Heidelberg Music Conference 2014 - Thesen zum Thema "Innovation im Konzert- und Festivalbetrieb" Input der Konferenz-Teilnehmer

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Heidelberg Music Conference 2014 - Thesen zum Thema "Innovation im Konzert- und Festivalbetrieb" Input der Konferenz-Teilnehmer
GIM HDF

Heidelberg Music Conference 2014
Thesen zum Thema „Innovation im Konzert- und Festivalbetrieb“
Input der Konferenz-Teilnehmer
Frage 1

    Bevor man sich mit dem Thema „Neues schaffen statt »copy & paste« -
   Innovation als Teil einer ganzheitlichen Strategie von Kultureinrichtungen“
    beschäftigt, wollen wir erfahren, was für Sie Innovation im Konzert- und
    Festivalbetrieb bedeutet? Wie würden Sie Innovation in diesem Bereich
                                  definieren?

                                            Seite 2   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Was ist Innovation 1/2
Innovation bedeutet Mut zur Dissonanz, Öffnung für neue Zielgruppen bei
Bewahrung der Qualität und Formate publikumsorientiert zu denken.

Begriff von Innovation

• „Das hohe Niveau klassischer Musik bewahren und gleichzeitig neue Wege
  beschreiten, um das Publikum von Morgen anzusprechen.“
• „Innovation ist Mut zur Dissonanz!“
• „Hohe Qualität im Inhalt mit der Öffnung für ein breites und junges Publikum.“
• „Öffnung nicht nur für nur Junge, für Alte oder Insassen von Gefängnissen, sondern
  für alle.“
• „Innovation ist ein subjektiver Begriff, es ist das, was man spürt, wenn Neugierde,
  Risikobereitschaft und Leidenschaft im Umgang mit dem Konzertbetrieb das
  Publikum erfolgreich zum Staunen bringen.“
• „Tradition ist Bewahrung des Feuers, und nicht Anbetung der Asche.“
• „Die Comfort Zone der klassischen Musikdarbietung verlassen.“
• „Innovation ist eine inhärente Qualität der Kunst.“

                                               Basis: Online-Befragung unter Teilnehmern und Interessenten, n=80.

                                                   Seite 3   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Was ist Innovation 2/2
Relevante Inhalte, kuratorisches Prinzip, Partizipation und Kreativität ohne
Beliebigkeit sind Wege zu innovativen Angeboten.

Wie kommt man zu innovativen Angeboten?
• „Relevanz schaffen: Altbekanntes Repertoire in überraschende Zusammenhänge
    stellen.“
•   „Neue Klangwelten entdecken.“
•   „Publikum mehr einbeziehen.“ – „Austausch zwischen Künstlern und Publikum.“
•   „Unorthodoxe Programme, niederschwellige Publikumsausrichtung, neue Formate.
•   „Keine Cross-Over-Programme, sondern Zusammenhänge programmatisch
    aufzeigen – kuratorisch vorgehen.“
• „Weg von der Push-, hin zur Pull-Kultur: Angebote publikumsorientierter gestalten.
    Kultur als Schatzkammer der Bedeutsamkeit erfahrbar machen.“
• „Abschaffung des Frontal-Unterrichts.“
• „Veränderung, Erneuerung, Adaption und Partizipation auch bei Personal und
    Organisation.“
• „Innovationen sollen generell kreative Prozesse sein, stets Qualität widerspiegeln und
    sich an gesellschaftlichen Themen orientieren.“ - „Überführung von kreativen Ideen in
    eine notwendige Routine.“

                                                 Seite 4   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Frage 2

  Vieles verändert sich in unserer Welt, manches muss sich nicht verändern.
 .Daher unsere Frage: In welchen Bereichen des Konzert- und Festivalbetriebs
            können überhaupt Innovationen stattfinden? Inwiefern?

                       Bitte denken Sie dabei auch an folgende Dimensionen:
             a.   Inhaltlich ästhetisch
             b.   Format und Präsentation
             c.   Programmgestalterisch / -kuratorisch
             d.   Kommunikation

                                                         Seite 5   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Dimensionen von Innovation 1/2
Polarisierung: Bewahrung der Inhalte bei Öffnung der Formate vs.
Infragestellung jeglicher Innovation ohne inhaltliche Neuerung!

Neue Formate als Schlüssel der Vermittlung
• „Im Inhaltlichen sind die Möglichkeiten zur Innovation sicher geringer als bei
 Format und Präsentation, insbesondere wenn der künstlerische Anspruch gewahrt
 bleiben soll.“
• „Inhaltlich weniger. Künstler arbeiten schon länger mit neuen Medien und Formaten. Es
 geht um die Vermittlung und Kommunikation mit dem Publikum.“
• „Neue Räume, neues Surrounding.“
• „Die Inhalte müssen sich nicht zwingend ändern, wohl aber die Art, wie sie präsentiert
 werden.“
ABER: Keine Formatänderung ohne inhaltlichen Wandel
• „Innovation im Format bedeutet gewöhnlich nur eine ungewohnte Verpackung für
 einen alten Hut.“
• „Ohne neuen Inhalt sind Innovationen im Format unnötig.“
• „Traut man sich nicht, in Zukunft mehr Innovation im Inhalt einzugehen, kann man sich
 noch so viele Formate überlegen, diese erscheinen immer als eine Verkleidung der
 Musik.“

                                                Seite 6   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Dimensionen von Innovation 2/2
„Authentische“ Innovation: Vermittlung über neue Formate, in denen sich
relevante Inhalte sinnvoll darbieten.

Innovation erfordert Abgleich mit allen Dimensionen des Konzertbetriebs
• „Inhaltliche Innovationen sind nichts Getrenntes von programmatischen, kuratorischen
 Innovationen.“
• „Öfter mal Mut zu etwas Neuem: randständiges Repertoire, z.B. von zu Unrecht
 vergessenen Komponisten.“
• „Vor allem in der Innovation in Format und Präsentation, aber auch der
 Kommunikation. Wichtig finde ich auch die Offenheit für künstlerische, interdisziplinäre
 Kooperationen. Sie ermöglicht neue Zugänge zu unterschiedlichen Kunstformen im
 Kontext der Musik.“
• „Bei aller Innovation auch Mut für alte Formen beweisen: Vintage ist wieder in!“
• „In allen 4 Bereichen! Inhaltlich: Einbeziehung auch anderer Künste. Kuratorisch: Nicht
 immer die gleichen Programmabfolgen! Format: Ort, Zeit, Publikumseinbindung,
 Moderationselemente, andere Künste… Kommunikation: mehr direkte
 Publikumsansprache.“
• „Alle aufgelisteten Dimensionen können innovativ überarbeitet werden. Es erfordert Mut
 und auch die Möglichkeit/Freiheit, etwas falsch zu machen...
 Bei den Inhalten: Was kann man kombinieren, was es so noch nicht gab?“

                                                Seite 7   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Frage 3

   Und: In welchen Bereichen des Konzert- und Festivalbetriebs können bzw.
             sollten Innovationen nicht stattfinden? Warum nicht?

                     Bitte denken Sie dabei auch an folgende Dimensionen:
                      a.     Inhaltlich ästhetisch
                      b.     Format und Präsentation
                      c.     Programmgestalterisch / -kuratorisch
                      d.     Kommunikation

                                                     Seite 8   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Grenzen der Innovationsfreudigkeit
Grenzen der Innovationsfreudigkeit sind klar: Keine Innovationen zu
Lasten der Werke und Ihrer Qualität!

Grenzen der Innnovation
•   „Nicht alle bewährten Inhalte und Programme umschmeißen.“
•   „Kein Problem mit wiederkehrenden Inhalten, wenn sich diese bewährt haben.“
•   „Innovationen sollten nie zu Lasten des Werkes selbst gehen.“
•   „Verfehlt wäre eine programmatische Innovation im Sinne von Classic Light.“
•   „Kein Cross Over und keine Verwässerung der Klassik zugunsten des Events.“
•   „Keine Eventisierung.“
•   „Keine Häppchen-Kultur.“
•   „Kein Vergraulen der Abonnenten.“
•   „Publikumsorientierung ja, aber das Publikum muss auch gefordert werden.
    Keine reinen Chill-out-Konzerte.“

                                                 Seite 9   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Frage 4

  Jetzt möchten wir aus Ihrem ungemeinen Erfahrungsschatz ein ‚Schmankerl‘
   hören: Was sind Best-Practice Beispiele für Innovationen im Konzert- und
                               Festivalbetrieb?

                                          Seite 10   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Best Practice
Zahlreiche Beispiele für gelungenes Zusammenspiel von innovativen
Formaten und inspirierenden Inhalten mit großer Publikumsresonanz.

„Die Mischung macht‘s!“
• „Sonnenaufgangskonzerte des Musikfests Stuttgart um 7.00 Uhr: Die extreme Uhrzeit
 führt zu sehr intensivem Hören... und danach gab‘s auch noch Frühstück.“
• „Late Night Konzerte beim HDF, z.B. im Schwimmbad. Neue Kontexte, kurze
 Programme, Begegnungen mit den Künstlern.“
• „Kooperationen der Städte Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg beim Foto
 Festival.“
• „Labor-Orchestertag: Vormittags Auseinandersetzung mit dem Hauptwerk, mittags
 Orchesterprobe und Auseinandersetzung mit den Orchesterinstrumenten, abends das
 Konzert.“
• „Yellow Lounge Konzerte in Berlin – Mischung von Club-Kultur und klassischer Musik.“
• „Die Reihe Off-beat des Ensemble Resonanz – hier wird mit unterschiedlichen Formen
 – Sound Spaziergang, Yoga mit Musik, Weinprobe mit Musik – Appetit auf
 Konzertprogramme gemacht.“
• „Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker“
• „Krabbel- und Kinderkonzerte...“

                                              Seite 11   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Frage 5

 Und sicherlich haben Sie in all den Jahren Ihrer Karriere auch mal einem eher
    mediokren Ereignis beigewohnt: Was sind Worst-Practice Beispiele für
                Innovationen im Konzert- und Festivalbetrieb?

                                          Seite 12   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Worst Practice
Publikumsorientierung unter Absehung der Qualität des Werks werden als
worst practice Beispiele benannt.

„Populismus“
• „Cross-Over... um jeden Preis. Nicht jede Musikkultur mischt sich erhellend mit einer
  anderen.“
• „An den Haaren herbeigezogene Festival-Themen: Kein Thema als Feigenblatt!“
• „D.G. – wie hier „klassische Musik“ und das Event als Marketing-Wunder verkauft wird,
  ist...“
• „Die Konzertreihe Yellow Lounge Echo Classic.“
• „Unsägliche Versuche städtischer Konzerthäuser, durch Kombination von Cabaret,
  Ulkereien und Musik neue Formate zu schaffen.“
• „Zu lange Konzerte...“
• „Unausgereifter Aktionismus, z.B. Live-Streams, die nicht funktionieren; jedes Format
  muss den Inhalten gerecht werden und entsprechend funktionieren.“
• „Puh... da gibt es einige, aber die möchte ich nicht nennen.“
• „Worst Practice ist: alles beim Alten zu lassen, zu akzeptieren, dass irgendwann nur
  der Silbersee dort sitzt, die Hörgeräte pfeifen und die Krücken knallend auf den Boden
  fallen.“

                                                 Seite 13   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Frage 6

 Bevor wir zur letzten Frage kommen ist nochmal Ihre Visionskraft gefragt: Wo
  geht der Trend des Konzert- und Festivalbetriebs hin? Inwiefern? Sie dürfen
                  hierbei gerne auch harte Thesen vertreten.

                                          Seite 14   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Trends 1/4
Ausdifferenzierung von Trends analog zur Differenzierung des Publikums:
Quantitatives und qualitatives Wachstum werden prognostiziert.

Vielfalt und Reichhaltigkeit, aber auch Marktsättigung und Kommerzialisierung
• Es gibt immer mehr Konzerte (klassische und Verwandtes) und immer mehr
 Musikfestivals, da es, besonders in Deutschland, auch immer mehr (junge) Künstler
 gibt. Das geht nur, weil es auch immer mehr Publikum gibt; die sogenannte
 "Überalterung" ist eine Erfindung der Musikpädagogen. Die Festivals werden sich, um
 zu wachsen, thematisch ausweiten müssen und laufen deshalb Gefahr, ihren Kern zu
 verlieren.
• „Das Konzert hat in den letzten 50 Jahren einen ungeheuren Aufschwung erlebt.
 Inzwischen ist der Markt gesättigt. Dadurch wird es zur Flurbereinigung aber auch zu
 Qualitätssteigerung kommen.“
• „Angebote zielgruppenspezifisch weiter auffächern, neue Formate entwickeln, alte,
 erfolgreiche Formate pflegen. Multimediaeinsatz (Projektionen) im Konzert... Social
 Media und Interneteinsatz, Youtube Kanal

                                                Seite 15   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Trends 2/4
Ausdifferenzierung von Trends analog zur Differenzierung des Publikums:
Eventisierung und Kommerzialisierung auf Kosten der Werke!

Eventisierung, Entertainment und Multimedialität
• „Der Trend geht ganz klar zum Entertainment. Sofern die Qualität dabei nicht leidet, ist
  dagegen nichts einzuwenden.“
• „Ich fürchte, um der Sponsoren willen wird es gefälliger und langweiliger, im Stile vom
  Classic Radio.“
• „Social und Ambiance statt gestalterische Innovation.“
• „‘Das klassische Karajan-Festival-Publikum vereinigt alle gesellschaftlichen
  Privilegien auf sich - mit Ausnahme des Bildungsprivilegs.‘ Das war böse, das ist
  aber meine Befürchtung: Wen lockt man mit Wörtern wie „Event", „Hype", „Festival
  Lounge" an? Meine Befürchtung: Der Festivalbetrieb wird immer mehr unter dem
  Gesichtspunkt des Kommerzes gesehen.
• „Das "Aufsehen erregende" Ereignis, das "Palazzo"- und Gourmettheater-Denken,
  wird weiter zunehmen. Das Event bestimmt das Bewusstsein bzw. die
  Marketingstrategen von morgen wissen genau, wie man die Kuh melkt.“
• „Ich glaube, der Trend geht weg vom reinen puristischen Präsentieren und hin zu
  einer immer verzahnteren Mehrdimensionalität. Im Endeffekt ist dies ein Widerhall
  der Multimedia und Multitasking-Generation...“

                                                 Seite 16   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Trends 3/4
Ausdifferenzierung von Trends analog zur Differenzierung des Publikums:
Dialektik des Digitalen – Rückbesinnung auf das Wesentliche

Purifizierung
• „„Der Trend geht zu neuem Leben. Wenn das Angebot stimmt: Live zählt noch immer
 mehr als das Netz.“
• „So viel mitnehmen wie möglich. Aber ich bin mir sicher, die Purifizierung kommt eines
 Tages wieder stärker, wie früher die Reformorden in den Klöstern.“
• Das Konzert/das Festival, wird sich immer mehr zum "einzigartigen" Erlebnis
 entwickeln, von kurzer aber prägnanter und visuell aufgeladener Dauer sein. Trotzdem
 werden Traditionsunternehmen ihren konzertanten Stil inkl. der üblichen
 Rahmenbedingungen beibehalten. Neben innovativen dynamischen und jungen
 Konzerthäusern wird es nach wie vor traditionell geführten konservative Häuser geben.

                                               Seite 17   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
Trends 4/4
Die Zukunft ist offen!

    • „Vielleicht ist hier das Schlagwort vom "rasenden Stillstand" angebracht; damit ist
      gemeint, dass sich die Kampfzone Festivalbetrieb immer weiter ausweiten wird
      in einer Erlebnisgesellschaft, die nach wie vor nach scheinbar Neuem giert. Somit
      wird jede Kleinigkeit zu einem Festival aufgemotzt, das mehr oder weniger
      Banale zum Besonderen stilisiert.
    • Vielleicht läßt sich eine Zukunft vorstellen nach dem
      Goethe-Wort in Faust II:
                                   "Alles Vergängliche
                                  Ist nur ein Gleichnis;
                                   Das Unzulängliche,
                                  Hier wird's Ereignis;
                                 Das Unbeschreibliche,
                                    Hier ist's getan..."
      Das "Unzulängliche", das Unbeschreibliche - mithin das Zukunftsoffene, Unfertige,
      das könnte spannend sein.
          Warum funktionierte "Woodstock", warum funktionierte "Wacken"?
                             Was wäre dort zu lernen?“

                                               Seite 18   GIM HDF   Heidelberg Music Conference 2014 - Innovation
VIELEN DANK.
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