Historische Blätter - Neckarsulm und der Neckar - Heimat- und Museumsverein Neckarsulm
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Historische Blätter Heimat- und Museumsverein Neckarsulm Heft 72, Oktober 2013 Gerhard Mannheim Neckarsulm und der Neckar
Der Autor Gerhard Mannheim ist am 27. März 1944 in Nürn- berg geboren und ab dem 11. Lebensjahr in Stutt- gart aufgewachsen. Nach dem Abitur studierte er an der Universität Tübingen Psychologie und war anschließend 35 Jahre lang im Psychologischen Dienst der Bundeswehr tätig. Nachdem ihn sein Beruf ins Unterland geführt hatte, zog er 1981 mit der Ehefrau und den beiden Söhnen nach Neckarsulm. Aber Gerhard Mann- heim fühlt sich hier nicht als „Zugereister“, da er Neckarsulmer Vorfahren hat. Private Ahnenforschung weckte auch das Interesse an der Stadtgeschichte. Jedoch ließen ihm die Be- rufstätigkeit, verschiedene Ehrenämter wie auch das regelmäßige Training als aktiver Turniertänzer Gerhard Mannheim mit Ehefrau Anneliese wenig Zeit für dieses Hobby. Diplom-Psychologe Seit Eintritt in den Ruhestand kann er sich nun in- Neckarsulm tensiver der Historie unserer Stadt widmen. Zum Thema „Neckarsulm und der Neckar“ kam er durch die Anregung von Kurt Bauer, dem Vorsitzenden des Heimat- und Museumsvereins. Inhaltsverzeichnis Seite Die Neckarschifffahrt bis zum 19. Jahrhundert 3 Der Ausbau des Neckars zur Großschifffahrtsstraße 6 Die Fähre und der Neckarsteg 10 Die Flößerei auf dem Neckar 14 Die Neckarsulmer Schiffswerft 20 Herausgeber: Heimat- und Museumsverein Neckarsulm Redaktion: Bernd Herrmann und Barbara Löslein Gestaltung und Satz: Bernd Herrmann Druck: Welker-Druck, Neckarsulm Titelseite Abb. 1: Neckarsulm von Westen 1820. Kolorierte Radierung bei G. Ebner 2
Abb. 4: Bau von Kanal und Wehrbrücke 1923 Der Ausbau des Neckars zur Großschifffahrtsstraße Auch nach Einführung der Kettenschleppschifffahrt sierung des Neckars zwischen Mannheim und dem war die Größe der Lastkähne auf dem unteren Stuttgarter Raum und auch für die Weiterführung Neckar begrenzt und die Güter mussten bei Mann- der Wasserstraße über die Schwäbische Alb bis zur heim von den größeren Rheinschiffen auf die klei- Donau bei Ulm. Das Neckar-Donau-Kanal-Komitee neren Neckarboote umgeladen werden. Niedrig- erreichte, dass die Neckaruferstaaten Württem- wasserperioden, wie sie gegen Ende des 19. Jahr- berg, Baden und Hessen von 1904 bis 1911 ein hunderts häufig auftraten, zwangen zudem oft mo- Gutachten hinsichtlich der Kanalisierung des unte- natelang zur völligen Einstellung der Schifffahrt. ren Neckars von Mannheim bis Heilbronn erstellen Diese Nachteile wirkten sich zwangsläufig auf die ließen. Im Auftrag Württembergs, das an einer Frachtkosten aus. Die Neckarschifffahrt verlor da- schiffbaren Wasserstraße bis zum Stuttgarter her im stärker werdenden Wettbewerb mit der Ei- Raum interessiert war, erstellte Regierungsbau- senbahn, die mit besonders günstigen Frachttari- meister Otto Konz von 1910 bis 1912 eine weiter- fen warb, bis 1900 zunehmend an Bedeutung. gehende Entwurfsplanung für die Kanalisierung Gleichzeitig benötigte die Industrie, deren Güter- des Neckars von Heilbronn bis Plochingen. Planung verkehr um 1900 stetig anwuchs, kostengünstige und Baubeginn verzögerten sich durch den Ersten Transportmöglichkeiten auf dem Wasserweg, ins- Weltkrieg. besondere für die Belieferung mit Kohle. Voraus- 1921 schlossen das Deutsche Reich – der setzung waren Wasserstraßen, die von großen Neckar war nach der Weimarer Verfassung eine Schiffen, wie sie auf dem Rhein verkehrten, befah- Reichswasserstraße – sowie die Länder Württem- ren werden konnten. berg, Baden und Hessen einen Staatsvertrag, die Um die Jahrhundertwende 1900 setzte sich da- Neckar-Donau-Wasserstraße von Mannheim nach her zunehmend die seit Jahrzehnten diskutierte Plochingen und später weiter von Plochingen nach und auch teilweise heftig bekämpfte Idee durch, Ulm zu verwirklichen. Die Durchführung des Aus- den Neckar zu einer leistungsfähigen Großwasser- baus und seine Finanzierung oblagen der 1921 ge- straße auszubauen. gründeten Neckar AG; als Reichsbehörde fungierte Ein 1897 begründetes „Komitee für die Hebung die Neckar-Baudirektion in Stuttgart. Die Leitung der Neckarschiffahrt“, 1903 in „Neckar-Donau- der Baumaßnahmen hatte Otto Konz inne, der so- Kanal-Komitee“ umbenannt, warb für die Kanali- wohl Vorstand der Neckar AG als auch Leiter der 6
Abb. 9: Wiesen zwischen Stadt und Neckar 1834 Die Karte zeigt Neckarsulm und den Neckar im Jahr Weg vom oberen Tor führt zum Neckar und zur 1834. Neckarsulm ist noch vollständig von Stadt- Fähre, der einzigen Verbindung zum Obereiseshei- mauern umschlossen. Zwischen dem Stadtschloss mer Ufer. (oben rechts) und dem Neckar liegen Wiesen. Der Neckarsulm hat 2000 Einwohner. 12
Neckarsulmer Zeitungen berichten 22. Juni 1886: Die Neckarsulmer Werft baut Kettenschlepper für die „Mainkette“ Heute wurde der erste von den 3 Kettenschlep- chen wird die Montierung der von der Maschinen- pern, welche auf der hiesigen Schiffswerfte für die fabrik Gebr. Sachsenberg in Roßlau an der Elbe ge- Aktiengesellschaft „Mainkette“ in Mainz gebaut lieferten Kessel und Maschinen vollends bewerk- werden, vom Stapel gelassen. Der im großen Gan- stelligt werden. Seine Probefahrt wird der Schlep- zen nach demselben Prinzip wie die Neckarschlep- per an der Neckarkette machen. Die 2 weiteren für per, in Einzelheiten und in der Form etwas zierli- die „Mainkette“ bestimmten Schlepper sind soweit cher als letztere gebaute Schiffskörper wurde in Anwesenheit der Direktion der „Mainkette“ und gelassen werden können. Die „Mainkette“ der „Kettenschleppschifffahrt“ Heilbronn glücklich wird hienach die Schleppschifffahrt auf dem Main seinem Elemente übergeben; in den nächsten Wo- zunächst in Würzburg eröffnen. 25. Juni 1907: Die Einweihung des Neckarstegs bei Neckarsulm Nachbarorten rechts und links des Neckars ist voll- ckar in weitem Bogen unterhalb der Unteren endet. Schlank in seinem Aufbau und doch solid Neckarstraße hier überspannt, offiziell seine Weihe ragt es in die Höhe, stolz lauschend dem Gemur- erhalten. Am Samstag fand die Einweihung in Ge- mel der Wellen des Neckars, harrend des Verkehrs genwart des Herrn Regierungspräsidenten von Kil- auf und unter ihm. bel statt, durch einen Akt an der Brücke selbst und Mit dem Bau der Brücke wurde Mitte Oktober dann durch ein Festessen im „Prinz Karl“. Bei bei- vorigen Jahres begonnen; mancherlei Hindernisse den Gelegenheiten waren Neckarsulmer und während der Ausführung verzögerten aber dessen Obereisesheimer nebst Neckargartacher usw. in Fertigstellung bis heute. bester Harmonie vereinigt, durchdrungen von den Auf 3 zierlichen Betonpfeilern ruht das eiserne Gefühlen der Freude über Fertigstellung eines wohlgelungenen Bauwerkes. Über die Feierlichkeit ½ m Breite die Fluten des Neckars überspannt. der Einweihung im einzelnen wird berichtet: Seine Verkehrssicherheit wurde durch eine Probe- Nachdem die Etablissements der Neckarsulmer belastung von 8 Ztr. Auf den qm oder ca. 2000 Fahrradwerke und der Gebr. Spohn unter dankens- Zentner für den ganzen Steg dargetan. werter Führung der Herren Direktor Banzhaf und Die Herstellungskosten wurden auf 56 000 Mk. Kommerzienrat Spohn besichtigt waren, nahm um veranschlagt, die wohl nicht überschritten werden. 4 Uhr eine ansehnliche Festversammlung am Zu- Die gang des Steges auf Neckarsulmer Seite Aufstel- Baresel Tiefbauunternehmung in Stuttgart lung. Der Steg war mit Fahnen schön geschmückt. die Gründung und Herstellung der Betonpfeiler. Die Maschinenfabrik Walde, Kade und Erat in Steinbach bei Hall die gesamte Eisenkonstruktion. erschienen die Herren Oberregierungsrat Lorenz Vogt Unternehmer in Neckarsulm die Geh- Lang, Baurat Erhardt, Regierungsrat Haller, fläche aus Bimsbeton. Sägwerksbesitzer Knapp in Neckarsulm den Treppenbelag. Das Asphaltge- , Wälde usw. Ferner waren die bürgerlichen schäft Volz in Feuerbach die Asphaltierung und Malermeister Fell in Neckarsulm die Anstrich- arbeiten. der hiesigen Stadt und der Umgebung Sämtliche Arbeiten verliefen Gott sei Dank ohne anwesend. jeden Unfall. Dank sei allen denen ausgesprochen, Nach der Begrüßung des Herrn Regierungspräsi- die bei der Ausführung dieser Arbeiten tätig mitge- denten und der übrigen auswärtigen Gäste begann wirkt haben. der Eröffnungsakt. Möge der neue Steg als ein Wahrzeichen friedli- Zunächst sprach Stadtbaumeister Schmid fol- cher, emsiger Arbeit, zur weiteren segensreichen gendes: Hochansehnliche Festversammlung! Fortentwicklung unsere Stadt gesetzt sein und Ein neues, weiteres Bindeglied zwischen den auch jederzeit nur dazu dienen. ... 24
5. Juli 1911: Das 158ste Schiff Heute Mittag findet der Stapellauf des Lastschiffes „Georg“ statt; 5000 Zentner netto Tragkraft, Länge 45 Meter, Breite 6,8 Meter, Höhe 1,25 Meter. Es . Anderssen, Schiffswerke und Kesselfabrik hier gebaut wird. 27. April 1925: Das erste motorisierte Neckarschiff / Die neue Werft in Bau Die beiden letzten Tage brachten für Neckarsulm iert und ist das erste Neckarschiff, das einen Motor wichtige Ereignisse. Nachdem am Samstage mit und somit Eigenbewegung besitzt. Um dem Schiff der Füllung des Neckarkanals begonnen worden die Möglichkeit zu geben, stromlose Stellen bei war, wurde gestern früh das erste Motorlastschiff Wind rasch und günstig passieren zu können, wur- auf dem Neckar vom Stapel gelassen. Trotz des de ihm ein Rohölmotor der Motorenwerke Mann- heim (früher Benz) mit 16 Pferdestärken einge- am Neckarufer eingefunden. Kurz vor baut. Tanks für Wasserbalast sorgen dafür, daß der 11 Uhr fanden sich die Herren der Strombaudirek- Propeller des Motors, auch wenn das Schiff leer ist, tion genügend tief im Wasser liegt, um wirksam sein zu nuten später taufte Herr Anderssen, auf dessen können. Die Wohnräume sind wirklich behaglich Werft das stattliche Schiff erstellt worden war, das und geschmackvoll eingerichtet und reizen zur erste Fahrzeug, das den Neckarkanal hinabfahren Mitfahrt. durfte, mit einer kurzen Ansprache. Es Ein schneidiges Kommando, die Taue werden verläßt; denn etwas weiter kanalauf- gelöst, das Schiff gleitet schnell in die Fluten! Die wärts, direkt unterhalb der neuen Neckarsulmer hölzerne Behilfsbrücke, die den Verkehr zwischen Brücke, ist die neue Werft schon in Bau. Sie wird den beiden Ufern des Kanals vermittelte, wurde unserer Zeit entsprechend gebaut; auf mächtigen abgebrochen und gegen 2 Uhr fuhr das Schiff, das Eisenbetonunterlagen werden Schienen liegen, auf denen Rollwagen die Schiffskörper direkt vom mit der Flagge der Besitzer und der Wasser zur Reparatur auf die Werft oder zur ersten deutschen Seeflagge den Kanal hinunter, um bei Reise in die Fluten des Kanals führen werden. Kochendorf durchgeschleust und den Neckar ab- So bildet die Abfahrt dieses Schiffes einen denk- wärts nach Neckarsteinach zu fahren. würdigen Augenblick. Möge es gut reisen und sei- Das Schiff hat eine Länge von 46 Meter, eine ne Schwestern im Rhein grüßen vom Breite von 6,85 Meter und mißt an seiner nieders- ten Stelle, in der Mitte der Seite 1,45 Meter. Seine vollen Anschluß an das deutsche Wasserver- Tragkraft beträgt 350 Tonnen. Es ist nach den neu- kehrsnetz zu bekommen hofft! esten Erfahrungen der Schiffsbautechnik konstru- 25
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