dem ist uneingeschränkt bisherigen Formulierungen an, werden aber übersichtli- zuzustimmen. cher strukturiert sowie in Umsetzung der Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 lit. b EU-Richtlinie 2018/1673 fortgeschrie- 2. Tatobjekte ben. Leider hat der Gesetzgeber die Chance verpasst, die noch Der Begriff des Verbergens in § 261 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 im Referenten- und Regierungsentwurf vorgesehene Neu- StGB n.F. entspricht der wortgleichen Tatvariante des formulierung der geldwäschetauglichen Tatobjekte zu § 261 Abs. 1 S. 1 Var. 1 StGB a.F.37 Unter Verbergen ver- normieren und so die vielfach kritisierte Terminologie des steht man jede Tätigkeit, die durch eine unübliche örtliche „Herrührens“ aufzugeben. Die Grenzen des Herrührens Unterbringung oder eine den Gegenstand verdeckende waren schon im ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren Handlung den Zugang zum Gegenstand erschwert.38 bei Einführung des Geldwäschetatbestands unklar und auch der Rechtsprechung ist eine hinreichende Konkreti- Die Tathandlung des Vereitelns in § 261 Abs. 1 S. 1 Var. 3 sierung kaum gelungen.31 Vorgesehen war nach dem Re- StGB a.F. ist in § 261 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB verschoben ferenten- und Regierungsentwurf zunächst, Taterträge, worden. Nach der Reform des Vermögensabschöpfungs- Tatprodukte oder an deren Stelle getretene andere Vermö- rechts sieht der Gesetzgeber ein Bedürfnis für die Einbe- gensgegenstände zu erfassen.32 Die geldwäschetauglichen ziehung des Schutzes der „Sicherstellung“ neben der Vermögensgegenstände sollten so durch eine Anpassung „Einziehung“ nicht mehr.39 Folglich wird bestraft, wer ei- an die Terminologie des reformierten Vermögensab- nen aus einer rechtswidrigen Tat herrührenden Gegen- schöpfungsrechts modernisiert und durch die klare Struk- stand in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einzie- turierung ein vereinfachter Umgang mit dem Geldwäsche- hung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu verei- straftatbestand erreicht werden, ohne seinen Anwen- teln, umtauscht, überträgt oder verbirgt. Durch die Formu- dungsbereich einzuschränken.33 Die „last-minute-Ab- lierung handelt es sich bei dieser Variante um ein reines sage“34 an die begriffliche Anpassung an das Recht der Absichtsdelikt mit stark überschießender Innentendenz.40 Vermögensabschöpfung ist bedauerlich. Es bleibt dabei, Eine konkrete Gefährdung hält der Gesetzgeber für nicht dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrüh- erforderlich und bezeichnet die Variante des Vereitelns ren muss. als abstraktes Gefährdungsdelikt.41 Gefolgert werden kann dies aus der Streichung der Gefährdungsalternative Von § 261 Abs. 6 StGB a.F. in § 261 Abs. 1 S. 2 StGB des § 261 Abs. 1 S. 1 Var. 3 StGB a.F.42 Überzeugen kann n.F. verschoben wurde der straflose Zwischenerwerb. dies angesichts der Weite des neugefassten Straftatbe- Während aber im Regierungsentwurf noch vorgesehen stands nicht. Daher ist mit Gercke/Jahn/Paul und dem Ge- war, alle Tathandlungsvarianten vom Ausschlussgrund bot einer restriktiven Auslegung am Erfordernis einer des straflosen Vorerwerbs zu erfassen,35 ist auch dies im konkreten Eignung zur Gefährdung festzuhalten.43 Laufe des Gesetzgebungsverfahrens durch die Beschluss- empfehlung des Ausschusses36 zurückgenommen worden. In § 261 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 StGB n.F. werden die Der Ausschlussgrund ist inhaltlich unverändert auch nach Tathandlungen aus § 261 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB a.F. Neufassung lediglich hinsichtlich der in § 261 Abs. 1 S. 1 überführt. Die rein sprachlichen Korrekturen der Tathand- Nr. 3 und Nr. 4 StGB genannten Tatvarianten anwendbar. lungen des Verschaffens, Verwahrens oder Verwendens Aufgegeben wurde dagegen der Begriff der „Straftat“, der führen zu keinen inhaltlichen Änderungen.44 durch den Begriff der „rechtswidrigen Tat“ ersetzt wurde. Dieser ist in § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB legal definiert und Die Tathandlungen des Verschleierns oder Verheimli- umfasst solche Taten, die den Tatbestand eines Strafgeset- chens werden durch § 261 Abs. 2 StGB erfasst. Während zes verwirklichen. § 261 Abs. 1 Var. 2 StGB a.F. nur das Verschleiern als Tathandlung benannt hat, sieht der Gesetzgeber in Umset- zung von Art. 3 Abs. 1 lit. b EU-Richtlinie 2018/1673 die Aufnahme der Tathandlungsvariante des Verheimlichens 29 33 So Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (334); s. bereits WisteV, Stel- S. BT-Drs. 19/24180, S. 19. 34 lungnahme, S. 3, abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uplo- So Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (335). 35 ads/2020/09/090720_Stellungnahme_Wistev_RefE_Geldwaesche. Vgl. BT-Drs. 19/24180, S. 7. 36 pdf (zuletzt abgerufen am 14.5.2021); ein konkreter Formulierungs- S. BT-Drs. 19/26602, S. 2. 37 vorschlag findet sich bei Jahn, Stellungnahme, S. 18, abrufbar unter: Vgl. Referentenentwurf, S. 31. 38 https://kripoz.de/wp-content/uploads/2020/12/jahn-data.pdf (zu- S. Dietmeier, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. (2020), § 261 letzt abgerufen am 14.5.2021): „§§ 243 Abs. 2 und die §§ 247, Rn. 15; Ruhmannseder, in: BeckOK-StGB, § 261 Rn. 24; 248a gelten entsprechend.“ Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (336). 30 39 S. Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (334). Vgl. Referentenentwurf, S. 32. 31 40 S. Fischer, § 261 Rn. 7; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. S. Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (337). 41 (2018), § 261 Rn. 5; Ruhmannseder, in: BeckOK-StGB, 49. Ed. S. Referentenentwurf, S. 32. 42 (Stand: 1.2.2021), § 261 Rn. 15. So Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (337). 32 43 Referentenentwurf, S. 5, abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-con- S. Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (337); zum Erfordernis nach tent/uploads/2020/08/RefE_Geldwaesche_Bekaempfung.pdf (zu- alter Rechtslage vgl. statt vieler Fischer, § 261 Rn. 36. 44 letzt abgerufen am 15.5.2021); BT-Drs. 19/24180, S. 6. Vgl. Referentenentwurf, S. 33 f.
154 KriPoZ 3 | 2021 als erforderlich an.45 Eine inhaltliche Differenzierung a) Direkter Vorsatz und Strafverteidigerprivileg bleibt die Richtlinie allerdings schuldig, so dass davon auszugehen ist, das die beiden Alternativen synonym ge- Kodifiziert wurde nunmehr die Vorgabe des BVerfG vom braucht werden.46 19.11.2003, nach der § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F. nur dann mit dem Grundgesetz vereinbar war, wenn der Straf- 4. Auslandstaten verteidiger im Zeitpunkt der Annahme sichere Kenntnis von der inkriminierten Herkunft seines Honorars hatte.52 Absolut missglückt ist die Neuformulierung des § 261 § 261 Abs. 1 S. 3 StGB führt nun in den Fällen des Abs. 1 Abs. 9 StGB zu den Auslandstaten. Zwar können wie bis- Nr. 3 und Nr. 4 dazu, dass ausdrücklich direkter Vorsatz her im Ausland begangene Taten taugliche Vortaten einer für die besonders gefährdete Berufsgruppe der Strafver- strafbaren Geldwäsche sein. Allerdings wurde die durch- teidiger verlangt und das Strafverteidigerprivileg gesetz- gängige Verknüpfung an das Erfordernis der doppelten lich verankert wird. Ebenfalls ausgenommen ist der Straf- Strafbarkeit aufgegeben (so noch in § 261 Abs. 8 StGB verteidiger in diesen Fallvarianten von dem Leichtfertig- a.F.). Geschuldet ist dies der umzusetzenden EU-Richtli- keitstatbestand in § 261 Abs. 6 StGB. nie, die in Art. 3 Abs. 3 lit. c und Art. 4 zwingend fordert, auf das Prinzip der doppelten Strafbarkeit dann zu ver- Auch wenn diese gesetzliche Klarstellung zu begrüßen ist, zichten, wenn es sich bei der Auslandstat um eine Tat han- so ist doch die Begriffswahl und Eingrenzung auf „Straf- delt, die nach den in der Richtlinie aufgeführten Rechts- verteidiger“ zu kurz gegriffen. Der Terminus des Strafver- vorschriften der Europäischen Union mit Strafe zu bedro- teidigers findet sich in der StPO nicht, vielmehr sprechen hen ist. In diesen Fällen der bereits durch europarechtliche die Vorschriften insbesondere der §§ 137 ff. StPO vom Vorgaben als kriminelle Handlungen bezeichneten Taten Verteidiger und der Verteidigung. Mangels klarer Defini- bedarf es keiner zusätzlichen Feststellung, dass die Tat tion sind so Unsicherheiten im Zusammenhang mit der auch am Tatort mit Strafe bedroht ist.47 Zwar ist dem deut- Auslegung vorprogrammiert.53 Wird sich am Fachanwalt schen Gesetzgeber hier angesichts der klaren EU-Vorga- für Strafrecht oder an der materiellen Verteidigungstätig- ben kein Vorwurf zu machen, zumal Deutschland bereits keit orientiert? Und was ist mit Rechtslehrern an Hoch- in einer Erklärung zum Entwurf der Richtlinie Bedenken schulen gem. § 138 StPO? Der Wortlaut setzt hier zumin- gegen diese Durchbrechung des Prinzips doppelter Straf- dest insofern Grenzen, als eine Tätigkeit als Strafverteidi- barkeit angemeldet hatte.48 Allerdings führt die Neufas- ger eben keine als Notar, Insolvenzverwalter oder Syndi- sung in letzter Konsequenz dazu, dass in Drittstaaten, die kusanwalt ist.54 Auch bei zivilrechtlichen Mandaten, die dem EU-Recht nicht unterworfen sind, eine Strafbarkeit in einem untrennbaren sachlichen Zusammenhang mit ei- für Transaktionen auch dann im Raum steht, wenn diese nem geldwäscherelevanten Sachverhalt stehen oder bei im besagten Drittland legal erworben wurden.49 Mischkonstellationen wird eine Privilegierung nach dem klaren Wortlaut entfallen.55 Und dies, obwohl das BVerfG Hinzu kommt, dass in § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB lediglich ausdrücklich offengelassen hat, ob hier nicht auch eine die EU-Richtlinien und Rahmenbeschlüsse benannt wer- Privilegierung des zivilrechtlich tätigen Rechtsanwalts den, so dass sich die Strafbarkeit nicht von vornherein er- geboten ist.56 schließt und erst umständlich durch Nachschlagen in den einzelnen Vorschriften geklärt werden kann. Dies macht b) Leichtfertigkeitstatbestand diese Vorschrift nicht nur sehr unübersichtlich,50 sondern ist auch bedenklich, wenn man die Anforderung genau Nicht nachzuvollziehen ist ebenfalls, warum der Gesetz- nimmt, dass sich die Frage der Strafbarkeit aus dem Ge- geber bei der durch Streichung des Vortatenkatalogs be- setz selbst erschließen soll.51 wirkten extensiven Ausweitung des Geldwäschetatbe- stands an der Leichtfertigkeitsvariante festgehalten hat. 5. Subjektiver Tatbestand Dies ist umso bedauerlicher, als sich noch im Referenten- entwurf für eine Streichung des Leichtfertigkeitstatbe- Auch die Neufassung des § 261 StGB sieht eine Strafbar- stands mit der Begründung ausgesprochen wurde, dass keit sowohl bei vorsätzlicher als auch bei leichtfertiger „andernfalls der Tatbestand eine nahezu uferlose Anwen- Verkennung der Bemakelung des Tatgegenstands vor. dungsbreite erhielte… Gegenüber der künftig sehr weit- reichenden Vorsatzstrafbarkeit würde die Ausweitung der Strafbarkeit auf das leichtfertige Verkennen der rechtswidrigen Herkunft eines Gegenstands hingegen eine 45 52 S. Referentenentwurf, S. 35. Vgl. BVerfGE 110, 226 (245 ff.); ausdrücklich BT-Drs. 19/24180, 46 So bereits Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (337). S. 31 f. 47 53 S. Referentenentwurf, S. 34. Vgl. auch Gazeas, NJW 2021, 1041 (1045); Hiéramente, jurisPR- 48 Vgl. Interinstitutionelles Dossier: 2016/0414(COD), S. 2, abrufbar StrafR 21/2020 Anm. 1; Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (338). 54 unter: https://db.eurocrim.org/db/de/doc/3051.pdf (zuletzt abgeru- S. Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (338); Travers/Michaelis, fen am 15.5.2021). NZWiSt 2021, 125 (128). 49 55 So bereits Schröder/Blaue, NZWiSt 2019, 161 (164); Schindler, Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (338), schlagen hier eine erneute NZWiSt 2020, 457 (464). verfassungskonforme Auslegung für Berufsgruppen jenseits der 50 S. Travers/Michaelis, NZWiSt 2021, 125 (127). Strafverteidigung vor. Eine solche Auslegung würde jedoch die 51 Gazeas, NJW 2021, 1041 (1042). Wortlautgrenze überschreiten und wäre m.E. unzulässig. 56 Vgl. BVerfG, NJW 2015, 2949 (2953 f.).
Schiemann – Reform des Geldwäschetatbestands KriPoZ 3 | 2021 155 Kriminalisierung alltäglichen Verhaltens befürchten las- lich, dass der Gesetzgeber nicht an der noch im Referen- sen.“57 Auch die Gesetzesbegründung des Regierungsent- tenentwurf vorgesehenen Abschaffung der strafbefreien- wurfs, der die Leichtfertigkeitsstrafbarkeit wieder hat auf- den Selbstanzeige festgehalten hat.67 Nach wie vor wird leben lassen, erkennt diese erhebliche Ausweitung.58 Wa- die strafbefreiende Selbstanzeige nach dem ursprüngli- rum gleichwohl daran festgehalten wird, ergibt sich aus chen Vorbild des § 371 AO 1976 als persönlicher Straf- der Gesetzesbegründung dagegen nicht. Insofern ver- aufhebungsgrund ausgestaltet und insoweit in der Geset- schloss sich der Gesetzgeber auch den Stellungnahmen di- zesbegründung auf die bestehende Literatur und Recht- verser Sachverständiger in der Anhörung im Rechtsaus- sprechung verwiesen.68 schuss, die mehrheitlich Bedenken am Festhalten des Leichtfertigkeitstatbestands äußerten.59 Die Normierung 8. Qualifikationstatbestand eines Leichtfertigkeitstatbestand ist gerade in Verbindung mit dem Entfall des Vortatenkatalogs unverhältnismäßig Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b EU-Richtlinie 2018/1673 musste und damit verfassungswidrig.60 Gazeas hat zudem verfas- der deutsche Gesetzgeber erstmals einen Qualifikations- sungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das Schuld- tatbestand einführen, um geldwäscherechtlich Verpflich- prinzip und den Bestimmtheitsgrundsatz.61 tete gegenüber dem Grundtatbestand mit einer erhöhten Strafdrohung zu belegen. Der Qualifikationstatbestand Gercke/Jahn/Paul weisen zudem auf Unstimmigkeiten in des § 261 Abs. 4 StGB verweist insofern auf Verpflichtete Bezug auf die leichtfertige Begehung der Tatvarianten nach § 2 GwG und damit nicht nur bspw. auf Kreditinsti- § 261 Abs. 1 Nr. 1 und 2 als auch Abs. 2 StGB hin. Denn tute, Finanz- und Versicherungsunternehmen, sondern diese erfordern nach der Gesetzesbegründung eine mani- auch auf Notare, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und pulative Tendenz des Handelnden.62 Insofern sei die Steuerberater. Die Strafverteidigung von Rechtsanwälten „Leichtfertige Manipulativität … ein Oxymoron des fällt dagegen nicht unter das Geldwäschegesetz,69 so dass Geldwäschestrafrechts.“63 Daher bleibt zu hoffen, dass eine Kollision mit dem Strafverteidigerprivileg ausge- diese Inkompatibilität dazu führt, dass es keine Schnitt- schlossen ist.70 stellen im Anwendungsbereich gibt. 9. Strafzumessung 6. Vortatbeteiligung und Selbstgeldwäsche Der neue Grundtatbestand des § 261 StGB senkt die Min- Der in § 261 Abs. 9 S. 2 StGB a.F. enthaltene persönliche deststrafe von ursprünglich drei Monaten Freiheitsstrafe Strafausschließungsgrund der Vortatbeteiligung ist in auf eine Geldstrafe ab. Erforderlich war die Absenkung § 261 Abs. 7 StGB n.F. überführt worden. Insbesondere des Strafrahmens aufgrund der erheblichen Ausweitung wird auch an der 2015 eingefügten Rückausnahme und der Strafbarkeit durch Verzicht auf den selektiven Vor- dem Ausschluss der Straflosigkeit bei der sog. Selbstgeld- tatenkatalog. An dem erhöhten Mindeststrafrahmen wäsche festgehalten. Eine wegen Beteiligung an der Vor- wollte der Gesetzgeber daher nicht festhalten und durch tat strafbare Person kann danach wegen Geldwäsche be- die Herabsetzung auch die Tatsache berücksichtigen, straft werden, wenn sie zusätzliches Unrecht begeht, in- „dass künftig Straftaten als Geldwäschevortaten gelten dem sie den inkriminierten Gegenstand in den Verkehr sollen, die selbst eine geringere Strafandrohung haben.“71 bringt und dabei dessen Herkunft verschleiert.64 In der Ge- setzesbegründung wird lediglich auf die sprachliche Über- Der Qualifikationstatbestand der nach dem Geldwäsche- arbeitung verwiesen,65 die Systematik der Selbstgeldwä- gesetz besonders Verpflichteten überführt dagegen den sche sollte modifiziert und praxisfreundlicher gestaltet Strafrahmen von § 261 Abs. 1 StGB a.F. in § 261 Abs. 4 werden.66 StGB n.F., so dass hier an der Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren festgehalten wird. 7. Selbstanzeige Die Regelbeispiele des § 261 Abs. 4 StGB a.F. werden im Der neu gefasste Geldwäschestraftatbestand hält auch an Wortlaut übernommen und in § 261 Abs. 5 StGB n.F. ver- der bestehenden Möglichkeit der strafbefreienden Selbst- schoben. Die Strafschärfung der besonders schweren anzeige fest, die sich von § 261 Abs. 9 StGB a.F. in § 261 Fälle sieht nach wie vor eine Freiheitsstrafe von sechs Mo- Abs. 8 StGB n.F. verschiebt. Insofern ist es sehr erfreu- naten bis zu zehn Jahren vor. 57 67 S. Referentenentwurf, S. 19. Zur Kritik bspw. BRAK-Stellungnahme, Nr. 52/2021, S. 10, abruf- 58 So BT-Drs. 19/24180, S. 33. bar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2020/09/Stn_52-v.- 59 Vgl. insoweit die Nachw. bei Gazeas, NJW 2021, 1041 (1045) in 11.09.-RefE-eines-Gesetzes-zur-Verbesserung-der-strafrechtli- Fußn. 37. chen-Bekaempfung-der-Geldwaesche-Strauda.pdf (zuletzt abgeru- 60 So bereits Bülte, Stellungnahme, S. 29; abrufbar unter: https://kri- fen am 15.5.2021). 68 poz.de/wp-content/uploads/2020/12/buelte-data.pdf (zuletzt abge- S. BT-Drs. 19/24180, S. 34; vgl. Fischer, § 261 Rn. 75. 69 rufen am 15.5.2021). Vgl. Kaetzler, in: Zentes/Glaab, GwG, 2. Aufl. (2020), § 2 Rn. 148; 61 S. Gazeas, NJW 2021, 1041 (1045). Berndt/Müller/Hümmrich-Welt, in: Volk/Beukelmann, Münchener 62 Vgl. BT-Drs. 19/24180, S. 31, 35. Anwaltshandbuch Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsa- 63 Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (339). chen, 3. Aufl. (2020), Teil C, § 21 Rn. 184. 64 70 Vgl. Fischer, § 261 Rn. 79; BT-Drs. 19/24180, S. 33 f. S. Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (340). 65 71 BT-Drs. 19/24180, S. 33. BT-Drs. 19/24180, S. 18. 66 S. BT-Drs. 19/24180, S. 34. Kritisch insoweit Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (339).
156 KriPoZ 3 | 2021 III. Änderungen im Vermögensabschöpfungsrecht des § 76a Absatz 4 StGB.80 Auch die bereits im Rahmen der Reform des Vermögens- Zu den vom BGH geäußerten Bedenken im Hinblick auf abschöpfungsrechts vielfältig kritisierte Norm der erwei- die Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit der Maßnahme terten selbstständigen Einziehung gem. § 76a Abs. 4 und die Tatsache, dass eine retrospektiv erfolgende Um- StGB72 ist im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der deutung der Verdachtslage ein „Fremdkörper“ im System strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche neu gefasst der Strafprozessordnung wäre,81 nimmt die Gesetzesbe- worden.73 Die 2017 eingeführte Vorschrift soll die Einzie- gründung nicht Stellung. Das Maß ist hier nicht nur hung von Vermögen unklarer Herkunft unabhängig vom dadurch überschritten, dass der Gesetzgeber den „Fremd- Nachweis konkreter rechtswidriger Taten und von dem körper“ bewusst in § 76a Abs. 4 StGB hineinschreibt, son- subjektiven Verfahren ermöglichen.74 dern auch keine Einschränkungen im Hinblick auf die geldwäschetauglichen Vortaten vornimmt. War die erwei- Auch hier wurde die zunächst aufgrund der Abschaffung terte selbstständige Einziehung schon in alter Fassung er- des Vortatenkatalogs vorgesehene Einschränkung des heblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, § 74a Abs. 4 StGB vom Gesetzgeber im Laufe des Gesetz- so ist durch die nunmehr exzessive Ausdehnung der Ver- gebungsverfahrens wieder zurückgenommen. Ursprüng- mögensabschöpfung der verfassungsrechtliche Rahmen lich sollte die selbstständige Einziehung nur dann ange- bei weitem überschritten und § 76a Abs. 4 StGB als ver- ordnet werden dürfen, wenn die geldwäschetaugliche fassungswidrig anzusehen. Vortat ein Verbrechen oder eine gewerbsmäßig- oder ban- denmäßig begangene Tat ist. Nur durch diese Einschrän- Flankierend zum Vermögensabschöpfungsrecht wird kung sei auch weiterhin gewährleistet, dass der Katalog § 261 Abs. 7 StGB a.F. in § 261 Abs. 10 StGB überführt des § 76a Abs. 4 StGB schwerpunktmäßig schwere Straf- und präzisiert. Dazu wird ein S. 3 eingefügt, nach dem die taten aus dem Bereich des Terrorismus und der Organi- §§ 73-73e StGB unberührt bleiben und einer Einziehung sierten Kriminalität erfasse.75 Auch diese aus rechtsstaat- nach § 74 Abs. 2 StGB, auch in Verbindung mit den lichen Gründen zwingend notwendige Begrenzung der §§ 74a und 74c StGB, vorgehen.82 Regelung wurde kurz vor der dritten Lesung im Bundes- tag wieder zurückgenommen.76 IV. Änderungen im Strafprozessrecht Durch die Beibehaltung der bisher geltenden Umschrei- Aufgrund der erheblichen Ausweitung des Anwendungs- bung des Einziehungsobjekts in § 76a Abs. 4 S. 1 StGB bereichs des Geldwäschetatbestands wurden einige Ände- will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die selbstständige rungen im Strafprozessrecht vorgenommen. Einziehung wie bisher auch bspw. nach mehrfachen Um- wandlungen und Transfers von Taterträgen und Tatpro- Die bisher geltenden umfassenden Einschränkungen des dukten aus einer nicht konkret feststellbaren rechtswidri- Zeugnisverweigerungsrechts für Mitarbeiter von Presse gen Tat sowie nach deren Vermischung mit anderem Ver- und Rundfunk in Bezug auf Geldwäschefälle wird ange- mögen oder deren Verarbeitung möglich ist.77 sichts der erheblichen Ausweitung durch Wegfall des Vortatenkatalogs etwas zurückgenommen. Allerdings hat Außerdem soll mit der Neufassung klargestellt werden, der Gesetzgeber auch hier im Laufe des Gesetzgebungs- dass die Regelung auch in den Fällen Anwendung findet, verfahrens die Einschränkung auf Verbrechen als zu weit- in denen der einzuziehende Gegenstand in einem Verfah- gehend angesehen und daher letztlich nur für solche Fälle ren wegen einer sonstigen Straftat sichergestellt wurde eine Einschränkung vorgenommen, in denen die Vortat und ein Verdacht einer Katalogstraftat erst nach der Si- der Geldwäsche mit einer im Mindestmaß erhöhten Frei- cherstellung in das Verfahren einbezogen wurde. Es ge- heitsstrafe bedroht ist.83 nügt also nach dem Willen des Gesetzgebers, wenn der Gegenstand zu irgendeinem Zeitpunkt des Verfahrens si- Durch die Abschaffung des Vortatenkatalogs wurde aus chergestellt wurde.78 In der Gesetzesbegründung wird Gründen der Verhältnismäßigkeit auch eine Restriktion ganz klar die bisherige Auslegung des BGH verworfen, im Rahmen der heimlichen Überwachungsmaßnahmen nach der unter Hinweis auf den Wortlaut der Altfassung notwendig. Zwar sind nach wie vor in einem Ermittlungs- ein Bezug zwischen dem Verdacht einer Katalogstraftat verfahren wegen Verdachts der Geldwäsche die Eingriffs- nach § 76a Abs. 4 S. 3 StGB und der Sicherstellung ge- befugnisse der Telekommunikationsüberwachung, der fordert wurde.79 Diese Auslegung führt laut Gesetzgeber Online-Durchsuchung und der Erhebung von Verkehrsda- unter Verhältnis- und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ten zulässig. Allerdings nur noch dann, wenn es sich um zu nicht gerechtfertigten Abschöpfungslücke im Rahmen Vortaten im Sinne des Straftatenkatalogs der jeweiligen 72 77 Vgl. bspw. die verfassungsrechtlichen Bedenken von Trüg, NJW S. BT-Drs. 19/26602, S. 7. 78 2017, 1913 (1916); Hinderer/Blechschmitt, NZWiSt 2018, 179 BT-Drs. 19/26602, S. 7. 79 (185); Kritik an der Weite auch bei Kraushaar, NZWiSt 2019, 288 So BGH, NStZ 2020, 149 m. Anm. Bittmann: „Ein Leitsatz wie ein (293); a.A. Pelz, NZWiSt 2018, 251 (254). Donnerschlag“ (S. 152). 73 80 BGBl. I 2021, S. 327. BT-Drs. 19/26602, S. 8. 74 81 S. statt vieler Fischer, StGB, § 76a Rn. 9. S. BGH, NStZ 2020, 149 (151). 75 82 So noch BT-Drs. 19/24180, S. 27 unter Verweis auf BT-Drs. Ausf. hierzu BT-Drs. 19/24180, S. 35 f. 83 18/9525, S. 73. Vgl. BT-Drs. 19/26602, S. 9. 76 Vgl. BT-Drs. 19/26602, S. 8; zum Verfahren auch Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (332).
Schiemann – Reform des Geldwäschetatbestands KriPoZ 3 | 2021 157 Maßnahme handelt (§§ 100a Abs. 2, 100b Abs. 2 und schränkung der Geldwäschevortaten auf schwere und be- 100g Abs. 2 StPO).84 Gercke/Jahn/Paul weisen zutreffend sonders schwere Katalogtaten i.S. der §§ 100a, 100b so- darauf hin, dass so durch die Hintertür im Strafprozess- wie 100g StPO gesetzgeberisch ein Riegel vorgeschoben recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Begren- worden ist. Dennoch zeichnet sich durch den Entfall des zung der unbegrenzt einschlägigen Geldwäschevortaten Vortatenkatalogs eine erhebliche Ausweitung des Straf- herbeigeführt wird, obwohl das Prinzip der Verhältnismä- verfolgungsrisikos ab. Die Geldwäsche mutiert zum Al- ßigkeit im gesamten einfachen Gesetzesrecht und damit lerweltsdelikt,87 anstatt im Bereich der Organisierten Kri- auch im materiellen Strafrecht gilt.85 minalität und des Terrorismusstrafrechts zu greifen. Dies war der Grund der Einführung durch das OrgKG. Eine Schließlich wird durch Aufnahme des Geldwäschetatbe- Verminderung der Organisierten Kriminalität ist durch die stands in den Katalog des § 74c Abs. 1 S. 1 Nr. 6 lit. a zahlreichen Nachbesserungen des Straftatbestands in der GVG die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer be- Vergangenheit nicht eingetreten88 und ist auch in Zukunft gründet, sofern eine Zuständigkeit des Landgerichts be- nicht zu erwarten. steht und soweit zur Beurteilung des Falls besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind.86 Vielmehr wird sich durch den Entfall des Vortatenkata- logs das verstärken, was schon in der jetzigen Praxis fest- V. Fazit zustellen ist. Neben die bereits primär erfassten Fälle der Finanz- und Warenagenten89 werden sich zunehmend Insgesamt muss leider konstatiert werden, dass das Gesetz Fälle der Klein- und Bagatellkriminalität reihen. Da auch zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der der Gesetzgeber von einem massiven Anstieg an Verfah- Geldwäsche zu einer deutlichen Verschlechterung geführt ren ausgeht, wird es ohne eine Verstärkung der personel- hat. Der Straftatbestand der Geldwäsche ist unübersicht- len und finanziellen Ressourcen zu einer weiteren Verla- lich, widersprüchlich und im Hinblick auf den entfallenen gerung der Verfolgung schwerer Taten auf die Abarbei- Vortatenkatalog unverhältnismäßig. Auch das Festhalten tung von Kleinkriminalität kommen.90 In letzter Konse- an der Strafbarkeit der Leichtfertigkeit ist angesichts des quenz wird das dazu führen, dass die defizitäre Verfol- all-crimes-approachs nicht nachzuvollziehen und weitet gung Organisierter Kriminalität sich weiter manifestiert – den ohnehin ins Uferlose auf Klein- und Bagatellkrimina- und damit das primäre Ziel auch durch diesen „Paradig- lität ausgedehnten Straftatbestand in verfassungswidriger menwechsel“91 der Geldwäschebekämpfung wiederum Weise weiter aus. nicht erreicht wird. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass zumindest einer exzessiven heimlichen Strafverfolgung durch die Be- 84 88 S. BT-Drs. 19/24180, S. 37 ff.; Gazeas, NJW 2021, 1041 (1043); S. Fischer, § 261 Rn. 4c. 89 Travers/Michaelis, NZWiSt 2021, 125 (129). Vgl. nochmals Bussmann/Veljovic, NZWiSt 2020, 417 (418). 85 90 S. Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (332). So auch Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (334); Travers/Michae- 86 Kritisch insoweit Gazeas, NJW 2021, 1041 (1043); positiv lis, NZWiSt 2021, 125 (129 f.). 91 Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330 (332). S. nochmals Gercke/Jahn/Paul, StV 2021, 330. 87 So bereits Gazeas, NJW 2021, 1041 (1043).
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