Haspa BörsenAnalyse Kapitalmarkt 2020 - Zinslos in eine neue Welt - Haspa-Kapitalmarkt
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Zinslos in eine neue Welt Präambel Zinslos in eine neue Welt Anlagen mit einer kalkulierbaren Fälligkeit und hoher Qualität des Schuldners kaum mehr statt. Dies wiede- Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. rum hat zur Folge, dass die Schwankungsintensität Wer kennt nicht dieses Sprichwort oder muss mit dem der Vermögensanlage zunehmen wird und eine Glät- Blick in den Rückspiegel akzeptieren, dass Dinge sich tung nur durch eine Verlängerung des Anlagehorizon- anders entwickeln als erwartet. Dies trifft auch auf tes zu erreichen ist. Die langfristigen Folgen von Ver- Teile unseres Kapitalmarktausblickes für das Jahr zerrungen in der Bewertung von Krediten und Vermö- 2019 zu. Die Annahme, dass die großen Notenbanken gensbestandteilen sind derzeit kaum absehbar. Ins- in den USA und Europa weitgehend das umsetzen besondere im relativen Vergleich sprechen alle hin- werden, was sie kommunizieren, war falsch. Es hat länglichen Bewertungsmodelle für Aktien, allein schon keine Normalisierung der Geldpolitik stattgefunden, aufgrund der laufenden Ausschüttung. sondern vielmehr die Wende von der Wende. Der Grund hierfür war der Handelskonflikt, der die Noten- Ein weiterer Aspekt dieser neuen Welt wird bei der banken angesichts der Verletzlichkeit der Weltwirt- Auswahl der Anlagethemen immer augenfälliger. Auf schaft zu einer bis dato nicht gekannten präventiven der einen Seite dürften die Wachstumskräfte in der Geldpolitik veranlasste. Die Folge: Die Zinsen erreich- alten Welt der hochentwickelten Länder vorerst nicht ten zwischenzeitlich neue Tiefststände. Dieses histo- mehr die Dynamik der zurückliegenden Jahre errei- rische Manöver führte letztlich zu erheblichen Kurs- chen. Politische Risiken durch den andauernden Han- steigerungen in nahezu allen Anlageklassen. Insofern delskonflikt, der Trend hin zu einer weniger ausge- hat sich unser letztjähriges Motto - Spur halten und prägten Globalisierung sowie die Schwäche im kon- Chancen nutzen - für den Anleger mehr als ausgezahlt. junkturellen Zyklus begrenzen die Umsatz- und Ge- Unsere durchaus optimistischen Aktienprognosen winnentwicklung vieler traditioneller Konzerne und konnten sogar noch überflügelt werden und es war damit auch die zu erwartende Rendite. Auf der ande- richtig, auf Anleihen und Aktien zu setzen. Insbeson- ren Seite finden sich Unternehmen in Wirtschafts- dere die von uns stark in den Fokus gestellten Themen zweigen, die sich in ihrer Struktur hiervon weitgehend oder auch Megatrends konnten sich in dem heraus- abkoppeln können, weil sie in Zukunftsbranchen wie fordernden Umfeld hervorragend schlagen. Digitalisierung, Medizintechnik und weiteren Me- gatrends zu Hause sind. Um es kurz zu sagen: Anders Welche Erwartungen sind nun an die Kapitalmärkte im als die Industrie, die sich weltweit in der Rezession neuen Jahrgang zu richten? Auch wenn der Jahres- befindet, kennt die Digitalisierung keinen Abschwung. wechsel sowohl in der Ökonomie als auch im Privaten Was kann in der eher längerfristigen Perspektive zu häufig eine Art Abschluss und zugleich Neuanfang mit einem Wiedererstarken der globalen Wachstumskräfte sich bringt, bleiben die grundsätzlichen Rahmenbe- führen? Als eine der größten Herausforderungen, die dingungen vom Kalenderwechsel wenig oder gar nicht am Ende nur durch technischen Fortschritt und Inno- beeinflusst. Der am Ende für alle Anlageklassen maß- vationen gelöst werden können, wird das Erreichen geblichste Faktor ist und bleibt der Zins. Angesichts der globalen Klimaziele angesehen. Hieraus ergeben geringer Preissteigerungsraten, einer schwachen sich in der ersten Phase schmerzhafte Anpassungs- wirtschaftlichen Expansion und zahlreicher politischer prozesse, die aber zukünftig in langfristige Wachs- Unsicherheiten ist ein spürbarer Zinsanstieg bis auf tumsimpulse münden sollten. Schon heute ist ersicht- weiteres höchst unwahrscheinlich. Die in 2019 erfolg- lich, dass Nachhaltigkeit und Klima-Investments in der te massive Kehrtwende der Notenbanken dürfte mit Kapitalanlage eine feste Rolle einnehmen. den Minuszinsen im Euro weiter für einen hohen An- Im Ergebnis wird der Sparer immer mehr zum Investor lagedruck sorgen. Dies allein spricht für eine grund- und der notwendige Anlagehorizont verlängert sich. sätzliche Fortsetzung des Anlagemusters 2019 auch Die Abhängigkeit von volkswirtschaftlichen Zyklen im kommenden Jahr: Das Halten von Liquidität wird sowie die Auswahl bestimmter Anlagethemen nehmen ab bestimmten Anlagebeträgen mit negativen Zinsen ebenfalls entsprechend zu. Sachwerte wie Aktien und bestraft, Anlagen institutioneller Investoren sind an Immobilien rücken dabei mehr und mehr in den Mit- notwendige Ausschüttungen gekoppelt und das Erzie- telpunkt. Die neue zinslose Welt ist damit durch die len einer Rendite zum Vermögensauf- und -ausbau ist weitgehende Abstinenz von Zinsanlagen ein Stück nur mittels realer Anlagen wie Immobilien und Aktien weit einseitiger, aber keinesfalls weniger renditestark möglich. In dieser neuen nahezu zinslosen Welt finden geworden als die alte Welt mit ihren sicheren Zinsen. 3
Zinslos in eine neue Welt Zusammenfassung der Prognosen Weltwirtschaft belebt sich etwas, Wir favorisieren: Welt-BIP 2020: +3,1 %. Internationale Dividendentitel (Ausschüttung) sowie strukturelles Wachstum (Megatrends). Euro-Zone: Moderat seitwärts, BIP 2020: +1,1 %. Bei Abzeichnen eines Trittfassens der Weltwirt- schaft, antizyklische Käufe konjunktursensibler Deutschland ohne Schwung, Titel. BIP 2020: +0,9 %. Bevorzugte Aktiensektoren: USA im Präsidentschaftswahljahr, Industrie, Pharma, Telekommunikation und Ver- BIP 2020: +1,7 %. sicherungen. China auf dem Wachstumspfad, Aktienthemen 2020: Nachhaltigkeit, Ökologie, BIP 2020: +5,8 %. Medizintechnik, Technologie, Megatrends. Inflationsraten in Deutschland und Euro-Zone um 1,5 %, in den USA um 2,0 %. Prognoserisiken Maximal noch eine US-Leitzinssenkung, Federal Funds Rate Ende 2020: 1,25 % - 1,50 %. US-Rezession. EZB: Einlagesatz („Strafzins“) auf minus 0,60 %, „Lohn-Preis-Spirale“ in den USA und Hauptrefinanzierungssatz bleibt bei 0,00 %. Deutschland. US-Dollar unter Druck, der Euro klettert in den „Harter Brexit“ durch die Hintertür: Bereich um 1,15 USD. Großbritannien schafft die erforderlichen Änderungen nicht bis Ende 2020. Der Ölpreis (Nordseeöl Brent) pendelt zwischen 60 USD und 70 USD pro Barrel. Handelskonflikt USA - China: China bleibt bei seiner Langfriststrategie, Die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe Trump eskaliert den Konflikt im Wahlkampf. bleibt negativ, Ende 2020 bei minus 0,25 %. Mögliche Kartellverfahren wegen marktbeherr- Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe schender Stellung gegen US- bleibt niedrig, Ende 2020 bei 1,40 %. Technologiekonzerne. Der DAX bewegt sich in einer Bandbreite von 11.000 bis 14.500 Punkten; zum Jahresende: DAX 14.000 Punkte, Euro Stoxx 50 3.800 Zähler. Anlagestrategie „Zinslos in eine neue Welt“. Ziel: realer Kapitalerhalt in Zeiten anhaltender Finanzrepression. Herausforderung: zunehmende Anlageklassen- Monotonie. Für Stabilität sorgen Deckungsstockanlagen, Pfandbriefe, offene Immobilienfonds und Gold. Beimischung von Fremdwährungsanleihen (in nationaler Währung) sowie Staatsanleihen aus Schwellenländern (in US-Dollar); Ziel: Diversifikation und Kuponerträge. In einer zinslosen Welt wird die Aktie zu einem strategischen Depotbestandteil. 4
Zinslos in eine neue Welt Inhaltsverzeichnis Seite Präambel 3 Zusammenfassung der Prognosen 4 Volkswirtschaftliches Umfeld 6 Zeitenwende produziert Verunsicherung 6 Konjunktur 7 Inflationsraten 9 Notenbanken 10 Währungen 11 Digitale Währungen 12 Rohöl 13 Gold 14 Kapitalmärkte 2020 15 Anleihemarkt 15 Aktienmarkt 18 Anlagestrategie 2020 21 Zinslos in eine neue Welt 21 Dividenden 23 Low Risk - schwankungsarme Aktien 23 Strukturelles Wachstum 24 Branchenüberblick 25 5
Volkswirtschaftliches Umfeld Zinslos in eine neue Welt Zeitenwende produziert Verunsicherung. Die Welt befindet sich in einer Zeitenwende. Die Die Notenbanken spielen heute eine andere Rolle. Nachkriegszeit mit den USA als Weltmacht Nummer Waren sie zuvor hauptsächlich für die Gewährleistung Eins ist vorüber. Die US-Regierung verfolgt eine nati- von Preisniveaustabilität zuständig, sind ihnen im onalistische Politik, zieht sich aus globalen Projekten Nachgang zur Finanzmarktkrise Aufgaben angetragen zurück und begrenzt ihre Teilnahme am Welthandel. worden, für die eigentlich die Regierungen zuständig China will politisch, ökonomisch und militärisch an die sind. Diese sind jedoch häufig nicht handlungsfähig. Stelle der USA treten und der neue Hegemon werden. So übernahm die Europäische Zentralbank notge- drungen die Rettung des Euro (Draghi 2012: „What- Die Zeitenwende ist geprägt durch den Vormarsch ever it takes“). Die Grenzen zwischen Geldpolitik und autoritärer und nationalistischer Regierungen. Ein- Fiskalpolitik verschwimmen seither immer mehr. heimische Produzenten werden bevorzugt („America Geldpolitische „Non-standard measures“ sind heute first“), ausländische Wettbewerber behindert. Wuchs an der Tagesordnung. Hierzu zählen negative Leitzin- der globale Handel lange Zeit etwa doppelt so schnell sen sowie massive Käufe von Anleihen und Aktien. wie die Weltwirtschaft, wird es 2019 mit gut 1 % nur Zudem wurden die Zinsen weitgehend eliminiert. Auch noch etwa ein Drittel des globalen Wachstumstempos dies fördert die Verunsicherung der Menschen. sein. Das sorgt für Verunsicherung, ablesbar am Index wirtschaftspolitischer Unsicherheit. Er misst die Häu- Im Zuge massiver Anleihekäufe der US-Notenbank figkeit von Artikeln in Tageszeitungen, in denen sanken die langfristigen Renditen in den USA unter Schlagwörter in Zusammenhang mit wirtschaftlicher die kurzfristigen Zinsen. Die amerikanische Renditen- Unsicherheit vorkommen. strukturkurve wurde invers. Viele Marktbeobachter deuten dies als Zeichen einer heraufziehenden Rezes- sion, ging doch allen US-Rezessionen bisher eine ne- gative Strukturkurve voraus. Die zunehmende Ungleichheit bei der Verteilung des Wohlstandes und der Vermögen löst Proteste aus. Der demokratische Rechtsstaat wird in Frage gestellt. Autokratische Regierungsformen setzen sich durch, Mittlerweile hat sich die US-Kurve normalisiert, lang- nicht nur in Schwellenländern, sondern auch im „Wes- fristige Anleihen rentieren wieder höher als Kurzfrist- ten“. Das Maß der Verunsicherung nimmt zu. gelder. Gleichwohl halten sich die Sorgen vor einem Wie geht es weiter? Es ist derzeit kein neuer Wachs- Ende des US-Aufschwungs. Eine Rezession im Präsi- tumsschub für die Weltwirtschaft auszumachen. Sollte dentschaftswahljahr 2020 erscheint zwar wenig wahr- es zu einem „Deal“ zwischen den USA und China scheinlich. Im Jahr danach kann sie jedoch nicht aus- kommen, dürfte die Unsicherheit zwar etwas abflauen. geschlossen werden, zumal der aktuelle Aufschwung Eine nachhaltige weltweite politische Entspannung in den USA schon ungewöhnlich lang ist. Auch dies und ein globaler Konjunkturaufschwung sind jedoch wird die Verunsicherung nicht abklingen lassen. nicht in Sicht. Der Trend zur Deglobalisierung dürfte Die Zeitenwende ist noch nicht vollendet. Eine gefes- genauso anhalten wie das Gerangel zwischen den USA tigte neue geopolitische Struktur gibt es bisher nicht. und China um den Rang der Weltmacht Nummer Eins. Undenkbares ist Realität geworden, wie der negative Der Unsicherheitsindex sollte daher auf einem relativ Zins beweist. hohen Niveau verharren. Unsicherheit ist „Gift“ für die Konjunktur und wird einem neuen globalen Auf- Fazit: Das hohe Ausmaß an Verunsicherung dürfte schwung im Wege stehen. anhalten und die ökonomischen Aktivitäten dämpfen. 6
Volkswirtschaftliches Umfeld Zinslos in eine neue Welt Konjunktur: Wenig Wachstum … Die Wachstumsrate des globalen Bruttoinlandspro- liegt bei rund 2,5 % des BIP und dürfte dort verharren. dukts (BIP) wird nach Einschätzung des Internationa- Dieses „Zwillingsdefizit“ könnte ähnlich wie in den len Währungsfonds (IWF) im neuen Jahr wieder auf 80er Jahren unter Präsident Reagan Zweifel an der 3,4 % klettern. Ursächlich sind höhere Wachstums- Schuldnerqualität der USA wecken und höhere Risi- prognosen für große Schwellenländer wie Indien, Bra- koprämien für US-Staatsanleihen bewirken. Der US- silien, Mexiko und Russland. In den Industrieländern Dollar würde abwerten und die Inflationsraten anzie- dagegen geht es lediglich seitwärts. Wir halten die hen. Die Notenbank könnte einen unerwünschten IWF-Prognose für recht optimistisch und rechnen le- Renditeanstieg durch massive Anleihekäufe begren- diglich mit einem globalen BIP-Plus von 3,1 %. zen. Ein Szenario, das dem US-Präsidenten gefallen dürfte, denn der fordert seit langem einen schwäche- ren Dollar und deutlich niedrigere Zinsen. In der Annahme, dass der amerikanische Arbeitsmarkt keinen Schwächeanfall erleidet, dürfte die Wachs- tumsrate des BIP 2020 auch ohne ein zusätzliches Konjunkturprogramm zwischen 1,5 % und 2,0 % liegen. Dies entspricht in etwa dem Potenzialpfad, der bei knapp 2 % verortet wird. Die Säule des Wachstums bleibt auch 2020 der private Verbrauch. China wird auch 2019 rund ein Drittel zum globalen Wachstum beitragen. Gleichwohl leidet das Reich der In den USA wird der Aufschwung hauptsächlich von Mitte unter dem anhaltenden Handelsstreit mit den den Konsumausgaben getragen. Die Kaufbereitschaft USA. Die Wachstumsraten des BIP schwächten sich der privaten Haushalte ist angesichts des von Vollbe- zuletzt weiter ab. Doch dürfte die diesjährige Zielvor- schäftigung geprägten Arbeitsmarktes ausgespro- gabe von „6,0 % bis 6,5 %“ erreicht werden. Realis- chen groß. Das Verbrauchervertrauen spiegelt dies tisch erscheint ein BIP-Plus von 6,2 %. wider. Es schwächte sich zwar zuletzt etwas ab, hält sich aber auf einem recht hohen Niveau. Im neuen Jahr dürfte der Volkskongress das wirt- schaftliche Wachstumsziel auf eine Spanne von 5,5 % Die kräftigen Wachstumsraten 2017 und 2018 beru- bis 6,0 % reduzieren. Damit würde die Regierung ihr hen vor allem auf Steuersenkungen. Ein neues Kon- Versprechen halten, das BIP und das Pro-Kopf- junktur- und Wachstumsprogramm ist vorstellbar, Einkommen von 2010 bis 2020 zu verdoppeln. Die zumal sich Regierung und Opposition einig sind, dass Zielerreichung dürfte wie bisher mit Hilfe von Zins- die veraltete Infrastruktur in den USA massive Investi- tionen vertragen würde. Ob allerdings ein entspre- und Steuersenkungen sowie gezielten Konjunktur- programmen unterstützt werden. chendes Paket geschnürt wird, dürfte auch davon ab- hängen, ob zusätzliche Schulden vertretbar sind. Das Unabhängig vom Ausgang des Handelsstreits mit den Haushaltsdefizit der USA kletterte im Finanzjahr 2019 USA hält China an seinem Langfristplan “Made in Chi- um 26 % auf 984 Mrd. US-Dollar und erreichte 4,6 % na 2025” fest. Er sieht vor, dass das Reich der Mitte des BIP. In den kommenden Jahren dürfte es sich bei bis zum Jahr 2025 in zehn industriellen Wirtschafts- 5 % des BIP einpendeln. Das Leistungsbilanzdefizit bereichen zu den weltweit führenden Anbietern 7
Volkswirtschaftliches Umfeld Zinslos in eine neue Welt gehört. Zum 100. Jahrestag der Volksrepublik China nierte. Wegen des relativ schwachen Abschneidens im Jahr 2049 soll das Land schließlich der weltweit Deutschlands wird die europäische Wachstumsrate führende Anbieter im industriellen Sektor sein. 2019 lediglich bei 1,2 % liegen. Deutschland wandelte im abgelaufenen Jahr am Ran- Im neuen Jahr zeichnet sich ein ähnlicher Wert ab. de einer Rezession. Die Wachstumsprognose wurde Solange Deutschland als die mit Abstand größte mit einem Plus von 0,6 % nur zur Hälfte erfüllt. Ur- Volkswirtschaft der Euro-Zone (BIP-Anteil 29 %) nicht sächlich war der Einbruch im industriellen Sektor. wieder Fahrt aufnimmt, wird der gesamte Währungs- Während private und staatliche Konsumausgaben verbund nur gebremst vorankommen. expandierten, versank die Industrie in der Rezession. Der Brexit bleibt ein Unsicherheitsfaktor in Europa. Die konjunkturelle Dynamik dürfte auch im neuen Jahr Selbst wenn der Austrittsvertrag im Nachgang zur verhalten bleiben. Deutschlands Export macht gut die vorgezogenen Neuwahl Mitte Dezember eine Mehrheit Hälfte des BIP aus. Abzüglich der Importe verbleibt ein im britischen Parlament findet, unterliegt Großbritan- Außenbeitrag von 5 % der Wirtschaftsleistung. Damit nien lediglich bis Ende 2020 den Regeln der EU inklu- ist die Abhängigkeit vom Welthandel sehr viel ausge- sive Beitragszahlung. Sollte die Übergangsfrist nicht prägter als bei anderen Exportnationen. Die globalen verlängert werden, dürfte sehr wenig Zeit bleiben, um Handelsaktivitäten haben infolge der Zollstreitigkei- das Rechtssystem von EU-Recht auf britisches Recht ten der USA mit seinen „Partnern“ abgenommen. Auch umzustellen sowie neue Handelsabkommen zu drohende US-Zölle auf europäische Autos bremsen schließen. Erfahrungsgemäß erfordern Handelsab- das Geschäft. Darüber hinaus befindet sich der deut- kommen mehrjährige Vorbereitungen. sche Automobilsektor in einer Umstrukturierung, die kurzfristig keine expansiven Impulse freisetzt. Von der Sollte die Regierung Johnson auf eine Fristverlänge- Industrie ist daher auch 2020 kein positiver Wachs- rung verzichten, droht Ende 2020 doch noch der „har- tumsbeitrag zu erwarten, obwohl sich die industriellen te Brexit durch die Hintertür“. Frühindikatoren derzeit stabilisieren. In der Bauwirt- schaft dagegen sollte der Boom anhalten, solange die Zinsen niedrig bleiben. Einmal mehr wird das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland von den Konsumausgaben der privaten Haushalte und des Staates getragen. In der Annahme, dass sich der Arbeitsmarkt nicht nennenswert ab- schwächt, rechnen wir für das neue Jahr mit einem Zuwachs des BIP von 0,9 %. Rund ein Drittel des Wachstums beruht allerdings auf der höheren Anzahl von Arbeitstagen. Die grundlegende wirtschaftliche Dynamik 2020 schätzen wir genauso verhalten ein wie Das Pfund Sterling spiegelt die Einschätzung wider, im abgelaufenen Jahr. dass es ein Austrittsabkommen gibt und die Umstel- lungen zeitnah gelingen. Sollte die Übergangsfrist bis In der Euro-Zone hat Frankreich zuletzt positiv über- Ende 2020 nicht großzügig verlängert werden, drohen rascht, während Spanien das Wachstumstempo knapp dem Pfund bei einem verzögerten „harten“ Brexit halten konnte und Italien wie gewohnt nahezu stag- deutliche Wechselkursverluste. 8
Volkswirtschaftliches Umfeld Zinslos in eine neue Welt Inflationsraten: … wenig Inflation … Der Preisauftrieb hat sich zuletzt weiter verlangsamt. Einen beachtlichen Beitrag zur Preisstabilität leistet Die Verbraucherpreise stiegen im November in zudem die Digitalisierung. Sie hat über die Handels- Deutschland und der Euro-Zone nur noch mit Jahres- plattformen des Internets zu einer zuvor nicht raten von 1,1 % bzw. 1,0 %. Die Inflationsraten haben gekannten Preistransparenz geführt, die auf den sta- sich weit vom Zielwert der Europäischen Zentralbank tionären Handel ausstrahlt. (EZB) entfernt. Dieser lautet „nahe, aber unter 2 %“. Darüber hinaus wurden die Energiepreise gezähmt. Es gibt kaum noch die früher üblichen Inflationsschübe durch explodierende Öl- und Gaspreise. Die USA als mittlerweile größter Erdölförderer der Welt haben die Preissetzungsmacht des OPEC-Kartells gebrochen. Zudem wird im Zuge der Dekarbonisierung weltweit der Ausbau regenerativer Energien zu Lasten her- kömmlicher Energieträger forciert. Von den Erdöl- und Erdgaspreisen sind daher immer weniger inflationäre Impulse zu erwarten. Wie geht es weiter? Die von den Notenbanken besonders beachteten In Deutschland dürften die Inflationsraten zum Jah- Inflationserwartungen haben sich ebenfalls deutlich reswechsel aufgrund eines Basiseffekts etwas anzie- abgeschwächt, wenngleich ihr Abstand zum Zielwert hen, im weiteren Jahresverlauf jedoch wieder in die etwas geringer ist als der der Teuerungsraten. Spanne von 1,0 % bis 1,5 % zurückkehren. Für das Gesamtjahr 2020 rechnen wir mit Inflationsraten von jeweils 1,4 % in Deutschland und der Euro-Zone. Ein Unsicherheitsfaktor - wenngleich wenig wahr- scheinlich - sind die Lohnkosten. Sie steigen trotz Vollbeschäftigung in den USA und Fachkräftemangel in Deutschland bisher nur moderat. Die befürchtete Lohn-Preis-Spirale ist nirgendwo Realität geworden. Sollte sich der Aufschwung an den Arbeitsmärkten weiter verfestigen, könnte es im Zuge stark steigender Löhne zu einem Preisschub kommen, der letztendlich die Inflationsraten über ihre Zielwerte steigen lässt. Für das Jahr 2019 zeichnen sich Inflationsraten von Aber auch das dürfte die Notenbanken kaum veranlas- 1,4 % in Deutschland und 1,2 % in der Euro-Zone ab. sen, die monetäre Bremse zu betätigen und die Leit- Die ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise berech- zinsen anzuheben. Denn sowohl die EZB als auch die neten Kernraten der Inflation fallen ähnlich aus. US-Notenbank betonen, dass ihre Inflationsziele symmetrisch seien. Eine längere Phase unterdurch- Warum sind die Inflationsraten so niedrig? Ursächlich schnittlicher Inflationsraten sei kompatibel mit einer für die rückläufigen Inflationserwartungen dürfte vor längeren Zeit überdurchschnittlich steigender Ver- allem der konjunkturelle Abschwung sein, der fast alle braucherpreise. Volkswirtschaften erfasst hat. In Zeiten einer sich ab- kühlenden Wirtschaft ist es schwierig, höhere Preise Das jahrelange Unterschreiten der Zielwerte hat durchzusetzen. Aufkommende Rezessionssorgen Fragen aufgeworfen, ob sie nicht gesenkt werden dämpfen die Nachfrage und damit auch den Preisauf- müssten. Es zeichnet sich derzeit ab, dass sie zwar trieb zusätzlich. nicht geändert, jedoch flexibler gehandhabt werden. Ein Indiz dafür ist der Hinweis auf die Symmetrie. Als Preisbremse fungierte auch die Globalisierung. Insbesondere die Verlagerung der Produktion in die Fazit: Wir gehen davon aus, dass die Inflationsraten in asiatischen Niedriglohnländer sorgte in den vergan- Deutschland und der Euro-Zone auch im neuen Jahr genen Jahrzehnten für sinkende Produktionskosten. weit unter dem Zielwert der EZB verharren. 9
Volkswirtschaftliches Umfeld Zinslos in eine neue Welt Notenbanken: … und wenig Zinsen. Die internationalen Notenbanken haben heute eine Auch die US-Notenbank (Fed) greift seit vielen Jahren andere Funktion als in den vergangenen Jahrzehnten. aktiv am Anleihemarkt ein. Ihr Portfolio umfasst aktu- Sie wandelten sich vom schlichten „Währungshüter“, ell rund 4,1 Bill. USD, davon 2,1 Bill. USD Staatsanlei- der die Inflation im Zaum hält, zum multifunktionalen hen und 1,5 Bill. USD Hypothekenanleihen. Seit Wo- Garanten des „magischen Vierecks“. Es umfasst ein chen wird massiv Liquidität bereitgestellt, um ein angemessenes und stetiges Wachstum, Preisni- Austrocknen des Geldmarktes zu verhindern. Es könn- veaustabilität, einen hohen Beschäftigungsstand und te lediglich eine Frage der Zeit sein, wann auch wieder außenwirtschaftliches Gleichgewicht. langfristige Anleihen erworben werden. In den Jahrzehnten vor der Weltwirtschaftskrise Im Gegensatz zur EZB senkte die Fed den Leitzins 2008/09 waren die Notenbanken häufig Auslöser der nicht in den negativen Bereich und wird dies nach Rezessionen. Sie erhöhten die Leitzinsen, um aus- eigenem Bekunden auch nicht tun. Aktuell liegt die ufernde Inflationsraten zu bekämpfen. Heute dagegen Federal Funds Rate bei 1,50 % bis 1,75 %. Die Fed sollen sie den Aufschwung am Leben halten. signalisierte, dass sie nach dem dritten Zinsschritt im Jahr 2019 zunächst einmal eine Leitzinspause einge- Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zu diesem legt hat. Sollten sich die konjunkturellen Perspektiven Zweck sogar den Leitzins eliminiert. Der Hauptrefi- zu Beginn des neuen Jahres jedoch eintrüben, dürfte nanzierungssatz wurde im März 2016 auf 0,00 % die Fed noch eine Zinssenkung vornehmen. gesenkt. Der Einlagesatz für Banken („Strafzins“) liegt aktuell bei minus 0,50 % und könnte im neuen Jahr sogar noch etwas weiter ermäßigt werden. Was haben die Notenbanken noch im Köcher um einen unerwünschten Renditeanstieg zu verhindern? Zunächst einmal kann der verbleibende Spielraum Eine Rückkehr der Leitzinsen auf früher übliche Ni- beim Ankauf von Staatsanleihen ausgereizt werden. veaus ist kaum vorstellbar. Wir gehen von einer mehr- Sollte der Anleihemarkt „leergefegt“ sein, könnten die jährigen Phase extrem niedriger Zinsen aus. Notenbanken nach dem Vorbild der Bank of Japan Ein nennenswerter Anstieg der Zinsen würde das auch zum Erwerb von Aktien übergehen. fragile Gebäude der Staatsfinanzen in Europa wahr- In den USA besteht beim Leitzins weiteres Abwärtspo- scheinlich massiv beschädigen, wenn nicht zum Ein- tenzial. In der Euro-Zone dagegen drohen bei noch sturz bringen. Die hohen Staatsschulden in vielen negativeren Leitzinsen Gefahren fürs Bankensystem. Ländern der Euro-Zone sind nur tragbar, solange die Zinszahlungen weitgehend entfallen. Die komplette Renditenstrukturkurve könnte durch die Notenbanken gesteuert werden. Auch hier ist die Um die Renditen zu senken, kauften die Notenbanken Bank of Japan der internationale Vorreiter. massiv Anleihen. Die Europäische Zentralbank erwarb von März 2015 bis Dezember 2018 „zu geldpoliti- Als „letzte Patrone“ gilt das „Helikoptergeld“: Die No- schen Zwecken gehaltene Wertpapiere“ im Volumen tenbank stellt den privaten Haushalten direkt oder von 2,6 Billionen EUR, davon knapp 2,2 Billionen EUR indirekt zusätzliches Geld zur freien Verfügung. Prob- Staatsanleihen. Das Ende 2018 eingestellte Programm lem: Das Vertrauen der Bevölkerung in eine aufge- wurde im November 2019 reaktiviert. Derzeit kauft die blähte „Helikopter-Währung“ dürfte rasch verloren EZB monatlich für 20 Mrd. EUR Anleihen. gehen, so dass sie letztendlich wertlos wird. 10
Volkswirtschaftliches Umfeld Zinslos in eine neue Welt Währungen: Der Dollar ist zu teuer. Der handelsgewichtete Außenwert des US-Dollar be- Damit würde er sich seiner Kaufkraft annähern. wegt sich in der Nähe mehrjähriger Höchststände. Berechnungen des Internationalen Währungsfonds Dass er diese erreicht oder gar überschreitet, ist we- sehen die Kaufkraftparität des Euro aktuell bei knapp nig wahrscheinlich, denn seine Auftriebskräfte haben 1,30 USD. Mit anderen Worten: Würden die Wechsel- an Schwung verloren. So riss die US-Notenbank das kurse aller Währungen ihrer tatsächlichen Kaufkraft geldpolitische Steuer herum und reduzierte den Leit- entsprechen, müsste der Euro zum US-Dollar um mehr zins mehrfach. Weitere Senkungen sind möglich. Zu- als 15 % aufwerten. Das ist weder im Interesse der dem hat sich der Renditevorsprung amerikanischer Euro-Länder noch aufgrund der strukturellen Schwä- Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen spürbar che Europas wahrscheinlich. verringert. Die Wachstumsrate des BIP wird in den Auf mittlere und längere Sicht könnte der US-Dollar USA zwar auch 2020 deutlich höher sein als in Europa. vom amerikanischen „Zwillingsdefizit“ eingeholt wer- Aber sie nimmt ab. den. Die sich abzeichnenden Haushaltsdefizite von rund 5 % des BIP plus Leistungsbilanzdefizite von etwa 2,5 % wiegen so schwer, dass sie eine „normale“ Währung massiv unter Druck setzen müssten. Der US- Dollar hat als Weltwährung Nummer Eins allerdings den einzigartigen Vorteil, dass die Akteure im globa- len Handel und an den Kapitalmärkten auf ihn ange- wiesen sind und ihn nicht ignorieren können. Im abgelaufenen Jahr 2019 hat der Euro gegenüber den meisten Währungen nachgegeben. Besonders starken Aufwind hatten die Rohstoffwährungen aus Russland, Kanada und Mexiko. Im Zweijahresvergleich Zudem drängt der US-Präsident auf eine Schwächung liegen Japan, Mexiko und die USA vorne. der US-Währung. In seinen Augen bereichern sich die Performance gegenüber Euro (in %) „Partner“ aus Asien und Europa auf Kosten der USA. seit 01.01.2019 seit 01.01.2018 Trump fordert daher eine massive Abwertung des Australischer Dollar 0,5 -5,0 Chinesischer Renminbi 0,9 0,1 Dollar gegenüber dem Euro, dem Japanischen Yen Hongkong Dollar 3,5 8,1 und dem Chinesischen Renminbi, um die Exportaktivi- Indische Rupie 1,1 -2,9 täten Europas, Japans und Chinas zu behindern. Die Japanischer Yen 4,3 12,2 Kanadischer Dollar 6,5 2,9 damit einhergehenden inflationären Impulse für die Koreanischer Won -3,1 -2,9 USA dürfte Trump in Kauf nehmen. Mexikanischer Peso 5,2 10,1 Neuseeland Dollar 1,1 0,0 Norwegische Krone -2,1 -2,7 Pfund Sterling 6,6 5,2 Polnischer Zloty 0,1 -2,5 Russischer Rubel 13,3 -2,1 Schwedische Krone -3,4 -6,4 Schweizer Franken 2,6 6,6 Singapur Dollar 3,7 6,5 Türkische Lira -5,2 -28,8 US-Dollar 3,6 8,3 Stand: 06.12.2019 Im neuen Jahr bleiben wir zurückhaltend gegenüber den Dollar-Währungen aus Neuseeland und Australi- en, deren China-Abhängigkeit belasten könnte. Im Bisher hat sich der Greenback um 1,10 US-Dollar pro Vordergrund stehen europäische Währungen wie die Euro behauptet. Eine zumindest begrenzte Abwertung zuletzt vernachlässigten Kronen aus Schweden und dürfte jedoch nur eine Frage der Zeit sein. Wir gehen Norwegen. Engagements in Fremdwährungen sollten davon aus, dass der Euro im neuen Jahr etwas zulegt auch im neuen Jahr fester Bestandteil eines ausgewo- und in den Bereich der technischen Widerstandslinie genen Portfolios sein. Neben direkten Anleihen bietet um 1,15 US-Dollar pro Euro klettert. sich ein diversifizierter Währungsfonds an. 11
Volkswirtschaftliches Umfeld Zinslos in eine neue Welt Digitale Währungen: Von Bitcoin zu Libra? Es ist ruhiger geworden um Bitcoin und Co. Die Kurs- Im Bereich „gezähmter“ Kryptos gibt es Bewegung. So ausschläge sind zwar immer noch weitaus höher als möchte Facebook in der ersten Jahreshälfte 2020 ein bei Aktien und Anleihen. Handelstage mit zweistelli- eigenes Plattformgeld namens „Libra“ einführen. gen prozentualen Tagesschwankungen und dement- Rund 2,5 Mrd. Facebook-Nutzer versprechen eine sprechenden Schlagzeilen werden jedoch seltener. Vielzahl lukrativer Finanz-Transaktionen. Im Gegen- satz zu Bitcoin und Co. soll der Libra-Kurs nur be- grenzt schwanken. Das Plattformgeld ist als „Stab- lecoin“ gedacht. Das emittierte Libra-Volumen soll vollständig mit internationalen Währungen unterlegt werden. Tauschen Marktteilnehmer Euro, Yen, Dollar oder andere Währungen gegen ein Libra-Guthaben auf dem Smartphone, will Facebook das eingenom- mene Geld in etablierte Währungen sowie kurzlaufen- de Staatsanleihen anlegen. Etwa die Hälfte davon in US-Dollar. Gegen das Plattformgeld gibt es massive Bedenken. Nachdem sich der Kurs des Bitcoin in der ersten Jah- Sowohl die US-Behörden als auch die Notenbanken reshälfte 2019 verdreifachte, ging er anschließend um der G7-Länder lehnen private digitale Währungen ab. mehr als ein Drittel zurück. Per Saldo hat sich der Bit- Ein Wettbewerb zwischen staatlichem und privatem coin-Kurs seit Jahresbeginn gut verdoppelt. Geld gefährde das Währungsmonopol der Zentralban- ken. Libra droht das normale Geld zu verdrängen. Marktanteile in Prozent, Stand 06.12.2019 Facebook kann zudem über Anleihen, die zur Deckung von Libra erworben werden, größter Gläubiger einzel- ner Staaten werden. Zudem könnte der Deckungs- stock so stark anwachsen, dass Facebook damit in die Lage versetzt wird, Wechselkurse zu beeinflussen. Darüber hinaus kann das Plattformgeld für Geldwä- sche oder zur Terrorfinanzierung genutzt werden. Das alles ist nicht im Sinne der Notenbanken. Fazit: Der amtliche Gegenwind für Libra ist ausgespro- chen hoch und dürfte nicht abflauen. Mit einer raschen Einführung ist daher nicht zu rechnen. Möglicherweise werden einige Notenbanken mit ihren E-Währungen schneller am Markt sein. China sieht Libra als Bedrohung des nationalen Zah- Der Bitcoin ist weiterhin der unangefochtene Platz- lungsverkehrs und will noch 2019 eine eigene digitale hirsch auf der digitalen Lichtung. Mit einer Marktkapi- Währung einführen. Vielleicht wird der staatliche talisierung von rund 136 Mrd. EUR macht er etwa zwei „E-Renminbi“ oder „E-Yuan“ durch Plattformwährun- Drittel des gesamten Kryptomarktes aus. Mit extrem gen der privaten Payment-Betreiber Alipay und Ten- großem Abstand folgen Ethereum und Ripple. cent ergänzt. Deren Dominanz im Zahlungsverkehr Die Begeisterung für Kryptowährungen hält sich wei- führte dazu, dass chinesisches Bargeld nur noch eine terhin in Grenzen. Die Wechselkurse kommen aus- geringe Rolle spielt. Für China hätte eine digitale schließlich durch Angebot und Nachfrage zustande. Währung zudem eine geopolitische Bedeutung. Sie Niemand überwacht den Handel, glättet extreme Aus- wäre ein Mittel, die internationale Verwendung des schläge oder ordnet bei Bedarf Handelsunterbrechun- Renminbi zu erhöhen. gen an. Mit extremen Kursschwankungen ist daher In Schweden arbeitet die Sveriges Riksbank bereits jederzeit zu rechnen. Selbst ein Totalverlust ist mög- seit 2017 an einer digitalen „E-Krona“. Im Jahr 2020 lich. Vor diesem Hintergrund bleiben nicht regulierte soll sie eingeführt werden, sofern der vorhergehende „wilde“ digitale Währungen nicht anlagetauglich. Test bestanden wird. 12
Volkswirtschaftliches Umfeld Zinslos in eine neue Welt Rohöl: Ölpreis ohne Schwung. Der Ölpreis hatte in der zweiten Jahreshälfte manch- Für ein stabiles Ölpreisniveau sorgt das Förderbe- mal Mühe, die Marke von 60 US-Dollar pro Barrel grenzungsabkommen der OPEC+. Als OPEC+ wird die (= 159 Liter) zu behaupten. Ursächlich war vor allem Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) die weltweite Konjunkturabschwächung. bezeichnet, ergänzt um Russland, Mexiko, Kasachs- tan, Aserbaidschan sowie sechs weitere eher kleinere Die aktuelle Prognose des Internationalen Währungs- Ölförderländer. Die OPEC+ kontrolliert etwa die Hälfte fonds (IWF) geht für 2019 nur noch von einem Zu- des globalen Ölmarktes. wachs des globalen Bruttoinlandsprodukts von 3,0 % aus. Der Welthandel wird gemäß IWF-Prognose ledig- Das Förderbegrenzungsabkommen entstand Ende lich um 1,1 % expandieren. Ein abnehmendes Wirt- 2018 als Reaktion der OPEC+ auf den Einbruch der schaftswachstum und schwächere internationale Han- Ölpreise. Derzeit wird die Ölproduktion um 1,2 Mio. delsaktivitäten führen zu einem geringeren Bedarf an Barrel pro Tag gedrosselt. Die 14 Mitglieder des OPEC- Öl und Treibstoffen. Kartells pumpen täglich 800.000 Barrel Öl weniger. Ölförderer außerhalb der OPEC drosseln ihre Produk- Mehr als die Hälfte der gesamten Energie verbraucht tion um 400.000 bpd, die Hälfte davon entfällt auf die Industrie. Da der industrielle Sektor In vielen Russland. Volkswirtschaften in die Rezession abglitt, ist die Nachfrage nach Energieträgern spürbar gesunken. Das Förderbegrenzungsabkommen wurde im vergan- genen Sommer um neun Monate bis März 2020 ver- längert. Auf dem Treffen der Ölminister Anfang Dezember wurde eine weitere Drosselung der Ölpro- duktion beschlossen. In den ersten drei Monaten 2020 sollen täglich 900.000 Barrel weniger gefördert wer- den. Mit der dann auf 2,1 Mio. Barrel ausgeweiteten Begrenzung soll eine Überversorgung vermieden werden. Aktuell zeichnet sich nämlich ein Ölüberhang ab, das Angebot dürfte die Nachfrage übersteigen. Die EIA prognostiziert für das Fass Nordseeöl einen durchschnittlichen Preis von gut 60 USD im Jahr 2020. Gleichzeitig wuchs das Ölangebot. Preisdämpfend Dies wäre zu wenig für Saudi-Arabien. Das Königreich wirkt vor allem die hohe amerikanische Ölförderung. braucht zum Ausgleich des Staatshaushalts einen Die US-Tagesproduktion erreichte Mitte November Ölpreis von gut 80 USD. Zudem fand kürzlich mit Saudi mit 12,8 Mio. Barrel pro Tag (bpd) Rekordniveau. Aramco der größte Börsengang der Geschichte statt: Ein kleiner Teil des saudischen Ölgiganten wurde zum Aktienhandel zugelassen. Für die weitere Kursent- wicklung der Aramco-Aktien wären höhere Ölnotie- rungen sicherlich förderlich. Während die Saudis mit Notierungen um 60 USD nicht zufrieden sind, ist Russland relativ entspannt. Von jedem verkauftem Fass Öl erhält der russische Finanz- minister rund 40 USD zur Finanzierung des Staats- haushalts. Liegt der tatsächlich erzielte Ölpreis dar- über, fließen die Mehreinnahmen in den nationalen russischen Wohlfahrtsfonds. Die U.S. Energy Information Administration (EIA) Fazit: Angesichts der weiteren Begrenzung der welt- erwartet eine durchschnittliche US-Förderung von weiten Ölförderung bei stabiler Nachfrage dürfte sich 12,3 Mio. bpd in 2019 und 13,2 Mio. bpd in 2020. Da- der Ölpreis im Bereich um 60 USD pro Fass Nordseeöl mit würden sich die USA zum Netto-Energieexporteur einpendeln. Der von den Energieträgern ausgehende wandeln. Wahrscheinlich sogar zum größten Ölprodu- inflationäre Druck sollte überschaubar bleiben. zenten der Welt, vor Saudi-Arabien und Russland. 13
Volkswirtschaftliches Umfeld Zinslos in eine neue Welt Gold: Neue Rekorde oder Goldrausch vorüber? Der Preis für eine Feinunze Gold bewegt sich nach Eines der größten Risiken für den Goldpreis ist daher einem fulminanten Höhenflug seit dem Spätsommer ein Anstieg der Realverzinsung in den USA. Dies wür- in einer weiten Spanne um die Marke von 1.500 US- de der Fall sein, wenn die Inflationserwartungen zu- Dollar. Handelt es sich dabei lediglich um eine Ver- rückgehen oder die nominalen Renditen steigen. Geht schnaufpause auf dem Weg zu neuen Höchstständen der amerikanische Realzins dagegen wieder zurück, oder ist der Goldrausch vorüber? dürfte der Goldpreis die bisherigen Höchststände im Bereich um 1.900 USD anvisieren. Der jüngste Höhenflug begann im Frühjahr 2019. Die wachsenden politischen Verunsicherungen, die zins- politische Kehrtwende der Notenbanken in den USA und Europa sowie die allgemein erwartete Dollar- Schwäche sorgten für Aufwind. Mitte Juni wurden die Chancen für steigende Goldno- tierungen noch besser. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China eskalierte und das Brexit-Drama wurde immer verworrener. Die Marktteilnehmer bega- ben sich verstärkt auf die „Suche nach Sicherheit“ und fanden dabei das gelbe Metall. Zuvor muss allerdings eine nicht zu unterschätzende Hürde überwunden werden. Bei rund 1.560 USD liegt ein massiver technischer Widerstand, an dem die Goldnotierung zuletzt im September scheiterte. Die Hürde stammt noch aus den Rekordjahren 2011 und 2012. Seinerzeit war sie die Unterstützungslinie, die im April 2013 gerissen wurde. Technisch gesehen gilt das Motto „Widerstand wird zur Unterstützung”, sobald er überwunden wird. Und umgekehrt. Am Goldmarkt hat sich das Geschehen zuletzt wieder beruhigt. Im 3. Quartal 2019 war die weltweite Nach- Nach Überwindung der langjährigen technischen Wi- frage nach Gold mit 1.108 Tonnen (t) um 3 % höher derstandslinie um 1.360 USD schnellte der Goldpreis als im gleichen Quartal des Vorjahres. Das Angebot nach oben. In der Spitze wurden im September rund nahm um 4 % auf 1.222 t zu. Der Aufschwung wurde 1.550 USD für eine Feinunze Gold gezahlt. insbesondere von den Gold-ETFs, den börsennotier- Was beeinflusst den Goldpreis? Stark ausgeprägt ist ten Goldindexfonds, getragen. Sie wuchsen um 258 t der Zusammenhang mit der amerikanischen Realver- auf den Rekordstand von 2.855 t. Die Nachfrage nach zinsung. Sinkt die um Inflationserwartungen gekürzte Barren und Münzen dagegen halbierte sich auf 150 t. Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen, so steigt der Auch die Zentralbanken erwarben im 3. Quartal 2019 Goldpreis - und umgekehrt. lediglich 156 t (-38 %). Allerdings hatten sie ihre Käu- fe im Vorjahr um 74 % ausgeweitet und die Reserven um 651,5 t auf insgesamt rund 33.900 t Gold aufge- stockt. Die größten Goldbestände halten die USA mit 8.130 t und Deutschland mit 3.370 t. Fazit: Der Goldrausch dürfte noch nicht vorüber sein. Das Ausmaß an Unsicherheit ist nach wie vor hoch. Zudem ist kein ausgeprägter Renditeanstieg in Sicht. Der Goldpreis kann zwar im Bereich um 1.560 USD noch einige Male ausgebremst werden. Langfristig sollte er jedoch neue Höchststände erklimmen. 14
Kapitalmärkte 2020 Zinslos in eine neue Welt Anleihemarkt: Chancen fast nur mit Spezialitäten. Hatten wir unseren Ausblick im vergangenen Jahr an weiteren Rückgang. Mit rund 50 Basispunkten liegen dieser Stelle noch mit „begrenzte Chancen“ betitelt, die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen noch haben sich die Perspektiven für die Anlageklasse An- guter Qualität aktuell im Bereich ihrer Tiefstände seit leihen weiter eingetrübt. der Finanzkrise 2007/08. Ein weiteres Einengungspo- tenzial erscheint insbesondere vor dem Hintergrund Der Grund für die ungünstigen Perspektiven in 2020 der mit einem reiferen Konjunkturzyklus tendenziell liegt vor allem in der Entwicklung der Anlageklasse steigenden Zahlungsstörungen unwahrscheinlich. Anleihen im Jahr 2019: Mit der erneuten Kehrtwende an der Zinsfront im Frühjahr hat das Segment im Jah- Als Konsequenz hieraus folgt: Wenn es kein nennens- resverlauf 2019 eine aktienähnliche Wertentwicklung wertes Kurspotenzial für Anleihen aus Zins- oder generiert. Nach vorne blickend wird das Wertentwick- Spreadrückgängen mehr gibt, dann muss der zukünf- lungspotenzial allerdings durch das mittlerweile stark tige Ertrag hauptsächlich aus dem Kupon der jeweili- gesunkene absolute Renditeniveau erheblich be- gen Anleihe kommen. Damit kommt Ernüchterung auf, grenzt. Dies liegt vor allem darin begründet, dass es in denn fast das gesamte Investmentgrade-Segment der einer Welt, in der das Bargeld nicht abgeschafft ist, Euro-Staatsanleihen liegt im Minusbereich, gute Un- eine natürliche Renditeuntergrenze in der Nähe der ternehmensanleihen tragen inzwischen Kupons zwi- Kosten für Bargeldhaltung zu geben scheint. Renditen schen null und ein Prozent. zweijähriger Bundesanleihen von minus 0,60 % dürf- ten in diesem Bereich (Kosten für Einlagerung, Aufbe- wahrung, Versicherung) liegen. Anders als 2019 scheinen damit größere Kursgewinne aus einem wei- teren Rückgang des Zinsniveaus zumindest für Euro- Anlagen wenig wahrscheinlich. Weitere Renditequellen wie der Beitrag aus der Zins- strukturkurve („roll-down-Effekt“, eine fünfjährige Anleihe ist nach einem Jahr nur noch eine vierjährige Anleihe, trägt aber den höheren Kupon eines fünfjäh- rigen Papiers) versiegen aufgrund abgeflachter Ver- läufe zusehends. Andere sind für einheimische Inves- Vor dem Hintergrund einer voraussichtlich wenig ver- toren nicht relevant wie positive Erträge aus der Wäh- änderten Politik der Europäischen Zentralbank gehen rungsabsicherung: Für einen US-Anleger mag es inte- wir davon aus, dass sich die Rendite der zehnjährigen ressant sein, deutsche Bundesanleihen mit einer Ver- Bundesanleihe Ende 2020 im Bereich um minus zinsung von minus 0,50 % zu halten, wenn er damit in 0,25 % befinden wird. Bei US-Staatsanleihen sind die US-Dollar gerechnet dank rund 2,50 % Ertrag aus der Prognosen aufgrund höherer Unsicherheiten (US- Währungsabsicherung aktuell immer noch auf eine Wahlkampf, Handelskonflikt, Differenzen zwischen positive US-Dollar-Rendite von 2,00 % in einer AAA- Präsident und Notenbank) herausfordernder. Wir Anlage kommt. Für Euro-Anleger gibt es diese Rendi- rechnen jedoch in Anbetracht einer möglichen Wachs- tequelle (in allerdings sehr viel kleinerem Ausmaß) tumsabschwächung eher mit etwas niedrigeren Ren- nur bei den noch niedriger rentierenden Anleihen in diten für die 10-jährige US-Staatsanleihe und können Schweizer Franken und Dänischen Kronen. In einem uns durchaus einen Rückgang bis in den Bereich von Negativzinsumfeld kommt der Hauptertrag für einen 1,40 % vorstellen. Euro-Anleiheinvestor vorrangig aus dem Akzeptieren Auch im Bereich der Risikoaufschläge für Kreditrisiken von Risiko. Da wir, wie schon beschrieben, unterstel- (Spreads) sieht es ähnlich aus: Hier gab es z. B. durch len, dass die Phase der unterstützenden Notenbank- die Erwartung neuer Ankaufprogramme 2019 einen politik noch lange anhält, gehen wir von weiter güns- 15
Kapitalmärkte 2020 Zinslos in eine neue Welt tigen Finanzierungsbedingungen für die Unterneh- Versicherer aufgrund der langen Laufzeit ihrer Ver- men aus. Dies sollte die Ausfallraten tendenziell nied- pflichtungen auch eine sehr langfristige Kapitalanlage rig halten. Wir erachten es daher für wahrscheinlich, verfolgen und daher neben langlaufenden Anleihen dass es - das Ausbleiben größerer exogener Schocks auch Baufinanzierungen, Infrastrukturinvestments vorausgesetzt - zu keinem nennenswerten Anstieg der (z. B. Übertragungsnetze, Mautstraßen etc.) und Ak- Kreditausfälle kommt. Eine Beimischung von höher tien beimischen können. rentierenden Anleihen aus dem Segment der Unter- Verteilung der Kapitalanlagen am Beispiel der Alli- nehmensanleihen mit mittlerer Qualität aus dem anz Leben per 30.09.2019 nach Marktwerten (in %): Grenzbereich zwischen Investmentgrade und High- Yield (BBB-BB) dürfte daher immer noch unter Chan- ce-Risiko-Aspekten attraktiv sein. Einen weiteren Ertragsbeitrag sollten 2020 Schwel- lenländer-Anleihen liefern können. Hier halten wir insbesondere ein Engagement in Hartwährungsanlei- hen (zumeist US-Dollar) für aussichtsreich. Die Attrak- tivität bezieht sich zum einen auf das absolute Niveau der laufenden Verzinsung, die sich zwischen 5,0 % und 5,5 % bewegt, zum anderen auf die Tatsache, dass sich die Risikoaufschläge im Vergleich zu US- Staatsanleihen nicht spürbar eingeengt haben. Quelle: Allianz Damit sind auch in einem Niedrigzinsumfeld langfris- tig Renditen deutlich über denen eines Anleiheportfo- lios erreichbar. Dies geschieht in der Form speziell auf die Bedürfnisse einer konservativen Kapitalanlage zugeschnittenen Lebensversicherungslösung. Derar- tige Produkte weisen bei einer ähnlichen Kostenbasis wie Investmentfonds eine gewisse Flexibilität bezüg- Die Fundamentaldaten vieler Schwellenländer sind lich Zu- oder Auszahlungen auf und lassen bei einer häufig besser als die von Industrieländern, insbeson- z. B. 12-jährigen Laufzeit eine Rendite deutlich ober- dere was das Verhältnis von Verschuldung zu Wachs- halb der Inflationsrate erwarten. Der Anleger profitiert tum angeht. Zudem dürfte die US-Notenbankpolitik von der sehr langfristigen Ausrichtung der Kapitalan- unterstützend für dieses Teilsegment sein: Niedrige lagen mit entsprechenden Möglichkeiten, Chancen US-Dollarzinsen sorgen tendenziell für günstige auch in weniger liquiden Anlageklassen wie Private Finanzierungsbedingungen in den Schwellenländern Equity und Immobilien zu nutzen. Gleichzeitig hat er und fördern einen Kapitalzufluss. Da in diesem trotzdem den Vorteil der kurzfristigen Ausstiegsmög- Bereich eine volumengewichtete Auswahl - die größ- lichkeit. ten Schuldner werden am höchsten gewichtet - wenig Eine weitere Anlage, die den Stabilitätsaspekt betont sinnvoll erscheint, empfehlen wir hier ebenfalls die und Chancen im Falle einer unerwarteten deutlichen Umsetzung über einen aktiven Investmentfonds. wirtschaftlichen Verschlechterung bietet, sind Pfand- Wegen des US-Dollar-Währungsrisikos eignet sich das briefe. Der Vorteil dieser Anlage liegt dabei weniger in Segment aber nur als Beimischung. der Rendite als in der Erwartung, ein Instrument zu Einen wichtigen Schwerpunkt nehmen jedoch die sta- besitzen, das im Falle einer extremen Eintrübung eine bilitätsorientierten Anlagen ein: entgegengesetzte Kursentwicklung zu Aktien und Anleihen mit höheren Risiken aufweist. Nach der im Hier ist an erster Stelle die Partizipation an September und Oktober beobachteten Renditekorrek- Deckungsstockanlagen von Lebensversicherungen tur versprechen 10-jährige deutsche AAA-Pfandbriefe zu nennen. Dabei profitiert der Anleger davon, dass wieder Renditen von 0,20 % pro Jahr. Damit kostet 16
Kapitalmärkte 2020 Zinslos in eine neue Welt dieses „Krisen-Absicherungsinstrument“ derzeit keine Aus diesem Grund eignen sich Fremdwährungsanlei- laufende Gebühr in Form von Negativzinsen und bie- hen nur als Beimischung. Mit einer guten Streuung in tet mehr als eine Nullverzinsung. Auf diese Weise sind Form eines nach Währungen und Laufzeiten breit ge- Pfandbriefe Giro- oder Tagesgeldkonten, die diese streuten Investmentfonds kann das Risiko aber deut- Absicherungsfunktion nicht übernehmen können, lich reduziert werden. überlegen. Fazit: Das Anlegen in festverzinslichen Wertpapieren Ein weiteres wichtiges Element im Bereich der risiko- ist in den vergangenen Jahren deutlich anspruchsvol- ärmeren Anleihen sind Fremdwährungsanleihen. Hier ler geworden. Dies bezieht sich nicht nur auf die er- nutzen wir die Tatsache, dass es Währungsräume gibt, reichbaren Renditeniveaus, sondern vor allem auf die die ein deutlich höheres Renditeniveau als die Euro- praktische Umsetzung der Strategien: Wenn der Er- Zone haben und die Währungen zusätzlich Aufwer- trag nicht aus einem „positiven Basiszins“, sondern tungsspielraum oder zumindest ein gutes Chance- sämtlich aus dem Eingehen von Risiken stammt, müs- Risiko-Potenzial aufweisen. sen diese Risiken permanent überwacht und sich bie- tende Chancen mit einem aktiven Handeln genutzt werden. Hinzu kommt, dass sich im Stabilitätsbereich des Portfolios wesentliche positive Erträge nur durch aktives Handeln realisieren lassen und dem richtigen Einstiegs- und Ausstiegszeitpunkt eine hohe Bedeu- tung zukommt. Die im Jahresverlauf (01.01.-09.12.19) beobachteten kalkulierten Werte der Rendite der zehnjährigen Bundeanleihe von minus 0,72% bis plus 0,24% zeigen z. B. sehr anschaulich, dass eine flexible Laufzeitensteuerung wesentlich für den Anlageerfolg ist. Im Bereich der chancenorientierten Anlagen kommt hinzu, dass die Renditequellen häufig auf- Da der wesentliche Mehrertrag aus der höheren Ver- grund vieler Restriktionen für Privatanleger kaum zinsung der Währung kommt, sollten Anleger hier auf zugänglich sind - außer über Investmentfonds. An möglichst sichere Schuldner setzen. Wir empfehlen ihnen führt 2020 deshalb im Bereich der festverzinsli- hier deshalb einen Investmentfonds, der schwer- chen Anlagen kaum ein Weg vorbei. punktmäßig auf Staatsanleihen bzw. Quasi- Staatsanleihen (z. B. KfW) in attraktiven Fremdwäh- rungen setzt. Durch die Konzentration auf hochwerti- ge Schuldner mit moderater Verschuldung und guten bis erstklassigen Ratings sowie eine solide Streuung der Währungen und Laufzeiten sollte eine gute Stabi- lität gegeben sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein wesentliches Risiko, aber gleichzeitig auch eine Chance in der Wäh- rungsentwicklung liegt, wie ein langfristiger Verlauf wichtiger „Anlagewährungen“ zeigt: 17
Kapitalmärkte 2020 Zinslos in eine neue Welt Aktienmarkt: Es geht langsamer voran. Trotz Moll-Tönen haben die Kurse an den internatio- freundlicher dar. Dies korrespondiert mit den Zahlen nalen Börsen 2019 kräftig angezogen - „Aufwärts mit für das dritte Quartal (Quelle: EY; berücksichtigt sind Zweifeln“ lautete die Devise. 21 von 30 Unternehmen): Das Umsatzwachstum auf DAX-Ebene zog um 7 % an, während der operative Treibstofflieferant der Rallye waren einzig und allein Gewinn wieder einen Anstieg von 15 % zeigte. Als die Notenbanken, die unmissverständlich zu verste- wichtige Stütze erwies sich ein starkes US-Geschäft, hen gaben, dass sie die Rolle als Schutzpatronin der wo die DAX-Konzerne im Durchschnitt jeden vierten Märkte weiter ausfüllen werden. Außerhalb der Geld- Euro erwirtschaften. Stabilisierend wirkten zudem die politik gestalten sich die Rahmenbedingungen für frühzeitig initiierten Restrukturierungs- und Kosten- Konzernlenker und Marktteilnehmer dabei durchaus senkungsmaßnahmen. Unter dem Strich hegen wir die herausfordernd: Das Wachstumstempo der Weltwirt- Erwartung, dass der kumulierte DAX-Gewinn in 2019 schaft hat sich verlangsamt. Trendverstärkend wirkt damit nur leicht (-2 %) auf 770 Gewinneinheiten die ausgeprägte geopolitische Unsicherheit. Sie ist nachgeben wird. Aufgrund der deutlich vom DAX ab- Resultat der politischen Zeitenwende, die ihren Aus- weichenden Branchenzusammensetzung (weniger druck in einer Neujustierung der Weltordnung findet. Zykliker, mehr defensive Sektoren) zeigt der Euro Das Pendel der Globalisierung scheint seinen Schei- Stoxx 50 indes konträre Vorzeichen, d. h. die Unter- telpunkt erreicht zu haben und allmählich in Richtung nehmen dürften sogar einen Gewinnanstieg von neun Nationalisierung zurückzuschwenken. Ausdruck des- Prozent auf 233 Einheiten verzeichnet haben. sen sind der Handelskonflikt der USA mit China und Europa, der Brexit oder die eskalierenden Unruhen in Entwicklung der DAX-Gewinneinheiten Lateinamerika. Nach Angaben der EU-Kommission haben die nicht-tarifären Handelshemmnisse in 2018 zugleich ein Rekordhoch erreicht. In diesem Umfeld fällt es Unternehmen schwer, belastbare Ausblicke zu geben. Infolgedessen kappen sie ihre Investitions- budgets, da sie nicht wissen, wie sich ihre global inte- grierten Lieferketten künftig darstellen. Die Folge ist ein spürbar nachlassender Welthandel, der insbeson- dere den hiesigen Industriesektor in die Rezession geführt hat. Flankiert wurde die Entwicklung hierzu- lande von einem Automobilsektor, der nach der ver- patzten Einführung eines neuen Abgasstandards in Quelle: Kepler Cheuvreux den kommenden Jahren zusätzlich den Strukturwan- del zur Elektromobilität meistern muss. Der aktuelle Datenkranz für das dritte Quartal hat die düsteren Befürchtungen, der DAX-Gewinnrückgang Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass 54 könnte sich beschleunigen, vorerst widerlegt und von 308 im deutschen Prime Standard (DAX, MDAX, Marktteilnehmer aufatmen lassen. Für 2020 erwarten TecDAX, SDAX) gelisteten Unternehmen nach Berech- die Analysten unseres Researchpartners Kepler nungen von Ernst & Young (EY) im ersten Halbjahr Cheuvreux (KCH) als auch der Marktkonsens sowohl eine Umsatz- oder Gewinnwarnung herausgegeben für den DAX als auch den Euro Stoxx 50 einen Gewinn- haben - der höchste Stand seit 2009. Entsprechend anstieg von zwölf Prozent. Dessen Eintreten ist nicht enttäuschend auch der Blick auf die DAX- ausgeschlossen, setzt aber unseres Erachtens klar Unternehmen: Während die kumulierten Erlöse im voraus, dass sich die politischen Unsicherheitsfakto- zweiten Quartal um 4,5 % zulegten, brach der operati- ren abschwächen, der Gegenwind für die Industrie ve Gewinn nach EY-Angaben um 30 % ein. Doch der nachlässt und die Weltwirtschaft sich entspannt. Horizont hellt sich auf: Im November ist der ifo Ge- schäftsklimaindex das dritte Mal in Folge leicht ge- Grundsätzlich lässt sich die Entwicklung der Aktien- stiegen. Zwar zeigt sich das verarbeitende Gewerbe kurse in zwei Einflussfaktoren zerlegen: Unterneh- weiter unzufrieden mit dem aktuellen Auftragsbe- mensgewinne und Bewertung. Das heißt, mathema- stand und will infolgedessen die Produktion kürzen, tisch errechnet sich der Aktienkurs aus der Multiplika- doch die Erwartungskomponente stellte sich etwas tion des Unternehmensgewinns mit dem Kurs- 18
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