GRUNDSTEUER: QUO VADIS? - PROF. DR. DIRK LÖHR 50. FREIBURGER IMMOBILIEN-FACHSEMINAR, 12.04.2019 - Deutsche Immobilien Akademie ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
DIE WICHTIGSTEN PUNKTE − Einheitswerte (West von 1964, Ost von 1935) verstossen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz − Zweistufige Frist: − Neuregelung bis spätestens Ende 2019 erforderlich − Danach können die Einheitswerte noch maximal fünf Jahre verwendet werden, längstens bis Ende 2024 − Bei Verstoß: … droht die Aussetzung der Grundsteuer!
WICHTIGE VORGABEN DES BVERFG − Künftige Reformoptionen: Gesetzgeber hat weiten Spielraum. − Neue Bewertungsregeln müssen aber den Belastungsgrund der Steuer erfassen und die Relation der Wirtschaftsgüter realitäts- und gleichheitsgerecht abbilden (BVerfG 2018, Tenor, Nr. 1; Rz. 97).
WAS BISHER GESCHAH 11 / 2016 09 / 2017 02 / 2019 03 / 2019 Bundesrats- Bundestagswahl: BMF: WUM BMF: Nach- initiative Diskontinuität und WAM justierung WAM Adam Smith … Henry George … William Vickrey … „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ Bodenwertsteuer
VERBUNDMODELLE Befürworter: (Immobilien-) Wirtschaft und ihre Verbände (z.B. ZIA), Das Flächenmodell Grundeigentümer (z.B. Haus & Grund) (wertunabhängiges Modell - WUM, Südmodell, „Einfachsteuermodell“) Unterstützung durch ifo-Institut Weite Teile der CDU/CSU-Fraktion und der FDP
FLÄCHENMODELL: BELASTUNGSGRUND, BEWERTUNGSZIEL “Die Grundsteuer soll neben der Erhebung von Gebühren und Abgaben die kommunalen Kosten für die Bereitstellung und die Instandhaltung öffentlicher Infrastruktur finanzieren, die durch den Besitz bzw. die Nutzung eines Grundstücks entstehen. Die Grundsteuer sollte daher mit ihrem Äquivalenzprinzip an eine mögliche Inanspruchnahme von öffentlichen Leistungen bzw. der Gewährung von Daseinsvorsorge geknüpft sein.” (AG Kommunalpolitik der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag) Begründung: Offenbar Kostenäquivalenz => Bemessungsgrundlage?
FLÄCHENMODELL: BEMESSUNGSGRUNDLAGE Boden: Fläche (qm) x 2 Cent (Wertzahl) + Gebäudegrundfläche x Geschosszahl x 20 Cent (Gewerbe: Äquivalenzzahl 40 Cent) 11
FLÄCHENMODELL: BEMESSUNGSGRUNDLAGE Quelle: Hamburger Vereinfachungen: Diskussionspapier, S. 4 Brutto-Grundfläche: Gebäude-Grundfläche x Vollgeschossflächenzahl 12
FLÄCHENMODELL: BEMESSUNGSGRUNDLAGE Quelle: Hamburger Vereinfachungen: Diskussionspapier, S. 4 “im Hinblick auf die eingeschränkte Nutzbarkeit von Kellern und der Dachschrägen bei Dachböden sollten darin jeweils Keller und Dachgeschoss typisierend mit der halben Vollgeschossflächenzahl berücksichtigt werden” 13
FLÄCHENMODELL: BEMESSUNGSGRUNDLAGE Quelle: Hamburger Vereinfachungen: Diskussionspapier, S. 4 “Alternativ kann ggf. Auch die Gebäudehöhe vom tiefsten Schnittpunkt zwischen Gebäude und Erdoberfläche (bei Hanglage talseitig) vom Steuerpflichtigen angegeben werden und?????????????? daraus die Vollgeschossflächenzahl ermittelt werden …” 14
FLÄCHENMODELL: BEWERTUNG Technisch: Ermittlung der Gebäudefläche ist keineswegs trivial! Werden die Grenzen der Typisierung überschritten? Notwendige Daten sind nicht in allen Bundesländern vorhanden? Nachhalten der Flächen in Hauptfeststellungen erforderlich! 15
FLÄCHENMODELL: BEWERTUNG Rechtlich: Stellenwert des Leistungsfähigkeitsprinzips? Argumentation mit Folgerichtigkeit, aber: − Was genau sollen Äquivalenzzahlen eigentlich abbilden? − Warum einheitliche Äquivalenzzahlen trotz unterschiedlicher kommunaler Kostenstrukturen? − Warum höhere Äquivalenzzahlen für Gewerbe? => Wahl der Äquivalenzzahlen bislang willkürlich! Jegliche Differenzierung = Annäherung an Wertgrößen! 16 Verfassungsänderung mit Sicherheit erforderlich!
FLÄCHENMODELL: BEWERTUNG Wirtschaftlich / sozial / städtebaulich: Kaum Belastung von unbebaut vorgehaltenen Grundstücken! Immobilie an peripherem Standort wird genauso besteuert wie flächengleiche Immobilie an hochpreisigem Standort! Belastung der Investition (größte Last liegt auf Gebäudesteuern)! Belastung der Wirtschaftstätigkeit in der Peripherie! 17
FLÄCHENMODELL: BEWERTUNG Wirtschaftlich / sozial / städtebaulich: 18 Zentralere Orte: mehr hochwertige Dienstleistungen Peripherere Orte: stärker produktionsorientiert
VERBUNDMODELLE Befürworter: Teile der kommunalen Spitzenverbände Das „Kompromissmodell“ (modifiziertes WAM) Weite Teile der SPD-Fraktion und der Fraktion der Bündnisgrünen
BEGRÜNDUNG: A) MIT NUTZENÄQUIVALENZ (?) B) MIT LEISTUNGSFÄHIGKEIT?=> BEMESSUNGSGRUNDLAGE? Privat geschaffene Werte: Nutzenäquivalenz? Öffentlich geschaffene Werte
MIETWERTMODELL: STEUERERKLÄRUNG Abgefragt Mögliche Probleme 1. Grundst.-fläche keine ?§? 2. Bodenrichtwerte “Geglättete” Bodenrichtwerte, aber … 3. Nettokaltmiete Amtl. ermittelte Durchschnittsmieten, aber … 4. Wohnfläche Komplex und angreifbar! 5. Baujahr Wirtschaftliche Betrachtung außer Acht gelassen (Renovierungen, Modernisierungen, Anbauten – s. Folgeseite) 6. Wohnförderung? Zwecks Ansatz ermäßigter Steuermesszahlen 21
Baujahr: Ermittlung und Aussagekraft?
MIETWERTMODELL: BEWERTUNG Technisch: Komplexität geringer als bei Einheitsbewertung, aber … Nicht-Wohngrundstücke: Modifiziertes Sachwertverfahren! Land- und Forstwirtschaft: Spezielles Verfahren! Änderungen müssen in Hauptfeststellungen nachgehalten werden! Wieviel Manpower (Katasterverwaltungen, Finanzverwaltung)? Gelingt Digitalisierung und Umsetzung bis 2024? 23
MIETWERTMODELL: BEWERTUNG Rechtlich: Nähe zur (Sonder-) Vermögensteuer? Unabhängiger Belastungsgrund? Falls Begründung mit Leistungsfähigkeit: Relation der Steuerwerte darf sich nicht ohne triftigen Grund erheblich von der Struktur der Verkehrswerte unterscheiden! Erforderlichkeit einer Verfassungsänderung noch unklar! 24
MIETWERTMODELL: BEWERTUNG Wirtschaftlich / sozial / städtebaulich: − Investitionen (in den Wohnungsbau) bestraft − Überwälzbarkeit, Gentrifizierungsgefahr − Unbebaute Grundstücke nur mäßig mobilisiert − Compliance zur Planung bestraft 25
WUM, WAM UND … … Wendelin?
UNVERBUNDENES MODELL Befürworter: - Initiative “Grundsteuer: Zeitgemäß!” - Unterstützung u.a. durch IW Köln, Die Bodenwertsteuer DIW - Deutsche Steuergewerkschaft - Teile der SPD, der FDP und der Grünen
ANSATZPUNKT: 2 WIRTSCHAFTSGÜTER Privat geschaffene Werte Öffentlich geschaffene Werte
BORIS-SYSTEM
BODENWERTMODELL: BELASTUNGSGRUND, BEWERTUNGSZIEL Begründung: mit Nutzenäquivalenz (kompatibel mit Leistungsfähigkeitsprinzip) Erfassung der v.a. durch kommunale Bereitstellung (!) öffentlicher Güter vermittelten Vorteile, die sich (unabhängig von der Bebauung) im Bodenwert zugunsten des Bodeneigentümers niederschlagen. (Die konkrete Inanspruchnahme von Leistungen durch die Nutzer der Grundstücke wird i.d.R. durch Gebühren abgedeckt und muss nicht durch eine Gebäudekomponente erfasst werden). 31
ÖFFENTLICHE BEREITSTELLUNGSKOSTEN (FIXKOSTEN) Nutzung Infrastruktur: Gebühren! Bereitstellung Infrastruktur: Bodenwerte!
BODENWERTSTEUER: BEMESSUNGSGRUNDLAGE Boden: Fläche (qm) x Bodenrichtwert (Difu-Modell: + Bodenfläche x Äquivalenzzahl) 33
WIRKUNG Ergänzung der Bodenwertkomponente durch Lenkungskomponente: Bodenwertkomponente mit Blick auf Investition neutral. Teure Lagen: Bodenflächenkomponente dämpft Preisdifferenzierung (soziale Zielsetzung) Periphere Lagen: Bodenflächenkomponente reizt zu effizienterer Flächennutzung an (planerische / ökologische Zielsetzung) 34
BEWERTUNG Technisch: − Unterschiedliche Qualität der Arbeit der Gutachterausschüsse (s. Bayern, Baden- Württemberg, Berlin) − Probleme bei kaufpreisarmen Lagen und Grundstückstypen (Innenstädte, Gewerbebetriebe, ländliche Regionen) − Aber:Verbesserung durch Vereinheitlichung im Gutachterausschusswesen, automatisierte Bodenrichtwertermittlung als stützendes Verfahren. 35
BEWERTUNG Rechtlich: − Bodenwertmodell kann Belastungsgrund folgerichtig und gleichheitsgerecht abbilden. − Aber:Verfassungsänderung mit Sicherheit erforderlich. 36
BEWERTUNG Wirtschaftlich / sozial: − Unterstützt planerische Zielsetzungen. − Ökonomisch effizient. − Sozial: Abschöpfung der Bodenrente und schwierige Überwälzbarkeit, aber stärkste Differenzierung nach Lagen. 37
BELASTUNG DER MIETER - ÜBERWÄLZUNG € Angebot 2 Angebot 1 Mieter Nachfrage Vermieter Steuer 39 X
ALSO Bodenwertsteuer: − … differenziert starker nach Lagen als andere Modelle − … belastet aber unabhängig von rechtlicher Umlagefähigkeit langfristig den Bodeneigentümer (bei Überwälzung sinken erzielbare Nettokaltmieten) 40
“PUBLIC VALUE OF LAND” - ODER: WER HAT DIE BODENWERTE GESCHAFFEN? Alfred Marshall (1842-1924) Bodenwerte sind das Resultat externer Effekte: Leistungen der Allgemeinheit! Kein Bodeneigentümer hat den Wert seines Bodens selbst geschaffen!
Arbeitnehmer Verbraucher Abgaben ----------------- € Mieter € € Mieten, Öffentliche Produktpreise Leistungen Gewinner: Bodeneigentum! Cui Bono?
VERMÖGENSVERTEILUNG (GINI-KOEFF.: 0.76!) Inwertsetzung der Standorte mit öffentlichen Mitteln zugunsten der reichsten 10 Prozent (an den besten Standorten)!
Im Schlaf reich werden!? - seit dem 2. Weltkrieg : Ca. 80 % des globalen Anstiegs der „Immobilienpreise“ wurden durch Bodenpreissteigerungen verursacht! Quelle: Knoll / Schularick / Steger (2018)
ERWEITERTE STANDORTRENTE NACH DEZILEN, PRIVATISIERTER ANTEIL (2016) 140,0 120,0 115,8 100,0 80,0 60,0 38,9 40,0 24,0 20,0 14,1 3,9 7,1 45 0,0 1.-5. Dezil 6. Dezil 7. Dezil 8. Dezil 9. Dezil 10. Dezil
EFFIZIENZ DER BODENWERTSTEUER Super-Neutralität: Lenkt nicht aktiv, aber − … belastet keine Investitionen! − … führt zu keinen steuerlichen Zusatzlasten! − … nimmt Verzerrungen der heutigen, verbundenen Steuern weg! − … belastet unbebaute und bebaute Grundstücke gleich! 46
SENKT DIE BODENWERTE, LENKT INVESTITIONEN IN GEBÄUDE (“PORTFOLIOEFFEKT”): 47
BEFOLGUNG DER PLANUNG: 48
REFERENZEN …. und viele andere mehr …
QINGDAO, DEUTSCHE KOLONIE (1898 – 1914) MIT EINER VORBILDLICHEN STEUER- UND BODENORDNUNG Sun Yat-sen (1866-1925) 50
QINGDAO, BODENRICHTWERTKARTE 51 In kürzester Zeit implementiert!
UND “DER APPARAT”? 52
VERGLEICH DER MODELLE Zahllastverschiebungen (vorläufige Berechnungen)
Durchschnitt Deutschland Prämisse: Aufkommensneutralität! Angaben in Euro Durchschn. Steuer / WE ØUG/ WE EFH MFH NWG Ø BRW 197 173 215 135 Status Quo 19 293 152 1.158 Bodenwertsteuer 130 427 111 816 Difu-Modell 116 417 94 947 Modell BMF 47 296 112 1.364 Flächensteuer 17 288 129 1.306 (ÄZ NWG = 0,20) Flächensteuer 12 210 94 1.788 (ÄZ NWG = 0,40)
d.loehr@umwelt-campus.de
Sie können auch lesen