Humor und Subversion: Von Albernheit bis Zynismus Editorial und thematische
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Kunst Design Alltag 1/2019 - 1 Gora Jain Humor und Subversion: Von Albernheit bis Zynismus Editorial und thematische Einführung Humor und Subversion1 Widerständigkeit des Menschen. Humor als anthropologische Konstante – Sub- Mit dem 2016 – im selben Jahr wie das Sympo- version als kulturelle Errungenschaft: Der diesem sium – begangenen "100 Jahren DADA-Jubilä- Begriffspaar implizite erkenntnistheoretische um" lässt sich eine weitere lange Traditionslinie Wert sowohl in der geisteswissenschaftlichen aufzeigen, aus der heraus Verbindungen wie Hu- Reflexion als auch in der aktuellen künstlerisch- mor und Subversion in der sogenannten hohen gestalterischen Praxis stand im Fokus des inter- Kunst eine enorme Erweiterung in Darstellungs- disziplinären Symposiums "Humor und Subver- und Ausdrucksform sowie zunehmend öffentli- sion in Kunst und Design" in Hamburg.2 che Akzeptanz erfahren durften. Was leisten humoristische Äußerungsformen? Inwieweit stehen sie als subversive Strategien Von Albernheit bis Zynismus für Denk- und Meinungsfreiheit ein und Gestal- Demzufolge reicht die Themenvielfalt in der bil- tungsprozessen konzeptionell vor? Diesen und denden Kunst von politisch-sozialkritischen Kari- anderen Fragen gingen Referent*innen aus un- katuren, über Grotesken des Alltäglichen, bis zur terschiedlichen Perspektiven nach. Durch den satirischen Aufklärung über widersinnige gesell- Anschlag auf Charlie Hebdo oder die seit jeher schaftliche Gepflogenheiten. Dabei wird über- repressiven Maßnahmen gegen Satiriker und zeichnet, verzerrt, übertrieben, zugespitzt, ver- Karikaturisten wird die immerwährende Aktuali- fremdet, provoziert, um den Betrachter zum Ge- tät des Themas deutlich. Humor als subversive lächter, aber vor allem auch zur Nachdenklich- Strategie für künstlerisch-gestalterische Prozes- keit anzuregen. se funktioniert verbunden mit dem Anspruch an Auf diese Weise ist die Kunst des widerständi- Erkenntnisgewinn aktiv und passiv. Denn Prakti- gen Humors in ihrer (Aus)Wirkung kaum kontrol- ken der Komik und Satire müssen immer auch lierbar, mithin subversiv und daher unter Herr- auf jemanden treffen, der Humorbefähigung be- schern, Despoten und Diktatoren gefürchtet, sitzt. Dieses menschliche Vermögen kann je- deren Herrschaftserhalt zumeist auf Angst und doch sowohl intellektuell als auch kulturell be- Schrecken gründet. Denn humoristische Spielar- dingt sehr unterschiedlich ausfallen, weshalb ten wie Albernheit, Ironie, Spott, Witz oder Zy- das Formulieren von Grenzen der Satire einen nismus nehmen die Angst und bringen im bes- weiteren kritischen Diskussionspunkt nach sich ten Fall Erkenntnisgewinn. Solche Ausdrucksfor- zieht. men sind in der Kunst zugleich sehr effektive, In der künstlerischen Praxis kann sich zumindest gewaltfreie 'Waffen' zur Angstvernichtung, wo- seit dem 18. Jahrhundert Humor als 'anerkann- durch ein freies, aufklärerisches Denken ermög- te' Strategie spartenübergreifend etablieren. licht wird. Und spätestens seit Francisco de Goya oder et- was später mit Honoré Daumier fürchteten im Über das Symposium weiterhin machtpolitisch ausgerichteten Wissenschaftliche und künstlerische Positionen 19. Jahrhundert Menschenrechtsfeinde, Autori- greifen nun in gemeinsamer Reflexion diesen täten und Würdenträger kaum etwas mehr als höchst aktuellen Diskurs auf und führen ihn wei- die mit spitzer Feder gezeichnete Satire und das ter. Die neun an dem Symposium beteiligten befreite Lachen eines angstfreien Menschen. Redner*innen zeigen aus ihrem jeweiligen theo- Somit ist Humor eine unverzichtbare Komponen- rie- und/oder praxisbasierten Blickwinkel vielfäl- te menschlichen Querdenkens und insbesonde- tige Perspektiven zum Thema Humor und Sub- re in politisch bewegten Zeiten ein zentrales Mo- version in Kunst und Gestaltung auf. ment für die immer wieder neu zu definierende Mit Beiträgen von vier Künstler*innen, einem
Gora Jain Humor und Subversion: Von Albernheit bis Zynismus kunsttexte.de 1/2019 - 2 Mediengestalter und vier Wissenschaftler*innen Im Rahmen seiner mittlerweile über zwei Jahr- wurden und werden die Möglichkeiten aus der zehnte andauernden Tätigkeit des Sammelns, Sicht von Produzent und Rezipient, von Praxis Archivierens und der Verwendung gefundener und Theorie, von Kunst und Wissenschaft inter- Fotos aus Zeitungen, Archiven und dem Internet disziplinär ausgelotet und diskursiv vereint. deckt Piller immer wieder 'absichtslose Komi- ken' des Alltags auf. Denn er befragt die Fund- Künstler Thorsten Brinkmann referiert anhand stücke nicht nach ihrem Informationsgehalt, seiner Arbeit über das 'Eigenleben der Dinge' sondern nach dem Assoziationsfeld möglicher und die daraus resultierenden teils humorvollen Missverständnisse. bis aberwitzigen Auswirkungen auf Alltag, Wahr- Die Bandbreite der sorgfältig kategorisierten nehmung und menschliches Miteinander. Funde und mit Titeln versehenen Sammelgebie- te reicht von humorvollen Sammlungen wie "in Löcher blicken" oder "Auto berühren" bis zu Fo- tos, die im Zusammenhang mit Verbrechen ver- öffentlicht wurden. Eine subtile Humordosierung ist dabei eine der wichtigen Aufgabenstellungen bei der Präsentation, wie dies auch in seinem Bild-Text-Beitrag ansichtig wird. Bildhauer und Illustrator Jacques Tilly zeigt aus seiner ganz besonderen Perspektive heraus – als künstlerischer Leiter des Düsseldorfer Karne- Abb. 1: Thorsten Brinkmann, 2016 in Hamburg valszugs – die "Rollende Satire" als eine politi- sche Stellungnahme des Karnevals auf. In seinem, in dieser Ausgabe abgedruckten Bil- der-Vortrag "Krisen eines Mülleimers – Zebras kommen auf den Hund" machen die Dinge was sie wollen und geben keine Ruhe. Sie wollen nicht nur 'olles' Ding, sondern auch mal etwas Neues sein: 'Runter von der Straße, 'raus aus der Gemütlichkeit, sich mit anderen Unbekann- ten zusammentun! Des Künstlers Hirn eintüten, dem Hund zum Zebra verhelfen oder der abge- takelten Venus zu neuem Sexappeal..., solchen und anderen ernsthaften Themen wird in diesem Beitrag nachgegangen. Abb. 3: Jacques Tilly, 2016 in Hamburg Künstler und Fotograf Peter Piller präsentiert die Der bilderreiche Beitrag vermittelt einen Einblick "Vorzüge der Absichtslosigkeit". in das aktuelle Spannungsfeld zwischen Satire, Gesellschaft und Politik. Tilly lässt seine wich- tigsten Arbeiten Revue passieren und berichtet anschaulich und amüsant von den Ereignissen rund um die schärfsten Satirewagen. Insbeson- dere die Reaktionen der Medien, Politiker und Religionsvertreter machen deutlich, wie bedeu- tend es ist, die Freiheit der öffentlichen Mei- nungsäußerung zu bewahren. So hatte 2016 die Regierung Polens bei der deutschen Bundesre- gierung gegen einen Wagen interveniert, und türkische Politiker forderten empört die Verhül- Abb 2: Peter Piller, 2016 in Hamburg lung des Erdogan-Karnevalswagens. In seinem
Gora Jain Humor und Subversion: Von Albernheit bis Zynismus kunsttexte.de 1/2019 - 3 Textbeitrag fragt Tilly nach Herkunft und Bedeu- bedient sich darum sehr gerne am 'Stilmittel' tung der Grundwerte einer liberalen, pluralisti- Humor, tut sich aber in der Entwicklung und schen und aufgeklärten Gesellschaft und vermit- Darstellung oft schwer. telt seine Einschätzung der Bedrohungslage durch die weltweite Zunahme autoritärer Denk- muster. Künstlerin und Illustratorin Friederike Groß stellt nicht ihre eigene Arbeit in den Fokus, sondern zeigt "Humoristische Erscheinungen im Werk F.K. Waechters" auf. "Unter Drogeneinfluß gebü- geltes Hemd" – Wie nachhaltig kann eine Pointe sein? Obwohl sich Emotionen in kritischer Gra- phik eher als humorfeindlich erweisen, versteht es der Zeichner F.K. Waechter, viele seiner Poin- Abb. 5: Steffen Fischer, 2016 in Hamburg ten in die Zeitlosigkeit des Unterbewussten aus- Fischers Frage zielte unter anderem darauf ab, zudehnen. warum es für die 'Kommunikationsprofis' biswei- len schwierig ist, Humor erfolgreich in die Me- dien- und Markenkommunikation einzubringen. Kunst- und Designwissenschaftlerin Annette Geiger zeigte auf, wie sich Design auch wider- ständig gegen die Vorherrschaft der Funktionali- tät verhalten kann und sich daraus Witz entwi- ckelt. Denn eigentlich darf Design nicht lustig sein. Zumindest verstehen die Theorien des Funktionalismus in der Regel keinen Spaß. Abb. 4: Friederike Groß, 2016 in Hamburg Am Beispiel ausgewählter Arbeiten aus seinem satirischen Werk werden Bausteine und Momen- te, die zum Zustandekommen von Komik in sati- rischen Zeichnungen beitragen, näher beleuch- tet. Dabei geht es nicht nur um das subtile Ver- hältnis von Text und Bild, um mechanistische, subversive oder alberne Denkweisen – humoris- tische Erscheinungen werden auch durch ein gewisses Repertoire an Kreativitätstechniken begünstigt. Ob sich das Komische letztlich Abb. 6: Annette Geiger, 2016 in Hamburg durch das Zusammenwirken einzelner Faktoren oder aus purem Zufall ergibt – dieses Geheimnis Aus der Philosophie des Pragmatismus und Uti- zu betrachten bleibt eine unablässige Herausfor- litarismus ist in der Moderne ein Denken über derung nicht nur in Groß' Textbeitrag. Gestaltung hervorgegangen, das die Herrschaft der Zwecke dem Spiel der Phantasie vorzieht – Marken- und Kommunikationsgestalter Steffen denn die Dinge sollen ja nützlich sein. Doch be- Fischer befragte im Vortrag die Bedeutung des steht der Zweck des Design tatsächlich im Be- Humors als Kommunikationsstrategie in der folgen reiner Zweckmäßigkeit? Geiger stellte Werbung, und ob sein Einsatz darin Sinn macht. heraus, dass die Aufgabe der Gestaltung gerade Als 'Instrument der Lockerung' soll Humor die nicht darin liegt, der Logik der Technisierung, Di- Menschen aktivieren und wachrütteln. Werbung gitalisierung und Kommerzialisierung blind zu
Gora Jain Humor und Subversion: Von Albernheit bis Zynismus kunsttexte.de 1/2019 - 4 folgen. Besonders aus historischer Sicht zeigt sich, dass gutes Design der Alternativlosigkeit des Nützlichen etwas entgegensetzt. Und aus diesem Widerstand entwickelt sich auch Witz. Kuratorin und Kunsthistorikerin Annabelle Gör- gen-Lammers legte dar, an welchen surrealisti- schen Werken sich Humor-Auffassungen erken- nen lassen, in welchen Traditionen sie stehen – und ob ihr Witz für uns heute noch erfahrbar ist. Abb. 8: Michael Glasmeier, 2016 in Hamburg Es ist der herrschaftslose Raum der Poesie und der Differenz, in dem eine Kunst des Witzes wirkmächtig werden kann. Von Friedrich Nietz- sche als "Wahrlachen" bezeichnet, als "aus der ganzen Wahrheit heraus zu lachen", ist es eine Abb. 7: Annabelle Görgen-Lammers, 2016 in Hamburg Utopie, die das Lachen mit Weisheit und dem "Jede umfassende Definition des Humors ent- Vermögen, über sich selbst lachen zu können, zieht sich uns…", betont der Kopf der Surrealis- verknüpft. ten André Breton und mystifiziert in den späten 1930er Jahren seine Reflexion des Humors, den Kunst-, Design- und Medientheoretikerin Gora er angesichts des Ersten Weltkrieges als einzi- Jain sieht – wie oben bereits dargelegt – insbe- ges Mittel zur Distanzierung für sich entdeckt. sondere in der Verknüpfung von "Humor und Doch die surrealistische Reflexion des Humors Subversion" die Möglichkeit eines hohen er- beginnt schon lange bevor sich die "ubische kenntnistheoretischen Wertes. Maschine" (A. Jarry) des Faschismus in Gang setzt. Louis Aragon spricht dem Humor bereits eine Schlüsselrolle in der surrealistischen Erfah- rung zu, gäbe er einem Kunstwerk doch die Kraft des Widerspruchs, seine brisante Dynamik. Als "condition négative de la poésie" müsse Hu- mor allerdings nicht mit offenem Lachen verbun- den sein – eine Auffassung, die Marcel Duchamps Ironie der Affirmation nahe ist. Kunstwissenschaftler Michael Glasmeier stellte in seinem Vortrag "Wahrlachen und die Anar- Abb. 9: Gora Jain, 2016 in Hamburg chie" Formen des Lachens am Beispiel von Karl Valentin, Jacques Tati und Roland Topor vor, die Humor als eine Form des geistigen und politi- in unserem zeitgenössischen tragischen System schen Widerstandes ist per se auch subversiv. nahezu vergessen sind. Sie siedeln sich jenseits Er steht in einer langen, aufklärerischen Traditi- von Selbstoptimierung und Authentizitätswahn on, Missstände in Politik, Gesellschaft und dem im Raum einer Anarchie an, die den Skandal und widersinnigen Gebaren von Obrigkeiten und Au- die Tabuüberschreitung nicht benötigt, um wirk- toritäten offenzulegen. Aktueller denn je – in poli- sam zu werden. tisch bewegten Zeiten – stellt Humor als eine un-
Gora Jain Humor und Subversion: Von Albernheit bis Zynismus kunsttexte.de 1/2019 - 5 verzichtbare Komponente menschlich subversi- Einen besonderen Höhepunkt bildeten die im ven Querdenkens ein zentrales Moment für die Dialog zu den Nachlässen gezeigten Arbeiten Widerständigkeit des Menschen dar. der Karikaturistin Friederike Groß und des Heutzutage werden jedoch in den Medien Künstlers Thorsten Brinkmann, wodurch Gegen- Kunstformen wie Satire, Karikatur, Kabarett wartsrelevanz und Aktualität des Humor-Themas u.v.a. zunehmend begleitet von 'politisch korrek- bis ins 21. Jahrhundert hinein aufgezeigt werden ten' Fragen nach "Was dürfen sie? Wo und wie konnten. finden sie statt?". Inwieweit sich Albernheit, Ko- Friederike Groß gilt durch ihre jahrzehntelange mik, Ironie und weitere humoristische Äuße- Tätigkeit als Karikaturistin u.a. für die Stuttgarter rungsformen bis hin zum Zynismus als subversi- Zeitung als eine der profundesten Kennerinnen ve Strategien für Denk- und Meinungsfreiheit der Satire-Szene. In einer mehrteiligen, eigens noch frei entwickeln können, ohne dabei von an- für diese Ausstellung konzipierten großformati- spruchsvoller Kritik in kontrolliert-seichter Unter- gen Figuren-Wandcollage und einigen 'Capri- haltung zu versinken, gilt es aufmerksam zu be- chos' zu Mensch und Natur entfaltet sich obachten. schneidender Witz und gesellschaftskritisch re- levanter Humor. In der Ausstellung übertrug sie Über die Ausstellung Gedanken der Nachlasspositionen bis in die Ge- Einen weiteren inhaltlichen Baustein für dieses genwart. Thorsten Brinkmanns künstlerisch- Forschungsfeld lieferte die Ausstellung "Humor spielerische Arbeitsweise persifliert kulturell eta- und Subversion", welche im Frühjahr 2018 in blierte, meistens jedoch unhinterfragte Herr- Hamburg stattfand.3 schaftsattitüden, Posen, Rituale und Alltagsge- wohnheiten und überführt sie durch inszenierte Offenlegung ihrer Widersinnigkeit ins Absurde. Beide Künstler waren nun auch am Symposium beteiligt, und so schließt sich hier wieder der Bo- gen der Protagonisten mit der Zusammenfüh- rung ihrer Beiträgen in dieser Ausgabe. Zu dieser Ausgabe "Humor und Subversion in Abb. 10: Ausstellung "Humor und Subversion", 2018 Kunst und Design" – eine Art Künstlerheft Das (Künstler)Heft fokussiert sich in einem ers- In den Werken von Franz Reckert, Heinrich Schi- ten Schritt auf die vier Vorträge der Künstler*in – linzky, Gerdt M. Siewert und Horst Villwock wer- Brinkmann, Groß, Piller und Tilly – und versam- den Humorstrategien der 2. Hälfte des 20. Jahr- melt ihre Beiträge unter der thematischen Klam- hunderts in vielen Facetten erfahrbar. In ihren mer: Künstler*innen sprechen über die Bedeu- Bildern, Grafiken und Zeichnungen reicht das tung von Humor für/in ihre/r Arbeit.4 Spektrum von ungewollter Komik und spieleri- Wenn Kunstschaffende über ihre Arbeit, Inspira- scher Überzeichnung bis hin zu pointiert beißen- tionsquellen oder Darstellungsformen sprechen, der Satire mit zeitkritischer Aussage. zählt dabei nicht nur das gesprochene Wort. Ihre Schilinzky behält zeitlebens die Brüchigkeit der Erläuterungen verbildlichen (im wörtlichen Sinne) menschlichen Existenz kritisch, aber auch mit ei- ihr erkundendes Denken, experimentelles For- nem Augenzwinkern im Blick. Siewert etabliert – schen und humorvolles, erkenntnisreiches Re- angeregt u.a. durch seine Tätigkeit als Karikatu- flektieren. rist bei Spontan und Pardon – die scharfzüngige Dafür werden die in den Vorträgen mannigfaltig Satire als eine zentrale künstlerische Ausdrucks- eingestreuten Bildstrecken und Filmausschnitte form. Villwocks Situationsbeobachtungen und hier zu einem großen Teil abgebildet, da sie das Reckerts Sportlerbilder zeigen das beiläufig Ko- gesprochene Wort ergänzen, bisweilen sogar er- mische, das grotesk Anmutende oder skurril Wi- setzen. In eben diesem Zusammenspiel ergab dersinnige im menschlichen Dasein und Alltag sich für den Zuhörer (und ergibt sich nun auch auf. für den Leser) ein großer Assoziationsspielraum,
Gora Jain Humor und Subversion: Von Albernheit bis Zynismus kunsttexte.de 1/2019 - 6 in dem sich das Gesprochene respektive Gehör- Abb. 3: Jacques Tilly, 2016 in Hamburg Abb. 4: Friederike Groß, 2016 in Hamburg te, das Gezeigte respektive Gesehene auch Abb. 5: Steffen Fischer, 2016 in Hamburg noch mit der eigenen Vorstellung verweben Abb. 6: Annette Geiger, 2016 in Hamburg Abb. 7: Annabelle Görgen-Lammers, 2016 in Hamburg lässt. Elemente des Humors können so visuell Abb. 8: Michael Glasmeier, 2016 in Hamburg unmittelbar nachvollziehbar werden, wenngleich Abb. 9: Gora Jain, 2016 in Hamburg Abb. 10: Ausstellungsansicht "Humor und Subversion", der im gesprochenen Wort mitschwingende 2018, Forum für Künstlernachlässe, Hamburg; Sprachwitz im Text nicht auf die gleiche Weise © 2018 Forum für Künstlernachlässe Hamburg, Foto: Margot Schmidt erfahrbar, aber 'zwischen den Zeilen' dennoch erkennbar wird. Aufgrund zeitlicher Verzögerungen konnten die Zusammenfassung wissenschaftlich ausgerichteten Beiträge nicht Humor als anthropologische Konstante erweist sich in rechtzeitig eingebunden werden, und auch die seinem oftmals subversiven und damit verbundenen Transkriptionsform eignete sich dafür nicht. Da- erkenntnistheoretischen Wert sowohl in der geistes- her ist eine Erweiterung dieser Heftausgabe ge- wissenschaftlichen Reflexion, als auch in künstlerisch- plant, damit auch der befruchtende interdiszipli- gestalterischer Praxis als äußerst facettenreich. Be- näre Diskurs zwischen Theorie und Praxis sicht- reits mit über '100 Jahren DADA' ist eine lange Tradi- bar gemacht werden kann. tionslinie vorgegeben, aus der heraus diese Begriffs- Für diese Ausgabe danken wir allen Beitragsge- paarung Humor und Subversion in der sogenannten bern für ihre großartige und kollegiale Unterstüt- hohen Kunst eine enorme Erweiterung und zuneh- zung und für die Zuverfügungstellung des Bild- mend öffentliche Akzeptanz erfahren durfte. Was leis- materials. An dieser Stelle ist auch Philip ten Satire, Komik, Ironie und weitere humoristische Waechter, der den Nachlass seines Vaters ver- Äußerungsformen? Inwieweit stehen sie als subversi- waltet, für die Bildnutzungsgenehmigung sehr zu ve Strategien für Denk- und Meinungsfreiheit ein und danken. Außerdem gebührt Regina Mayr für ihre heutigen Gestaltungsprozessen konzeptionell vor? profunde Mitarbeit bei Transkription und Lekto- Aktueller denn je – insbesondere in politisch beweg- rat großer Dank. ten Zeiten – stellt Humor, als eine unverzichtbare Komponente menschlich subversiven Querdenkens, ein zentrales Moment für die auch immer wieder neu Endnoten zu definierende Widerständigkeit des Menschen dar. 1. Die Überschrift erfolgt in Anlehnung an ein Forschungs- projekt der Verfasserin mit dem Titel Von Albernheit bis Zy- nismus: Humor und Subversion als künstlerisch-gestalteri - sche Strategie, das als wissenschaftliche Studie voraussicht- lich 2019 publiziert wird. Inhaltliche Bausteine liefern dafür Autorin u.a. das hier dargestellte interdisziplinäre Symposium „Hu- Gora Jain ist Professorin für Kunst-, Design- und Me- mor und Subversion in Kunst und Design“ (Hamburg 2016) sowie die Ausstellung „Humor und Subversion“ (Hamburg dientheorie an der University of Applied Sciences – 2018), worauf in Endnote 2 und 3 noch hingewiesen wird. FB Art & Design in Hamburg. 2. Das Symposium fand im November 2016 an der UE – Uni - versity of Applied Sciences Europe – Fachbereich Art & De- Neben ihren langjährigen wissenschaftlichen, kuratori- sign (ehem. BTK Hochschule für Gestaltung) in Hamburg schen und publizistischen Tätigkeiten begründete sie statt. Konzept und Realisation: Gora Jain, unter Mitwirkung von Friederike Groß und Regina Mayr. 2003 das Forum für Künstlernachlässe in Hamburg 3. Die Präsentation wurde im April 2018 im Forum für Künst - und 2017 den Bundesverband Künstlernachlässe lernachlässe in Hamburg gezeigt. Werke aus den Nachläs- sen von Franz Reckert (1914-2004), Heinrich Schilinzky (BKN) mit und ist dort als Vorstandsvorsitzende aktiv. (1923-2009), Gerdt M. Siewert (1920-92), Horst Villwock (1927-2012) standen im Dialog mit Arbeiten von Friederike Groß und Thorsten Brinkmann. Siehe auch www.kuenstlernachlaesse.de. Titel 4. Bei den Textausarbeitungen handelt es sich teilweise um überarbeitete Transkriptionen. Gora Jain: Humor und Subversion: Von Albernheit bis Zynismus; in: kunsttexte.de, Themenheft 1: Humor und Subversi- Abbildungen on in Kunst und Design – eine Art Künstlerheft, Der nachstehende Bildnachweis gilt für alle Abbildungen, sofern nicht davon abweichend (s. Abb. 10) gekennzeichnet: Gora Jain (Hg.)/Regina Mayr (Mitarbeit), Berlin/Ham- © 2016 UE Hamburg, Foto: Alexander Lembke burg 2018/19, www.kunsttexte.de Abb. 1: Thorsten Brinkmann, 2016 in Hamburg Abb. 2: Peter Piller, 2016 in Hamburg
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