Heft 11 Non-EU Europe - März 2021 Wien und Kleve

Die Seite wird erstellt Peter Mayer
 
WEITER LESEN
Heft 11

                 Non-EU Europe
                 Perspektiven aus Wissen-
                 schaft und Praxis

  März 2021
Wien und Kleve
       1
1
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

            POLITICAL SCIENCE APPLIED
                       Zeitschrift für angewandte Politikwissenschaft

                                             Heft 11
                                            März 2021

                          Non-EU Europe
              Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis

                                          Herausgeber

                           Prof. Dr. Jakob Lempp, Hochschule Rhein-Waal
                              jakob.lempp@hochschule-rhein-waal.de

                   Dr. Angela Meyer, International Infrastructure Dialogue Center
                                     angela.meyer@idialog.eu

                             Dr. Jan Niklas Rolf, Hochschule Rhein-Waal
                              jan-niklas.rolf@hochschule-rhein-waal.de

                                        Redaktionsteam

                     Dr. Reinhard Brandl, Mitglied des Deutschen Bundestages
                         Prof. Dr. Alexander Brand, Hochschule Rhein-Waal
                             Dr. Stephan Dreischer, Sächsischer Landtag
                   Gregor Giersch, International Infrastructure Dialogue Center
                                   Dr. Elsa Hackl, Universität Wien
                       Dr. Frieder Lempp, IÉSEG School of Management Paris
                     Dominik Meier, Deutsche Gesellschaft für Politikberatung
                           Prof. Dr. Werner J. Patzelt, Professor Emeritus
                      Dr. Thomas Pfister, Zeppelin Universität Friedrichshafen
        Dr. Hermann van Boemmel, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit

Kontaktadresse: International Infrastructure Dialogue Center, Wallgasse 25/ 7-8, 1060 Vienna, Austria
                                  Frei verfügbar unter: www.psca.eu
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

Alle Rechte vorbehalten.
Abdruck oder vergleichbare
Verwendung der gesamten Zeitschrift
oder einzelner Artikel ist auch
in Auszügen nur mit vorheriger
schriftlicher Genehmigung
der Herausgeber gestattet.

PSCA-Artikel unterliegen
einem Begutachtungsverfahren
durch das Redaktionsteam.
Sie geben ausschließlich die
persönliche Auffassung der
Autoren und Autorinnen
wieder.

© IDC, 2021
ISSN 2306-5907

IDC
International Infrastructure
Dialogue Center
Wallgasse 25/ 7-8
1060 Wien, Österreich
www.idialog.eu
www.psca.eu
editors@psca.eu

Herausgeber:
Prof. Dr. Jakob Lempp
Dr. Angela Meyer
Dr. Jan Niklas Rolf
1
                                              Editorial

Europa ist mehr als die EU. Gerade mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäi-
schen Union rücken die Beziehungen der EU zu jenen Staaten und Territorien in Europa, die nicht
Teil der EU sind, verstärkt ins Blickfeld. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass es sich hier um
ein sehr vielfältiges Beziehungsgefüge handelt: Die Beziehungen der EU zum Vereinigten König-
reich, zu den EFTA-Staaten und europäischen Mikrostaaten, zu den Beitrittskandidaten im westli-
chen Balkan und am Bosporus, zu den Staaten in Osteuropa und im Südkaukasus stehen neben
Sonderfällen wie etwa jenen der Färöer oder Grönlands. Eine solche Betrachtung weitet den Blick
sowohl für unterschiedlich gestufte Beziehungsgefüge zwischen der EU und Drittstaaten als auch
für die zunehmende Binnendifferenzierung der EU im Zuge der Flexibilisierung der europäischen
Integration.
Das elfte Heft der Zeitschrift für angewandte Politikwissenschaft stellt den bunten Strauß an Bezie-
hungen zwischen der Europäischen Union und den europäischen nicht-EU-Staaten und nicht-EU-
Territorien übersichtlich dar und diskutiert diesen vor dem Hintergrund der flexiblen Integration in
Europa.

Wir wünschen allen Lesern eine spannende und erkenntnisreiche Lektüre!

Jakob Lempp, Angela Meyer, Jan Niklas Rolf

1
 Es wird darauf hingewiesen, dass aus Gründen der besseren und flüssigeren Lesbarkeit im gesamten Journal
auf eine genderspezifische Schreibweise verzichtet wird. Alle Bezeichnungen gelten sinngemäß für beide
Geschlechter.
                                                   1
Inhalt

Editorial                                                                                 S. 1

Einführender Überblicksartikel

Jan Niklas Rolf und Jakob Lempp                                                           S. 3
Non-EU Europe – ein systematischer Überblick über das Europa jenseits der
Europäischen Union

Fallstudien

Siebo M. H. Janssen                                                                       S. 5
Die EFTA – Zukunfts- oder Auslaufmodell?

John Dingfelder Stone                                                                     S. 8
The Impact of Brexit on the United Kingdom’s non-EU Territories

Ralph Rotte                                                                               S. 12
Die EU und die europäischen Mikrostaaten (Andorra, Monaco, San Marino, Vatikanstaat)

Elke Verlinden-Schneider                                                                  S. 17
Der mühsame Weg der Aufnahme der West-Balkan Staaten in die EU

Thorsten Kaesler                                                                          S. 22
Konflikte aus der Erbmasse der Sowjetunion: Die Beziehungen der EU zu Russland, Belarus
und Moldau

Taras Danko                                                                               S. 27
EU and Ukraine: Forging the Resilient Partnership

Elena Dück                                                                                S. 30
Die Türkei – ewige Beitrittskandidatin?

Stéphane Voell                                                                            S. 33
Orientierungslos in den Bergen? Die Europäische Union und der Südkaukasus

Jakob Lempp                                                                               S. 37
Gebiete in äußerster Randlage der EU (Outermoust Regions „OMR“)

Katharina McLarren                                                                        S. 40
From Colonialism to Climate Change – the EU and its Overseas Countries and Territories

Jan Niklas Rolf                                                                           S. 43
Territoriale Sonderfälle innerhalb und außerhalb der EU

                                                2
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

Non-EU Europe – ein systematischer                     anlässlich des 60. Jahrestages der Unterzeich-
Überblick über das Europa jenseits der                 nung der Römischen Verträge verfassten
Europäischen Union                                     „Weißbuch zur Zukunft Europas“, oder von
Jan Niklas Rolf & Jakob Lempp                          Emmanuel Macron in seiner programmati-
                                                       schen „Initiative für Europa“-Rede an der Pari-
Dr. Jan Niklas Rolf ist Postdoktorand an der           ser Sorbonne-Universität im gleichen Jahr.
Fakultät für Gesellschaft und Ökonomie der             Aber auch jenseits der Europäischen Union
Hochschule Rhein-Waal. In seiner Promotion             gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Bin-
untersuchte er den europäischen Integrations-          dungsgrade an den europäischen Staatenver-
prozess anhand von vertragstheoretischen               bund. Hier lassen sich – in lose absteigender
Ordnungs- und Gerechtigkeitsmodellen.                  Anbindung an die EU – die folgenden sechs
                                                       Fälle unterscheiden:
Prof. Dr. Jakob Lempp ist Professor für Politik-
wissenschaft mit dem Schwerpunkt Internati-                1. Einige Territorien sind integraler Be-
onale Beziehungen an der Hochschule Rhein-                    standteil der Europäischen Union, be-
Waal. Er studierte u.a. „European Studies“ an                 sitzen aber – aus ganz unterschiedli-
der University of Turku in Finnland und promo-                chen Gründen – eine de facto losere
vierte über den Rat der Europäischen Union.                   Anbindung an den europäischen
                                                              Rechtsraum. Dies trifft insbesondere
                                                              auf die sogenannten „Gebiete in äu-
Brexit und ein von vielen Seiten lange gefor-                 ßerster Randlage“ („GÄR“) zu. Aber
derter Grexit, anti-europäischer Populismus                   auch einige territoriale Sonderfälle
und eine zunehmende Heterogenität der mit-                    wie Åland und Helgoland sowie die
gliedstaatlichen Interessenlagen, Solidaritäts-               Exklaven von EU-Mitgliedsstaaten in
angebote und Werteverständnisse haben in                      der Schweiz und Marokko fallen in
den letzten Jahrzehnten – spätestens jedoch                   diese Kategorie.
seit dem Schäuble-Lamers Positionspapier im                2. Einige weitere Gebiete sind zwar nicht
Vorfeld des Vertrags von Amsterdam – zum                      Teil der Europäischen Union, wohl
zyklischen Aufflammen einer Debatte über die                  aber Teil eines Mitgliedstaates der Eu-
Finalitätserwartung einer „ever closer union“                 ropäischen Union. Darunter fallen u.a.
geführt. Sollte an die Stelle der Leitidee ge-                Grönland und die Färöer-Inseln, die
meinsamen und gleichzeitigen Voranschrei-                     über Dänemark an die Europäische
tens im Prozess europäischer Integration eine                 Union angebunden sind, und ganz
flexiblere Gestaltung sowohl des Integrations-                grundsätzlich die sogenannten „Über-
prozesses als auch des erwarteten oder er-                    seeischen Länder und Hoheitsgebiete“
wünschten Integrationszieles stehen? Inner-                   („ÜLG“).
halb der Europäischen Union ist ein solches                3. Die EFTA-Staaten Schweiz, Norwegen,
„Europa der konzentrischen Kreise“ und „un-                   Island und Liechtenstein sowie die eu-
terschiedlichen Geschwindigkeiten“ in Teilen                  ropäischen Mikrostaaten Andorra,
seit geraumer Zeit Wirklichkeit geworden.                     Monaco, San Marino und Vatikanstaat
Tatsächlich sind europäische Vorzeigeprojekte                 sind ebenfalls nicht Teil der Europäi-
wie der Währungs- und Schengenraum – bei                      schen Union; sie sind allerdings durch
all ihren in der Euro- und Migrationskrise zu-                verschiedene Verträge eng an die Eu-
tage tretenden Schwächen – ohne das Instru-                   ropäische Union (sowie teils auch an
mentarium der differenzierten Integration                     den Währungs- und Schengenraum)
kaum denkbar. Mit Artikel 20 hat die „Ver-                    gebunden.
stärkte Zusammenarbeit“ sogar Einzug in den                4. Ein besonderer Fall ist das Vereinigte
Vertrag über die Europäische Union genom-                     Königreich von Großbritannien und
men. Seitdem wird der Gedanke eines „Ker-                     Nordirland seit seinem Austritt aus
neuropas“ oder, negativ konnotiert, eines                     der Europäischen Union am 31. Januar
„Europa à la carte“, von verschiedensten Akt-                 2020. Das nach einer Übergangsphase
euren immer wieder aufgegriffen, so etwa von                  am 1. Januar 2021 vorläufig und nach
der Europäischen Kommission in ihrem 2017
                                                   3
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

      Ratifizierung im Europäischen Parla-
      ment endgültig in Kraft getretene
      Handels- und Kooperationsabkommen
      zwischen der EU und dem Vereinigten
      Königreich bindet das Land weniger
      eng an die Union als es bei den EFTA-
      Staaten der Fall ist, aber doch enger
      als in den Fällen der sonst üblichen
      Handelsabkommen zwischen der EU
      und Drittstaaten.
   5. In der nächsten Klasse finden sich jene
      südosteuropäischen Länder, die der-
      zeit den Prozess des Beitritts zur Eu-
      ropäischen Union durchlaufen (Alba-
      nien, Montenegro, Nordmazedonien,
      Serbien und die Türkei) oder als po-
      tenzielle Beitrittskandidaten gehan-
      delt werden (Bosnien-Herzegowina
      und Kosovo). Innerhalb dieser Gruppe,
      die – durch die schrittweise Über-
      nahme des gesamten europäischen
      acquis communautaire – teilweise
      auch schon eng an die Europäische
      Union gebunden ist, finden sich dabei
      allerdings große Unterschiede. Gerade
      im Falle der Türkei ist ein EU-Beitritt
      keineswegs ausgemacht.
   6. Und schließlich finden sich auch in der
      östlichen Nachbarschaft der Europäi-
      schen Union Staaten, die über Assozi-
      ierungsabkommen (Georgien, Molda-
      wien und Ukraine), ein Partnerschafts-
      und Kooperationsabkommen (Russ-
      land) und/oder die Östliche Partner-
      schaft (Belarus, Armenien und Aser-
      baidschan) in unterschiedlicher Weise
      an die EU angebunden sind.

Bemerkenswert ist, dass die Differenzierungs-
grade der politischen, ökonomischen und ge-
sellschaftlichen Integration außerhalb der
Union weit weniger häufig Gegenstand wis-
senschaftlicher Untersuchungen sind als jene
innerhalb der EU. Gleichwohl sind auch diese
Schattierungen Teil des Gesamtbildes europäi-
scher Integration.

                                                4
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

Die EFTA – Zukunfts- oder Auslaufmo-                  1960er Jahren im globalen Kontext massiv
dell?                                                 abgenommen. Allerdings ist erst seit den
Siebo M. H. Janssen                                   1980er Jahren ein spürbarer ökonomischer
                                                      Bedeutungsverlust (bei einem gleichzeitigen
Politikwissenschaftler und Historiker. Lehrbe-        Bedeutungsgewinn als Dienstleistungs- und
auftragter an verschiedenen Universitäten und         Finanzstandort) Großbritanniens im europäi-
Fachhochschulen. Referent in der Politischen          schen und internationalen Vergleich wahrzu-
Erwachsenenbildung.                                   nehmen, da in diesem Jahrzehnt die damalige
                                                      Premierministerin Thatcher einen brutalen
                                                      Deindustrialisierungskurs (Schließung der Koh-
Fragestellung                                         lezechen und Stahlwerke) im eigenen Land
                                                      durchführte und stattdessen versuchte, eine
Als die EFTA (European Free Trade Association         weitestgehend auf London konzentrierte
– Europäische Freihandelsassoziation) 1960            Dienstleistungsbranche zu etablieren.
gegründet wurde, sollte diese in erster Linie         Norwegen hingegen sah keinerlei ökonomi-
europäische Staaten zusammenbringen, die              schen Vorteil in einer EG- bzw. EU-
zwar eine begrenzte ökonomische Zusam-                Mitgliedschaft, da die Kosten, aufgrund der
menarbeit wünschten, allerdings die politi-           reichen Erdgas- und Erdölvorkommen in nor-
schen Implikationen in Richtung einer politi-         wegischen Gewässern, um ein Vielfaches hö-
schen Integrationsgemeinschaft à la EG (ab            her gewesen wären als die ökonomischen
1992: EU) ablehnten. War die EFTA zeitweise           Vorteile und Norwegen damit faktisch ein
in etwa gleich stark gegenüber der EG in Be-          Nettozahler in der EG/EU geworden wäre.
zug auf die Anzahl der Mitgliedsstaaten, so           Im Laufe der Jahre verlor die EFTA allerdings
verlor sie im Laufe der 1970er und 1980er             zunehmend an Bedeutung. Zuerst verließen
Jahre zunehmend an Bedeutung. Mit dem                 Großbritannien und Dänemark 1973 die EFTA
Austritt Großbritanniens aus der EU stellt sich       zugunsten der EG, Portugal folgte 1986, Öster-
allerdings die Frage, ob die EFTA als Freihan-        reich, Schweden und Finnland 1995. Norwe-
delszone ein Zukunftsprojekt für europäische          gen lehnte einen Beitritt zur EG/EU zweimal
Staaten ist, die der EU nicht beitreten können        ab (1972 und 1994) und verblieb in der EFTA.
oder wollen. Gedacht werden muss hier vor             Gegenwärtig besteht die EFTA noch aus Nor-
allem an die Türkei, die Staaten des Westbal-         wegen, Island, Schweiz und Liechtenstein.
kans oder auch Großbritannien selbst.                 Gab es in den ersten Jahren der EFTA, 1960-
                                                      1969, ein massives Konkurrenzdenken zwi-
Hintergrund                                           schen der EG und der EFTA, dass sich in einem
                                                      eilig aufgezogenen Binnenmarktprojekt der
Die Gründungsmitglieder der EFTA 1960 wa-             EFTA 1966 manifestierte, wurde in den Jahren
ren Dänemark, Schweden, Norwegen, Portu-              danach deutlich, dass die Wirtschaftsentwick-
gal, Schweiz, Österreich und Großbritannien.          lung in den EG-Staaten schneller und kontinu-
Finnland wurde 1986 Vollmitglied, nachdem             ierlicher verlief, was vor allem Großbritannien
es seit 1961 assoziiertes Mitglied war, Island        zur Erwägung eines EG-Beitritts veranlasste.
ist seit 1960 Mitglied und Liechtenstein seit         Bereits im Juli 1961 beantragte Großbritanni-
1991. Zeitweise war die EFTA damit, von der           en daher den EG-Beitritt (diesem Antrag
Zahl ihrer Mitgliedsstaaten, genauso groß wie         schlossen sich Dänemark und Norwegen, so-
die EG und man unterschied zwischen den               wie außerhalb der EFTA, Irland an), dieser
„inneren sechs“ (den Mitgliedsstaaten der EG)         scheiterte aber 1963 am Veto des französi-
und den „äußeren sieben“ (den EFTA-                   schen Staatspräsidenten Charles de Gaulle
Mitgliedsstaaten).                                    und erst mit der Amtsübernahme Georges
In den 1960er Jahren war die Rolle Großbri-           Pompidous im Elysee-Palast wurden die Ver-
tanniens im Weltmaßstab allerdings auch               handlungen 1967 wieder aufgenommen.
noch eine völlig andere als nach dem Brexit-          Um die Verbindungen zur EG nicht völlig ab-
Referendum 2016. Vor allem die ökonomische            reißen zu lassen und zugleich die Vorteile des
und politische Bedeutung Großbritanniens hat          gemeinsamen Binnenmarktes der EG/EU nut-
nach dem Ende der Kolonialherrschaft seit den
                                                  5
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

zen zu können, wurden eine Reihe von Ab-                  •   die Bewahrung interner Entschei-
kommen zwischen den EFTA-Staaten und der                      dungsautonomie sowie die Abwehr
EG/EU geschlossen. Dies begann, auf Initiative                externer Einflüsse auf die innere Au-
Großbritanniens, mit bilateralen Freihandels-                 tonomie,
abkommen zwischen der EG und einzelnen                    •   die Sicherstellung einer ausgewoge-
Mitgliedsstaaten der EFTA. Bis zum Juli 1977,                 nen Verteilung von Rechten und
also nach dem EG-Beitritt Großbritanniens,                    Pflichten zwischen EG und EFTA.
Irlands und Dänemarks, entstand so die welt-
weit größte Freihandelszone. Die Konsequenz           Gerade der erste Punkt bedeutete eine erneu-
war eine weitgehende Öffnung der EFTA-                te Marginalisierung der EFTA gegenüber der
Staaten gegenüber der EG wie auch umge-               EG, denn letztere machte so deutlich, dass die
kehrt. Die wirtschaftspolitische Handlungs-           EFTA zukünftig nicht mit der gleichen Behand-
freiheit behielten die EFTA-Staaten zwar, aber        lung wie die EG-Mitgliedsstaaten rechnen
die enge ökonomische Zusammenarbeit hatte             konnte. Zwar sollten die bestehenden Ab-
auch eine engere Kooperation in Fragen des            kommen unangetastet bleiben, aber der
Umweltschutzes, der Landwirtschaftspolitik,           Schwerpunkt der weiteren Tätigkeit der EG
der Fischerei, sowie auch der Atomenergie             sollte auf Ausbau und Förderung der politi-
und Forschung zur Folge. Die Konsequenz               schen und ökonomischen Entwicklung der EG-
dieser Entwicklungen war zwar auf der einen           Mitgliedsstaaten liegen. Die EFTA befand sich
Seite eine enge Verflechtung zwischen EFTA            damit in einer Situation der Schwäche, zumal
und EG, aber auf der anderen Seite war ein            Portugal 1986 (zusammen mit Spanien, 1981
weitgehender Bedeutungsverlust der EFTA               bereits Griechenland) ebenfalls Mitglied der
nicht zu leugnen. Nicht nur hatte sie mit             EG geworden war. Die Abhängigkeit der EFTA-
Großbritannien das wichtigste Mitgliedsland           Staaten gegenüber der EG wurde dann auch
verloren, sondern waren ihre Aufgaben auch            zunehmend stärker, zumal die EFTA-Staaten
zunehmend auf die Verwaltung des Freihan-             ökonomische Entscheidungen der EG mittra-
dels reduziert.                                       gen mussten, soweit sie den Freihandel betra-
Diese Situation war für die verbliebenen EFTA-        fen, aber keinerlei Mitentscheidungsrechte
Staaten unbefriedigend, und man suchte in             hatten.
den Jahren nach 1977 nach einer Existenz-             1989      versuchte     der    damalige     EG-
grundlage, die einerseits die Unabhängigkeit          Kommissionspräsident Jacques Delors noch
von der EG betonte, zugleich aber die Vorteile        einmal, die Beziehungen zwischen beiden
der Freihandelsabkommen betonte. Im Jahr              Organisationen auf eine neue Grundlage zu
1984 kam es zu einer ersten gemeinsamen               stellen. Delors ging es um eine Integration der
Ministertagung zwischen EG- und EFTA-                 EFTA-Staaten in den gemeinsamen Binnen-
Ministern. Auf diesem Treffen in Luxemburg            markt sowie seine Entscheidungs- und Mitbe-
wurde der sogenannte „Luxemburg Prozess“              stimmungsverfahren. Dieses sehr weitgehen-
verabredet, der erstmalig die Idee eines ge-          de Entgegenkommen Delors gegenüber der
meinsamen Europäischen Wirtschaftsraums               EFTA wurde von dieser mit Wohlwollen auf-
(EWR) vorsah. 1987 verkündete die EG-                 genommen, zumal die Delors-Initiative auf der
Kommission auf einem EFTA-Ministertreffen in          Grundlage der vier Grundfreiheiten des euro-
Interlaken (Schweiz) deshalb drei grundlegen-         päischen Binnenmarktes (Personenverkehrs-
de Prinzipien für die zukünftige Gestaltung der       freiheit, Dienstleistungsfreiheit, Warenver-
Beziehungen zur EFTA:                                 kehrsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit) ge-
                                                      staltet werden sollte. In den Jahren nach 1989
    •   Die Priorität des eigenen Integrations-       gelang somit eine weitgehende Integration
        prozesses gegenüber dem Ausbau ex-            der EFTA-Staaten in wesentliche Bereiche der
        terner Relationen, also eine Vertie-          EG-Politik. Ausgenommen blieben weiterhin
        fung der europäischen Integration, vor        die Außen- und Sicherheitspolitik, die Agrar-
        allem des gemeinsamen Binnenmarkts            und Verkehrspolitik sowie Steuer- und Finanz-
        der EG,                                       politik. Ebenso waren die EFTA-Staaten nicht
                                                      an der geplanten Währungsunion beteiligt.

                                                  6
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

Mit dem Ende der kommunistischen Herr-                 eine partielle Trennung die trotz allem Raum
schaft im Ostblock 1989/1990 veränderte sich           für gemeinsame Interessen lässt.
auch noch einmal das Verhältnis zwischen EG            Was die Beitrittskandidaten bzw. -aspiranten
und EFTA. Die EG erschien nun als gesamteu-            angeht, so ist die Lage komplizierter. Die EFTA
ropäisches politisches und ökonomisches                besteht gegenwärtig aus ökonomisch überaus
Zentrum, in dem die osteuropäischen Trans-             erfolgreichen Staaten – ob eine Aufnahme der
formationsstaaten möglichst bald Mitglied              „europäischen Armenhäuser“ wie z. B.: Bosni-
werden wollten. Der Vertrag von Maastricht             en-Herzegowina, Kosovo, Serbien, später auch
sollte die Grundlage für die geplante Oster-           Ukraine oder Türkei, vermittelbar ist, darf,
weiterung der, dann, EU legen. Die EFTA wur-           selbst bei einer zeitlichen Mitgliedschaftsbe-
de in diesem Zeitenwechsel einmal mehr ge-             grenzung (bis zum Beitritt zur EU) bezweifelt
schwächt. Mit dem Beitritt Finnlands, Schwe-           werden. Voraussetzung wäre die Bereitschaft
dens und Österreichs 1995 zur EU machte die            der wohlhabenden EFTA-Staaten, über massi-
EFTA einen weiteren Schritt in Richtung Be-            ve Handelserleichterungen – eben Freihandel
deutungslosigkeit. Die verbleibenden Mitglie-          – Zollvorteile und Absatzmärkte für preiswerte
der Norwegen, Island, Schweiz und Liechten-            Produkte zu schaffen. Dies ist jedoch eher
stein gehören zwar zu den weltweit wohlha-             unwahrscheinlich, da die EFTA in vielerlei Hin-
bendsten Ländern, haben aber durch ihre                sicht auf Relativ gleichwertigen Markt- und
Nichtmitgliedschaft in der EU kaum Mitbe-              Wohlstandsbedingungen basiert.
stimmungsmöglichkeiten auf diese. Daher ist            Als Fazit lässt sich festhalten, dass die EFTA
der politische Einfluss der EFTA-Mitglieder            sicherlich für Staaten, die aus der EU austre-
sehr viel geringer als ihr ökonomisches Poten-         ten, eine ökonomische Alternative sein kann,
tial vermuten lassen würde.                            allerdings die zukünftigen Beitrittskandidaten
Abschließend stellt sich die Frage, ob die EFTA        zur EU mit ihren spezifischen ökonomischen
eine Zukunft haben könnte, wenn noch mehr              und politischen Problemen, aufgrund der dar-
Mitgliedsstaaten aus der EU austreten würden           gestellten Strukturen und Zusammensetzung
bzw. ob die EFTA eine Übergangsorganisation            der EFTA, dort keine „Zwischenstation“ ma-
für EU-Beitrittskandidaten bzw. -aspiranten            chen werden.
wäre. Ersteres lässt sich relativ leicht beant-
worten: eine Freihandelszone wird von nahe-
zu allen (mit Ausnahme der extremen Rech-
ten) EU-skeptischen Regierungen und Parteien
gefordert. Mehr als einmal haben die ungari-
schen und polnischen Regierungsvertreter sich
für eine Freihandelszone, aber gegen die poli-
tische Union ausgesprochen. Ähnliche Positio-
nen vertreten die skandinavischen Staaten
Dänemark, Schweden und Finnland mehr oder
weniger explizit und bis zum Brexit auch
Großbritannien. Auch die Schweiz und Norwe-
gen lehnen, als Nicht-EU-Mitgliedsstaaten, bis
heute eine vollständige Integration in das poli-
tisch-ökonomische System der EU ab. Ganz
ähnlich wie Großbritannien wäre die EFTA für
diese Staaten möglicherweise eine ernsthafte
Alternative zur EU. Die EU hätte darüber hin-
aus den Vorteil, dass sie die Vertiefung der
Integration sowohl politisch, sozial wie auch
ökonomisch effektiver und nachhaltiger vo-
rantreiben könnte. Die EFTA-Mitgliedschaft
wäre demnach kein endgültiger Abschied von
der EU für diese Staaten, sondern vielmehr

                                                   7
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

The Impact of Brexit on the United                   ernance structure. A joint “Partnership Coun-
Kingdom’s non-EU Territories                         cil” will oversee the achievement of the objec-
John Dingfelder Stone                                tives of the TCA. It must reach any agreement
                                                     by mutual consent of the UK and the EU. Any
Prof. Dr. iur. John Dingfelder Stone has been        disputes over the interpretation of the TCA or
the Professor of Law with a focus on Interna-        one party’s actions will be handled by an in-
tional and Public Law at Rhine-Waal University       dependent arbitration tribunal jointly created
of Applied Sciences in Kleve, Germany since          by both parties. It is significant that the Euro-
2015. Before that he was a Research Fellow at        pean Court of Justice is not foreseen as having
both the Max Planck Foundation for Interna-          any role in the TCA system (European Com-
tional Peace and the Rule of Law and the Max         mission, 2020).
Planck Institute for Comparative Public Law          Obviously, the TCA will have a significant im-
and International Law.                               pact on the various parts of the UK in a num-
                                                     ber of different ways. The coming years will
                                                     likely release a flood of scholarship aimed in
On the 23rd of June 2016, the voters of the          this direction, though most will focus on the
United Kingdom expressed a desire to leave           UK mainland itself. Perhaps more interesting,
the European Union through a popular refer-          though, is the effect the TCA will have on the
endum. Honoring the results of this referen-         lesser known parts of the UK: The Crown De-
dum, the UK triggered Article 50 of the Treaty       pendencies, the Sovereign Base Areas in Cy-
on European Union, signaling its intention to        prus, and Gibraltar. This article will take a first
officially withdraw from the EU in March of          glance in this direction.
2019. After numerous extensions to the with-
drawal date, the UK and the EU signed a for-         The Crown Dependencies
mal Withdrawal Agreement that allowed the
UK to technically depart from the EU on the          Consisting of the Isle of Man and the Channel
31st of January 2020, while still keeping it         Islands (Guernsey and Jersey), the Crown De-
within the single market until the 31st of De-       pendencies are self-governing territories that
cember 2020. The assumption was that this            have a legal relationship with the British
11-month transition period would allow the           Crown, rather than the UK government itself.
negotiation of a long-term agreement on the          They are not legally part of the UK. They have
future relationship between the UK and the           their own governmental institutions and make
EU.                                                  their own laws. Historically, the UK has been
In the end, the EU and the UK did eventually         responsible for the defense and international
reach such an agreement in late December             relations of the Dependencies; however, the
2020: the EU-UK Trade and Cooperation                UK is only allowed to act internationally on
Agreement (TCA). As part of the TCA, the EU          behalf of the Crown Dependencies where
and the UK will create a large free trade zone       prior consultation has taken place. Further-
for goods with no quotas or tariffs. Services        more, UK laws only apply to the Dependencies
and persons, however, will no longer benefit         where their consent has been obtained be-
from the freedom of movement between the             forehand (Channel Islands Brussels Office,
EU and the UK. Thus, UK citizens will need           2019: 1).
specific EU visas to travel or work in the EU.       The relationship between the Crown Depend-
The TCA also makes clear that the UK will no         encies and the EU was even more complex.
longer be a part of any of the EU support pro-       Since the Dependencies are not technically
grams, such as the regional development or           part of the UK, they were also not part of the
agricultural support programs. Overlapping           EU. However, since they have a very practical
fishing stocks will likewise no longer be man-       connection to the UK, they did have a limited
aged by the Common Fisheries Policy, but             legal relationship to the EU covered by Proto-
rather jointly by the EU and UK.                     col 3 of the UK’s Act of Accession to the EU.
In order to ensure that both sides properly          Put plainly, the Crown Dependencies benefit-
adhere to the obligations arising from the new       ed from the freedom of movement with re-
UK-EU framework, the TCA also sets up a gov-
                                                 8
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

spect to goods, but not as to persons or ser-            pact of the agreement on Dependency fishing
vices. As such, even though they are British             rights.
citizens, residents of the Crown Dependencies            A final area where the TCA may produce diffi-
were treated as non-EU citizens. This was sig-           culties for the Crown Dependencies involves
nified in their British Passports by a special           taxes. The EU maintains a list of “non-
endorsement indicating they could not benefit            cooperative jurisdictions” that are seen to
from various EU legal provisions.                        “encourage abusive tax practices” (Council of
While this limited connection to the EU histor-          the European Union, 2020). By their associa-
ically meant the Dependencies benefited sig-             tion with the EU (through the UK), the Crown
nificantly less from the UK’s presence in the            Dependencies have historically avoided being
EU, it also worked to soften the impact on the           placed on the list. However, Brexit has re-
Dependencies of the UK’s withdrawal from                 moved their protection: the EU Parliament has
the EU. In the end, the TCA basically maintains          now taken steps to add the Dependencies to
the status quo with respect to the freedom of            this blacklist of tax havens (Partington, 2021).
movement of goods vis-à-vis EU States, as                As with the other changes brought about by
Dependency goods will be protected from                  the TCA, the long-term ramifications of this
export tariffs and quotas in the same manner             are still uncertain.
as UK goods (Brehaut et al., 2021). Even if the
practical implementation of the TCA proves               Sovereign Base Areas
problematic, the actual impact on the Crown
Dependencies will be minimal, since none of              As part of the 1960 Treaty establishing the
the Dependencies are particularly dependent              independence of Cyprus, the UK retained sov-
on trade with the EU. Rather their economies             ereignty over several British military bases and
are primarily service-based (Channel Islands             their surrounding lands on the island. These
Brussels Office, 2019: 2; Channel Islands Brus-          “Sovereign Base Areas” (SBA) are considered
sels Office, 2020: 2), and since they never              British Overseas Territories, even though they
benefitted from the freedom of movement of               are technically administered by the British
services under the old system, the loss of this          military. All in all, the SBAs encompass 156
freedom under the TCA changes little.                    km2, not all of which is strictly military. Rather
One area, though, where the TCA does alter               the majority of individuals living in the SBAs
the situation of the Dependencies is with re-            are actually Cypriot citizens in small villages
spect to fishing rights. Although not covered            within the borders of the SBAs. This creates
by Protocol 3, these rights were often man-              some interesting legal headaches. With regard
aged as part of the EU’s Common Fisheries                to British citizens in the SBA, the British Ad-
Policy due to agreements between the UK and              ministrator has carte blanche to establish Brit-
the Dependencies. The TCA now returns man-               ish law. However, with regard to Cypriot citi-
agement to the Crown Dependencies, as they               zens, Appendix O of the UK Declaration on
will have the right to issue fishing licenses for        Administration of the SBAs requires that SBA
their territorial waters, though these must              law mirror Cyprus law as much as possible.
protect and reflect the historical fishing activi-       Furthermore, the UK Declaration guarantees
ty of EU vessels (Article Fish.10 TCA). Recipro-         free movement between Cyprus and the civil-
cal access to French waters is also granted to           ian portions of the SBA and forbids the estab-
Dependency boats. The practical implementa-              lishment of any customs posts or border con-
tion of these rights, however, has already pro-          trols (Hadjigeorgiou and Skoutaris, 2019: 1-2).
duced several trouble spots: Dependency fish-            With the accession of Cyprus into the EU in
ing licenses reportedly have been hard to                2004, the requirement that SBA law mirror
come by for some French vessels, and French              Cypriot law would have effectively trans-
authorities have denied Dependency vessels               formed into a requirement to mirror the en-
access to their normal French port in Dielette           tirety of EU law as well. Protocol 3 of the Cy-
(ITV, 2021). The extent to which these teeth-            prus Act of Accession, however, limited the
ing problems of the TCA can be ironed out will           application of the EU treaties within the SBA
go a long way to determining the actual im-              such that only select aspects apply. Among

                                                     9
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

these are the “customs and common com-                    commercial policy. Even so, approximately
mercial policy” (Art. 2), agricultural and fisher-        70% of Gibraltar’s law arose from EU law (Mil-
ies policy (Art. 3), and the value added tax              ler, 2017: 10). This close relationship with the
(VAT) (Art. 2). The SBAs also use the Euro as             EU made its exclusion from the TCA (as an
their currency. The impact of the TCA on this             Overseas Territory) especially problematic.
complicated legal regime is still uncertain.              However, unlike the SBAs, the UK and Gibral-
As a starting point, the TCA does not apply to            tar quickly concluded a separate agreement
British Overseas Territories (Article FINPROV.1           with Spain supplementing the TCA with re-
TCA) such as the SBAs. Thus, any post-Brexit              spect to Gibraltar (Gallardo, 2021).
relationship must be explicitly negotiated or             This agreement addresses the largest poten-
evolve from prior legal documents. In this                tial problem associated with an unregulated
regard, the Withdrawal Agreement contains a               Brexit: the freedom of movement of persons
special Protocol relating to the SBAs specifical-         between Gibraltar and its close neighbor
ly intended to maintain the status quo. Cypriot           Spain. It is estimated that approximately
legal scholars interpret this Protocol as ex-             10,000 EU citizens cross from Spain into Gi-
tending the status quo beyond the transition              braltar to work every day, filling approximate-
period (Hadjigeorgiou and Skoutaris, 2019:                ly 40% of all jobs in Gibraltar (Ware, 2018: 5).
13). The British High Commission in Cyprus, on            An unregulated Brexit would have potentially
the other hand, assumes that a separate bilat-            created work permit issues while likely in-
eral deal with Cyprus specifically relating to            creasing border checks, both of which would
the SBAs would be necessary in the event of               have hindered this necessary influx of work-
an unregulated Brexit (Reuters, 2019). Regard-            ers. These difficulties would have had exten-
less, given both the UK and Cyprus’s apparent             sive ramifications for the neighboring Spanish
satisfaction with the pre-Brexit situation in the         area as well: cross-border movement repre-
SBAs, it is likely such an agreement would not            sents a substantial portion of the area’s GDP.
be difficult to negotiate. In the end, it appears         As such, both sides had significant incentives
very little will actually change for the SBAs             to reach an agreement neutralizing this poten-
post-TCA.                                                 tial issue. In the end, the negotiated solution
                                                          keeps Gibraltar in the Schengen free move-
Gibraltar                                                 ment area, with Spain responsible for the im-
                                                          plementation of border checks at the airport
The peninsula of Gibraltar was ceded to the               and seaport (Gallardo, 2021). It does not,
UK from Spain through the Treaty of Utrecht               however, solve the underlying issue of Gibral-
in 1713. It is nearly entirely surrounded by              tar’s sovereignty that has undercut British-
water, except for a land border with Spain of             Spanish relations in the past; the respective
less than 1 mile in length. Although technically          claims of each party will be specifically pro-
an Overseas Territory, Gibraltar’s relationship           tected in the final agreement.
to the UK is closer to that of the Crown De-
pendencies: The UK is responsible for its for-            Conclusion
eign affairs, defense, internal security and
judiciary; the rest remains the domain of Gi-             A hard Brexit would naturally have had a ma-
braltar. Gibraltar citizens are full British citi-        jor impact on the UK and its associated terri-
zens, and were therefore also considered EU               tories, upending decades of settled law and
citizens (Miller, 2017: 5-6).                             practice in the relative blink of an eye. The
As an Overseas Territory of an EU member                  TCA, however, is not a panacea for the UK’s
State, EU law generally applied to Gibraltar              non-EU territories; it creates its own difficul-
under Article 355(3) TFEU. However, the UK’s              ties. This is especially true for the Crown De-
Act of Accession to the EU created some ex-               pendencies, the SBAs and Gibraltar, given that
ceptions. Among those aspects of EU law that              their complicated situations require tailored
did not apply in Gibraltar, for example, were             solutions that the TCA and any separate
the agricultural and fisheries policy, the free-          agreements can only begin to address.
dom of movement of goods, and the EU's

                                                     10
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

Literature                                              Hadjigeorgiou, N. and Skoutaris, N. (2019) The
                                                        Status of the Sovereign Base Areas in Cyprus
Brehaut, M. et al. (2021) Guernsey: Brexit: The         following Brexit, Occasional Paper Series. Nic-
Impact of The End Of The Transition Period In           osia:       PRIO         Cyprus         Centre
Guernsey               And              Jersey,         https://www.prio.org/Publications/Publicatio
https://www.mondaq.com/guernsey/internati               n/?x=11278 (last viewed 28 January 2021).
onal-trade-investment/1027094/brexit-the-
impact-of-the-end-of-the-transition-period-in-          ITV (2021) Tensions mount between Channel
guernsey-and-jersey (last viewed 28 January             Island      and      French       fishermen,
2021).                                                  https://www.itv.com/news/channel/2021-01-
                                                        19/tensions-mount-between-channel-island-
Channel Islands Brussels Office (2019) The              and-french-fishermen (last viewed 28 January
Channel Islands and the European Union,                 2021).
https://www.channelislands.eu/wp-
content/uploads/2019/04/CI-EU-background-               Miller, V. (2017) House of Commons Briefing
note-17-April-2019-FINAL.pdf (last viewed 28            Paper: Brexit and Gibraltar (No. 7963),
January 2021).                                          http://researchbriefings.files.parliament.uk/d
                                                        ocuments/CBP-7963/CBP-7963.pdf             (last
Channel Islands Brussels Office (2020) The              viewed 28 January 2021).
Channel Islands and the EU following the Unit-
ed       Kingdom’s    Withdrawal      (Brexit),         Partington, R. (2021) MEPs vote to add Chan-
https://www.channelislands.eu/wp-                       nel and British Virgin Islands to tax haven
content/uploads/2020/02/CI-and-Brexit-                  blacklist.            The             Guardian.
background-note-1-February-2020-FINAL.pdf               https://www.theguardian.com/world/2021/ja
(last viewed 28 January 2021).                          n/22/meps-vote-to-add-channel-and-british-
                                                        virgin-islands-to-tax-haven-blacklist      (last
Council of the European Union (2020) Taxa-              viewed 28 January 2021).
tion: EU list of non-cooperative jurisdictions.
https://www.consilium.europa.eu/en/policies             Ware, R. (2018) House of Commons Briefing
/eu-list-of-non-cooperative-jurisdictions/ (last        Paper: Brexit: Gibraltar Update (No. 8278),
viewed 28 January 2021).                                http://researchbriefings.files.parliament.uk/d
                                                        ocuments/CBP-8278/CBP-8278.pdf             (last
Reuters (2019) Cyprus Backstop? Ireland is not          viewed 28 January 2021).
the only island with Brexit muddle,
https://www.thisismoney.co.uk/wires/reuters
/article-6856081/Cyprus-Backstop-Ireland-
not-island-Brexit-muddle.html (last viewed 28
January 2021).

European Commission (2020) EU-UK Trade
and          Cooperation        Agreement,
https://ec.europa.eu/commission/presscorner
/detail/en/qanda_20_2532 (last viewed 28
January 2021).

Gallardo, C. (2021) What the post-Brexit Gi-
braltar       deal       means.       Politico.
https://www.politico.eu/article/what-the-
post-brexit-gibraltar-deal-means-uk-spain/
(last viewed 28 January 2021).

                                                   11
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

Die EU und die europäischen Mikro-                      Geographisch ist den Mikrostaaten gemein-
staaten (Andorra, Monaco, San Marino,                   sam, dass sie Enklaven der EU-Staaten Italien
Vatikanstaat)                                           (San Marino, Vatikanstaat) und Frankreich
Ralph Rotte                                             (Monaco) sind bzw. vollständig von Frankreich
                                                        und Spanien umgeben sind (Andorra). Ent-
Prof. Dr. Ralph Rotte ist Professor für Interna-        sprechend eng sind ihre Beziehungen mit die-
tionale Beziehungen am Institut für Politische          sen Staaten, die auch ihre äußere Sicherheit
Wissenschaft der RWTH Aachen University. Er             gewährleisten, so dass die Mikrostaaten bis
ist Autor des Bandes „Die Außen- und Frie-              auf weitgehend zeremonielle Einheiten in San
denspolitik des Heiligen Stuhls“.                       Marino (ca. 350 Mann Miliz) und im Vatikan
                                                        (150 Mann der Schweizergarde) über kein
                                                        Militär, sondern nur über Polizei- und Gen-
Versteht man unter „Mikrostaaten“ völker-               darmeriekräfte verfügen. Schließlich bestehen
rechtlich als (zumindest teilweise) souverän            auch Parallelen in den Wirtschaftsstrukturen,
anerkannte Gebietskörperschaften mit beson-             die bei allen vier Ländern stark auf Tourismus
ders kleinem Territorium und relativ geringer           und Finanzdienstleistungen, traditionell vor
Bevölkerung, so gibt es in Westeuropa fünf              allem als Steueroasen, ausgerichtet ist.
solcher Kleinststaaten, welche nicht Mitglied           Wesentliche Unterschiede zwischen den vier
der Europäischen Union sind: Andorra (468               Mikrostaaten finden sich im Hinblick auf ihre
km2, ca. 78.000 Einwohner), Liechtenstein               Verfassung: San Marino ist eine parlamentari-
(160,5 km2, ca. 39.000 EW), Monaco (2,0 km2,            sche Republik, Andorra eine parlamentarische
ca. 40.000 EW), San Marino (61,2 km2, ca.               Monarchie (Kofürstentum), Monaco eine kon-
33.000 EW) und den Staat der Vatikanstadt               stitutionelle Monarchie und der Staat der Va-
(0,44 km2, ca. 1.000 EW). Nachdem Liechten-             tikanstadt eine absolute Wahlmonarchie mit
stein durch seine Mitgliedschaft in der EFTA            dem Papst als uneingeschränktem Herrscher.
und damit im EWR sowie aufgrund seines en-              Zudem ist letzterer gemäß Art. 24 Lateranver-
gen völkerrechtlichen Verhältnisses zur                 trag zu dauerhafter Neutralität verpflichtet
Schweiz eine eigene Sonderrolle einnimmt,               und kann seinem Selbstverständnis nach kei-
werden im Folgenden nur die vier anderen                ner internationalen Organisation beitreten,
Mikrostaaten in ihren Beziehungen zur Euro-             deren (irdischen) Institutionen er sich ver-
päischen Union betrachtet.                              tragsgemäß auch gegen seinen Willen unter-
                                                        werfen müsste (z.B. Beschlüssen des Sicher-
Gemeinsamkeiten und Besonderheiten                      heitsrats der Vereinten Nationen oder der
                                                        Gesetzgebung der EU).
Alle vier Staaten blicken auf eine lange Ge-
schichte der Eigenständigkeit zurück. So füh-           Beiderseitige Interessenlagen
ren San Marino, Andorra und Monaco ihre
staatliche Existenz auf die Jahre 366, 1278             Die Beziehungen der Mikrostaaten zur Europä-
bzw. 1489 zurück, und auch der Staat der Va-            ischen Union gestalten sich aufgrund ihrer
tikanstadt, obgleich erst durch die Lateranver-         geographischen Lage und Geschichte zum
träge von 1929 entstanden, kann durchaus in             einen über das bilaterale Verhältnis zum un-
der Tradition des Kirchenstaats (756 – 1870)            mittelbaren Nachbarstaat, zum anderen über
betrachtet werden. Alle sind als Völkerrechts-          Abkommen mit der EU als Ganzes. Ein Haupt-
subjekte anerkannt und unterstreichen dies              anliegen der kleinen Akteure ist dabei stets
durch ihre Mitgliedschaft in den Vereinten              die Bewahrung ihrer Souveränität und Eigen-
Nationen (San Marino seit 1992, Andorra und             staatlichkeit, welche im Fall Andorras und
Monaco seit 1993) bzw. im Fall des internatio-          Monacos durch die neue Verfassung von 1993
nal durch den Heiligen Stuhl vertretenen Vati-          mit ihren Begleitverträgen mit Frankreich und
kanstaats durch den selbstgewählten Be-                 Spanien bzw. durch die Neufassung des ur-
obachterstatus des ersteren bei den Vereinten           sprünglichen Protektoratsvertrags von 1918
Nationen seit 1964 als den Staaten gleichge-            (ergänzt 1945 und 1963) im Jahr 2005 formal-
stelltes Völkerrechtssubjekt sui generis.               juristisch sogar gestärkt wurden. Zugleich

                                                   12
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

führt die faktische Abhängigkeit vom wirt-              intransparente Geschäftsgebaren von Banken
schaftlichen Austausch mit den Nachbarlän-              auszeichneten, welche zu umfangreicher Fi-
dern dazu, dass die Mikrostaaten neben der              nanzkriminalität in Form von Steuerhinterzie-
Zusammenarbeit im Justiz- und Polizeiwesen              hung über Briefkastenfirmen, Schwarzgeld-
vor allem an einer engen Kooperation und                konten und Geldwäsche führten. Ein Entge-
Partizipation am Binnenmarkt interessiert               genkommen der EU hinsichtlich weiterer wirt-
sind, nachdem nur durch eine (Teil-) Integrati-         schaftlicher Kooperation war und ist daher
on ökonomische Prosperität und Wachstum                 untrennbar an Bedingungen bezüglich der
gewährleistet werden können. Für eine Autar-            Vermeidung von aus ihrer Sicht unlauterem
kiepolitik sind die Mikrostaaten zu klein, zu-          Steuerwettbewerb und unsauberen Bankge-
mindest dann, wenn sie gewisse Anforderun-              schäften gebunden.
gen an den Lebensstandard ihrer Bevölkerung             Zugleich sind die westeuropäischen Mikro-
stellen.                                                staaten für die EU aber auch ein Testfall für
Begrenzt wird die Möglichkeit einer unabhän-            die durch die europäische Integration über-
gigen Politik zudem dadurch, dass die Mikro-            wundene historische Benachteiligung kleiner
staaten nicht über die Ressourcen verfügen,             Länder durch dominierende Nachbarstaaten,
die eine umfangreiche eigene Bürokratie oder            was etwa zur relativen Überrepräsentation
staatliche Wirtschafts- und Finanzinfrastruktur         der kleineren Mitgliedsstaaten in den EU-
erfordern würden. Entsprechend haben alle               Institutionen geführt hat, etwa im Hinblick auf
vier Staaten beispielsweise auf eigene Wäh-             die Zahl der Abgeordneten im Europäischen
rungen und den damit verbundenen Aufwand                Parlament oder die doppelte qualifizierte
einer eigenen Zentralbank verzichtet. Statt-            Mehrheit im Rat. Für das Selbstverständnis
dessen gingen sie früh Währungsunionen mit              der EU und ihre Außendarstellung ist es daher
den Nachbarländern ein, wie Monaco (Franzö-             wichtig, konform zu den postulierten Grund-
sischer und Monegassischer Franc) 1795/1837             werten der EU auch Kleinststaaten fair zu be-
und San Marino und Vatikanstaat (Italienische           handeln, auch wenn dies nicht bedeutet, dass
und San Marinesische Lira) 1862, oder ver-              sich diese nicht an die Regeln der EU anpassen
wendeten ausschließlich deren Währungen,                müssen. So stellte der Auswärtige Ausschuss
wie der Vatikanstaat seit 1929 (Italienische            des Europäischen Parlaments (2019: 4) im
Lira) und Andorra (Spanische Peseta und Fran-           Februar 2019 unter anderem fest, es sei bei
zösischer Franc) wieder seit 1939. Mit Etablie-         der weiteren Ausgestaltung der Beziehungen
rung der Europäischen Wirtschafts- und Wäh-             zur EU „essential to preserve (...) the political,
rungsunion (EWWU) wurde in allen vier Län-              socio-economic, cultural and identitarian
dern der Euro eingeführt und seine Verwen-              fabric of Andorra, Monaco and San Marino
dung sowie Ausgabe durch zusätzliche bilate-            and adapt them to the realities of European
rale Vereinbarungen (Monaco – Frankreich                Union integration.“ Wie die Kommission in
und San Marino – Italien 2001) sowie Wäh-               ihrem Bericht über die Beziehungen zu Andor-
rungsabkommen mit der EU (Vatikanstaat                  ra, Monaco und San Marino von 2013 fest-
2000/2009, Andorra, San Marino und Monaco               stellte, gibt es dabei auf regionaler Ebene auch
2011) näher geregelt.                                   für die EU durchaus ökonomische Anreize für
Umgekehrt sind auch die Interessen der EU               eine weitere Annäherung der Mikrostaaten an
gegenüber den Mikrostaaten vor allem wirt-              den EU-Binnenmarkt, nachdem diese umfang-
schaftlicher und justizieller Natur. Von strate-        reiche Beschäftigungschancen für EU-
gischem Interesse im Sinne äußerer Sicherheit           Arbeitnehmer aus den teilweise struktur-
ist höchstens die Mittelmeergrenze Monacos,             schwachen Nachbarregionen (v.a. in Nordspa-
weshalb die Kontrolle dieser indirekten Au-             nien und Südfrankreich) bieten und zudem die
ßengrenze der EU auch von Frankreich über-              große Mehrheit von dort ansässigen Auslän-
nommen wird. Finanzielle, v.a. Steuerinteres-           dern – im Fall Andorras über 50, in Monaco
sen sind aus Sicht der EU im Verhältnis zu den          sogar 80 Prozent der Bevölkerung – EU-Bürger
Mikrostaaten von zentraler Bedeutung, nach-             sind.
dem sich diese in der Vergangenheit durch               Gleichwohl lehnen die EU und ihre Mitglieds-
extrem niedrige Steuern und Abgaben sowie               staaten einen Vollbeitritt der Mikrostaaten zur

                                                   13
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

EU ab, nachdem ein solcher die praktische               Status und Selbstbildes des letzteren ein Bei-
Funktionsweise und die demokratische Legi-              tritt zur EU ohnehin nicht in Frage.
timation der Union massiv beeinträchtigen
könnte. Man denke nur an die Vetomacht                  Institutionelle Verflechtung mit der EU
jedes einzelnen Mitgliedsstaates bei Haus-
haltsfragen, internationalen Abkommen oder              Vor diesem Hintergrund gibt es eine durchaus
der Weiterentwicklung der Europäischen Ver-             intensive Zusammenarbeit und Verflechtung
träge. Selbst die bevölkerungsmäßig kleinsten           der Mikrostaaten mit der Union und ihren
EU-Mitgliedsstaaten, Luxemburg und Malta,               Mitgliedsstaaten. Über Abkommen mit Frank-
haben mit über 600.000 bzw. 500.000 Men-                reich nimmt Monaco, das sich bereits seit
schen mehr als zwölfmal mehr Einwohner als              1865 in einer Zollunion mit Frankreich befin-
etwa Monaco. Selbst wenn einer der Mikro-               det, seit 1997 auch an der EU-Zollunion und
staaten (der Vatikanstaat/Heilige Stuhl von             seit 2000 am freien Warenverkehr des EU-
vorneherein ausgenommen) auch nur mit                   Binnenmarktes teil. Außerdem wendet Mona-
beispielsweise einem einzigen Abgeordneten              co auf der Basis einer Vereinbarung mit der EU
im Europäischen Parlament mit seiner vertrag-           von 2004 die Gemeinschaftsregeln für Phar-
lich fixierten Gesamtzahl von 751 MEPs ver-             mazeutika und medizinische Güter an, ebenso
treten wäre, würde das zu zusätzlichen massi-           wie EU-Vorschriften über Umsatz- und Ver-
ven Gerechtigkeitsproblemen in der Repräsen-            brauchssteuern. 2005 unterzeichneten die EU
tation der Bürger führen. Denn bereits heute            und Monaco ein Abkommen über Zinsbesteu-
vertritt gemäß dem Prinzip der degressiven              erung und 2016 über den automatischen Aus-
Proportionalität etwa einer der sechs Luxem-            tausch von Steuerdaten zur Unterbindung von
burger Abgeordneten rechnerisch rund                    Steuerhinterziehung gemäß den Standards der
81.000, einer der 96 deutschen 830.000 und              OECD. Ähnliches gilt für San Marino und An-
einer der 54 spanischen sogar 911.000 Bürger.           dorra, die durch entsprechende Vereinbarun-
Ein MEP, der lediglich gut 30.000 Bürger re-            gen mit der EU seit 1991 (in Kraft seit 2002)
präsentiert, würde entsprechend das demo-               bzw. 1990/2011 zur Zollunion gehören. Beide
kratietheoretische Problem auf die Spitze trei-         Staaten haben zudem verschiedene Abkom-
ben und das Parlament endgültig vor funda-              men bezüglich Besteuerung und Bekämpfung
mentale Legitimationsprobleme stellen. Zu-              von Steuerhinterziehung mit der EU abge-
gleich betont die Europäische Kommission                schlossen (2004/2015 bzw. 2004/2016).
(2012: 19) zusätzlich, dass „die begrenzten             Der Vatikanstaat ist über ein Abkommen über
Verwaltungskapazitäten der drei Länder er-              die Abschaffung von Zöllen mit Italien aus dem
hebliche Auswirkungen auf ihre Fähigkeit zur            Jahr 1930 faktisch, jedoch nicht formal Teil des
Umsetzung des EU-Besitzstands und zur Erfül-            EU-Zollgebiets. Auch er hat sich in den Wäh-
lung aller mit der EU-Mitgliedschaft verbun-            rungsabkommen von 2000 und 2009 dazu
denen Verpflichtungen“ hätten.                          verpflichtet, Geldwäsche, Terrorfinanzierung
Entsprechend wendet sich die EU klar gegen              und andere Finanzkriminalität gemäß EU- und
eine Vollmitgliedschaft der Mikrostaaten, wel-          OECD-Regeln zu bekämpfen und sein Banken-
che im Augenblick aber auch von keinem der              wesen nach internationalen Standards trans-
vier Staaten angestrebt wird. So ergab ein              parent zu gestalten. In allen vier Fällen wer-
Referendum über einen EU-Aufnahmeantrag                 den die Abkommen mit der EU durch eine
San Marinos 2013 zwar rund 50,3 Prozent                 mehr oder weniger enge Kooperation mit den
Zustimmungsquote, war aber aufgrund der zu              Finanz-, Justiz- und Sicherheitsbehörden der
geringen Beteiligung ungültig. In San Marino,           Nachbarstaaten ergänzt. Gleichwohl besteht
Andorra und Monaco wird aber immer wieder               aus Sicht der EU durchaus noch Optimie-
über einen Beitritt zum EWR diskutiert, wel-            rungsbedarf zur Unterbindung von Steuer-
cher formal einen Beitritt zur EFTA vorausset-          wettbewerb und Finanzkriminalität in den
zen würde. Zugleich bestehen dort Befürch-              Mikrostaaten, vor allem in Andorra.
tungen, von der EU majorisiert zu werden. Für           Alle Mikrostaaten kooperieren außerdem in
den Vatikanstaat als weltlicher Basis des Heili-        unterschiedlichem Ausmaß in anderen Politik-
gen Stuhls kommt aufgrund des besonderen                feldern mit der EU, etwa Umwelt-, Gesund-

                                                   14
PSCA Heft 11 (März 2021) – ISSN 2306-5907

heits-, Entwicklungs- und Justizfragen. Auf EU-        und durch Zuwanderung in ihrer Identität
Seite werden diese Aktivitäten durch die Ar-           bedroht zu werden. Für die EU steht die Be-
beitsgruppe „EFTA“ koordiniert, welche re-             wahrung und geographische Ausweitung der
gelmäßige Tagungen zur Zusammenarbeit im               Regeln des Binnenmarktes im Mittelpunkt.
EWR und zu den Beziehungen zu den EFTA-
Staaten abhält.                                        Literatur
Was die Freizügigkeit angeht, so genießen die
Bürger der Mikrostaaten weitgehende Freizü-            Dósza, Dániel (2008) ’EU Relations with Euro-
gigkeit in ihren Nachbarländern, mangels Ab-           pean Micro-States. Happily Ever After?’. In:
kommen jedoch nicht in der gesamten EU. Alle           European Law Journal 14(1): S. 93-104.
vier sind nicht Mitglied des Schengen-
Abkommens; Monaco, San Marino und der                  Europäische Kommission (2012) Mitteilung der
Vatikanstaat verzichten jedoch auf der Basis           Kommission an das Europäische Parlament,
bilateraler Vereinbarungen mit Frankreich              den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und
bzw. Italien auf Grenz- und Zollkontrollen. Der        Sozialausschuss und den Ausschuss der Regio-
Vatikan erwägt, mittelfristig dem Schengen-            nen: Beziehungen der EU zu dem Fürstentum
abkommen beizutreten. Andorra kontrolliert             Andorra, dem Fürstentum Monaco und der
seine Grenzen weiter, folgt dabei aber den             Republik San Marino: Optionen für eine engere
Regeln des Schengenraums.                              Integration mit der EU (COM(2012) 680 final,
                                                       20.11.2012), Brüssel.
Auf dem Weg zur umfassenden Assoziierung
                                                       Europäische Kommission (2013) Report from
Trotz der durchaus intensiven Beziehungen              the Commission to the European Parliament,
mit den Mikrostaaten krankt das Verhältnis             the Council, the European Economic and Social
zur EU aus der Sicht der letzteren am unein-           Committe and the Committee of the Regions:
heitlich-ineffizienten, „fragmentierten“ (Euro-        EU Relations with the Principality of Andorra,
päische Kommission, 2012: 6) Status der letzt-         the Principality of Monaco and the Republic of
lich nur bilateralen oder indirekten Abma-             San Marino: Options for their participation in
chungen mit der Union als Ganzes. Im Dezem-            the Internal Market (COM(2013) 793 final,
ber 2014 erteilte der Rat der EU das Mandat            18.11.2013), Brüssel.
zur Aufnahme von Verhandlungen mit Andor-
ra, Monaco und San Marino über ein oder                Europäisches Parlament (2019) Report on a
mehrere Assoziierungsabkommen, welche den              European Parliament recommendation to the
Mikrostaaten die Teilnahme am Binnenmarkt              Council, to the Commission and to the Vice-
(inklusive des freien Personenverkehrs), ver-          President of the Commission / High Repre-
gleichbar       derjenigen    der     Nicht-EU-        sentative of the Union for Foreign Affairs and
Mitgliedsstaaten des EWR (Island, Liechten-            Security Policy on the association agreement
stein und Norwegen) ermöglichen soll, was              between the EU and Monaco, Andorra and
zugleich die Übernahme des acquis commu-               San Marino (A8-0074/2019, 11.2.2019),
nitaire in den relevanten Politikfeldern bedeu-        Strassburg.
tet.
Die Verhandlungen, bei denen sich die Vertre-          Forster, N. und Mallin, F. (2014) ’The Associa-
ter der drei Kleinststaaten eng abstimmen,             tion of European Microstates with the EU’,
begannen im März 2015. Hauptprobleme er-               SWP Comment 27, June 2014 (Stiftung Wis-
geben sich dabei hinsichtlich der Niederlas-           senschaft und Politik), Berlin.
sungsfreiheit für Bürger und Unternehmen
sowie des freien Dienstleistungsverkehrs. Ins-         Kalicka-Mikolajczyk, A. (2018) ’Coopration
besondere Andorra und San Marino befürch-              between the European Union and European
ten bei einer uneingeschränkten Teilnahme              Micro-States – Possible Scenarios for Future
am Binnenmarkt, wie sie grundsätzliches Ziel           Closer and Enhanced Integration with the
der EU ist, administrativ überfordert, von der         European Union’. In: Wroclaw Review of Law,
Konkurrenz von EU-Unternehmen überwältigt              Administration & Economics 8(1): S. 56-66.

                                                  15
Sie können auch lesen