HILFE ZUR - Kirchgemeinde Baar

Die Seite wird erstellt Gunnar Haase
 
WEITER LESEN
HILFE ZUR - Kirchgemeinde Baar
HILFE
ZUR
SELBST-
		HILFE

      50 JAHRE SOZIALDIENST
      ST. MARTIN BAAR
HILFE ZUR - Kirchgemeinde Baar
INHALTSVERZEICHNIS

                                                                                                                                  Editorial                                               5

                                                                                                                                  Zur Sache                                               7

                                                                                                                                  Was ist Diakonie? So arbeitet kirchliche Sozialarbeit

                                                                                                                                  Geschichte                                              8

                                                                                                                                  Durch frühzeitige Beratung späteres Leid vermeiden

                                                                                                                                  Sozialberatung                                          13

                                                                                                                                  Wirkungsvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe

                                                                                                                                  Aufgaben und Netzwerke                                  19

                                                                                                                                  Gemeinsam für die Menschen etwas erreichen

                                                                                                                                  Chancen, Herausforderungen, Vision                      26

                                                                                                                                  «Neue Zugänge zu den Menschen öffnen»

Impressum                                                Bildnachweis
Herausgegeben durch die Katholische Kirchgemeinde Baar   Bilder Seiten 5, 11 (links), 15, Pfarrei St. Martin, Baar; 7, 26/27,
Baar, August 2021                                        fotozug.ch; 11 (rechts), Kollegiatsstift St. Leodegar, Luzern; 16, 23,
Konzept und Text: Stefan Doppmann, Baar                  24, Anton Kalbermatter, Baar; 20, 21, Reformierte Kirche Bezirk
Gestaltung: agentur guldin GmbH, Baar                    Baar Neuheim; 31, Christine Vonarburg, Luzern
Korrektur: Mirjam Weiss, Zug
Druck: Kalt Medien AG, Zug                                                                                                                                                                     INHALTSVERZEICHNIS — 3
HILFE ZUR - Kirchgemeinde Baar
EDITORIAL

«Die Kirche muss vor Ort die Not lindern»

50 Jahre Sozialdienst St. Martin – es gibt mehr als einen
guten Grund, um dieses Jubiläum zu feiern. So feiern wir
den Pioniergeist und die Initiative von Pfarrer Anton Stu-
der. Er hat vor mehr als 50 Jahren erkannt, dass die Kir-
che vor Ort konkret und strukturiert handeln muss, um
die Nöte der Menschen zu lindern und sie bei der Ver-
besserung ihrer Lebensumstände zu unterstützen. Wir
feiern auch den Mut des damaligen Kirchenrats und der
Kirchgemeindeversammlung, die Aufbruchsstimmung
nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu nutzen, um
einen eigenen Sozialdienst ins Leben zu rufen. Zudem
feiern wir, dass der Kirchenrat im Jubiläumsjahr den per-
sonellen Ausbau des Sozialdiensts St. Martin genehmigt
hat. Dahinter steht das Verständnis, dass die kirchliche
Sozialarbeit im Lauf der vergangenen fünf Jahrzehnte an
Bedeutung gewonnen hat. Neben der Liturgie und der
Verkündigung ist die Sozialdiakonie eine wichtige Säule
im kirchlichen Auftrag und Selbstverständnis.

Als Symbol für das Jubiläum 50 Jahre Sozialdienst            Pfarrer Dr. Anthony Chukwu.
St. Martin haben wir den Apfelbaum gewählt. Er braucht
einen guten Boden, um Früchte zu tragen. Aus diesem
zieht er die Kraft, um über Jahre und Jahrzehnte zu wach-
sen und zu gedeihen. Seine Früchte teilen wir gerne mit
allen Menschen in unserer Gemeinde und darüber hin-
aus. Insbesondere mit jenen, die nicht auf der Sonnen-
seite des Lebens stehen.

Das Jubiläum gibt uns die Gelegenheit all jenen zu dan-
ken, die das Teilen dieser Früchte ermöglichen, sei es
durch ihren Beitrag an die Kirchensteuer, durch ihre frei-
willige Mitarbeit oder ganz einfach durch ihre Solidarität
mit unserem Sozialdienst St. Martin.

Pfarrer Dr. Anthony Chukwu,
Gemeindeleiter Pfarrei St. Martin

                                                                           EDITORIAL — 5
HILFE ZUR - Kirchgemeinde Baar
ZUR SACHE

                                                       Was ist Diakonie?
                                                       So arbeitet kirchliche
                                                       Sozialarbeit
                                                       Die Diakonie bezeichnet die christliche Hilfe für notlei-
                                                       dende Menschen. Zusammen mit der Verkündigung und
                                                       der Liturgie bildet sie eine der zentralen Säulen kirchli-
                                                       chen Handelns. Zur Diakonie sind alle pastoral Tätigen
                                                       verpflichtet, indem sie sich für das Wohlergehen ihrer
                                                       Nächsten einsetzen. Eine der Kernaufgaben der Diako-
                                                       nie ist die professionelle Sozialarbeit. Sie engagiert sich
                                                       für Bedürftige, unabhängig von Herkunft, Alter und Reli-
                                                       gion, nach dem Vorbild von Jesus Christus. Kirchliche
                                                       Sozialarbeitende beraten und begleiten Einzelpersonen,
                                                       Paare, Alleinerziehende, Familien und Gruppen bei der
                                                       Bewältigung sozialer und gesellschaftlicher Herausfor-
                                                       derungen. Sie unterstützen bei rechtlichen und finanziel-
                                                       len Fragen in den Bereichen Arbeit, Wohnen und Ge-
                                                       sundheit. Oft dienen sie als Anlaufstelle für Menschen in
                                                       Krisen und Entscheidungsprozessen.

                                                       Ganzheitliche Lösungen erarbeiten
                                                       Im Unterschied zu vielen thematisch stark segmentier-
                                                       ten Beratungsstellen ist die kirchliche Sozialarbeit nicht
                                                       einem bestimmten Thema verpflichtet, sondern arbeitet
                                                       polyvalent. Da viele Problemstellungen unterschiedliche
                                                       und zum Teil sich überschneidende Ursachen kennen,
                                                       sind oft verschiedene Fachstellen in einen Fall involviert.
                                                       Es ist die Stärke der kirchlichen Sozialarbeit, in solchen
                                                       Situationen im Netzwerkverbund gesamtheitliche Lö-
                                                       sungen zu erarbeiten und zu den Ursachen der Heraus-
                                                       forderungen vorzudringen. Eine gute Analyse und soli-
                                                       des Fachwissen sind dafür die Voraussetzung. Ein
                                                       wichtiges Prinzip der kirchlichen Sozialarbeit ist die Sub-
                                                       sidiarität: Im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe wird die Kli-
                                                       entin, der Klient in die Findung und Umsetzung der Lö-
                                                       sung eingebunden und trägt gemäss den persönlichen
                                                       Ressourcen dazu bei, eine Verbesserung der eigenen
                                                       Situation zu erreichen.

Stefan Horvath, Leiter Sozialdienst St. Martin Baar.                                                ZUR SACHE — 7
HILFE ZUR - Kirchgemeinde Baar
1970                                                          1990
GESCHICHTE

Durch frühzeitige Beratung
späteres Leid vermeiden
Noch vor der Einwohnergemeinde rief die Katholische Kirch-
                                                                                                                                                                   Erweiterung                       Einführung
gemeinde Baar 1971 in einem visionären Entscheid einen
                                                                                                                                              Gründung             Angebote für                      ökumenischer
Sozialdienst ins Leben. Aus bescheidenen Anfängen entwi-                                                                                      Mittagsclub          Randgruppen                       Quartierkontakt
ckelte sich ein beachtliches Werk, das sich bis heute mit
Hilfe zahlreicher Freiwilliger in der Altersarbeit sowie in der                                                                                              Eröffnung                           Gründung
Unterstützung von Familien, Benachteiligten und                                                                                  Gründung                    Altersheim                          Stiftung
                                                                                                                                 Sozialdienst                Bahnmatt                            St. Wendelin
Armutsbetroffenen sieht.

Auf Initiative von Pfarrer Anton Studer und mit der Un-       baute sie Freizeitangebote in der Altersarbeit auf und
terstützung des damaligen Kirchenrats genehmigte die          organisierte Informationsveranstaltungen für die Vor-
Kirchgemeindeversammlung im Januar 1971 ohne Ge-              bereitung auf die dritte Lebensphase. Dies geschah
genstimme die Errichtung eines kirchlichen Sozialdiensts      Hand in Hand mit Katecheten, die in der Erwachsenen-
in der Pfarrei St. Martin. Anton Studer hatte aus seiner      bildung tätig waren.
Zeit als Vikar in der Pfarrei St. Leodegar im Hof in Luzern
                                                                                                                                 Die Sozialarbeitenden: 1971 bis 2011
die Erfahrung mitgebracht, dass durch frühzeitige Be-         Altes Bild der Fürsorge überwinden
ratung und den punktuellen Einsatz geringer Mittel die        In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre wurde der Sozial-
                                                                                                                                 Theres Sutter-Dörfler            Juni 1971 – April 1974
später dauerhafte Abhängigkeit von der Sozialhilfe ver-       dienst St. Martin weiter professionalisiert. Die damalige
mieden werden kann. Als Zielgruppe sah er insbesonde-         Stelleninhaberin Martha Daugaard-Schüpbach erinnert                Martha Daugaard-Schüpbach        April 1974 – November 1979
re die Familien, die ihr oft karges Einkommen in der In-      sich in der Festschrift zum 40-Jahr-Jubiläum, dass es da-
                                                                                                                                 Madeleine Iten-Nick              als freiwillige Sozialarbeiterin
dustrie verdienten und durch Krankheit, Tod des               rum gegangen sei, die alte Vorstellung von der Fürsorge
Partners oder Scheidung in eine prekäre Lage geraten          zu überwinden und ein modernes und umfassendes Bild                Ursula Fuchs                     Januar 1980 – September 1980
konnten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang,            des Sozialdiensts zu etablieren. So wurde die Altersar-            Margrit Bünter                   Januar 1980 – Juli 1981
dass die Einwohnergemeinde Baar zu diesem Zeitpunkt           beit stärker an den Bedürfnissen einzelner Gruppen aus-
noch keinen professionellen Sozialdienst unterhielt. Von      gerichtet und mit dem Mittagsclub, den Seniorenferien              Madeleine Iten-Nick              als freiwillige Sozialarbeiterin
Beginn an lag ein Schwerpunkt auch auf der Altersarbeit,      sowie Arbeits- und Interessengruppen neue differen-                Max Dudli-Hofer                  Mai 1982 – August 1986
da es in Baar noch kein Altersheim gab. Es wurden Al-         zierte Angebote geschaffen. Sie bildete sich in Familien-
                                                                                                                                 Benno Fux                        Theologe
tersnachmittage organisiert, Selbsthilfegruppen für Ver-      und Verhaltenstherapie weiter und setzte in der Jugend-
witwete und Geschiedene ins Leben gerufen sowie eine          und Erwachsenenbildung neue Akzente und Angebote,                  Evi Studer                       Katechetin
Bildungswoche durchgeführt.                                   so beispielsweise für junge Mütter. Neu wurden auch
                                                                                                                                 Anton Kalbermatter              1987 – 2001
                                                              die freiwilligen Mitarbeitenden bewusster betreut. Beim
Altersangebote aufbauen                                       Aufbau des Vereins Frohes Alter und der Inbetriebnah-              Elsbeth Somaini                  August 2001 – Juli 2008
Die erste Sozialarbeiterin Theres Suter-Dörfler baute die     me des Altersheims Bahnmatt brachte sich die Pfarrei               Marina Helfenstein               Oktober 2008 – September 2015
neue Fachstelle auf. Auch musste sie immer wieder Auf-        aktiv mit ein. In der Zeit der Synode 72 herrschte in der
                                                                                                                                 Judith Reichmuth                 März 2016 – Dezember 2018
klärungsarbeit darüber leisten, welche Aufgaben ein           katholischen Kirche in der Schweiz eine Aufbruchstim-
Sozialdienst übernehmen kann und soll. Neben der Be-          mung. Das Sozialengagement der Kirche erhielt viel An-             Stefan Horvath                   Januar 2019 –
ratungstätigkeit, von der alle Altersgruppen profitierten,    erkennung, weckte aber auch Erwartungen.
                                                                                                                                 Christine Vonarburg              August 2021 –

8 — GESCHICHTE                                                                                                                                                                                         GESCHICHTE — 9
HILFE ZUR - Kirchgemeinde Baar
2000                                2020

          Einführung offene                                   Einführung
          Weihnachtsfeier                                     Tablet-Treff

Einführung
Suppenküche                                    Eröffnung                           Personelle Erweiterung
für Randständige                               Caritas Markt                       Sozialdienst St. Martin Baar                       Dank der Vision von Pfarrer Anton Studer erhielt die Pfarrei St. Martin einen eigenen Sozialdienst.

Flüchtlingshilfe als neues Handlungsfeld                      Im folgenden Jahrzehnt kam als weiteres Thema der           Vernetzung wird immer wichtiger                                Den Caritas-Markt mitgegründet
In ihrer Abschlussarbeit an der Abendschule für Sozial-       Umgang mit Asylbewerbern hinzu. Waren die Flüchtlin-        Mit Anton Kalbermatter gewann die Gemeinwesenarbeit            2011 wurde in Baar ein Caritas-Markt eröffnet, der Ar-
arbeit in Luzern befragte Margrith Bünter 1980 Mitglieder     ge des Ungarnaufstands 1956, des Prager Frühlings           an Bedeutung. Er initiierte den ökumenischen Quartier-         mutsbetroffenen einen Zugang zu günstigen Lebensmit-
des Kirchenrats, des Seelsorgeteams und des Pfarreirats       1968 und die vietnamesischen Boatpeople in den Jahren       kontakt. Freiwillige besuchten Seniorinnen und Senioren        teln und Gütern des täglichen Bedarfs ermöglicht. Zur
zu ihren Vorstellungen über die kirchliche Sozialarbeit.      danach noch mit offenen Armen empfangen worden,             zum Geburtstag und im Advent und nahmen mit offe-              Trägerschaft gehört seit Anbeginn die Katholische Kirchge-
Dabei zeigte sich unter anderem, dass der Grundsatz der       lösten die dunkelhäutigen jungen Tamilen, die durch         nem Ohr ihre Anliegen auf. Anton Kalbermatter setzte           meinde Baar, was zu einem wesentlichen Teil auf das En-
Subsidiarität, ‹Hilfe zur Selbsthilfe›, hoch gewichtet wur-   den Bürgerkrieg aus ihrem Land vertrieben wurden, in        sich für eine gute Vernetzung ein, indem er eine Koordi-       gagement von Sozialarbeiterin Martina Helfenstein zu-
de. Es wurde anerkannt, dass sich der Sozialdienst im         grossen Teilen der Bevölkerung Unbehagen aus. Pfarrer       nationssitzung aller in der Altersarbeit Tätigen schuf und     rückzuführen ist. Sie setzte sich darüber hinaus stark für
christlichen Sinn für die Schwachen in der Gesellschaft       Josef Grüter setzte sich intensiv dafür ein, diese Vorbe-   die Informationsblätter ‹Baar – unsere Wohngemeinde›           eine bessere Vernetzung der Sozialdiakonie im Kanton Zug
einsetzen soll. Als neue Aufgaben konnte man sich den         halte abzubauen und gründete als Vizedekan mit Ver-         einführte. Auf diesen wurden Angebote für Eltern, Allein-      ein und erstellte gemeinsam mit anderen ein Diakonie-
Einsatz für Randgruppen wie Drogenabhängige oder ent-         tretern der reformierten Kirche den Verein Asylbrücke.      erziehende, Kinder, Jugendliche und Senioren aufgelistet       konzept für das Dekanat Zug.
lassene Strafgefangene vorstellen. Auch das Bedürfnis         Die Kirchgemeinde stellte zudem das alte Sigristenhaus      sowie Beratungsangebote und Selbsthilfegruppen zu-
des preisgünstigen Wohnungsbaus wurde erstmals ge-            am Kirchmattweg als Unterkunft zur Verfügung, in der        gänglich gemacht.                                              Die Vernetzung ist im vergangenen Jahrzehnt stetig wich-
nannt, dem die Kirchgemeinde 1991 mit der Gründung            15 junge Männer untergebracht werden konnten. Sozial-                                                                      tiger geworden. Es gilt, die mittlerweile grosse Zahl an
der Stiftung St. Wendelin begegnete, die heute mehr als       arbeiter Max Dudli etablierte in dieser Zeit zudem die      Das Trennende überwinden                                       Fach- und Beratungsstellen sowie ihr Angebot zu kennen.
100 überwiegend preisgünstige Wohnungen anbietet.             offene Weihnachtsfeier.                                     Seiner Nachfolgerin Elsbeth Somaini war wichtig, für alle      Um Klientinnen und Klienten zielgerichtet beraten und an

                  «
                                                                                                                          Menschen ansprechbar zu sein. Typisch für den Sozial-          die passende Stelle weiterleiten zu können, ist es darüber
                                                                                                                          dienst St. Martin lebte sie dem christlichen Grundsatz         hinaus unerlässlich, zu möglichst vielen dieser Organisa-
                                                                                                                          nach, wonach die Herkunft oder die Religionszugehörig-         tionen auch persönliche Kontakte zu pflegen. Als zusätz-
                           Der Sozialdienst St. Martin zeichnet sich                                                      keit kein Kriterium sind, ob jemandem geholfen werden          liche neue Herausforderung für die Pfarreiarbeit insge-
                           durch seine sehr niederschwellig zugänglichen                                                  soll. Sie folgte ihrer Vision, stets zu verbinden und das      samt ist in den vergangenen Jahren die Öffentlichkeitsarbeit
                           Angebote aus, die älteren Menschen einen                                                       Trennende zu überwinden. Insbesondere hatte sie ein            hinzugekommen. Es wird immer wichtiger, die Angebote
                                                                                                                          Herz für die Passantenhilfe. Zusammen mit Freiwilligen         des Sozialdiensts und auch der Pfarrei in den traditionel-
                           einfachen Zugang zu einer Beratung oder zu

                                                                                            »
                                                                                                                          richtete sie eine Suppenküche ein, die in den kalten Win-      len und in den neuen sozialen Medien darzustellen und
                           anderen weiterführenden Leistungen eröffnen.                                                   termonaten insbesondere den wenig beliebten Strassen-          so das Verständnis und die Akzeptanz der Öffentlichkeit
                           Felicitas Odermatt, Pro Senectute Zug                                                          musikanten aus Osteuropa eine Anlaufstelle bot.                für die Anliegen und die Leistungen der Kirche zu gewinnen.

10 — GESCHICHTE                                                                                                                                                                                                                      GESCHICHTE — 11
HILFE ZUR - Kirchgemeinde Baar
FALLBEISPIEL
                                                         SOZIALBERATUNG

Dem 45-jährigen Vater von zwei pubertierenden Kin-       Wirkungsvolle Zusammenarbeit
                                                         auf Augenhöhe
dern wurde von seinem Hausarzt empfohlen, den
Sozial- und Beratungsdienst der Pfarrei St. Martin
aufzusuchen. Die Trennung von seiner Ehefrau und
Mutter der Kinder sowie Todesfälle in der Familie ver-   Die Sozialberatung des Sozialdiensts St. Martin hilft
ursachten eine Erschöpfungsdepression, die schliess-     Menschen in schwierigen Lebenslagen. Um Unterstützung
lich zum Jobverlust führte. Darauf folgten finanzielle   zu erhalten, müssen Klientinnen und Klienten aber aktiv
Schwierigkeiten. Der Klient wollte vorläufig keine
                                                         an der Verbesserung ihrer Situation mitarbeiten.
wirtschaftliche Sozialhilfe der Gemeinde beanspru-
chen, sondern aus eigener Kraft einen Weg aus sei-
                                                         «Hilfe zur Selbsthilfe» beschreibt kurz die Richtschnur,       rung bewusst hin», erklärt er. Zudem versucht er in Be-
nem Tief finden.
                                                         nach der sich Stefan Horvath in seiner Tätigkeit als Sozi-     ratungsgesprächen, sein Gegenüber bei seinen Stärken
                                                         alarbeiter täglich orientiert. «Ich versuche die Menschen      abzuholen und es dazu zu bringen, diese zu nutzen.
Gemeinsam mit ihm gleiste der Sozialdienst St. Mar-      zu befähigen, ein eigenständiges und selbstverantwort-         «Ressourcenorientiert arbeiten», nennt er dies.
tin längerfristig angelegte Massnahmen zur Wieder-       liches Leben zu führen. Das fördert ihr individuelles
                                                         Wohl und damit auch das Wohl aller. Das wiederum trägt         Aufmerksam zuhören
eingliederung ins Berufsleben auf. Eine berufliche
                                                         letztlich zum Frieden in der Gesellschaft bei», hält er fest   Um herauszufinden, worin diese Stärken bestehen, hört
Neuorientierung war unumgänglich. Für deren Um-          und bezieht sich damit auf die Grundsätze der katholi-         er bei jeder Beratung erst einmal aufmerksam zu. Auch
setzung benötigte er eine finanzielle Unterstützung      schen Soziallehre.                                             geht es darum, die Lebensumstände des Klienten oder
von 2500 Franken. Durch Beiträge von gemeinnützi-                                                                       der Klientin kennenzulernen, nämlich wie sich die Fami-
                                                         Auf diese Gewichtung und Förderung der Selbstverant-           lie und der Freundeskreis zusammensetzen, wie es sich
gen Stiftungen und aus dem Nothilfefond der Pfarrei
                                                         wortung achtet Stefan Horvath in seiner täglichen Arbeit       am Arbeitsplatz verhält und wie die Freizeitgestaltung
St. Martin konnte der Klient die notwendigen Ausga-      ganz bewusst. «Die Klientinnen und Klienten akzeptieren        aussieht. Oftmals zeigt sich dabei, dass das vordergrün-
ben tätigen. Die berufliche Neuorientierung verlief      eine Lösung dann am besten, wenn sie selber darauf ge-         dige Anliegen, das bei der Anmeldung als Grund für die
erfolgreich und es resultierte eine Teilzeitanstellung   kommen sind. Darauf arbeite ich in der Gesprächsfüh-           Beratung genannt wurde, gar nicht das Hauptproblem

mit einem Pensum von 40 Prozent. Periodisch finden
Gespräche statt, damit die Nachhaltigkeit der verein-

                                                                            «
barten Strategie gewährleistet werden kann.

                                                                                    Die Zusammenarbeit der Sozialdienste der
                                                                                    katholischen Kirche im Kanton Zug ist eine
                                                                                    starke Sache. Durch gemeinsam organisierte
                                                                                    Projekte, wie etwa den Kleiderraum, schaffen
                                                                                    wir Synergien und erreichen so mit unserer
                                                                                    Unterstützung mehr Menschen.

                                                                                                                                                     »
                                                                                    Simone Schelker, Leiterin
                                                                                    Diakoniestelle Leuchtturm, Zug

                                                                                                                                                           SOZIALBERATUNG — 13
HILFE ZUR - Kirchgemeinde Baar
darstellt. So kommt es vor, dass jemand Beziehungs-        während Trauerphasen, wegen Einsamkeit, mit Sucht-
schwierigkeiten anführt. Diesen liegen aber vielleicht     problemen, aus Angst vor einem Jobverlust und aus
wiederkehrende finanzielle Probleme zugrunde, die im-      vielen weiteren Gründen zum Sozialdienst St. Martin.
mer wieder zu Konflikten führen. Oder es herrscht ein      «Viele der Menschen, die den Weg zu uns finden, kämp-
hoher Druck am Arbeitsplatz, der in die Beziehung hin-     fen mit einem Widerstand in ihrem Leben. Um diesen
eingetragen wird.                                          zu überwinden, suchen sie nach Unterstützung», stellt
                                                           Stefan Horvath fest.
Widerstände im Leben überwinden
Entsprechend breit gefächert sind die Lösungsansätze,      Zur aktiven Mitarbeit motivieren
die Stefan Horvath mit seinen Klientinnen und Klienten     Hat der Sozialarbeiter die Ursache dieses Widerstands
erarbeitet. Einer Alltagsvorstellung zum Trotz sind näm-   durch aufmerksames Zuhören und gezieltes Nachfragen
lich längst nicht immer nur finanzielle Herausforderun-    identifiziert, erarbeitet er gemeinsam mit der Klientin
gen das beherrschende Thema, obwohl auch diese na-         oder dem Klienten einen Lösungsansatz. Vielleicht stellt
türlich oft vorkommen. Vielmehr stammen Stefan             er fest, dass eine andere Fachstelle, wie Beziehungs- oder
Horvaths Gesprächspartnerinnen und -partner aus allen      Erziehungsberater, gezielter helfen können. Es kann dies
sozialen Schichten. Neben Geld- und Beziehungsproble-      auch eine Schulden- oder Budgetberatung sein. In vielen
men kommen die Menschen auch mit Erziehungsfragen,         Fällen sieht die Lösung aber auch so aus, dass man im

                                                                                                                                                           Die Notwohnung der Pfarrei St. Martin Baar bietet in dringenden Fällen eine Zuflucht.

                 «       Die Zusammenarbeit mit Stefan Horvath
                         schätze ich sehr, weil er ein kompetenter
                         Ansprechpartner für das Thema Alter ist.
                                                                                                                        Gespräch gemeinsam ein Ziel vereinbart und die nächs-
                                                                                                                        ten Schritte dorthin definiert. Manchmal hilft schon ein
                                                                                                                        einzelnes Gespräch, um den Überblick zurückzugewin-
                                                                                                                                                                                     schiedene Möglichkeiten, um seine Klientinnen und Kli-
                                                                                                                                                                                     enten punktuell finanziell zu unterstützen. «Wir leisten
                                                                                                                                                                                     bei der Pfarrei keine wirtschaftliche Sozialhilfe», unter-
                         Seine Erfahrung und sein Wissen bringt er                                                      nen, manchmal begleitet Stefan Horvath die Menschen          streicht Stefan Horvath. Das sei ein wichtiger Unter-
                         in verschiedene Arbeitsgruppen der Gemeinde                                                    während einer begrenzten Zeit. «Wichtig ist jedenfalls       schied zwischen seiner Fachstelle und dem Sozialdienst
                                                                                                                        immer, dass ich die Klientinnen und Klienten dazu moti-      der Einwohnergemeinde, ergänzt er. Dennoch hat er die
                         ein. Auch in der konkreten Altersarbeit der
                                                                                                                        vieren kann, selber aktiv an einer Verbesserung ihrer        Möglichkeit, punktuell finanziell Unterstützung zu leis-
                         Pfarrei St. Martin ist diese Kompetenz spürbar.

                                                                                         »
                                                                                                                        Situation zu arbeiten», betont er. Nicht er suche für sie    ten. Ist jemand vorübergehend in einen finanziellen Eng-
                         Barbara Hotz, Leiterin Fachstelle                                                              eine neue Arbeitsstelle oder eine Wohnung, sondern sie       pass gerutscht, sei es wegen eines Stellenverlusts, wegen
                         Gesundheit / Alter, Einwohnergemeinde Baar                                                     müssten dies selber in die Hand nehmen – nötigenfalls        eines Beziehungsendes oder aufgrund einer persönli-
                                                                                                                        mit seiner wohl abgewogenen Unterstützung.                   chen Krise, kann die Übernahme einer Monatsrechnung
                                                                                                                                                                                     der Krankenkasse oder ein einmaliger Mietzinszuschuss
                                                                                                                        Punktuelle finanzielle Unterstützung                         dazu beitragen, dass diese Person sich nicht verschulden
                                                                                                                        Oft ist es aber halt doch die wirtschaftliche Not, die die   muss und sich so nicht noch zusätzliche Schwierigkeiten
                                                                                                                        Leute beschäftigt, die an die Tür des Sozialdiensts          auflädt. Für grössere Unterstützungsbeiträge steht der
                                                                                                                        St. Martin klopfen. Stefan Horvath hat denn auch ver-        Nothilfefonds der Katholischen Kirchgemeinde Baar be-

14 — SOZIALBERATUNG                                                                                                                                                                                                        SOZIALBERATUNG — 15
HILFE ZUR - Kirchgemeinde Baar
«       Den Sozialdienst der Kath. Kirchgemeinde sehe
                                                                                                                                    ich als wertvolle Ergänzung zur gesetzlich
                                                                                                                                    geregelten Sozialhilfe der Einwohnergemeinde.
                                                                                                                                    Komplementär zu dieser kann er Benachteiligte
                                                                                                                                    noch weitergehender unterstützen und Hilfe
                                                                                                                                    sehr individuell gestalten.

                                                                                                                                                                                                     »
                                                                                                                                    Berty Zeiter, Gemeinderätin und Sozialvorsteherin
                                                                                                                                    der Einwohnergemeinde Baar

                                                                                                          reit. Stefan Horvath kann beim Kirchenrat eine Unter-       Vertrauen ermöglicht Lösungen
                                                                                                          stützungszahlung beantragen, um jemandem wieder auf         Es ist eine wichtige Eigenschaft des Sozialdiensts St. Mar-
                                                                                                          die Beine zu helfen, der ins Straucheln geraten ist, oder   tin, dass man hier auf niederschwellige Weise Hilfe er-
                                                                                                          um dessen Lebensumstände nachhaltig zu verbessern.          fährt. Hier kann man auf diskrete Art sein Anliegen äus-
                                                                                                          So etwa als einer Familienmutter ein substanzieller Bei-    sern. Das Gespräch findet freiwillig und auf Augenhöhe
                                                                                                          trag an eine Weiterbildung ausgerichtet wurde, dank der     statt. «Es ist klar, dass der Sozialdienst der Einwohner-
                                                                                                          sie ihr Einkommen verbessern und so unabhängig blei-        gemeinde als Voraussetzung für Unterstützungszahlun-
                                                                                                          ben konnte. Oder als ein ehemals Suchtkranker, dessen       gen ein hohes Mass an Kooperationsbereitschaft verlan-
                                                                                                          Zähne unter langjährigem Drogenmissbrauch gelitten          gen muss. Das erzeugt Unbehagen. Da der pfarreiliche
                                                                                                          hatten, seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt dank einer       Sozialdienst eine andere Rolle spielt, ist die Hemm-
                                                                                                          Gebisssanierung wesentlich verbessern konnte. «Wichtig      schwelle, um bei uns anzuklopfen, oft niedriger», erklärt
                                                                                                          sind in jedem Fall gründliche Abklärungen», hebt Stefan     Stefan Horvath.
                                                                                                          Horvath hervor. Er fragt, wieso jemand gerade jetzt zum
                      Weiterbildungskurs der freiwilligen Mitarbeitenden im Lassalle-Haus in Menzingen.   Sozialdienst komme, was bisher gemacht wurde und ob         Wann hat ein Sozialarbeiter erfolgreich gearbeitet?
                                                                                                          auch Familienangehörige, Freunde oder andere Unter-         «Wenn sich hilfesuchende Menschen verstanden fühlen,
                                                                                                          stützer zur Verbesserung der Situation beitragen könnten.   Vertrauen fassen und mir ihre Geschichte vorbehaltlos
                                                                                                                                                                      erzählen. Ich erlebe viele schöne Begegnungen und spü-
                                                                                                          Stefan Horvath ist es ein zentrales Anliegen, die Men-      re viel Dankbarkeit», beschreibt er. Erfolg zeige sich oft
                                                                                                          schenwürde der hilfesuchenden Menschen zu wahren.           in konkreten Hilfestellungen. Die Vermittlung eines hilf-
                                                                                                          «Es ist besser, jemandem die Gelegenheit zu geben, Geld     reichen Beratungsangebots, eine erreichte Fristerstre-
                                                                                                          zu verdienen, als ihn mit Almosen zu versehen», ist er      ckung, die Verlängerung eines Mietverhältnisses oder
                                                                                                          überzeugt. So hat er auch schon bettelnde slowakische       eine gelungene Wohnungssuche seien konkreter Aus-
                                                                                                          Musiker kurzerhand gegen eine Gage für einen Unter-         druck erfolgreicher Arbeit. Er freue sich aber auch über
                                                                                                          haltungsauftritt bei einem Fest engagiert – nachdem er      positive Rückmeldungen, die zeigten, dass der pfarreili-
                                                                                                          sich von ihrem musikalischen Können überzeugt hatte.        che Sozialdienst etwas bewirke, schliesst er.

16 — SOZIALBERATUNG                                                                                                                                                                                        SOZIALBERATUNG — 17
HILFE ZUR - Kirchgemeinde Baar
FALLBEISPIEL
                                                            AUFGABEN UND NETZWERKE

Eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern meldete       Gemeinsam für die Menschen
                                                            etwas erreichen
sich beim Sozialdienst St. Martin. Die Familie leidet
unter psychosozialen Problemen und weiteren belas-
tenden Lebensumständen. Eines der Kinder benötigt
psychologische Hilfe. Wegen psychosomatischer Be-           Neben der Sozialberatung bringt der Sozialdienst St. Martin
schwerden der Mutter läuft eine Abklärung bei der In-       vor allem in seinen Aufgabenbereichen Altersarbeit und
validenversicherung. Sie möchte aber gerne in einem         Unterstützung benachteiligter Familien Licht ins Leben von
Teilzeitpensum arbeiten. Hinzu kommen finanzielle
                                                            Leuten, die sonst wenig Gehör finden. Dabei kann er auf
Sorgen. Die Wohnungsmiete belastet das Familienbud-
                                                            die wertvolle Unterstützung von Freiwilligen und die Zusam-
get unverhältnismässig. Notwendige Neuanschaffun-
gen für die Wohnungseinrichtung können so nicht fi-
                                                            menarbeit mit anderen Sozial- und Fachstellen zählen.
nanziert werden. Der Vater lässt sich nur schwer in die
Verantwortung einbinden. Er entzieht sich dieser zu-        Die Lebensumstände der Menschen in der Pfarrei ver-          traute Freunde und Verwandte sterben, und da der eige-
nehmend und kämpft unter anderem mit Suchtprob-             bessern. Das ist eines der zentralen Ziele des Sozial-       ne Aktionsradius immer kleiner wird, entstehen nur
                                                            diensts St. Martin, das dieser nicht nur in der Beratungs-   noch wenige neue Beziehungen. Dazu kommt, dass auch
lemen. Auch von Freunden und Verwandten ist keine
                                                            tätigkeit, sondern auch in der Altersarbeit verfolgt.        die Sinne allmählich nachlassen. Um der damit drohen-
Hilfe mehr zu erwarten.                                     «Betagte Menschen haben unsere Gesellschaft während          den Vereinsamung entgegenzutreten, pflegt die Pfarrei
                                                            Jahrzehnten getragen. Sie verdienen es, dass man ihnen       St. Martin verschiedene Angebote. So organisiert der
Im Erstgespräch zeigte sich, dass bereits mehrere Stel-     in der dritten oder vierten Lebensphase Aufmerksamkeit       Sozialdienst gemeinsam mit der Diakonie der reformier-
                                                            und Wertschätzung entgegenbringt», betont Stefan Hor-        ten Kirche des Bezirks Baar-Neuheim eine Ferienwoche
len in den Fall involviert waren, so der Sozialdienst der
                                                            vath. Ein wichtiges Thema in der Altersarbeit ist die Be-    in einem Hotel in der Schweiz oder im nahen Ausland.
Einwohnergemeinde, die Schuldenberatung Triangel,           ziehungspflege. Das soziale Netz von Seniorinnen und         Rund 20 rüstige Seniorinnen und Senioren erkunden je-
die Pro Infirmis, die AHV/IV-Stelle des Kantons Zug, die    Senioren dünnt sich mit zunehmendem Alter aus. Ver-          weils gemeinsam die Region auf Ausflügen oder Besich-
Triaplus Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Klientin
bevollmächtigte den Sozialdienst St. Martin mit diesen

                                                                              «
Fachstellen in Kontakt zu treten. Durch Verhandlung
mit den involvierten Akteuren konnte die Familie fi-
nanziell entlastet werden. Der Mutter steht es offen,                                 Während acht Jahren habe ich eine betagte
die Sozialberatung der Pfarrei St. Martin weiterhin zu                                Frau betreut. Im Lauf der Zeit erwuchs
konsultieren. Die zielgerichtete Unterstützung der Fa-                                daraus fast eine Mutter-Tochter-Beziehung.
milie durch den Einbezug einer freiwilligen Person im                                 Man erhält viel zurück, wenn man sich
Rahmen der Wegbegleitung Baar wäre sinnvoll.                                          freiwillig engagiert. Der Sozialdienst St. Martin
                                                                                      bietet auf vielen Ebenen die Möglichkeit,

                                                                                                                                                     »
                                                                                      Freiwilligenarbeit zu leisten.
                                                                                      Martha Zangger, freiwillige Mitarbeiterin

                                                                                                                                                  AUFGABEN UND NETZWERKE — 19
«   Durch mein Engagement für den Mitenand-
                                                                                                                          Nachmittag konnte ich der Gesellschaft etwas
                                                                                                                          für das Glück in meinem Leben zurückgeben.
                                                                                                                          Im Team haben wir Musik und Unterhaltung
                                                                                                                          organisiert, Chilbi und Fasnacht gefeiert
                                                                                                                          sowie interessante Vorträge angeboten. Viele
                                                                                                                          Betagte haben diese Möglichkeit zur Begegnung

                                                                                                                                                                                     »
                                                                                                                          geschätzt und genutzt.
                                                                                                                          Maria Widmer, freiwillige Mitarbeiterin

                     Fröhliche und genussvolle Momente in der Ferienwoche am Walensee 2019.

tigungen. Begegnungen, Vorträge und musikalische Un-       Ein Höhepunkt im Jahresverlauf vieler Menschen ist die
terhaltung bieten die ebenfalls von beiden Kirchen         offene Weihnachtsfeier. In ökumenischer Zusammen-
getragenen Mitenand-Nachmittage im Pfarreiheim             arbeit organisieren die Sozialdienste der beiden Landes-
St. Martin in Baar und der Pensioniertenhöck im            kirchen am Heiligabend eine Feier, zu der Menschen je-
St-Thomas-Zentrum in Inwil. Höhepunkte des Jahrespro-      den Alters eingeladen sind, die nicht alleine feiern
gramms bilden die Feiern zu Chilbi und Fasnacht, wo        mögen.
jeweils das Baarer Fasnachtsoberhaupt, der Räbevater,
seine Aufwartung macht. Zudem unterstützt der Sozial-      Die Familienunterstützung ausbauen
dienst St. Martin den von Freiwilligen ins Leben gerufe-   Um aber nicht nur jene Seniorinnen und Senioren zu         Unterhaltung und Möglichkeit zur Begegnung am Mitenand-Nachmittag.
nen Mittagsclub. Hier treffen sich Paare und Alleinste-    erreichen, die noch an den angebotenen Veranstaltun-
hende einmal monatlich zum gemeinsamen Mittagessen.        gen teilnehmen mögen, erhalten alle Mitglieder der Ka-

20 — AUFGABEN UND NETZWERKE                                                                                                                                                        AUFGABEN UND NETZWERKE — 21
tholischen Kirchgemeinde ab 85 Jahren einen Geburts-        Zur temporären Überbrückung einer schwierigen Wohn-            gebot der Kirche wegfallen, müsste die Gemeinde oder        bleiben», betont Stefan Horvath. Damit spricht er etwa
tagsbesuch. Freiwillige überbringen ein Präsent und         situation kann der Sozialdienst auf eine Notwohnung            der Kanton Ersatz anbieten. Es ist anzunehmen, dass         an, dass die Besuche der betagten Gemeindemitglieder
melden dem Sozialdienst, wenn sie ein Bedürfnis für         der Kirchgemeinde zugreifen. Sozial bedürftige Familien        dies den Steuerzahler unter dem Strich wesentlich           reduziert werden mussten, weil einer wachsenden
Unterstützung feststellen. Das kann eine helfende Hand      können sich zudem im Kleiderraum, der von den sozial-          mehr kosten würde.                                          Gruppe von Seniorinnen und Senioren, die zweimal im
im Alltag sein, etwa beim Ordnen von Papieren, bei All-     diakonischen Stellen der katholischen Kirche des Kan-                                                                      Jahr Besuch erhalten sollten, eine kleiner werdende
tagsverrichtungen wie Einkaufen oder Arztbesuch oder        tons Zug gemeinsam geführt wird, mit gespendeten Tex-          Die Freiwilligenarbeit der Zeit anpassen                    Gruppe von Freiwilligen gegenüberstand, die bereit wa-
auch einfach, weil sie sich Gesellschaft wünschen für       tilien eindecken.                                              «Wie viele gesellschaftliche Bereiche unterliegt aber die   ren, diese Besuche zu übernehmen. In der Folge hat die
eine Unterhaltung, einen Spaziergang oder zum regel-                                                                       Freiwilligenarbeit einem Strukturwandel. Wir müssen         Pfarrei entschieden, auf die Besuche in der Adventszeit
mässigen Spielen. Über den Freiwilligendienst der öku-      Aus der Freiwilligenarbeit wächst echter Mehrwert              deshalb bestehende Konzepte überdenken, um in               zu verzichten und das Alter, ab welchem Jubilare be-
menischen Wegbegleitung versucht der Sozialdienst           «Die Freiwilligenarbeit ist für die Sozialdiakonie ein un-     Zukunft als Wirkungsfeld für Interessierte attraktiv zu     sucht werden, auf 85 anzuheben.
solche Bedürfnisse abzudecken.                              verzichtbares Werkzeug. Glücklicherweise sind viele
                                                            Menschen bereit, sich im kirchlichen Rahmen zum
Obwohl ein Schwerpunkt der Arbeit des Sozialdiensts         Wohl anderer und der Gemeinschaft zu engagieren»,
St. Martin in der Altersarbeit liegt, befasst er sich mit   stellt Stefan Horvath fest. Das sei eine besondere und
Menschen aller Altersgruppen. So soll die ökumenische       wertvolle Stärke der Kirche, fügt er hinzu. «Es ist näm-
Wegbegleitung neben Menschen im Pensionsalter künf-         lich erwiesen, dass sich jeder Franken, der in die pfar-
tig vermehrt auch Familien Unterstützung bieten. Eine       reiliche Freiwilligenarbeit investiert wird, für die Gesell-
entsprechende Konzeptanpassung wird gegenwärtig dis-        schaft mehrfach auszahlt.» Oder anders ausgedrückt:
kutiert. Viele Familien, Alleinzerziehende und Einzelper-   Würde das heute durch die Kirchensteuer finanzierte
sonen werden zudem in der Sozialberatung begleitet.         und durch viele Freiwillige mitgetragene Leistungsan-

                  «       Der Mittagsclub ist aus einer privaten Initiative
                          entstanden. Alleinstehende und Paare treffen
                          sich einmal wöchentlich zu gemeinsamem
                          Essen und Austausch. Regelmässig präsent ist
                          der Sozialdienst St. Martin, um seine vielfäl-
                          tigen Angebote für Seniorinnen und Senioren

                                                                                           »
                          vorzustellen und zugänglich zu machen.
                          Brigitte Dettling, freiwillige Mitarbeiterin

                                                                                                                                        Horizonterweiterung auf dem Ausflug für die freiwilligen Mitarbeitenden 2001 nach Solothurn.

22 — AUFGABEN UND NETZWERKE                                                                                                                                                                                        AUFGABEN UND NETZWERKE — 23
Erfolgreich nur im Netzwerk                                    Erfahrungsaustausch gepflegt und Lösungen erarbeitet für
                                                                                                                                Neben der Freiwilligenarbeit ist eine weitere wichtige Säule   Herausforderungen, die die gesamte Region betreffen.
                                                                                                                                in der Arbeit des Sozialdiensts St. Martin die vernetzte Zu-   Über den kirchlichen Kontext hinaus treffen sich die Fach-
                                                                                                                                sammenarbeit mit internen und externen Partnern. So ist        leute in der Ortsgruppe Sozialtätiger im Kanton Zug.
                                                                                                                                die Sozialdiakonie eingebettet in das Seelsorge- und Kate-     Hilfreich ist auch die Vernetzung innerhalb der Gemeinde
                                                                                                                                cheseteam der Pfarrei St. Martin. Der Sozialdienst arbei-      Baar.
                                                                                                                                tet beispielsweise in der Altersarbeit eng verzahnt mit der
                                                                                                                                Seelsorge zusammen und ist eingebunden in die Durch-           Um den Kontakt und die Zusammenarbeit zur Sozialabtei-
                                                                                                                                führung von Pfarreianlässen. Ganz wichtig ist auch die Zu-     lung der Einwohnergemeinde zu pflegen, engagiert sich
                                                                                                                                sammenarbeit mit der Sozialdiakonie der reformierten           Stefan Horvath in gemeindlichen Kommissionen und Ar-
                                                                                                                                Kirche des Bezirks Baar-Neuheim. Gemeinsam tragen              beitsgruppen, die sich mit Themen wie Nachbarschaftshilfe
                                                                                                                                die beiden Sozialdienste in langjährig erprobter ökumeni-      oder Wohnen im Alter befassen. «Diese Netzwerkarbeit ist
                                                                                                                                scher Zusammenarbeit verschiedene Projekte wie die Fe-         wichtig, um bei Bedarf einen direkten Zugang zu anderen
                                                                                                                                rienwoche, die Wegbegleitung oder die offene Weihnachts-       Fachleuten zu erhalten. Das vereinfacht die Lösungsfin-
                                                                                                                                feier und entwickeln diese laufend weiter.                     dung ungemein – sei es bei der Entwicklung neuer Projekte
                                                                                                                                                                                               oder in der Sozialberatung», hält Stefan Horvath fest. Das
                                                                                                                                Ganz wichtig ist der Austausch im Rahmen des Sozialhöcks       gilt selbstredend auch für die Zusammenarbeit und Fach-
                                                                                                                                (Soho), wo sich die sozialdiakonischen Stellen der katholi-    und Beratungstellen sowie Sozialeinrichtungen wie dem
                                                                                                                                schen Kirchgemeinden Zug, Baar und Cham-Hünenberg              Caritas Markt Baar, dem Verein punkto Eltern, Kinder
                                                                                                                                zum Erfahrungsaustausch und zur Organisation gemeinsa-         & Jugendliche, der Schuldenberatung Triangel, dem
                                                                                                                                mer Projekte treffen. Der Soho ist überdies in der Inner-      Schweizerischen Roten Kreuz Zug, der Pro Senectute
                                                                                                                                schweizer Arbeitsgemeinschaft kirchlich Sozialarbei-           oder mit Triaplus Ambulante Psychiatrie und Psycho-
                                                                                                                                tender (IAKS) vertreten. Auch hier wird der                    therapie Zug und vielen weiteren mehr.

                               Bringt die Menschen zusammen: Die offene Weihnachtsfeier.
                                                                                                                                                   «       Die «Offene Tür» bringt an Heiligabend
                                                                                                                                                           Leute zusammen, die sonst an diesem Tag
                                                                                                                                                           allein wären. Gemeinsam geniessen sie
                                                                                                                                                           einen festlichen Abend in weihnächtlicher
Den oft geäusserten Vorbehalt, dass sich die jüngere Gene-       heute bereit, sich für eine begrenzte Zeit oder für ein Pro-                              Atmosphäre. Besonders schön finde ich,
ration nicht mehr für die Freiwilligenarbeit begeistern lasse,   jekt einzusetzen. Sie wollten sich jedoch nicht mehr über                                 dass die Sozialdienste der katholischen und
lässt Stefan Horvath nicht gelten. Als er für die Einwohner-     einen längeren Zeitraum binden lassen. «Dieser gesell-
                                                                                                                                                           der reformierten Kirche diesen Abend

                                                                                                                                                                                                                             »
gemeinde während des pandemiebedingten Lockdowns                 schaftlichen Entwicklung müssen wir Rechnung tragen und
im Frühling 2020 die Nachbarschaftshilfe organisierte,           die Freiwilligenhilfe entsprechend weiterentwickeln, am                                   Hand in Hand miteinander organisieren.
meldeten sich viele junge Leute als Freiwillige. Viele seien     besten mit der Partizipation der Freiwilligen», folgert er.                               Nick Limacher, Freiwilliger Mitarbeitender

24 — AUFGABEN UND NETZWERKE                                                                                                                                                                                               AUFGABEN UND NETZWERKE — 25
CHANCEN, HERAUSFORDERUNGEN, VISIONEN

«Neue Zugänge zu den
Menschen öffnen»
Die Sozialdiakonie ist eine wichtige Säule der kirchlichen                                                              Möglichkeit zu Begegnungen ausserhalb der kirchlichen        Gleichzeitig sollen sie jene Unterstützung beziehen kön-
                                                                                                                        Räume. So können wir mit Menschen ins Gespräch kom-          nen, die sie in der jeweiligen Lebensphase für die Pflege
Arbeit. Kirchgemeindepräsident Thomas Inglin und Stefan
                                                                                                                        men, die wenig Berührungspunkte mit der Kirche haben.        und zur Alltagsbewältigung benötigen. Wichtig ist, in sol-
Horvath, Leiter des Sozialdiensts St. Martin, legen im                                                                                                                               chen Strukturen den älteren Menschen Begegnungen zu
Gespräch dar, welche Aufgaben sie erfüllt, wo die aktuellen                                                             Ist denn die Kommunikation an einem                          ermöglichen und die Gemeinschaft erlebbar zu machen.
                                                                                                                        Dorffest nicht zu oberflächlich?                             Hier kann sich die Kirche mit ihren Kompetenzen und dank
Herausforderungen liegen und welchen Visionen der                                                                       Inglin: Es geht darum, einander in einem ungezwungenen       der Unterstützung ihrer vielen freiwilligen Mitarbeitenden
Weg in die Zukunft folgt.                                                                                               Rahmen zu begegnen. Auch eine solche Unterhaltung            sehr gut einbringen.
                                                                                                                        kann Vertrauen schaffen. Vielleicht erinnert man sich spä-
                                                                                                                        ter an diese Begegnung mit dem Seelsorger oder mit dem       Der Einsatz von Freiwilligen in der
Was bedeutet der Sozialdienst für die                      Dann ist der Sozialdienst also ein wichtiges                 Sozialarbeiter der Pfarrei, wenn man Unterstützung be-       Altersarbeit hat in der Kirche Tradition.
Katholische Kirchgemeinde Baar?                            Instrument für die Pfarreiarbeit?                            nötigt. Oder man kann jemandem aus dem eigenen Um-           Horvath: Das ist richtig. Gleichzeitig stehen wir aber vor
Thomas Inglin: Es ist eine grundsätzliche Aufgabe der      Inglin: Unbedingt! Die Kirche betreibt Seelsorge und         feld einen hilfreichen Kontakt vermitteln.                   der Herausforderung, dass sich die Freiwilligenarbeit im
Kirche, in jeder Lage für die Menschen da zu sein. In      engagiert sich gleichzeitig auch im konkreten Lebens-                                                                     Umbruch befindet. Viele unserer Freiwilligen stehen selber
schwierigen Situationen reicht es nicht, nur zu beten.     umfeld der Menschen. Dahinter steht seit 2000 Jahren         Welchen Herausforderungen steht die                          schon im Seniorenalter. Jüngere Leute möchten sich häu-
Dann benötigen die Menschen handfeste Hilfe. Früher        die Grundhaltung: «Ich nehme dich an, wie du bist. Ich       Sozialdiakonie aktuell gegenüber?                            fig nicht über längere Zeit binden und lassen sich eher für
löste das der Pfarrer allein. Heute ist das nicht mehr     will dich nicht verändern, aber ich will dich darin unter-   Horvath: Ein wichtiges Thema unserer Gesellschaft ist die    zeitlich begrenzte Projekte gewinnen. Also müssen wir die
möglich. Viele Probleme sind vielschichtig und komplex     stützen, ein erfülltes Leben zu führen.»                     Schaffung von zahlbarem Wohnraum. Insbesondere müs-          Freiwilligenarbeit neu organisieren. Dabei ist es wichtig,
und die Priester und Theologen fokussieren sich heute                                                                   sen wir Wohnformen für ältere Menschen schaffen, in          die Freiwilligen an diesem Prozess zu beteiligen, um neue
richtigerweise auf ihre ebenfalls wichtigen Aufgaben in    Stefan Horvath: Die Sozialdiakonie bietet der Kirche         denen sie ein selbstbestimmtes Leben führen können.          Formen zu finden, die auch ihre Bedürfnisse bedienen.

                                                                                                                                          «
Seelsorge und Liturgie.                                    die Chance, neue Zugänge zu den Menschen zu öffnen.
                                                           Viele Leute kommen nicht mehr in den Gottesdienst.
In welchen Fällen soll sich die                            Durch die Angebote der Sozialdiakonie erreichen wir
Kirche engagieren?                                         viele von ihnen und können so unseren Auftrag erfüllen.                                Mit dem Sozialdienst St. Martin arbeiten wir
Inglin: Es gehört zum Grundverständnis des Christen-       Der Sozialdienst ist also ein wichtiges und ein zeitge-                                konstruktiv zusammen. Wenn ein Angebot
tums, dass sich die Kirche für die Menschen einsetzt. Es   mässes Instrument.                                                                     sinnvollerweise ökumenisch aufgegleist werden
ist eine ihrer zentralen Aufgaben, die Lebensbedingun-
                                                                                                                                                  sollte, setzen wir das um. Man spürt, dass wir
gen der Menschen zu verbessern. So etwa hat die Katho-     Inglin: Die Sozialdiakonie reicht zurück bis zu den Wur-
lische Kirchgemeinde Baar mit ihrer Stiftung St. Wende-    zeln des Christentums. Jesus ist immer zu den Men-                                     auf derselben christlichen Wertebasis arbeiten
lin mehr als 100 grösstenteils preisgünstige Wohnungen     schen hingegangen und hat die Begegnung gesucht. Es                                    und von einem gemeinsamen Verständnis
geschaffen. Darüber hinaus müssen wir uns aber auch        gibt nur wenige Szenen, in denen er im Tempel wirkt.                                   der Sozialdiakonie ausgehen, das immer den
für das seelische Wohl der Menschen einsetzen. Sich
                                                                                                                                                  Menschen in den Mittelpunkt setzt.

                                                                                                                                                                                                                    »
eine taugliche Wohnung leisten zu können, ist wichtig.     Horvath: Daran können wir uns ein Beispiel nehmen,
Genauso wichtig ist aber zum Beispiel, dass man nicht      und dort hingehen, wo die Menschen sind. Warum nicht                                   Bruno Baumgartner, Sozialdiakon
vereinsamt.                                                als Pfarrei am Dorffest ein Beizli führen? Das schafft die                             Reformierte Kirche Bezirk Baar Neuheim

26 — CHANCEN, HERAUSFORDERUNGEN, VISIONEN                                                                                                                                                         CHANCEN, HERAUSFORDERUNGEN, VISIONEN — 27
Stefan
28     Horvath, Leiter Sozialdienst St. Martin.
   — SOZIALBERATUNG                               Thomas Inglin, Kirchgemeindepräsident.
                                                                     SOZIALBERATUNG — 29
Ist die Freiwilligenarbeit ein Auslaufmodell?                Diese Form der Belohnung darf nicht zu knausrig aus-          Der Sozialdienst St. Martin wird in seinem
Horvath: Nein, auf keinen Fall. Die Bereitschaft, sich       fallen, soll aber auch nicht klotzig daherkommen. Die         Jubiläumsjahr personell erweitert.
für die Gemeinschaft zu engagieren, ist immer noch           überwiegende Mehrheit zieht ihre Motivation aber oh-          Welche neuen Schwerpunkte ermöglicht die-
hoch. Das hat sich etwa gezeigt, als im Frühling 2020        nehin nicht aus materiellen Gaben. Es ist vielen wichtig,     ser Ausbau?
das gesellschaftliche Leben wegen der Pandemie vom           sich für andere einzusetzen, denen es vielleicht nicht so     Horvath: Künftig können wir unsere Kontakte im Netz-
Bundesrat heruntergefahren wurde. Ich koordinierte           gut geht. Für manche ist es auch eine Möglichkeit, sich       werk besser pflegen und vertiefen. Davon profitieren
damals für die Einwohnergemeine Baar die Nachbar-            auf diese Weise für das eigene Glück dankbar zu erwei-        auch unsere Klienten. In der Freiwilligenarbeit können
schaftshilfe. Und es gelang uns mühelos, Freiwillige in      sen. Nicht zuletzt ziehen viele aus der Freiwilligenarbeit    wir zudem zielgerichteter und fundierter arbeiten und so
ausreichender Zahl zu gewinnen, um die Versorgung            eine hohe Befriedigung. Es macht sie zufrieden oder gar       deren Wert für alle Beteiligten steigern. Und wir können
älterer und gefährdeter Menschen sicherzustellen. Er-        glücklich, wenn sie anderen helfen können.                    mehr Ressourcen in die Kommunikation investieren. Da-
freulicherweise haben sich auch viele jüngere Freiwilli-                                                                   mit werden unser Engagement und unsere Leistungen
ge gemeldet.                                                 Inglin: Es ist eine Stärke der Kirche, dass es ihr seit je-   von all unseren Partnern und Anspruchsgruppen besser
                                                             her gelingt, Freiwillige für die Mitarbeit zu gewinnen        wahrgenommen. Das erleichtert unsere Arbeit insge-
Warum ist die Freiwilligenarbeit in der                      und mit ihrer Unterstützung gesellschaftsrelevante            samt und macht sie wirkungsvoller. Und schliesslich ent-
Sozialdiakonie so wichtig?                                   Leistungen zu erbringen. Die Einwohnergemeinde oder           steht durch den Ausbau auch Raum für neue Projekte.
Horvath: Freiwillige sind Multiplikatoren, die oft gut       andere staatliche Organe wären wohl kaum imstande,
vernetzt sind. Häufig kommen Klienten zu uns, weil ein       dasselbe in diesem Ausmass mit so geringem finanziel-
freiwillig tätiges Mitglied unserer Gemeinde einen Un-       lem Aufwand zu erreichen und gleichzeitig die gesell-
terstützungsbedarf feststellt und der Klientin oder dem      schaftliche Solidarität zu stärken.
Klienten empfiehlt, beim Sozialdienst der Pfarrei anzu-
klopfen. In der Schweiz sind die Menschen oft zurück-        Wie sieht die Zukunft der Sozialdiakonie
haltend darin, andere in ihr Leben zu lassen. Wenn ein       in der Pfarrei St. Martin aus?
Freund oder eine Nachbarin den Kontakt zum kirchli-          Inglin: Aktuell liegt unser Fokus stark auf der Altersar-
chen Sozialdienst herstellt, fällt es den Betroffenen ein-   beit. Die Kirche hat sich aber immer schon für alle Alters-
facher, Hilfe anzunehmen. Wenn viele Freiwillige für         gruppen engagiert. Wir sollten Wege finden, um uns von
uns im Einsatz stehen, erfahren wir mehr über die Nöte       der reinen Altersarbeit etwas zu lösen und um mehr Ge-
der Menschen.                                                meinschaftsformen zu schaffen, welche die Generatio-
                                                             nen zusammenbringen. Davon würden auch die älteren
Wie motivieren Sie Freiwillige zur Mitarbeit?                Menschen profitieren.
Horvath: Die Wertschätzung und die Anerkennung des
Engagements sind wichtig. Das kann mit einem Nacht-          Horvath: Wichtig scheint mir, dass wir nicht nur eigene
essen oder einem Ausflug ausgedrückt werden. Denk-           Angebote schaffen, sondern uns auch an den Projekten
bar sind auch neue, andere Formen, die vielleicht jün-       anderer Träger beteiligen und an der gesellschaftlichen
gere Generationen besser ansprechen. Wichtig ist, die        Entwicklung mitarbeiten, um die Marke Kirche sichtbar
richtige Dosierung zu finden und authentisch zu sein.        und spürbar zu machen.

                                                                                                                                                         Christine Vonarburg verstärkt den Sozialdienst St. Martin.

30 — CHANCEN, HERAUSFORDERUNGEN, VISIONEN                                                                                                                                                             CHANCEN, HERAUSFORDERUNGEN, VISIONEN — 31
Sie können auch lesen