Homeschooling wagen - für eine unbeschwerte Kindheit im Schuljahr 20/21

Die Seite wird erstellt Lana Opitz
 
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Homeschooling wagen - für eine unbeschwerte Kindheit im
 Schuljahr 20/21

Wenn ich die vielen Leidensgeschichten von Eltern und Schülern in den
verschiedenen sozialen Netzwerken höre, blutet mir als ausgebildeter und
derzeit anderweitig tätiger Lehrerin das Herz: rigide durchgesetzte
Maskenpflicht außerhalb des eigenen Sitzplatzes, die so wichtige Nähe zu den
Freunden wird unterbunden und teilweise sogar bestraft, unregelmäßiger
Schulbetrieb, einige Fächer finden überhaupt nicht statt, häufiges (für die zarte
Kinderhaut so schädliches) Händewaschen; die für die soziale Entwicklung so
wichtigen Schulausflüge und -fahrten sind ebenso abgesagt wie Schul- und
Abschlussfeiern. Hinzu kommen je nach Schule und Klasse oft noch andere
Einschränkungen. In manchen Klassen unterrichtet die Lehrerin hinter einer
Plexiglasscheibe, und in einer Klasse sitzt sogar jeder Schüler hinter einer
eigenen Plexiglasscheibe! Eine Erstklasslehrerin spricht von einem „merkwürdigen
Verhalten“: „Die Schulen sind ganz still. Normalerweise hat dort das Leben
getobt. Jetzt schleicht jeder in die Schule auf den markierten Wegen und sitzt
sofort im Klassenzimmer. Es hat an Lebendigkeit eingebüßt.“ Überholt geglaubte
„Tugenden“ wie Disziplin und Gehorsam sind wieder ins Klassenzimmer
eingezogen.
Gymnasiallehrer beklagen, dass die Fähigkeit zu kritischem Denken verlorengeht
und eine Diskussionskultur fehlt. Schüler würden dazu erzogen, dass es nur
wichtig sei, der vorgegebenen Meinung zu folgen. Auch seien Schüler mit
abweichender Meinung schnell Opfer von Mobbing und hätten einen schweren
Stand in der Gemeinschaft. Da Kinder und Jugendliche von Vorbildern lernen
würden, würden sie ihr natürliches Empfinden von Widersprüchen immer mehr
verlieren, z.B.: Warum darf ich meine Freundin vor dem Schultor umarmen, im
Pausenhof aber nicht mehr?

Wir aber wollen, dass unsere Kinder in einer Atmosphäre der Ehrlichkeit und des
Vertrauens aufwachsen!

Laut dem bayerischen Kultusminister Piazolo ist für das kommende Schuljahr in
Bayern noch alles offen: Regelbetrieb unter bestimmten Hygienevoraussetzungen
(???, Maske?), einzelne oder flächendeckende Lockdowns, Wechselbetrieb aus
Präsenz- und Fernunterricht - alles scheint möglich (s. Nürnberger Nachrichten
vom 4.7.20).
Aber das was wir uns wünschen - normaler Schulbetrieb ohne Masken - ist
für Piazolo überhaupt keine Option!
Eltern werden wohl also auch im kommenden Schuljahr ständig flexibel auf
staatliche und schulische Vorgaben reagieren müssen. Ebenso müssen die Kinder
nun beim kleinsten Anzeichen von Schnupfen zuhause bleiben und dürfen dann
womöglich erst nach einem negativen Covid-19-Test wieder zur Schule gehen.
Das Bedürfnis jeder Familie nach Planbarkeit wird damit grob verletzt. An eine
geregelte Arbeit der Eltern ist kaum zu denken.
Gleichzeitig können Kinder jederzeit in Quarantäne gesetzt werden, wenn
irgendeine Person im Schulgebäude positiv getestet wurde.
Die Kinder und Jugendlichen werden wahrscheinlich auch im kommenden
Schuljahr in den Schulen Masken tragen, Abstand halten und sich ständig die
Hände waschen müssen. Das ist für ihre psychische und physische Gesundheit
sehr schädlich!
Die Masernnachweis- und vielleicht auch noch die kommende Covid-19-
Impfpflicht für Schüler kommt als Belastung noch dazu für Eltern, die vielleicht
in ihrer Familie oder Verwandtschaft schon einen Impfschaden erlebt oder sich
damit auseinandergesetzt haben und die deshalb Impfungen kritisch
gegenüberstehen.
Wieder andere Eltern haben Angst vor einer Ansteckung, weil in ihrem Haushalt
vielleicht eine Risikoperson befindet, und möchten ihre Kinder deshalb nicht in die
Schule schicken.

Viele Kinder hatten sich im vergangenen Schuljahr schon von der Schule
verabschiedet und gingen nach dem Lockdown einfach nicht mehr in die Schule.
Manche waren abgemeldet, andere gingen aus verschiedenen Gründen einfach
nicht mehr hin.
Gerade ist in Deutschland alles im Umbruch und es gibt viele neue Gesetze.
Auf die Frage: „Muss ein Kind denn zur Schule gehen?“, antwortete die
Kultusministerin von Baden-Württemberg Susanne Eisenmann am 8.7.20:
„Nein. Eltern, die nicht wollen, dass ihr Kind am Präsenzunterricht teilnimmt,
können dies der Schule formlos melden. Dann müssen die Kinder aus der Ferne
mitlernen. Eine Attestpflicht für Schüler besteht nicht.“ Das gilt für das
kommende Schuljahr in Baden-Württemberg. Vielleicht ziehen andere
Bundesländer nach?

Aber selbst, wenn es in ihrem Bundesland nicht flächendeckend erlaubt wird,
können Eltern, die das möchten, sicher im kommenden Schuljahr einen Weg
finden, ihre Kinder zuhause zu unterrichten und ihnen so eine unbeschwerte
Kindheit ermöglichen.

Deshalb habe ich die Initiative „Homeschooling wagen - für eine
unbeschwerte Kindheit im Schuljahr 20/21“ ins Leben gerufen.
In den USA gibt es schon lange Homeschooling. Was bedeutet eigentlich
Homeschooling und wie sieht die Praxis aus?

Zur Klärung: Der Begriff Homeschooling wurde von vielen Schulen auch für die
Zeit des Lockdowns missbraucht. Der Begriff Distanzlernen scheint mir
treffender zu sein. Denn echtes Homeschooling ist kein Ausfüllen von
Arbeitsblättern oder Erfüllen von Arbeitsaufträgen aus der Schule, wo Eltern als
Befehlsempfänger und Dienstleister der Schule fungieren . Echtes
Homeschooling ist selbstbestimmtes (möglichst schulunabhängiges) Lehren und
Lernen, das Spaß machen soll .
Nach wikipedia ist Homeschooling oder Hausunterricht „eine Form der Bildung
und Erziehung, bei der die Kinder zu Hause oder an anderen Orten außerhalb
einer Schule von den Eltern oder von Privatlehrern unterrichtet werden. Die
konkrete Praxis des Hausunterrichts kann sehr unterschiedlich aussehen.“
Kinder werden also zuhause von Eltern oder Privatlehrern UNTERRICHTET. Das
Zusenden von Arbeitsblättern oder Aufträgen ist kein Homeschooling.
Homeschooling bedeutet, dass eine Person anwesend ist und das Kind
unterrichtet: ihm etwas erklärt, ihm etwas beibringt und auf seine Fragen
antwortet. Dabei arbeitet und schreibt das Kind auch mal alleine, aber nicht nur.

Vielleicht möchte der ein oder andere von euch über diese Möglichkeit mal
nachdenken, während er gemütlich im Strandkorb oder auf einer Wiese liegt, sich
von der Sonne bescheinen lässt, ein Eis genießt, das Wasser plätschern hört, die
Wolken betrachtet und das Leben einfach nur genießt:
Freiheit. Möchte ich vielleicht das Experiment Homeschooling mit meinen Kindern
ausprobieren?

Die Vorteile/Chancen:

Planbarkeit: Die Eltern können einen Plan schreiben und ihren Alltag danach
einrichten (ich hatte einen zeitlichen Wochenplan für das ganze Schuljahr!).
Keine Quarantäne, kein neuer Infektionsherd, kein Wechselmodell kann einen
derartigen Plan umwerfen.

Freude, Spaß: Die Familien, die sich zusammenschließen, können ganz
ungezwungen leben, ohne Einschränkung durch „Hygienemaßnahmen“. Man ist in
der Wahl der Bücher frei und kann schöne, lustige, wirklich lehrreiche Bücher
auswählen, anstatt langweilige Arbeitsblätter auszufüllen.

Kreativität: Die Eltern können selbst kreativ werden und den Kindern das
weitergeben, was sie selbst gut können. Sie können Ideen entwickeln, wie sie
diesen oder jenen Lerninhalt vermitteln können. Da wird jeder in sich neue
Talente entdecken, die er vorher nicht kannte!

Lernen/eigene Entwicklung: Die Eltern lernen selbst noch mit und erfahren
selbst noch interessante Dinge: eine neue Sprache, Mathematik (vielleicht eine
kleine Auffrischung in Statistik aus gegebenen Anlass), Geschichte, den
verborgenen Schatz von Gedichten und und und. Es gibt wunderbare Bücher, in
denen zunächst etwas erklärt wird, das Eltern und Kinder gemeinsam durchlesen
können und anschließend kann das Kind dazu die Übungen machen, etwas dazu
schreiben oder malen. Ich hätte am Ende das externe Abitur außer in den
naturwissenschaftlichen Fächern noch mitschreiben können.

Selbstbestimmung: Die Eltern können selbst bestimmen, was ihnen wichtig ist.
Was soll mein Kind lernen? In welchem Geist soll mein Kind erzogen werden?
Welche Werte sollen meinem Kind vermittelt werden?

Gesundheit: Die Kinder können psychisch gesund bleiben, weil sie die „neue
Normalität“ nicht mitleben und die Widersprüchlichkeit nicht aushalten müssen.
Sie brauchen keine Angst zu haben, etwas falsch zu machen oder eine Regel
nicht zu beachten. Sie können physisch gesund bleiben, weil sie sich nicht impfen
lassen müssen.

echte Bildung: Man kann sich - ähnlich wie in der Waldorfpädagogik üblich - auf
das Wesentliche konzentrieren und lernt nicht auf Prüfungen und vergisst das
Gelernte dann wieder.

Natürlich ist es eine enorme Umstellung, die Kinder komplett zuhause zu
unterrichten. In vielen Familien arbeiten beide Eltern. Der Alltag ist darauf
ausgerichtet, dass die Kinder vormittags und zum Teil auch noch nachmittags in
der Schule sind. Für die allermeisten Familien würde ein echtes vollständiges
Homeschooling bedeuten, dass ein Elternteil nicht oder nur teilweise arbeiten
kann, auch wenn vielleicht Großeltern, eine Tante, ein Nachbar oder auch eine
bezahlte Person eine oder mehrere Stunden oder einen oder mehrere Tage beim
Homeschooling mithelfen. Und es geht nicht nur um die Organisation des
Homeschoolings zuhause, sondern man muss auch Begegnungsmöglichkeiten mit
anderen Kindern und Jugendlichen schaffen, um die sozialen Bedürfnisse der
Kinder zu befriedigen. Oder Eltern tun sich gleich zum Homeschooling zusammen,
evtl. auch altersübergreifend.

In der Geschichte der USA gibt es viele Beispiele für erfolgreiches
Homeschooling. Der amerikanische Staatsmann Benjamin Franklin hat nur zwei
Jahre lang eine Schule besucht! Und auch Johann Wolfgang von Goethe wurde
zusammen mit seiner Schwester nach einer sehr kurzen Schulerfahrung von
seinem Vater beschult.

Verschiedene Lehrer haben mir erzählt, dass manche ihrer Schüler während des
Lockdowns einen Entwicklungssprung gemacht haben, und auch manche Eltern
sagen, dass ihren Kindern die Zeit ohne Schule gut und manchen sogar sehr gut
getan habe. Und das, obwohl alles überraschend kam und Eltern oft noch
nebenbei arbeiten mussten! Wie gut könnte es vielen Kindern erst tun, wenn die
Eltern gut vorbereitet sind, ihren Alltag umgestellt haben und alles in Ruhe
angehen könnten?

Meiner Erfahrung nach können Kinder und Jugendliche im Homeschooling sehr
viel Zeit sparen. In der Schule fällt oft Unterricht aus, die Kinder sind
unaufmerksam und vergessen auch viel. Daher können täglich 2-3 Stunden aktive
Beschulung zuhause meiner Erfahrung nach ausreichend sein und einen
durchschnittlichen Schultag ersetzen.

Inzwischen kenne ich zahlreiche Eltern, die aus einem oder mehreren der
genannten Gründe ein Experiment „Homeschooling“ im kommenden Schuljahr
wagen möchten.

Als ausgebildete Lehrerin mit Zusatzausbildung Waldorflehrerin und reichlich
Erfahrung im Homeschooling mit meinen vier Adoptiv-/Pflegekindern möchte ich
in dieser außergewöhnlichen Zeit auch meinen Beitrag leisten. Gern erkläre ich
unsere Vorgehensweise, mit der mein Mann und ich unsere Kinder bis zu
externem Quali, Mittlerer Reife und Abitur vorbereitet haben, und stelle
Materialien vor.

Ich möchte aber auch hinzufügen: Mir geht es als passionierter Lehrerin mit
dieser Aktion nicht um ein Plädoyer für Homeschooling im Allgemeinen sondern
um eine Unterstützung für Eltern, die ihre Kinder aus og. Gründen gern in dieser
Zeit zuhause beschulen möchten.
Diese Eltern sind in Not und reagieren nur, um ihre eigene Selbstbestimmung zu
erhalten und die psychische und physische Gesundheit ihrer Kinder zu bewahren.

 „Für mich gibt es Wichtigeres
 im Leben als die Schule“ (Mark Twain)

Nürnberg, Juli 2020
Svenja Herget
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