KWK im Verbund mit Erneuerbaren Energien: Gegensatz oder Ergänzung? - BHKW jetzt

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KWK im Verbund mit Erneuerbaren Energien: Gegensatz oder Ergänzung? - BHKW jetzt
Die Kleehäuser im Stadtteil Vauban in Freiburg.                                                                          (Foto: Jörg Lange)

KWK im Verbund mit Erneuerbaren Energien:
Gegensatz oder Ergänzung?
Die Kleehäuser im Stadtteil Vauban zeigen beispielhaft, wie man sich mit Strom aus Erneuerbaren und Kraft-Wärme-Kopplung ver-
sorgen kann und dabei Treibhausgase und Geld spart.                                               Von Jörg Lange & Martin Ufheil

Sind wir uns über die Ziele einig?                 werden derzeit gerade einmal 14 % des
  Die öffentliche Energiewende-Diskussi­           deutschen Endenergiebedarfs aus Erneu­        Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
on dreht sich derzeit fast ausschließlich          erbaren Energien gedeckt. Linear fortge­
                                                                                                bezeichnet die gleichzeitige Erzeugung
um die Technik der Erzeugung von Strom             schrieben (ein derzeit eher optimistisches
                                                                                                von Wärme und Strom vor Ort. Vortei-
und deren Kosten. Der Strombedarf be­              Scenario) würden 100 % Erneuerbare
trug 2013 in Deutschland nur rund 528              Energien damit erst im Jahr 2100 er­         le der KWK gegenüber der getrennten
Mrd. Kilowattstunden (TWh). Die deutlich           reicht.                                      Erzeugung sind der verringerte Brenn-
größeren Sektoren sind die Wärme mit                  Umweltkosten wie Klimagase, radioak­      stoffeinsatz und geringere Schadstoff­
1200 TWh, die heute noch zu über 90 %              tiver Müll und Strahlung, Biodiversitäts­    emissionen. Die Förderung (auch der
aus Gas und Heizöl erzeugt werden, so­             zerstörung, Konkurrenz um Land (Land         Eigenstromerzeugung) durch das Kraft-
wie die Mobilität mit 700 TWh, die fast            Grabbing) etc. sind nach wie vor nicht       Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) und
ausschließlich mit Benzin und Diesel er­           durch unsere Energiekosten abgedeckt         das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
zeugt werden. Die Themen Einsparung                und werden damit zukünftigen Genera­         soll den Ausbau beschleunigen und den
und Effizienz bleiben in den Medien und            tionen aufgebürdet. Auch das Verursa­        Anteil an der Stromerzeugung von heu-
der Diskussiom um das Erneuerbare-                 cherprinzip wird in der Energiewirtschaft
                                                                                                te etwa 15,7 % auf 25 % bis 2020 stei-
Energien-Gesetz weitgehend außen vor.              nicht angewendet. Wer viel Energie oder
                                                                                                gern. Das Spektrum der elektrischen
  Die Kraft-Wärme-Kopplung droht dem               viel Netz nutzt, müsste nach dem Verur­
                                                                                                und thermischen Leistung von KWK-An-
langfristigen Ziel „100 % Erneuerbare              sacherprinzip auch proportional dafür
Energien“ zum Opfer zu fallen. Und das             zahlen. Meist ist das Gegenteil der Fall.    lagen reicht von wenigen Kilowatt für
zu einem Zeitpunkt, in der sie am effizi­          Um die Energieversorgung so umwelt­          Ein- und Mehrfamilienhäuser bis zu
entesten und kostengünstigsten helfen              freundlich wie möglich zu gestalten, be­     mehreren Hundert Megawatt zur Ener-
könnte, Atom- und Kohlekraft schnell               darf es der Einsparung von Energie, eines    gieversorgung ganzer Städte.
zu verdrängen. Wohlwollend gerechnet               möglichst regional ausgeglichenen Ver­

                                                                                                                 Flüssiggas 03 | 2014    23
KWK im Verbund mit Erneuerbaren Energien: Gegensatz oder Ergänzung? - BHKW jetzt
 Technik und ANwendung

brauchs, des geplanten Abschaltens von                                Last ohne Sonne & Wind (MW)       Sonne (MW)       Wind (MW)
Atom- und Kohlekraftwerken, des Aus­
baus von Sonnen- und Windkraftwerken                 10000

(vor allem an Land, „onshore“) und des
Ausbaus und der Nutzung der Flexibilität
                                                      8000
der Kraft- Wärme-Kopplung (KWK).

Energiewende geht nur mit den
                                                      6000
Bürgern

                                                MW
  Gefragt sind alle! Letztlich bestimmt
jede(r) mit, was und wie viel gekauft                 4000
wird, und bestimmt damit auch über den
Energieverbrauch. Eine bürgernahe Ener­
giewende setzt auf sparsames Verhalten                2000
sowie effiziente Energieanlagen auf unse­
ren Dächern und in unseren Kellern. Ob
die Politik den Stromhandel so reformie­                 0

ren wird, dass er die Umweltkosten abbil­
                                                                     Last ohne Sonne und Wind (MW)       Wind (MW)       Sonne (MW)
det und damit zukünftige Generationen
entlastet, kann man bezweifeln. Die gute            10000
Nachricht: Keiner muss darauf warten.
Jede(r) kann schon heute Energie einspa­
ren, die Heizung durch eine Kraft-Wärme-             8000

Kopplungsanlage ersetzen, sich und ande­
re mit Strom und Wärme versorgen oder
                                                     6000
Stromüberschüsse mit Nachbarn teilen.
                                               MW

So wird man zunehmend unabhängiger
von Rohstoff und Energiepreisen.
                                                     4000

KWK ist effizient
  Trotz der Verwendung gasförmiger                   2000
Brennstoffe ist ein BHKW im eigenen Kel­
ler heute genauso umweltfreundlich wie
eine Solaranlage oder eine Holzheizung                  0
und wesentlich umweltfreundlicher als
Wärmepumpen oder Gas-Brennwertkes­
sel. Werden sie mit regenerativen Brenn­       Stromlast in Baden-Württemberg und Deckungsanteil mit Wind und Solarstrom im März 2014 und
stoffen (wie z. B. Biogas) betrieben, zählen   Juli 2013.                                Datenquelle: www.transnetbw.de/de/kennzahlen
diese zu den energieeffizientesten Ener­
gieerzeugern überhaupt. Wer dies nach­         überall dort, wo Wärme gebraucht wird,                zung eingesetzte Gas wird dabei auch zur
vollziehen will, muss zunächst wissen,         gleichzeitig Strom produzieren, könnte                Stromerzeugung eingesetzt, anstatt es
wie ineffizient heute Strom in Deutsch­        der Brennstoffbedarf radikal gesenkt wer­             im Gaskessel nur zu verheizen. Die anfal­
land erzeugt wird. 2013 wurden hierzu­         den. Genau dies ist der Ansatz der Kraft-             lende Abwärme dient zur Beheizung, der
lande 633 TWh Strom erzeugt. Zieht man         Wärme-Kopplung (KWK). Das zur Behei­                  ­erzeugte Strom verdrängt den „schmutzi­
den Eigenverbrauch der Kraftwerke, die
Netzverluste, Pumpstrom und den Strom­         Tabelle: Flexibilität fossiler Kraftwerke.
export ab, so betrug der Strombedarf in
                                                                                                                       Lastände-
Deutschland 2013 nur etwa 528 TWh.                                  Emissionen      Startzeiten     Startkosten
                                                                                                                     rungsgradient
                                                                                                                                       Mindestlast
Allein für die Stromerzeugung mit großen
                                                                      g/kWhel        Minuten                          pro Minute
Braun- und Steinkohlekraftwerken (286
TWh) wurden mehr als 700 TWh Stein-              Neues Stein-
                                                                        740             60             Hoch             ca. 6 %          ca. 25 %
oder Braunkohle verbrannt. Mehr als 400         kohlekraftwerk
Mrd. kWh Brennstoff gehen bei dieser Art            Altes Kohle-
                                                                     900-1000         90-120         Sehr hoch          ca. 2 %          ca. 35 %
der Stromerzeugung „verloren“, indem                 kraftwerk
die nicht nutzbare Wärme über Kühltür­             Modernes
                                                                        345                 30         Mitte            ca. 8 %          ca. 40 %
me die Atmosphäre oder direkt unsere             GuD-Kraftwerk
Flüsse aufheizt. Mit der Abwärme der                                                                                  Skalierbar
großen fossilen Kraftwerke zur Stromer­                                                                                                   Beliebig
                                                                                                                    durch gleich-
                                                 Virtuelle Kraft-                                                                     (Leistung eines
zeugung könnte der Wärmebedarf aller             werke (BHKW)
                                                                       0-345            1-5         Sehr niedrig   zeitiges Starten
                                                                                                                                         einzelnen
Gebäude in Deutschland gedeckt wer­                                                                                  von Einzel­
                                                                                                                                          Moduls)
                                                                                                                      modulen
den. Oder eben umgekehrt. Würde man

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KWK im Verbund mit Erneuerbaren Energien: Gegensatz oder Ergänzung? - BHKW jetzt
Technik und ANwendung 

gen“ Strom aus Kohle- und Kernenergie        Verluste, da die Wärme zumindest stun­          Bewohner in den Kleehäusern für Hei­
und spart somit riesige Energiemengen        denweise zwischengespeichert werden             zung, Warmwasser und Allgemeinstrom
und CO2-Emissionen ein. Gleichzeitig         kann. Die aktuelle Gesetzgebung formu­          monatlich nur 0,34 €/m2 statt durschnitt­
wird weniger Wärme in die Flüsse abge­       liert jedoch genau das Gegenteil, so heißt      lich 1,29 €. Stromsparmaßnahmen und
geben, was wiederum die Fischbestände        es in der Begründung zum Entwurf der            BHKW führen dazu, dass auch die Strom­
schont. Der volkswirtschaftliche Nutzen      Reform des Erneuerbare-Energien-Geset­          kosten deutlich niedriger ausfallen, etwa
ist enorm. Leider hat sich dieser Nutzen     zes vom 8. April 2014:                          0,25 €/m2 und Monat statt üblicherweise
bislang noch nicht in einer konsequen­           „Die Herausforderungen, vor denen das       etwa 0,60 €.
ten, die Kraft-Wärme-Kopplung unterstüt­     Gesamtsystem im Zuge der Energiewende              Mehr Informationen zu BHKWs erhal­
zenden Politik niedergeschlagen. Bisher      steht, sind mit einem weiteren starken An-      ten interessierte Leser auf dem Infoportal
lohnt sich die Stromerzeugung im eige­       stieg der Eigenversorgung nicht vereinbar.      der solares bauen GmbH unter
nen BHKW nur für den Eigenbedarf. Wer        ... So werden zunehmend Strommengen dem            		                  www.bhkw-jetzt.de
den effizient erzeugten Strom ins öffent­    Strommarkt entzogen und damit die Flexibi-
liche Netz einspeist, erhält nur etwa 1/3    lität des Gesamtsystems verringert.“
des Preises, den man für den Strombezug
bezahlen muss.
   Unter den heutigen gesetzlichen Rah­
menbedingungen ist die Kraft-Wär­
me-Kopplung somit zuallererst für die
Eigenstromerzeugung wirtschaftlich ein­
setzbar. Wirtschaftlich hochinteressant
ist die Kraft-Wärme-Kopplung vor allem
mit gasförmigen Brennstoffen für nahezu
jede Form von Gewerbebetrieb, ob Hotel,
Handel oder Produktion. Aber auch in öf­
fentlichen Gebäuden wie Schulen, Mehr­
zweckhallen, Rathäusern und natürlich
Schwimmbädern kann die Kraft-Wärme-
Kopplung sehr gute betriebswirtschaftli­
che Ergebnisse erzielen. Inzwischen ent­
deckt aber auch die Wohnungswirtschaft
die KWK zunehmend als Möglichkeit,
Kosten auch für Mieter zu sparen.

KWK ist flexibel und die ideale
Ergänzung ZU den Erneuerbaren
   Kleine BHKWs laufen ohnehin meist
dann, wenn die Sonne nicht scheint. Sie      Solarstromanlage (Photovoltaik) auf dem Dach der Kleehäuser.
tragen damit fast immer auch zur Netz­
entlastung und Versorgungsstabilität bei       So wird die zukünftige Belastung des
                                                                                                 Subsidiarität
und sind die flexibelsten aller Kraftwerke   in kleinen BHKWs erzeugten Stroms, den
(vgl. Tabelle). Genau solche Kraftwerke      man selbst nutzt, begründet (2014 etwa            ist das demokratische Prinzip, dass die
braucht es, um die „volatilen“ Sonnen-       3,1 Cent/kWh).                                    kleinste Einheit zunächst selbst ihre
und Windkraftwerke auszugleichen. Die                                                          Geschicke bestimmt und erst dann,
Wärme kann dabei für Stunden zwischen­       Subsidiarität am Beispiel der                     wenn sie nicht mehr weiterkommt, die
gespeichert werden. Wie hoch an man­         Kleehäuser in Freiburg im Breisgau                Hilfe der nächsthöheren Ebene in An-
chen Tagen der Anteil insbesondere der         Ein Beispiel dafür, wie ideal sich Block­       spruch nimmt. Auf das Energiesys-
Sonnenenergie an der Stromproduktion         heizkraftwerk (BHKW) und Solarenergie             tem übertragen bedeutet dies, dass
                                                                                               zunächst die kleinsten Einheiten (Haus-
ist, zeigt die Grafik der vorhergehenden     für die ganzjährige Erzeugung von Strom
                                                                                               halte, Betriebe) ihre Möglichkeiten der
Seite. Tagsüber können Solarkraftwer­        und Wärme ergänzen, sind die „Kleehäu­
                                                                                               Einsparung und bedarfsgerechten so-
ke selbst im März bis zu einem Drittel       ser“ im Freiburger Stadtteil Vauban. Hier
                                                                                               wie umweltfreundlichen Energieerzeu-
des Strombedarfs in Baden-Württemberg        werden Wärme und Strom im Winter
                                                                                               gung vor Ort ausnutzen und dann erst
abdecken: An Sonntagen im Juli decken        mittels Kraft-Wärme-Kopplung in einem
                                                                                               auf Nachbarschaften, Stadtteile, gan-
sie zur Mittagszeit bereits den gesam­       BHKW erzeugt. Im Sommer erfolgt die
                                                                                               ze Orte bzw. Niederspannungsnetze zu-
ten Strombedarf ab. Die Windkraft spielt     Energieversorgung mit Solarkollektoren            rückgreifen. In diesem subsidiären Sys-
bisher in Baden-Württemberg nur eine         und einer Photovoltaikanlage. Das BHKW            tem werden vorgelagerte Netze nur
untergeordnete Rolle. Eine am Strombe­       wird von den Wohnungseigentümern                  noch für geringe Ausgleichsmengen be-
darf orientierte KWK könnte immer dann       (WEG) betrieben. D­ ie Eigentümer bzw.            nötigt, neue „Stromautobahnen“ ein-
elektrische Energie erzeugen, wenn sie       Mieter erzeugen Wärme und Strom mit               gespart. So d
                                                                                                           ­ ezentral wie möglich, so
nicht durch Erneuerbare Energien abge­       dem BHKW weitgehend selbst. Aufgrund              zentral wie nötig.
deckt wird, und das ohne nennenswerte        des geringen Energiebedarfs bezahlen die

                                                                                                                 Flüssiggas 03 | 2014   25
 Technik und ANwendung

                   10000
                                   Stromverbrauch      BHKW-Eigenstrom        BHKW Stromüberschusseinspeisung       Fotovoltaik

                    8000

                    6000
Endenergie [kWh]

                    4000

                    2000

                       0

                   -2000

                   -4000

                   -6000
                                                    2011                                                 2012

Dem Verbrauch stehen in den Kleehäusern entweder die Solarstromerzeugung (vorwiegend im Sommer) oder die Stromerzeugung aus dem BHKW
(vorwiegend im Winter) gegenüber. BHKWs in Nachbargebäuden könnten zeitversetzt laufen und ein weitgehender Ausgleich vor Ort zwischen
Strom­erzeugung und -verbrauch über das Jahr würde erreicht.

                                                                                                      Die Kleehäuser

                                                                                                    Im Projekt Kleehäuser haben 24 Partei-
                                                                                                    en in zwei Häusern 25 Wohnungen ge-
                                                                                                    baut; darunter zwei Ferienwohnungen,
                                                                                                    12 Eigentumswohnungen und 11 Miet-
                                                                                                    wohnungen. Seit Juli 2006 leben in den
                                                                                                    Kleehäusern etwa 73 Menschen (ohne
                                                                                                    Ferienwohnungen) zwischen 0 und 80
                                                                                                    Jahren. Zahlreiche Maßnahmen wie z. B.
                                                                                                    Waschmaschinen mit Warmwasseran-
                                                                                                    schluss, energiesparende Elektrogeräte,
                                                                                                    Aufzüge, LED-Außenbeleuchtung, kon-
                                                                                                    trollierte Lüftung mit Wärmerückge-
                                                                                                    winnung und Kochen mit Erdgas tragen
                                                                                                    zum geringen Strombedarf der Klee-
                                                                                                    häuser bei. Um eine ausgeglichene CO 2-
                                                                                                    Bilanz (= 0 kg) zu erreichen, besitzen
                                                                                                    die Wohnungseigentümer der Kleehäu-
                                                                                                    ser Beteiligungen an folgenden regene-
                                                                                                    rativen Stromerzeugungsanlagen (Pri-
                                                                                                    märenergie):
                                                                                                    •P
                                                                                                      hotovoltaik auf dem eigenen Dach,
                                                                                                     erzeugt ca. 22 000 kWh Strom/Jahr).
                                                                                                    •W
                                                                                                      indkraftanlage im Schwarzwald
                                                             BHKW der Kleehäuser mit einer           (St. Peter).
                                                             elektrischen Leistung von 14 kW.

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