HYDROGRAPHISCHE NACHRICHTEN - HN 108 - Deutsche Hydrographische ...
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HYDROGRAPHISCHE NACHRICHTEN Fachzeitschrift für Hydrographie und Geoinformation 10/2017 HN 108 Schwerpu nkt: Space Hydrogra phy
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Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, dieses Heft widmet sich dem Schwerpunktthe- Was erwartet Sie noch in dieser Ausgabe? – Zwei ma »Space Hydrography«. Damit greifen wir die nicht minder spannende Beiträge. gleichnamige Session der HYDRO 2016 auf. Die mit Jochen Schiewe von der HafenCity Universität vier Vorträgen besetzte Session hat vor einem Jahr macht sich Gedanken über das Verhältnis zwi- in Rostock-Warnemünde viel Zuspruch unter den schen Kartographie und Hydrographie. Und er Konferenzteilnehmern gefunden. formuliert den künftigen Forschungsbedarf im Was verbirgt sich hinter der Hydrographie aus dem Hinblick auf die Visualisierung von Gewässern. Weltraum? Was ist mit satellitengestützten Ferner- Statt in die Zukunft blickt Ingo Hennings in die kundungsmethoden möglich? Was ist überhaupt Vergangenheit. Er hat untersucht, wie die Polyne- messbar, was detektierbar? Und was eher nicht? sier im 19. Jahrhundert Stabkarten verwendet ha- Wie genau ist die Erdbeobachtung eigentlich? ben, um sich anhand von Wellenmustern im Pazi- Diese Fragen haben wir mit Egbert Schwarz vom fik zurechtzufinden. Lars Schiller Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erörtert, der die Session bei der HYDRO 2016 mo- In diesem Heft blicken wir aus unterschiedlichs- deriert hat. Das Wissenschaftsgespräch mit dem ten Richtungen und Zeiten auf die Hydrographie. Leiter der Forschungsstelle »Maritime Sicherheit« Doch wir dürfen feststellen: Der Untersuchungs- in Neustrelitz führt Sie in die Thematik ein. gegenstand ist seit Jahrhunderten derselbe – die Einzelne Fachausdrücke, die Egbert Schwarz im Gewässer der Erde. Hydrographen beschreiben, Interview verwendet – beispielsweise »Produkt« was sich auf und in den Gewässern tut. Dazu grei- und »signifikante Wellenhöhe« –, werden in den fen sie seit jeher auf die Hilfe der Kartographen vier Fachbeiträgen aufgegriffen und vertieft. Alle zurück. Früher mehr, heute weniger. Und künftig Vortragenden von der HYDRO-Session haben ihre vielleicht wieder etwas mehr. Karten jedenfalls Themen für die HN aufbereitet und aktualisiert. waren, sind und bleiben das wesentliche Informa- Stefan Wiehle vom DLR Maritime Safety and tionsmittel der Hydrographie – als Stabkarte vor Security Lab in Bremen erklärt, wie beim Projekt 200 Jahren, als elektronische Seekarte oder als aus »BASE-platform« verschiedene Satellitendaten Algorithmen abgeleitetes »Produkt« heute und als miteinander kombiniert werden, um bathyme Quelle für die Wissensexploration morgen. Daran trische Karten erstellen zu können. Pau Gallés von ändert auch die neue Perspektive aus dem Welt- isardSAT aus Barcelona geht dann noch weiter raum nichts. Die Methoden entwickeln sich be- ins Detail und erläutert, wie Altimetriedaten für ständig weiter. Vom Bleilot zum Fächerecholot war »BASE-platform« zur Verfügung gestellt werden. es ein weiter Weg – nun können Hydrographen In einem weiteren Beitrag zeigt Knut Hartmann eben auch noch Fernerkundungsdaten nutzen. auf, wie die Firma EOMAP Satellitendaten nutzt, Doch der Untersuchungsgegenstand bleibt un- um flache Gewässer zu kartieren und entspre- verändert, das Paradigma der Hydrographie hat chende Produkte zu vermarkten. Bestand. Und Andrey Pleskachevsky, auch er am DLR Ma- ritime Safety and Security Lab in Bremen beschäf- tigt, untersucht, wie der Wellengang aus hochauf- gelösten SAR-Bildern abgelesen werden kann. Titelbild © DLR Für die Erstellung dieser Aufnahme von Sylt wurden drei Bilder von TerraSAR-X übereinander gelegt. Die einzelnen Datensätze wurden am 22., 24. und 27. Oktober 2007 aufgenommen. Alle Gebiete, in denen zwischen den Aufnahmezeitpunkten Veränderungen stattfanden, erscheinen in Blau und Grün – insbesondere die durch Gezeiten beeinflussten Gebiete des Wattenmeeres. Hier verändert sich durch den Wechsel zwischen Ebbe und Flut der Wasserstand von Aufnahme zu Aufnahme. Die Landflächen erscheinen aufgrund der relativ geringen Veränderungen innerhalb der fünf Tage in Grau- und Brauntönen. HN 108 — 10/2017 3
Sonic 2020 Sonic 2022 Sonic 2024 Sonic 2026 Beispiellose Leistungsfähigkeit mit 256 Beams und 1024 Soundings bei 160° Öffnungswinkel (einstellbar) und einer Pingrate von 60 Hz Breitbandtechnologie mit Frequenzwahl in Echtzeit zwischen 200 bis 400 kHz sowie 700 kHz optional Dynamisch fokussierende Beams mit einem max. Öffnungswinkel von 0,5° x 1° bei 400 kHz bzw. 0,3° x 0,6° bei 700 kHz Höchste Auflösung bei einer Bandbreite von 60 kHz, bzw. 1,25 cm Entfernungsauflösung Kombinierbar mit externen Sensoren aller gängigen Hersteller Flexibler Einsatz als vorausschauendes Sonar und der Fächer ist vertikal um bis zu 30° schwenkbar Zusätzliche Funktionen wie True Backscatter und Daten der Wassersäule MultiSpectral Modus™, der es den R2Sonic-Systemen ermöglicht, Backscatter Daten mehrerer Frequenzen in einem einzigen Durch- lauf zu sammeln Nautilus Marine Service GmbH ist der kompetente Partner in Deutschland für den Vertrieb von R2Sonic Fächerecholotsystemen. Darüber hinaus werden alle relevanten Dienstleistungen wie Instal- lation und Wartung kompletter hydrographischer Vermessungssys- teme sowie Schulung und Support für R2Sonic Kunden angeboten. R2Sonic ist ein amerikanischer Hersteller von modernen Fächerecho- loten in Breitbandtechnologie. Seit Gründung des Unternehmens im Jahr 2009 wurden weltweit bereits mehr als 1.300 Fächerlote ausgeliefert und demonstrieren so eindrucksvoll die außergewöhnliche Qualität und enorme Zuverlässigkeit dieser Vermessungssysteme. Nautilus Marine Service GmbH · Alter Postweg 24 · D-21614 Buxtehude · Phone: +49 4161-559 03-0 · info@nautilus-gmbh.com R2Sonic, LLC · 5307 Industrial Oaks Blvd. · Suite 120 · Austin, Texas 78735 · U.S.A. · Phone: +1-512-891-0000 · r2sales@r2sonic.com
Inhaltsverzeichnis HN 108 – Space hydrography Kartographie und Hydrographie 6 Visualisierung von Gewässern Status quo der wissenschaftlichen Behandlung Ein Beitrag von Jochen Schiewe Space hydrography – Wissenschaftsgespräch 10 »Perspektivisch sind Satellitendaten auch in der Hydrographie gefragt« Egbert Schwarz im Wissenschaftsgespräch Space hydrography 20 The BASE-platform project Deriving the bathymetry from combined satellite data An article by Stefan Wiehle et al. Space hydrogaphy 24 The altimetry processing chain Bathymetry for BASE-platform An article by Pau Gallés et al. Space hydrography 30 Satellite-derived bathymetry An effective surveying tool for shallow-water bathymetry mapping An article by Knut Hartmann et al. Space hydrography 34 Sea state from high-resolution satellite-borne SAR imagery An article by Andrey Pleskachevsky et al. Geschichte 40 Hydrographische Inhalte auf Stabkarten Stabkarten zur Navigation im Seegebiet der Marshallinseln/Mikronesien im Pazifik Ein Beitrag von Ingo Hennings Veranstaltungen 46 MARSAT-Workshop Ein Veranstaltungsbericht von Peter Dugge Nachrichten 48 HCU Geomatics excursion to Copenhagen Nachrichten 49 Nautilus markets Stema products in Germany Nachrichten 50 Neues Institut für den Schutz maritimer Infrastrukturen HN 108 — 10/2017 5
Kartographie und Hydrographie Visualisierung von Gewässern Status quo der wissenschaftlichen Behandlung Ein Beitrag von Jochen Schiewe Eine wesentliche Aufgabe der Hydrographie besteht darin, die Gewässer darzustel len. Doch welchen Stellenwert hat diese kartographische Aufgabe? Wie die Gewässer visualisierung zurzeit wissenschaftlich behandelt wird, wurde durch eine systematische Auswertung der Fachliteratur und durch eine Umfrage unter Hydrographie-Experten ermittelt. Aus den Er gebnissen lassen sich Hydrographie | Kartographie | Gewässervisualisierung | Marine Charting | Marine Cartography Rückschlüsse auf künf tige Forschungsauf 1 Einleitung work« vorgestellt und Empfehlungen für künftige gaben und auf den Der Definition von Schiller (2015, S. 62) folgend, be- Aktivitäten in diesem Themenfeld gegeben (Ab- anstehenden Entwick steht das Ziel der Hydrographie in der Erweiterung schnitt 5). lungsbedarf ableiten. des Wissens über Gewässer, um diese verantwort- lich und sicher nutzen und die Lebenswelt schüt- 2 Thematische Eingrenzung zen zu können. Eines der zugehörigen Aufgaben- felder – neben der Datenaufnahme (Vermessung) 2.1 Beteiligte Disziplinen und Datenprozessierung – ist demnach die Visuali- Die Aufnahme, Verarbeitung und Präsentation sierung der Gewässer in Karten und Informations- von hydrographischen Daten sind Gegenstand systemen zum Zweck des Informierens. einer Reihe von Disziplinen. Eine vereinfachte Angeregt durch Gespräche mit Kollegen aus Darstellung dieser Interdisziplinarität führt zu den Hydrographie und Kartographie, in denen immer Kernfächern Geodäsie, Geoinformatik und Karto- wieder eine geringe Beachtung der Visualisie- graphie (Abb. 1). Damit wird auch deutlich, dass rungsthematik in der Hydrographie angemerkt eine isolierte Betrachtung – wie bei dem im Fol- wurde, ist es Ziel dieses Beitrages, den Status quo genden betrachteten Zusammenspiel zwischen der wissenschaftlichen Behandlung des Themas Hydrographie und Kartographie – nur schwer der Gewässervisualisierung detaillierter aufzuar- möglich ist. Gleichwohl soll nun aus Gründen der Autor Jochen Schiewe ist Professor beiten und Rückschlüsse für künftige Forschun- Vereinfachung bzw. Pointierung versucht werden, für Geoinformatik und gen und Entwicklungen (F&E) sowie organisatori- Aspekte wie die Abhängigkeit von aktuellen tech- Geovisualisierung an der sche Maßnahmen aufzuzeigen. nischen Entwicklungen, Modellen, Datenquellen, HCU in Hamburg, wo er das Hierzu erfolgt nach einer thematischen Eingren- Formaten etc. zu vermeiden. Stattdessen erfolgt Labor für Geoinformatik und Geovisualisierung (g2lab) lei- zung (Abschnitt 2) eine kritische Betrachtung aus der Fokus auf die Visualisierung im engeren Sinne, tet. Er ist ferner Vizepräsident den beiden disziplinären Richtungen – aus der das heißt, die vorverarbeitenden Schritte werden der Deutschen Gesellschaft für Kartographie (Abschnitt 3) sowie der Hydrogra- so weit wie möglich außer Acht gelassen. Kartographie (DGfK), in der er phie (Abschnitt 4). Es werden dazu die Ergebnisse die Kommission »Kartographie und Forschung« leitet. einer Recherche von ausgewählten, hauptsäch- 2.2 Arten der Gewässervisualisierung lich deutschsprachigen Fachzeitschriftenartikeln In der kartographischen Literatur gibt es keine jochen.schiewe@ der letzten zehn (oder mehr) Jahre präsentiert. umfassenden bzw. eindeutigen Definitionen der hcu-hamburg.de Ferner wird die Auswertung einer Umfrage unter verschiedenen Kartenarten, die Gewässerinforma- Experten der Hydrographie beschrieben, die die tionen zum Inhalt haben. Auch eine klare Kompa- Alleinstellungsmerkmale sowie die offenen For- tibilität zu den Definitionen im Hydrographic Dic- schungs- und Entwicklungsfragen im Kontext der tionary (IHO 1994) ist nicht gegeben. Gewässervisualisierung zum Thema hatte. Die ge- Generell erfolgt der heutige Daten- und Arbeits- sammelten Ergebnisse werden abschließend zu- ablauf hin zur Visualisierung von Geoinformationen sammengefasst, ein entsprechendes »F&E-Frame- in einem zweistufigen Prozess (Abb. 2): Die Be- schreibung von Topographie und Thematik ge- Abb. 1: Interdisziplinäres Zusammenspiel der schieht durch ein Datenbankmodell, die Speiche- Hydrographie rung in Datenbanken. Aus diesen heraus können dann basierend auf kartographischen Modellen (vereinfacht: »Zeichenvorschriften«) verschiede- ne Arten und Typen der Visualisierung – digital oder analog bzw. innerhalb oder außerhalb des (Informations-)Systems – abgeleitet werden. Ein Beispiel für diese Strukturierung im hydrographi- schen Kontext ist das Konzept von ENC und ECDIS: Die Electronic Navigational Chart (ENC) beinhaltet 6 Hydrographische Nachrichten
Kartographie und Hydrographie »nur« die reinen Daten, deren Inhalt, Struktur und Format durch den Standard S-57 der IHO spezifi- ziert werden (Dugge 2016a). Die eigentliche karto- graphische Darstellung für den konkreten Fall des Electronic Chart Display and Information System (ECDIS) ihrerseits wird durch den Standard S-52 festgelegt (Jonas 2007). Beschränkt man sich auf die Beschreibung der Gewässertopographie (das heißt der 3D-Geome- trie) im engeren Sinne, werden aus den zugrunde liegenden bathymetrischen Daten bathymetrische Abb. 2: Vereinfachtes Karten abgeleitet, in denen generell Tiefenlinien technischen Publikationsorgan der DGfK, so findet Schema zu den Arten der oder -stufen verwendet werden. Weitere räumli- man seit 2000 ganze zwei Beiträge (eines Hydro- Gewässervisualisierung che Sachdaten erlauben (in der Regel in Kombi- graphen) zum Thema Gewässervisualisierung: Jo- nation mit bathymetrischen Daten) die Ableitung nas (2007) beschrieb die »Zukunft der Seekarten – von thematischen Karten. Eine besondere Rolle Seekarten der Zukunft«, derselbe Autor erläuterte nehmen dabei nautische Karten (auch: Seekarten, dann auch den Standard S-100 (Jonas 2010). Die hydrographische oder marine Karten) als eine Aus- Beiträge von Meinel u. Lange (2002) sowie Márton prägung der Verkehrs- bzw. Navigationskarten ein. (2006) können noch am Rande in die Thematik der Sonstige thematische Karten können viele weitere Gewässervisualisierung einsortiert werden. Informationen im Zusammenhang mit Gewässern Nur unwesentlich umfangreicher ist die Be- darstellen (für mögliche Themen siehe z. B. Schiller handlung in internationalen Zeitschriften. Betrach- Literatur 2015, S. 62). tet man stellvertretend hierfür The Cartographic Altić, Mirela Slukan (2015): The British Mit der dargestellten Bandbreite von topogra- Journal (ebenfalls seit 2000), findet man auch dort Contribution to the Charting of the phischen und/oder thematischen Inhalten wird nur fünf Beiträge, die sich hauptsächlich mit nau- Adriatic Sea; The Cartographic Journal, auch deutlich, dass die folgende Betrachtung des tischen Karten (Lovrinčević 2017; Yan et al. 2015), Vol. 52, No. 4, S. 305–317 Bärlocher, Markus (2012): OpenSeaMap Forschungs- und Entwicklungsstandes bzw. des historischen Aspekten (Morato-Moreno 2017; Altić – die freie Seekarte; Hydrographische Bedarfes nicht pauschal, sondern immer wieder 2015) sowie Datumsfragen (Burke 2003) befassen. Nachrichten, Nr. 91 (2/2012), S. 10–13 auch in Abhängigkeit einzelner Kartenarten erfol- Die durchgeführte Literaturrecherche erhebt Burke, Michael (2003): Transfer of gen muss. natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Admiralty Charts of the British Isles to a WGS84 Compatible Datum; The Gleichwohl lässt sich der qualitative Trend recht Cartographic Journal, Vol. 40, No. 1, 3 F&E-Aktivitäten in der Kartographie zuverlässig belegen, nach dem das Thema der S. 89–93 Gewässervisualisierung seitens der (wissenschaftli- Dodt, Jürgen (2011): Sechzig Jahre 3.1 Institutionelle Berücksichtigung chen) Kartographie fast vollständig vernachlässigt Deutsche Gesellschaft für Kartographie – ein Rückblick; Kartographische Innerhalb der International Cartographic Associa- wurde. Nachrichten, Vol. 61, Nr. 5, S- 231–240 tion (ICA) wurden Themen der Gewässervisualisie- Dufek, Tanja; Johannes Kröger; Brendon rung zwischen 1980 und 1984 in der Kommission 4 F&E-Aktivitäten in der Hydrographie Duncan; Jochen Schiewe (2016): A »Marine Charting« sowie zwischen 1995 und 2011 new view on the Elbe – Dynamic and interactive 3D views for public unter der Bezeichnung »Marine Cartography« be- 4.1 Literaturrecherche participation purposes in news media; handelt. Danach wurde die Kommission geschlos- Stellvertretend für die Behandlung in der hydro- Hydrographische Nachrichten, Nr. 105 sen. Im Jahr 2015 hat sie immerhin wieder den graphischen Fachliteratur wurden die Ausgaben (11/2016); S. 56–58 Status einer Arbeitsgruppe erhalten. Neben dem (seit 2008) der Hydrographischen Nachrichten nach Dugge, Peter (2016a): Kartographie für Marine-Führungssysteme; strategischen Ziel, ab 2019 wieder den Status einer Beiträgen mit einem klaren Fokus auf die Visuali- Hydrographische Nachrichten, Nr. 103 Kommission zu haben, und der wissenschaftlich- sierung durchsucht. Auch wenn eine klare Tren- (3/2016), S. 6–10 technischen Behandlung relevanter Themen, sieht nung zu den Bereichen der Datenerfassung und Dugge, Peter (2016b): ENC and ECDIS; die Gruppe ihre Aufgabe in der Kooperation mit -prozessierung nicht immer einfach zu ziehen ist, Hydrographische Nachrichten, Nr. 105 (11/2016), S. 30–33 diversen Fachgesellschaften wie der IHO, der Fé- lassen sich doch zwei Aussagen ableiten: Freytag, Anette; Friedhelm Moggert- dération Internationale des Géomètres (FIG), dem Im Hinblick auf die thematische Ausrichtung lag Kägeler (2008): Herstellung CoastGIS Scientific Committee oder der IGU Com- der Schwerpunkt der Beiträge in den Bereichen maßgeschneiderter elektronischer mission on Coastal Systems. ENC/ECDIS (Dugge 2016b; Hecht 2009), Produk- Seekarten für die hochpräzise Navigation; Hydrographische In Deutschland gab es seit Gründung der Deut- tionsverfahren (Moggert-Kägeler 2014; Freytag u. Nachrichten, Nr. 82 (10/2008), S. 21–25 schen Gesellschaft für Kartographie (DGfK) keine Moggert-Kägeler 2008), neue Produkte bzw. Pro- Hecht, Horst (2009): Die Entwicklung Kommissionen zu Themen der Gewässervisuali- duktlinien (Dugge 2016b; Tauber 2013; Bärlocher der Elektronischen Seekarte; sierung (Dodt 2011). Diese Tatsache lässt sich auch 2012) oder Technik (Schenke u. Lemenkova 2008). Hydrographische Nachrichten, Nr. 84 (6/2009), S. 17–19 bei anderen bedeutenden nationalen kartogra- Methodische oder algorithmische Aspekte sowie IHO (1994): Hydrographic Dictionary – Part phischen Fachgesellschaften feststellen – wie z. B. Fragen der kartographischen Gestaltung wie bei I, Volume I, Special Publication No. 32, der British Cartographic Society (BCS) oder der Ca- Dufek et al. (2016) wurden dagegen so gut wie gar 5th edition; Monaco 1994 nadian Cartographic Association (CCA). nicht angerissen. … Grundsätzlich gilt wie im Fall der kartographi- 3.2 Literaturrecherche schen Literatur, dass die absolute Anzahl an Ver- Betrachtet man Veröffentlichungen in den Karto- öffentlichungen im Kontext der Gewässervisuali- graphischen Nachrichten, dem wissenschaftlich- sierung insgesamt als sehr niedrig einzustufen ist. HN 108 — 10/2017 7
Kartographie und Hydrographie 4.2 Umfrage (2) Software-Einsatz für Um die tatsächliche Rolle von Visualisierun- Visualisierungszwecke gen sowie die Bedarfe hinsichtlich künftiger Es zeigte sich eine große Heterogenität an einge- … Jonas, Mathias (2007): Zukunft der Forschungs- und Entwicklungsthemen näher setzten Software-Produkten, die sich sowohl der Seekarten – Seekarten der Zukunft; beschreiben zu können, wurde im Juni 2017 Spezial-Hydrographie- als auch der GIS- oder rei- Kartographische Nachrichten, Vol. 57, eine Umfrage unter Hydrographie-Experten im nen Grafik-Software zuordnen lassen. Man kann Nr. 1, S. 30–35; auch: Hydrographische deutschsprachigen Raum durchgeführt. Per E- aus den Mehrfachnennungen einzelner Teilneh- Nachrichten, Nr. 81 (6/2008), S. 22–26 Jonas, Mathias (2010): S-100 – das Mail wurde ein Fragebogen an 27 Experten ver- mer sowie der Breite insgesamt ablesen, dass spe- universelle hydrographische sendet. Acht Fragebögen wurden retourniert zifische Aufgaben oder Kartenarten auch spezifi- Datenmodell der IHO und seine – gut verteilt auf Personen von amtlichen Insti- sche Hilfsmittel bedingen. Gleichzeitig erahnt man Bedeutung für die digitale tutionen (3 von 11), privaten Unternehmen (2 von aus dieser Vielfalt auch Schnittstellenprobleme. Seekartographie; Kartographische Nachrichten, Vol. 60, Nr. 3, S. 123–129 11), Hochschulen (2 von 4) sowie mit sonstigem Kember, I.D. (1971): Some Distinctive Hintergrund (1 von 1). (3) Rolle der Papierkarten Feature of Marine Cartography; The Der absolute und relative Rücklauf mag auf den Jonas (2007) diskutierte bereits Vor- und Nachtei- Cartographic Journal, Vol. 8, Nr. 1, ersten Blick sehr gering erscheinen – es war aber le von Papierkarten und stellte den rückläufigen S. 13–20 Lovrinčević, Dejan (2017): Quality von Anfang an nicht die Absicht, repräsentative Gebrauch bzw. Verkauf fest. Einige Teilnehmer der Assessment of an Automatic Sounding Aussagen mit statistischer Signifikanz zu erzielen. aktuellen Umfrage unterstrichen den Fortgang Selection Process for Navigational Auch Rankings sollten aufgrund der oben erwähn- dieses Trends mit expliziten Äußerungen. Insge- Charts; The Cartographic Journal, ten Vielfalt von Kartenarten vermieden werden. samt wurde die Bedeutung der Papierkarten aber Vol. 54, Nr. 2, S. 139–146 Márton, Mátyás (2006): Die Vielmehr sollte eine Kollektion qualitativer Aussa- immerhin noch als »durchschnittlich« bezeichnet. kartographische Darstellung der gen (mit eventuell auffälligen Häufungen) heraus- Ozeane in der geänderten Projektion gearbeitet werden. (4) Rolle von Open Data bzw. von IV. von Baranyi; Kartographische Der Fragebogen enthielt diverse Fragen mit Open-Source-Software Nachrichten, Vol. 56, Nr. 3; S. 145–148 Meinel, Gotthard; Anja Lange (2002): Single-Choice-Antwortmöglichkeiten sowie Frei- Je nach Herkunft bzw. Aufgabenbereich variierten GIS-basierte Visualisierung eines textfeldern. Bei den Ankreuzfragen wurden einige die Antworten zur Nutzung von offenen Daten Gewässerentwicklungsplanes; Aspekte vorgegeben und es wurde eine Einord- bzw. Open-Source-Software im Tagesgeschäft. Kartographische Nachrichten, Vol. 52, nung in eine fünfstufige Skala von »sehr wichtig« Der Modalwert der Antworten lag jeweils bei ei- Nr. 2, S. 55–59 Moggert-Kägeler, Friedhelm (2014): über »wichtig«, »durchschnittlich«, »unwichtig« bis ner »durchschnittlichen« Bedeutung. Gegenüber Produktion von maßgeschneiderten »sehr unwichtig« erbeten. topographischen Anwendungen ist der Einsatz elektronischen Seekarten für die Im Folgenden werden die Ergebnisse der fünf damit noch als eher zurückhaltend einzustufen, deutschen Lotsen; Hydrographische thematischen Blöcke der Umfrage summarisch aus einigen Äußerungen lässt sich aber je nach Nachrichten, Nr. 98 (6/2014); S. 24–25 Morato-Moreno, Manuel (2017): Map of dargestellt. Anwendungsszenario auch durchaus ein künftiger Tlacotapa by Francisco Gali, 1580: An Bedeutungszuwachs antizipieren. Early Example of Local Coastal Chart (1) Alleinstellungsmerkmale von in Spanish America; The Cartographic Gewässervisualisierung (5) Künftige und wichtige Forschungs- Journal, Online publication: http:// dx.doi.org/10.1080/00087041.2017. Bezüglich der Alleinstellungsmerkmale gegenüber und Entwicklungsthemen 1323152 anderen kartographischen Darstellungen (siehe In die Kategorie »sehr wichtig« bis »wichtig« wur- Schenke, Hans Werner; Polina Lemenkova hierzu auch Kember 1971) wurde die Bedeutung den mehrheitlich folgende, vorgegebene Themen (2008): Zur Frage der Meeresboden- der folgenden, vorgegebenen Aspekte durchge- eingeordnet: Kartographie; Hydrographische Nachrichten, Nr. 81 (6/2008), S. 16–21 hend zwischen »sehr wichtig« und »wichtig« an- • gemeinsame Darstellung hydrographischer Schiewe, Jochen (2013): Geovisualization gesehen (wie im Folgenden ohne Ranking): und topographischer Daten, and Geovisual Analytics – The • die darzustellenden Objekte (Meeres-, Fluss- • Anpassung des Kartenausschnittes an das Interdisciplinary Perspective on topographie etc.), aktuelle (Um-)Blickfeld des Nutzers. Cartography; Kartographische Nachrichten, Special Issue 2013, • hoher Anspruch an thematischer Genauig- In die Kategorie »wichtig« fielen die folgenden As- S. 122–126 keit (Korrektheit der Attribute), pekte: Schiller, Lars (2015): What exactly is • hoher Anspruch an geometrischer Genauig- • empirische Untersuchung der Gebrauchs- hydrography?; Hydrographische keit (Lage, Tiefe), tauglichkeit von Karten unter Einsatzbedin- Nachrichten, Nr. 100 (2/2015), S. 59–62 Tauber, Franz (2013): Neue Reliefkarten der • hoher Grad der Standardisierung zur Ge- gungen, deutschen Ostsee; Hydrographische währleistung des internationalen Gebrauchs. • empirische Untersuchungen zur Gebrauchs- Nachrichten, Nr. 95 (6/2013), S. 6–9 Vorwiegend in die Kategorie »wichtig« wurden tauglichkeit von Farben und Symbolen, Yan, Jingya; Eric Guilbert; Eric Saux (2015): eingeordnet: • Visualisierung von Unsicherheiten (Lagefeh- An Ontology of the Submarine Relief for Analysis and Representation on • Gebrauchstauglichkeit unter schwierigen ler etc.), Nautical Charts; The Cartographic Einsatzbedingungen, • Weiterentwicklung kartographischer Stan- Journal, Vol. 52, Nr. 1, S. 58–66 • Notwendigkeit der Einbindung in Systeme dards, und Hardware an Bord. • Entwicklung von Software-Tools zur Karten- Neben den vorgegebenen Merkmalen konnten gestaltung. auch eigene Nennungen erfolgen. Hierzu gehör- Die Bedeutung »durchschnittlich« wurde folgen- ten unter anderem: den Themen zugewiesen: • Aktualität (unter Umständen in Echtzeit) und • Untersuchung des Mehrwertes von perspek- Zuverlässigkeit, tivischen (3D-)Darstellungen, • Skalierbarkeit der Daten und Informationen, • Berücksichtigung von Farbsehschwächen • Generalisierung »zur sicheren Seite«. bei der Farbgestaltung, 8 Hydrographische Nachrichten
Kartographie und Hydrographie • Entwicklung von Software -Tools für Karten- • Neben den üblichen Aufgaben zur Präsen- projektionen. tation von Informationen (z. B. zu nautischen Darüber hinaus erfolgten auch eigene Nennun- Zwecken) sind aber in der Zukunft explizit gen. Hierzu gehörten unter anderem: und mit größerem Gewicht auch solche • Zusammenführung aller bekannten Gewäs- Visualisierungen zu beachten, die quasi als sereigenschaften in einer Karte, Werkzeug zur Exploration in großen und he- • Printing-on-Demand, terogenen Datensätzen (z. B. zur Analyse von • sachgerechte Darstellung bei sich verän- Lebensräumen) dienen können (Schiewe dernden Maßstäben, 2013). Dieser Aspekt geht über die Aufgabe • Überdenken der grundsätzlichen Notwen- der reinen Informationsübermittlung – und digkeit visueller Darstellungen in bestimm- damit über die Definition von Schiller (2015, ten Anwendungsfällen, S. 62) – hinaus. • Kartenproduktion und -aktualisierung in • Unabdingbar – gerade für die reinen Präsen- Echtzeit, tations- bzw. Informationszwecke – ist eine • Erzeugung eines klaren Kartenbildes (z. B. obligatorische und systematische Evaluation kein Cluttering etc. beim Herauszoomen), der Visualisierungen, um die tatsächliche • Systemschnittstelle zu standardisierten und Aufgabenerfüllung auch nachweisen zu qualitätskontrollierten topographischen können. Solche Usability-Studien sind im Informationen. Themenfeld Gewässervisualisierung bisher so gut wie gar nicht anzutreffen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sowohl genügend Alleinstellungsmerkmale Zur Bearbeitung der zahlreichen Forschungs- und (vgl. Abschnitt 4.1) als auch zahlreiche Forschungs- Entwicklungsthemen ist sicherlich auch die Ini- und Entwicklungsbedarfe aufgezeigt wurden, die tiierung einer Reihe von organisatorischen Maß- eine vertiefte und eigenständige Behandlung in nahmen sinnvoll, um stärkere interdisziplinäre der Zukunft begründen. Kooperationen – speziell zwischen Hydrographie und Kartographie – zu ermöglichen. Ein Start- 5 Zusammenfassung und punkt könnte ein »Round Table« mit Experten aus Empfehlungen beiden Disziplinen sein, der auch die Einrichtung Ziel dieses Beitrags war es, den Status quo der einer gesellschaftsübergreifenden Arbeitsgruppe wissenschaftlichen Behandlung des Themas der bestehend aus Mitgliedern von DHyG und DGfK Gewässervisualisierung aufzuarbeiten und Rück- nach sich ziehen könnte. Vergleichbare Aktivitäten schlüsse für künftige Arbeiten aufzuzeigen. So- sind in den Bereichen Recht, Standards oder 3D- wohl die Literaturrecherchen in den Disziplinen Stadtmodelle schon erfolgreich praktiziert wor- Kartographie und Hydrographie und die Betrach- den. Auch die stärkere Propagierung des Themen- tung der institutionellen Einbindung des Themas feldes in den internationalen Organisationen (IHO Abb. 3: F&E-Framework in Fachgesellschaften, als auch eine Umfrage unter bzw. ICA) sollte in diesem Zusammenhang auf der zum Themengebiet der Hydrographie-Experten haben hierzu ein klares Agenda stehen. “ Visualisierung von Gewässern Bild erzeugt: • Das Thema der Gewässervisualisierung besitzt einige Alleinstellungsmerkmale gegenüber anderen Anwendungsgebieten und rechtfertigt damit auch eine teilweise gesonderte Behandlung – speziell im Um- feld der Kartographie. • Es gibt eine Reihe von Forschungs- und Ent- wicklungsbedarfen, die der bisherigen, kaum vorhandenen Behandlung in der (kartogra- phischen) Literatur diametral gegenüberste- hen. Fasst man die relevanten Themen in einer grup- pierten und strukturierten Weise zusammen, erhält man ein Framework für Forschungs- und Entwicklungsthemen im Themenbereich Visua- lisierung von Gewässern (Abb. 3). Dieses Modell zeigt nicht nur die gegenseitigen Abhängigkeiten der Schwerpunkte, sondern auch weitere Aspekte: • Ausgangspunkt jeder Visualisierung ist im- mer der Nutzer – besser noch: die konkrete Aufgabe, die mit einer Visualisierung erfüllt werden soll (Aufgabenorientierung). HN 108 — 10/2017 9
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch »Perspektivisch sind Satellitendaten auch in der Hydrographie gefragt« Ein Wissenschaftsgespräch mit Egbert Schwarz* Beim Stichwort »maritime Sicherheit« denkt man nicht unbedingt als erstes an das DLR, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Doch am Standort Neustrelitz gibt es seit 2014 die Forschungsstelle Maritime Sicherheit. Unser Gesprächspartner Eg bert Schwarz ist Teamleiter dieser Forschungsstelle. Im Wissenschaftsgespräch woll ten wir von ihm erfahren, wie er mit seiner Arbeit zur Sicherheit auf See beitragen kann. Und als Hydrogra phen interessierten wir DLR | Erdbeobachtung | Fernerkundung | maritime Sicherheit | Informationsprodukte | Schiffsdetektion uns natürlich besonders signifikante Wellenhöhe | Öldetektion | Eisklassifizierung | Datenfusion | Datensicherheit dafür, was uns die Erd beobachtung in puncto Warum sollte man bei maritimer Sicherheit auch Wir entwickeln zum Beispiel Methoden, um Öl- hydrographische Daten an das DLR denken? verschmutzungen bei Nacht und bei Nebel aus bieten kann. Wir beschäftigen uns am Deutschen Zentrum dem All zu identifizieren und auf den Verursacher für Luft- und Raumfahrt bereits seit Langem mit zurückzuführen. Services, wie sie beispielsweise der satellitengestützten Erkundung von Mee- auch bei der European Maritime Safety Agency ren und Gewässern. Seit 2012 stellen wir unsere (EMSA) im CleanSeaNet eingesetzt werden. Durch Arbeiten gezielt auch in den Dienst der mariti- unsere Möglichkeit, auch durch Wolken hindurch men Sicherheit. Damals wurde ein Forschungs- Schiffe detektieren zu können, die ohne Automati- verbund etabliert, um über Instituts- und Fach- sches Identifikationssystem fahren, etwa weil die- * Das Interview mit Egbert Schwarz führten Lars grenzen hinweg das Thema interdisziplinär zu ses ausgefallen ist oder manipuliert wurde, kön- Schiller und Holger Klindt adressieren: von der Satellitenentwicklung über nen unsere Techniken dazu beitragen, Schiffen am 15. September in Kommunikationsverfahren, sichere Navigation, in Seenot zu helfen und kriminellen Aktivitäten, Neustrelitz. bis hin zu Informationsprodukten aus der Erdbe- wie Piraterie, illegalem Fischfang oder Schmuggel obachtung. In Braunschweig, Bremen, Neustrelitz nachzugehen. und Oberpfaffenhofen wurden hierzu eigens Da wir vom Satelliten aus auch verschiedene Forschungsstellen eingerichtet, wo mehrere In- Meereistypen identifizieren und Eisberge detek- stitute in einem virtuellen Verbund thematisch tieren können, unterstützen wir regelmäßig For- zusammenarbeiten. In Neustrelitz und in Bremen schungsschiffe in der Arktis oder der Antarktis bei arbeiten das Institut für Kommunikation und der Navigation durch das Eis. Die Schiffe erhalten Navigation und das Earth Observation Center so von uns in Nahe-Echtzeit einen Überblick über des DLR gemeinsam daran, ihre Umgebung, der die Sichtweite ihres Eisradars Schiffe zu detektieren, zu um ein Vielfaches übersteigt. Wir selbst können »Die Satellitenflotte ist stark identifizieren und bei ihrer durch diese Kooperationen unsere Verfahren vali- gewachsen. Dadurch ist es Fahrt mit hochaktuellen In- dieren und verbessern. Neben der Eisbedeckung möglich geworden, die Meere formationen vom Satelliten leiten wir aus den Daten unserer Radarsatelliten regelmäßig zu beobachten« zu unterstützen. Wir haben großflächig Parameter wie die Höhe und Rich- den großen Vorteil, dass wir tung von Wellen, sowie Windgeschwindigkeiten Egbert Schwarz hier Wissen aus verschie- ab. denen Bereichen bündeln In diesem Jahrzehnt ist die Satellitenflotte – ins- können. Angefangen von besondere auch dank der europäischen Sentinel- der hardwarenahen Entwicklung neuer Satelli- Satelliten aus dem Copernicus-Programm – stark tenmodi, über die Ableitung von neuen Informa- gewachsen. Dadurch ist es möglich geworden, die tionsprodukten aus Satellitendaten, bis hin zur Erde – aber eben auch die Meere – regelmäßiger Entwicklung einer Echtzeitprozessierung der Da- zu beobachten und neue Produkte bereitzustel- ten an der eigenen Empfangsstation haben wir len, für ganz konkrete Nahe-Echtzeit-Anforderun- hier alles in einer Hand. gen ebenso, wie als Input für komplexe Modellie- Wie ist die Forschungsstelle organisiert? rungen. Wir haben eine Doppelspitze. Thoralf Noack vom Sie sprechen von Produkten. Wie sehen diese Pro- Institut für Kommunikation und Navigation und dukte aus? ich leiten die Forschungsstelle in Neustrelitz ge- Es sind zusätzliche Layer, basierend auf den Erdbe- meinsam. So können wir die verschiedenen Berei- obachtungsdaten, Produkte zur Schiffsdetektion, che inhaltlich gut abdecken. Wind oder signifikanter Wellenhöhe. In anderen Erzählen Sie uns, wie Sie zur sicheren Schifffahrt Produkten soll beispielsweise Meereisbedeckung aus dem Weltraum beitragen können. klassifiziert werden, um mit diesen Informationen 10 Hydrographische Nachrichten
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch die Navigation zu unterstützen. Auch für Eisberge gibt es Produkte. Kann jeder solch ein Produkt nutzen? Einige Produkte im maritimen Umfeld sind bereits kommerziell erhältlich. Die Firma EOMAP zum Beispiel, eine Ausgründung aus dem DLR, nutzt seit vielen Jahren Erdbeobachtungsdaten, um die Bathymetrie in Küstenbereichen abzuleiten. Auch Produkte für das Umweltmonitoring, wie Trübung oder Chlorophyllkonzentration des Wassers, bietet die Firma an. Wenn nun jemand eine Messung plant, für die er Seegangsdaten benötigt, wie viele Tage vorher müsste er beim DLR anrufen, um aktuelle Daten aus der Erdbeobachtung zu erhalten? Wir bedienen als wissenschaftliche Einrichtung keine regulären, kommerziellen Anfragen. Das ist Aufgabe der Industrie. Unser Fokus ist die Entwick- lung der Techniken. Im Rahmen einer Messkampa- gne würden wir jedoch idealerweise vier Wochen Vorlauf einplanen, um die Satellitenaufnahmen für die Messkampagne zu kommandieren und die er- forderlichen Daten zu verarbeiten. In Zukunft wer- den solche Daten jedoch operationell, also ohne Zeitverzug, bereitgestellt werden, etwa durch von uns entwickelte Echtzeitdienste, die die Daten un- mittelbar nach Empfang noch an der Antenne zu einem leichten, schlanken Informationsprodukt weiterverarbeiten. Muss man das wirklich anmelden? Kann man die Bilder nicht jederzeit bekommen? Die Satellitendaten der europäischen Copernicus- Missionen sind, ebenso wie viele amerikanische Satellitendaten, offen und kostenlos zugänglich. Die Daten der Sentinel-Satelliten kann jeder über Portale der ESA oder über unser DLR-Portal (CODE- DE) kostenfrei herunterladen. Für komplexe, dar- aus abgeleitete Produkte, wie die Seegangshöhe, die Öl- und Eisdetektion und Windfelder, braucht es jedoch das Wissen von Spezialisten, sowie ent- sprechende Hard- und Softwareausstattung. Sol- che Produkte sind, sofern sie nicht in wissenschaft- lichem oder öffentlichem Interesse erstellt werden, dann nur kommerziell erhältlich. Wenn wir jetzt nicht nur die frei verfügbaren Da- ten wollten, sondern ausgewertete Produkte, was müssten wir für ein Produkt zur Wellenhöhe be- zahlen? Das DLR ist eine Forschungseinrichtung. Unsere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten tragen auch dazu bei, marktreife Produkte zu entwickeln. Sobald jedoch die Marktreife erreicht ist, ist es Auf- gabe der Industrie, solche Produkte anzubieten. Eine solche Arbeitsteilung existiert zum Beispiel seit zehn Jahren im Rahmen der Radarmissionen TerraSAR-X und TanDEM-X. Airbus ist als Industrie- partner im Rahmen einer Public-private-Partner- ship für die kommerzielle Vermarktung der Daten verantwortlich, das DLR verantwortet die Durch- Foto: Holger Klindt führung der Mission und betreut die wissenschaft- lichen Nutzer. Im Idealfall können wir über Lizen- Egbert Schwarz zen an den Erlösen der Industrie teilhaben und so HN 108 — 10/2017 11
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch weitere Forschungsarbeiten finanzieren, doch mit Weder noch, Treiber hinter den Entwicklungen am dem Verkauf der Daten haben wir nichts zu tun. EOC sind zumeist offene Forschungsfragen, zum Daher kann ich Ihnen keine Preise nennen. Beispiel aufgrund der klimatischen Veränderun- Bei welchen Firmen könnten wir noch gewässer- gen. Im Zuge der Climate Change Initiative be- bezogene Produkte erhalten? schäftigen wir uns im EOC damit, wie bestimmte Bei der Firma »Drift and Noise« zum Beispiel, einer Fragestellungen unter Nutzung verschiedenster Ausgründung aus dem AWI, die beim Thema Eis Sensorik besser beantwortet werden können. sehr aktiv ist und entsprechende Produkte wie Eis- Wir forschen auch innerhalb von ESA-Projekten konzentrationen anbietet. und im Rahmen des EU-Forschungsrahmenpro- Was ist das integrierte maritime Informationssys- gramms Horizon 2020. tem? Schon kurz nachdem Sie die Satellitendaten emp- Ich nehme an, Sie meinen das im Projekt »Echtzeit- fangen haben, stellen Sie die Produkte bereit. Das dienste maritime Sicherheit« (EMSec) gemeinsam Ganze geht nahezu in Echtzeit, heißt es. Wie alt mit Partnern entwickelte System. In diesem Sys- sind die Daten, wenn sie veröffentlicht werden? tem wurden Informationen aus verschiedenen Da- Wenn wir von nahezu Echtzeit reden, beziehen tenquellen zu einem maritimen Lagebild zusam- wir uns in der Erdbeobachtung immer auf die mengeführt. In Neustrelitz entwickeln wir auf Basis Zeitspanne, die wir benötigen, um die empfange- des Umwelt- und Kriseninformationssystems UKIS, nen Daten in ein Produkt für zeitkritische Anwen- einer Systementwicklung des DFD in Oberpfaf- dungen umzuwandeln. Das kann, je nach Anwen- fenhofen, eine webbasierte Lösung zur Bereitstel- dung und Datenmenge, bis zu 30 Minuten dauern lung der satellitenbasierten Informationsprodukte. und berücksichtigt dabei auch die Nutzeranfor- Noch handelt es sich um eine Pilotentwicklung, derungen. Beim Thema Ölverschmutzung muss mit der wir Produkte zur Schiffsdetektion zur Ver- in dieser Zeit das Produkt beim Nutzer sein. Ein fügung stellen, fusioniert mit AIS-Informationen, solches Produkt beinhaltet dann neben dem Sa- Seegangshöhen und Windinformationen. Mo- tellitenbild abgeleitete Informationen wie Koordi- mentan validieren wir die Algorithmen, um die naten, Größe und Ausdehnung der Verdachtsflä- notwendige Verlässlichkeit der Ergebnisse sicher- chen sowie auch Angaben zur Wahrscheinlichkeit, zustellen. dass es sich tatsächlich um eine Ölverschmutzung Bisher erschienen: Für wen ist denn UKIS gedacht? handelt. Horst Hecht (HN 82), UKIS ist ein institutsinternes Baukastensystem, Sie sagen, es gehe um die Zeitspanne zwischen Holger Klindt (HN 83), um die Entwicklung von Systemen effizient und dem Empfang der Daten und der Auslieferung des Joachim Behrens (HN 84), nachhaltig voranzutreiben. Durch den gewählten Produkts. Was meinen Sie mit dem Empfang – den Bernd Jeuken (HN 85), Ansatz kann auf bestehende Module zurückge- Zeitpunkt, zu dem das Satellitenbild gemacht wird, Hans Werner Schenke (HN 86), Wilhelm Weinrebe (HN 87), griffen und wertvolle Entwicklungszeit eingespart oder den Moment, da die Daten von der Boden- William Heaps (HN 88), werden. Die einzelnen Module können zur Imple- station empfangen werden? Christian Maushake (HN 89), mentierung von webbasierten Warnsystemen für In dieser Zeitspanne von maximal 30 Minuten ist Monika Breuch-Moritz (HN 90), unterschiedliche Naturgefahren, etwa Hochwas- alles enthalten, die Aufnahme des Bildes, der Emp- Dietmar Grünreich (HN 91), Peter Gimpel (HN 92), ser und Waldbrände, oder von Umweltinformati- fang der Daten, das Auswerten und schließlich das Jörg Schimmler (HN 93), onssystemen, zum Beispiel Schiffsdetektion, Wind Ausliefern des Produkts. Und deswegen gilt: Um Delf Egge (HN 94), und Eisklassifikation, verwendet werden. Das DFD diese Nahe-Echtzeit-Anforderung erfüllen zu kön- Gunther Braun (HN 95), verwendet das System für unterschiedliche An- nen, muss die Antenne an der Bodenstation zum Siegfried Fahrentholz (HN 96), Gunther Braun, Delf Egge, Ingo wendungen, beispielsweise auch im Rahmen der Zeitpunkt der Aufnahme Sichtbarkeit zum Satelli- Harre, Horst Hecht, Wolfram Flutkartierung am Zentrum für Satellitengestützte ten haben. Kirchner und Hans-Friedrich Kriseninformation. In unterschiedlichen Anwen- Andernfalls gibt es ein Delay. Neumann (HN 97), dungsprojekten wird das System ständig weiter- Ja, dann muss man warten, bis der Satellit in den Werner und Andres Nicola (HN 98), entwickelt. Sichtbarkeitsbereich der Antenne kommt. Bei der Sören Themann (HN 99), In die Produkte fließen teilweise auch Daten aus TerraSAR-X Mission beispielsweise nutzen wir zu- Peter Ehlers (HN 100), anderen Quellen ein, zum Beispiel Wettermodelle, sätzlich zur Bodenstation hier in Neustrelitz wei- Rob van Ree (HN 101), Seekarten oder Offshore-Bauwerke. Dazu müssen tere Stationen. Alle Aufnahmen werden zunächst DHyG-Beirat (HN 102), Walter Offenborn (HN 103), die Daten fusioniert werden. im Bordspeicher zwischengespeichert, bevor die Jens Schneider von Deimling Bei solchen Value-added-Produkten kooperieren Daten an den Boden übertragen werden. Auf- (HN 104), wir dann mit Partnern, welche die benötigten Zu- nahmen, welche in nahe Echtzeit (NRT) benötigt Mathias Jonas (HN 105), satzdaten bereitstellen. Beispielsweise sind wir in werden, werden dann bei der Übertragung zur Jürgen Peregovits (HN 106), Thomas Dehling (HN 107) einem gemeinsamen Projekt für die Firma Euro- Bodenstation vorgezogen. Andere Satelliten wie pean Space Imaging (EUSI) im Unterauftrag tätig, beispielsweise Sentinel-1A und -B arbeiten sowohl um Produkte an die EMSA auszuliefern. Die Daten mit einem Bordspeicher als auch im Pass-through- kommen von EUSI, wie auch von der EMSA. Wir Modus. Dadurch können wir die über Europa auf- führen diese Daten zusammen und erstellen die gezeichneten Daten in Echtzeit in Neustrelitz emp- gewünschten Informationsprodukte, bevor diese fangen. Der Empfangsbereich der Neustrelitzer an den Nutzer ausgeliefert werden. Antennen deckt Europa sehr gut ab: In Nord-Süd- Wer treibt die Anwendungsentwicklung, die Tech- Richtung können wir die Satelliten vom Nordkap nologie oder der Markt? bis hin zur Küste Nordafrikas verfolgen. Das hängt 12 Hydrographische Nachrichten
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch jedoch auch davon ab, wie hoch die Satelliten flie- So wäre es, wenn wir nur einen Erdbeobachtungs- gen, ob in 500 Kilometer Höhe oder in 800. satelliten zur Verfügung hätten. Zum Glück gibt es Werden nicht manche Satellitendaten zunächst an inzwischen eine Vielzahl von Satelliten. Doch nicht geostationäre Satelliten übertragen und von dort jeder Satellit ist mit Sensorik ausgestattet, die für aus dann an die Bodenstation? die Erkennung von Ölverschmutzungen geeignet In der Tat nutzt man schon solche geostationären ist. Dennoch, wenn wir sowohl mehrere Radar- Relais-Satelliten. Die polar-umlaufenden Satelli- satelliten als auch optische Satelliten einsetzen, ten übertragen ihre Daten an den geostationären können wir den Zeitraum für Relais-Satelliten. Das geschieht zum Teil mit Hilfe eine Wiederholung deutlich eines Lasers. Von dem geostationären Satelliten reduzieren. Wir prüfen dann, »Nahezu Echtzeit bedeutet, aus werden die Daten dann an die Bodenstation welche Satelliten dem- dass spätestens 30 Minuten übertragen. So kann man den Horizont der Bo- nächst das Gebiet über- nachdem eine Aufnahme denstation deutlich erweitern. Und wir können fliegen werden und auch gemacht wurde ein in einem wesentlich größeren Aktionsradius Na- aufnehmen. Es ist nicht so, bestätigtes Produkt beim he-Echtzeit-Anwendungen bedienen. Beispiels- dass die Satelliten ständig Nutzer ist« weise ist es uns bei einem Test mit Sentinel-1A eingeschaltet sind und eine Egbert Schwarz gelungen, aus einer Aufnahme, die vor Brasilien globale Abdeckung aufneh- gemacht wurde – also weit außerhalb des Sicht- men. Dazu würden die Sa- barkeitsbereichs –, innerhalb von 18 Minuten ein tellitenressourcen gar nicht Schiffsdetektionsprodukt zu erstellen. Hierbei ausreichen. Stattdessen nehmen viele Satelliten wurden die Daten vom Sentinel-1A an den Satelli- nur auf Basis der Nutzerbestellungen auf. ten Alphasat übertragen, mit der DFD-Antenne in Und sonst schlafen die Satelliten? Oberpfaffenhofen empfangen und in Neustrelitz Viele Erdbeobachtungssatelliten haben einfach prozessiert. nicht die Leistung, ständig aufnehmen zu können. Vor der Küste Griechenlands gab es kürzlich eine Insbesondere Radarsatelliten haben einen erhöh- Ölkatastrophe. Nun stellt sich die Frage, wie sich ten Energiebedarf. Von den etwa 100 Minuten, die das Öl dort ausbreitet. In welchen Zeitabständen ein Sentinel-1-Satellit für einen Umlauf benötigt, fliegen Satelliten über den Ölteppich? kann er lediglich 25 Minuten eingeschaltet sein. Wir sind immer darauf angewiesen, dass ein Satel- Wobei das nicht am Stück sein muss. Beim Terra- lit das Gebiet überfliegt. Wenn wir nur einen Satel- SAR-Satelliten sind es sogar nur drei Minuten. Wir liten betrachten, so liegt die Wiederholrate bei 11 brauchen also deutlich mehr Satelliten, um alle bis 16 Tagen. Nutzeranforderungen erfüllen zu können. Manche Sie wollen sagen, dass zwar keine halbe Stunde Satellitenmissionen arbeiten nach einem High-Le- verstreicht, bis aus einer Satellitenaufnahme ein vel-Operations-Plan, beispielsweise die Sentinel- Ölprodukt erstellt ist, wir aber dann zwei Wochen Satelliten. Hierin ist neben dem Aufnahmegebiet warten müssen, bis wir das nächste Ölprodukt er- auch der Aufnahmemodus festgelegt. Da kann halten können? es sein, dass bestimmte Gebiete, wann immer sie Spanien, Straße von Gibraltar. In der Bildmitte ist die Straße von Gibraltar zu sehen – das Tor zwischen Atlantik und Mittelmeer. Die zahlreichen hellen Punkte repräsentieren Schiffe und dokumentieren, wie stark die Meerenge befahren ist. Die Daten von TerraSAR-X tragen zur Überwachung des Schiffsverkehrs bei © DLR HN 108 — 10/2017 13
Space hydrography – Wissenschaftsgespräch überflogen werden, aufgenommen werden. An- lenfelder für Ausbreitungsanalysen nutzen. Bei dere Missionen werden entsprechend der Nutzer dem Fall in Griechenland konnten wir übrigens anforderungen kommandiert. Erst wenn ein Nut- durch die Zusammenarbeit mit European Space zer eine Aufnahme bestellt, wird das Instrument Imaging mehrere kommerzielle optische Satelli- eingeschaltet. ten nutzen und auf diese Weise täglich neue Auf- Bei jedem Umlauf kann ein Satellit nur eine ver- nahmen machen. hältnismäßig kurze Zeit lang aufnehmen. Nun Ein anderes Anwendungsszenario ist, dass Sie wollen wir immer noch et- die Position von Schiffen feststellen. Bisher sind was über den Ölteppich vor Schiffe, damit es nicht zu Kollisionen kommt, mit »Perspektivisch sind Daten Griechenland in Erfahrung Radar und dem Automatischen Identifikations- aus Satellitenmissionen bringen. Kann der Satellit system (AIS) ausgestattet. Nun fügen Sie noch gefragt, vor allem wenn es mehrere Aufnahmen von die Sicht von oben hinzu. Diese Vogelperspekti- um Fragestellungen geht, dem Ölteppich machen, aus ve vermittelt ein Gesamtbild des Schiffsverkehrs. die man sonst nur mit verschiedenen Blickwinkeln? Aber um die Bewegung der Schiffe abdecken zu erheblichem operationellen Die Erdbeobachtungssatelli- können, muss doch die Aufnahmefrequenz viel Aufwand bearbeiten kann« ten bewegen sich in der Re- höher sein. gel auf einer polnahen Um- Richtig, mit einer Satellitenaufnahme liefern wir Egbert Schwarz laufbahn, während sich die immer nur einen Snapshot. Wir fügen zu dem Erde drunter hinweg dreht. AIS-Lagebild, das ja in kurzen Abständen aktuali- Der Satellit fliegt mit 7 Kilo- siert wird, nur etwas hinzu, sozusagen ein Beweis- metern pro Sekunde. Daher kann er nur in einem foto. Denn es ist ja so, dass nicht alle Schiffe aus- bestimmten Zeitfenster einen Punkt auf der Erde rüstungspflichtig sind. Und bekanntlich melden fixieren. Bei einer TerraSAR-X-Spotlight-Aufnahme, Schiffe zum Teil auch falsche Positionen. Darum einer geometrisch hochaufgelösten Radaraufnah- geht es, wenn wir Satelliten einsetzen. Wir wollen me mit einem Synthetic Aperture Radar (SAR), sind damit genau die fehlenden Informationen bei- es etwa drei Sekunden. Im kommerziellen Bereich steuern, um den Gesamtüberblick zu bekommen. kommen wir dadurch auf eine Auflösung von etwa Wir bieten also eine zusätzliche Informationsquel- einem Meter. Im optischen Bereich verhält es sich le, die unabhängig vom AIS ist. anders. Die optischen Satelliten arbeiten teilweise Sie kontrollieren und ergänzen also. Sie überprü- mit mehreren Kameras oder führen die Kamera so fen, ob das Schiff, das behauptet, ein Fischerboot schnell nach, dass sie im selben Überflug mehre- zu sein, tatsächlich ein Fischerboot ist. re Aufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln Ob dies möglich ist, hängt sehr stark von der Größe machen können. Hier spricht man dann auch von der Schiffe, wie auch von der Satellitenauflösung Stereoaufnahmen. ab. Aber die Schiffsklassifizierung ist prinzipiell ein Nun haben wir eine Aufnahme von dem Öltep- Teilaspekt der Schiffsdetektion. Im ersten Schritt pich. Dank des Ölprodukts wissen wir, wie groß geht es um die sichere Detektion und Charakteri- der Ölteppich zum Zeitpunkt der Aufnahme war. sierung hinsichtlich Position und Größe. Doch wohin driftet der Ölteppich und dehnt er In diesem Bereich gibt es derzeit auch viele sich aus? Um das zu erfahren, benötigen wir ein kommerzielle Entwicklungen. Beispielsweise hat zweites Bild. In welchem Zeitabstand ist das mög- die Firma Planet Labs rund 190 Mini-Satelliten in lich? den Orbit gebracht. Mit diesen gerade einmal 10 Das hängt stark von den Satelliten ab, die einge- mal 10 mal 30 Zentimeter großen Satelliten soll es setzt werden. Die SAR-Satelliten haben ihre Über- gelingen, eine globale Abdeckung zu erzeugen, flugzeiten in den frühen Morgen- bzw. Abend- und zwar täglich. Damit werden innovative Pro- stunden, das Instrument arbeitet unabhängig vom dukte möglich. Zum Beispiel kann ein Gebiet per- Tageslicht. Die optischen Satelliten wiederum ha- manent überwacht werden, und sobald ein Schiff ben ihre Aufnahmezeit in der Regel beim höchs- in dem Gebiet auftaucht, wird ein Nutzer darüber ten Sonnenstand. Dadurch ergibt sich ein Abstand informiert. Anders als unsere Radarsatelliten sind zwischen den Aufnahmen von etwa sechs Stun- diese optischen Satelliten jedoch auf freie Sicht, den. also einen wolkenfreien Himmel angewiesen. Bei Aufnahmen in der Nordsee haben wir ge- 190 Satelliten kommen hinzu. Wie viele Satelliten nau diese Fragestellung untersucht. Bei einem schwirren denn insgesamt durchs All? Morgenpass haben wir die Ölverschmutzung mit Im Moment sind etwa 1500 aktive Satelliten un- einer SAR-Aufnahme detektiert. Mittags konnten terwegs. Ungefähr 400 davon sind Erdbeobach- wir den Verdacht der Ölverschmutzung mit ei- tungssatelliten. Die anderen werden im Wesentli- ner optischen Aufnahme bestätigen. Gleichzeitig chen für die Kommunikation, Navigation oder als zeigte die Überlagerung der Aufnahmen, wie sich Technologiedemonstrator bzw. für wissenschaftli- der Ölteppich zwischenzeitlich verändert hatte. che Fragestellungen eingesetzt. Sofern mindestens zwei Aufnahmen zur Verfü- Ab wann besteht denn die Gefahr, dass die Satelli- gung stehen, lassen sich also auch Aussagen über ten sich gegenseitig behindern? die Drift treffen. Darüber hinaus können wir die Heutzutage ist für jeden neu gestarteten Satelliten aus den Radardaten abgeleiteten Wind- und Wel- nach Missionsende ein De-orbiting vorgeschrie- 14 Hydrographische Nachrichten
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