Haspa BörsenAnalyse Kapitalmarkt 2020 - Zinslos in eine neue Welt - Haspa-Kapitalmarkt

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    Kapitalmarkt 2020
     Zinslos in eine neue Welt
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Zinslos in eine neue Welt

Präambel
Zinslos in eine neue Welt                                 Anlagen mit einer kalkulierbaren Fälligkeit und hoher
                                                          Qualität des Schuldners kaum mehr statt. Dies wiede-
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
                                                          rum hat zur Folge, dass die Schwankungsintensität
Wer kennt nicht dieses Sprichwort oder muss mit dem
                                                          der Vermögensanlage zunehmen wird und eine Glät-
Blick in den Rückspiegel akzeptieren, dass Dinge sich
                                                          tung nur durch eine Verlängerung des Anlagehorizon-
anders entwickeln als erwartet. Dies trifft auch auf
                                                          tes zu erreichen ist. Die langfristigen Folgen von Ver-
Teile unseres Kapitalmarktausblickes für das Jahr
                                                          zerrungen in der Bewertung von Krediten und Vermö-
2019 zu. Die Annahme, dass die großen Notenbanken
                                                          gensbestandteilen sind derzeit kaum absehbar. Ins-
in den USA und Europa weitgehend das umsetzen
                                                          besondere im relativen Vergleich sprechen alle hin-
werden, was sie kommunizieren, war falsch. Es hat
                                                          länglichen Bewertungsmodelle für Aktien, allein schon
keine Normalisierung der Geldpolitik stattgefunden,
                                                          aufgrund der laufenden Ausschüttung.
sondern vielmehr die Wende von der Wende. Der
Grund hierfür war der Handelskonflikt, der die Noten-     Ein weiterer Aspekt dieser neuen Welt wird bei der
banken angesichts der Verletzlichkeit der Weltwirt-       Auswahl der Anlagethemen immer augenfälliger. Auf
schaft zu einer bis dato nicht gekannten präventiven      der einen Seite dürften die Wachstumskräfte in der
Geldpolitik veranlasste. Die Folge: Die Zinsen erreich-   alten Welt der hochentwickelten Länder vorerst nicht
ten zwischenzeitlich neue Tiefststände. Dieses histo-     mehr die Dynamik der zurückliegenden Jahre errei-
rische Manöver führte letztlich zu erheblichen Kurs-      chen. Politische Risiken durch den andauernden Han-
steigerungen in nahezu allen Anlageklassen. Insofern      delskonflikt, der Trend hin zu einer weniger ausge-
hat sich unser letztjähriges Motto - Spur halten und      prägten Globalisierung sowie die Schwäche im kon-
Chancen nutzen - für den Anleger mehr als ausgezahlt.     junkturellen Zyklus begrenzen die Umsatz- und Ge-
Unsere durchaus optimistischen Aktienprognosen            winnentwicklung vieler traditioneller Konzerne und
konnten sogar noch überflügelt werden und es war          damit auch die zu erwartende Rendite. Auf der ande-
richtig, auf Anleihen und Aktien zu setzen. Insbeson-     ren Seite finden sich Unternehmen in Wirtschafts-
dere die von uns stark in den Fokus gestellten Themen     zweigen, die sich in ihrer Struktur hiervon weitgehend
oder auch Megatrends konnten sich in dem heraus-          abkoppeln können, weil sie in Zukunftsbranchen wie
fordernden Umfeld hervorragend schlagen.                  Digitalisierung, Medizintechnik und weiteren Me-
                                                          gatrends zu Hause sind. Um es kurz zu sagen: Anders
Welche Erwartungen sind nun an die Kapitalmärkte im       als die Industrie, die sich weltweit in der Rezession
neuen Jahrgang zu richten? Auch wenn der Jahres-          befindet, kennt die Digitalisierung keinen Abschwung.
wechsel sowohl in der Ökonomie als auch im Privaten       Was kann in der eher längerfristigen Perspektive zu
häufig eine Art Abschluss und zugleich Neuanfang mit      einem Wiedererstarken der globalen Wachstumskräfte
sich bringt, bleiben die grundsätzlichen Rahmenbe-        führen? Als eine der größten Herausforderungen, die
dingungen vom Kalenderwechsel wenig oder gar nicht        am Ende nur durch technischen Fortschritt und Inno-
beeinflusst. Der am Ende für alle Anlageklassen maß-      vationen gelöst werden können, wird das Erreichen
geblichste Faktor ist und bleibt der Zins. Angesichts     der globalen Klimaziele angesehen. Hieraus ergeben
geringer Preissteigerungsraten, einer schwachen           sich in der ersten Phase schmerzhafte Anpassungs-
wirtschaftlichen Expansion und zahlreicher politischer    prozesse, die aber zukünftig in langfristige Wachs-
Unsicherheiten ist ein spürbarer Zinsanstieg bis auf      tumsimpulse münden sollten. Schon heute ist ersicht-
weiteres höchst unwahrscheinlich. Die in 2019 erfolg-     lich, dass Nachhaltigkeit und Klima-Investments in der
te massive Kehrtwende der Notenbanken dürfte mit          Kapitalanlage eine feste Rolle einnehmen.
den Minuszinsen im Euro weiter für einen hohen An-        Im Ergebnis wird der Sparer immer mehr zum Investor
lagedruck sorgen. Dies allein spricht für eine grund-     und der notwendige Anlagehorizont verlängert sich.
sätzliche Fortsetzung des Anlagemusters 2019 auch         Die Abhängigkeit von volkswirtschaftlichen Zyklen
im kommenden Jahr: Das Halten von Liquidität wird         sowie die Auswahl bestimmter Anlagethemen nehmen
ab bestimmten Anlagebeträgen mit negativen Zinsen         ebenfalls entsprechend zu. Sachwerte wie Aktien und
bestraft, Anlagen institutioneller Investoren sind an     Immobilien rücken dabei mehr und mehr in den Mit-
notwendige Ausschüttungen gekoppelt und das Erzie-        telpunkt. Die neue zinslose Welt ist damit durch die
len einer Rendite zum Vermögensauf- und -ausbau ist       weitgehende Abstinenz von Zinsanlagen ein Stück
nur mittels realer Anlagen wie Immobilien und Aktien      weit einseitiger, aber keinesfalls weniger renditestark
möglich. In dieser neuen nahezu zinslosen Welt finden     geworden als die alte Welt mit ihren sicheren Zinsen.
                                                                                                                3
Zinslos in eine neue Welt

Zusammenfassung der Prognosen
   Weltwirtschaft belebt sich etwas,                     Wir favorisieren:
    Welt-BIP 2020: +3,1 %.                                 Internationale Dividendentitel (Ausschüttung)
                                                           sowie strukturelles Wachstum (Megatrends).
   Euro-Zone: Moderat seitwärts,
    BIP 2020: +1,1 %.                                     Bei Abzeichnen eines Trittfassens der Weltwirt-
                                                           schaft, antizyklische Käufe konjunktursensibler
   Deutschland ohne Schwung,
                                                           Titel.
    BIP 2020: +0,9 %.
                                                          Bevorzugte Aktiensektoren:
   USA im Präsidentschaftswahljahr,
                                                           Industrie, Pharma, Telekommunikation und Ver-
    BIP 2020: +1,7 %.
                                                           sicherungen.
   China auf dem Wachstumspfad,
                                                          Aktienthemen 2020: Nachhaltigkeit, Ökologie,
    BIP 2020: +5,8 %.
                                                           Medizintechnik, Technologie, Megatrends.
   Inflationsraten in Deutschland und Euro-Zone
    um 1,5 %, in den USA um 2,0 %.
                                                           Prognoserisiken
   Maximal noch eine US-Leitzinssenkung,
    Federal Funds Rate Ende 2020: 1,25 % - 1,50 %.        US-Rezession.
   EZB: Einlagesatz („Strafzins“) auf minus 0,60 %,      „Lohn-Preis-Spirale“ in den USA und
    Hauptrefinanzierungssatz bleibt bei 0,00 %.            Deutschland.
   US-Dollar unter Druck, der Euro klettert in den       „Harter Brexit“ durch die Hintertür:
    Bereich um 1,15 USD.                                   Großbritannien schafft die erforderlichen
                                                           Änderungen nicht bis Ende 2020.
   Der Ölpreis (Nordseeöl Brent) pendelt zwischen
    60 USD und 70 USD pro Barrel.                         Handelskonflikt USA - China:
                                                           China bleibt bei seiner Langfriststrategie,
   Die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe
                                                           Trump eskaliert den Konflikt im Wahlkampf.
    bleibt negativ, Ende 2020 bei minus 0,25 %.
                                                          Mögliche Kartellverfahren wegen marktbeherr-
   Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe
                                                           schender Stellung gegen US-
    bleibt niedrig, Ende 2020 bei 1,40 %.
                                                           Technologiekonzerne.
   Der DAX bewegt sich in einer Bandbreite von
    11.000 bis 14.500 Punkten; zum Jahresende:
    DAX 14.000 Punkte, Euro Stoxx 50 3.800 Zähler.
   Anlagestrategie „Zinslos in eine neue Welt“.
   Ziel: realer Kapitalerhalt in Zeiten anhaltender
    Finanzrepression.
   Herausforderung: zunehmende Anlageklassen-
    Monotonie.
   Für Stabilität sorgen Deckungsstockanlagen,
    Pfandbriefe, offene Immobilienfonds und Gold.
   Beimischung von Fremdwährungsanleihen (in
    nationaler Währung) sowie Staatsanleihen aus
    Schwellenländern (in US-Dollar);
    Ziel: Diversifikation und Kuponerträge.
   In einer zinslosen Welt wird die Aktie zu einem
    strategischen Depotbestandteil.

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Zinslos in eine neue Welt

Inhaltsverzeichnis
                                            Seite
Präambel                                         3
Zusammenfassung der Prognosen                    4
Volkswirtschaftliches Umfeld                     6
        Zeitenwende produziert Verunsicherung    6
        Konjunktur                               7
        Inflationsraten                          9
        Notenbanken                             10
        Währungen                               11
        Digitale Währungen                      12
        Rohöl                                   13
        Gold                                    14
Kapitalmärkte 2020                              15
        Anleihemarkt                            15
        Aktienmarkt                             18
Anlagestrategie 2020                            21
        Zinslos in eine neue Welt               21
        Dividenden                              23
        Low Risk - schwankungsarme Aktien       23
        Strukturelles Wachstum                  24
Branchenüberblick                               25

                                                                             5
Volkswirtschaftliches Umfeld                                                            Zinslos in eine neue Welt

Zeitenwende produziert Verunsicherung.
Die Welt befindet sich in einer Zeitenwende. Die          Die Notenbanken spielen heute eine andere Rolle.
Nachkriegszeit mit den USA als Weltmacht Nummer           Waren sie zuvor hauptsächlich für die Gewährleistung
Eins ist vorüber. Die US-Regierung verfolgt eine nati-    von Preisniveaustabilität zuständig, sind ihnen im
onalistische Politik, zieht sich aus globalen Projekten   Nachgang zur Finanzmarktkrise Aufgaben angetragen
zurück und begrenzt ihre Teilnahme am Welthandel.         worden, für die eigentlich die Regierungen zuständig
China will politisch, ökonomisch und militärisch an die   sind. Diese sind jedoch häufig nicht handlungsfähig.
Stelle der USA treten und der neue Hegemon werden.        So übernahm die Europäische Zentralbank notge-
                                                          drungen die Rettung des Euro (Draghi 2012: „What-
Die Zeitenwende ist geprägt durch den Vormarsch
                                                          ever it takes“). Die Grenzen zwischen Geldpolitik und
autoritärer und nationalistischer Regierungen. Ein-
                                                          Fiskalpolitik verschwimmen seither immer mehr.
heimische Produzenten werden bevorzugt („America
                                                          Geldpolitische „Non-standard measures“ sind heute
first“), ausländische Wettbewerber behindert. Wuchs
                                                          an der Tagesordnung. Hierzu zählen negative Leitzin-
der globale Handel lange Zeit etwa doppelt so schnell
                                                          sen sowie massive Käufe von Anleihen und Aktien.
wie die Weltwirtschaft, wird es 2019 mit gut 1 % nur
                                                          Zudem wurden die Zinsen weitgehend eliminiert. Auch
noch etwa ein Drittel des globalen Wachstumstempos
                                                          dies fördert die Verunsicherung der Menschen.
sein. Das sorgt für Verunsicherung, ablesbar am Index
wirtschaftspolitischer Unsicherheit. Er misst die Häu-    Im Zuge massiver Anleihekäufe der US-Notenbank
figkeit von Artikeln in Tageszeitungen, in denen          sanken die langfristigen Renditen in den USA unter
Schlagwörter in Zusammenhang mit wirtschaftlicher         die kurzfristigen Zinsen. Die amerikanische Renditen-
Unsicherheit vorkommen.                                   strukturkurve wurde invers. Viele Marktbeobachter
                                                          deuten dies als Zeichen einer heraufziehenden Rezes-
                                                          sion, ging doch allen US-Rezessionen bisher eine ne-
                                                          gative Strukturkurve voraus.

Die zunehmende Ungleichheit bei der Verteilung des
Wohlstandes und der Vermögen löst Proteste aus. Der
demokratische Rechtsstaat wird in Frage gestellt.
Autokratische Regierungsformen setzen sich durch,
                                                          Mittlerweile hat sich die US-Kurve normalisiert, lang-
nicht nur in Schwellenländern, sondern auch im „Wes-
                                                          fristige Anleihen rentieren wieder höher als Kurzfrist-
ten“. Das Maß der Verunsicherung nimmt zu.
                                                          gelder. Gleichwohl halten sich die Sorgen vor einem
Wie geht es weiter? Es ist derzeit kein neuer Wachs-      Ende des US-Aufschwungs. Eine Rezession im Präsi-
tumsschub für die Weltwirtschaft auszumachen. Sollte      dentschaftswahljahr 2020 erscheint zwar wenig wahr-
es zu einem „Deal“ zwischen den USA und China             scheinlich. Im Jahr danach kann sie jedoch nicht aus-
kommen, dürfte die Unsicherheit zwar etwas abflauen.      geschlossen werden, zumal der aktuelle Aufschwung
Eine nachhaltige weltweite politische Entspannung         in den USA schon ungewöhnlich lang ist. Auch dies
und ein globaler Konjunkturaufschwung sind jedoch         wird die Verunsicherung nicht abklingen lassen.
nicht in Sicht. Der Trend zur Deglobalisierung dürfte
                                                          Die Zeitenwende ist noch nicht vollendet. Eine gefes-
genauso anhalten wie das Gerangel zwischen den USA
                                                          tigte neue geopolitische Struktur gibt es bisher nicht.
und China um den Rang der Weltmacht Nummer Eins.
                                                          Undenkbares ist Realität geworden, wie der negative
Der Unsicherheitsindex sollte daher auf einem relativ
                                                          Zins beweist.
hohen Niveau verharren. Unsicherheit ist „Gift“ für die
Konjunktur und wird einem neuen globalen Auf-             Fazit: Das hohe Ausmaß an Verunsicherung dürfte
schwung im Wege stehen.                                   anhalten und die ökonomischen Aktivitäten dämpfen.

6
Volkswirtschaftliches Umfeld                                                            Zinslos in eine neue Welt

Konjunktur: Wenig Wachstum …
Die Wachstumsrate des globalen Bruttoinlandspro-          liegt bei rund 2,5 % des BIP und dürfte dort verharren.
dukts (BIP) wird nach Einschätzung des Internationa-      Dieses „Zwillingsdefizit“ könnte ähnlich wie in den
len Währungsfonds (IWF) im neuen Jahr wieder auf          80er Jahren unter Präsident Reagan Zweifel an der
3,4 % klettern. Ursächlich sind höhere Wachstums-         Schuldnerqualität der USA wecken und höhere Risi-
prognosen für große Schwellenländer wie Indien, Bra-      koprämien für US-Staatsanleihen bewirken. Der US-
silien, Mexiko und Russland. In den Industrieländern      Dollar würde abwerten und die Inflationsraten anzie-
dagegen geht es lediglich seitwärts. Wir halten die       hen. Die Notenbank könnte einen unerwünschten
IWF-Prognose für recht optimistisch und rechnen le-       Renditeanstieg durch massive Anleihekäufe begren-
diglich mit einem globalen BIP-Plus von 3,1 %.            zen. Ein Szenario, das dem US-Präsidenten gefallen
                                                          dürfte, denn der fordert seit langem einen schwäche-
                                                          ren Dollar und deutlich niedrigere Zinsen.
                                                          In der Annahme, dass der amerikanische Arbeitsmarkt
                                                          keinen Schwächeanfall erleidet, dürfte die Wachs-
                                                          tumsrate des BIP 2020 auch ohne ein zusätzliches
                                                          Konjunkturprogramm zwischen 1,5 % und 2,0 %
                                                          liegen. Dies entspricht in etwa dem Potenzialpfad, der
                                                          bei knapp 2 % verortet wird. Die Säule des Wachstums
                                                          bleibt auch 2020 der private Verbrauch.
                                                          China wird auch 2019 rund ein Drittel zum globalen
                                                          Wachstum beitragen. Gleichwohl leidet das Reich der
In den USA wird der Aufschwung hauptsächlich von
                                                          Mitte unter dem anhaltenden Handelsstreit mit den
den Konsumausgaben getragen. Die Kaufbereitschaft
                                                          USA. Die Wachstumsraten des BIP schwächten sich
der privaten Haushalte ist angesichts des von Vollbe-
                                                          zuletzt weiter ab. Doch dürfte die diesjährige Zielvor-
schäftigung geprägten Arbeitsmarktes ausgespro-
                                                          gabe von „6,0 % bis 6,5 %“ erreicht werden. Realis-
chen groß. Das Verbrauchervertrauen spiegelt dies
                                                          tisch erscheint ein BIP-Plus von 6,2 %.
wider. Es schwächte sich zwar zuletzt etwas ab, hält
sich aber auf einem recht hohen Niveau.

                                                          Im neuen Jahr dürfte der Volkskongress das wirt-
                                                          schaftliche Wachstumsziel auf eine Spanne von 5,5 %
Die kräftigen Wachstumsraten 2017 und 2018 beru-
                                                          bis 6,0 % reduzieren. Damit würde die Regierung ihr
hen vor allem auf Steuersenkungen. Ein neues Kon-
                                                          Versprechen halten, das BIP und das Pro-Kopf-
junktur- und Wachstumsprogramm ist vorstellbar,
                                                          Einkommen von 2010 bis 2020 zu verdoppeln. Die
zumal sich Regierung und Opposition einig sind, dass
                                                          Zielerreichung dürfte wie bisher mit Hilfe von Zins-
die veraltete Infrastruktur in den USA massive Investi-
tionen vertragen würde. Ob allerdings ein entspre-        und Steuersenkungen sowie gezielten Konjunktur-
                                                          programmen unterstützt werden.
chendes Paket geschnürt wird, dürfte auch davon ab-
hängen, ob zusätzliche Schulden vertretbar sind. Das      Unabhängig vom Ausgang des Handelsstreits mit den
Haushaltsdefizit der USA kletterte im Finanzjahr 2019     USA hält China an seinem Langfristplan “Made in Chi-
um 26 % auf 984 Mrd. US-Dollar und erreichte 4,6 %        na 2025” fest. Er sieht vor, dass das Reich der Mitte
des BIP. In den kommenden Jahren dürfte es sich bei       bis zum Jahr 2025 in zehn industriellen Wirtschafts-
5 % des BIP einpendeln. Das Leistungsbilanzdefizit        bereichen zu den weltweit führenden Anbietern
                                                                                                                7
Volkswirtschaftliches Umfeld                                                           Zinslos in eine neue Welt

gehört. Zum 100. Jahrestag der Volksrepublik China        nierte. Wegen des relativ schwachen Abschneidens
im Jahr 2049 soll das Land schließlich der weltweit       Deutschlands wird die europäische Wachstumsrate
führende Anbieter im industriellen Sektor sein.           2019 lediglich bei 1,2 % liegen.
Deutschland wandelte im abgelaufenen Jahr am Ran-         Im neuen Jahr zeichnet sich ein ähnlicher Wert ab.
de einer Rezession. Die Wachstumsprognose wurde           Solange Deutschland als die mit Abstand größte
mit einem Plus von 0,6 % nur zur Hälfte erfüllt. Ur-      Volkswirtschaft der Euro-Zone (BIP-Anteil 29 %) nicht
sächlich war der Einbruch im industriellen Sektor.        wieder Fahrt aufnimmt, wird der gesamte Währungs-
Während private und staatliche Konsumausgaben             verbund nur gebremst vorankommen.
expandierten, versank die Industrie in der Rezession.

                                                          Der Brexit bleibt ein Unsicherheitsfaktor in Europa.
Die konjunkturelle Dynamik dürfte auch im neuen Jahr      Selbst wenn der Austrittsvertrag im Nachgang zur
verhalten bleiben. Deutschlands Export macht gut die      vorgezogenen Neuwahl Mitte Dezember eine Mehrheit
Hälfte des BIP aus. Abzüglich der Importe verbleibt ein   im britischen Parlament findet, unterliegt Großbritan-
Außenbeitrag von 5 % der Wirtschaftsleistung. Damit       nien lediglich bis Ende 2020 den Regeln der EU inklu-
ist die Abhängigkeit vom Welthandel sehr viel ausge-      sive Beitragszahlung. Sollte die Übergangsfrist nicht
prägter als bei anderen Exportnationen. Die globalen      verlängert werden, dürfte sehr wenig Zeit bleiben, um
Handelsaktivitäten haben infolge der Zollstreitigkei-     das Rechtssystem von EU-Recht auf britisches Recht
ten der USA mit seinen „Partnern“ abgenommen. Auch        umzustellen sowie neue Handelsabkommen zu
drohende US-Zölle auf europäische Autos bremsen           schließen. Erfahrungsgemäß erfordern Handelsab-
das Geschäft. Darüber hinaus befindet sich der deut-      kommen mehrjährige Vorbereitungen.
sche Automobilsektor in einer Umstrukturierung, die
kurzfristig keine expansiven Impulse freisetzt. Von der   Sollte die Regierung Johnson auf eine Fristverlänge-
Industrie ist daher auch 2020 kein positiver Wachs-       rung verzichten, droht Ende 2020 doch noch der „har-
tumsbeitrag zu erwarten, obwohl sich die industriellen    te Brexit durch die Hintertür“.
Frühindikatoren derzeit stabilisieren. In der Bauwirt-
schaft dagegen sollte der Boom anhalten, solange die
Zinsen niedrig bleiben.
Einmal mehr wird das wirtschaftliche Wachstum in
Deutschland von den Konsumausgaben der privaten
Haushalte und des Staates getragen. In der Annahme,
dass sich der Arbeitsmarkt nicht nennenswert ab-
schwächt, rechnen wir für das neue Jahr mit einem
Zuwachs des BIP von 0,9 %. Rund ein Drittel des
Wachstums beruht allerdings auf der höheren Anzahl
von Arbeitstagen. Die grundlegende wirtschaftliche
Dynamik 2020 schätzen wir genauso verhalten ein wie       Das Pfund Sterling spiegelt die Einschätzung wider,
im abgelaufenen Jahr.                                     dass es ein Austrittsabkommen gibt und die Umstel-
                                                          lungen zeitnah gelingen. Sollte die Übergangsfrist bis
In der Euro-Zone hat Frankreich zuletzt positiv über-     Ende 2020 nicht großzügig verlängert werden, drohen
rascht, während Spanien das Wachstumstempo knapp          dem Pfund bei einem verzögerten „harten“ Brexit
halten konnte und Italien wie gewohnt nahezu stag-        deutliche Wechselkursverluste.

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Volkswirtschaftliches Umfeld                                                            Zinslos in eine neue Welt

Inflationsraten: … wenig Inflation …
Der Preisauftrieb hat sich zuletzt weiter verlangsamt.    Einen beachtlichen Beitrag zur Preisstabilität leistet
Die Verbraucherpreise stiegen im November in              zudem die Digitalisierung. Sie hat über die Handels-
Deutschland und der Euro-Zone nur noch mit Jahres-        plattformen des Internets zu einer zuvor nicht
raten von 1,1 % bzw. 1,0 %. Die Inflationsraten haben     gekannten Preistransparenz geführt, die auf den sta-
sich weit vom Zielwert der Europäischen Zentralbank       tionären Handel ausstrahlt.
(EZB) entfernt. Dieser lautet „nahe, aber unter 2 %“.
                                                          Darüber hinaus wurden die Energiepreise gezähmt. Es
                                                          gibt kaum noch die früher üblichen Inflationsschübe
                                                          durch explodierende Öl- und Gaspreise. Die USA als
                                                          mittlerweile größter Erdölförderer der Welt haben die
                                                          Preissetzungsmacht des OPEC-Kartells gebrochen.
                                                          Zudem wird im Zuge der Dekarbonisierung weltweit
                                                          der Ausbau regenerativer Energien zu Lasten her-
                                                          kömmlicher Energieträger forciert. Von den Erdöl- und
                                                          Erdgaspreisen sind daher immer weniger inflationäre
                                                          Impulse zu erwarten.
                                                          Wie geht es weiter?

Die von den Notenbanken besonders beachteten              In Deutschland dürften die Inflationsraten zum Jah-
Inflationserwartungen haben sich ebenfalls deutlich       reswechsel aufgrund eines Basiseffekts etwas anzie-
abgeschwächt, wenngleich ihr Abstand zum Zielwert         hen, im weiteren Jahresverlauf jedoch wieder in die
etwas geringer ist als der der Teuerungsraten.            Spanne von 1,0 % bis 1,5 % zurückkehren. Für das
                                                          Gesamtjahr 2020 rechnen wir mit Inflationsraten von
                                                          jeweils 1,4 % in Deutschland und der Euro-Zone.
                                                          Ein Unsicherheitsfaktor - wenngleich wenig wahr-
                                                          scheinlich - sind die Lohnkosten. Sie steigen trotz
                                                          Vollbeschäftigung in den USA und Fachkräftemangel
                                                          in Deutschland bisher nur moderat. Die befürchtete
                                                          Lohn-Preis-Spirale ist nirgendwo Realität geworden.
                                                          Sollte sich der Aufschwung an den Arbeitsmärkten
                                                          weiter verfestigen, könnte es im Zuge stark steigender
                                                          Löhne zu einem Preisschub kommen, der letztendlich
                                                          die Inflationsraten über ihre Zielwerte steigen lässt.
Für das Jahr 2019 zeichnen sich Inflationsraten von       Aber auch das dürfte die Notenbanken kaum veranlas-
1,4 % in Deutschland und 1,2 % in der Euro-Zone ab.       sen, die monetäre Bremse zu betätigen und die Leit-
Die ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise berech-        zinsen anzuheben. Denn sowohl die EZB als auch die
neten Kernraten der Inflation fallen ähnlich aus.         US-Notenbank betonen, dass ihre Inflationsziele
                                                          symmetrisch seien. Eine längere Phase unterdurch-
Warum sind die Inflationsraten so niedrig? Ursächlich
                                                          schnittlicher Inflationsraten sei kompatibel mit einer
für die rückläufigen Inflationserwartungen dürfte vor
                                                          längeren Zeit überdurchschnittlich steigender Ver-
allem der konjunkturelle Abschwung sein, der fast alle
                                                          braucherpreise.
Volkswirtschaften erfasst hat. In Zeiten einer sich ab-
kühlenden Wirtschaft ist es schwierig, höhere Preise      Das jahrelange Unterschreiten der Zielwerte hat
durchzusetzen. Aufkommende Rezessionssorgen               Fragen aufgeworfen, ob sie nicht gesenkt werden
dämpfen die Nachfrage und damit auch den Preisauf-        müssten. Es zeichnet sich derzeit ab, dass sie zwar
trieb zusätzlich.                                         nicht geändert, jedoch flexibler gehandhabt werden.
                                                          Ein Indiz dafür ist der Hinweis auf die Symmetrie.
Als Preisbremse fungierte auch die Globalisierung.
Insbesondere die Verlagerung der Produktion in die        Fazit: Wir gehen davon aus, dass die Inflationsraten in
asiatischen Niedriglohnländer sorgte in den vergan-       Deutschland und der Euro-Zone auch im neuen Jahr
genen Jahrzehnten für sinkende Produktionskosten.         weit unter dem Zielwert der EZB verharren.

                                                                                                                9
Volkswirtschaftliches Umfeld                                                            Zinslos in eine neue Welt

Notenbanken: … und wenig Zinsen.
Die internationalen Notenbanken haben heute eine          Auch die US-Notenbank (Fed) greift seit vielen Jahren
andere Funktion als in den vergangenen Jahrzehnten.       aktiv am Anleihemarkt ein. Ihr Portfolio umfasst aktu-
Sie wandelten sich vom schlichten „Währungshüter“,        ell rund 4,1 Bill. USD, davon 2,1 Bill. USD Staatsanlei-
der die Inflation im Zaum hält, zum multifunktionalen     hen und 1,5 Bill. USD Hypothekenanleihen. Seit Wo-
Garanten des „magischen Vierecks“. Es umfasst ein         chen wird massiv Liquidität bereitgestellt, um ein
angemessenes und stetiges Wachstum, Preisni-              Austrocknen des Geldmarktes zu verhindern. Es könn-
veaustabilität, einen hohen Beschäftigungsstand und       te lediglich eine Frage der Zeit sein, wann auch wieder
außenwirtschaftliches Gleichgewicht.                      langfristige Anleihen erworben werden.
In den Jahrzehnten vor der Weltwirtschaftskrise           Im Gegensatz zur EZB senkte die Fed den Leitzins
2008/09 waren die Notenbanken häufig Auslöser der         nicht in den negativen Bereich und wird dies nach
Rezessionen. Sie erhöhten die Leitzinsen, um aus-         eigenem Bekunden auch nicht tun. Aktuell liegt die
ufernde Inflationsraten zu bekämpfen. Heute dagegen       Federal Funds Rate bei 1,50 % bis 1,75 %. Die Fed
sollen sie den Aufschwung am Leben halten.                signalisierte, dass sie nach dem dritten Zinsschritt im
                                                          Jahr 2019 zunächst einmal eine Leitzinspause einge-
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zu diesem
                                                          legt hat. Sollten sich die konjunkturellen Perspektiven
Zweck sogar den Leitzins eliminiert. Der Hauptrefi-
                                                          zu Beginn des neuen Jahres jedoch eintrüben, dürfte
nanzierungssatz wurde im März 2016 auf 0,00 %
                                                          die Fed noch eine Zinssenkung vornehmen.
gesenkt. Der Einlagesatz für Banken („Strafzins“) liegt
aktuell bei minus 0,50 % und könnte im neuen Jahr
sogar noch etwas weiter ermäßigt werden.

                                                          Was haben die Notenbanken noch im Köcher um
                                                          einen unerwünschten Renditeanstieg zu verhindern?
                                                          Zunächst einmal kann der verbleibende Spielraum
Eine Rückkehr der Leitzinsen auf früher übliche Ni-       beim Ankauf von Staatsanleihen ausgereizt werden.
veaus ist kaum vorstellbar. Wir gehen von einer mehr-     Sollte der Anleihemarkt „leergefegt“ sein, könnten die
jährigen Phase extrem niedriger Zinsen aus.               Notenbanken nach dem Vorbild der Bank of Japan
Ein nennenswerter Anstieg der Zinsen würde das            auch zum Erwerb von Aktien übergehen.
fragile Gebäude der Staatsfinanzen in Europa wahr-        In den USA besteht beim Leitzins weiteres Abwärtspo-
scheinlich massiv beschädigen, wenn nicht zum Ein-        tenzial. In der Euro-Zone dagegen drohen bei noch
sturz bringen. Die hohen Staatsschulden in vielen         negativeren Leitzinsen Gefahren fürs Bankensystem.
Ländern der Euro-Zone sind nur tragbar, solange die
Zinszahlungen weitgehend entfallen.                       Die komplette Renditenstrukturkurve könnte durch
                                                          die Notenbanken gesteuert werden. Auch hier ist die
Um die Renditen zu senken, kauften die Notenbanken        Bank of Japan der internationale Vorreiter.
massiv Anleihen. Die Europäische Zentralbank erwarb
von März 2015 bis Dezember 2018 „zu geldpoliti-           Als „letzte Patrone“ gilt das „Helikoptergeld“: Die No-
schen Zwecken gehaltene Wertpapiere“ im Volumen           tenbank stellt den privaten Haushalten direkt oder
von 2,6 Billionen EUR, davon knapp 2,2 Billionen EUR      indirekt zusätzliches Geld zur freien Verfügung. Prob-
Staatsanleihen. Das Ende 2018 eingestellte Programm       lem: Das Vertrauen der Bevölkerung in eine aufge-
wurde im November 2019 reaktiviert. Derzeit kauft die     blähte „Helikopter-Währung“ dürfte rasch verloren
EZB monatlich für 20 Mrd. EUR Anleihen.                   gehen, so dass sie letztendlich wertlos wird.

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Volkswirtschaftliches Umfeld                                                            Zinslos in eine neue Welt

Währungen: Der Dollar ist zu teuer.
Der handelsgewichtete Außenwert des US-Dollar be-        Damit würde er sich seiner Kaufkraft annähern.
wegt sich in der Nähe mehrjähriger Höchststände.         Berechnungen des Internationalen Währungsfonds
Dass er diese erreicht oder gar überschreitet, ist we-   sehen die Kaufkraftparität des Euro aktuell bei knapp
nig wahrscheinlich, denn seine Auftriebskräfte haben     1,30 USD. Mit anderen Worten: Würden die Wechsel-
an Schwung verloren. So riss die US-Notenbank das        kurse aller Währungen ihrer tatsächlichen Kaufkraft
geldpolitische Steuer herum und reduzierte den Leit-     entsprechen, müsste der Euro zum US-Dollar um mehr
zins mehrfach. Weitere Senkungen sind möglich. Zu-       als 15 % aufwerten. Das ist weder im Interesse der
dem hat sich der Renditevorsprung amerikanischer         Euro-Länder noch aufgrund der strukturellen Schwä-
Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen spürbar          che Europas wahrscheinlich.
verringert. Die Wachstumsrate des BIP wird in den
                                                         Auf mittlere und längere Sicht könnte der US-Dollar
USA zwar auch 2020 deutlich höher sein als in Europa.
                                                         vom amerikanischen „Zwillingsdefizit“ eingeholt wer-
Aber sie nimmt ab.
                                                         den. Die sich abzeichnenden Haushaltsdefizite von
                                                         rund 5 % des BIP plus Leistungsbilanzdefizite von
                                                         etwa 2,5 % wiegen so schwer, dass sie eine „normale“
                                                         Währung massiv unter Druck setzen müssten. Der US-
                                                         Dollar hat als Weltwährung Nummer Eins allerdings
                                                         den einzigartigen Vorteil, dass die Akteure im globa-
                                                         len Handel und an den Kapitalmärkten auf ihn ange-
                                                         wiesen sind und ihn nicht ignorieren können.
                                                         Im abgelaufenen Jahr 2019 hat der Euro gegenüber
                                                         den meisten Währungen nachgegeben. Besonders
                                                         starken Aufwind hatten die Rohstoffwährungen aus
                                                         Russland, Kanada und Mexiko. Im Zweijahresvergleich
Zudem drängt der US-Präsident auf eine Schwächung        liegen Japan, Mexiko und die USA vorne.
der US-Währung. In seinen Augen bereichern sich die
                                                                     Performance gegenüber Euro (in %)
„Partner“ aus Asien und Europa auf Kosten der USA.                                  seit 01.01.2019 seit 01.01.2018
Trump fordert daher eine massive Abwertung des           Australischer Dollar                    0,5            -5,0
                                                         Chinesischer Renminbi                  0,9             0,1
Dollar gegenüber dem Euro, dem Japanischen Yen
                                                         Hongkong Dollar                        3,5             8,1
und dem Chinesischen Renminbi, um die Exportaktivi-      Indische Rupie                         1,1             -2,9
täten Europas, Japans und Chinas zu behindern. Die       Japanischer Yen                        4,3            12,2
                                                         Kanadischer Dollar                     6,5             2,9
damit einhergehenden inflationären Impulse für die       Koreanischer Won                      -3,1             -2,9
USA dürfte Trump in Kauf nehmen.                         Mexikanischer Peso                     5,2            10,1
                                                         Neuseeland Dollar                      1,1             0,0
                                                         Norwegische Krone                     -2,1             -2,7
                                                         Pfund Sterling                         6,6             5,2
                                                         Polnischer Zloty                       0,1             -2,5
                                                         Russischer Rubel                     13,3              -2,1
                                                         Schwedische Krone                     -3,4             -6,4
                                                         Schweizer Franken                      2,6             6,6
                                                         Singapur Dollar                        3,7             6,5
                                                         Türkische Lira                        -5,2           -28,8
                                                         US-Dollar                              3,6             8,3
                                                         Stand: 06.12.2019

                                                         Im neuen Jahr bleiben wir zurückhaltend gegenüber
                                                         den Dollar-Währungen aus Neuseeland und Australi-
                                                         en, deren China-Abhängigkeit belasten könnte. Im
Bisher hat sich der Greenback um 1,10 US-Dollar pro      Vordergrund stehen europäische Währungen wie die
Euro behauptet. Eine zumindest begrenzte Abwertung       zuletzt vernachlässigten Kronen aus Schweden und
dürfte jedoch nur eine Frage der Zeit sein. Wir gehen    Norwegen. Engagements in Fremdwährungen sollten
davon aus, dass der Euro im neuen Jahr etwas zulegt      auch im neuen Jahr fester Bestandteil eines ausgewo-
und in den Bereich der technischen Widerstandslinie      genen Portfolios sein. Neben direkten Anleihen bietet
um 1,15 US-Dollar pro Euro klettert.                     sich ein diversifizierter Währungsfonds an.

                                                                                                                  11
Volkswirtschaftliches Umfeld                                                            Zinslos in eine neue Welt

Digitale Währungen: Von Bitcoin zu Libra?
Es ist ruhiger geworden um Bitcoin und Co. Die Kurs-       Im Bereich „gezähmter“ Kryptos gibt es Bewegung. So
ausschläge sind zwar immer noch weitaus höher als          möchte Facebook in der ersten Jahreshälfte 2020 ein
bei Aktien und Anleihen. Handelstage mit zweistelli-       eigenes Plattformgeld namens „Libra“ einführen.
gen prozentualen Tagesschwankungen und dement-             Rund 2,5 Mrd. Facebook-Nutzer versprechen eine
sprechenden Schlagzeilen werden jedoch seltener.           Vielzahl lukrativer Finanz-Transaktionen. Im Gegen-
                                                           satz zu Bitcoin und Co. soll der Libra-Kurs nur be-
                                                           grenzt schwanken. Das Plattformgeld ist als „Stab-
                                                           lecoin“ gedacht. Das emittierte Libra-Volumen soll
                                                           vollständig mit internationalen Währungen unterlegt
                                                           werden. Tauschen Marktteilnehmer Euro, Yen, Dollar
                                                           oder andere Währungen gegen ein Libra-Guthaben
                                                           auf dem Smartphone, will Facebook das eingenom-
                                                           mene Geld in etablierte Währungen sowie kurzlaufen-
                                                           de Staatsanleihen anlegen. Etwa die Hälfte davon in
                                                           US-Dollar.
                                                           Gegen das Plattformgeld gibt es massive Bedenken.
Nachdem sich der Kurs des Bitcoin in der ersten Jah-       Sowohl die US-Behörden als auch die Notenbanken
reshälfte 2019 verdreifachte, ging er anschließend um      der G7-Länder lehnen private digitale Währungen ab.
mehr als ein Drittel zurück. Per Saldo hat sich der Bit-   Ein Wettbewerb zwischen staatlichem und privatem
coin-Kurs seit Jahresbeginn gut verdoppelt.                Geld gefährde das Währungsmonopol der Zentralban-
                                                           ken. Libra droht das normale Geld zu verdrängen.
Marktanteile in Prozent, Stand 06.12.2019                  Facebook kann zudem über Anleihen, die zur Deckung
                                                           von Libra erworben werden, größter Gläubiger einzel-
                                                           ner Staaten werden. Zudem könnte der Deckungs-
                                                           stock so stark anwachsen, dass Facebook damit in die
                                                           Lage versetzt wird, Wechselkurse zu beeinflussen.
                                                           Darüber hinaus kann das Plattformgeld für Geldwä-
                                                           sche oder zur Terrorfinanzierung genutzt werden. Das
                                                           alles ist nicht im Sinne der Notenbanken.
                                                           Fazit: Der amtliche Gegenwind für Libra ist ausgespro-
                                                           chen hoch und dürfte nicht abflauen. Mit einer
                                                           raschen Einführung ist daher nicht zu rechnen.
                                                           Möglicherweise werden einige Notenbanken mit ihren
                                                           E-Währungen schneller am Markt sein.
                                                           China sieht Libra als Bedrohung des nationalen Zah-
Der Bitcoin ist weiterhin der unangefochtene Platz-        lungsverkehrs und will noch 2019 eine eigene digitale
hirsch auf der digitalen Lichtung. Mit einer Marktkapi-    Währung einführen. Vielleicht wird der staatliche
talisierung von rund 136 Mrd. EUR macht er etwa zwei       „E-Renminbi“ oder „E-Yuan“ durch Plattformwährun-
Drittel des gesamten Kryptomarktes aus. Mit extrem         gen der privaten Payment-Betreiber Alipay und Ten-
großem Abstand folgen Ethereum und Ripple.                 cent ergänzt. Deren Dominanz im Zahlungsverkehr
Die Begeisterung für Kryptowährungen hält sich wei-        führte dazu, dass chinesisches Bargeld nur noch eine
terhin in Grenzen. Die Wechselkurse kommen aus-            geringe Rolle spielt. Für China hätte eine digitale
schließlich durch Angebot und Nachfrage zustande.          Währung zudem eine geopolitische Bedeutung. Sie
Niemand überwacht den Handel, glättet extreme Aus-         wäre ein Mittel, die internationale Verwendung des
schläge oder ordnet bei Bedarf Handelsunterbrechun-        Renminbi zu erhöhen.
gen an. Mit extremen Kursschwankungen ist daher            In Schweden arbeitet die Sveriges Riksbank bereits
jederzeit zu rechnen. Selbst ein Totalverlust ist mög-     seit 2017 an einer digitalen „E-Krona“. Im Jahr 2020
lich. Vor diesem Hintergrund bleiben nicht regulierte      soll sie eingeführt werden, sofern der vorhergehende
„wilde“ digitale Währungen nicht anlagetauglich.           Test bestanden wird.

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Volkswirtschaftliches Umfeld                                                        Zinslos in eine neue Welt

Rohöl: Ölpreis ohne Schwung.
Der Ölpreis hatte in der zweiten Jahreshälfte manch-   Für ein stabiles Ölpreisniveau sorgt das Förderbe-
mal Mühe, die Marke von 60 US-Dollar pro Barrel        grenzungsabkommen der OPEC+. Als OPEC+ wird die
(= 159 Liter) zu behaupten. Ursächlich war vor allem   Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC)
die weltweite Konjunkturabschwächung.                  bezeichnet, ergänzt um Russland, Mexiko, Kasachs-
                                                       tan, Aserbaidschan sowie sechs weitere eher kleinere
Die aktuelle Prognose des Internationalen Währungs-
                                                       Ölförderländer. Die OPEC+ kontrolliert etwa die Hälfte
fonds (IWF) geht für 2019 nur noch von einem Zu-
                                                       des globalen Ölmarktes.
wachs des globalen Bruttoinlandsprodukts von 3,0 %
aus. Der Welthandel wird gemäß IWF-Prognose ledig-     Das Förderbegrenzungsabkommen entstand Ende
lich um 1,1 % expandieren. Ein abnehmendes Wirt-       2018 als Reaktion der OPEC+ auf den Einbruch der
schaftswachstum und schwächere internationale Han-     Ölpreise. Derzeit wird die Ölproduktion um 1,2 Mio.
delsaktivitäten führen zu einem geringeren Bedarf an   Barrel pro Tag gedrosselt. Die 14 Mitglieder des OPEC-
Öl und Treibstoffen.                                   Kartells pumpen täglich 800.000 Barrel Öl weniger.
                                                       Ölförderer außerhalb der OPEC drosseln ihre Produk-
Mehr als die Hälfte der gesamten Energie verbraucht
                                                       tion um 400.000 bpd, die Hälfte davon entfällt auf
die Industrie. Da der industrielle Sektor In vielen
                                                       Russland.
Volkswirtschaften in die Rezession abglitt, ist die
Nachfrage nach Energieträgern spürbar gesunken.        Das Förderbegrenzungsabkommen wurde im vergan-
                                                       genen Sommer um neun Monate bis März 2020 ver-
                                                       längert. Auf dem Treffen der Ölminister Anfang
                                                       Dezember wurde eine weitere Drosselung der Ölpro-
                                                       duktion beschlossen. In den ersten drei Monaten 2020
                                                       sollen täglich 900.000 Barrel weniger gefördert wer-
                                                       den. Mit der dann auf 2,1 Mio. Barrel ausgeweiteten
                                                       Begrenzung soll eine Überversorgung vermieden
                                                       werden. Aktuell zeichnet sich nämlich ein Ölüberhang
                                                       ab, das Angebot dürfte die Nachfrage übersteigen.
                                                       Die EIA prognostiziert für das Fass Nordseeöl einen
                                                       durchschnittlichen Preis von gut 60 USD im Jahr 2020.
Gleichzeitig wuchs das Ölangebot. Preisdämpfend        Dies wäre zu wenig für Saudi-Arabien. Das Königreich
wirkt vor allem die hohe amerikanische Ölförderung.    braucht zum Ausgleich des Staatshaushalts einen
Die US-Tagesproduktion erreichte Mitte November        Ölpreis von gut 80 USD. Zudem fand kürzlich mit Saudi
mit 12,8 Mio. Barrel pro Tag (bpd) Rekordniveau.       Aramco der größte Börsengang der Geschichte statt:
                                                       Ein kleiner Teil des saudischen Ölgiganten wurde zum
                                                       Aktienhandel zugelassen. Für die weitere Kursent-
                                                       wicklung der Aramco-Aktien wären höhere Ölnotie-
                                                       rungen sicherlich förderlich.
                                                       Während die Saudis mit Notierungen um 60 USD nicht
                                                       zufrieden sind, ist Russland relativ entspannt. Von
                                                       jedem verkauftem Fass Öl erhält der russische Finanz-
                                                       minister rund 40 USD zur Finanzierung des Staats-
                                                       haushalts. Liegt der tatsächlich erzielte Ölpreis dar-
                                                       über, fließen die Mehreinnahmen in den nationalen
                                                       russischen Wohlfahrtsfonds.
Die U.S. Energy Information Administration (EIA)
                                                       Fazit: Angesichts der weiteren Begrenzung der welt-
erwartet eine durchschnittliche US-Förderung von
                                                       weiten Ölförderung bei stabiler Nachfrage dürfte sich
12,3 Mio. bpd in 2019 und 13,2 Mio. bpd in 2020. Da-
                                                       der Ölpreis im Bereich um 60 USD pro Fass Nordseeöl
mit würden sich die USA zum Netto-Energieexporteur
                                                       einpendeln. Der von den Energieträgern ausgehende
wandeln. Wahrscheinlich sogar zum größten Ölprodu-
                                                       inflationäre Druck sollte überschaubar bleiben.
zenten der Welt, vor Saudi-Arabien und Russland.

                                                                                                          13
Volkswirtschaftliches Umfeld                                                           Zinslos in eine neue Welt

Gold: Neue Rekorde oder Goldrausch vorüber?
Der Preis für eine Feinunze Gold bewegt sich nach        Eines der größten Risiken für den Goldpreis ist daher
einem fulminanten Höhenflug seit dem Spätsommer          ein Anstieg der Realverzinsung in den USA. Dies wür-
in einer weiten Spanne um die Marke von 1.500 US-        de der Fall sein, wenn die Inflationserwartungen zu-
Dollar. Handelt es sich dabei lediglich um eine Ver-     rückgehen oder die nominalen Renditen steigen. Geht
schnaufpause auf dem Weg zu neuen Höchstständen          der amerikanische Realzins dagegen wieder zurück,
oder ist der Goldrausch vorüber?                         dürfte der Goldpreis die bisherigen Höchststände im
                                                         Bereich um 1.900 USD anvisieren.
Der jüngste Höhenflug begann im Frühjahr 2019. Die
wachsenden politischen Verunsicherungen, die zins-
politische Kehrtwende der Notenbanken in den USA
und Europa sowie die allgemein erwartete Dollar-
Schwäche sorgten für Aufwind.
Mitte Juni wurden die Chancen für steigende Goldno-
tierungen noch besser. Der Handelskonflikt zwischen
den USA und China eskalierte und das Brexit-Drama
wurde immer verworrener. Die Marktteilnehmer bega-
ben sich verstärkt auf die „Suche nach Sicherheit“ und
fanden dabei das gelbe Metall.
                                                         Zuvor muss allerdings eine nicht zu unterschätzende
                                                         Hürde überwunden werden. Bei rund 1.560 USD liegt
                                                         ein massiver technischer Widerstand, an dem die
                                                         Goldnotierung zuletzt im September scheiterte. Die
                                                         Hürde stammt noch aus den Rekordjahren 2011 und
                                                         2012. Seinerzeit war sie die Unterstützungslinie, die
                                                         im April 2013 gerissen wurde. Technisch gesehen gilt
                                                         das Motto „Widerstand wird zur Unterstützung”,
                                                         sobald er überwunden wird. Und umgekehrt.
                                                         Am Goldmarkt hat sich das Geschehen zuletzt wieder
                                                         beruhigt. Im 3. Quartal 2019 war die weltweite Nach-
Nach Überwindung der langjährigen technischen Wi-
                                                         frage nach Gold mit 1.108 Tonnen (t) um 3 % höher
derstandslinie um 1.360 USD schnellte der Goldpreis
                                                         als im gleichen Quartal des Vorjahres. Das Angebot
nach oben. In der Spitze wurden im September rund
                                                         nahm um 4 % auf 1.222 t zu. Der Aufschwung wurde
1.550 USD für eine Feinunze Gold gezahlt.
                                                         insbesondere von den Gold-ETFs, den börsennotier-
Was beeinflusst den Goldpreis? Stark ausgeprägt ist      ten Goldindexfonds, getragen. Sie wuchsen um 258 t
der Zusammenhang mit der amerikanischen Realver-         auf den Rekordstand von 2.855 t. Die Nachfrage nach
zinsung. Sinkt die um Inflationserwartungen gekürzte     Barren und Münzen dagegen halbierte sich auf 150 t.
Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen, so steigt der
                                                         Auch die Zentralbanken erwarben im 3. Quartal 2019
Goldpreis - und umgekehrt.
                                                         lediglich 156 t (-38 %). Allerdings hatten sie ihre Käu-
                                                         fe im Vorjahr um 74 % ausgeweitet und die Reserven
                                                         um 651,5 t auf insgesamt rund 33.900 t Gold aufge-
                                                         stockt. Die größten Goldbestände halten die USA mit
                                                         8.130 t und Deutschland mit 3.370 t.
                                                         Fazit: Der Goldrausch dürfte noch nicht vorüber sein.
                                                         Das Ausmaß an Unsicherheit ist nach wie vor hoch.
                                                         Zudem ist kein ausgeprägter Renditeanstieg in Sicht.
                                                         Der Goldpreis kann zwar im Bereich um 1.560 USD
                                                         noch einige Male ausgebremst werden. Langfristig
                                                         sollte er jedoch neue Höchststände erklimmen.

14
Kapitalmärkte 2020                                                                       Zinslos in eine neue Welt

Anleihemarkt: Chancen fast nur mit Spezialitäten.
Hatten wir unseren Ausblick im vergangenen Jahr an         weiteren Rückgang. Mit rund 50 Basispunkten liegen
dieser Stelle noch mit „begrenzte Chancen“ betitelt,       die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen noch
haben sich die Perspektiven für die Anlageklasse An-       guter Qualität aktuell im Bereich ihrer Tiefstände seit
leihen weiter eingetrübt.                                  der Finanzkrise 2007/08. Ein weiteres Einengungspo-
                                                           tenzial erscheint insbesondere vor dem Hintergrund
Der Grund für die ungünstigen Perspektiven in 2020
                                                           der mit einem reiferen Konjunkturzyklus tendenziell
liegt vor allem in der Entwicklung der Anlageklasse
                                                           steigenden Zahlungsstörungen unwahrscheinlich.
Anleihen im Jahr 2019: Mit der erneuten Kehrtwende
an der Zinsfront im Frühjahr hat das Segment im Jah-       Als Konsequenz hieraus folgt: Wenn es kein nennens-
resverlauf 2019 eine aktienähnliche Wertentwicklung        wertes Kurspotenzial für Anleihen aus Zins- oder
generiert. Nach vorne blickend wird das Wertentwick-       Spreadrückgängen mehr gibt, dann muss der zukünf-
lungspotenzial allerdings durch das mittlerweile stark     tige Ertrag hauptsächlich aus dem Kupon der jeweili-
gesunkene absolute Renditeniveau erheblich be-             gen Anleihe kommen. Damit kommt Ernüchterung auf,
grenzt. Dies liegt vor allem darin begründet, dass es in   denn fast das gesamte Investmentgrade-Segment der
einer Welt, in der das Bargeld nicht abgeschafft ist,      Euro-Staatsanleihen liegt im Minusbereich, gute Un-
eine natürliche Renditeuntergrenze in der Nähe der         ternehmensanleihen tragen inzwischen Kupons zwi-
Kosten für Bargeldhaltung zu geben scheint. Renditen       schen null und ein Prozent.
zweijähriger Bundesanleihen von minus 0,60 % dürf-
ten in diesem Bereich (Kosten für Einlagerung, Aufbe-
wahrung, Versicherung) liegen. Anders als 2019
scheinen damit größere Kursgewinne aus einem wei-
teren Rückgang des Zinsniveaus zumindest für Euro-
Anlagen wenig wahrscheinlich.

                                                           Weitere Renditequellen wie der Beitrag aus der Zins-
                                                           strukturkurve („roll-down-Effekt“, eine fünfjährige
                                                           Anleihe ist nach einem Jahr nur noch eine vierjährige
                                                           Anleihe, trägt aber den höheren Kupon eines fünfjäh-
                                                           rigen Papiers) versiegen aufgrund abgeflachter Ver-
                                                           läufe zusehends. Andere sind für einheimische Inves-
Vor dem Hintergrund einer voraussichtlich wenig ver-       toren nicht relevant wie positive Erträge aus der Wäh-
änderten Politik der Europäischen Zentralbank gehen        rungsabsicherung: Für einen US-Anleger mag es inte-
wir davon aus, dass sich die Rendite der zehnjährigen      ressant sein, deutsche Bundesanleihen mit einer Ver-
Bundesanleihe Ende 2020 im Bereich um minus                zinsung von minus 0,50 % zu halten, wenn er damit in
0,25 % befinden wird. Bei US-Staatsanleihen sind die       US-Dollar gerechnet dank rund 2,50 % Ertrag aus der
Prognosen aufgrund höherer Unsicherheiten (US-             Währungsabsicherung aktuell immer noch auf eine
Wahlkampf, Handelskonflikt, Differenzen zwischen           positive US-Dollar-Rendite von 2,00 % in einer AAA-
Präsident und Notenbank) herausfordernder. Wir             Anlage kommt. Für Euro-Anleger gibt es diese Rendi-
rechnen jedoch in Anbetracht einer möglichen Wachs-        tequelle (in allerdings sehr viel kleinerem Ausmaß)
tumsabschwächung eher mit etwas niedrigeren Ren-           nur bei den noch niedriger rentierenden Anleihen in
diten für die 10-jährige US-Staatsanleihe und können       Schweizer Franken und Dänischen Kronen. In einem
uns durchaus einen Rückgang bis in den Bereich von         Negativzinsumfeld kommt der Hauptertrag für einen
1,40 % vorstellen.                                         Euro-Anleiheinvestor vorrangig aus dem Akzeptieren
Auch im Bereich der Risikoaufschläge für Kreditrisiken     von Risiko. Da wir, wie schon beschrieben, unterstel-
(Spreads) sieht es ähnlich aus: Hier gab es z. B. durch    len, dass die Phase der unterstützenden Notenbank-
die Erwartung neuer Ankaufprogramme 2019 einen             politik noch lange anhält, gehen wir von weiter güns-

                                                                                                               15
Kapitalmärkte 2020                                                                      Zinslos in eine neue Welt

tigen Finanzierungsbedingungen für die Unterneh-          Versicherer aufgrund der langen Laufzeit ihrer Ver-
men aus. Dies sollte die Ausfallraten tendenziell nied-   pflichtungen auch eine sehr langfristige Kapitalanlage
rig halten. Wir erachten es daher für wahrscheinlich,     verfolgen und daher neben langlaufenden Anleihen
dass es - das Ausbleiben größerer exogener Schocks        auch Baufinanzierungen, Infrastrukturinvestments
vorausgesetzt - zu keinem nennenswerten Anstieg der       (z. B. Übertragungsnetze, Mautstraßen etc.) und Ak-
Kreditausfälle kommt. Eine Beimischung von höher          tien beimischen können.
rentierenden Anleihen aus dem Segment der Unter-          Verteilung der Kapitalanlagen am Beispiel der Alli-
nehmensanleihen mit mittlerer Qualität aus dem            anz Leben per 30.09.2019 nach Marktwerten (in %):
Grenzbereich zwischen Investmentgrade und High-
Yield (BBB-BB) dürfte daher immer noch unter Chan-
ce-Risiko-Aspekten attraktiv sein.
Einen weiteren Ertragsbeitrag sollten 2020 Schwel-
lenländer-Anleihen liefern können. Hier halten wir
insbesondere ein Engagement in Hartwährungsanlei-
hen (zumeist US-Dollar) für aussichtsreich. Die Attrak-
tivität bezieht sich zum einen auf das absolute Niveau
der laufenden Verzinsung, die sich zwischen 5,0 %
und 5,5 % bewegt, zum anderen auf die Tatsache,
dass sich die Risikoaufschläge im Vergleich zu US-
Staatsanleihen nicht spürbar eingeengt haben.

                                                          Quelle: Allianz

                                                          Damit sind auch in einem Niedrigzinsumfeld langfris-
                                                          tig Renditen deutlich über denen eines Anleiheportfo-
                                                          lios erreichbar. Dies geschieht in der Form speziell auf
                                                          die Bedürfnisse einer konservativen Kapitalanlage
                                                          zugeschnittenen Lebensversicherungslösung. Derar-
                                                          tige Produkte weisen bei einer ähnlichen Kostenbasis
                                                          wie Investmentfonds eine gewisse Flexibilität bezüg-
Die Fundamentaldaten vieler Schwellenländer sind          lich Zu- oder Auszahlungen auf und lassen bei einer
häufig besser als die von Industrieländern, insbeson-     z. B. 12-jährigen Laufzeit eine Rendite deutlich ober-
dere was das Verhältnis von Verschuldung zu Wachs-        halb der Inflationsrate erwarten. Der Anleger profitiert
tum angeht. Zudem dürfte die US-Notenbankpolitik          von der sehr langfristigen Ausrichtung der Kapitalan-
unterstützend für dieses Teilsegment sein: Niedrige       lagen mit entsprechenden Möglichkeiten, Chancen
US-Dollarzinsen sorgen tendenziell für günstige           auch in weniger liquiden Anlageklassen wie Private
Finanzierungsbedingungen in den Schwellenländern          Equity und Immobilien zu nutzen. Gleichzeitig hat er
und fördern einen Kapitalzufluss. Da in diesem            trotzdem den Vorteil der kurzfristigen Ausstiegsmög-
Bereich eine volumengewichtete Auswahl - die größ-        lichkeit.
ten Schuldner werden am höchsten gewichtet - wenig        Eine weitere Anlage, die den Stabilitätsaspekt betont
sinnvoll erscheint, empfehlen wir hier ebenfalls die      und Chancen im Falle einer unerwarteten deutlichen
Umsetzung über einen aktiven Investmentfonds.             wirtschaftlichen Verschlechterung bietet, sind Pfand-
Wegen des US-Dollar-Währungsrisikos eignet sich das       briefe. Der Vorteil dieser Anlage liegt dabei weniger in
Segment aber nur als Beimischung.                         der Rendite als in der Erwartung, ein Instrument zu
Einen wichtigen Schwerpunkt nehmen jedoch die sta-        besitzen, das im Falle einer extremen Eintrübung eine
bilitätsorientierten Anlagen ein:                         entgegengesetzte Kursentwicklung zu Aktien und
                                                          Anleihen mit höheren Risiken aufweist. Nach der im
Hier ist an erster Stelle die Partizipation an            September und Oktober beobachteten Renditekorrek-
Deckungsstockanlagen von Lebensversicherungen             tur versprechen 10-jährige deutsche AAA-Pfandbriefe
zu nennen. Dabei profitiert der Anleger davon, dass       wieder Renditen von 0,20 % pro Jahr. Damit kostet

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Kapitalmärkte 2020                                                                     Zinslos in eine neue Welt

dieses „Krisen-Absicherungsinstrument“ derzeit keine     Aus diesem Grund eignen sich Fremdwährungsanlei-
laufende Gebühr in Form von Negativzinsen und bie-       hen nur als Beimischung. Mit einer guten Streuung in
tet mehr als eine Nullverzinsung. Auf diese Weise sind   Form eines nach Währungen und Laufzeiten breit ge-
Pfandbriefe Giro- oder Tagesgeldkonten, die diese        streuten Investmentfonds kann das Risiko aber deut-
Absicherungsfunktion nicht übernehmen können,            lich reduziert werden.
überlegen.
                                                         Fazit: Das Anlegen in festverzinslichen Wertpapieren
Ein weiteres wichtiges Element im Bereich der risiko-    ist in den vergangenen Jahren deutlich anspruchsvol-
ärmeren Anleihen sind Fremdwährungsanleihen. Hier        ler geworden. Dies bezieht sich nicht nur auf die er-
nutzen wir die Tatsache, dass es Währungsräume gibt,     reichbaren Renditeniveaus, sondern vor allem auf die
die ein deutlich höheres Renditeniveau als die Euro-     praktische Umsetzung der Strategien: Wenn der Er-
Zone haben und die Währungen zusätzlich Aufwer-          trag nicht aus einem „positiven Basiszins“, sondern
tungsspielraum oder zumindest ein gutes Chance-          sämtlich aus dem Eingehen von Risiken stammt, müs-
Risiko-Potenzial aufweisen.                              sen diese Risiken permanent überwacht und sich bie-
                                                         tende Chancen mit einem aktiven Handeln genutzt
                                                         werden. Hinzu kommt, dass sich im Stabilitätsbereich
                                                         des Portfolios wesentliche positive Erträge nur durch
                                                         aktives Handeln realisieren lassen und dem richtigen
                                                         Einstiegs- und Ausstiegszeitpunkt eine hohe Bedeu-
                                                         tung zukommt. Die im Jahresverlauf (01.01.-09.12.19)
                                                         beobachteten kalkulierten Werte der Rendite der
                                                         zehnjährigen Bundeanleihe von minus 0,72% bis plus
                                                         0,24% zeigen z. B. sehr anschaulich, dass eine flexible
                                                         Laufzeitensteuerung wesentlich für den Anlageerfolg
                                                         ist. Im Bereich der chancenorientierten Anlagen
                                                         kommt hinzu, dass die Renditequellen häufig auf-
Da der wesentliche Mehrertrag aus der höheren Ver-
                                                         grund vieler Restriktionen für Privatanleger kaum
zinsung der Währung kommt, sollten Anleger hier auf
                                                         zugänglich sind - außer über Investmentfonds. An
möglichst sichere Schuldner setzen. Wir empfehlen
                                                         ihnen führt 2020 deshalb im Bereich der festverzinsli-
hier deshalb einen Investmentfonds, der schwer-
                                                         chen Anlagen kaum ein Weg vorbei.
punktmäßig auf Staatsanleihen bzw. Quasi-
Staatsanleihen (z. B. KfW) in attraktiven Fremdwäh-
rungen setzt. Durch die Konzentration auf hochwerti-
ge Schuldner mit moderater Verschuldung und guten
bis erstklassigen Ratings sowie eine solide Streuung
der Währungen und Laufzeiten sollte eine gute Stabi-
lität gegeben sein.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein wesentliches
Risiko, aber gleichzeitig auch eine Chance in der Wäh-
rungsentwicklung liegt, wie ein langfristiger Verlauf
wichtiger „Anlagewährungen“ zeigt:

                                                                                                             17
Kapitalmärkte 2020                                                                       Zinslos in eine neue Welt

Aktienmarkt: Es geht langsamer voran.
Trotz Moll-Tönen haben die Kurse an den internatio-        freundlicher dar. Dies korrespondiert mit den Zahlen
nalen Börsen 2019 kräftig angezogen - „Aufwärts mit        für das dritte Quartal (Quelle: EY; berücksichtigt sind
Zweifeln“ lautete die Devise.                              21 von 30 Unternehmen): Das Umsatzwachstum auf
                                                           DAX-Ebene zog um 7 % an, während der operative
Treibstofflieferant der Rallye waren einzig und allein
                                                           Gewinn wieder einen Anstieg von 15 % zeigte. Als
die Notenbanken, die unmissverständlich zu verste-
                                                           wichtige Stütze erwies sich ein starkes US-Geschäft,
hen gaben, dass sie die Rolle als Schutzpatronin der
                                                           wo die DAX-Konzerne im Durchschnitt jeden vierten
Märkte weiter ausfüllen werden. Außerhalb der Geld-
                                                           Euro erwirtschaften. Stabilisierend wirkten zudem die
politik gestalten sich die Rahmenbedingungen für
                                                           frühzeitig initiierten Restrukturierungs- und Kosten-
Konzernlenker und Marktteilnehmer dabei durchaus
                                                           senkungsmaßnahmen. Unter dem Strich hegen wir die
herausfordernd: Das Wachstumstempo der Weltwirt-
                                                           Erwartung, dass der kumulierte DAX-Gewinn in 2019
schaft hat sich verlangsamt. Trendverstärkend wirkt
                                                           damit nur leicht (-2 %) auf 770 Gewinneinheiten
die ausgeprägte geopolitische Unsicherheit. Sie ist
                                                           nachgeben wird. Aufgrund der deutlich vom DAX ab-
Resultat der politischen Zeitenwende, die ihren Aus-
                                                           weichenden Branchenzusammensetzung (weniger
druck in einer Neujustierung der Weltordnung findet.
                                                           Zykliker, mehr defensive Sektoren) zeigt der Euro
Das Pendel der Globalisierung scheint seinen Schei-
                                                           Stoxx 50 indes konträre Vorzeichen, d. h. die Unter-
telpunkt erreicht zu haben und allmählich in Richtung
                                                           nehmen dürften sogar einen Gewinnanstieg von neun
Nationalisierung zurückzuschwenken. Ausdruck des-
                                                           Prozent auf 233 Einheiten verzeichnet haben.
sen sind der Handelskonflikt der USA mit China und
Europa, der Brexit oder die eskalierenden Unruhen in       Entwicklung der DAX-Gewinneinheiten
Lateinamerika. Nach Angaben der EU-Kommission
haben die nicht-tarifären Handelshemmnisse in 2018
zugleich ein Rekordhoch erreicht. In diesem Umfeld
fällt es Unternehmen schwer, belastbare Ausblicke zu
geben. Infolgedessen kappen sie ihre Investitions-
budgets, da sie nicht wissen, wie sich ihre global inte-
grierten Lieferketten künftig darstellen. Die Folge ist
ein spürbar nachlassender Welthandel, der insbeson-
dere den hiesigen Industriesektor in die Rezession
geführt hat. Flankiert wurde die Entwicklung hierzu-
lande von einem Automobilsektor, der nach der ver-
patzten Einführung eines neuen Abgasstandards in
                                                           Quelle: Kepler Cheuvreux
den kommenden Jahren zusätzlich den Strukturwan-
del zur Elektromobilität meistern muss.                    Der aktuelle Datenkranz für das dritte Quartal hat die
                                                           düsteren Befürchtungen, der DAX-Gewinnrückgang
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass 54
                                                           könnte sich beschleunigen, vorerst widerlegt und
von 308 im deutschen Prime Standard (DAX, MDAX,
                                                           Marktteilnehmer aufatmen lassen. Für 2020 erwarten
TecDAX, SDAX) gelisteten Unternehmen nach Berech-
                                                           die Analysten unseres Researchpartners Kepler
nungen von Ernst & Young (EY) im ersten Halbjahr
                                                           Cheuvreux (KCH) als auch der Marktkonsens sowohl
eine Umsatz- oder Gewinnwarnung herausgegeben
                                                           für den DAX als auch den Euro Stoxx 50 einen Gewinn-
haben - der höchste Stand seit 2009. Entsprechend
                                                           anstieg von zwölf Prozent. Dessen Eintreten ist nicht
enttäuschend auch der Blick auf die DAX-
                                                           ausgeschlossen, setzt aber unseres Erachtens klar
Unternehmen: Während die kumulierten Erlöse im
                                                           voraus, dass sich die politischen Unsicherheitsfakto-
zweiten Quartal um 4,5 % zulegten, brach der operati-
                                                           ren abschwächen, der Gegenwind für die Industrie
ve Gewinn nach EY-Angaben um 30 % ein. Doch der
                                                           nachlässt und die Weltwirtschaft sich entspannt.
Horizont hellt sich auf: Im November ist der ifo Ge-
schäftsklimaindex das dritte Mal in Folge leicht ge-       Grundsätzlich lässt sich die Entwicklung der Aktien-
stiegen. Zwar zeigt sich das verarbeitende Gewerbe         kurse in zwei Einflussfaktoren zerlegen: Unterneh-
weiter unzufrieden mit dem aktuellen Auftragsbe-           mensgewinne und Bewertung. Das heißt, mathema-
stand und will infolgedessen die Produktion kürzen,        tisch errechnet sich der Aktienkurs aus der Multiplika-
doch die Erwartungskomponente stellte sich etwas           tion des Unternehmensgewinns mit dem Kurs-

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