Bauboom: Die SAGA klotzt ran - Mieterverein zu Hamburg
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Zeitschrift des Mietervereins zu Hamburg von 1890 r. V. · Landesverband im Deutschen Mieterbund · C 11622 F AUSGABE 3/2017 Bauboom: Die SAGA klotzt ran Eilbek: Michael Pommerening führt durch seinen Stadtteil Porträt: Falko Droßmann, Bezirksamtsleiter Mitte Mieterstrom: Was Mieter wissen müssen
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Mieterverein aktuell Mieterverein aktuell 3 Editorial 4 Mitarbeiter stellen sich vor; Leserbrief Editorial 5 Meldungen; Wussten Sie ...?; Aus dem Fotoalbum von Martin Steinröx (2) Liebe Mitglieder, sehr geehrte Leserinnen und Leser, Leben in Hamburg 6 Titelstory: Bauen für Hamburg: Die SAGA Unternehmensgruppe dass der Wohnungsmarkt in allen Ham- naheliegenden Sanktionen für Gesetzes- klotzt ran wie zuletzt in burger Stadtteilen extrem angespannt ist, brecher und Streichung von Ausnahme- den 1970er-Jahren wird mittlerweile nicht einmal mehr von tatbeständen. Statt dies zu unterstützen, 9 Interview zum Titelthema mit den Protagonisten der Wohnungswirtschaft fordern die wohnungswirtschaftliche SAGA-Vorstand Thomas Krebs geleugnet. Leider konnten die Wohnungs- Lobby und ihr nahestehende Parteien die 10 Stadtteil-Rundgang (2): bauoffensive und gänzliche Abschaf- Unterwegs in Eilbek die Einführung der Für ein Viertel der fung der Miet- mit Heimatforscher sogenannten Miet- Mieterhaushalte gibt es preisbremse – aus- Michael Pommerening preisbremse durch keinen Platz mehr gerechnet jene, 12 Ulrike Hinrichs engagiert den rot-grünen welche im Gesetz- sich für Geflüchtete Senat in Hamburg nicht verhindern, dass gebungsverfahren alles dafür unternom- 13 Mieterinitiative Fuhlsbüttel-Süd die Wohnraum-Mieten in den vergangenen men haben, um sicherzustellen, dass die 14 Einladend dörflich: Klein Borstel zehn Jahren dreimal schneller gestiegen beabsichtigte mietpreisdämpfende Wir- sind als die Lebenshaltungskosten. Aus kung entweder abgeschwächt wird oder am eigenem Umfeld weiß ich, dass mittler- besten gar nicht eintritt. Das kommt einer Mietrecht weile auch Akademiker-Haushalte mit zwei Chuzpe gleich. 15 Urteilseiten zum Herausnehmen Verdienern und Kinder Probleme bei der 19 Beitrittserklärung Wohnungssuche haben. Anlässlich der Bundestagswahl am 24. 21 Wie würden Sie entscheiden: September 2017 können Mieterinnen und Tierhaltung Worauf sich Mieterhaushalte mit einem Mieter auch in Hamburg mit ihrer Stimme 22 BGH-Urteile, Folge 57 unterdurchschnittlichen Einkommen zu erkennen geben, was sie von der Mie- gefasst machen müssen, kann der interak- ten- und Wohnungspolitik der einzelnen tiven Karte einer großen Hamburger Tages- Parteien und von dem „durchsichtigen Politik & Wohnen zeitung auf www.abendblatt.de/mie- Spiel“ einiger politischer Akteure halten. 24 Wohnungspolitik: Die Positionen ten-stadtplan entnommen werden. Interes- Alle in der Hamburgischen Bürgerschaft der in der Hamburgischen sierte Wohnungssuchende können dort in vertretenen Parteien haben auf den Seiten Bürgerschaft vertretenen Parteien Erfahrung bringen, wo sie sich Hamburg 24 und 25 die Möglichkeit erhalten, sich zu 26 Hohe Mieten in Hamburg: Umzug noch leisten können, wenn sie für die auf- den dringendsten Problemen der Wohn- nach Mecklenburg – eine Alternative? zubringende Bruttomiete ein Drittel ihres raummieter in einer Großstadt wie Ham- 27 Mieterstrom: Was das Gesetz sagt, Nettoeinkommens zugrunde legen. Das burg zu positionieren. Sie, liebe Mitglieder, was auf die Mieter zukommt Ergebnis ist erschreckend. Für ein Viertel haben als Souverän nicht nur die Macht, der 700.000 Mieterhaushalte gibt es in sondern, wie ich meine, auch die staats- Hamburg offenbar bürgerliche Pflicht Vermischtes keinen Platz mehr. zu entscheiden, 28 Das Porträt: Falko Droßmann, Alle, deren Netto- „Durchsichtiges Spiel“ welcher Partei Sie Bezirksamtsleiter Mitte einkommen unter- einiger Parteien am Wahltag Ihr 29 Kündigungskalender; Hamburg-Zahl; · halb von 1.500 Euro Vertrauen für die Buchtipp: Alstertal; Sicherheits-Check liegt, müssen anhand der Karte feststellen, nächsten vier Jahre schenken. Das Wich- 30 Buchtipp: Humane Städte dass ihnen trotz der eingeführten Miet- tigste aber ist, dass Sie wählen gehen 31 Rätsel; Miete-Witz; Impressum preisbremse die hohen Mieten des freien und mit Ihrer Stimme dafür sorgen, dass Wohnungsmarkts den Zugang zu einer die Zahl derjenigen, die zunächst der Wohnung versperren. Wahlurne fernbleiben, um im Nachhinein die Gesamtumstände zu beklagen, mög- Der Mieterverein zu Hamburg fordert lichst klein bleibt. unermüdlich die Beseitigung der offen- Titelbild sichtlichen Defizite des Mietpreisbrem- Ihr Siegmund Chychla se-Gesetzes durch die Einführung von Vorsitzender MIETERVEREIN ZU HAMBURG Bauboom: Die Saga klotzt ran Illustration: Wolfgang Scheerer MieterJournal 3/2017 · 3
Mieterverein aktuell Leserbrief Ich möchte ein paar Anmerkungen zu dem Arti- kel aus dem Mieterjournal 2/2017 „Mensch vor Rendite“ loswerden und um Klärung bitten. Es wird dort von Herrn Stahl berichtet, dass die durchschnittlichen Mieten in den Hamburger Genossenschaften mit ihren 131.000 Fotos: Salewski Wohnungen bei einem Wert von 6,40 Euro pro Quadratmeter liegen. Und im gleichen Satz wird der Vergleich mit dem Hamburger Mietenspiegel-Mittelwert von 8,02 Euro also somit 1,62 Euro niedriger als bei Nicht-Genossenschaften argumentiert. Hier wird ein falsches Maß angesetzt. Der Ham- burger Mietenspiegel beinhaltet ausschließlich die Miet-Veränderungen aus den vergangenen vier Jahren, nicht aber aus dem Gesamtbestand der Wohnungen. Hinzu kommt, dass im Mieten- In der Zentrale und den Mietervereins zu Hamb elf Außenstellen des spiegel der gesamte Sozialwohnungsbestand urg arbeiten rund 70 Ko Kollegen. Im MieterJourn lleginnen und nicht enthalten ist. Somit werden hier Äpfel mit al erzählen sie von sich und ihrem Job. Birnen verglichen! Den Job beim Mieterv erein hat Malte Schlizi Über die Stellenbörse o auf ganz klassische der Universität Hambur Weise gefunden: Freundliche Grüße Zentrale des Mietervere g. Seit Mai 2016 hilft der ins aus, tippt Diktate Student in der Werner Busacker Post und sitzt am Empfa im Schreibbüro, kümme ng. Geboren in Hambur rt sich um die Schlizio vor zwei Jahren g, aufgewachsen in Ren fürs Masterstudium der dsburg, kehrte Antwort des Mietervereins: zurück. Hier will der 28- Betriebswirtschaft in die Jährige, der mit seiner Hansestadt Sehr geehrter Herr Busacker, wenn er im Oktober den Fre undin in Horn lebt, ble Abschluss in der Tasche ibe n – auch diesmal aber im Finanzb hat. Dann geht es wieder ereich. Seinen Kollegen auf Job suche, ich danke Ihnen für Ihre Zuschrift. Sie weisen zu zuverlässige Student feh beim Mieterverein wird len. der flexible und Recht darauf hin, dass der von den Hamburger Was gefällt Ihnen an de Wohnungsbaugenossenschaften immer wieder m Studentenjob beim Mi Die kollegiale Arbeitsatm ete rverein am besten? bemühte Vergleich zwischen den durchschnitt- osphäre. Es ist einfach lichen Mieten des eigenen Bestands und den Kollegen. Außerdem ist ein nettes Miteinander die Arbeit sehr abwech unter den des Hamburger Mietenspiegels aus den von ganzen Tag Diktate sch slungsreich. Auch wen reibe, sind es immer and n ich mal den Ihnen genannten Gründen eigentlich gar nicht ere Fälle – das finde ich interessant. gezogen werden kann. Viel interessanter wäre Welche Sportart liegt ihn en am meisten? ein Vergleich der Durchschnittsmiete von Genos- Ich gehe zwei bis drei Ma l die Woche mit unsere senschaftswohnungen, auf die der Hamburger n beiden Hunden laufen . In Ihrem Kühlschrank fin Mietenspiegel anzuwenden ist. Es ist mit an det sich immer … Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzu- Milch für Kaffee und Mü sli haben wir eigentlich nehmen, dass dieser Vergleich etwas anders immer da. Welches Buch oder we ausfallen würde. lcher Film hat Sie zul etzt begeistert? Ihren Hinweis werden wir zum Anlass nehmen, Die Krimireihe von Lars Kepler. Ich lese gerne ska ich die neue Staffel von ndinavische Krimis. Zur bei der nächsten Gelegenheit von den Hamburger Game of Thrones. Die ers zeit gucke Erscheinungstag gesehe te Folge habe ich natürlich Baugenossenschaften Zahlen einzufordern, die n. gleich am eine redliche Vergleichbarkeit der Mieten möglich Wohin würden Sie morge machen. Oder anders gesagt, dann soll „Butter n früh verreisen? bei die Fische“ kommen. Ich würde nach Sri Lan ka fahren. Meine Freund gelebt und erzählt viel in hat dor t ein Dreiviertel davon. Da möchte ich ger jahr Mit freundlichen Grüßen ne gemeinsam mit ihr hin . Siegmund Chychla Vorsitzender Sprechstunde des Vorstands Foto: Esther Eberhardt Wann? Die Sprechstunde Wo? Beim Strohhause 20, findet an jedem ersten 5. Stock, 20097 Hamburg Montag im Monat statt. Wie? Aus organisatorischen Gründen Nächste Termine: 2. Oktober, wird um vorherige Anmeldung 6. November und 4. Dezember gebeten: Tel. (040) 8 79 79-132 Marielle Eifler und Siegmund Chychla, Vorsitzende des Mietervereins 4 · MieterJournal 3/2017
Mieterverein aktuell Meldungen Wussten Sie ... Neuer Wohn- und ... dass früher Mobilitätskostenrechner unterprivilegierte (as) Wer außerhalb Hamburgs wohnt und in Familien Wohnungen der Stadt arbeitet, zahlt eine niedrige Miete, „trockenwohnen“ mussten? muss jedoch für den Arbeitsweg tief in die Tasche greifen. In der Stadt sind die Mieten (as) Das Zeitalter der Indus- teurer, dafür die Wege in der Regel kürzer und trialisierung führte zu einer damit auch die Kosten für die Fortbewegung starken Zuwanderung der Landbevölke- niedriger. Ist also ein Umzug geplant – ob rung in die urbanen Zentren, wie zum aus der Stadt ins Grüne oder andersherum Beispiel Hamburg. Der dadurch ausge- – sollten neben den Mietpreisen immer löste permanente Wohnungsmangel und auch die Kosten fürs Auto oder für öffentliche Neuer die überhöhten Mieten führten zu einer Verkehrsmittel berücksichtigt werden. Mit dem Service für Radfahrer starken Nachfrage nach Wohnraum, was neuen Wohn- und Mobilitätskostenrechner der (as) Fahrradfahren ist gesund, schont die einen wahren Bauboom des Mietwoh- nungsbaus auslöste. Die neu entstandenen Hamburger Verkehrsverbund GmbH (HVV) auf Umwelt und erfreut sich wachsender Beliebt- Mietskasernen, in Hamburg als Zinshäu- www.womorechner.de ist das mit wenigen Klicks heit. Die Bedingungen in Hamburg werden ser bekannt, wurden unter Verwendung möglich. Ab sofort können Interessierte auf der zudem immer besser: Die Stadt erweitert des damals üblichen Kalkmörtels, der bei Suche nach einem neuen Zuhause ganz genau das Fahrradleihsystem StadtRAD stetig, ver- der Aushärtung sehr viel Wasser freisetzt, prüfen, wie viel Geld sie für Miete und Fahrten bessert die Infrastruktur für Radfahrer und schnell errichtet. Die vor der regulären zu ihrem Arbeitsplatz ausgeben müssen. steckt gemeinsam mit dem Bund 35 Millionen Vermietung eigentlich erforderliche Euro in den Ausbau von Velorouten. Auch der mehrmonatige Trocknungsphase wurde Und so funktioniert es: Geben Sie die Adresse Mieterverein zu Hamburg bietet seinen rad- von findigen Hauseigentümern damit Ihrer Arbeitsstätte ein und machen Sie einige fahrenden Mitgliedern einen neuen Service überbrückt, dass die unbewohnbaren Angaben zu Ihrer bevorzugten Wohnungsgröße an. Im Rahmen einer Kooperation mit dem Wohnungen vorübergehend zu einer geringeren Miete einkommensschwachen und Ihrem präferierten Fortbewegungsmittel. Internetportal www.bikeright.de können sich Arbeiterhaushalten zum Trockenwohnen Anschließend können Sie die erwarteten Wohn- alle Mitglieder des Mietervereins zum Bei- überlassen wurden. Drei Monate lang und Mobilitätskosten im gesamten HVV-Ver- spiel nach einem Fahrradunfall oder bei Erhalt lebten die Trockenwohner im Schnitt in bundsgebiet auf einer Karte ablesen. Dazu gehö- eines Bußgeldbescheids kostenlos rechtlich den Wohnungen, beheizten sie mit ihrer ren neben der Stadt Hamburg auch die schles- beraten lassen und bekommen Antworten auf Körperwärme und trugen durch das wig-holsteinischen Kreise Pinneberg, Segeberg, alle rechtlichen Fragen rund ums Fahrrad. Kohlenstoffdioxid ihrer Atemluft dazu Stormarn und fünf Gemeinden im Kreis Stein- bei, dass der Mörtel schneller aushär- burg sowie die niedersächsischen Landkreise Dafür genügt ein Anruf im Service-Center von ten konnte und die Bauten trockener Lüneburg, Harburg und Stade. Der Wohn- und bikeright, das montags bis freitags wurden. Familien, die so von Wohnung Mobilitätsrechner wurde durch die Förderfonds von 9 bis 18 Uhr unter der Telefonnummer zu Wohnung ziehen mussten, wurden unmenschlichen Belastungen ausgesetzt. der Metropolregion Hamburg, den Landkreis (040) 688 757 29 erreichbar ist. Um einen Oft folgten Krankheiten wie Tuberkulo- Harburg, den Kreis Pinneberg, Hamburgs Stadt- telefonischen Beratungstermin zu vereinbaren, se, Lungenentzündung und Gicht. Nicht entwicklungsbehörde und den HVV kofinanziert. müssen Mietervereins-Mitglieder lediglich zuletzt diese Zustände haben Heinrich Ein Expertengremium, in dem auch der Mieter- ihre Mitgliedsnummer nennen. Ein bike- Zille sagen lassen: „Man kann mit einer verein zu Hamburg vertreten war, hat die Ent- right-Rechtsanwalt ruft zu dem vereinbarten Wohnung einen Menschen genauso gut wicklung des Internetportals beratend begleitet. Zeitpunkt zurück, auf Wunsch auch per Skype. töten wie mit einer Axt.“ Süßer Quälgeist (as) Während Manfred Steinröx die Wände einer feuchten Wohnung in einem Hamburger 1950er-Jahre-Bau inspizierte, folgte ihm eine kleine Katze auf Schritt und Tritt. „Das Messgerät mit der sil- bernen Kugel hat die Katze fasziniert. Sie wollte es dauernd fangen. Das machte das Messen etwas schwierig“, erinnert sich Steinröx an den süßen Quälgeist. Der Gutachter fand Schimmel und Feuchtigkeit in der Küche, im Wohn- und Esszimmer und auch im Schlafzimmer. „Ich hab mich gewundert, warum die Wand hinter dem Bett in hell glänzender Ölfarbe gestrichen ist“, erzählt er. „Aber das war keine Ölfarbe. Die Wand war so nass, dass sie spiegelte.“ Seine Diagnose: Extrem schlechte Wärmedämmung! Als der Gutachter Der Diplom-Ingenieur Manfred Steinröx ist als Sachverständiger für den schließlich die Feuchtigkeit der Wände rund um die Badewanne Mieterverein zu Hamburg im Einsatz und erstellt Gutachten im Auftrag messen wollte, sprang die Katze ins Waschbecken. Steinröx: von Mitgliedern. Was er in den Mietshäusern vorfindet, hält er mit sei- „Von hier hatte sie den besten Überblick und konnte sehen ner Kamera fest. Das MieterJournal veröffentlicht in jeder Ausgabe eines was ich da so mache.“ seiner Bilder und erzählt die Geschichte hinter dessen Entstehung. MieterJournal 3/2017 · 5
Leben in Hamburg Obdach und Heim für die weniger Privilegierten Die SAGA und die Vorgängergesellschaft der GWG wurden einst gegen die Wohnungsnot gegründet. Knapp ein Jahrhundert später rückt die Neubautätigkeit erneut in den Vordergrund Die SAGA Unternehmensgruppe klotzt Die SAGA baut in der HafenCity (Visua- beim Wohnungsbau mächtig ran. Das mit lisierungen 1 und 3), am Hexenberg In Mitte Altona entsteht sogar ein neuer mehr als 130.000 Wohnungen bundesweit (2) und Am Weißenberge (4). Stadtteil – auch hier mischt die SAGA mit. In größte kommunale Wohnungsunterneh- Altonas „Neuer Mitte“ kooperiert das Unter- men hat im vergangenen Jahr 1.759 Bau- nehmen mit privaten Investoren und Genos- starts realisiert und strebt mittelfristig senschaften. „Dort entstehen moderne und das Erstellen von 2.000 Wohnungen bezahlbare Wohnungen in bester innerstäd- jährlich an. Das ambitionierte Ziel soll tischer Lage“, frohlockt die SAGA. An der mithilfe des Modulwohnungsbaus Harkortstraße baut die SAGA 179 Wohnun- erreicht werden. Zudem will die SAGA gen mit einer anfänglichen Nettokaltmiete kundenfreundlicher werden. Beispiele von 6,10 Euro pro Quadratmeter. Alle Woh- aus der Beraterpraxis des Mietervereins nungen sind barrierefrei zu erreichen, die zeigen, dass dies auch nicht selten nötig Baukörper sind fünf- bis siebengeschossig. 1 ist. Insgesamt umfasst der erste Bauabschnitt in der Mitte Altona ein Areal von 12,3 Hektar Von Volker Stahl mit rund 1.600 Wohneinheiten. Davon sind jeweils ein Drittel Sozial-, Miet- und Eigen- tumswohnungen. Wer im aktuellen Geschäftsbericht der SAGA Unternehmensgruppe blättert, In Harburg errichtet die SAGA an der kommt aus dem Staunen nicht heraus. Ob Denickestraße 310 Wohnungen, in Hum- in der Denickestraße (Harburg), Am Wei- melsbüttel entstehen in drei Mehrfamilien- ßenberge (Ohlsdorf ), am Baakenhafen häusern 39 öffentlich geförderte Wohnun- (HafenCity) oder in den Stadtteilen Lan- gen und in der HafenCity baut das Unter- genhorn, Altona, Öjendorf und Steilshoop nehmen sogar 181 öffentlich geförderte – überall baut die SAGA wie wild. Das ist Wohnungen in direkter Wasserlage. „Der auch dringend erforderlich, denn Hamburg Baakenhafen bietet eine vielfältige Wohn- wächst durch Zuzug weiter. Dazu kom- 2 qualität und mit den gelungenen Entwür- men Tausende Flüchtlinge, die dringend fen wird in der ersten Reihe am Elbufer Wohnraum benötigen. Aus diesem Grund ein Ausrufezeichen für den geförderten forciert die SAGA den Bau sogenannter Wohnungsbau gesetzt“, sagt die zuständige Express-Wohnungen. Die ersten dieser SAGA-Prokuristin Susanne Gräff. Wohnungen waren bereits Ende 2016 nach nur neun Monaten Bauzeit fertiggestellt, so SAGA: beispielsweise die Unterkunft am Elfsaal mit „Bauboom wie vor 40 Jahren“ mehr als 200 Wohnungen. Andere Bauvor- haben befinden sich auf einem guten Weg, Die emsige Bautätigkeit des Konzerns wie die Projekte Suurheid oder Duvenacker. sorgt für reichlich Schlagzeilen. „SAGA: Fakt ist jedoch: Die aktuell rund eine Mil- Bauboom wie vor 40 Jahren“, vermeldete lion Wohneinheiten können schon jetzt den das Pinneberger Tageblatt. „SAGA plant in Bedarf der 1,815 Millionen Bewohner kaum Hamburg Wohnungs-Revolution“, titelte die decken – von bezahlbarem Wohnraum ganz 3 Hamburger Morgenpost nach der Bilanz- zu schweigen. pressekonferenz des Unternehmens im Juli. Dort verkündete die SAGA bei einem 150 Deshalb steuert die SAGA in ganz Ham- Millionen Euro hohen Überschuss stolz burg mit zahlreichen Neubauten dagegen. das „erfolgreichste operative Jahr“ in ihrer Einige aktuelle Beispiele: Das Projekt Am Geschichte. Das Geld kann das Unterneh- Weißenberge in Sichtweite zum weltbe- men gut gebrauchen, denn im Juni 2016 rühmten Knast „Santa Fu“ realisiert ins- hatte sich die SAGA im neuen „Bündnis für gesamt 485 Wohnungen, von denen mehr das Wohnen“ dazu verpflichtet, jährlich mit als drei Viertel öffentlich gefördert sind. dem Bau von durchschnittlich 2.000 Woh- Außerdem entstehen dort eine Kita, eine nungen zu beginnen. „Wir halten Wort“, Seniorenwohnanlage und ein öffentlich heißt es dazu auf der Website. Zahlen bele- zugänglicher Park. Das i-Tüpfelchen des gen eine ansteigende Tendenz: 2013 schaffte Gesamtprojekts ist die denkmalgeschützte die SAGA Unternehmensgruppe erstmals Modernisierung der früheren „Wärterhäu- Visualisierungen: 1.000 Baubeginne. 2014 und 2015 wurden ser“ der Justizvollzugsanstalt. SAGA Unternehmensgruppe 4 jeweils 1.000 Wohnungen fertigstellt und 6 · MieterJournal 3/2017
nochmals ebenso viele Bauten auf den Weg Schwestergesellschaften auf 74.000. in den vergangenen Jahren eng miteinander gebracht. 2016 hat der Konzern 1.750 Bau- Im benachbarten Hamburg lief es verwachsen“, erklärt Vorstandsprecher Dr. beginne realisiert – so viele wie zuletzt Mitte zunächst anders. Zwar existierte dort mit Thomas Krebs die Maßnahme. der 1970er-Jahre! Diese Zahl noch einmal dem „Spar- und Bauverein“ eine Tradi- leicht zu steigern, sei besonders im Hinblick tion des gemeinnützigen Wohnungsbaus, Die aktuell größte Herausforderung auf die Akquise von geeigneten Grundstü- doch erst die in der Hansestadt starken des kommunalen Wohnungsgiganten ist cken eine große Herausforderung, konsta- Gewerkschaften schoben den Woh- es, beim beschleunigten Bauen trotz stän- tiert SAGA-Vorstandsprecher Dr. Thomas nungsbau für die Arbeiterschaft durch dig steigender Kosten Qualität zu liefern. Krebs (siehe auch Interview auf Seite 9). die Gründung eigener Unternehmen an. Dazu seien, so SAGA-Vorstand Dr. Krebs, 1926 wurde die „Gemeinnützige Klein- „intelligente Konzepte“ vonnöten: „Unsere „Groß-Hamburg-Gesetz“ wohnungsbaugesellschaft Groß-Ham- Antwort darauf ist die Entwicklung eines burg“ (GKB) aus der Taufe gehoben, die SAGA-Systemhauses, das wir in seinen Ein Blick in die Gründungsgeschichte bis 1932 vor allem in den Arbeitervierteln verschiedenen städtebaulichen Figuren im des kommunalen Wohnungsbaus hilft Barmbek-Nord, in der Jarrestadt und auf jeweiligen Quartierskontext zur Anwen- zu verstehen, in welcher Tradition die der Veddel 2.700 Wohnungen errichtete. dung bringen wollen.“ Systemisches Bauen SAGA Unternehmensgruppe steht. In Übrigens sehr zum Ärger der privaten wie in der Gründerzeit soll das Wohnungs- den 1920er-Jahren gab es das heutige Bauwirtschaft, die den öffentlich geför- problem also lösen. „Man denkt schnell an Hamburg noch nicht, sondern – bis zum derten Wohnungsbau torpedierte. In Plattenbauten im Osten, aber wir bauen in „Groß-Hamburg-Gesetz“ 1937 – einen der Zeit des Nationalsozialismus wurde hoher Qualität“, verspricht der SAGA-Vor- „Städtekomplex an der Niederelbe“, beste- aus der GKB die Neue Heimat, die die standschef. hend aus Hamburg, Altona, Wandsbek Wohnungsnot nach dem Ende des Zwei- sowie Harburg und Wilhelmsburg. Das ten Weltkriegs zunächst durch den Bau Scharf formulierte preußische Altona war damals eine wach- von Nissenhütten zu dämpfen versuchte. Standardschreiben sende Industriestadt mit rund 250.000 Nach dem Zusammenbruch der Neuen Einwohnern. Auch das benachbarte Ham- Heimat durch Misswirtschaft übernahm Neubau ist die eine Sache, die Bestands- burg hatte die Folgen der rasant voran- Ende der 1980er-Jahre die Nachfolgege- erhaltung eine andere Aufgabe der SAGA. schreitenden Industrialisierung zu meis- sellschaft GWG deren Hamburger Woh- Nicht immer seien die Mieter mit der tern, unter anderem Massenverelendung nungsbestand. „Der Mieterverein zu Betreuung durch die SAGA zufrieden, und Wohnungsnot. Besonders die Lebens- Hamburg hat damals durch die Mobili- weiß Dr. Rolf Bosse, im Mieterverein verhältnisse der Arbeiter waren prekär. sierung der Öffentlichkeit maßgeblich für die Betreuung der Mieterinitiaven Die Ärmsten der Armen lebten in total dazu beigetragen, dass die Wohnungen zuständig, aus langjähriger Erfahrung: überbelegten, unhygienischen, oft auch nicht an private Investoren verscherbelt „Die SAGA bewirtschaftet ihre Bestände noch untervermieteten Behausungen, die wurden. Für die Hamburger Mieterinnen solide, tritt aber leider gegenüber ihren vor allem der sogenannten Schlitzbau- und Mieter hat sich das mehr als bezahlt Mietern häufig in einer Form auf, die weise geschuldet waren. Die enge Bebau- gemacht. Ohne diese Wohnungen wäre Augenmaß vermissen lässt.“ So enthielten ung entlang schmaler Hofschlitze ließ nur die aktuelle Situation auf dem Hambur- Standardschreiben, die bei tatsächlichen wenig Licht und Luft in die Wohnungen. ger Wohnungsmarkt noch dramatischer“, oder mutmaßlichen Zahlungsrückständen sagt Siegmund Chychla, Vorsitzender des versendet werden, Formulierungen, die Die Situation für die unterprivilegier- Mietervereins zu Hamburg. Mieter als bedrohlich empfänden. Zudem ten Teile der Bevölkerung besserte sich erst würden Abmahnungen wegen Verstößen nach dem Ende der Inflation 1923, als dank Mit „Systemhäusern“ gegen gegen vertragliche Verpflichtungen aus- staatlicher Förderprogramme der Neubau die Wohnungsnot gesprochen – auch wenn die Miete wegen von menschenwürdigen Arbeiterwoh- vorhandener Mängel gemindert werden nungen angeschoben und das in der Wei- Seit 1999 betreiben SAGA und GWG durfte. Die SAGA formuliert auch dann marer Reichsverfassung verbriefte „Recht die Bildung eines gemeinsamen Konzerns. scharf, wenn es nur um geringfügige auf Wohnung“ mit Leben erfüllt wurde. Im Herbst 2016 wurde das Unternehmen Beträge geht, wie im Fall der Mieterin R. In diesem historischen Umfeld wurde im in SAGA Unternehmensgruppe umbe- aus dem Carl-Bremer-Ring, die der SAGA sozialdemokratisch regierten Altona 1922 nannt. Mittlerweile hat die SAGA rund 90 13,03 Euro schuldete. die „Gemeinnützige Siedlungs-Aktienge- Prozent der GWG-Anteile aufgekauft. Das sellschaft Altona“ (SAGA) mit dem Ziel Unternehmen ist mit 132.511 Wohnungen Nicht gut zu sprechen auf ihren städti- gegründet, Wohnraum für einkommens- der größte Bestandshalter in Hamburg. schen Vermieter ist auch Stephanie Klein schwache Schichten zu schaffen. Diese Auf- „Mit der Anpassung unseres Konzernna- aus der Strietkoppel in Mümmelmanns- gabe nahm sie nach 1945 erneut in Angriff. mens ziehen wir nach außen hin sichtbar berg. Dort will die SAGA ihren Mieter- 1959 wurde die zehntausendste Wohnung das nach, was unternehmensintern schon garten verkleinern, weil an dieser Stelle nach Kriegsende fertiggestellt. 1972 erhöhte länger gilt: Die beiden kommunalen Woh- ein Weg zum Schutz der Nachbarn gegen sich der gesamte SAGA-Wohnungsbestand nungsunternehmen SAGA und GWG mit Lärm durch Passanten verlegt werden soll. durch die Übernahme von drei städtischen ihren anfangs verschiedenen Kulturen sind Die Mieterin wehrt sich dagegen: „Ich habe MieterJournal 3/2017 · 7
mit den Nachbarn gesprochen. Die haben Vormieter übernommen wurden. Gerade sich nicht beschwert, weil es zu laut ist.“ ältere Mieter, die zum Beispiel in eine der Die SAGA reagierte mit schikanösen Spiel- unternehmenseigenen Seniorenwohn- chen auf die renitente Mieterin, berichtet anlage umziehen, sind mit diesen Forde- die beim Mieterverein für den Fall zustän- rungen oftmals überfordert. Sie können dige Juristin Inge Würfel: „Der Sachbear- die Arbeiten nicht selbst erledigen und beiter der SAGA verlangt jetzt aus Ärger haben auch kein Geld, um sie ausführen und ohne Rechtsgrund auch den Rückbau zu lassen. Wenn der Mieterverein eingreift, einer Schaukel und hat mitgeteilt, dass er gelingt es in der Regel, mit den Mitarbei- die Sache an die Rechtsabteilung abgegeben tern der Geschäftsstellen eine Einigung habe.“ Die Antwort der SAGA-Rechtsabtei- herbeizuführen. lung steht aus. SAGA will Inge Würfel hat aktuell einen weiteren Kundenzufriedenheit Fall in Arbeit, bei dem die SAGA keine optimieren gute Figur macht: „Sie droht unserem Mit- glied mit Klage und dem Hinweis, dass Es wäre zu wünschen, dass die SAGA es mindestens 105 Euro Gerichtskosten bei der Bewertung eines Sachverhalts die zahlen muss, wenn es nicht der Miet- individuelle Situation ihrer Mieter stärker erhöhung zustimmt. Wir haben aber bereits berücksichtigt und sich nicht vordring- für das Mitglied eine Teilzustimmung erteilt.“ lich auf mutmaßliche Ansprüche gegen- Die konkrete Drohung mit Kosten sei unse- über den Mietern beruft. „Im Augenblick riös, so Würfel, da der Rechtsstreit offen sei, besteht der Eindruck, jeder Mitarbeiter also in keinem Fall feststehe, dass das Mit- sei angehalten, dem Unternehmen so viel glied verliere und die Kosten tragen müsse. Stele im Eingangsbereich Geld wie möglich zu sparen“, mutmaßt der SAGA Zentrale (oben). Dr. Rolf Bosse aus der Rechtsabteilung des Schimmel, durchgebrochener Innenansichten der SAGA- Mietervereins. Dies gehe auf Kosten der Fußboden – die Mieter Immobilie in Francop (unten). Mieter und führe nicht selten zu Verstößen sind verzweifelt gegen geltendes Recht. „Leider bleibt es bei einem so großen Vermieter wie der SAGA In einem anderen, brisanteren Fall geht Unternehmensgruppe nicht aus, dass nicht es um ein Einfamilienhaus der SAGA in alle Mieter zu ihrer Zufriedenheit behan- Francop, das laut dem vom Mieterverein delt werden. Deshalb muss der Mieterver- bestellten Gutachter nicht mehr bewohn- ein leider öfter, als es eigentlich bei einer bar ist. Die Rohre sind marode, überall sachgerechten Verwaltung erforderlich blüht Schimmel, im Winter fallen dauernd wäre, korrigierend eingreifen“, so das Fazit Heizung und Warmwasser aus, dazu treten des Mietervereins-Vorsitzenden Siegmund zahlreiche andere Mängel auf. Die SAGA Chychla. hat bisher keine nachhaltigen Maßnahmen veranlasst, nur Flickschusterei betrieben. Doch die SAGA gelobt Besserung. Die Fotos: Unten/Mitte: Steinröx, oben: SAGA Unternehmensgruppe „Die Familie, die dort lebt, ist ziemlich ver- Kundenzufriedenheit soll optimiert wer- zweifelt und klagt jetzt“, sagt Robert Maase, den, verspricht SAGA-Vorstand Wilfried Rechtsberater im Mieterverein: „In der Wendel: „Wir wollen die Digitalisierung Sache agiert die SAGA ziemlich dreist. Das nutzen, um den 18 Geschäftsstellen mehr Gutachten ist schon sehr beeindruckend: Zeit für die Bestands- und Quartierspflege Schimmel, durchgebrochener Fußboden et zu verschaffen.“ Derzeit sind 160 Mitarbei- cetera – und die SAGA behauptet tatsäch- terinnen und Mitarbeiter damit beschäf- lich, ein falsches Wohnverhalten der Mieter tigt, das neue System ab dem 1. Januar sei ursächlich!“ 2018 zum Laufen zu bringen. Das neue Kundenportal „Meine SAGA“ wird über Ein anderes Problem bei der Beratung eine zentrale Telefonnummer und eine von SAGA-Mietern: Endet ein Mietver- zentrale E-Mail-Adresse einfache Anfra- hältnis, wird von den Mietern häufig vor gen „schnell und transparent“ erledigen Rückgabe der Rückbau von Heizung, Bad können, so Wendel. Laut einer internen oder Verfliesung verlangt – ohne Rück- Umfrage liegt die Wohnzufriedenheit bei sicht darauf, wie lange diese Einbauten der SAGA derzeit bei 88 Prozent. Ein biss- schon vorhanden waren oder ob sie vom chen Luft nach oben ist also noch ... 8 · MieterJournal 3/2017
Leben in Hamburg Interview „Serieller Wohnungsbau prägt Hamburg seit der Gründerzeit“ Foto: stahlpress Im Gespräch mit MJ-Redakteur Volker Stahl äußert sich Dr. Tho- Standorten realisiert werden können. Der nächste Schritt in dieser mas Krebs, Vorstandssprecher der SAGA Unternehmensgruppe, Entwicklung wird das SAGA-Systemhaus in Modulbauweise sein, über die Rolle seines Unternehmens auf dem Wohnungsmarkt, das Planungssicherheit und Vielfalt in der Ausgestaltung verbindet. berichtet über Neubauvorhaben – und erklärt, was „modulare Systemhäuser“ sind. Besteht da nicht die Gefahr der Monotonie? Unser Ansatz des modernen seriellen Wohnungsbaus verfolgt Was sind in den nächsten Jahren die größten Effektivität, Variabilität und eine hohe städtebauliche sowie archi- Herausforderungen für Ihr Unternehmen? tektonische Qualität. Serieller Wohnungsbau prägt im Übrigen das Die größte Aufgabe bleibt die Akquisition und Entwicklung geeig- Bild Hamburgs bereits seit der Gründerzeit. Zu Beginn des 20. Jahr- neter bebaubarer Grundstücke, um unser Ziel von durchschnittlich hunderts war serielles Bauen schon einmal ein Weg, um die dyna- 2.000 Baubeginnen jährlich zu verstetigen. Dabei stellen die Bau- misch wachsende Bevölkerung mit Wohnraum zu versorgen. Und kosten eine zunehmende Herausforderung dar. Wir konzentrieren die Gründerzeitquartiere sind bekanntlich heute besonders gefragt! uns auch weiterhin auf die hohen Bestandsinvestitionen. Gibt es genügend Bauplätze zur Realisierung der Baupläne? Die SAGA vermietet jedes Jahr 8.000 Wohnungen neu. Die Akquisition und Entwicklung geeigneter bebaubarer Grund- Wer von den 40.000 Interessenten bekommt eine Wohnung? stücke ist eine der wichtigsten, aber auch schwierigsten Aufgaben im Die SAGA Unternehmensgruppe stellt einer breiten Schicht der Zusammenhang mit der erforderlichen Verstetigung des Neubaus. Bevölkerung Wohnraum zu angemessenen Preisen zur Verfügung. Das heißt: Wir sind grundsätzlich für alle Menschen zuständig, die 2016 hat die SAGA 150 Millionen Euro Gewinn gemacht. eine Wohnung in der Hansestadt suchen – selbstverständlich auch Das entspricht etwa dem, was Hamburg für die gesamte für Menschen mit Zugangsschwierigkeiten am allgemeinen Miet- Wohnungsbauförderung im Jahr ausgibt. markt. Über den mit Hamburg geschlossenen Kooperationsvertrag Was passiert mit dem Überschuss? versorgen wir jährlich mindestens 1.000 Interessenten mit Dring- Der Gewinn verbleibt im Unternehmen, um Investitionen wie lichkeitsschein, 1.000 mit Dringlichkeitsbestätigung und 1.000 mit die 2.000 Neubauwohnungen im niedrigen Preissegment realisieren normalem Wohnberechtigungsschein. Mit Blick auf die derzeitige zu können, aber auch, um die umfangreichen Modernisierungen Fluktuationsquote erfolgt derzeit rund jede vierte Vermietung an im Bestand umzusetzen. vordringlich Wohnungssuchende. Zuletzt hörte man nur noch wenig von dem Sie wollen künftig „günstiger, schneller und in größeren SAGA-Projekt „Endlich meins“. Wie ist der Stand? Einheiten“ bauen. Wie soll das bei steigenden Das Eigentumsangebot erfolgt an Mieter und Selbstnutzer in Baukosten funktionieren? bereits bestehenden Verkaufsanlagen. Vor dem Hintergrund der Die Verstetigung unserer Neubauziele erfordert intelligente Kon- Bürgerverträge planen wir perspektivisch in ausgewählten Projek- zepte zum beschleunigten und kostengünstigen Bauen unter Wah- ten, in denen wir Flüchtlingswohnungen bauen, den Erwerb von rung der städtebaulich gebotenen Qualität. Unsere Antwort darauf Eigentumswohnungen oder Reihenhäusern im begrenzten Umfang ist die Entwicklung eines SAGA-Systemhauses, das wir in seinen anzubieten. Da wir uns als bestandshaltendes Wohnungsunterneh- verschiedenen städtebaulichen Figuren in den kommenden Jahren men verstehen, ist eine Ausweitung der Verkaufsangebote darüber im jeweiligen Quartierskontext zur Anwendung bringen wollen. hinaus zurzeit nicht vorgesehen. Die SAGA setzt beim Neubau künftig stark auf den Bau von Das Projekt wurde vor Ihrer Amtszeit initiiert. „modularen Systemhäusern“. Können Sie das bitte übersetzen? Befürworten Sie die Privatisierung städtischen Wohnraums? Aus dem Bau von Flüchtlingsunterkünften mit der Perspektive Durch diverse Untersuchungen zur Quartiersentwicklung wissen Wohnen haben wir viel gelernt. In diesen Fällen haben wir bereits wir, dass durch den Eigentumswohnungsvertrieb positive Effekte genehmigte und andernorts fertiggestellte Gebäude dupliziert und erreicht werden können. Jedes Quartier lebt von der Vielfältigkeit dadurch sowohl Kosten als auch Zeit gespart. Auf diese Weise der Wohnformen und wir sind froh, dass wir durch dieses Programm entsteht jetzt ein Katalog aus bewährten und genehmigungsreifen unseren Beitrag dazu leisten konnten. Das Eigentumsprogramm Typen, die schnell, effizient und kostengünstig an unterschiedlichen „Endlich meins“ ist für uns eine Erfolgsgeschichte. MieterJournal 3/2017 · 9
Leben in Hamburg Stadtteil-Rundgang (2) Der Ritter der Tafelrunde Mit Heimatforscher Michael Pommerening auf Tour durch „sein“ Eilbek Von Sabine Deh Lehrer, der nach der Pensionierung ein Geschichtsstudium aufnahm, mit 72 Jah- Eilbek gilt unter Hamburgs Stadtteilen als ren seine Magisterarbeit schrieb und sechs unscheinbares graues Mäuschen. Wäh- Jahre später in diesem Fach promovierte. rend des Zweiten Weltkriegs wurden 90 Der Senior wäre bestimmt stolz auf seinen Prozent des Quartiers zerstört. Nur einige Sohn, der 2010 für sein Engagement um elegante Kaufmannsvillen aus der Grün- die Vermittlung von Geschichtswissen mit derzeit, die im Auen- und im Dichtervier- dem Verdienstorden der Bundesrepublik tel zu bewundern sind, überstanden den Deutschland ausgezeichnet wurde. „großen Feuersturm“ 1943 unbeschadet. Unterwegs in Eilbek Heute prägen vier- bis sechsgeschossige Vicky Leandros wuchs an der mit Michael Pommerening. Rotklinkerhäuser und Gebäude in unde- Blumenau auf Foto: Deh finierbarem Grauweiß das Straßenbild, braust. Der 84-Jährige wohnt in einer der die in den 1950er- und 1960er-Jahren von Das gerade mal 1,7 Quadratkilometer Seitenstraßen in einem Rotklinkerbau der der SAGA oder Hamburger Baugenossen- kleine Eilbek hat sich zwischen Barm- SAGA. „Hier an der Hauptstraße ist es schaften in Schnellbauweise errichtet bek-Süd, Wandsbek, Hamm und Uhlen- vielleicht ein wenig laut, aber die Nachbarn wurden. Der Rechtsanwalt und Heimat- horst eingerichtet. Mit 21.287 Einwohnern sind nett, die Miete ist bezahlbar und ich forscher Michael Pommerening würdigte zählt das Viertel zu den am dichtesten habe dank U- und S-Bahn sowie verschie- den Stadtteil mit der Eilbeker Tafelrunde, besiedelten Standorten in Hamburg. Die dener Buslinien eine flotte Anbindung an einem historischen Rundgang, auf dem 44 sechsspurige Wandsbeker Chaussee, die die Innenstadt“, bilanziert der Rentner rote und blaue Tafeln die markantesten täglich von rund 46.000 Autos befahren zufrieden. Orte und Spuren markieren. wird, durchzieht den Stadtteil wie eine lange Narbe, an deren Wundrändern sich „Flotte Anbindung an die Nach der Veröffentlichung von mehre- Copy-Shops, Spielhallen, Geschäfte für Innenstadt“ ren Büchern über den Stadtteil Wandsbek Brautmoden und Leerstände aneinan- und einem Werk über das Leben und Wir- derreihen. Als Traditionsgeschäfte blie- Ein Stück weiter steht Heimatforscher ken des Wandsbeker Dichters Matthias ben lediglich der Fahrradhandel Löwe, Michael Pommerening vor dem Alten- Claudius widmete sich Michael Pomme- die Alte Eilbeker Apotheke und ein paar heim Rukteschell bereit und verweist auf rening dem Stadtteil Eilbek – hier sei er alteingesessene Gaststätten dem Standort das rote Schild direkt am Eingang, das aufgewachsen und habe als Kind auf dem treu. Die meisten Eilbeker orientieren einen Standort der Eilbeker Tafelrunde Weg in die Grundschule immer „erschnup- sich bei ihrem Einkauf allerdings lieber markiert. An dieser Stelle stand bis 1943 pert“, ob in der Gewürzmühle am Hirsch- in Richtung Wandsbeker Quarree und das Eilbeker Gemeindehaus, seinerzeit graben gerade Curry, Pfeffer oder Kümmel Mundsburg. geselliger Treffpunkt für die Anwohner. verarbeitet wurde. Schlagersängerin Vicky „Hier gibt es aber noch echten Fil- Im großen Saal traf sich die Nachbarschaft Leandros, die in der Straße Blumenau im terkaffee“, wirbt Wilhelm Letek für sein zu Familienfesten, kulturellen oder poli- Auenviertel am Eilbekkanal aufwuchs, Viertel. Der Senior sitzt an einem Tisch tischen Versammlungen. Mit schnellen kennt der 67-Jährige aus Sandkistentagen. vor dem Feine Frische Café an der Wands- Schritten eilt Rechtsanwalt Pommerening Die Liebe zur Geschichte habe er wohl beker Chaussee und genießt sein bele- weiter zum nächsten Highlight des his- von seinem Vater geerbt, vermutet der bendes Morgengetränk, während direkt torischen Rundgangs – dem Jacobipark. Wandsbeker Advokat. Sein Vater war ein vor seiner Nase der Verkehr vorbei- Die idyllische Grünanlage entstand auf Schwimmende Luxuswohnungen in idyllischer Lage: Die schicken Hausboote auf dem Eilbekkanal. Foto: Deh Das Fundustheater für Kinder befindet sich in einer ruhigen Hinterhoflage der 10 · MieterJournal 3/2017 Hasselbrookstraße. Foto: Wolfgang Scheerer
Leben in Hamburg Seit über 100 Jahren am Standort Wandsbeker Chaussee 13: Fahrrad-Löwe behauptet sich heute zwischen einer Agentur für Afrika-Reisen und einem Nagel-Studio. Foto: Deh dem Gelände des ehemaligen Hammer Lieblingsorten im Stadtteil. Dort wo sich cken Auenviertel luxuriöse Hausboote. Friedhofs, der 1954 zum Park umge- in den hohen gewölbeartigen Räumen Manche dies er Wohns chif fe bieten widmet wurde. Auf den von Ulmen und früher die Schalterhalle befand, wird heute mehr als 110 Quadratmeter Wohnflä- Buchen gerahmten Wegen der „Grünen am Tresen der Kneipe Factory frisches che inklusive Wellnessbad, Wohnküche, Lunge Eilbeks“, die zwischen Wandsbeker Bier gezapft. Kellner Ecert Üze erzählt, Ankleidezimmer und Büro. Das Ange- Chaussee und Hasselbrookstraße liegt, dass die Gäste vor allem Bahnreisende bot wird mit drei Sonnenterrassen und tummeln sich Jogger im atmungsaktiven und Menschen aus der Nachbarschaft privatem Liegeplatz für ein kleineres Sportdress und Mütter mit Kinderkarren sind. „Nett sind sie alle, egal ob auf der Sportboot abgerundet. Wer eines der auf dem Weg zum Spielplatz. Am Ufer Durchreise oder aus dem Viertel“, berichtet Designer-Hausboote käuflich erwerben des kleinen Teichs haben es sich ein paar der 32-Jährige mit einem diplomatischen möchte, muss tief in die Tasche greifen Wohnungslose mit einem Sechserpack Schmunzeln. und mindestens 500.000 Euro auf den Bier gemütlich gemacht. Tisch blättern. Der verstorbene Altkanz- „Bombensicheres Wohnen“ ler Helmut Schmidt, der bodenständig in „Heldenmädchen“ Elise der Schellingstraße 9 aufgewachsen ist, kämpfte gegen die Franzosen Direkt neben dem Bahnhof befindet hätte die schwimmenden Luxus-Villen sich die Kita Hasselbrook. In dem hüb- wohl als „überkandidelten Tünkram“ Heimatforscher Pommerening erläutert schen Gebäude, das den Krieg unbeschadet die Inschriften der verwitterten Grabmale, überstanden hat, soll sich in der Nazi-Zeit die sich überall im Park finden. Ein Stein die Hitler-Jugend getroffen haben. An erinnert an das „Heldenmädchen“ Elise diese Ära erinnern auch die sechs Bunker, Averdieck (1808 bis 1907), das, verkleidet über die man in Eilbek an jeder Ecke stol- in Knabenkleidung, an der Front gegen pert. An der Papenstraße wirbt ein Banner Napoleon kämpfte. „Am beeindruckends- für „Bombensicheres Wohnen“ in einem ten ist aber das Grabmal der Schauspielerin ehemaligen Bunker. Mit dem klangvol- Clara Horn“, findet der Stadteilführer. len Namen „Eastside Park Loft“ werden Tatsächlich strahlt die Ruhestätte mit dem zwölf „exklusive“ Eigentumswohnungen schwebenden Engel, der malerisch mit und ein „atemberaubendes“ Penthouse grüner Patina überzogen ist, eine morbide angepriesen. Die Objekte entstehen direkt „Das Ruckteschell-Heim wurde nach einem Pastor der Faszination aus. Mit ihren lasziven Auf- gegenüber des Jacobiparks. Friedenskirche benannt, der sich tritten sorgte die brünette Aktrice Mitte Architektonische Highlights haben im 19. Jahrhundert um die Armen und Schwachen im Stadtteil kümmerte“, des 19. Jahrhunderts im Thalia-Theater in Eilbek Seltenheitswert, nur hin wie- verrät Michael Pommerening vor dieser Info-Tafel. Foto: Deh für Aufsehen. Nach ihrem Tod im Jahre der erfreut das Auge ein stuckverzierter 1884 sollen Tausende Hamburger ihren Altbau, der in dem Meer gesichtsloser Im alten Bahnhofsgebäude von Trauerzug begleitet haben. Nachkriegshäuser auffällt. In einem dieser Hasselbrook wartet man heutzutage nicht Gründerzeithäuser, in einem Hinterhof mehr auf die Bahn, sondern auf sein Essen. Der unter Denkmalschutz stehende an der Hasselbrookstraße, residiert das Foto: Scheerer Bahnhof Hasselbrookstraße mit dem drol- bekannte Fundus Kindertheater. In der ligen Zwiebeltürmchen ist ein weiterer Schellingstraße 41 hat der Hamburger bezeichnet. � markanter Punkt der Eilbeker Tafelrunde Schachklub von 1830, der älteste Schach- und zählt zu Michael Pommerenings verein Deutschlands, seinen Sitz. „Aufgrund seiner eher kleinen, günstigen Wohnungen ist Eilbek heute vor allem bei Singles beliebt und bei Rentnern, die hier viele Jahre ihres Lebens verbracht haben“, vermutet Michael Pom- merening. Designer-Hausboote am Eilbekkanal Auf dem Eilbekkanal, der streng genommen bereits zum Stadtteil Barmbek-Süd gehört, liegen in Höhe der verkehrsbe- ruhigten Uferstraße im schi- MieterJournal 3/2017 · 11
Leben in Hamburg Motto: Kunst verbindet Wie Flüchtlingskinder spie- lerisch lernen, schlimme Erlebnisse zu verarbeiten Von Anna Salewski Mieterverein-Rechtsanwältin Ulrike Hinrichs leitet seit zweieinhalb Jahren eine Künstlergruppe für geflüchtete Kin- Fotos: Salewski der und Erwachsene auf dem Wohnschiff Transit im Harburger Binnenhafen. Die Bilder der Gruppe sind ab dem 3. Novem- ber bei den Harburger Gedenktagen im Harburger Rathaus zu sehen. Die Tierkarten haben Samera (13, rechts) und Marea (12) im Malkurs gestaltet. I ch kann das nicht“, sagt Samera. Die wältin für den Mieterverein zu Hamburg und schaut sich lächelnd in dem Kunstraum 13-Jährige hält einen Bleistift in der in der Harburger Außenstelle und in der auf der Transit um. „Es macht mir Spaß und Hand, vor ihr liegt ein weißes Blatt Papier, Zentrale am Berliner Tor arbeitet, Anfang 2015 ich sehe wie die Kinder sich entwickeln und daneben eine Spielzeuggiraffe. „Das sagst du gegründet. Damals waren es Berichte über aufblühen.“ Die Geflüchteten haben unterwegs immer. Komm, versuch es mal“, sagt Ulrike Pegida, die sie motivierten, sich ehrenamtlich Schlimmes erlebt und sind traumatisiert. Hin- Hinrichs und schiebt das Papier zurecht. zu engagieren. „Als ich die Aufmärsche im richs versucht zu helfen, ohne nachzubohren. Vorsichtig setzt das Mädchen aus dem Irak Fernsehen sah, wusste ich, ich muss jetzt was „Wenn sie hier zur Ruhe kommen, dann kommt den Bleistift an, zeichnet den ersten Strich. tun“, erinnert sich Hinrichs. Sie wollte sich aktiv alles erst hoch“, erzählt sie. Die künstlerische Hinrichs kennt das schüchterne Mädchen, für die Integration der Geflüchteten und den Arbeit biete ihren Schützlingen die Möglichkeit, redet ihr häufig gut zu. Als Samera mit ihrer Zusammenhalt in ihrem Stadtteil einsetzen. Gefühle zu verarbeiten. Durch regelmäßige Aus- Mutter und den sechs Geschwistern nach Neben der Malgruppe hat Hinrichs auch stellungen erhielten die Geflüchteten außerdem Harburg kam, war sie noch unsicherer. Das war das Projekt „Wir sind Harburg“ ins Leben Wertschätzung. vor sechs Monaten. Seitdem lebt die Familie gerufen – und sie organisiert künstlerische Mit Harburg verbindet Hinrichs eine lange auf dem Wohnschiff Transit im Harburger Stadtwanderungen, die für alle offen sind. Geschichte. Dort im Süden der Hansestadt ist Binnenhafen. Und hier besucht Samera die Ganz nach dem Motto: Kunst verbindet. Den sie geboren und aufgewachsen. Mit Anfang 20 zog Hinrichs auf die andere Elbseite nach St. Pauli, um an der Universität Jura zu studieren. Ulrike Hinrichs liebt die Vielfalt Eigentlich wollte sie lieber Künstlerin wer- den, entschied sich dann aber doch für etwas „Richtiges“. Bereut habe sie das nie. Nach dem Studium verbrachte Hinrichs ein Jahr in Istanbul. Der Umzug aus dem beschaulichen Hamburg in die lebendige türkische Metropole habe sie sehr geprägt. Später zog die junge Anwältin mit sehr guten Türkischkenntnissen nach Berlin-Kreuzberg und heuerte bei Turkish Airlines an. Heute beherrsche sie die Sprache nicht mehr Ulrike Hinrichs ist Rechtsanwältin, Mediatorin, Coach, In dem schwimmenden Atelier auf dem Wohnschiff Transit ganz so gut, nützlich seien die Kenntnisse bei Kunsttherapeutin und Autorin. im Harbuger Binnenhafen malt sie mit Geflüchteten. der Arbeit für den Mieterverein – besonders in Harburg – allemal. „Es ist schon ein Türöffner, wenn ich auf Türkisch ,herzlich willkommen‘ Malgruppe von Ulrike Hinrichs. interkulturellen Dialog fördert auch ein weite- sage“, sagt Hinrichs lächelnd. Die Freiberufle- Einmal die Woche schließt die 52-Jäh- res Projekt: Das 150-seitige Kochbuch „Kleine rin arbeitet seit ihrer Rückkehr aus Berlin vor rige den kleinen Raum im ersten Stock Weltküche – Kochrezepte von Geflüchteten viereinhalb Jahren beim Mieterverein. Heute der Transit auf, holt die Wachskreiden, und Freunden“ haben 50 Personen gemein- lebt sie in der Nähe der Harburger Berge. Seit Buntstifte und das Papier aus dem Schrank sam geschrieben und illustriert. „Da ist der dem Umzug „von Kreuzberg in den Wald“ und wartet auf ihre Künstler. Etwa 6 bis 15 Tafelspitz von meiner Mutter genauso drin wie genießt sie die Nähe zur Natur und die langen Kinder und Erwachsene kommen zum Malen, Bolani aus Afghanistan“, freut sich Hinrichs, Spaziergänge mit ihrem Pflegehund. Hinrichs darunter auch ein syrischer Kunstprofessor, die das Buch gemeinsam mit dem Grafiker arbeitet auch als Mediatorin und Coach und hat der Zeichentechniken erklärt. Unterstützt Günther Spiegel herausgebracht hat. vor Kurzem eine Weiterbildung zur Kunstthe- wird das Angebot vom Bezirksamt Harburg Ihre ehrenamtliche Arbeit sieht sie als einen rapeutin abgeschlossen. Fünf Tage die Woche und seit Juni 2017 von „Freiräume! Fond Beitrag für die Gesellschaft und opfert gern ihre das gleiche zu machen, sei einfach nichts für für kulturelle Projekte mit Geflüchteten“. Freizeit dafür. „Ich sage immer, wenn andere sie: „Meine Spezialität ist die Vielfalt.“ � Die Gruppe hat Hinrichs, die als Rechtsan- Tennis spielen, gehe ich hierher“, sagt Hinrichs www.wirsindharburg.com, www.heimat-harburg.de 12 · MieterJournal 3/2017
Leben in Hamburg Mit schmutzigen Fenstern fing alles an Die Mieterinitiative Fuhlsbüttel-Süd wehrt sich gegen falsche Betriebskostenabrechnungen und kämpft für den Erhalt ihrer denkmalgeschützten Wohnanlage Von Anna Salewski Das MieterJournal berichtet in loser Folge über die Initiativen- gekümmert haben. „Die Kom- arbeit des Mietervereins zu Hamburg. In dieser Ausgabe stellen munikation mit GIB lief sehr gut. wir die Mieterinitiative Fuhlsbüttel-Süd in der Wohnanlage am Der Hausmeister hatte ein Büro Woermannsweg vor. hier, war immer ansprechbar und hat sich schnell gekümmert“, erinnert G rün und saftig leuchtet die frisch gemähte Wiese in dem sich Meyer. großen Innenhof am Woermannsweg. Auch die Hecken und Mit dem Verkauf an Quantum verschwand der Hausmeister, die Bäume zwischen den dreistöckigen Rotklinkerbauten sehen Ansprechpartner bei der Verwaltung wechselten häufig und niemand gepflegt aus. Das war nicht immer so, erzählt Sylvia Ehrenpfordt. kümmerte sich um verdreckte Keller und fällige Reparaturen. Als Sie lebt seit 30 Jahren in der denkmalgeschützten Wohnanlage. Den mit der Betriebskostenabrechnung im September 2012 eine saftige Gärtner, der sich seit April 2016 um die Grünflächen kümmert, hat Nachzahlung kam, hatte Sylvia Ehrenpfordt die Nase voll. Sie prüfte die 62-Jährige nach langem Ringen mit der Hausverwaltung schließ- die Abrechnung ganz genau und wunderte sich zuerst über einen lich gemeinsam mit Nachbarn aussuchen dürfen. Ein Etappensieg. Posten. „Glasreinigung? Bei der GIB ist das nie abgerechnet wor- „Ich bin hier mit sechs Gärtnerfirmen rumgelaufen und habe den“, erinnert sie sich. Schließlich seien die schmutzigen Fenster Angebote eingeholt“, erzählt sie stolz. Der Vorgänger habe weder im Treppenhaus auch nie geputzt worden. Für Ehrenpfordt stand regelmäßig Rasen gemäht noch Hecken beschnitten, außerdem sei schnell fest: „Nö, das bezahle ich nicht!“ Sie brütete gemeinsam mit das Holz gefällter Bäume nicht entfernt worden. Fußwege wuchsen zwei Nachbarn über den vielen Ungereimtheiten der Abrechnung zu. Abkassiert habe er trotzdem. Die Kosten gab der Vermieter und forderte mit Unterstützung des Mietervereins zu Hamburg mit der Betriebskostenabrechnung an die Bewohner weiter. Bis sämtliche Belege an. Gegenüber dem Vermieter traten die drei als diese anfingen sich zu wehren und schließlich die Mieterinitiative Mieterbeirat auf. Fuhlsbüttel-Süd gründeten. Mitte 2014 lud Ehrenpfordt gemeinsam mit Dr. Rolf Bosse, Beauftragter für Mieterinitiativen beim Mieterverein zu Hamburg, „Es ist ein ständiger Kampf und ein Ringen um jeden Euro, den alle Nachbarn zu einer Versammlung ein. Ziel war es, möglichst wir zu viel gezahlt haben“, sagt Mieterini-Mitglied Jürgen Gerlach viele Bewohner über die fehlerhaften Betriebskostenabrechnungen (69). Der pensionierte Beamte lebt seit 2003 in der Fuhlsbüttler aufzuklären. Strittig waren vier Positionen: Hausmeisterkosten, Wohnanlage, die von den Straßen Woermannsweg, Woermannstieg, Treppenhaus- und Glasreinigung, Winterdienst und die Garten- Maienweg und Am Hasenberge umschlossen wird. Die Kommu- pflege. Um ihr Recht durchzusetzen, widersprach Ehrenpfordt nikation mit der Eigentümerin Quantum Immobilien AG, die die der Nachzahlung und ließ sich dann von ihrem Vermieter ver- Anlage 2011 von GIB Immobilien gekauft und anschließend die klagen. Ehrenpfordt: „Ich war die Gallionsfigur, wie Dr. Bosse Grundstücksverwaltung Wentzel Dr. eingesetzt hat, sei schwierig, immer sagt.“ Ihr Einsatz hat sich gelohnt: Der Vermieter musste sagt er. Seine Nachbarn stimmen ihm zu. „Mit Quantum fing der die Kosten für die Glasreinigung um 50 Prozent und für andere Ärger an“, meint auch Harald Meyer (72). Der Rentner lebt seit 42 Positionen um 20 Prozent senken. Außerdem reduzierte er die Jahren in der Anlage und hat mehrere Eigentümer und Hausverwalter Kosten für den Hausmeister drastisch auf weniger als ein Drittel erlebt, die sich mal mehr, mal weniger um die knapp 340 Wohnungen, der verlangten Summe. „Ohne die Hilfe von Dr. Bosse wäre das zwei Kitas, zwei Gewerbebetriebe und die großzügigen Grünflächen alles nicht möglich gewesen“, sagt Ehrenpfordt. Anfang 2015 gründete Ehrenpfordt mit anderen schließlich die Mieterinitiative, die heute acht Mitglieder zählt. Neben der Prü- fung der weiterhin fehlerhaften Betriebskos- tenabrechnungen hat sich die Initiative die langfristige Erhaltung der Wohnanlage auf die Fahnen geschrieben. Vor allem möchten die Mieter verhindern, dass ihre Wohnungen in Eigentum umgewandelt werden, wie es in einigen benachbarten Anlagen bereits pas- siert sei. „Das befördert natürlich die Sorge um unser Quartier“, sagt Jürgen Gerlach. Er setzt sich dafür ein, dass das Bezirksamt Hamburg-Nord eine Soziale Erhaltungs- verordnung in dem Stadtteil erlässt, die solche Umwandlungen bereits in anderen Hamburger Quartieren verhindert. „Das ist ein dickes Brett, das da gebohrt werden muss“, sagt Gerlach. Den langen Atem dafür haben die Mitglieder der Mieterinitiative. Sie wollen für ihr schönes Zuhause kämpfen. Sybille von Rothkirch, Jürgen Gerlach, Harald Meyer, Sylvia Ehrenpfordt und Uwe Spangenberg (v.l.) engagieren sich in der Mieterinitiative Fuhlsbüttel-Süd. Foto: Salewski MieterJournal 3/2017 · 13
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