Haifa Israels Hauptstadt des Nordens - Stadt Mannheim
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1 Israel ist er sowohl von der europäischen Ge- schichte als auch den Gegebenheiten im Nahen Osten des 20. Jahrhunderts. Ver- Ein Kontinent an Landschaften wirklichen wollte man in Israel die zionis- Halb so groß wie die Schweiz / Mild bis tische Vision, ein jüdisches Gemeinwesen sehr heiß, die Höhen schneebedeckt im „Land der Väter“ zu schaffen. Dabei waren die zentralen Anliegen: der Erhalt Israel ist ein kleines Land. Mit seinen rund des Judentums, die Zusammenführung der 21.000 Quadratkilometern in etwa so groß Juden in einem eigenen Staat, nicht zuletzt wie Hessen, halb so groß wie die die Neubestimmung Schweiz. In der längsten Nord-Süd- jüdischer Identität. Ausdehnung misst es 420, ost-westlich Die arabischen 20 bis 116 Kilometer. Israel bildet am Staaten lehnten die Westrand Asiens eine natürliche von der UNO 1947 Landbrücke zwischen Asien und geplante Teilung Afrika. Sein nördlicher Nachbar ist der Palästinas in einen Libanon, nordöstlich schließt sich Sy- jüdischen und einen rien an. Im Osten liegt Jordanien und arabischen Staat ab. im Südwesten Ägypten. Die gesamte Mit Gründung Westgrenze verläuft als Israels wuchs sich Mittelmeerküste vom Libanon bis zum der Konflikt zum Gazastreifen. Krieg aus. Die Quelle: Harenberg Mit seinen Bergen und arabischen Staaten fruchtbaren Tälern, seinen Wüstengebieten etwa Ägypten, Syrien, Jordanien erklärten und Küstenebenen besitzt Israel die land- der jungen Nation Israel den Krieg. In den schaftlichen Merkmale eines ganzen Kon- folgenden Jahren kam es zu zahlreichen tinents. Von der Mittelmeerküste, dem militärischen Auseinandersetzungen. grünen Bergland von Galiläa über den tro- Der israelisch-palästinensische ckenen Jordangraben, die im Winter ver- Konflikt ist die Forderung der Palästinen- schneiten Golanhöhen und die Wüste Ne- ser nach einem eigenen Staat. Anfangs auf gev bis zum Toten Meer, dem tiefstgelege- dem Gebiet ganz Palästinas – das hätte die nen Platz der Welt. Das zweitgrößte Bin- Vernichtung Israels bedeutet. Später bezog nengewässer ist der See Genezareth, hebrä- die Forderung sich nur noch auf das Terri- isch Jem Kinneret. torium des Westjordanlands und des Gaza- Das Klima in Israel ist mediterran. streifens. Israel hat sich dieser Staatsgrün- Es wird im Sommer entlang der Mittel- dung lange widersetzt. Die Palästinenser meerküste von einer steten Brise gemildert. wiederum, insbesondere die PLO, haben Aber nur dort. Denn in Jerusalem staut sich das Existenzrecht Israels erst 1998 offiziell im Sommer die heiße Luft und es bewegt anerkannt. Viele palästinensische Organi- sich kein Lüftchen. Die heiße Jahreszeit sationen, die Fatah, Hamas, verneinen es steigert sich im Süden, am Roten Meer, auf heute noch. Auch das Fortbestehen der von 42 Grad Celsius, in Jericho und am Toten Israel 1967 in den besetzten Gebieten er- Meer bis auf 50 Grad. Erträglich ist es auf richteten jüdischen Siedlungen mit etwa den windigen Golanhöhen. 200.000 israelischen Juden, ist ein Streit- punkt. Sie gelten international als völker- Bis heute kein Friede rechtswidrig. Unabhängigkeit 1948 / Konflikt mit Pa- Gewaltsam eskalierte der Konflikt lästinensern / zweite Intifada 1987 mit einem Aufstand der Palästinenser in den israelisch besetzten Gebieten – die Proklamiert wurde der Staat Israel – Medi- „erste Intifada“. Große Hoffnungen waren nat Yisra’el – am 14. Mai 1948. Geprägt mit dem Oslo-Abkommen von 1993 ver-
2 bunden. Es sah einen Abzug der israeli- kein Staat sollte gleichzeitig mit Ost- schen Armee aus dem Westjordanland und deutschland diplomatische Beziehungen dem Gazastreifen vor. Endgültig geschei- unterhalten. Als Ägypten mit der DDR ein tert war der „Oslo-Prozess“ jedoch, nach- Abkommen über wirtschaftliche Zusam- dem sich PLO-Führer Yassir Arafat und menarbeit schloss, kam es zum Bruch zwi- der israelische Premierminister Ehud Ba- schen Bonn und den meisten arabischen rak bei einem Treffen 2000 in Camp David Ländern. Gleichzeitig nahmen Israel und nicht einigen konnten. Wieder eskalierte Deutschland 1965 diplomatische Bezie- der Konflikt: Die „zweite Intifada“ gipfelt hungen auf. immer wieder in Selbstmordattentaten auf Heute besteht zwischen Israel und israelische Zivilisten, denen Gegenschläge Deutschland ein dichtes Netz der Zusam- der israelischen Armee folgen. menarbeit – von Wissenschaft und Kultur über Sicherheitsfragen bis zu Wirtschaft „Besonderes“ Verhältnis und Handel; ebenso beim Jugendaustausch Seit 1965 diplomatische Beziehungen und den Partnerschaften von Städten und zwischen Israel und Deutschland Landkreisen. Die erste Städtepartnerschaft wurde 1966 zwischen Berlin- „Die deutsch-israelischen Beziehungen Reinickendorf und Kiryat Ata besiegelt. sind besonders belastet, besonders sensi- bel, aber auch besonders gut“, drückt es Demokratische Verfassung mit Johannes Gerster aus, Landesbeauftragter einzelnen Grundgesetzen der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel. Einwohner / Städte / Religionen Doch es dauerte lange bis die beiden Län- der nach dem Zweiten Weltkrieg diploma- Die 6,8 Millionen Einwohner Israels spre- tische Beziehungen aufnahmen. Die Ver- chen hauptsächlich das Neuhebräische – gangenheit, die Gräueltaten an den jüdi- Iwrith – und Arabisch. Die Handelssprache schen Menschen in Nazi-Deutschland, war ist Englisch. Im Bezirk Jerusalem leben eine schwere Bürde: es herrschte Sprachlo- 670 000 Menschen. Die größten Städte sigkeit. nach Jerusalem sind Tel Aviv mit fast Eine wichtige Etappe auf dem Weg 360.000 und Haifa mit etwa 270.000 Ein- zueinander war das Luxemburger Ab- wohnern. Der größte Teil der Bevölkerung, kommen von 1952. Kanzler Konrad Ade- fast 80 Prozent, ist jüdischen Glaubens, nauer hatte ein Jahr zuvor im deutschen rund 15 Prozent sind Muslime. Christen Bundestag feierlich die Verantwortung des aus den verschiedensten Ländern leben deutschen Volkes für die Shoa anerkannt. hier, ebenfalls Drusen, eine aus dem Islam Eine finanzielle „Wiedergutmachung“ hervorgegangene Religionsgemeinschaft. wurde vereinbart und gezahlt. Israels Mi- Von der Staatsform ist Israel eine Parla- nisterpräsident David Ben Gurion musste mentarische Demokratie. Es gibt zwar kei- allerdings um die Zustimmung seiner ne schriftliche Verfassung, aber einzelne Landsleute kämpfen: sie wollten von dem Grundgesetze, etwa über die Präsident- „Land der Täter“ nichts mehr wissen. schaft, die Regierung, die Gerichtsbarkeit, Das Verhältnis intensivierte sich, die Armee, das Recht auf Einwanderung. der Besucherverkehr lief an. Ab 1957 lie- Bevölkerung Land 6,8 Mio. (Sept. 2004) ferte die Bundesrepublik Waffen, umge- Bezirk Jerusalem 670.000 (2001 kehrt Israel Ausrüstung an die Bundes- Staatsoberhaupt Staatspräsident Mosche Katsav (Likud) wehr. Gleichzeitig unterhielt Bonn diplo- Regierungschef Premierminister Ariel Sharon (Likud) matische Beziehungen zu den arabischen seit 07.03.2001; bestätigt am 27.2.2003, Ländern. Und ihnen waren die Waffenlie- Koalition aus Likud, Labour und ferungen an Israel ein Dorn im Auge. Ein United Torah Judais großes Anliegen Westdeutschlands war Außenminister Silvan Shalom (Likud), seit 27.02.2003 zudem sein „Alleinvertretungsanspruch“: BIP/pro Kopf ca. 15.000 € (2004) (Vgl. Deutschland 24.040 €) Wechselkurs 1 Euro = 5,6674 NIS (Nov. 2004) Quelle: Auswärtiges Amt
3 Das Parlament, die Knesset, hat 120 Mit- fa, und in Nazareth leben israelische Ara- glieder, Wahlen sind alle vier Jahre. Alle ber, meist sind auch sie Muslime. Doch fünf Jahre wiederum wählt das Parlament auch katholische, griechisch-orthodoxe den Staatspräsidenten, der hauptsächlich Christen sind unter ihnen. Die Drusen, sie repräsentative Aufgaben hat. Allgemeine kommen ursprünglich aus Syrien, bilden Wehrpflicht besteht gleichwohl für Män- eine eigene Religionsgemeinschaft, her- ner, 36 Monate, und Frauen, 24 Monate. – vorgegangen aus dem Islam. Sie leben in Die Landeswährung Israels ist der Neue Dörfern unter sich, etwa in Daliyat el- Israelische Schekel (NIS). Carmel, südlich von Haifa. Multikulturelles Israel Juden und Araber leben miteinander Menschen aus über 100 Ländern / Un- terschiedlichste Bevölkerungsgruppen Haifa ist stolz auf seine Vielfalt an Religi- onen, insbesondere das harmonische Mit- Mit den Rückwanderungswellen – Aliyah einander von Arabern und Juden. Während – seit Ende des 19. Jahrhunderts, vor allem des britischen Mandats lebten hier 128.000 mit Staatsgründung 1948 sind Menschen Menschen, die Hälfte Araber. Christliche aus über 100 Ländern nach Israel gekom- und muslimische Araber arbeiteten und men: aus den USA und der UDSSR, aus wohnten Seite an Seite mit Juden. Nach Deutschland und Frankreich, aus Äthio- dem Unabhängigkeitskrieg von 1948 leb- pien, Marokko und dem Jemen, sogar aus ten jedoch nur noch 3.500 Araber in der Vietnam. Demonstrativ hält Israel seine Stadt. Tore weit offen. Auch, weil die britische Der Anteil der nicht-jüdischen Be- Mandatsmacht während des Holocaust die völkerung liegt bei zehn Prozent mit stei- Auswanderung von Juden nach Palästina gender Tendenz. Dabei sind zwei Drittel blockierte. der arabischen Einwohner Christen. Haifa Der größte Bevölkerungsanteil, vier zieht auch kleine Religionsgemeinschaften Fünftel, ist jüdischen Glaubens. Dabei an, die Bahai etwa und die Ahmadi, beide stammen die sephardischen Juden – über sind aus dem Islam hervorgegangen. die Hälfte der Bevölkerung – aus dem Ori- ent. Ashkenazim wiederum sind die Juden aus Europa, den USA, Australien, Neusee- Haifa land. Sie stehen heute vor allem für die urbane Entwicklung Israels. Russische, „Schöne Stadt“ der Arbeit osteuropäische Juden waren die ersten Drittgrößte Stadt Israels / größte Hafen- Emigranten nach Palästina. Starke Zuwan- stadt / funktional und mediterran derungen aus Osteuropa setzen sich bis heute fort. Keine Stadt ist so schön wie Haifa, heißt Die aus Äthiopien es, und in keiner emigrierten Juden – die leben so viele Falachen – pflegen eigene jüdi- fleißige Menschen. sche Traditionen. Das hat zu In Jerusalem, sagt erheblichen Integ- wiederum ein rationsproblemen geführt. So israelisches leben die äthiopischen Juden Sprichwort, beten separiert, haben einen eigenen sie, in Tel Aviv Großrabbiner. Grundsätzlich feiern sie und in bezeichnen sich alle, die in Haifa, da arbeiten Palästina geboren sind als Palästinenser. sie. Mit 270.000 Einwohnern ist Haifa die Heute ist damit vor allem die muslimische drittgrößte Stadt Israels und die größte Bevölkerung gemeint. In Akko, nahe Hai- Hafenstadt des Landes. Gesellschaftlich
4 gilt sie als die liberalste: Juden und Paläs- Gebirge, historische Sehenswürdigkeiten. tinenser, fünf Religionen, leben hier fried- Und: Haifa ist das größte High-Tech- lich zusammen. Und: anders als im übrigen Zentrum Israels. Nicht zuletzt durch das Israel fahren hier auch am Sabbath die öf- Technion, die weltweit angesehene Tech- fentlichen Verkehrsmittel. nische Hochschule. Vom Nordhang des Karmel- Gebirges „fällt“ die Stadt aus einer Höhe Vom Bahai-Schrein zur Marienfi- von 400 Metern ins Meer. Um den Hafen gur, dann ins Getreidesilo liegen die Industriegebiete, hier sind große Haifas touristische Highlights spiegeln Durchgangsstraßen und Bahnanlagen. Der religiöse und kulturelle Vielfalt wider größte Teil der arabischen Bevölkerung Haifas wohnt hier. Auf halber Höhe liegt Die Endstation der Karmelit, der U-Bahn der Stadtteil Hadar ha Carmel mit regem Haifas, ist Ausgangspunkt der liebevoll Geschäftsleben und vielen Verwaltungen. angelegten vier Madregot. Das sind die Im höchstgelegenen Teil Haifas, Central Spazierwege zu den schönsten Punkten der Carmel, haben exquisite Hotels und Re- Stadt: Einer etwa führt vorbei am Bahai- staurants ihren Standort; es ist auch die Schrein bis zur Deutschen Kolonie. Ein teuerste Wohngegend. Am südlichen Aus- anderer verläuft am Osthang des Berges gang der Stadt und damit an der höchsten Karmel und endet im ältesten Stadtteil Hai- Stelle liegt die Universität Haifa mit einem fas, in dem noch einige Bauten aus dem markanten Hochhausturm. 17. und 18. Jahrhundert stehen. Welchen Durch die Lage am Nordhang des Weg man auch wählt: Treppensteigen ist Karmel passt sich die Verkehrsführung den inklusive. geografischen Gegebenheiten an: Die Der Bahai-Schrein – das meisten größeren Straßen sowie die Gleis- Wahrzeichen Haifas – wurde 1953 errich- anlagen der israelischen Eisenbahn verlau- tet als Grabmal für fen im flachen unteren Teil der Stadt. Bab. Der Perser, von Wichtigstes öffentliches Verkehrsmittel den Schiiten als sind die Busse (der Gesellschaft Egged), Messias verehrt, wur- das gilt für ganz Israel. Wobei seit einigen de 1850 wegen seiner Jahren das Schienennetz ausgebaut, das vom Islam Reisen mit der Bahn beworben wird. Seit abweichenden Lehre 1959 gibt es eine U-Bahn in Haifa – die hingerichtet. Die Karmelit –, ebenfalls einen Flughafen. Religion der Bahai hat ihren Ursprung Von Schwerindustrie zu High-Tech im persischen Sufismus, einer Haifa ist eines der Industrie-Zentren Isra- mystischen Form des Islam. Bahai- els, ein Standort der Schwerindustrie. Ins- Mitglieder leben in der ganzen Welt, ihr besondere die Briten installierten während Zentrum ist in Haifa. ihrer Mandatszeit die Infrastruktur für die Das elegante, im europäisch- Schwerindustrie: Eisenbahn, Hafen, die orientalischen Mischstil gebaute weiße Raffinerien für die Pipeline vom Irak über Mausoleum liegt auf halber Höhe am Hang Jordanien und Galiläa. des Karmel inmitten der „Persischen Gär- Doch Haifa hat bereits in den sieb- ten“. Das Bauwerk ist gekrönt von einer ziger Jahren einen Strukturwandel einge- vergoldeten Kuppel. Der Garten bezaubert leitet in Richtung Hochtechnologie und durch griechische Säulen, Marmortreppen, Tourismus. Natur-Ressourcen und die Inf- bronzene Adler- und Pfauenskulpturen rastruktur für den Fremdenverkehr sind sowie durch großzügige Wasserflächen reichhaltig vorhanden – lange Sandstrände und zahlreiche Zypressen. am Mittelmeer, Naturparks im Karmel-
5 Das 1828 von italienischen Mön- Stadt. Fleißig und fortschrittlich brachten chen errichtete Karmeliterkloster Stella sie die wirtschaftliche Entwicklung Haifas Maris ist den Propheten Elias und Elisa voran. geweiht. Auf dem Hauptaltar des Klosters Durch die Templer, die Zunahme steht eine Marienfigur aus Zedernholz mit von Güterumschlag und Personenverkehr Porzellankopf – die „Madonna vom Kar- im Hafen, nicht zuletzt die Eröffnung der mel“. Vom Kloster führt ein Fußweg hin- Eisenbahnlinie Damaskus-Haifa-Kairo unter zur Höhle des Elias. In der 40 Meter 1904 setzte Haifas Blüte ein. Als die Briten langen und acht Meter breiten Grotte soll nach dem Ersten Weltkrieg Westpalästina sich nach christlicher, jüdischer und mus- (Erez Israel) als Mandatsgebiet übernah- limischer Überlieferung der Prophet ver- men, bauten sie den Hafen aus. steckt haben. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts Ganz in der Nähe des Schiff- gab es die erste Emigrationswelle nach fahrtsmuseums im Hafen trifft man auf Palästina, ausgelöst von antisemitischen das Museum der illegalen Einwanderung Pogromen. Die jüdischen Einwanderer und Marine. Das hier ausgestellte Schiff ließen sich bevorzugt in Haifa nieder. The- „Af Al Pi“ erinnert an die 100.000 Juden, odor Herzl, er hatte 1897 den Zionistischen die während der britischen Mandatszeit auf Weltkongress gegründet, nannte Haifa die solchen kaum seetüchtigen Booten aus „Stadt der Zukunft“. Europa nach Palästina kamen. Weiter geht es zum Hafen. Dort steht der über 60 Meter Neue Emigrationswellen hohe Dagon-Turm ein Getreidesilo, in dem 1955 ein kleines Museum eingerichtet Mit den nachfolgenden Emigrationswellen wurde. stieg die Einwohnerzahl Haifas sprunghaft. 1911 zählte man rund 20.000, 1931 bereits „Stadt der Zukunft“ 50.000 und 1952 sogar 150.000 Menschen. Viele Eroberer und Zerstörer / Holo- Für die vor den deutschen Nationalsozialis- caust-Flüchtlinge siedeln in Haifa an ten flüchtenden Juden symbolisierte die Hafenstadt das „Tor zur Freiheit“. Zwi- In der Bibel wird Haifa zwar nicht er- schen 1983 und 1993 stieg die Einwohner- wähnt, aber die Region um den Berg Kar- zahl Haifas wieder um 23 Prozent, 65.000 mel. Hier soll der Prophet Elija die heidni- Emigranten siedelten hier an. Seit 1989 schen Baalpriester herausgefordert haben. sind es insbesondere Juden aus Osteuropa. Ehe die Stadt von Arabern im 7. Jahrhun- Die Stadt stellt dieser Zustrom vor große dert teilweise niedergebrannt wurde, hatte Herausforderungen: die Infrastruktur muss sie griechische, römische und byzantini- ausgebaut, Häuser müssen renoviert, neu sche Eroberer und Besatzer. Alle wollten gebaut werden. Es sind Läden, Arbeitsplät- sie vom Hafen profitieren. ze, Schulen vonnöten. Auch im Mittelalter war Haifa ständigen Kämpfen und Eroberungen aus- Fleißig und fortschrittlich gesetzt. Um 1100 kamen die Kreuzritter Templer bringen im 19. Jahrhundert und ermordeten alle Nicht-Christen. Später Handel und Industrie rückten die Mamelucken ein, dann die Ot- tomanen. Die Stadt sank nach und nach zu Rührig und fortschrittlich waren sie, die einem kleinen Fischerdorf herab. deutschen Templer. Brachten Haifa im 19. Ende des 18. Jahrhundert zerstörte Jahrhundert ein gutes Stück voran. In der Scheich Daher el-Omar, einer der Herr- Deutschen Kolonie, 1869 gegründet, bau- scher über Galiläa, Haifa endgültig. Baute ten die Siedler als Erstes Wein und Oliven die Stadt aber wieder auf. Von da an erhol- an. Nach und nach beförderten sie Handel te Haifa sich allmählich. 1869 gründeten und Industrie: Sie bauten Straßen, schufen die Templer eine Deutsche Kolonie in der Verkehrsverbindungen zwischen Haifa,
6 Galiläa und Nazareth. Große Kaufhäuser nania „arisiert“. Jacob und Hermann emig- eröffneten sie, installierten eine Seifen- rierten mit ihren Familien in die USA. und eine Zementfabrik. Die deutschen Die Gefahr des Nationalsozialismus Templer führten dabei früh schon die me- erkannte Reuben Hecht früh. Während chanisierte Produktion ein. seines Studiums in München freundete er Entstanden ist die Gemeinschaft der sich mit den Ideen des Zionismus an, wur- Templer aus dem protestantischen Pietis- de Mitglied im Verband der akademischen mus, vor allem in Württemberg. Gründer Zionisten. Nach seiner Promotion 1936 war der Theologe Christoph Hoffmann, der siedelte er ins englische Protektorat Paläs- auch als Abgeordneter in der Nationalver- tina über. In Haifa beantragte Hecht die sammlung der Frankfurter Paulskirche saß. Konzession für ein Getreidesilo im neuen Ihr Ziel war die Erneuerung der Gesell- Hafen. Doch die britische Mandats- schaft: jeder Einzelne sollte sein Leben Regierung lehnte das ab. Im Sommer 1939 und Handeln direkt an den Jesusworten kehrte Hecht nach Europa zurück. Von ausrichten, dogmatische Bekenntnisse wa- Zürich aus konnte er unzählige europäische ren nachrangig. So kam es zum Bruch mit Juden vor dem Holocaust retten. der evangelischen Kirche. Viele der Temp- 1948 dann reiste Reuben Hecht in ler verkauften ihr Hab und Gut und wan- den jungen Staat Israel ein, eröffnete im derten aus – ins „Gelobte Land“. Hafen von Haifa das erste Weizenkontor Das wieder aufgebaute und restau- und die Firma „Dagon Batey-Mamguroth“. rierte Gemeindehaus der Templer ist heute Damit war der wirtschaftliche Grundpfeiler das Stadtmuseum von Haifa. für seine erfolgreichen Unternehmungen in Kultur und Politik gelegt. Anfang der sieb- Reuben Hecht: großer Unterneh- ziger Jahre gehörte er zu den Gründern der mer und Kunstsammler Universität Haifa. Der promovierte Poli- Vater Hecht führt Mannheimer Rhena- tikwissenschaftler etablierte 1974 den nia / Reuben in Israel verehrt Lehrstuhl für Zionismus und gründete das Herzl-Institut. Zehn Jahre später schenkte Er war Israels erster Privat-Unternehmer, Hecht seine komplette Privat-Sammlung ein leidenschaftlicher Kunstsammler und der Universität. Die antike Kollektion wird überzeugter Zionist: Dr. Reuben Hecht. heute als Dauerausstellung im „Reuben Zudem war er Mitgründer der Universität und Edith Hecht Museum“ der Universität von Haifa und persönlicher Berater von Haifa präsentiert“. Ministerpräsident Menahem Begin. Gebo- Sein Lebenswerk wurde 1988 mit ren wurde Reuben Hecht 1909 in Mann- dem Israel-Preis ausgezeichnet. Der 1993 heim. verstorbene Reuben Hecht wird in Israel Sein Vater Jacob und sein immer noch verehrt, in Deutschland ist er Onkel Hermann hatten 1902 dagegen weitgehend unbekannt geblieben. in Mannheim die Schifffahrts- und Liberal und praxisnah Transportgesellschaft Haifa drittgrößte Universität Israels / „Rhenania“ gegründet. Zu Business School / IBM forscht hier ihrer Glanzzeit besaß das Unternehmen 87 Waren- Die Universität Haifa, auf dem Karmel und Kontorhäuser – auch in gelegen, ist mit rund 13.000 Studenten die der Schweiz, Belgien und drittgrößte Universität des Landes. Sie gilt Holland. Nachdem die auch als die liberalste. Juden, Drusen, Fa- Nationalsozialisten die lachen, Araber studieren hier friedlich ne- Macht in Deutschland übernommen hatten, beneinander – allein 17 Prozent der Studie- wurden die Geschäfte für die Hechts renden sind Araber, so viele wie an keiner schwerer. 1939 schließlich wurde die Rhe- anderen Universität Israels. Seit Anfang
7 der neunziger Jahre hat sich die Zahl der Technions mit dem Ausland. Während Studenten verdoppelt – mehr junge Men- früher die USA den Spitzenplatz einnah- schen aus allen gesellschaftlichen Schich- men, steht heute Deutschland an erster ten sollen in Israel eine akademische Aus- Stelle in der Zusammenarbeit. Wissen- bildung erhalten. schaftliche Projekte mit der TU Berlin be- Eine geistes- und naturwissen- stehen derzeit auf den Gebieten Maschi- schaftliche Fakultät hat die Universität, nenbau, Chemie, Mathematik, Physik, Le- Sozialwissenschaften und Jura sind hier bensmitteltechnologie und Bauingenieur- angesiedelt. Ebenfalls eine Business wesen. School. Die Universität Haifa unterhält viele Forschungszentren und Laboratorien. Chemie-Nobelpreis belohnt Arbeiten über den Proteinab- Ein internationales Studienprogramm in- bau tegriert Studierende aus der ganzen Welt. Stockholm. Für ihre Forschung, wie der Körper nicht mehr benötigte Eiweiße gezielt abbaut, erhalten die beiden israeli- Eines der wenigen IBM-Forschungszentren schen Wissenschaftler Aaron Ciechanover (57) und Avram außerhalb der USA befindet sich hier. Die Hershko (67) aus Haifa sowie der Amerikaner Irwin Rose wissenschaftlichen Leistungen der Univer- (78) den diesjährigen Chemie-Nobelpreis. Mit ihren Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre durchgeführten sität Haifa werden in Israel und im Aus- Forschungsarbeiten haben die drei Wissenschaftler herausge- land hoch geschätzt. funden, warum eine Zelle bestimmte Eiweiße zerlegt, andere dagegen unberührt lässt. Die Erkenntnisse können die Grund- lage zur Entwicklung von neuen Medikamenten gegen die Johannes Rau und Joschka Fischer er- Lungenkrankheit Mukoviszidose und gegen Krebs bilden, halten Ehrendoktorwürde heißt es in der Begründung der Schwedischen Wissenschafts- akademie. HANDELSBLATT, 7.10.2004 2002 wurde dem deutschen Außenminister Joschka Fischer die Ehrendoktorwürde der Universität Haifa verliehen. Zwei Jahre „Silicon Valley des Nahen Ostens“ zuvor hatte der ehemalige Bundespräsident 3.000 neue High Tech-Firmen seit 1991 / Johannes Rau als erster Deutscher über- Touristik zieht an haupt diese Auszeichnung erhalten, vom Technion, der renommierten Technischen Israel zählt weltweit zu den führenden Na- Hochschule Haifas. tionen bei technologischen Innovationen. Seit 1991 wurden mehr als 3.000 neue Technion: Technology at its best High Tech-Unternehmen gegründet. Nam- Weltweit hochgeschätzt / enge Kontakte hafte multinationale Unternehmen wie zu Deutschland Microsoft, Intel, IBM und Motorola haben Forschungs- und Entwicklungszentren in Das Technion in Haifa, 1925 gegründet, ist Israel. die älteste Hochschule Israels. Heute ist sie Bekannt ist das Land für seine eine der führenden Technischen Hochschu- landwirtschaftlichen Produkte. Insbesonde- len der Welt. Einer der Gründer der damals re im Winter sind auf europäischen Märk- deutschsprachigen Universität war Profes- ten etwa israelische Erdbeeren, Tomaten, sor Georg Schlesinger von der Techni- Avocados im Angebot. Dabei bedeutet schen Hochschule (TU) Berlin. 19 Fachbe- Landwirtschaft in Israel ebenfalls Hoch- reiche umfasst das Technion einschließlich technologie, nicht zuletzt zur Bewässerung Medizin, Informatik und aller Naturwis- der Felder. senschaften – mit 700 Professoren und Israel verfügt über wenig Rohstof- Dozenten sowie 11.000 Studierenden. Vie- fe, setzt daher vor allem auf seine gut aus- le von ihnen kommen aus dem Ausland. gebildeten Menschen und deren Innovati- Das renommierte Institut ist Aus- onsfreude – besonders in Medizintechnik, gangspunkt für eine stetig wachsende Telekommunikation, bei Computern, Pro- High-Tech-Industrie in der Region Haifa. zessoren für die Solarenergie. 15 Prozent Vielfältig sind die Kooperationen des des weltweiten Gesamtumsatzes an Kom-
8 munikationssystemen und -produkten Hafen vor Stürmen geschützt stammen aus Israel. „Alter“ Hafen befördert Haifa / Ausbau Mit seinen Küsten am Mittelmeer, der Container-Terminals am Roten und am Toten Meer, den archäo- logischen und religiösen Sehenswürdigkei- Eine der beiden Ölraffinerien Israels steht ten lockte Israel immer mehr Touristen an. in Haifa, mit einem Volumen von 9 Milli- Über die Hälfte aus Europa. Im Jahr 2000 onen Tonnen im Jahr. Haifa ist Zentrum waren es 2,67 Millionen Auslandsgäste. der Schwerindustrie, besitzt zahlreiche Doch 2001 sank die Touristenzahl drama- Metallgießereien, mehrere Seifenfabriken tisch, um 54 Prozent. Grund war der neu und ein Großkraftwerk. aufgeflammte Konflikt mit den Palästinen- Und: Haifa ist die bedeutendste Ha- sern. Auch das Bruttosozialprodukt stag- fenstadt Israels mit der größten Container- nierte in den Jahren 2001 und 2002, nach Anlage. Der „alte“ Hafen liegt am nördli- einem Anstieg um 5,9 Prozent 2000. chen Küstenstreifen der Stadt, vor heftigen Süd-West-Stürmen geschützt durch das Karmel-Gebirge. Offiziell eröffnet wurde Größter High Tech-Park Israels er 1933, während der Mandatszeit der Bri- Stadt setzt früh auf Hochtechnologie / ten. Die Stadt hat er in jeder Hinsicht wei- weltweit führende Firmen angesiedelt tergebracht: Industrie, Beschäftigung, Transport und Tourismus. So war der Ha- Der typische israelische High Tech- fen, der die vielen Einwanderer aufnahm, Ingenieur, heißt es, studiert am Technion auch ein Garant für die Integration der in Haifa, macht Menschen in die Stadt. sich später Im Laufe der Zeit wurden mehr Ka- selbstständig oder jen nötig, Areale zum Be- und Entladen, tritt in eine der Lagerhallen. Der Hafen wurde zum Fluss vielen Start-up- Kishon in der östlichen Bucht hin erwei- Firmen ein. tert. Eine Reederei entstand, ein Fischerei- Folglich befindet Hafen, eine Kaje für Chemiegüter. In den sich auch die siebziger Jahren verlor der „alte“ Hafen größte High Tech- mehr und mehr an Bedeutung. Heute wird Ansiedlung Israels er hauptsächlich von kleinen und mittleren in Haifa: der Schiffen genutzt, von Fähren, der Marine. MATAM-Park. Der Kishon-Hafen ist zu einem Der geschlossene großen Umschlagplatz für Containerfracht Campus umfasst geworden. Er wird weiter ausgebaut, soll Matam-Park Haifa ein Areal von 22 in den kommenden Jahren auf einen Gü- Hektar, so groß terumschlag von 25 Millionen Tonnen wie der Mannheimer Herzogenriedpark. kommen, inklusive 1,2 Millionen Contai- 6.000 Menschen arbeiten hier. Die Gebäu- nern pro Jahr. Zum Vergleich: Mannheims de sind vermietet an 50 führende High Binnenhafen hat einen wasserseitigen Gü- Tech-Unternehmen, darunter Intel, Elbit terumschlag von 7 bis 8 Millionen Tonnen. Systems, Microsoft, Philips, Zoran. Der Container-Umschlag im Hamburger Bereits in den siebziger Jahren hat Hafen ist in den vergangenen Jahren auf 7 die Stadt bewusst auf den Ausbau der E- Millionen Stück angewachsen. lektronik-Industrie gesetzt. Sitzt man hier doch sozusagen an der Quelle erfinderi- schen Geistes – dem renommierten Tech- nion, der Technischen Hochschule Haifas.
9 Wachsende Branche: Tourismus Menschen in der Stadt und den umliegen- Gepflegte Strände und frische Waldluft den Dörfern. Dieser Gemeinschaftsdienst hat vielfältige Formen: Studenten geben Yona Yahaf, Haifas Bürgermeister, stellt lernschwachen Schülern Nachhilfeunter- „seine Stadt“ im Internet persönlich vor: richt, bereiten äthiopische Juden, Falachen, kilometerlange Sandstrände, klares blaues auf das Studium vor oder bringen älteren Wasser, Israels größte Grün-Anlage – der Drusen und Arabern Lesen und Schreiben Karmel-Park. bei. Eine beliebte Einrichtung ist die Mit Zehntausenden von Einwande- „Rechtshilfe-Klinik“, hier beraten junge rern gewachsen, mit dem Hafen zu einer Juristen Klienten, die sich keinen Rechts- Industrie-Metropole avanciert, baut Haifa anwalt leisten können. beständig seine touristische Anziehungs- Auch die „Haifa-Stiftung“ unter- kraft aus. An drei Seiten ist die Stadt vom stützt verschiedenartige Bildungs- und Meer umgeben. Die langgestreckten Küs- Sozialprojekte. Gegründet 1983 macht sie tenstreifen bieten gepflegte Strände und sich stark für das jüdisch-arabische Zu- Promenaden, zum Sonnenbaden, Surfen sammenleben, Jugend und Bildung, Kultur oder Tauchen. Das Karmel-Gebirge steht und Sport, ebenfalls für die Stadtverschö- unter Naturschutz, ist Rückzugsgebiet ver- nerung. Die Stiftung unterhält etwa ein schiedener Wildarten. Auf ausgeschilder- eigenes Tages-Zentrum für äthiopische ten Wanderwegen, die durch Täler und Kinder und Jugendliche, vergibt Stipendien Schluchten führen, kann man frische an arabische Studenten, unterrichtet Kinder Waldluft atmen und den einzigartigen am Computer. In viele Projekte ist Haifas Ausblick genießen. Stadtverwaltung, mit den zuständigen De- zernaten, direkt involviert. „Greifbares“ Technologie-Museum Ältere aktiv in der Gemeinde Wer möchte, spielt Tennis, Squash oder Cricket, segelt als Drachenflieger durch die Doch nicht nur für die jungen Mitbürger Lüfte oder schwingt sich aufs Mountainbi- setzt sich die „Haifa-Stiftung“ ein. Dut- ke. Den Nachtschwärmern stehen selbst- zende von älteren Menschen haben Gele- verständlich Pubs, Diskotheken, Tanzloka- genheit in einer von der Stiftung geführten le offen. Neben den historischen Glanz- Tagesstätte zu essen, Hunderte von Mahl- punkten – Bahai-Schrein, die Deutsche zeiten werden täglich zusätzlich ausgelie- Kolonie – besitzt Haifa 13 Sammlungen. fert. Ein besonderes Anliegen ist es, die Etwa das Staatsmuseum für Meereskunde Aktivität und Unternehmungslust der älte- mit seltenen maritimen Funden, das Muse- ren Mitbürger zu fördern: mit Musikveran- um für Wissenschaften, Planung und staltungen, Seminaren, auch Ausflügen. Technologie im historischen Gebäude des Die Älteren sollen aktive Mitglieder der Technions: Hier werden die Grundlagen Gemeinde bleiben. der Wissenschaft und Fortschritte der Auch soll Haifa weiterhin die Technik visuell, praktisch und greifbar „schöne Stadt“ bleiben, die sie ist. Im Zei- vorgestellt. chen der Stadtverschönerung wurde daher der Haifa-Zoo saniert, Aussichtspunkte wurden eingerichtet, das städtische Theater Dienst für die Gemeinschaft renoviert. Farbige Oasen sind die Spiel- Studenten unterstützen Hilfsbedürftige / plätze. Sie bereichern das Leben der Kin- Stiftung stärkt Stadt und Menschen der und ihrer Eltern, bieten Gelegenheit für Fitness-Training und sind ein beliebter Ein wichtiger Teil im Lehrprogramm der Treffpunkt. Universität Haifa ist der Dienst für die Gemeinschaft. Viele Studenten unterstüt- zen neben ihrem Studium hilfsbedürftige
10 Vororte mit eigenem Charakter Kiryat Bialik bewohnt von Immigranten Kiryat Haim in 30ern gegründet / einst aus Deutschland. In Kiryat Shemuel wie- sozialistisch geprägtes Gemeindeleben derum siedelten konservative Juden an. Und Kiryat Shemuel führt – innerhalb Hai- Die Einwanderungen nach Israel erfolgten fas Stadtgrenzen – bis heute ein unabhän- in Wellen. Darauf musste auch Haifa sich giges Gemeindeleben. immer wieder einstellen. Erwachsen sind daraus viele Vorstädte – wie Kiryat Haim. Zum Beispiel Gad Haas In Kiryat Haim liegt auch die Tichon High „Ehemalige Mannheimer“ in Haifa School, die Partnerschule des Mannheimer Elisabeth-Gymnasiums. Regelmäßig treffen sich die Mitglieder des Mit bestimmten Bevölkerungs- Verbands. Allerdings sind von den ehe- gruppen gewachsen, haben die Vororte mals vierzig noch etwa ein Dutzend übrig Haifas ihre ganz geblieben. Gegründet wurde der „Verband eigene Geschichte ehemaliger Mannheimer und Umgebung“ geschrieben. In in Haifa Anfang der siebziger Jahre: um den dreißiger den Kontakt zur deutschen Heimat auf- Jahren kaufte der rechtzuerhalten. Vorsitzender ist Gad Jüdische Haas. Nationalfond Land Er ist ein waschechter Mannheimer, in der Bucht von wurde 1920 in den Quadraten, L 14, 9, Haifa. Gedacht geboren. Bis er 14 Jahre alt war, ging der war das Sied- jüdische Junge aufs Realgymnasium. Da- lungsgebiet für bei wusste er früh, erzählt Gad Haas: „Ich Menschen, die in will mit den Händen arbeiten, Möbeltisch- der Stadt arbeiteten und dringend geeignete ler werden.“ So wechselte er aufs Gewer- Unterkünfte brauchten. Die erste Stadt, die begymnasium. Doch Mitte der dreißiger dann entstand, war Kiryat Haim. Ihre Be- Jahre machte sich der braune Terror breit, wohner, am Anfang waren es einige Hun- man habe die Juden aus der Schule „raus- dert, waren Arbeiter. Sie waren gewerk- geschmissen“. Eine Zuflucht bot erst ein- schaftlich organisiert und hatten eine sozia- mal Holland, dort hat Gad Haas seine Aus- listisch geprägte Weltsicht. Das bestimmte bildung fortgesetzt und war nach dreiein- das Gemeinwesen: privaten Handel gab es halb Jahren Geselle. nicht, dafür bildeten sich enge Gemein- Doch auch Holland bot Anfang der schaften, auch Jugendpionier- vierziger Jahre keinen Schutz mehr. Das Bewegungen. Leben wurde immer gefährlicher. Daher Mit Proklamierung des Staates Is- entschloss sich die ganze Gruppe nach rael 1948 allerdings verlor Kiryat Haim Israel auszuwandern. Mit ihnen auch Gad seine Selbstständigkeit und wurde Haifa Haas, dessen Eltern nicht mehr lebten. Die angegliedert. Nach und nach veränderte Aktion war illegal – die Briten ließen ja sich die Vorstadt, passte sich an Haifa an. keine Juden mehr nach Palästina einreisen Doch auch heute noch, inzwischen leben – organisiert von der Jewish Agency. „Vier rund 30.000 Menschen hier, genießt Kiryat Wochen waren wir unterwegs“, erinnert Haim einen besonderen Status in Haifa. sich Gad Haas, „an Gibraltar, der afrikani- Dennoch, ein guter Teil der Bevölkerung schen Küste vorbei, Zypern und der Tür- möchte weiterhin die Unabhängigkeit. kei. 500 Flüchtlinge auf einem Tausend- Auch die anderen Städte, die da- tonner.“ Schließlich gingen sie in Herzliya, mals entstanden, gehören heute zu Haifa. 15 Kilometer nördlich von Tel Aviv an Alle hatten sie einen eigenen Charakter: Land – bei Nacht. „Das war alles sehr gut Kiryat Motzkin war geprägt von der Mit- organisiert. Man hatte die Engländer mit telklasseschicht, die sich hier ansiedelte, einer Feier und Tanz abgelenkt.“ So wurde
11 auch keiner der Flüchtlinge gefasst. In Tel schaft offiziell bestätigt. In Haifa öffnete – Aviv wurden die jungen Leute erst einmal unterstützt von der rheinland-pfälzischen privat von Familien aufgenommen. Papiere Hauptstadt – eine „Mainz-Bibliothek“, das bekamen sie von hilfsbereiten Engländern. Jugendbegegnungszentrum „Bet Magenza“ In der Nähe von Tel Aviv kam die Gruppe sowie ein Altenheim, das den Namen des aus Holland dann auf einem Kibbuz unter. ehemaligen Mainzer Oberbürgermeisters Gad Haas hatte Glück, sagt er, und arbeite- Jockel Fuchs trägt. te gleich in der Tischlerei. Nach 1948 war er eine Zeitlang bei der Hafenpolizei, zwei Jugend- und Kulturaustausch Jahre unterrichtete er als Gewerbelehrer, 1951 machte er sich als Tischler selbst- Die Freie Hansestadt Bremen und Haifa ständig und ist es dreißig Jahre lang besiegelten 1988 ihre Partnerschaft. Auch geblieben. hier gab es bereits seit den siebziger Jahren Durch den Kontakt zu Deutschen in regelmäßige Kontakte. Seinerzeit wurde Haifa fand Gad Haas zu dem „Verband die „Stiftung Kulturfonds Haifa“ gegrün- ehemaliger Mannheimer“. Gründer Max det. Sie gibt jungen Künstlern die Gele- Mantel hat später die Leitung an ihn über- genheit, die urbane Entwicklung in einer geben. Grundsätzlich gebe es viele „Ye- Hafenstadt künstlerisch nachzuvollziehen. ckes“, so nennt man in Israel die deutschen Die beiden Hafenstädte arbeiten nun bei Juden, in Haifa, in verschiedenen Gruppen. der kommunalen Wirtschaft zusammen, Ein halbes Dutzend „Elternheime“ seien bei Tourismus und Umweltschutz. Einige vor Ort – Seniorenheime für deutsche Ju- Monate nach Bremen schloss sich Haifa den. Doch die „Ehemaligen“ sterben lang- mit Düsseldorf zusammen. Ganz am An- sam aus. Gad Haas kann sich allerdings gut fang, 1975, stand eine Konzertreise des vorstellen, dass die nachwachsenden Gene- Jugendsymphonieorchesters in die nordis- rationen die deutsch-israelische Brücke raelische Metropole. Die Musikschulen der instand halten, speziell die zwischen Haifa beiden Städte tauschen seitdem regelmäßig und Mannheim. Ensembles aus. Überhaupt steht Jugend- und Kulturaustausch im Mittelpunkt: Düs- Kontakte zu deutschen Städten seldorf beteiligte sich am Aufbau des Ende der 80er besiegelt „Heinrich-Heine-Hauses“, einer Begeg- Partnerstädte: Mainz, Bremen, Düssel- nungsstätte in Kiryat Haim, ein Aus- dorf / Freundschaftsvertrag mit Erfurt tauschprogramm besteht mit dem Künst- lerdorf „Ein Hod“, Düsseldorfer Schulen Haifa hat 18 Partnerstädte in der ganzen haben Beziehungen zum „Leo-Baeck- Welt. Von Antwerpen in Belgien über Ma- Erziehungs-Zentrum“ in Haifa. nila auf den Philippinen, San Francisco in Im Februar 2000 unterzeichneten den USA bis Shanghai in China. Aus- die Oberbürgermeister von Haifa und Er- landsbeziehungen haben im Rathaus von furt einen Freundschaftsvertrag. Kontakte Haifa einen besonderen Stellenwert, wer- bestanden seit Anfang der neunziger Jahre. den von einer eigenen Abteilung betreut. Die Partnerschaften mit den deut- Über 20 Jahre fest verbandelt schen Städten wurden Ende der achtziger Schüleraustausch Mannheim-Haifa / Jahre festgeschrieben, nachdem sich meist Deutsch-Israelische Gesellschaft Kontakte über zwei Jahrzehnte entwickelt hatten. Haifa und Mainz tauschten 1969 Unterhalten sich Aviv und Alexandra, Yael erstmals Fachkräfte bei der Jugendarbeit und Markus, dann geht es dabei öfter wohl aus. Bevor es zur offiziellen Partnerschaft um die Schule, manchmal spricht man über kam, schlossen die Universitäten der bei- Popstars, MP3-Player, neue Handy- den Städte 1981 einen Freundschaftsver- Funktionen. Doch regelmäßig wird auch trag. Sechs Jahre später wurde die Partner- die Frage auftauchen: wie ist das denn bei
12 euch in Israel, wie macht ihr das in mals kamen 30 Menschen ums Leben. Das Deutschland? – Seit zwanzig Jahren treffen bedeutet zugleich, dass die jungen Israelis sich Schüler aus Mannheim und Kiryat ein Leben führen, in dem sie ständigen Haim, dem Vorort von Haifa, regelmäßig. Gefahren ausgesetzt sind. Viele Hundert Jugendliche aus beiden Auch darüber tauschen sich die Ländern haben sich dadurch kennen ge- jungen Leute gewiss aus bei ihren Treffen. lernt. Sprechen dann über die Gegensätze in ih- In die Wege geleitet haben den rer beider Leben, wo es doch sonst so viele Schüleraustausch 1984 zwei Lehrer des grenzüberschreitende Gemeinsamkeiten Tulla-Gymnasiums: Margot Neuberg und gibt. Klaus Riebel. Für eine Sportler-Truppe sprang Margot Neuberg damals ein und Haifa-Mannheim: seit vielen Jah- machte sich mit einer Schülergruppe auf ren Stadtgespräch nach Haifa. Lehrerin und Schüler waren Langjährige Beziehungen / Achse Heb- begeistert, wollten die Reisen nach Israel, ron-Haifa-Mannheim erwogen die Begegnungen mit den israelischen Ju- gendlichen, dem Land und seinen Men- Sind die Berührungspunkte der beiden schen fortsetzen. Und das war der Beginn Städte nicht offensichtlich? Sowohl Haifa eines ambitionierten Schüleraustauschs, als auch Mannheim sind Industriestädte, der bis heute Bestand hat, stetig enger ge- die einen Strukturwandel in Gang gesetzt worden ist. haben. Dafür können beide Metropolen auf Der Schüleraustausch zwischen den die Innovationskraft und den Erfindergeist beiden Ländern, die das Erbe einer schwe- ihrer Menschen setzen. Die Städte verfü- ren Vergangenheit tragen, rief in Mann- gen über international angesehene Univer- heim noch mehr engagierte Menschen auf sitäten und Institute. Traditionell zeichnen den Plan: Der Förderverein für deutsch- sich Haifa und Mannheim aus durch Welt- israelische Freundschaft entstand, aus ihm offenheit, ein harmonisches Zusammenle- heraus dann 1994 die Deutsch-Israelische ben unterschiedlicher Kulturen und Religi- Gesellschaft. Vor allem das Elisabeth- onen. Gymnasium trägt den Austausch, mit von Im Gespräch war die Städtepartner- der Partie ist auch das Lessing. schaft immer wieder. Und zahlreiche Der israelische Counterpart ist die Mannheimer sind Feuer und Flamme – ob Tichon High School in Kiryat Haim, dem Einzelne oder Gruppen, Stadträte, Bürger- Vorort von Haifa. 2.200 Schüler zwischen meister. Insbesondere Oberbürgermeister 11 und 18 Jahren besuchen die Schule. Ihr Widder würde die Städtepartnerschaft mit Leiter ist David Goshen. Auch er ist seit Haifa sehr begrüßen. Überhaupt wurde den achtziger Jahren mit ganzem Herzen durch den regen Schüleraustausch, die El- bei der Sache. ternbesuche und Kontakte zwischen Sport- Trafen sich die Jugendlichen früher vereinen der beiden Städte bereits ein fes- jedes Jahr einmal in Haifa, das andere Mal tes zwischenmenschliches Band geknüpft. in Mannheim, sind die Zusammenkünfte Die Jüdische Gemeinde Mannheim steht im Moment auf Mannheim beschränkt. Die ebenfalls in Verbindung mit Haifa, speziell instabile politische Lage macht das erfor- mit dem „Leo-Baeck-Erziehungs- derlich. Haifa ist traditionell eine liberale Zentrum“. Stadt, die friedliche Koexistenz von Juden Bei den Überlegungen zur Städte- und Palästinensern fester Bestandteil des partnerschaft ist vor einigen Jahren auch Zusammenlebens. Dennoch: in der Stadt der Gedanke aufgekommen, die palästi- gab es in den vergangenen Jahren vier An- nensische Stadt Hebron in eine Dreier- schläge, auch wenn sie nicht aus den Rei- Partnerschaft mit einzubeziehen. Doch hen der Bürger kamen. Das schlimmste durch die anhaltenden gewalttätigen Aus- Selbstmordattentat im Oktober 2003: da- einandersetzungen in Israel, die zweite
13 Intifada, ist diese Konstellation einer über- Beide Vereine trainieren ihren Nachwuchs greifenden Völkerverständigung in den in den Vororten von Haifa. Sie geben ihr Hintergrund getreten. Fußballer-Können aber auch an Kinder und Jugendliche in Dörfern im Norden Israels Vital und integrierend weiter, insbesondere in Araber- und Dru- Filmfestival / Cartoon-Wettbewerb / sen-Dörfern. Folklore Eine weitere augenfällige Gemeinsamkeit Links: besteht zwischen Haifa und Mannheim: das Internationale Filmfestival. Seit 1984 http://www.haifa.muni.il werden in Haifa jedes Jahr die besten israe- http://www.hagalil.com lischen und internationalen Filme gezeigt. http://www.tour-haifa.co.il Neue Produktionen bewegen dann Lein- http://www.haifa-port.il wände und Menschen, auch international http://www.uni-haifa.de bedeutende Filme, die bereits auf renom- http://www.technion.ac.il mierten weltweiten Festivals gelaufen sind. http://www.gav-yam.co.il Seit Mitte der neunziger Jahre ver- http://www.dig-rn.de/ anstaltet Haifa – zeitgleich mit dem Film- festival – einen Internationalen Cartoon- Wettbewerb. Ausgerichtet vom Verband israelischer Karikaturisten steht der Con- test, wie das Filmfestival, unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Yona Yahaf. Stolz sind Hai- fas Bürger auf ihr Theater und das Sinfo- nie-Orchester. Ganz besonders am Herzen liegen der Stadt ihre Folklore-Tanzgruppen. Offiziell vertreten sie Haifa auf Cartoon Contest 2004 internationalen Veranstaltungen und Festivals. Maccabi Haifa starker Fußball-Club Auch sonst ist das Jahr über einiges los in der Stadt: im Mai begehen die Bürger den „Monat des Arabischen Buches“, im Juni ist Hafenfest und von Juli bis August lo- cken die Strände mit Partys und sportli- chen Wettbewerben. Zwei Fußball-Clubs hat die Stadt – Maccabi Haifa and Hapoel Haifa. Maccabi Haifa ist heute einer der erfolgreichsten Fußball-Clubs in Israel mit acht Champi- on-Ships, fünf Cups and zwei Toto-Cups.
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