HILFE ZUR - Kirchgemeinde Baar
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INHALTSVERZEICHNIS Editorial 5 Zur Sache 7 Was ist Diakonie? So arbeitet kirchliche Sozialarbeit Geschichte 8 Durch frühzeitige Beratung späteres Leid vermeiden Sozialberatung 13 Wirkungsvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe Aufgaben und Netzwerke 19 Gemeinsam für die Menschen etwas erreichen Chancen, Herausforderungen, Vision 26 «Neue Zugänge zu den Menschen öffnen» Impressum Bildnachweis Herausgegeben durch die Katholische Kirchgemeinde Baar Bilder Seiten 5, 11 (links), 15, Pfarrei St. Martin, Baar; 7, 26/27, Baar, August 2021 fotozug.ch; 11 (rechts), Kollegiatsstift St. Leodegar, Luzern; 16, 23, Konzept und Text: Stefan Doppmann, Baar 24, Anton Kalbermatter, Baar; 20, 21, Reformierte Kirche Bezirk Gestaltung: agentur guldin GmbH, Baar Baar Neuheim; 31, Christine Vonarburg, Luzern Korrektur: Mirjam Weiss, Zug Druck: Kalt Medien AG, Zug INHALTSVERZEICHNIS — 3
EDITORIAL «Die Kirche muss vor Ort die Not lindern» 50 Jahre Sozialdienst St. Martin – es gibt mehr als einen guten Grund, um dieses Jubiläum zu feiern. So feiern wir den Pioniergeist und die Initiative von Pfarrer Anton Stu- der. Er hat vor mehr als 50 Jahren erkannt, dass die Kir- che vor Ort konkret und strukturiert handeln muss, um die Nöte der Menschen zu lindern und sie bei der Ver- besserung ihrer Lebensumstände zu unterstützen. Wir feiern auch den Mut des damaligen Kirchenrats und der Kirchgemeindeversammlung, die Aufbruchsstimmung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu nutzen, um einen eigenen Sozialdienst ins Leben zu rufen. Zudem feiern wir, dass der Kirchenrat im Jubiläumsjahr den per- sonellen Ausbau des Sozialdiensts St. Martin genehmigt hat. Dahinter steht das Verständnis, dass die kirchliche Sozialarbeit im Lauf der vergangenen fünf Jahrzehnte an Bedeutung gewonnen hat. Neben der Liturgie und der Verkündigung ist die Sozialdiakonie eine wichtige Säule im kirchlichen Auftrag und Selbstverständnis. Als Symbol für das Jubiläum 50 Jahre Sozialdienst Pfarrer Dr. Anthony Chukwu. St. Martin haben wir den Apfelbaum gewählt. Er braucht einen guten Boden, um Früchte zu tragen. Aus diesem zieht er die Kraft, um über Jahre und Jahrzehnte zu wach- sen und zu gedeihen. Seine Früchte teilen wir gerne mit allen Menschen in unserer Gemeinde und darüber hin- aus. Insbesondere mit jenen, die nicht auf der Sonnen- seite des Lebens stehen. Das Jubiläum gibt uns die Gelegenheit all jenen zu dan- ken, die das Teilen dieser Früchte ermöglichen, sei es durch ihren Beitrag an die Kirchensteuer, durch ihre frei- willige Mitarbeit oder ganz einfach durch ihre Solidarität mit unserem Sozialdienst St. Martin. Pfarrer Dr. Anthony Chukwu, Gemeindeleiter Pfarrei St. Martin EDITORIAL — 5
ZUR SACHE Was ist Diakonie? So arbeitet kirchliche Sozialarbeit Die Diakonie bezeichnet die christliche Hilfe für notlei- dende Menschen. Zusammen mit der Verkündigung und der Liturgie bildet sie eine der zentralen Säulen kirchli- chen Handelns. Zur Diakonie sind alle pastoral Tätigen verpflichtet, indem sie sich für das Wohlergehen ihrer Nächsten einsetzen. Eine der Kernaufgaben der Diako- nie ist die professionelle Sozialarbeit. Sie engagiert sich für Bedürftige, unabhängig von Herkunft, Alter und Reli- gion, nach dem Vorbild von Jesus Christus. Kirchliche Sozialarbeitende beraten und begleiten Einzelpersonen, Paare, Alleinerziehende, Familien und Gruppen bei der Bewältigung sozialer und gesellschaftlicher Herausfor- derungen. Sie unterstützen bei rechtlichen und finanziel- len Fragen in den Bereichen Arbeit, Wohnen und Ge- sundheit. Oft dienen sie als Anlaufstelle für Menschen in Krisen und Entscheidungsprozessen. Ganzheitliche Lösungen erarbeiten Im Unterschied zu vielen thematisch stark segmentier- ten Beratungsstellen ist die kirchliche Sozialarbeit nicht einem bestimmten Thema verpflichtet, sondern arbeitet polyvalent. Da viele Problemstellungen unterschiedliche und zum Teil sich überschneidende Ursachen kennen, sind oft verschiedene Fachstellen in einen Fall involviert. Es ist die Stärke der kirchlichen Sozialarbeit, in solchen Situationen im Netzwerkverbund gesamtheitliche Lö- sungen zu erarbeiten und zu den Ursachen der Heraus- forderungen vorzudringen. Eine gute Analyse und soli- des Fachwissen sind dafür die Voraussetzung. Ein wichtiges Prinzip der kirchlichen Sozialarbeit ist die Sub- sidiarität: Im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe wird die Kli- entin, der Klient in die Findung und Umsetzung der Lö- sung eingebunden und trägt gemäss den persönlichen Ressourcen dazu bei, eine Verbesserung der eigenen Situation zu erreichen. Stefan Horvath, Leiter Sozialdienst St. Martin Baar. ZUR SACHE — 7
1970 1990 GESCHICHTE Durch frühzeitige Beratung späteres Leid vermeiden Noch vor der Einwohnergemeinde rief die Katholische Kirch- Erweiterung Einführung gemeinde Baar 1971 in einem visionären Entscheid einen Gründung Angebote für ökumenischer Sozialdienst ins Leben. Aus bescheidenen Anfängen entwi- Mittagsclub Randgruppen Quartierkontakt ckelte sich ein beachtliches Werk, das sich bis heute mit Hilfe zahlreicher Freiwilliger in der Altersarbeit sowie in der Eröffnung Gründung Unterstützung von Familien, Benachteiligten und Gründung Altersheim Stiftung Sozialdienst Bahnmatt St. Wendelin Armutsbetroffenen sieht. Auf Initiative von Pfarrer Anton Studer und mit der Un- baute sie Freizeitangebote in der Altersarbeit auf und terstützung des damaligen Kirchenrats genehmigte die organisierte Informationsveranstaltungen für die Vor- Kirchgemeindeversammlung im Januar 1971 ohne Ge- bereitung auf die dritte Lebensphase. Dies geschah genstimme die Errichtung eines kirchlichen Sozialdiensts Hand in Hand mit Katecheten, die in der Erwachsenen- in der Pfarrei St. Martin. Anton Studer hatte aus seiner bildung tätig waren. Zeit als Vikar in der Pfarrei St. Leodegar im Hof in Luzern Die Sozialarbeitenden: 1971 bis 2011 die Erfahrung mitgebracht, dass durch frühzeitige Be- Altes Bild der Fürsorge überwinden ratung und den punktuellen Einsatz geringer Mittel die In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre wurde der Sozial- Theres Sutter-Dörfler Juni 1971 – April 1974 später dauerhafte Abhängigkeit von der Sozialhilfe ver- dienst St. Martin weiter professionalisiert. Die damalige mieden werden kann. Als Zielgruppe sah er insbesonde- Stelleninhaberin Martha Daugaard-Schüpbach erinnert Martha Daugaard-Schüpbach April 1974 – November 1979 re die Familien, die ihr oft karges Einkommen in der In- sich in der Festschrift zum 40-Jahr-Jubiläum, dass es da- Madeleine Iten-Nick als freiwillige Sozialarbeiterin dustrie verdienten und durch Krankheit, Tod des rum gegangen sei, die alte Vorstellung von der Fürsorge Partners oder Scheidung in eine prekäre Lage geraten zu überwinden und ein modernes und umfassendes Bild Ursula Fuchs Januar 1980 – September 1980 konnten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, des Sozialdiensts zu etablieren. So wurde die Altersar- Margrit Bünter Januar 1980 – Juli 1981 dass die Einwohnergemeinde Baar zu diesem Zeitpunkt beit stärker an den Bedürfnissen einzelner Gruppen aus- noch keinen professionellen Sozialdienst unterhielt. Von gerichtet und mit dem Mittagsclub, den Seniorenferien Madeleine Iten-Nick als freiwillige Sozialarbeiterin Beginn an lag ein Schwerpunkt auch auf der Altersarbeit, sowie Arbeits- und Interessengruppen neue differen- Max Dudli-Hofer Mai 1982 – August 1986 da es in Baar noch kein Altersheim gab. Es wurden Al- zierte Angebote geschaffen. Sie bildete sich in Familien- Benno Fux Theologe tersnachmittage organisiert, Selbsthilfegruppen für Ver- und Verhaltenstherapie weiter und setzte in der Jugend- witwete und Geschiedene ins Leben gerufen sowie eine und Erwachsenenbildung neue Akzente und Angebote, Evi Studer Katechetin Bildungswoche durchgeführt. so beispielsweise für junge Mütter. Neu wurden auch Anton Kalbermatter 1987 – 2001 die freiwilligen Mitarbeitenden bewusster betreut. Beim Altersangebote aufbauen Aufbau des Vereins Frohes Alter und der Inbetriebnah- Elsbeth Somaini August 2001 – Juli 2008 Die erste Sozialarbeiterin Theres Suter-Dörfler baute die me des Altersheims Bahnmatt brachte sich die Pfarrei Marina Helfenstein Oktober 2008 – September 2015 neue Fachstelle auf. Auch musste sie immer wieder Auf- aktiv mit ein. In der Zeit der Synode 72 herrschte in der Judith Reichmuth März 2016 – Dezember 2018 klärungsarbeit darüber leisten, welche Aufgaben ein katholischen Kirche in der Schweiz eine Aufbruchstim- Sozialdienst übernehmen kann und soll. Neben der Be- mung. Das Sozialengagement der Kirche erhielt viel An- Stefan Horvath Januar 2019 – ratungstätigkeit, von der alle Altersgruppen profitierten, erkennung, weckte aber auch Erwartungen. Christine Vonarburg August 2021 – 8 — GESCHICHTE GESCHICHTE — 9
2000 2020 Einführung offene Einführung Weihnachtsfeier Tablet-Treff Einführung Suppenküche Eröffnung Personelle Erweiterung für Randständige Caritas Markt Sozialdienst St. Martin Baar Dank der Vision von Pfarrer Anton Studer erhielt die Pfarrei St. Martin einen eigenen Sozialdienst. Flüchtlingshilfe als neues Handlungsfeld Im folgenden Jahrzehnt kam als weiteres Thema der Vernetzung wird immer wichtiger Den Caritas-Markt mitgegründet In ihrer Abschlussarbeit an der Abendschule für Sozial- Umgang mit Asylbewerbern hinzu. Waren die Flüchtlin- Mit Anton Kalbermatter gewann die Gemeinwesenarbeit 2011 wurde in Baar ein Caritas-Markt eröffnet, der Ar- arbeit in Luzern befragte Margrith Bünter 1980 Mitglieder ge des Ungarnaufstands 1956, des Prager Frühlings an Bedeutung. Er initiierte den ökumenischen Quartier- mutsbetroffenen einen Zugang zu günstigen Lebensmit- des Kirchenrats, des Seelsorgeteams und des Pfarreirats 1968 und die vietnamesischen Boatpeople in den Jahren kontakt. Freiwillige besuchten Seniorinnen und Senioren teln und Gütern des täglichen Bedarfs ermöglicht. Zur zu ihren Vorstellungen über die kirchliche Sozialarbeit. danach noch mit offenen Armen empfangen worden, zum Geburtstag und im Advent und nahmen mit offe- Trägerschaft gehört seit Anbeginn die Katholische Kirchge- Dabei zeigte sich unter anderem, dass der Grundsatz der lösten die dunkelhäutigen jungen Tamilen, die durch nem Ohr ihre Anliegen auf. Anton Kalbermatter setzte meinde Baar, was zu einem wesentlichen Teil auf das En- Subsidiarität, ‹Hilfe zur Selbsthilfe›, hoch gewichtet wur- den Bürgerkrieg aus ihrem Land vertrieben wurden, in sich für eine gute Vernetzung ein, indem er eine Koordi- gagement von Sozialarbeiterin Martina Helfenstein zu- de. Es wurde anerkannt, dass sich der Sozialdienst im grossen Teilen der Bevölkerung Unbehagen aus. Pfarrer nationssitzung aller in der Altersarbeit Tätigen schuf und rückzuführen ist. Sie setzte sich darüber hinaus stark für christlichen Sinn für die Schwachen in der Gesellschaft Josef Grüter setzte sich intensiv dafür ein, diese Vorbe- die Informationsblätter ‹Baar – unsere Wohngemeinde› eine bessere Vernetzung der Sozialdiakonie im Kanton Zug einsetzen soll. Als neue Aufgaben konnte man sich den halte abzubauen und gründete als Vizedekan mit Ver- einführte. Auf diesen wurden Angebote für Eltern, Allein- ein und erstellte gemeinsam mit anderen ein Diakonie- Einsatz für Randgruppen wie Drogenabhängige oder ent- tretern der reformierten Kirche den Verein Asylbrücke. erziehende, Kinder, Jugendliche und Senioren aufgelistet konzept für das Dekanat Zug. lassene Strafgefangene vorstellen. Auch das Bedürfnis Die Kirchgemeinde stellte zudem das alte Sigristenhaus sowie Beratungsangebote und Selbsthilfegruppen zu- des preisgünstigen Wohnungsbaus wurde erstmals ge- am Kirchmattweg als Unterkunft zur Verfügung, in der gänglich gemacht. Die Vernetzung ist im vergangenen Jahrzehnt stetig wich- nannt, dem die Kirchgemeinde 1991 mit der Gründung 15 junge Männer untergebracht werden konnten. Sozial- tiger geworden. Es gilt, die mittlerweile grosse Zahl an der Stiftung St. Wendelin begegnete, die heute mehr als arbeiter Max Dudli etablierte in dieser Zeit zudem die Das Trennende überwinden Fach- und Beratungsstellen sowie ihr Angebot zu kennen. 100 überwiegend preisgünstige Wohnungen anbietet. offene Weihnachtsfeier. Seiner Nachfolgerin Elsbeth Somaini war wichtig, für alle Um Klientinnen und Klienten zielgerichtet beraten und an « Menschen ansprechbar zu sein. Typisch für den Sozial- die passende Stelle weiterleiten zu können, ist es darüber dienst St. Martin lebte sie dem christlichen Grundsatz hinaus unerlässlich, zu möglichst vielen dieser Organisa- nach, wonach die Herkunft oder die Religionszugehörig- tionen auch persönliche Kontakte zu pflegen. Als zusätz- Der Sozialdienst St. Martin zeichnet sich keit kein Kriterium sind, ob jemandem geholfen werden liche neue Herausforderung für die Pfarreiarbeit insge- durch seine sehr niederschwellig zugänglichen soll. Sie folgte ihrer Vision, stets zu verbinden und das samt ist in den vergangenen Jahren die Öffentlichkeitsarbeit Angebote aus, die älteren Menschen einen Trennende zu überwinden. Insbesondere hatte sie ein hinzugekommen. Es wird immer wichtiger, die Angebote Herz für die Passantenhilfe. Zusammen mit Freiwilligen des Sozialdiensts und auch der Pfarrei in den traditionel- einfachen Zugang zu einer Beratung oder zu » richtete sie eine Suppenküche ein, die in den kalten Win- len und in den neuen sozialen Medien darzustellen und anderen weiterführenden Leistungen eröffnen. termonaten insbesondere den wenig beliebten Strassen- so das Verständnis und die Akzeptanz der Öffentlichkeit Felicitas Odermatt, Pro Senectute Zug musikanten aus Osteuropa eine Anlaufstelle bot. für die Anliegen und die Leistungen der Kirche zu gewinnen. 10 — GESCHICHTE GESCHICHTE — 11
FALLBEISPIEL SOZIALBERATUNG Dem 45-jährigen Vater von zwei pubertierenden Kin- Wirkungsvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe dern wurde von seinem Hausarzt empfohlen, den Sozial- und Beratungsdienst der Pfarrei St. Martin aufzusuchen. Die Trennung von seiner Ehefrau und Mutter der Kinder sowie Todesfälle in der Familie ver- Die Sozialberatung des Sozialdiensts St. Martin hilft ursachten eine Erschöpfungsdepression, die schliess- Menschen in schwierigen Lebenslagen. Um Unterstützung lich zum Jobverlust führte. Darauf folgten finanzielle zu erhalten, müssen Klientinnen und Klienten aber aktiv Schwierigkeiten. Der Klient wollte vorläufig keine an der Verbesserung ihrer Situation mitarbeiten. wirtschaftliche Sozialhilfe der Gemeinde beanspru- chen, sondern aus eigener Kraft einen Weg aus sei- «Hilfe zur Selbsthilfe» beschreibt kurz die Richtschnur, rung bewusst hin», erklärt er. Zudem versucht er in Be- nem Tief finden. nach der sich Stefan Horvath in seiner Tätigkeit als Sozi- ratungsgesprächen, sein Gegenüber bei seinen Stärken alarbeiter täglich orientiert. «Ich versuche die Menschen abzuholen und es dazu zu bringen, diese zu nutzen. Gemeinsam mit ihm gleiste der Sozialdienst St. Mar- zu befähigen, ein eigenständiges und selbstverantwort- «Ressourcenorientiert arbeiten», nennt er dies. tin längerfristig angelegte Massnahmen zur Wieder- liches Leben zu führen. Das fördert ihr individuelles Wohl und damit auch das Wohl aller. Das wiederum trägt Aufmerksam zuhören eingliederung ins Berufsleben auf. Eine berufliche letztlich zum Frieden in der Gesellschaft bei», hält er fest Um herauszufinden, worin diese Stärken bestehen, hört Neuorientierung war unumgänglich. Für deren Um- und bezieht sich damit auf die Grundsätze der katholi- er bei jeder Beratung erst einmal aufmerksam zu. Auch setzung benötigte er eine finanzielle Unterstützung schen Soziallehre. geht es darum, die Lebensumstände des Klienten oder von 2500 Franken. Durch Beiträge von gemeinnützi- der Klientin kennenzulernen, nämlich wie sich die Fami- Auf diese Gewichtung und Förderung der Selbstverant- lie und der Freundeskreis zusammensetzen, wie es sich gen Stiftungen und aus dem Nothilfefond der Pfarrei wortung achtet Stefan Horvath in seiner täglichen Arbeit am Arbeitsplatz verhält und wie die Freizeitgestaltung St. Martin konnte der Klient die notwendigen Ausga- ganz bewusst. «Die Klientinnen und Klienten akzeptieren aussieht. Oftmals zeigt sich dabei, dass das vordergrün- ben tätigen. Die berufliche Neuorientierung verlief eine Lösung dann am besten, wenn sie selber darauf ge- dige Anliegen, das bei der Anmeldung als Grund für die erfolgreich und es resultierte eine Teilzeitanstellung kommen sind. Darauf arbeite ich in der Gesprächsfüh- Beratung genannt wurde, gar nicht das Hauptproblem mit einem Pensum von 40 Prozent. Periodisch finden Gespräche statt, damit die Nachhaltigkeit der verein- « barten Strategie gewährleistet werden kann. Die Zusammenarbeit der Sozialdienste der katholischen Kirche im Kanton Zug ist eine starke Sache. Durch gemeinsam organisierte Projekte, wie etwa den Kleiderraum, schaffen wir Synergien und erreichen so mit unserer Unterstützung mehr Menschen. » Simone Schelker, Leiterin Diakoniestelle Leuchtturm, Zug SOZIALBERATUNG — 13
darstellt. So kommt es vor, dass jemand Beziehungs- während Trauerphasen, wegen Einsamkeit, mit Sucht- schwierigkeiten anführt. Diesen liegen aber vielleicht problemen, aus Angst vor einem Jobverlust und aus wiederkehrende finanzielle Probleme zugrunde, die im- vielen weiteren Gründen zum Sozialdienst St. Martin. mer wieder zu Konflikten führen. Oder es herrscht ein «Viele der Menschen, die den Weg zu uns finden, kämp- hoher Druck am Arbeitsplatz, der in die Beziehung hin- fen mit einem Widerstand in ihrem Leben. Um diesen eingetragen wird. zu überwinden, suchen sie nach Unterstützung», stellt Stefan Horvath fest. Widerstände im Leben überwinden Entsprechend breit gefächert sind die Lösungsansätze, Zur aktiven Mitarbeit motivieren die Stefan Horvath mit seinen Klientinnen und Klienten Hat der Sozialarbeiter die Ursache dieses Widerstands erarbeitet. Einer Alltagsvorstellung zum Trotz sind näm- durch aufmerksames Zuhören und gezieltes Nachfragen lich längst nicht immer nur finanzielle Herausforderun- identifiziert, erarbeitet er gemeinsam mit der Klientin gen das beherrschende Thema, obwohl auch diese na- oder dem Klienten einen Lösungsansatz. Vielleicht stellt türlich oft vorkommen. Vielmehr stammen Stefan er fest, dass eine andere Fachstelle, wie Beziehungs- oder Horvaths Gesprächspartnerinnen und -partner aus allen Erziehungsberater, gezielter helfen können. Es kann dies sozialen Schichten. Neben Geld- und Beziehungsproble- auch eine Schulden- oder Budgetberatung sein. In vielen men kommen die Menschen auch mit Erziehungsfragen, Fällen sieht die Lösung aber auch so aus, dass man im Die Notwohnung der Pfarrei St. Martin Baar bietet in dringenden Fällen eine Zuflucht. « Die Zusammenarbeit mit Stefan Horvath schätze ich sehr, weil er ein kompetenter Ansprechpartner für das Thema Alter ist. Gespräch gemeinsam ein Ziel vereinbart und die nächs- ten Schritte dorthin definiert. Manchmal hilft schon ein einzelnes Gespräch, um den Überblick zurückzugewin- schiedene Möglichkeiten, um seine Klientinnen und Kli- enten punktuell finanziell zu unterstützen. «Wir leisten bei der Pfarrei keine wirtschaftliche Sozialhilfe», unter- Seine Erfahrung und sein Wissen bringt er nen, manchmal begleitet Stefan Horvath die Menschen streicht Stefan Horvath. Das sei ein wichtiger Unter- in verschiedene Arbeitsgruppen der Gemeinde während einer begrenzten Zeit. «Wichtig ist jedenfalls schied zwischen seiner Fachstelle und dem Sozialdienst immer, dass ich die Klientinnen und Klienten dazu moti- der Einwohnergemeinde, ergänzt er. Dennoch hat er die ein. Auch in der konkreten Altersarbeit der vieren kann, selber aktiv an einer Verbesserung ihrer Möglichkeit, punktuell finanziell Unterstützung zu leis- Pfarrei St. Martin ist diese Kompetenz spürbar. » Situation zu arbeiten», betont er. Nicht er suche für sie ten. Ist jemand vorübergehend in einen finanziellen Eng- Barbara Hotz, Leiterin Fachstelle eine neue Arbeitsstelle oder eine Wohnung, sondern sie pass gerutscht, sei es wegen eines Stellenverlusts, wegen Gesundheit / Alter, Einwohnergemeinde Baar müssten dies selber in die Hand nehmen – nötigenfalls eines Beziehungsendes oder aufgrund einer persönli- mit seiner wohl abgewogenen Unterstützung. chen Krise, kann die Übernahme einer Monatsrechnung der Krankenkasse oder ein einmaliger Mietzinszuschuss Punktuelle finanzielle Unterstützung dazu beitragen, dass diese Person sich nicht verschulden Oft ist es aber halt doch die wirtschaftliche Not, die die muss und sich so nicht noch zusätzliche Schwierigkeiten Leute beschäftigt, die an die Tür des Sozialdiensts auflädt. Für grössere Unterstützungsbeiträge steht der St. Martin klopfen. Stefan Horvath hat denn auch ver- Nothilfefonds der Katholischen Kirchgemeinde Baar be- 14 — SOZIALBERATUNG SOZIALBERATUNG — 15
« Den Sozialdienst der Kath. Kirchgemeinde sehe ich als wertvolle Ergänzung zur gesetzlich geregelten Sozialhilfe der Einwohnergemeinde. Komplementär zu dieser kann er Benachteiligte noch weitergehender unterstützen und Hilfe sehr individuell gestalten. » Berty Zeiter, Gemeinderätin und Sozialvorsteherin der Einwohnergemeinde Baar reit. Stefan Horvath kann beim Kirchenrat eine Unter- Vertrauen ermöglicht Lösungen stützungszahlung beantragen, um jemandem wieder auf Es ist eine wichtige Eigenschaft des Sozialdiensts St. Mar- die Beine zu helfen, der ins Straucheln geraten ist, oder tin, dass man hier auf niederschwellige Weise Hilfe er- um dessen Lebensumstände nachhaltig zu verbessern. fährt. Hier kann man auf diskrete Art sein Anliegen äus- So etwa als einer Familienmutter ein substanzieller Bei- sern. Das Gespräch findet freiwillig und auf Augenhöhe trag an eine Weiterbildung ausgerichtet wurde, dank der statt. «Es ist klar, dass der Sozialdienst der Einwohner- sie ihr Einkommen verbessern und so unabhängig blei- gemeinde als Voraussetzung für Unterstützungszahlun- ben konnte. Oder als ein ehemals Suchtkranker, dessen gen ein hohes Mass an Kooperationsbereitschaft verlan- Zähne unter langjährigem Drogenmissbrauch gelitten gen muss. Das erzeugt Unbehagen. Da der pfarreiliche hatten, seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt dank einer Sozialdienst eine andere Rolle spielt, ist die Hemm- Gebisssanierung wesentlich verbessern konnte. «Wichtig schwelle, um bei uns anzuklopfen, oft niedriger», erklärt sind in jedem Fall gründliche Abklärungen», hebt Stefan Stefan Horvath. Horvath hervor. Er fragt, wieso jemand gerade jetzt zum Weiterbildungskurs der freiwilligen Mitarbeitenden im Lassalle-Haus in Menzingen. Sozialdienst komme, was bisher gemacht wurde und ob Wann hat ein Sozialarbeiter erfolgreich gearbeitet? auch Familienangehörige, Freunde oder andere Unter- «Wenn sich hilfesuchende Menschen verstanden fühlen, stützer zur Verbesserung der Situation beitragen könnten. Vertrauen fassen und mir ihre Geschichte vorbehaltlos erzählen. Ich erlebe viele schöne Begegnungen und spü- Stefan Horvath ist es ein zentrales Anliegen, die Men- re viel Dankbarkeit», beschreibt er. Erfolg zeige sich oft schenwürde der hilfesuchenden Menschen zu wahren. in konkreten Hilfestellungen. Die Vermittlung eines hilf- «Es ist besser, jemandem die Gelegenheit zu geben, Geld reichen Beratungsangebots, eine erreichte Fristerstre- zu verdienen, als ihn mit Almosen zu versehen», ist er ckung, die Verlängerung eines Mietverhältnisses oder überzeugt. So hat er auch schon bettelnde slowakische eine gelungene Wohnungssuche seien konkreter Aus- Musiker kurzerhand gegen eine Gage für einen Unter- druck erfolgreicher Arbeit. Er freue sich aber auch über haltungsauftritt bei einem Fest engagiert – nachdem er positive Rückmeldungen, die zeigten, dass der pfarreili- sich von ihrem musikalischen Können überzeugt hatte. che Sozialdienst etwas bewirke, schliesst er. 16 — SOZIALBERATUNG SOZIALBERATUNG — 17
FALLBEISPIEL AUFGABEN UND NETZWERKE Eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern meldete Gemeinsam für die Menschen etwas erreichen sich beim Sozialdienst St. Martin. Die Familie leidet unter psychosozialen Problemen und weiteren belas- tenden Lebensumständen. Eines der Kinder benötigt psychologische Hilfe. Wegen psychosomatischer Be- Neben der Sozialberatung bringt der Sozialdienst St. Martin schwerden der Mutter läuft eine Abklärung bei der In- vor allem in seinen Aufgabenbereichen Altersarbeit und validenversicherung. Sie möchte aber gerne in einem Unterstützung benachteiligter Familien Licht ins Leben von Teilzeitpensum arbeiten. Hinzu kommen finanzielle Leuten, die sonst wenig Gehör finden. Dabei kann er auf Sorgen. Die Wohnungsmiete belastet das Familienbud- die wertvolle Unterstützung von Freiwilligen und die Zusam- get unverhältnismässig. Notwendige Neuanschaffun- gen für die Wohnungseinrichtung können so nicht fi- menarbeit mit anderen Sozial- und Fachstellen zählen. nanziert werden. Der Vater lässt sich nur schwer in die Verantwortung einbinden. Er entzieht sich dieser zu- Die Lebensumstände der Menschen in der Pfarrei ver- traute Freunde und Verwandte sterben, und da der eige- nehmend und kämpft unter anderem mit Suchtprob- bessern. Das ist eines der zentralen Ziele des Sozial- ne Aktionsradius immer kleiner wird, entstehen nur diensts St. Martin, das dieser nicht nur in der Beratungs- noch wenige neue Beziehungen. Dazu kommt, dass auch lemen. Auch von Freunden und Verwandten ist keine tätigkeit, sondern auch in der Altersarbeit verfolgt. die Sinne allmählich nachlassen. Um der damit drohen- Hilfe mehr zu erwarten. «Betagte Menschen haben unsere Gesellschaft während den Vereinsamung entgegenzutreten, pflegt die Pfarrei Jahrzehnten getragen. Sie verdienen es, dass man ihnen St. Martin verschiedene Angebote. So organisiert der Im Erstgespräch zeigte sich, dass bereits mehrere Stel- in der dritten oder vierten Lebensphase Aufmerksamkeit Sozialdienst gemeinsam mit der Diakonie der reformier- und Wertschätzung entgegenbringt», betont Stefan Hor- ten Kirche des Bezirks Baar-Neuheim eine Ferienwoche len in den Fall involviert waren, so der Sozialdienst der vath. Ein wichtiges Thema in der Altersarbeit ist die Be- in einem Hotel in der Schweiz oder im nahen Ausland. Einwohnergemeinde, die Schuldenberatung Triangel, ziehungspflege. Das soziale Netz von Seniorinnen und Rund 20 rüstige Seniorinnen und Senioren erkunden je- die Pro Infirmis, die AHV/IV-Stelle des Kantons Zug, die Senioren dünnt sich mit zunehmendem Alter aus. Ver- weils gemeinsam die Region auf Ausflügen oder Besich- Triaplus Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Klientin bevollmächtigte den Sozialdienst St. Martin mit diesen « Fachstellen in Kontakt zu treten. Durch Verhandlung mit den involvierten Akteuren konnte die Familie fi- nanziell entlastet werden. Der Mutter steht es offen, Während acht Jahren habe ich eine betagte die Sozialberatung der Pfarrei St. Martin weiterhin zu Frau betreut. Im Lauf der Zeit erwuchs konsultieren. Die zielgerichtete Unterstützung der Fa- daraus fast eine Mutter-Tochter-Beziehung. milie durch den Einbezug einer freiwilligen Person im Man erhält viel zurück, wenn man sich Rahmen der Wegbegleitung Baar wäre sinnvoll. freiwillig engagiert. Der Sozialdienst St. Martin bietet auf vielen Ebenen die Möglichkeit, » Freiwilligenarbeit zu leisten. Martha Zangger, freiwillige Mitarbeiterin AUFGABEN UND NETZWERKE — 19
« Durch mein Engagement für den Mitenand- Nachmittag konnte ich der Gesellschaft etwas für das Glück in meinem Leben zurückgeben. Im Team haben wir Musik und Unterhaltung organisiert, Chilbi und Fasnacht gefeiert sowie interessante Vorträge angeboten. Viele Betagte haben diese Möglichkeit zur Begegnung » geschätzt und genutzt. Maria Widmer, freiwillige Mitarbeiterin Fröhliche und genussvolle Momente in der Ferienwoche am Walensee 2019. tigungen. Begegnungen, Vorträge und musikalische Un- Ein Höhepunkt im Jahresverlauf vieler Menschen ist die terhaltung bieten die ebenfalls von beiden Kirchen offene Weihnachtsfeier. In ökumenischer Zusammen- getragenen Mitenand-Nachmittage im Pfarreiheim arbeit organisieren die Sozialdienste der beiden Landes- St. Martin in Baar und der Pensioniertenhöck im kirchen am Heiligabend eine Feier, zu der Menschen je- St-Thomas-Zentrum in Inwil. Höhepunkte des Jahrespro- den Alters eingeladen sind, die nicht alleine feiern gramms bilden die Feiern zu Chilbi und Fasnacht, wo mögen. jeweils das Baarer Fasnachtsoberhaupt, der Räbevater, seine Aufwartung macht. Zudem unterstützt der Sozial- Die Familienunterstützung ausbauen dienst St. Martin den von Freiwilligen ins Leben gerufe- Um aber nicht nur jene Seniorinnen und Senioren zu Unterhaltung und Möglichkeit zur Begegnung am Mitenand-Nachmittag. nen Mittagsclub. Hier treffen sich Paare und Alleinste- erreichen, die noch an den angebotenen Veranstaltun- hende einmal monatlich zum gemeinsamen Mittagessen. gen teilnehmen mögen, erhalten alle Mitglieder der Ka- 20 — AUFGABEN UND NETZWERKE AUFGABEN UND NETZWERKE — 21
tholischen Kirchgemeinde ab 85 Jahren einen Geburts- Zur temporären Überbrückung einer schwierigen Wohn- gebot der Kirche wegfallen, müsste die Gemeinde oder bleiben», betont Stefan Horvath. Damit spricht er etwa tagsbesuch. Freiwillige überbringen ein Präsent und situation kann der Sozialdienst auf eine Notwohnung der Kanton Ersatz anbieten. Es ist anzunehmen, dass an, dass die Besuche der betagten Gemeindemitglieder melden dem Sozialdienst, wenn sie ein Bedürfnis für der Kirchgemeinde zugreifen. Sozial bedürftige Familien dies den Steuerzahler unter dem Strich wesentlich reduziert werden mussten, weil einer wachsenden Unterstützung feststellen. Das kann eine helfende Hand können sich zudem im Kleiderraum, der von den sozial- mehr kosten würde. Gruppe von Seniorinnen und Senioren, die zweimal im im Alltag sein, etwa beim Ordnen von Papieren, bei All- diakonischen Stellen der katholischen Kirche des Kan- Jahr Besuch erhalten sollten, eine kleiner werdende tagsverrichtungen wie Einkaufen oder Arztbesuch oder tons Zug gemeinsam geführt wird, mit gespendeten Tex- Die Freiwilligenarbeit der Zeit anpassen Gruppe von Freiwilligen gegenüberstand, die bereit wa- auch einfach, weil sie sich Gesellschaft wünschen für tilien eindecken. «Wie viele gesellschaftliche Bereiche unterliegt aber die ren, diese Besuche zu übernehmen. In der Folge hat die eine Unterhaltung, einen Spaziergang oder zum regel- Freiwilligenarbeit einem Strukturwandel. Wir müssen Pfarrei entschieden, auf die Besuche in der Adventszeit mässigen Spielen. Über den Freiwilligendienst der öku- Aus der Freiwilligenarbeit wächst echter Mehrwert deshalb bestehende Konzepte überdenken, um in zu verzichten und das Alter, ab welchem Jubilare be- menischen Wegbegleitung versucht der Sozialdienst «Die Freiwilligenarbeit ist für die Sozialdiakonie ein un- Zukunft als Wirkungsfeld für Interessierte attraktiv zu sucht werden, auf 85 anzuheben. solche Bedürfnisse abzudecken. verzichtbares Werkzeug. Glücklicherweise sind viele Menschen bereit, sich im kirchlichen Rahmen zum Obwohl ein Schwerpunkt der Arbeit des Sozialdiensts Wohl anderer und der Gemeinschaft zu engagieren», St. Martin in der Altersarbeit liegt, befasst er sich mit stellt Stefan Horvath fest. Das sei eine besondere und Menschen aller Altersgruppen. So soll die ökumenische wertvolle Stärke der Kirche, fügt er hinzu. «Es ist näm- Wegbegleitung neben Menschen im Pensionsalter künf- lich erwiesen, dass sich jeder Franken, der in die pfar- tig vermehrt auch Familien Unterstützung bieten. Eine reiliche Freiwilligenarbeit investiert wird, für die Gesell- entsprechende Konzeptanpassung wird gegenwärtig dis- schaft mehrfach auszahlt.» Oder anders ausgedrückt: kutiert. Viele Familien, Alleinzerziehende und Einzelper- Würde das heute durch die Kirchensteuer finanzierte sonen werden zudem in der Sozialberatung begleitet. und durch viele Freiwillige mitgetragene Leistungsan- « Der Mittagsclub ist aus einer privaten Initiative entstanden. Alleinstehende und Paare treffen sich einmal wöchentlich zu gemeinsamem Essen und Austausch. Regelmässig präsent ist der Sozialdienst St. Martin, um seine vielfäl- tigen Angebote für Seniorinnen und Senioren » vorzustellen und zugänglich zu machen. Brigitte Dettling, freiwillige Mitarbeiterin Horizonterweiterung auf dem Ausflug für die freiwilligen Mitarbeitenden 2001 nach Solothurn. 22 — AUFGABEN UND NETZWERKE AUFGABEN UND NETZWERKE — 23
Erfolgreich nur im Netzwerk Erfahrungsaustausch gepflegt und Lösungen erarbeitet für Neben der Freiwilligenarbeit ist eine weitere wichtige Säule Herausforderungen, die die gesamte Region betreffen. in der Arbeit des Sozialdiensts St. Martin die vernetzte Zu- Über den kirchlichen Kontext hinaus treffen sich die Fach- sammenarbeit mit internen und externen Partnern. So ist leute in der Ortsgruppe Sozialtätiger im Kanton Zug. die Sozialdiakonie eingebettet in das Seelsorge- und Kate- Hilfreich ist auch die Vernetzung innerhalb der Gemeinde cheseteam der Pfarrei St. Martin. Der Sozialdienst arbei- Baar. tet beispielsweise in der Altersarbeit eng verzahnt mit der Seelsorge zusammen und ist eingebunden in die Durch- Um den Kontakt und die Zusammenarbeit zur Sozialabtei- führung von Pfarreianlässen. Ganz wichtig ist auch die Zu- lung der Einwohnergemeinde zu pflegen, engagiert sich sammenarbeit mit der Sozialdiakonie der reformierten Stefan Horvath in gemeindlichen Kommissionen und Ar- Kirche des Bezirks Baar-Neuheim. Gemeinsam tragen beitsgruppen, die sich mit Themen wie Nachbarschaftshilfe die beiden Sozialdienste in langjährig erprobter ökumeni- oder Wohnen im Alter befassen. «Diese Netzwerkarbeit ist scher Zusammenarbeit verschiedene Projekte wie die Fe- wichtig, um bei Bedarf einen direkten Zugang zu anderen rienwoche, die Wegbegleitung oder die offene Weihnachts- Fachleuten zu erhalten. Das vereinfacht die Lösungsfin- feier und entwickeln diese laufend weiter. dung ungemein – sei es bei der Entwicklung neuer Projekte oder in der Sozialberatung», hält Stefan Horvath fest. Das Ganz wichtig ist der Austausch im Rahmen des Sozialhöcks gilt selbstredend auch für die Zusammenarbeit und Fach- (Soho), wo sich die sozialdiakonischen Stellen der katholi- und Beratungstellen sowie Sozialeinrichtungen wie dem schen Kirchgemeinden Zug, Baar und Cham-Hünenberg Caritas Markt Baar, dem Verein punkto Eltern, Kinder zum Erfahrungsaustausch und zur Organisation gemeinsa- & Jugendliche, der Schuldenberatung Triangel, dem mer Projekte treffen. Der Soho ist überdies in der Inner- Schweizerischen Roten Kreuz Zug, der Pro Senectute schweizer Arbeitsgemeinschaft kirchlich Sozialarbei- oder mit Triaplus Ambulante Psychiatrie und Psycho- tender (IAKS) vertreten. Auch hier wird der therapie Zug und vielen weiteren mehr. Bringt die Menschen zusammen: Die offene Weihnachtsfeier. « Die «Offene Tür» bringt an Heiligabend Leute zusammen, die sonst an diesem Tag allein wären. Gemeinsam geniessen sie einen festlichen Abend in weihnächtlicher Den oft geäusserten Vorbehalt, dass sich die jüngere Gene- heute bereit, sich für eine begrenzte Zeit oder für ein Pro- Atmosphäre. Besonders schön finde ich, ration nicht mehr für die Freiwilligenarbeit begeistern lasse, jekt einzusetzen. Sie wollten sich jedoch nicht mehr über dass die Sozialdienste der katholischen und lässt Stefan Horvath nicht gelten. Als er für die Einwohner- einen längeren Zeitraum binden lassen. «Dieser gesell- der reformierten Kirche diesen Abend » gemeinde während des pandemiebedingten Lockdowns schaftlichen Entwicklung müssen wir Rechnung tragen und im Frühling 2020 die Nachbarschaftshilfe organisierte, die Freiwilligenhilfe entsprechend weiterentwickeln, am Hand in Hand miteinander organisieren. meldeten sich viele junge Leute als Freiwillige. Viele seien besten mit der Partizipation der Freiwilligen», folgert er. Nick Limacher, Freiwilliger Mitarbeitender 24 — AUFGABEN UND NETZWERKE AUFGABEN UND NETZWERKE — 25
CHANCEN, HERAUSFORDERUNGEN, VISIONEN «Neue Zugänge zu den Menschen öffnen» Die Sozialdiakonie ist eine wichtige Säule der kirchlichen Möglichkeit zu Begegnungen ausserhalb der kirchlichen Gleichzeitig sollen sie jene Unterstützung beziehen kön- Räume. So können wir mit Menschen ins Gespräch kom- nen, die sie in der jeweiligen Lebensphase für die Pflege Arbeit. Kirchgemeindepräsident Thomas Inglin und Stefan men, die wenig Berührungspunkte mit der Kirche haben. und zur Alltagsbewältigung benötigen. Wichtig ist, in sol- Horvath, Leiter des Sozialdiensts St. Martin, legen im chen Strukturen den älteren Menschen Begegnungen zu Gespräch dar, welche Aufgaben sie erfüllt, wo die aktuellen Ist denn die Kommunikation an einem ermöglichen und die Gemeinschaft erlebbar zu machen. Dorffest nicht zu oberflächlich? Hier kann sich die Kirche mit ihren Kompetenzen und dank Herausforderungen liegen und welchen Visionen der Inglin: Es geht darum, einander in einem ungezwungenen der Unterstützung ihrer vielen freiwilligen Mitarbeitenden Weg in die Zukunft folgt. Rahmen zu begegnen. Auch eine solche Unterhaltung sehr gut einbringen. kann Vertrauen schaffen. Vielleicht erinnert man sich spä- ter an diese Begegnung mit dem Seelsorger oder mit dem Der Einsatz von Freiwilligen in der Was bedeutet der Sozialdienst für die Dann ist der Sozialdienst also ein wichtiges Sozialarbeiter der Pfarrei, wenn man Unterstützung be- Altersarbeit hat in der Kirche Tradition. Katholische Kirchgemeinde Baar? Instrument für die Pfarreiarbeit? nötigt. Oder man kann jemandem aus dem eigenen Um- Horvath: Das ist richtig. Gleichzeitig stehen wir aber vor Thomas Inglin: Es ist eine grundsätzliche Aufgabe der Inglin: Unbedingt! Die Kirche betreibt Seelsorge und feld einen hilfreichen Kontakt vermitteln. der Herausforderung, dass sich die Freiwilligenarbeit im Kirche, in jeder Lage für die Menschen da zu sein. In engagiert sich gleichzeitig auch im konkreten Lebens- Umbruch befindet. Viele unserer Freiwilligen stehen selber schwierigen Situationen reicht es nicht, nur zu beten. umfeld der Menschen. Dahinter steht seit 2000 Jahren Welchen Herausforderungen steht die schon im Seniorenalter. Jüngere Leute möchten sich häu- Dann benötigen die Menschen handfeste Hilfe. Früher die Grundhaltung: «Ich nehme dich an, wie du bist. Ich Sozialdiakonie aktuell gegenüber? fig nicht über längere Zeit binden und lassen sich eher für löste das der Pfarrer allein. Heute ist das nicht mehr will dich nicht verändern, aber ich will dich darin unter- Horvath: Ein wichtiges Thema unserer Gesellschaft ist die zeitlich begrenzte Projekte gewinnen. Also müssen wir die möglich. Viele Probleme sind vielschichtig und komplex stützen, ein erfülltes Leben zu führen.» Schaffung von zahlbarem Wohnraum. Insbesondere müs- Freiwilligenarbeit neu organisieren. Dabei ist es wichtig, und die Priester und Theologen fokussieren sich heute sen wir Wohnformen für ältere Menschen schaffen, in die Freiwilligen an diesem Prozess zu beteiligen, um neue richtigerweise auf ihre ebenfalls wichtigen Aufgaben in Stefan Horvath: Die Sozialdiakonie bietet der Kirche denen sie ein selbstbestimmtes Leben führen können. Formen zu finden, die auch ihre Bedürfnisse bedienen. « Seelsorge und Liturgie. die Chance, neue Zugänge zu den Menschen zu öffnen. Viele Leute kommen nicht mehr in den Gottesdienst. In welchen Fällen soll sich die Durch die Angebote der Sozialdiakonie erreichen wir Kirche engagieren? viele von ihnen und können so unseren Auftrag erfüllen. Mit dem Sozialdienst St. Martin arbeiten wir Inglin: Es gehört zum Grundverständnis des Christen- Der Sozialdienst ist also ein wichtiges und ein zeitge- konstruktiv zusammen. Wenn ein Angebot tums, dass sich die Kirche für die Menschen einsetzt. Es mässes Instrument. sinnvollerweise ökumenisch aufgegleist werden ist eine ihrer zentralen Aufgaben, die Lebensbedingun- sollte, setzen wir das um. Man spürt, dass wir gen der Menschen zu verbessern. So etwa hat die Katho- Inglin: Die Sozialdiakonie reicht zurück bis zu den Wur- lische Kirchgemeinde Baar mit ihrer Stiftung St. Wende- zeln des Christentums. Jesus ist immer zu den Men- auf derselben christlichen Wertebasis arbeiten lin mehr als 100 grösstenteils preisgünstige Wohnungen schen hingegangen und hat die Begegnung gesucht. Es und von einem gemeinsamen Verständnis geschaffen. Darüber hinaus müssen wir uns aber auch gibt nur wenige Szenen, in denen er im Tempel wirkt. der Sozialdiakonie ausgehen, das immer den für das seelische Wohl der Menschen einsetzen. Sich Menschen in den Mittelpunkt setzt. » eine taugliche Wohnung leisten zu können, ist wichtig. Horvath: Daran können wir uns ein Beispiel nehmen, Genauso wichtig ist aber zum Beispiel, dass man nicht und dort hingehen, wo die Menschen sind. Warum nicht Bruno Baumgartner, Sozialdiakon vereinsamt. als Pfarrei am Dorffest ein Beizli führen? Das schafft die Reformierte Kirche Bezirk Baar Neuheim 26 — CHANCEN, HERAUSFORDERUNGEN, VISIONEN CHANCEN, HERAUSFORDERUNGEN, VISIONEN — 27
Stefan 28 Horvath, Leiter Sozialdienst St. Martin. — SOZIALBERATUNG Thomas Inglin, Kirchgemeindepräsident. SOZIALBERATUNG — 29
Ist die Freiwilligenarbeit ein Auslaufmodell? Diese Form der Belohnung darf nicht zu knausrig aus- Der Sozialdienst St. Martin wird in seinem Horvath: Nein, auf keinen Fall. Die Bereitschaft, sich fallen, soll aber auch nicht klotzig daherkommen. Die Jubiläumsjahr personell erweitert. für die Gemeinschaft zu engagieren, ist immer noch überwiegende Mehrheit zieht ihre Motivation aber oh- Welche neuen Schwerpunkte ermöglicht die- hoch. Das hat sich etwa gezeigt, als im Frühling 2020 nehin nicht aus materiellen Gaben. Es ist vielen wichtig, ser Ausbau? das gesellschaftliche Leben wegen der Pandemie vom sich für andere einzusetzen, denen es vielleicht nicht so Horvath: Künftig können wir unsere Kontakte im Netz- Bundesrat heruntergefahren wurde. Ich koordinierte gut geht. Für manche ist es auch eine Möglichkeit, sich werk besser pflegen und vertiefen. Davon profitieren damals für die Einwohnergemeine Baar die Nachbar- auf diese Weise für das eigene Glück dankbar zu erwei- auch unsere Klienten. In der Freiwilligenarbeit können schaftshilfe. Und es gelang uns mühelos, Freiwillige in sen. Nicht zuletzt ziehen viele aus der Freiwilligenarbeit wir zudem zielgerichteter und fundierter arbeiten und so ausreichender Zahl zu gewinnen, um die Versorgung eine hohe Befriedigung. Es macht sie zufrieden oder gar deren Wert für alle Beteiligten steigern. Und wir können älterer und gefährdeter Menschen sicherzustellen. Er- glücklich, wenn sie anderen helfen können. mehr Ressourcen in die Kommunikation investieren. Da- freulicherweise haben sich auch viele jüngere Freiwilli- mit werden unser Engagement und unsere Leistungen ge gemeldet. Inglin: Es ist eine Stärke der Kirche, dass es ihr seit je- von all unseren Partnern und Anspruchsgruppen besser her gelingt, Freiwillige für die Mitarbeit zu gewinnen wahrgenommen. Das erleichtert unsere Arbeit insge- Warum ist die Freiwilligenarbeit in der und mit ihrer Unterstützung gesellschaftsrelevante samt und macht sie wirkungsvoller. Und schliesslich ent- Sozialdiakonie so wichtig? Leistungen zu erbringen. Die Einwohnergemeinde oder steht durch den Ausbau auch Raum für neue Projekte. Horvath: Freiwillige sind Multiplikatoren, die oft gut andere staatliche Organe wären wohl kaum imstande, vernetzt sind. Häufig kommen Klienten zu uns, weil ein dasselbe in diesem Ausmass mit so geringem finanziel- freiwillig tätiges Mitglied unserer Gemeinde einen Un- lem Aufwand zu erreichen und gleichzeitig die gesell- terstützungsbedarf feststellt und der Klientin oder dem schaftliche Solidarität zu stärken. Klienten empfiehlt, beim Sozialdienst der Pfarrei anzu- klopfen. In der Schweiz sind die Menschen oft zurück- Wie sieht die Zukunft der Sozialdiakonie haltend darin, andere in ihr Leben zu lassen. Wenn ein in der Pfarrei St. Martin aus? Freund oder eine Nachbarin den Kontakt zum kirchli- Inglin: Aktuell liegt unser Fokus stark auf der Altersar- chen Sozialdienst herstellt, fällt es den Betroffenen ein- beit. Die Kirche hat sich aber immer schon für alle Alters- facher, Hilfe anzunehmen. Wenn viele Freiwillige für gruppen engagiert. Wir sollten Wege finden, um uns von uns im Einsatz stehen, erfahren wir mehr über die Nöte der reinen Altersarbeit etwas zu lösen und um mehr Ge- der Menschen. meinschaftsformen zu schaffen, welche die Generatio- nen zusammenbringen. Davon würden auch die älteren Wie motivieren Sie Freiwillige zur Mitarbeit? Menschen profitieren. Horvath: Die Wertschätzung und die Anerkennung des Engagements sind wichtig. Das kann mit einem Nacht- Horvath: Wichtig scheint mir, dass wir nicht nur eigene essen oder einem Ausflug ausgedrückt werden. Denk- Angebote schaffen, sondern uns auch an den Projekten bar sind auch neue, andere Formen, die vielleicht jün- anderer Träger beteiligen und an der gesellschaftlichen gere Generationen besser ansprechen. Wichtig ist, die Entwicklung mitarbeiten, um die Marke Kirche sichtbar richtige Dosierung zu finden und authentisch zu sein. und spürbar zu machen. Christine Vonarburg verstärkt den Sozialdienst St. Martin. 30 — CHANCEN, HERAUSFORDERUNGEN, VISIONEN CHANCEN, HERAUSFORDERUNGEN, VISIONEN — 31
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