Grüne Kraftstoffe: Die nachhaltige Alternative - WKO
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Panorama 27 Grüne Kraftstoffe: Die nachhaltige Alternative © phonlamaiphoto - stock.adobe.com, CO2-Neutralität. Neben großen Technologiesprüngen in Richtung grüner Wasserstoff wartet schon die nächste klimafreundliche Innovation, die auch viele Besitzer von Ölheizungen in Tirol aufhorchen lässt. Mit einem klimaneutralen, synthetischen Kraftstoff können die Kessel weiter betrieben werden. 1:1. „Bei den Testanlagen waren teils nicht einmal Tankreinigungen nötig“, weiß Alexander Gutmann. W ie die meisten, so hat auch die Klima-Me- der Atmosphäre, wo es verhindert, dass die Wär- ternehmer wie noch nie zuvor ihre Projekte beim daille zwei Seiten. Die eine zeigt das ver- mestrahlen der Erde in den Weltraum ausgestrahlt Trigos eingereicht. heerende Bild, das aus Verschmutzung, werden. Darum wird es wärmer. Der Treibhausef- Der Tirol-Takt ist bemerkenswert. Ende des Jah- Verschwendung und massiven Auswirkungen be- fekt ist bekannt. Er klingt logisch, ja, fast simpel. res wird die IKB (Innsbrucker Kommunalbetriebe steht, die ökologische Kreisläufe zerstören und mit Doch simpel ist gar nichts in seinem Zusammen- AG) die Straßenbeleuchtung von ganz Innsbruck ihnen die Chance auf eine lebenswerte Zukunft. hang, bedarf es doch gigantischer Anstrengungen, auf LED-Technologie umgestellt haben, womit jähr- Die andere Seite der Medaille zeigt ein fast atem- den CO2-Ausstoß zu reduzieren und die Klimaziele lich rund 2,5 Gigawattstunden Strom eingespart loses Bestreben, diesen fatalen Entwicklungen ent- zu erreichen, die für 2050 die Klimaneutralität für werden, was dem Jahresstromverbrauch „eines gegen zu wirken – mit Demonstrationen, Aktionen, Europa anstreben. Österreich hat sich zum Ziel ge- kleinen Dorfes“ mit 650 bis 700 Haushalten pro Innovationen und klimafreundlichen Sensationen. setzt, bereits 2040 klimaneutral zu sein. Jahr entspricht. Die Tiroler Landeshauptstadt wird Allem übergeordnet sind dabei die Klimaziele, ob damit die erste österreichische Stadt sein, in der di- global, national oder regional formuliert. Der rote Straffer Tirol-Takt ese Technologie umgesetzt wurde. Faden zwischen all diesen klimarettenden Triggern Klimaneutral bedeutet, dass keine neuen Treib- Im März 2020 war der innovative Fokus auf Völs ist das Kohlendioxid, dessen chemische Formel hausgase in die Atmosphäre abgegeben werden. gerichtet, als unter Federführung der Firma MPreis inzwischen bekannter ist, als die von Wasser – Klimaneutral bedeutet damit das Aus für die Ver- mit dem Bau der Wasserstoff-Produktionsanlage nämlich CO2. brennung fossiler Brennstoffe. Das ist das Ziel. Die begonnen wurde. 2021 soll sie fertig sein und mit An sich ist dieses farblose und geruchlose Gas Dekarbonisierung ist der Treiber für eine Art inno- der Abwärme der Produktionsanlage beispielswei- total natürlich und auch wichtig. Es kommt in der vativen Aktionismus, der in alle Lebens- und Ar- se die große MPreis-Bäckerei Therese Mölk heizen. Atmosphäre vor, in den Ozeanen und in der Pflan- beitsebenen reicht. Erst im September 2020 haben Der im Zuge der Elektrolyse (mit der Wasser – also zenwelt. Durch die Verbrennung von Pflanzen und die Tiroler Unternehmen im Rahmen des „Trigos H2O – in seine Bestandteile – also Wasserstoff und aus Pflanzen entstandenen Rohstoffen – wie Koh- Tirol“, der renommiertesten Auszeichnung für ver- Sauerstoff gespalten wird) gewonnene Wasserstoff le, Erdöl und Gas – wird CO2 frei gesetzt. Weil di- antwortungsvolles, nachhaltiges Wirtschaften, ge- selbst soll die Transportflotte von MPreis betreiben. ese fossilen Brennstoffe in einer irren Menge und zeigt, wie tief jene Überzeugung wurzelt, dass jeder In den nächsten sieben Jahren werden die rund 50 einem nicht minder irren Takt verbrannt wurden sein Stück Verantwortung für die CO2-Reduktion Diesel-Lkws des Unternehmens ausgetauscht und und nach wie vor werden, ballt sich das CO2 in übernehmen kann. Trotz Corona hatten so viele Un- durch Wasserstofftrucks ersetzt.
28 Panorama Zwei Millionen Liter Diesel, die das Unter- nehmen jährlich verbrennt, werden damit eingespart. Wasserstoff-Chancen „In der Wasserstofftechnologie stecken viele Chan- cen für Tirol, weil wir erneuerbaren Strom ha- ben und man Wasserstoff grün herstellen kann“, „In der Wasserstofftechnologie stellt Stefan Garbislander, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik und Strategie der Tiroler Wirt- stecken viele Chancen für Tirol, schaftskammer, dazu fest. Grün wird Wasserstoff nur dann, wenn zu seiner energieintensiven Her- weil wir erneuerbaren Strom stellung erneuerbarer Strom – wie eben die Tiro- ler Wasserkraft – verwendet wird. Werden für die haben und man Wasserstoff grün Elektrolyse fossile Brennstoffe verwendet, kann Wasserstoff nicht grün sein. Logisch. herstellen kann.“ Mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge stoßen Stefan Garbislander nichts als Wasserdampf aus. Das ist die eine höchst umweltfreundliche Seite, wird diese Technologie in der Mobilität eingesetzt. Der andere Clou von H2 ist, dass er gespeichert werden und damit auch halten bis groß bei der Nutzung von Fernwärme. und real bedeutet. Es zielt nur auf den fossilen als Speicher für jene erneuerbaren Energiequellen Power-to-Gas bezeichnet das, was bald in Völs pas- Brennstoff ab, nicht auf die Kessel selbst“, spricht genutzt werden kann, die Strom sprichwörtlich je siert, wo Energie in Brenngas „verwandelt“ wird Alexander Gutmann, Fachgruppenobmann Ener- nach Wetterlage erzeugen. Wird von den Wind- – meist Wasserstoff, doch auch Ammoniak oder giehandel der WK Tirol, jenes Gesetz an, das viel kraft- und Solaranlagen beispielsweise zu viel Methan können auf diese Weise hergestellt wer- Verunsicherung verbreitete. Schließlich liefern Strom erzeugt, kann damit Wasserstoff produziert den. Power-to-Gas kann aber auch der erste Schritt österreichweit um die 650.000 Ölheizungen die und gespeichert werden. Wird aufgrund einer zu einer dritten Power-Möglichkeit sein. Power-to- häusliche Wärme, Tirol ist Spitzenreiter. All diese Wind- und Sonnenflaute zu wenig erneuerbarer Liquid heißt sie. Ziel dieses technischen Prozesses Kessel auszutauschen, stellt eine extreme volks- Strom geliefert – was die Energie- und Netzbetrei- ist es, elektrische Energie zur Herstellung flüssiger wirtschaftliche Aufgabe dar, an deren Bewältigung ber Europas regelmäßig schwitzen lässt – kann Kraftstoffe zu verwenden. in den nächsten zehn Jahren nicht zu denken ist. die in Form von Wasserstoff gespeicherte Energie Und hier wartet Österreich mit einer Innovati- „Wir haben schlicht nicht so viele Fachkräfte, um ins Netz abgegeben werden und nicht nur die Ge- on auf, in der das Zeug für eine Revolution steckt. das zu schaffen“, sagt Gutmann, der zusammen mit fahren eines Blackouts massiv mindern, sondern Weil die arg in Bedrängnis geratenen und im Zuge seinen Mitstreitern vor diesem Hintergrund einen auch die Nerven der Verantwortlichen schonen. der Dekarbonisierung geradezu verteufelten Ver- gewitzteren Weg eingeschlagen hat. Weg von der Das Völser Projekt wird von der EU-Kommission brennungsmotoren und Heizkessel mit klimaneu- Hardware, hin zur Software: „Wir tauschen nicht unterstützt (Demo4Grid), will sie doch alle Mög- tralen, synthetischen Kraft- und Brennstoffen das aus, was kompliziert ist, sondern das, was ein- lichkeiten ausreizen, um das große Ziel zu errei- eine umweltfreundliche Alternative zu den CO2- fach ist.“ chen. verursachenden fossilen Kollegen bekommen. Wird genug grüner Fuel erzeugt, müssen auch die An der Wurzel Grüner Kraftstoff funktionierenden Anlagen oder lieb gewonnenen Jürgen Roth, Fachverbandsobmann Energiehandel Der Weg zur Klimaneutralität wird an vielen ent- Motoren nicht ausgetauscht werden – was zu der WKO führt Gutmanns Feststellung weiter aus: scheidenden Kreuzungen vom Wort Power beglei- einem Aufatmen in vielen Garagen, aber auch in „Der Grund des Übels ist nicht der Verbrennungs- tet. Power-to-Heat wird die Erzeugung von Wärme zahlreichen Tiroler Haushalten führen dürfte. motor, die Flugzeugturbine oder die Ölheizung, son- mit elektrischer Energie aus Elektrokesseln oder „Wir hatten selber Mühe, herauszufinden, dern das Medium, mit dem sie betrieben werden. Wärmepumpen bezeichnet – von klein in Haus- was dieses Ölkesseleinbauverbotsgesetz faktisch Die meisten Konsumenten sind mit ihrem Dieselau- to zufrieden und auch mit ihrer Ölheizung. Der ein- zige Haken dabei beziehungsweise im Zusammen- hang mit den Klimazielen ist der fossile Kraftstoff, der CO2 emittiert. Dieses Problem haben wir an der Wurzel gepackt.“ Roth ist auch Vorstandsvorsitzender des In- stituts für Wärme und Öltechnik (IWO), die als Interessensvertretung der Mineralölwirtschaft am Raumwärmemarkt unter anderem das Ziel „Dieses Ölkesseleinbauverbotsgesetz verfolgt, klimafreundliche, flüssige Brennstoffe aus erneuerbaren Energien zu erforschen und zu zielt nur auf den fossilen Brennstoff ab, entwickeln. Wettbewerbsfähige e-Fuels bilden den Kern. Zusammen mit der AVL List GmbH hat die nicht auf die Kessel selbst.“ IWO dieses Ziel verfolgt und es ist ihnen gelungen, mit dem Pilotprojekt „Innovation Flüssige Ener- Alexander Gutmann gie“ zu einem großen Sprung in die CO2-neutrale Zukunft anzusetzen. Durch die Entwicklung der in- novativsten Power-to-Liquid-Anlage Europas, deren
Panorama 29 bereits vollständig ausfinanzierter Bau 2021 starten und 2022 beendet werden soll. Zehn Standorte in ganz Österreich stehen zur Auswahl für den Piloten. Die Entscheidung, wo die erste Power-to-Liquid-An- lage gebaut und in der ersten Phase rund 500.000 Liter grünen Kraftstoff erzeugen wird, fällt bald. „Unsere Anlage kann aus erneuerbarem Strom unter Zugabe von CO2 eines bestehenden Emit- „Der Grund des Übels ist nicht tenten – einer Biogasanlage etwa, eines Zement- werks oder der VOEST – einen flüssigen, komplett der Verbrennungsmotor, die zertifizierten Kraft- oder Brennstoff erzeugen, der morgen schon 1:1 in ein Dieselauto getankt werden Flugzeugturbine oder die könnte. Und das erstmals zu konkurrenzfähigen Preisen im Vergleich zum fossilen Diesel“, fasst Ölheizung, sondern das Medium, Jürgen Roth viele Highlights zusammen. Und es geht noch weiter: „Wir können damit überschüssigen mit dem sie betrieben werden.“ Strom speichern, können dafür die bestehende In- Jürgen Roth frastruktur nutzen und den flüssigen Kraftstoff bei- spielsweise im Winter nach Tirol bringen, um dort eine Pistenraupe zu befüllen, die dann in der Nacht dert, technologieneutraler zu denken und der in- Rucksack voll CO2 mitschleppt, zählt es derzeit aber komplett CO2-neutral fahren kann. Es gibt weltweit novativen Power-to-Liquid-Technik keine Steine in nicht, weil das Auto selbst kein CO2 emittiert“, regt nichts Vergleichbares mit dieser Effizienz.“ den Weg zu legen. Roth zu fairen Betrachtungsweisen an und Alexan- 1:1 – eins zu eins ist ein Zauberwort dieser Tech- der Gutmann ergänzt: „Wenn man ernsthafte und nik. „Bei den Testanlagen waren teils nicht einmal Faire Betrachtungsweise ehrliche Politik für Klima und Umwelt betreiben Tankreinigungen nötig“, weiß Alexander Gutmann Dass bei Fahrzeugen so gut wie ausschließlich da- will, ist unser Thema zentral. Es zeigt sich einmal über den unkomplizierten Wechsel zu berichten. rauf geachtet wird, was der Auspuff ausstößt, ist mehr, dass erfolgreicher Klimaschutz langfristig Weil die Anlage nicht nur klimafreundliches „Feu- jedenfalls eine Sichtweise, die für Roth zurecht- nur durch technische Innovation gelingen kann er“ für Autos, Lkw oder Ölheizungen, sondern auch gerückt werden müsste. Wird grüner Diesel „ge- und nicht mit kurzsichtigen Verboten. Wir können für Flugzeuge oder Schiffe liefern kann, verwun- fahren“, sind die Abgase in etwa die gleichen, wie unsere bestehenden Anlagen verwenden, auch weil dert das bereits anständig geäußerte internationale bei fossil angetriebenen Autos. „Es wird aber kein der Kraftstoff ganz normal gelagert werden kann Interesse an dieser österreichischen Innovation we- neues CO2 erzeugt. Zur Herstellung unserer Kraft- und die Technologie könnte zu einem Revival der nig. „Alle kämpfen mit dem gleichen Problem: Wie und Brennstoffe verwenden wir ausschließlich Verbrennungsmotoren führen.“ Auf der anderen kann ich die Mobilitätswende schaffen“, sagt Roth, CO2, das bereits erzeugt wurde. Dadurch werden Seite der Klima-Medaille darf mit allem gerechnet der im Namen seiner Mitstreiter die Politik auffor- der Treibstoff und das Fahren klimaneutral. Die- werden. se Gesamtbetrachtungsweise ist es, worum es am Ende geht. Wenn die Batterie eines e-Autos mit Koh- lestrom hergestellt wurde und das Fahrzeug einen Kurzsichtige Verbote sind nicht zielführend, wenn es um langfristigen Klimaschutz und einen erfolgreiche Mobilitäts- wende geht. Stattdessen könnten „grüne Kraft- stoffe“ zum Revival der bewährten Verbrennungs- motoren führen. © sveta - stock.adobe.com
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