Grundsicherung im Alter und die "Riester"-Rente - Johannes Steffen

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Grundsicherung im Alter und die "Riester"-Rente - Johannes Steffen
Johannes Steffen

                   Grundsicherung im Alter
                           und die
                      »Riester«-Rente

Bremen, Januar 2008

Grundsicherung im Alter und die «Riester»-Rente
Johannes Steffen – Arbeitnehmerkammer Bremen – 01/2008 – www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/
                                                                                                    0
Grundsicherung im Alter und die "Riester"-Rente - Johannes Steffen
Selten wurden in den jüngeren gesellschafts-                         der Nachrangigkeit der Fürsorge, niemandem et-
politischen Debatten derart viele Nebelkerzen ge-                    was »weg genommen«. Entgegen dem öffentlich
worfen, Krokodilstränen vergossen und falsche                        teilweise erweckten Eindruck erhalten 65-jährige
Fährten gelegt wie in der Diskussion um die »An-                     und ältere Personen mit geringem Einkommen
rechnung« der »Riester«-Rente auf die Grund-                         immer zusätzliche Leistungen nach Kapitel IV SGB
sicherung im Alter. Während sich die einen aus                       XII (Grundsicherung im Alter und bei dauerhaft
handfesten ökonomischen wie ordnungspolitischen                      voller Erwerbsminderung). Diese aufstockenden
Interessen als Nebelwerfer betätigen, scheinen                       Leistungen fallen allerdings um so geringer aus, je
andere unter Verwendung identischer Argumente                        »höher« ein nach wie vor zu geringes eigenes Al-
nach wie vor der festen Überzeugung, Leucht-                         terseinkommen ist; geschlossen wird mittels
munition zu verschießen; wieder andere werden                        Grundsicherung schließlich immer nur die ver-
hauptsächlich getrieben von dem Bestreben, ihr                       bleibende Lücke zwischen eigenen Mitteln und Für-
politisches Gesicht zu wahren, weitere scheinen                      sorgebedarf. Unter diesem Aspekt »lohnt« sich
aus reinem Populismus auf jeden Zug aufzu-                           private Altersvorsorge für all diejenigen nicht,
springen und schließlich fehlen auch diejenigen                      deren Alterseinkommen selbst zusammen mit
nicht, die als Brandstifter jetzt den Biedermann                     bspw. einer »Riester«-Rente insgesamt nicht be-
geben.                                                               darfsdeckend iSd SGB XII ist. Private Altersvor-
                                                                     sorge kann in einem solchen Fall die Höhe des ver-
Einkommen und Vermögen wurden und werden –
                                                                     fügbaren Einkommens im Alter nicht beeinflussen
von wenigen, eng umgrenzten Ausnahmen ab-
                                                                     – sie hat lediglich Einfluss auf die Zusammen-
gesehen – grundsätzlich in vollem Umfang auf die
                                                                     setzung des Alterseinkommens, also auf die An-
Sozialhilfe »angerechnet«. Denn nur wer bedürftig
                                                                     teilswerte eigener Mittel sowie aufstockender Für-
ist, hat auch Anspruch auf in der Regel auf-
                                                                     sorge an der Deckung des gesetzlich definierten
stockende staatliche Fürsorge. Dieser Sachverhalt
                                                                     Grundsicherungsbedarfs.      So    gesehen    dient
ist weder erstaunlich noch neu, die »Erkenntnis«
                                                                     (private) Vorsorge stets auch der Reduzierung, im
gehört zum Allgemeinwissen – wenn auch nicht
                                                                     günstigsten Fall der Vermeidung von Altersarmut
jedes Einzelnen. So wird u.a. auch die staatlich ge-
                                                                     und somit gleichzeitig der Reduzierung bzw. Ver-
förderte »Riester«-Rente folgerichtig als Ein-
                                                                     meidung      staatlicher  Fürsorgeleistungen;   ein
kommen im Alter bedarfsmindernd berücksichtigt –
                                                                     Aspekt, der historisch mit ausschlaggebend war für
ein Umstand, der beispielsweise bei Renten aus
                                                                     die Etablierung der sozialen Rentenversicherung
der gesetzlichen Rentenversicherung seit jeher wie
                                                                     als Pflichtvorsorgesystem. Im übrigen kam in der
selbstverständlich praktiziert und akzeptiert wird,
                                                                     derzeitigen Debatte, soweit ersichtlich, bislang
ohne dass ein solches Vorgehen bislang ernsthaft
                                                                     niemand ernsthaft auf die Idee, den Aufbau von
als »Betrug« qualifiziert worden wäre.
                                                                     Rentenanwartschaften bei Geringverdienern in
Abgesehen von der selbstverständlich notwendigen                     ähnlicher Weise öffentlich zu »skandalisieren«, wie
Frage, ob das gegenwärtige Niveau der Grund-                         dies aktuell bei der privaten Altersvorsorge ge-
sicherung1 tatsächlich existenzsichernd ist, wird in-                schieht. Und das, obwohl seit langem bekannt ist,
folge der »Anrechnung« eigenen Einkommens, also                      dass sich für Geringverdiener auch die Beiträge zur
                                                                     Rentenversicherung nicht »lohnen« können, sofern
1
   Der Regelsatz der Grundsicherung beträgt zur Zeit bundes-         sie im Alter über keinerlei weiteres eigenes Ein-
einheitlich für Alleinstehende 347 €, für Paarhaushalte 624 €        kommen verfügen. »Lohnend« wäre unter einem
monatlich. Hinzu kommen die angemessenen Kosten der Unter-
kunft (KdU), die regional stark schwanken. Daraus resultieren        solchen Gesichtspunkt eigene Vorsorge fürs Alter –
auch die unterschiedlichen Angaben zur durchschnittlichen Höhe
                                                                     und hierzu zählt an ersten Stelle immer noch die
des Grundsicherungsbedarfs eines Singles, die derzeit in der
öffentlichen Debatte die Runde machen. Der Chef der »Fünf-           soziale Rentenversicherung – überhaupt nur unter
Weisen«, Bert Rürup, spricht von 660 € (Staat soll Mini-Renten
kräftig aufstocken, in: Handelsblatt v. 02.01.2008), das BMAS
                                                                     gesellschaftlichen Verhältnissen, unter denen ent-
geht – unter Verweis auf Daten des Statistischen Bundesamtes         weder existenzsichernde Leistungen für Bedürftige
für Ende 2006 – von 627 € aus (BMAS, Riester-Rente lohnt für
alle, PM v. 11.01.2008). In seiner Bröschüre – Sozialhilfe und       unbekannt sind oder das eigene Einkommen im
Grundsicherung, Bonn, Juli 2007, S. 26 – rechnet das BMAS mit        Alter betragsmäßig spürbar oberhalb des Grund-
622 €, bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) da-
gegen mit 664 € (Grundsicherung für Arbeitsuchende. SGB II –         sicherungsbedarfs liegt.
Fragen & Antworten, Bonn, Juli 2007, S. 76) und Walter Riester
schließlich spricht von 680 € (Riester-Rente lohnt sich gerade für   Ob Vorsorge im Einzelfall lohnend ist, stellt sich idR
Geringverdienende,      PM    der    SPD-Bundestagsfraktion     v.
                                                                     erst ex post heraus. Aus guten Gründen sind daher
14.01.2008)

Grundsicherung im Alter und die «Riester»-Rente
Johannes Steffen – Arbeitnehmerkammer Bremen – 01/2008 – www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/
                                                                                                                         1
die Sozialversicherungssysteme in Deutschland als                 nicht mehr deren gesamte ökonomische Lebens-
Pflichtversicherungen angelegt. Sie dienen der Ab-                wirklichkeit spiegeln, wurden Versicherungs- und
sicherung der für den Einzelnen unwägbaren                        Leistungsrecht in der Vergangenheit regelmäßig
sozialen Risiken wie beispielsweise Krankheit, Un-                angepasst; das soziale Sicherungssystem erwies
fall,   Arbeitslosigkeit,  Tod    (Hinterbliebenen-               sich in diesen Punkten – für einige – erstaunlich
sicherung), Invalidität oder eben »Langlebigkeit«,                flexibel. Und schließlich hat die 1957er-Reform ei-
also der finanziellen Absicherung im Alter; nur als               nes für alle unübersehbar bewirkt: Der Anteil der
Pflichtsysteme erlauben sie zudem einen ge-                       Älteren, die auf zusätzliche Sozialhilfe angewiesen
sellschaftlich für geboten erachteten Solidaraus-                 sind, ist seit den 1960er-Jahren deutlich ge-
gleich zwischen so genannten »guten« und                          sunken.3
»schlechten« Risiken.
                                                                  Doch es gibt Grenzen, die auch ein soziales Siche-
Schaubild 1                                                       rungssystem alleine nicht hinreichend einebnen
                                                                  kann. Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt
   Grundsicherung im Alter (SGB XII Kapitel IV)                   führen zu einer immer stärkeren und immer weite-
     Steuerfinanzierte Aufstockung geringer Ein-
                                                                  re Personengruppen erfassenden Perforation von
     kommen im Alter auf Fürsorgebedarf (beim Single
     im Schnitt auf 664 €, bei Paaren auf 1.036 €)                Versicherungsbiografien. Hohe (Langzeit-) Arbeits-
     Volle Anrechnung des gesamten Einkommens                     losigkeit auf der einen Seite, die Ausweitung der
     De facto kein Unterhaltsrückgriff auf Kinder
     Voraussetzung: Bedürftigkeit
                                                                  Teilzeitbeschäftigung und die ungebremste Aus-
                                                                  breitung von Niedriglöhnen auf der anderen Seite
Für soziale Risiken, die von den vorgelagerten Ver-               sowie die zunehmende Bedeutung versicherungs-
sicherungssystemen – aus welchen Gründen auch                     freier Mini-Jobs und sozial meist ungesicherter So-
immer – nicht oder nicht ausreichend aufgefangen                  lo-Selbständiger    lassen     geschlossene    Ver-
werden, bleibt als unterstes soziales Netz die be-                sicherungsverläufe     (»Normalerwerbsbiografien«)
dürftigkeitsabhängige staatliche Fürsorge zu-                     seltener werden. Je niedriger aber die erwerbs-
ständig; für Nichterwerbsfähige ist dies die Sozial-              lebensdurchschnittliche      (versicherte)      Ein-
hilfe – hier die Grundsicherung im Alter.                         kommensposition ausfällt und je mehr zudem
                                                                  Phasen sozialversicherter Erwerbstätigkeit im
Soziale Rentenversicherung                                        Einzelfall an Gewicht verlieren, um so weniger
                                                                  kann die soziale Rentenversicherung ein Leben im
Seit ihrer grundlegenden Reform im Jahre 1957
                                                                  Alter jenseits der Fürsorgeabhängigkeit gewähr-
galt die soziale Rentenversicherung über Jahr-
                                                                  leisten. Die Einführung eines flächendeckenden,
zehnte als Garant der Lebensstandardsicherung2
                                                                  einheitlichen gesetzlichen Mindestlohns, der Aus-
im Alter und bei Invalidität. Realisiert werden
                                                                  bau der sozialen Rentenversicherung zu einer Er-
konnte dieses Ziel allerdings immer nur für die-
                                                                  werbstätigenpflichtversicherung, die Abschaffung
jenigen, die dem Sicherungssytem auch ein volles
                                                                  versicherungsfreier Mini-Jobs und die Höher-
Erwerbsleben lang angehört haben. Bei kürzerer
                                                                  bewertung von niedrigen Entgelten wie auch von
Versicherungsdauer (dies betraf und betrifft noch
                                                                  Zeiten des Alg II-Bezugs wären erste wichtige
heute regelmäßig vor allem Frauen) wurde das Ziel
                                                                  Schritte zur Schließung von Sicherungslücken im
verfehlt; abgesichert wird grundsätzlich nur das
                                                                  Alter.
versicherte Einkommen. Hinter dieser Logik steht
vor allem die Überlegung bzw. Vermutung, dass                     Ohne Totalrevision des unter Rot-Grün ein-
die Altersversorgung derjenigen, die während ihrer                geschlagenen Katastrophenkurses in der Renten-
erwerbsfähigen Lebensphase ihren Lebensunterhalt                  politik wird aber auch die erforderliche Schließung
augenscheinlich nicht oder nicht durchgehend aus                  von Sicherungslücken nichts an dem grundsätz-
sozialversicherungspflichtigem   Einkommen     be-                lichen Problem ändern: Das Leistungsniveau der
stritten haben (beispielsweise Selbständige, nicht                sozialen Rentenversicherung läuft selbst für lang-
erwerbstätige Ehegatten) über andere Sicherungs-                  jährig    versicherte  Durchschnittsverdiener     in
formen (Privatvorsorge, Ehegattenunterhalt) ge-
währleistet ist.                                                  3
                                                                    Die seit 2003 bis 2006 von knapp 260.000 auf rd. 370.000 Per-
                                                                  sonen gestiegene Zahl der auf Grundsicherung im Alter an-
Da derartige Annahmen für heutige Neurentner                      gewiesenen Menschen ist nicht vorrangig auf real gestiegene
                                                                  Altersarmut zurück zu führen, sondern eher dem vermehrten
und erst recht für künftige Rentnergenerationen                   statistischen Ausweis bis dato verdeckter Armut insbesondere in-
                                                                  folge der Einführung der neuen Grundsicherungsleistung mit –
                                                                  gegenüber den bis dahin auch für Ältere geltenden allgemeinen
2
  »Lebensstandardsicherung« wurde zuletzt gleichgesetzt mit ei-   Sozialhilferegelungen – erleichterten Zugangsvoraussetzungen
nem Nettorentenniveau nach 45 Beitragsjahren in Höhe von rd.      geschuldet. Die »Grundsicherungsquote« der Älteren von derzeit
70% der (versicherten) erwerbslebensdurchschnittlichen Ein-       rd. 2,5% dürfte im Laufe der nächsten beiden Dekaden allerdings
kommensposition                                                   deutlich steigen

Grundsicherung im Alter und die «Riester»-Rente
Johannes Steffen – Arbeitnehmerkammer Bremen – 01/2008 – www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/
                                                                                                                                2
Richtung Fürsorgeniveau. Ob sich Altersvorsorge                                       ihres vorjährigen beitragspflichtigen Entgelts als
im Einzelfall »lohnt«, stellt sich zwar idR erst ex                                   Prämie für einen zertifizierten Altersvorsorgever-
post heraus; ob allerdings ein Alterssicherungs-                                      trag aufwenden. Für die durch die anschließende
system strukturell in der Lage ist, ein solches Ziel                                  »Schmidt-Reform«      bewirkte   nochmalige    Ab-
zu gewährleisten, kann sehr wohl ex ante beurteilt                                    senkung des Sicherungsniveaus der gesetzlichen
werden.                                                                               Rentenversicherung ist hingegen keine zusätzliche
                                                                                      staatliche Förderung vorgesehen; diese Lücke
Während ein Durchschnittsverdiener4 heute 28 Bei-
                                                                                      müssten die Betroffenen ausschließlich aus
tragsjahre benötigt, um mit der daraus resultie-
                                                                                      eigenen Mitteln schließen.
renden Nettorente seinen Grundsicherungsbedarf
von 664 € im Monat5 decken zu können, werden es                                       Schaubild 3
infolge der Rentenniveausenkung (Info-Grafik
»Generationengerechte Rentenpolitik?«) im Jahre
2030 – nach heutigen Werten – bereits 34 Jahre
sein. Wer auf nur 75% des Durchschnittsentgelts
kommt, braucht heute gut 37 Jahre, 2030 sind es
schon 45 Jahre. Wohlgemerkt: Das ist politisch so
gewollt. Seit der »Riester-Reform« wird die soziale
Rentenversicherung sehenden Auges gegen die
Wand gefahren. Denn ein Pflichtsystem, dessen
Leistungen trotz erwerbslebenslanger Beitrags-
zahlung in der Nähe oder gar unterhalb des Für-
sorgeniveaus liegen, verliert unweigerlich seine
politische Legitimation. Warum Pflichtbeiträge
zahlen, wenn am Ende nicht mehr als Sozialhilfe                                                     , Monatsbericht 07/2002, S. 29

raus kommt? Arbeitgeber und private Finanz-
dienstleister haben den Sekt schon kalt gestellt.                                     Für Geringverdiener, insbesondere solche mit Kin-
Schaubild 2                                                                           dern, ist die staatlich geförderte Altersvorsorge ei-
                                                                                      ne »lohnende Sache« – so das nahezu einhellige
          Erforderliche Anzahl an Beitragsjahren zur Deckung                          Urteil. Dies gilt aber nur, sofern man den Blick
            des Grundsicherungsbedarfs mit der Nettorente
                           - Single, nach heutigen Werten -                           ausschließlich auf die möglichen Förderquoten rich-
                                                                                      tet und das »Riester«-Sparen mit anderen in Frage
           heute                                                                      kommenden Anlageformen vergleicht.
           2030
                                                                                      Ob die staatlich geförderte Altersvorsorge tatsäch-
                                                                                      lich zu einer »Erfolgsgeschichte« wird, wie das
                                                                                      BMAS bereits heute euphorisch verkündet6, wird
                                                                                      sich hingegen erst noch erweisen müssen. Und bei
                                                                                      der Beurteilung geht es dann nicht um Einzelfälle,
           28       34            37      45              56     68
                                                                                      sondern um die Frage der Funktionstüchtigkeit des
          Durchschnitts-        75%-Verdiener           50%-Verdiener                 Systems der (teil-) privatisierten Alterssicherung.
            Verdiener
                                                        © Arbeitnehmerkammer Bremen
                                                                                      Eines deutet sich bereits heute an: Das standardi-
                                                                                      sierte Gesamtversorgungsniveau aus gesetzlicher
                                                                                      Rente und »Riester«-Rente wird auf absehbare Zeit
Staatlich geförderte Altersvorsorge
                                                                                      nicht einmal jenes Sicherungsniveau erreichen, das
Mit Hilfe der im Jahre 2002 an den Start ge-                                          vor der rot-grünen Regierungsübernahme alleine
gangenen staatlich geförderten Altersvorsorge                                         von der sozialen Rentenversicherung gewährt wur-
(»Riester«-Rente) soll die durch die »Riester-                                        de.
Reform« bei der Rente aufgerissene Sicherungs-
                                                                                      Dabei wird alles getan, um die Privatvorsorge in
lücke geschlossen werden. Seither erhalten v.a.
                                                                                      der Anspar- wie in der Leistungsphase über Privile-
Arbeitnehmer staatliche Fördermittel (in Form von
                                                                                      gien zu puschen:
Zulagen bzw. eines Sonderausgabenabzugs bei der
                                                                                      • Rot-Grün war bei Verabschiedung der »Riester-
Einkommensteuer), sofern sie – seit 2008 – bis zu
                                                                                         Reform« bereit, zum Zeitpunkt der vollen Wirk-
4% (Eigenleistung einschließlich Fördermittel)

4                                                                                     6
    In den alten Ländern sind dies z. Zt. rd. 30.000 € Jahresbrutto                     Vgl. PM des BMAS v. 08.11.2007, Riester-Rente auf Rekord-
5
    Vgl. Anmerkung 1                                                                  kurs - mehr als 9,7 Millionen Verträge

Grundsicherung im Alter und die «Riester»-Rente
Johannes Steffen – Arbeitnehmerkammer Bremen – 01/2008 – www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/
                                                                                                                                               3
Info-Grafik Sozialpolitik
Generationengerechte Rentenpolitik?
»Mit den grundlegenden Entscheidungen der Rentenre-                                  Wer allerdings den paritätisch finanzierten Beitragssatz
form 2001 und dem Gesetz zur Sicherung der nachhalti-                                deckelt, kommt nicht umhin, auf der Leistungsseite zu
gen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Renten-                                 kürzen; so geschehen durch »Riester-« und »Schmidt-
versicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) von 2004 hat                                 Reform«. Das Nettorentenniveau wird hiernach im Wege
der Gesetzgeber (...) die Grundlagen für eine generatio-                             der kontinuierlichen Abkoppelung der Renten- von der
nengerechte Rente sowie die breite staatliche Förderung                              Lohnentwicklung von ursprünglich rd. 70% auf nur noch
der zusätzlichen Altersvorsorge geschaffen« - so heißt es                            rd. 55% im Jahre 2030 sinken. Dies ist keine durch den
im Entwurf der Koalitionsfraktionen für die »Rente mit                               demografischen Wandel aufgezwungene, also alternativ-
67«. Und weiter: »Die Betonung der Generationen-                                     lose Entwicklung, sondern politisch gewollt. – Als Ersatz
gerechtigkeit zeigt sich vor allem darin, dass seit dem                              für die Leistungskürzungen durch die »Riester-Reform«
Wirksamwerden des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes nicht                                   wurde die staatlich geförderte private Altersvorsorge ge-
nur die steigenden Aufwendungen der heutigen Beitrags-                               schaffen (»Riester-Rente«). Ab kommendem Jahr können
zahlergeneration für ihre Altersvorsorge, sondern auch                               und sollen alle ArbeitnehmerInnen kontinuierlich 4% ih-
das sich verschlechternde zahlenmäßige Verhältnis von                                res Bruttoentgelts als Prämie für private oder betriebliche
Rentnern zu Beitragszahlern bei der Höhe der Rentenan-                               Altersvorsorge anlegen; nur so bestehe – bei
passungen Berücksichtigung finden. Diese Maßnahme                                    entsprechender Verzinsung1 – die Aussicht auf ein auch
trägt dazu bei, dass die Rentenversicherungsbeiträge für                             künftig Lebensstandard sicherndes Alterseinkommen.
die Jüngeren bezahlbar bleiben. Die Rentnerinnen und
                                                                                           Vorsorgeaufwendungen* für ein Lebensstandard
Rentner leisten damit einen wichtigen Beitrag zur nach-
                                                                                                    sicherndes Alterseinkommen
haltigen Stabilisierung des Systems. Gleichzeitig wurde                                                          in vH des Bruttoentgelts
eine umfassende staatliche Förderung privater und be-                                Beitragssatz-                                           28%
trieblicher Zusatzvorsorge geschaffen, damit auch die                                deckelung
                                                                                     geltendes Recht
Jüngeren ihren Lebensstandard im Alter halten können.«                                                                                                       Lebens-
                                                                                                                     22%                                   standard-
Mit der »Riester-Reform« von 2001 vollzog die damalige                                      19,3%                                                          sicherung
                                                                                                                            17%                            Alternativ-
rot-grüne Bundesregierung einen Paradigmenwechsel bei                                                                                                   je   Szenario
der Rente: Weg vom Ziel der Lebensstandardsicherung,                                                                                                   14%

hin zum Ziel der Beitragssatzstabilisierung. Bis dahin                                                 je                          11%
                                                                                                     9,65%
galt: Wer erwerbslebenslang der sozialen Rentenversi-
cherung angehört hat (unterstellt werden bei dieser An-
nahme 45 Versicherungsjahre), der sollte im Alter ein
Nettorentenniveau erreichen, das etwa 70% seiner – auf
den aktuellen Stand hochgerechneten – durchschnittli-
chen Erwerbseinkommensposition entsprach. Seither ist
dagegen festgeschrieben, dass der Beitragssatz zur all-
                                                                                                  2000                       A          2030          B
gemeinen Rentenversicherung bis zum Jahre 2030 die                                   * Beitragssatz zur Rentenversicherung sowie der ArbN zur Privatvorsorge (2030 A)
Marke von 22% nicht überschreiten darf.
                                                                                     Zur »Riester-Prämie« gibt’s staatliche Fördermittel, so
Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung
                                                                                     dass sich die Zusatzbelastung im Schnitt auf »nur« knapp
und der damit einhergehenden Verschiebung des zah-
                                                                                     3% beläuft. Für die 2004 beschlossene weitere Rentenni-
lenmäßigen Verhältnisses von Beitragszahlern zu Rent-
                                                                                     veausenkung durch die »Schmidt-Reform« ist allerdings
nern dient die Beitragssatzdeckelung vorgeblich der Ent-
                                                                                     weder eine Erhöhung der Prämie noch des staatlichen
lastung der jüngeren Generation; sie dürfe nicht durch
                                                                                     Zuschusses vorgesehen. Um diese Lücke zu schließen,
ungebremst steigende Beiträge überfordert werden – so
                                                                                     sind somit noch einmal gut 3% alleine von den Arbeit-
die gebetsmühlenartig vorgetragene Begründung.
                                                                                     nehmerInnen aufzubringen – 2030 also insgesamt 17%.
                                      »Riester-Reform«                               Fazit: Mit einem paritätischen Beitragssatz von rd. 28%
                                      einschl. 2. und 3.
                                          SGB VI-ÄndG                                im Jahre 2030 wäre weiterhin ein Lebensstandard si-
                                                             »Schmidt-Reform«
                                                                                     cherndes Alterseinkommen finanzierbar – und zwar auch
            70%
                                                                       einschl.      ohne die »Rente mit 67«. Seit der »Riester-Reform« geht
                                                                »Rente mit 67«
Netto-                                                                               es der Rentenpolitik allerdings vorrangig um die Privati-
renten-
niveau*
                                                                                     sierung sozialer Risiken und ihrer Kosten. Gewinner sind
                                   61%                                               Arbeitgeber und private Finanzdienstleister. Den (jünge-
Siche-
rungs-                                                                               ren) ArbeitnehmerInnen – also den künftigen RentnerIn-
niveau                                                                               nen – wird dies als »generationengerechte Entlastung«
vor                                                        55%
Steu-                                                                                verkauft; sie müssten 2030 nur 11% statt 14% Renten-
ern*            Rentenniveau nach 45 Beitragsjahren                                  beitrag zahlen. Dass sie bereits heute für einen gesicher-
            53%                                            41%                       ten Lebensabend insgesamt mehr aufzuwenden haben als
            2000                                2030                                 die »unzumutbaren« 14%, die im Jahre 2030 für eine si-
* 2030: Nettorentenniveau ohne Alterseinkünftegesetz und nach Berechnungsmethode     chere Rente fällig wären, wird bei der öffentlichen Ver-
vor »Riester-Reform«; Sicherungsniveau vor Steuern: Arbeitsentgelte ohne Abzug der
»Riester-Prämie«                                                                     dummungskampagne bislang erfolgreich unterschlagen.
1
  Die Bundesregierung unterstellt im Rentenversicherungsbericht 2006 für die »Riester-Rente« eine opulente Verzinsung von 4% p.a. - damit aber sind die Risi-
ken Invalidität und Todesfall ebenso wenig abgedeckt wie Leistungen für Reha, Kindererziehung oder Zeiten der Arbeitslosigkeit und Langzeiterkrankung

          © Arbeitnehmerkammer Bremen – Johannes Steffen – Info-Grafik Sozialpolitik – Generationengerechte Rentenpolitik? – 22.01.2007
                                             http://www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik
samkeit – so genanntes »Entstehungsjahr« –                        kann Rente nicht ersetzen). So werden für die Be-
  insgesamt 20,665 Mrd. DM pro Jahr an steuer-                      rechnung der Höhe der späteren »Riester«-Rente12
  lichen Fördermitteln (Zulagen sowie Sonderaus-                    • eine durchgehende Verzinsung von 4% p.a. un-
  gabenabzug) zuzuschießen7. Das Bundesfinanz-                         terstellt,
  ministerium wies kurze Zeit später für die Zeit                   • Abschläge für Verwaltungskosten einschließlich
  ab 2008 ein (geplantes) jährliches Förder-                           des sharholder values von im Schnitt lediglich
  volumen von 12,8 Mrd. € aus8; dies entspräche                        10% in Abzug gebracht,
  gegenwärtig dem Aufkommen von 1,23 Bei-                           • keine Renditeabschläge bei der Altersrentenhöhe
  tragssatzpunkten zur allgemeinen Rentenver-                          für die Absicherung des Invaliditäts- und Todes-
  sicherung.                                                           fallrisiko vorgenommen; auch wenn diese Risi-
• Infolge der beitragsfreien Entgeltumwandlung                         ken in der »Riester«-Praxis vermutlich selten mit
  entgehen der Sozialversicherung (ohne Renten-                        versichert werden, wäre ein entsprechender
  versicherung9) nach Schätzung der Bundes-                            Renditeabschlag für einen korrekten Vergleich
  regierung jährlich Einnahmen in Höhe von rund                        mit dem Leistungsniveau der gesetzlichen Rente
  1 Mrd. € - steigend um 0,1 Mrd. € pro Jahr10.                        erforderlich.
    Der Verweis darauf, dass die mit der Entgelt-                   All dies erhöht den rechnerischen (Absolut-) Wert
    umwandlung       erworbenen      Versorgungs-                   der in Aussicht gestellten »Riester«-Rente und
    ansprüche im späteren Leistungsfall die Ein-                    damit deren relativen Anteil an der Gesamtver-
    nahmesituation der Kranken- und Pflegever-                      sorgung des Standardrentners.
    sicherung stärken, da die Betriebsrenten der                    Über die Leistungsfähigkeit des Systems der teil-
    Beitragspflicht unterliegen11, trifft so nicht                  privatisierten Altersssicherung sagt das normierte
  ganz zu. Betriebsrenten sind nur dann beitrags-                   Gesamtversorgungsniveau allerdings noch nichts
  pflichtig zu den beiden Zweigen der Sozialver-                    aus. Während es sich bei der gesetzlichen Rente
  sicherung, wenn ihr monatlicher Betrag – evtl.                    um ein Pflichtversicherungssystem handelt, basiert
  zusammen mit weiteren Versorgungsbezügen -                        die staatlich subventionierte Altersvorsorge auf
  1/20 der monatlichen Bezugsgröße (z. Zt.                          Freiwilligkeit; längst nicht alle Berechtigten be-
  124,25 €) übersteigt.                                             teiligen sich an deren Aufbau – und von den-
• Die außerbetriebliche »Riester«-Rente unterliegt                  jenigen, die sie nutzen, »riestern« nicht alle im
  in der Leistungsphase nicht der Beitragspflicht                   maximal förderfähigen Umfang. Und selbst bei den
  zur Kranken- und Pflegeversicherung – während                     derzeit »riesternden« sozialversicherungspflichtig
  der Zahlbetrag bei der beitragspflichtigen ge-                    Beschäftigten mit (prognostiziert) relativ ge-
  setzlichen Rente etwa 10% niedriger liegt als                     schlossener Erwerbsbiografie kann nicht davon
  deren Bruttobetrag.                                               ausgegangen werden, dass sie auch künftig un-
Kein anderes Finanzmarktprodukt wird durch öf-                      unterbrochen im unterstellten Umfang private
fentliche Mittel in einem derartigen Ausmaß sub-                    Altersvorsorge betreiben; dies sind verhaltens-
ventioniert, wie die private Altersvorsorge.                        bedingte Unwägbarkeiten einer auf Freiwilligkeit
                                                                    beruhenden Vorsorge.
Gesamtversorgungsniveau
                                                                    Insgesamt wird das teilprivatisierte Alters-
Auch bei der regierungsoffiziellen Projektierung des                sicherungssystem in Zukunft für einen steigenden
Gesamtversorgungsniveaus – also der Leistungs-                      Anteil älterer Menschen nicht mehr in der Lage
fähigkeit des teilprivatisierten Alterssicherungs-                  sein, Altersarmut zu vermeiden.
systems – wird alles getan, um das Bild möglichst
positiv ausfallen zu lassen (Info-Grafik »Riestern«                 Grundsicherung und Rente –
                                                                    systemische Zusammenhänge
7
   Vgl. BTDrs 14/5146 v. 24.01.2001, S. 8                           In welchem Ausmaß die Grundsicherung im Alter
8
   Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht 09/2003,
S. 45. Dieser Betrag wird wegen der – verglichen mit den ur-
                                                                    künftig mit aufstockenden Leistungen einspringen
sprünglichen Erwartungen – zu geringen Inanspruchnahme der          muss, lässt sich nicht prognostizieren. Die syste-
staatlich subventionierten Altersvorsorge auf absehbare Zeit zwar
nicht erreicht werden; das angegebene Volumen ist aber Aus-         mischen    Zusammenhänge         zwischen    Grund-
druck des politischen Willens, Mittel in entsprechendem Umfang      sicherung    und     Rente     können     allerdings
bereitzustellen
9
   Bei der gesetzlichen Rentenversicherung steht dem durch Ent-     Orientierungshilfen bei der Einschätzung geben.
geltumwandlung geminderten sozialversicherungspflichtigen Ent-
gelt (z. Zt. etwa 1 Mrd. € an Beitragsmindereinnahmen) im Leis-
tungsfall ein entsprechend geringerer Rentenanspruch gegenüber
10
     Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der betrieblichen
                                                                    12
Altersversorgung, BTDrs 16/6539 v. 28.09.2007, S. 7                    Vgl. u.a. Rentenversicherungsbericht 2007, BTDrs 16/7300 v.
11
    Ebd. S. 8                                                       22.11.2007, S. 26

Grundsicherung im Alter und die «Riester»-Rente
Johannes Steffen – Arbeitnehmerkammer Bremen – 01/2008 – www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/
                                                                                                                                4
Info-Grafik Sozialpolitik
»Riestern« kann Rente nicht ersetzen
Die Leistungsfähigkeit der sozialen Rentenversicherung                                      Dies aber wird auf absehbare Zeit nicht gelingen; auch
kann an ihrem Sicherungsziel festgemacht werden. Als                                        das geht aus dem Rentenbericht hervor: Wer als Durch-
Messlatte dient das Standardrentenniveau. Hierbei han-                                      schnittsverdiener immer voll »geriestert« hat und im
delt es sich um das rechnerische Verhältnis einer Stan-                                     Jahre 2021 mit 45 EP in Rente geht, erreicht ein Gesamt-
dardrente – das ist die Rente eines Versicherten mit 45                                     sicherungsniveau vor Steuern von lediglich 50,2%. Das
Beitragsjahren zu Durchschnittsverdienst, also mit 45                                       ist deutlich weniger als die gesetzliche Rente vor dem
Entgeltpunkten (EP) – zum Durchschnittsentgelt der Akti-                                    Systemwechsel alleine geleistet hat.
ven. Die 45 Beitragsjahre stehen als Norm für die durch-                                    Hierbei wird die Entwicklung des Sicherungsniveaus seit
gehende Zugehörigkeit zur Versichertengemeinschaft.                                         der »Riester-Reform« sogar noch stark geschönt und ist
Greift der Vergleich auf Bruttogrößen zurück, so ergibt                                     nicht mit den bis 2001 geltenden Werten vergleichbar:
dies das Standardbruttorentenniveau. Für den Ausweis                                          Obwohl infolge des rot-grünen Systemwechsels ge-
der Teilhabeposition der Rentner an der Einkommens-                                           samtwirtschaftlich nicht etwa mehr, sondern anders
entwicklung der Arbeitnehmer ist diese Größe jedoch un-                                       gespart wird (Mitnahmeeffekte durch Umschichtung hin
geeignet, da sowohl Entgelte wie auch Altersbezüge mit                                        zu subventionierten Produkten), wird der geförderte
unterschiedlich hohen Abgaben belegt sind. Daher wurde                                        Sparanteil einfach als »zusätzlicher« Vorsorgeaufwand
bis zum Jahre 2004 mit Nettogrößen gerechnet. Das                                             wie Sozialbeiträge vom Durchschnittsentgelt ab-
Standardnettorentenniveau berücksichtigt die Steuer-                                          gezogen, reduziert so den Wert des Nenners und er-
und Beitragsbelastung des Arbeitsentgelts und die Bei-                                        höht damit die ausgewiesene Sicherungsquote; beim
tragsbelastung der Rente; Steuern fallen bei einem Stan-                                      Rentenniveau liegt der »geriesterte« Wert 2030 mit
dardrentner ohne weitere Einkünfte bislang nicht an.                                          43% um rd. 2%-Punkte höher als ohne diesen Trick.
                                                                                              Auch der Zähler wird aufgebläht; was bislang als un-
     Messlatte für die Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung
                                                                                              geförderte Vorsorge etwa aus einer Lebensver-
                                                           Standardrente
             Standardrentenniveau           =                                                 sicherung der Aufbesserung der Rente diente, wird
                                                        Durchschnittsentgelt
                                                                                              jetzt als Leistung aus geförderter Altersvorsorge ein-
             Bruttostandardrentenniveau
             Nettostandardrentenniveau (bis 2004)                                             fach einkommenserhöhend für das Gesamtniveau um-
             Sicherungsniveau vor Steuern (seit 2005)                                         gebucht. Aus der vormals ergänzenden privaten Alters-
                                                                                              vorsorge wurde zwar nur ein schlechter und teurer
Seit 2005 hat aber auch diese Messlatte ausgedient. We-
                                                                                              Teilersatz2 für bisherige Leistungen der Rentenver-
gen der stufenweisen und ab 2025 völligen Freistellung
                                                                                              sicherung – aber das Gesamtversorgungsniveau lässt
der Rentenbeiträge von der Besteuerung sowie des für
                                                                                              sich durch diesen Trick deutlich höher ausweisen.
jedes spätere Rentenzugangsjahr steigenden steuer-
                                                                                              Zur Anhebung des ausgewiesenen Gesamtniveaus trägt
pflichtigen Anteils der Rente auf am Ende 100% (2040)
                                                                                              auch der Umstand bei, dass die »Riester-Rente« selbst
würden sich nämlich zum gleichen Messzeitpunkt unter-
                                                                                              noch in der Leistungsphase subventioniert wird; anders
schiedlich hohe – vom Kalenderjahr der Verrentung ab-
                                                                                              als die gesetzliche Rente ist sie nämlich beitragsfrei zur
hängige – Nettorentenniveaus ergeben. Um den Be-
                                                                                              Kranken- und Pflegeversicherung.
steuerungseffekt auszuschalten, verwendet man daher
                                                                                            Und: die ganze Rechnerei unterschlägt, dass die soziale
heute das Sicherungsniveau vor Steuern. Dieses hoch
                                                                                            Rente auch das Invaliditäts- und Todesfallrisiko abdeckt;
abstrakte Maß vernachlässigt die Besteuerung und be-
                                                                                            dafür anfallende Renditeabschläge nimmt man bei der
rücksichtigt nur die Belastungen durch Sozialbeiträge –
                                                                                            politischen Bestimmung des »Riester-Niveaus« aber nicht
und beim Arbeitnehmerentgelt seit 2002 zusätzlich auch
                                                                                            vor. Das alles dient dem Hype der Privatvorsorge – und
die tatsächlichen Aufwendungen für die »Riester-Rente«.
                                                                                            da werden schon mal gerne Äpfel mit Birnen verglichen.
Das Sicherungsniveau vor Steuern betrug 1998 – beim
Start der rot-grünen Koalition – 53,6%; das entsprach                                                      Gesamtversorgungsniveau vor Steuern in v.H.
                                                                                                                  - Durchschnittsverdiener mit 45 Entgeltpunkten -
einem Standardnettorentenniveau von rd. 70%. Damit                                            53,6%
                                                                                                                                                         Gesetzliche Rente
war, so die Konvention, der Lebensstandard im Alter über
                                                                                                                                                         »Riester-Rente«
die paritätisch finanzierte gesetzliche Rente gesichert                                                                                                  (Zugänge vor 2010 ohne)

(Sicherungsziel). Infolge des unter der Schröder-                                                                                                                                  50,2%

Regierung eingeleiteten Systemwechsels in der Alters-
sicherungspolitik sinkt das Sicherungsniveau der gesetz-
lichen Rente bis zum Jahre 2021 auf nur noch 46,1%; so                                                                                                                             46,1%
der Rentenbericht 2007 der Bundesregierung1. Bis zum
Jahre 2030 ist ein weiterer Absturz auf 43% politisch ge-
wollt. Mit der subventionierten privaten Altersvorsorge
(»Riester-Rente«) könne die bei der gesetzlichen Rente
aufgerissene Lücke geschlossen werden – so die                                                1998            2002                          2010                             2021
Propaganda.                                                                                   Quelle: Rentenversicherungsbericht 2007, DRV Bund              © Arbeitnehmerkammer Bremen

1                                                                                       2
  Bundesregierung, Rentenversicherungsbericht 2007, BTDrs 16/7300 v. 22.11.2007, S. 26 - vgl. Arbeitnehmerkammer Bremen, Info-Grafik Sozialpolitik, Generationengerechte Renten-
politik?, Bremen 22.01.2007, http://www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/doku/01_aktuell/info-grafik/12_info_grafik.html

          © Arbeitnehmerkammer Bremen – Johannes Steffen – Info-Grafik Sozialpolitik – »Riestern« kann Rente nicht ersetzen – 21.01.2008
                                            http://www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik
Bei der Bestimmung der erforderlichen Beitrags-                                           gewiesenen Rentenbezieher weder erhöht noch
jahre zur Deckung des Grundsicherungsbedarfs                                              senkt.
(Schaubild 2) wird das Grundsicherungsniveau
                                                                                          Sollte sich hingegen das Grundsicherungsniveau im
nach SGB XII »konstant« gehalten und nur die
                                                                                          Alter insgesamt, also einschließlich der Kosten der
Auswirkung der Rentenniveausenkung berück-
                                                                                          Unterkunft, nicht im Gleichklang mit den Renten
sichtigt.
                                                                                          entwickeln – etwa aufgrund eines steigenden KdU-
Aber auch das (relative) Grundsicherungsniveau                                            Anteils oder der politisch motivierten Erhöhung der
kann sich in den kommenden Jahrzehnten ändern;                                            Regelsätze     über     die  heutige     SGB   XII-
Haupteinflussfaktoren sind die Entwicklung des                                            Anpassungsmethodik hinaus -, so hätte dies
Regelsatzes, der Kaltmieten sowie der Energie-                                            zwangsläufig die Ausweitung des Berechtigten-
kosten – wobei sich die einzelnen Größen durchaus                                         kreises zur Folge. Dies wiederum bliebe nicht ohne
gegenläufig verändern können.                                                             Auswirkungen auf die Zahl der für die fürsorge-
                                                                                          rechtliche Bedarfsdeckung erforderlichen Beitrags-
Eine (Neu-) Bemessung des Eckregelsatzes erfolgt
                                                                                          jahre (Schaubilder 2 und 5).
regelmäßig im Abstand von fünf Jahren auf Basis
der jeweils letzten Einkommens- und Verbrauchs-                                           Das auf die Sicherung im Alter ausgerichtete
stichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes.                                           Pflichtversicherungssystem       kann        daher
In den Zwischenjahren folgt die Regelsatzfest-                                            legitimatorisch von mindestens zwei Seiten unter
setzung der Entwicklung des aktuellen Renten-                                             Druck geraten:
werts (AR). Auf diese Weise wurde ein nahezu                                              • durch die Absenkung des Leistungsniveaus der
selbstreferenzielles System etabliert.                                                       Alterssicherung in Richtung Fürsorgeniveau wie
                                                                                             auch
Schaubild 4
                                                                                          • durch die Anhebung des Fürsorgeniveaus und
                Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS)
                              (zuletzt 2003)
                                                                                             die damit verbundene Ausweitung des Kreises
                Nach ihrem Nettoeinkommen geschichtete
                                                                                             der Fürsorgeberechtigten unter den Älteren
                          (Single-) Haushalte
                                                                                          oder auch durch eine Kombination beider Ent-
                                                                                          wicklungen.

                                                                                          So stiege die nach heutigen Werten rechnerisch er-
     ohne Sozialhilfe-                          Verbrauchsausgaben                        forderliche Zahl an Beitragsjahren zur Deckung des
       empfänger                                 (bereinigt um nicht
                                                regelsatzrelevanten                       Grundsicherungsbedarfs eines Alleinstehenden bei
                                                     Verbrauch)
                                                                                          Erhöhung des Regelsatzes auf beispielsweise 420 €
                                                                                          um drei auf 31 Jahre (Durchschnittsverdiener). In
                              20%                                Regelsatz (347 €)        Kombination mit der politisch beschlossenen Ni-
                                                                                          veauabsenkung auf 43% wären im Jahre 2030 be-
                                                            © Arbeitnehmerkammer Bremen
                                                                                          reits 38 Beitragsjahre erforderlich14 – verglichen
                                                                                          mit heute eine Steigerung um mehr als ein Drittel.
Bei den der Regelsatzbemessung zugrunde liegen-
den unteren 20% der nach ihrem Nettoeinkommen                                             Schaubild 5
geschichteten Single-Haushalten13 handelt es sich                                                Erforderliche Anzahl an Beitragsjahren zur Deckung
                                                                                                   des Grundsicherungsbedarfs mit der Nettorente
überwiegend um Rentnerhaushalte. Deren künftige                                                                  - Single, nach heutigen Werten -

Einkommensentwicklung wiederum dürfte maßgeb-                                                    SvS = Sicherungsniveau vor Steuern
                                                                                                 RS = Regelsatz
                                                                                                                                                SvS: 43% (2030)
                                                                                                                                                RS: 420 €
lich bestimmt werden durch die Höhe der Renten-                                                                          SvS: 52% (heute)
                                                                                                                         RS: 420 €
anpassungen. Wenn aber sowohl die im Abstand                                                     SvS: 52% (heute)
                                                                                                 RS: 347 €
von fünf Jahren fällige (Neu-) Bemessung wie auch
die zwischenzeitliche Fortschreibung der Regel-
sätze methodisch bzw. de facto derart eng an die
Entwicklung der Renten der gesetzlichen Renten-
versicherung gekoppelt ist, dann spiegelt sich in
der Regelsatzentwicklung nahezu ungebrochen die
Absenkung des Rentenniveaus. Aufgrund dieser                                                     28   37   56             31   41   62              38   50   75

Koppelung an die Renten ist die Regelsatzent-
                                                                                                                    50%-Verdiener
wicklung in dem Sinne wirkungsneutral, dass sie                                                                     75%-Verdiener
                                                                                                                    Durchschnittsverdiener      © Arbeitnehmerkammer Bremen
den Anteil der künftig auf Grundsicherung an-

13                                                                                        14
  Um Zirkelschlüsse zu vermeiden, wird dieses Segment der EVS                                 Ohne Regelsatzerhöhung wären es 34 Beitragsjahre, vgl.
um Haushalte von Sozialhilfeempfängern bereinigt                                          Schaubild 2

Grundsicherung im Alter und die «Riester»-Rente
Johannes Steffen – Arbeitnehmerkammer Bremen – 01/2008 – www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/
                                                                                                                                                                              5
So, wie die drastische Absenkung des Renten-                                         der     Verbreitungsgrad     der    hochgepriesenen
niveaus das Pflichtsystem perspektivisch in Frage                                    »Riester«-Rente offensichtlich bei denjenigen viel
stellt, so könnte eine »drastische« Erhöhung des                                     zu gering ist, die als Geringverdiener und/oder un-
Grundsicherungsniveaus das Pflichtversicherungs-                                     stetig Beschäftigte ein besonders hohes Armuts-
system aktuell in Frage stellen. Sozialpolitische Po-                                risiko im Alter tragen. Hinzu kommt, dass private
sitionen, die sich als vermeintlich fortschrittliches                                Vorsorge im Einzelfall um so weniger rentierlich ist,
Gegenmodell zur – aber unter Inkaufnahme der –                                       je später im Lebenszyklus damit begonnen wird. –
Rentenniveausenkung auf den Ausbau der Grund-                                        Ob es auch eine zielführende Schlussfolgerung ist,
sicherung (im Alter) fokussieren, würden dem                                         darf allerdings weiterhin bezweifelt werden.
Pflichtversicherungssystem vermutlich legitimato-
                                                                                     Ergebnis einer derartigen Privilegierung privater
risch den endgültigen »Todesstoß« versetzen. Die
                                                                                     Vorsorge bei der Grundsicherung im Alter wäre: Je
deutliche Erhöhung des Grundsicherungsniveaus
                                                                                     höher bei einer im Einzelfall – oder auch strukturell
ohne Rückkehr zu einem vom Ziel her lebens-
                                                                                     – nicht bedarfsdeckenden gesetzlichen Rente der
standardsichernden sozialen Rentensystem machte
                                                                                     Anteil der »Riester«-Rente am eigenen Altersein-
das Pflichtsystem »Rente« im Bewußtsein der
                                                                                     kommen ist, um so höher fiele das verfügbare Ein-
Mehrheit der Versicherten »überflüssig«.
                                                                                     kommen aus (Schaubild 6). Während heute eige-
                                                                                     nes Alterseinkommen unabhängig von dessen Zu-
Nichtanrechnung privater Vorsorge
                                                                                     sammensetzung (gesetzliche Rente, Einkommen
auf die Grundsicherung im Alter
                                                                                     aus Privatvorsorge) in voller Höhe angerechnet
Die in den vergangenen Wochen verstärkte öffent-                                     wird, bestünde bei Freistellung etwa der »Riester«-
liche Wahrnehmung des sich abzeichnenden                                             Rente von der bedarfsmindernden Anrechnung auf
Trends zu künftig wieder steigender Altersarmut                                      die Grundsicherung im Alter ein hohes Interesse an
hat im politischen Raum eine Reihe von in ihrer                                      der Reduzierung der Leistungen aus dem Solidar-
Stoßrichtung weitgehend identischen Vorschlägen                                      system zugunsten von Leistungen aus privater
hervorgebracht. Bei aller Unterschiedlichkeit im                                     Vorsorge. Dies beträfe im Schnitt alle Ein-
Detail ist ihnen das Ansinnen gemeinsam, Ein-                                        personenhaushalte, deren Ansprüche an die
kommen aus privater Vorsorge im Alter (teilweise)                                    gesetzliche Rentenversicherung auf am Ende
von der Anrechnung auf die staatliche Grund-                                         weniger als 34 (Durchschnittsverdiener) bzw. 45
sicherung auszunehmen.                                                               (75%-Verdiener) Beitragsjahren beruhen. Und
Schaubild 6                                                                          auch bei denjenigen, deren gesetzliche Rente
                                                                                     oberhalb des Grundsicherungsniveaus liegen wird,
             Erhöhung des verfügbaren Alterseinkommens
               durch Privilegierung der »Riester«-Rente                              könnte wegen der damit in Aussicht stehenden Er-
                               - Beispiel -
                                                                                     höhung ihres verfügbaren Einkommens ein großes
  verfügbares Einkommen
                                                                                     Interesse daran entstehen, die Leistungsfähigkeit
  Grundsicherungsbedarf                                             anrechnungs-
                                                                    freies           des Solidarsystems zugunsten individueller Privat-
                                                                    Einkommen
                                                                                     vorsorge noch mehr zu senken. Der Privatisierung
           20%            30%             40%              50%      Sozialhilfe      sozialer Risiken würde damit weiter Vorschub ge-
                          (10%)                                                      leistet und das Ansehen des Solidarsystems weiter
                                         (20%)                      »Riester«-
                                                          (30%)
                                                                    Rente            geschwächt.
           80%            70%             60%              50%      gesetzliche
                                                                    Rente
                                                                                     Die Annahme schließlich, eine (teilweise) Frei-
                                                                                     stellung privater Vorsorge von der Anrechnung auf
                                                                                     die Grundsicherung im Alter könne einen Beitrag
           heute            bei Freistellung privater Vorsorge                       leisten zur Bekämpfung von Altersarmut, dürfte
                                                       © Arbeitnehmerkammer Bremen
                                                                                     sich schnell als irrig herausstellen. Wenn das
                                                                                     heutige Grundsicherungsniveau als zu gering er-
Damit würde jenen Prekarisierten eine »Be-
                                                                                     achtet wird, um Armut wirksam zu vermeiden,
lohnung« in Aussicht gestellt, die private Altersvor-
                                                                                     dann sollte es – u.a. den Wohlfahrts- und Sozial-
sorge betreiben, und gleichzeitig für diejenigen, die
                                                                                     verbänden sowie ihren Repräsentanten – vorrangig
dies bislang aus den eingangs geschilderten Grün-
                                                                                     darum gehen, den Regelsatz des SGB XII bedarfs-
den nicht tun, ein zusätzlicher – über die heutige
                                                                                     deckend zu erhöhen; die Privilegierung Einzelner
Förderung weit hinausgehender – Anreiz ge-
                                                                                     und dort womöglich insbesondere derjenigen mit
schaffen, sich bitteschön erwartungskonform zu
                                                                                     einem besonders »glücklichen Händchen« bei der
verhalten. Dies ist eine politisch keineswegs un-
                                                                                     Wahl des Vorsorgeprodukts, kann nicht ernsthaft
logische Schlussfolgerung aus dem Umstand, dass
                                                                                     als Ansatzpunkt zur Armutsbekämpfung empfohlen

Grundsicherung im Alter und die «Riester»-Rente
Johannes Steffen – Arbeitnehmerkammer Bremen – 01/2008 – www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/
                                                                                                                                        6
werden. Wessen Privatvorsorge privilegiert be-                                                   Der Privilegierung auf der einen stünde die fakti-
handelt wird, den interessiert die weitere Ent-                                                  sche Diskriminierung des Solidarsystems auf der
wicklung des Fürsorgeniveaus nur noch am Rande.                                                  anderen Seite gegenüber. Damit geriete aus-
                                                                                                 gerechnet jenes System noch weiter unter Druck,
Zudem kann offenbar nicht häufig genug daran er-
                                                                                                 das als einziges überhaupt in der Lage ist, solidari-
innert werden, dass das perspektivisch steigende
                                                                                                 schen Ausgleich zwischen »guten« und »schlech-
Risiko von Altersarmut seine Ursachen nicht in der
                                                                                                 ten« Risiken zu organisieren, Sicherungslücken im
ausnahmslosen Anrechnung eigenen Einkommens
                                                                                                 individuellen   Erwerbs(einkommens-)verlauf       zu
auf die Leistungen der Grundsicherung hat, son-
                                                                                                 schließen sowie alle drei so genannten bio-
dern – neben den Entwicklungen auf dem Arbeits-
                                                                                                 metrischen Risiken obligatorisch abzusichern und
markt15 – zurückzuführen ist auf den politischen
                                                                                                 damit    im    Ergebnis   drohender    Altersarmut
Abbau des Solidarsystems; Auftraggeber, Archi-
                                                                                                 strukturell vorzubeugen.
tekten und Bauherren des Abbruchs haben Namen
und Adresse. Die Folgen dieses Katastrophen-                                                     Zudem könnte die (teilweise) Nichtanrechnung pri-
kurses in der Alterssicherungspolitik nun mit einer                                              vater Vorsorge zwar das verfügbare Einkommen
weiteren nochmaligen Privilegierung privater Vor-                                                der hiervon Begünstigten erhöhen – eine Weiter-
sorge beheben zu wollen, hieße, den Teufel mit                                                   entwicklung in Richtung einer das sozio-kulturelle
Beelzebub austreiben zu wollen.                                                                  Existenzminimum       tatsächlich   garantierenden
                                                                                                 Grundsicherung würde damit aber gerade nicht ge-
Schaubild 7
                                                                                                 fördert, sondern eher verhindert. Ergebnis wäre
      Hauptursachen eines steigenden Armutspotenzials im Alter                                   eine Grundsicherung erster und zweiter Klasse im
                                                                                                 Alter. Das von der – seit jeher final orientierten –
             Entwicklungen
            am Arbeitsmarkt                           Senkung des Rentenniveaus                  Fürsorge gewährte Sicherungsniveau wäre damit
                                                                                                 de facto vorleistungsabhängig.
             Langzeitarbeitslosigkeit                            Entkoppelung der Renten
             Teilzeitbeschäftigung                               von der (Netto-) Lohnent-

             Niedriglöhne
                                                                 wicklung                        Mit der »Belohnung« privater Vorsorge auch noch
                                                                 Verabschiedung vom Ziel
             Mini-Jobs                                           der Lebensstandard-             in der Leistungsphase würde somit nicht nur die
             Solo-Selbständigkeit                                sicherung
                                                                 Teilprivatisierung der Risi-    solidarische Rentenversicherung weiter geschwächt
                                                                 koabsicherung
                                 ... haben Einfluss auf ...
                                                                                                 – auch das Ziel einer das sozio-kulturelle Exis-
                                                                                                 tenzminimum garantierenden Fürsorge würde auf
         Höhe der individuellen
         Rentenanwartschaften
                                                  Sicherungsziel/Leistungsfähigkeit
                                                  des Systems der Altersversorgung               dem Privatisierungsaltar geopfert.

                               ... erforderlich sind daher ...

     Schließung von Sicherungslücken
                                                         Rückkehr zum Ziel der
             im individuellen
                                                        Lebensstandardsicherung
      Erwerbs (einkommens-) verlauf

                                                                   © Arbeitnehmerkammer Bremen

Politik müsste ein hochgradiges Interesse an einem
strukturell armutsfesten sozialen Sicherungs-
system haben. Diese Armutsfestigkeit aber droht
zunehmend verloren zu gehen – nicht trotz,
sondern wegen der Teilprivatisierung des Alters-
sicherungssystems. Das scheint die öffentliche
Debatte der letzten Wochen zumindest ansatz-
weise deutlich gemacht zu haben.

Die Forderung nach (teilweiser) Anrechnungsfrei-
heit von aus privaten Vorsorgeanstrengungen re-
sultierenden Leistungen bei der Grundsicherung im
Alter aber verschleiert und verschärft eher das
Problem, als dass es zu dessen Lösung beitrüge.

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   Einer von ihnen, der Vorsitzende des Sozialbeirats und Chef
der »Fünf Weisen«, Bert Rürup, erdreistet sich dabei nicht, im
Nachhinein zu unterstellen, die Entwicklungen seien bei Ver-
abschiedung der Reform »in dieser Dynamik« noch nicht bekannt
gewesen, vgl. B. Dribbusch, Wenig Rente für Generation Sand-
wich, taz v. 25.01.2008

Grundsicherung im Alter und die «Riester»-Rente
Johannes Steffen – Arbeitnehmerkammer Bremen – 01/2008 – www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/
                                                                                                                                                    7
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