Ich allein zuhaus - Grenzen für die neue Arbeitswelt - Ver.di
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EDITORIAL THEMEN Foto: ver.di Christine Behle S C H W E R P U N K T: E N T L A S T U N G Mitglied des ver.di-Bundes- Warum Entlastung nötig ist 3 vorstandes und Leiterin der Fachbereiche Besondere Dienstleistungen und Digitalisierung und Arbeitszeitverkürzung 4 Sozialversicherung, Bund und Länder, Gemeinden, Verkehr Tarifverträge: Geld oder Freizeit 5 Interview: Sylvia Skrabs fordert eine neue Arbeitszeitdebatte 6 Liebe Kolleginnen und Kollegen, REISEBRANCHE die Corona-Pandemie gefährdet alle Menschen. Sie hat tief- Corona: TUI in der Krise 7 greifende Auswirkungen auf unser Alltags- und Arbeitsleben Was aus den Thomas Cook-Beschäftigten sowie auf den Arbeitsmarkt. wird 8 Die Bundesregierung hat bereits einige Maßnahmen ergrif- fen: zum Schutz unserer Gesundheit wie zur Eindämmung des FRISEURHANDWERK Virus. Dabei geht es auch um die Erweiterung der Kapazitäten Corona: Zu wenig Kurzarbeitergeld 9 des Gesundheitssystems, das unter der weitgehenden Privatisie- rung leidet. Die Krise zeigt überdeutlich, dass hier ein nach- CALLCENTER haltiger Systemwechsel erforderlich ist. Arbeitgeberverband vonnöten 10 Die Maßnahmen zum Schutz von Arbeitsplätzen und Unter- Gesetzesnovelle zu Lasten der nehmen verdienen durchaus unsere Anerkennung. Allerdings Beschäftigten 11 zeigt die Verteilung der 1,8 Billionen Euro Staatshilfen auch die bestehende soziale Ungerechtigkeit. Über 700.000 Betriebe LEIHARBEIT haben bereits Kurzarbeit angemeldet. Angesichts dieser Dimen- Gelungener Tarifvertrag 12 sion und der Tatsache, dass die anfängliche gesetzliche Regelung von 60 bzw. 67 Prozent Kurzarbeitergeld zu gering ist, damit GELD UND WERT Beschäftigte ihr Leben und das ihrer Familien für ein Mindest- Corona: Mangelnde Wertschätzung maß absichern können, fordert ver.di auch nach der Nachbesse- von Beschäftigten 13 rung die Erhöhung auf 80 Prozent vom Netto und für Beschäf- tige mit Einkommen auf 90 Prozent. SICHERHEIT Wie hart die Einschnitte am Arbeitsmarkt und in die Ein- Corona: Mehr als Mindestlohn für kommen der meisten Beschäftigten sind, zeigt sich auch in den Beschäftigte vor Supermärkten 14 Branchen des Fachbereichs. In der durch Insolvenzen bedrohten O-TON Tourismusbranche sind die Arbeitsplätze unserer Kolleg*innen Sicherheitsbeschäftigte sind systemrelevant 15 gefährdet, im Gewerbe der Friseur*innen treibt das zu geringe Kurzarbeitergeld unsere Kolleg*innen verstärkt in die Abhängig- ZU GUTER LETZT keit von Sozialleistungen. Kolleg*innen werden aus den Karikatur Reinhard Alff 16 Callcentern ins Homeoffice geschickt, egal, ob ein geeigneter Arbeitsplatz vorhanden ist. Die Arbeitgeber im Bereich der Wach- und Sicherheit lehnen es ab, mit uns Tarifverträge zur besonderen Kurzarbeit abzuschließen und auch viele andere Arbeitgeber IMPRESSUM nehmen ihre soziale Verantwortung nicht ausreichend wahr. Der ver.di Report die besonderen Nr. 01/2020 · Mai 2020 Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Liebe Kollegen und Kolleginnen, auch der Arbeitsalltag als Fachbereich Besondere Dienstleistungen Gewerkschafter*in ist aktuell ein anderer. Vorrangig steht ver.di Paula-Thiede-Ufer 10 · 10179 Berlin den Mitgliedern zu allen Fragen rund um Corona und ihr Internet: www.verdi.de V.i.S.d.P.: Christine Behle Beschäftigungsverhältnis am Telefon zur Verfügung. Und wir FB-Redaktionsteam: Anette Berger, Enrico Bloch, Annemarie Dinse, beraten die Betriebsräte zu ihren Mitbestimmungsrechten, Hans-Peter Kilian, Bernd Lohrum, Nicole Rettig, Marius Rothe, Holger Schmidt, Christian Szepan und Regina Zimmerling Gestaltungs- und Regelungsmöglichkeiten. Unsere ehrenamtli- Redaktionelle Bearbeitung: Uta von Schrenk Fotos v.o.n.u.: Werner Bachmeier (3), W. Wohlers chen Kolleg*innen im Betrieb setzen sich aktuell nicht nur mit Layout: einsatz · Wolfgang Wohlers den Anliegen, sondern auch mit den Ängsten ihrer Kolleg*innen Druck: Schaffrath DruckMedien, Geldern Titelbild: Werner Bachmeier auseinander. Die Krise zeigt eben auch, wie wichtig gewerk- Die Artikel stellen die Meinungsvielfalt unseres Fachbereiches schaftliche Solidarität und Zusammenhalt sowie unser Handeln dar und spiegeln nicht in jedem Fall die Meinung des besonderen im Betrieb, in einer Tarifkommission oder im Betriebsrat, als Ge- Bundesfachbereichsvorstandes wider. Nachdruck nur nach vorheriger Genehmigung durch die Redaktion. werkschaftssekretär*in und in vielen anderen Funktionen ist. Für die dieses Engagement, möchte ich Euch – auch in meiner Funktion als stellvertretende ver.di-Vorsitzende – herzlich danken. W SERVICE Fachbereich Besondere Dienstleistungen die Internet: http://besondere-dienste.verdi.de Ansprechpartnerin „die besonderen-Report“: 2 redaktion.besondere.bfb13@verdi.de · Fax: 030/69 56-35 00
S C H W E R P U N K T: E N T L A S T U N G Verdichtet, beschleunigt, entgrenzt Warum Entlastung nötig ist: Die digitalisierte Arbeitswelt führt zu vermehrt stressbedingten Krankschreibungen VON BERND LOHRUM „nur mal schnell“ dies und das für seinen Arbeitgeber erledigen kann. Doch diese Ar- D er psychische Druck in vielen Betrieben ist hoch. Computergestützte Rationali- sierung ist Alltag. In fast jedem dritten Be- beitszeiten tauchen in keiner Abrechnung auf. trieb wird die Arbeitsleistung der Mitar- Das Perfide: Es sind nicht nur die Ar- beit*innen von Computern erfasst, rund beitgeber, die diese Entgrenzung der 20 Prozent der Beschäftigten arbeiten Arbeitszeit fordern. Es sind oft auch mit Zeit- oder Kennziffern-gesteuerten Arbeitnehmer*innen, die sich aus Angst Vorgaben, so das Ergebnis der WSI-Be- um den Arbeitsplatz selbst ausbeuten. triebsrätebefragung 2016. Das ist ein Teufelskreis: Wer unter Arbeits- überlastung leidet, lässt Pausen häufiger Mit der Digitalisierung wurde vorherge- ausfallen und geht auch seltener zum Arzt. sagt, dass der Anteil der stumpfen Routine- Die Folge: Rund 60 Prozent der Betroffenen tätigkeiten sinken solle, weil die vom Com- fühlt sich nach der Arbeit leer und ausge- puter erledigt werden würden. Für die brannt. In vielen Branchen können sich die Menschen würden die interessanten Tätig- Foto: Beschäftigten kaum noch vorstellen, bis zum keiten übrigbleiben. Doch das Gegenteil ist Werner Bachmeier Renteneintrittsalter durchzuhalten. der Fall: In über einem Viertel der untersuch- ten Betriebe ist der Anteil standardisierter ist die Personalausstattung zu gering. Und Auch die Arbeitsschutzgesetze werden Tätigkeiten sogar gestiegen. Die stumpfe das liegt nicht daran, dass die Unternehmen ignoriert: Ein Großteil der Betriebe führt die Routine ist im Vormarsch. keine geeigneten Bewerber*innen finden gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbe- könnten, sondern weil es erklärtes Ziel der urteilung zu psychischen Belastungen nicht Die fortschreitende digitale Kontrolle der Unternehmen ist, mit einem absoluten Mi- durch. Dabei sind psychische Erkrankungen Arbeit verringert die Selbstbestimmtheit vie- nimum von Beschäftigten auszukommen. mit rund 17 Prozent die zweithäufigste Ur- ler Beschäftigter erheblich. So berichten 54 sache für Krankschreibungen über alle Be- Prozent der Betriebsräte in Callcentern von Techniken der „Leistungssteuerung“ wie rufe hinweg. computergesteuerter Überwachung der ein- „Zielvereinbarungen“ und „Vertrauensar- zelnen Arbeitsschritte. Dafür wird die Tak- beitszeit“ vergrößern zwar einerseits den Höchste Zeit zum Umsteuern: Die psy- tung schneller. Immer mehr Arbeit soll in der Spielraum für Selbstbestimmung und Selbst- chische Belastung für die Beschäftigten muss gleichen Zeit erledigt werden, und das in organisation, führen unter dem Strich aber auf ein erträgliches Maß zurückgeführt wer- bester Qualität. zu einem „Selbstausbeutungseffekt“ und den. Ein Burn-Out sollte wieder zur Aus- einer Entgrenzung der Arbeitszeiten. Es wird nahme werden. Arbeit muss im Rahmen der Die daraus resultierende hohe Arbeitsin- eben so lange gearbeitet, bis die geforderte gesetzlichen Grenzen geleistet werden. tensität und der Termindruck führen in 77 Arbeit erledigt ist. Mehrarbeit sollte nicht selbstverständlich Prozent der untersuchten Betriebe zu ge- sein, sondern begründet, angeordnet und sundheitlichen Beschwerden bei den Be- Traditionelle Formen des Gesundheits- entsprechend vergütet werden. Und nach schäftigten. In drei Vierteln der Betriebe ist schutzes wie das Verbot von Sonntagsarbeit, Feierabend sollten Beschäftigte abschalten Stress ein Thema bei Betriebsversammlun- Sicherheits- und Pausenvorschriften werden können und nicht darüber brüten, wie die gen. In Betrieben mit erst kürzlich erfolgten im betrieblichen Alltag häufiger umgangen nächste Aufgabe im Betrieb besonders gut besonderen Umstrukturierungen und Stellenabbau ist und in ihrer Umsetzung kaum kontrolliert. erledigt werden kann. W der Stresspegel überdurchschnittlich gestie- Dafür hat man ja das Diensthandy: Damit gen. Kein Wunder, denn in vielen Betrieben man auch abends oder am Wochenende die Corona – Aktuelle Informationen unter: https://besondere-dienste.verdi.de 3
S C H W E R P U N K T: E N T L A S T U N G 55% Kurze Vollzeit „Ich fühle mich häufig der digitalen Technik für alle ausgeliefert.“ Arbeitsverdichtung und Arbeitsvernichtung im Zuge der Digitalisierung machen eine Verkürzung der Arbeitszeit notwendig Schattenseiten der VON UTA VON SCHRENK von der Tarifpolitischen Grundsatzabteilung von Technik ver.di. Die einen müssten dringend entlastet, die an- Beschäftigte, die in hohem oder sehr hohem Maße von der Digitali- A usnahmesituationen belegen es: Die Verkür- zung der Arbeitszeit als Instrument zur Be- schäftigungssicherung hat sich bewährt. Das ist in deren mit Arbeit und Einkommen versorgt werden. ver.di hat angesichts dieser Situation die „kurze sierung betroffen sind, sagen: Zeiten von Corona so, das war aber auch schon in Vollzeit als Chance für alle“ formuliert. Um sich der Finanz- und Wirtschaftskrise nach 2007 der diesem gewerkschaftspolitischen Ziel Schritt für Fall. Auch damals kamen Kurzarbeit und die Nut- Schritt zu nähern, hat die Tarifpolitische Grund- zung von Arbeitszeitkonten zur Anwendung, um satzabteilung das Konzept der „Verfügungszei- Jobs trotz der Krise zu halten. ten“ entwickelt. Konkret geht es darum, ein Ar- beitszeitverkürzungsvolumen von zum Beispiel Außerhalb der Krisenzeiten zeigt sich sieben oder 14 Arbeitstagen pro Kalenderjahr zu aber ein ganz anderer Trend: Arbeitszeiten erreichen. Sieben Verfügungstage pro Jahr ent- 74% weiten sich wieder aus, nachdem den Gewerkschaften Mitte der 1990er Jahre eine Reduzierung der Wochenarbeits- zeit von 40 Stunden auf einen Durch- sprechen bei einer tariflichen Wochenarbeitszeit von 38 Stunden einer wöchentlichen Arbeitszeit- verkürzung von einer Stunde, 14 Verfügungstage entsprechen rund zwei Stunden Verkürzung. „Die schnitt oberhalb von 37 Stunden in Argumente für Verfügungszeiten liegen auf der Westdeutschland und unter 39 Stun- Hand“, sagt Sylvia Skrabs. „Gesunderhaltung, Ver- den in Ostdeutschland gelungen war. einbarkeit von Familie und Beruf, lebenslanges Ler- Seit Ende der 2000er Jahre ist jedoch in nen, Arbeiten bis ins höhere Alter und letztlich ein Ost wie West wieder ein leichter Anstieg umweltfreundlicheres Wachstum werden nur zu verzeichnen. Auch die Zahl der geleis- möglich, wenn wir der Verdichtung und Auswei- teten – und häufig unbezahlten – Über- tung von Arbeit entgegenwirken und der Einzelne „Ich habe wenig oder gar keinen stunden ist gestiegen. Laut Institut für Ar- Zeit bekommt, über die er selbständig verfügen Einfluss auf die Art und Weise beitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auf 1,9 kann.“ Als weitere Idee steckt hinter dem Konzept des Technikeinsatzes.“ Milliarden Überstunden in 2019. Wir arbeiten die Umverteilung von Arbeit. Durch die freien Tage also wieder mehr. Schon drängen Arbeitgeber da- werden Arbeitsvolumen frei, die Teilzeit-Beschäf- rauf, das Arbeitszeitgesetz zu verschlechtern. Sie tigten im Unternehmen zugute kommen können, wollen die täglichen und wöchentlichen Arbeits- die gerne aufstocken möchten. Somit verbessert zeiten verlängern und Ruhezeiten verkürzen. sich ihr Einkommen und sie nähern sich der Voll- zeitbeschäftigung. Auch befristet Beschäftigte Geschuldet ist dies auch den Effekten der Di- oder Auszubildende können vom freiwerdenden 56% gitalisierung. Beschäftigte sind immer und überall mobil erreichbar. Laptop und Handy ermöglichen Arbeit spät abends vom heimischen Schreibtisch, Arbeitsvolumen durch Entfristung oder Über- nahme profitieren. frühmorgens aus der Bahn oder gar am Wochen- Auf dem Weg zur Arbeitszeitverkürzung hat ende vom Strand aus. Das bleibt nicht ohne Folgen ver.di bereits mit einigen Tarifverträgen Pflöcke für die Gesundheit der Beschäftigten, wie Zahlen eingeschlagen (siehe Seite 5) und die Wahlmög- „Die Zahl der gleichzeitig der Krankenkassen belegen (siehe Seite 3). Doch lichkeit zwischen Arbeitszeitverkürzung und Ent- zu bearbeitenden Vor- zugleich vernichtet die Digitalisierung auch geltsteigerung tariflich verankert. Wohlstand besonderen gänge hat zugenommen.“ Arbeitszeit. Denn andere Beschäftigte, wie bemisst sich für viele Arbeitnehmer*innen, etwa Reiseverkehrskaufleute, verlieren vor allem auch jüngere, zunehmend ihre Arbeitsplätze, weil der Kunde eben nicht nur in Geld, sondern auch per Computer ihre Aufgaben gleich selbst übernimmt. „Die Digitalisie- 46% in frei verfügbarer Zeit. „Will die Ge- werkschaft da anschlussfähig blei- die rung macht damit eine neue Arbeits- ben, muss sie an das Thema Arbeits- Quelle: DGB-Index Gute Arbeit 2016 4 Hans-Böckler-Stiftung zeitdebatte nötig“, sagt Sylvia Skrabs zeit ran“, sagt Sylvia Skrabs. W „Die Arbeitsbelastung ist gestiegen.“
S C H W E R P U N K T: E N T L A S T U N G TÜV Nord „Kohle oder Kanaren“ soll fortgesetzt werden B ei den laufenden Verhandlungen beim TÜV Nord fordert die Tarifkommission Bund die dauerhafte Einführung des Modells „Kohle oder Kanaren“ für alle ver.di-Mitglieder. Mit dem letzten In den vergangenen Jahren haben die überwiegend im Außen- dienst tätigen Techniker*innen immer mehr Büroaufgaben über- nommen. Durch die Einführung der computergestützten mobilen Tarifabschluss in 2018 haben die ver.di-Mitglieder die Möglichkeit Arbeit von unterwegs oder zu Hause verdichtet sich die Arbeit, da bekommen, die Einmalzahlungen vollständig oder in Teilen in bis Aufgaben von der Verwaltung auf die Technik übergehen. Die zu- zu fünf Urlaubstage umzuwandeln. Eine Vielzahl der ver.di-Mitglie- sätzlichen Urlaubstage stellen einen tatsächlichen Mehrwert dar. der entschieden sich für die zusätzliche freie Zeit. Eine vergleichbare Ischdons-Zietz betont, durch die strikte Trennung der Regelungen Vereinbarung schlossen zuvor die Eisenbahn- und Verkehrsgewerk- zu Urlaub und Arbeitszeitkonto werde verhindert, dass die Entlas- schaft und ver.di bei der Deutschen Post AG ab. Dazu sagt Betriebs- tung durch Überstunden wieder verloren geht. W rätin beim TÜV Nord und Tarifkommissionsmitglied Kathrin Isch- dons-Zietz: „Eine gute Idee kann man auch abkupfern. Man muss Christian Szepan nicht alles selbst erfinden.“ „Die zu bewältigende Arbeitsmenge ist gewachsen.“ 54% TUI Ein Prozent weniger Lohn = 5 Tage mehr Urlaub D ie Arbeitsbelastung ist auch bei den Beschäftigten der TUI Deutschland in Hannover hoch. Entgrenztes Arbeiten ist ge- sundheitsschädlich und wird von vielen auch wahrgenommen. Der die Forderung der Tarifkommission, das Angebot fortzuführen. Dies gelang und die Beschäftigten können nun wieder auf 1 Prozent der Tariferhöhung verzichten und haben dann insgesamt 5 Tage Druck aufgrund des geplanten Personalabbaus belastet zusätzlich. zusätzliche Freizeit. Dies bedeutet bei einer entsprechenden Ent- Eine Möglichkeit, gesundheitlichen Beeinträchtigungen wegen scheidung einen Urlaubsanspruch in Höhe von 7 Wochen Urlaub Stress bei der Arbeit entgegenzuwirken ist eine längere Entspan- im Jahre 2020. Durch die immensen Auswirkungen von Corona nungszeit. Diese wurde erstmals für das Jahr 2019 tariflich verein- auch auf die Touristik ist abzuwarten, wie derzeit und künftig mit bart. Es bestand erstmals die Alternative der Wahlmöglichkeit auf dieser Regelung umgegangen werden kann bzw. wie die Touristik 1 Prozent der Tariferhöhung zugunsten von 3 Tagen zusätzlichem überhaupt aufgestellt sein wird. W Urlaub zu verzichten. Für dieses Angebot entschieden sich 65 Pro- zent der Beschäftigten. Diese hohe Akzeptanz war Grundlage für Annemarie Dinse 46% „Ich bin bei der Arbeit einer verschärften Überwachung und Kontrolle ausgesetzt.“ Immobilienwirtschaft Wahlmöglichkeit Urlaub statt Geld gefordert D er Vergütungstarifvertrag in der Immobilienwirtschaft wird neu verhandelt. Erneut steht die Wahlmöglichkeit zur Umwand- lung von Entgelterhöhungen in zusätzlichen Urlaub ganz oben im wenanteil daran haben die engagierten Kolleg*innen. Eine ange- messene Beteiligung an diesem wirtschaftlichen Erfolg ist daher dringend erforderlich. Außerdem kann qualitativ hochwertige Ar- Forderungskatalog. beit nur durch gut ausgebildete Fachkräfte erbracht werden. Auch wenn durch die Digitalisierung einfachere Arbeiten entfallen, wer- besonderen Zudem fordert die gemeinsame Tarifkommission von ver.di und IG den die Anforderungen immer umfangreicher. Zunehmend sind BAU eine Erhöhung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergü- auch Fachkräfte- und Nachwuchsmangel spürbar. tungen um 6 Prozent für 12 Monate bzw. 9 Prozent für 18 Mo- nate, eine Differenzierungsklausel für Mitglieder der IG BAU und Der derzeit geltende Vergütungstarifvertrag wurde zum 30. Juni ver.di sowie eine überproportionale Anpassung der Lohngruppen. 2020 gekündigt. W die Die Immobilienbranche ist wirtschaftlich sehr erfolgreich. Einen Lö- Sabine Herbst 5
S C H W E R P U N K T: E N T L A S T U N G „Arbeitszeit Foto: ver.di Sylvia Skrabs von der tarifpolitischen Grundsatzabteilung von ver.di über kollektiv die Chancen einer neuen Arbeitszeit- debatte verkürzen“ die besonderen: Arbeit verändert sich im Zuge der Digitalisie- um sich berufsbegleitend zu qualifizieren. Individuell kann eine rung massiv. Sie wird schneller, dichter und sie kommt durch un- längere Dauer der Bildungsteilzeit mit dem Arbeitgeber vereinbart sere mobile Erreichbarkeit auch außerhalb der klassischen Arbeits- werden. Im Bereich der Gesetzlichen Krankenkassen wurde eben- zeit auf uns zu. Zugleich fallen Tätigkeiten weg. Zeit für eine neue falls im Zusammenhang mit der Digitalisierung und dem Wegfall Arbeitszeitdebatte? von Tätigkeiten eine kollektive Arbeitszeitverkürzung von 38 auf 36 Stunden mit Lohnausgleich vereinbart. Bei EUROGATE ist zur Sylvia Skrabs: Auf jeden Fall. Die weitere Flexibilisierung der Sicherung von Arbeitsplätzen tariflich vereinbart, die Mehrarbeit Arbeitszeiten und die zunehmende Ortsunabhängigkeit brauchen zur Sicherung der verfügbaren Pflichtarbeit runterzufahren und schützende Leitplanken, um die Gesundheit zu erhalten und um die Möglichkeit zu eröffnen, die Arbeitszeit um bis zu 5 Wochen- sicherzustellen, dass die positiven Potenziale in Form von mehr stunden zu verkürzen. Souveränität den Beschäftigten zugute kommen. Es geht darum, die Arbeitszeiten in Anbetracht der neuen Möglichkeiten im Die moderne Arbeitswelt macht krank: Die Krankenkassen ver- Interesse der Beschäftigten zu gestalten. melden zunehmend Arbeitsunfähigkeitstage wegen psychischer Belastungen. ver.di hat bereits einige Entlastungstarifverträge Die einen arbeiten unter immensem Druck, die anderen werden abgeschlossen. Wird auch hier Arbeitszeit verkürzt? arbeitslos. Wie bekommt man beides tarifpolitisch unter einen Hut? Um die Belastung der Beschäftigten zu reduzieren, braucht es die konsequente Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes und der Es muss darum gehen, dass die noch vorhandene oder verblei- damit verpflichtenden Gefährdungsbeurteilung. Damit haben die bende Arbeit auf mehr Schultern verteilt wird. Angesichts von betrieblichen Interessenvertretungen ein sehr wirksames Instru- Produktivitätsgewinnen durch die Digitalisierung besteht die ment. Aber richtig ist, dass ver.di Tarifverträge abgeschlossen hat, Chance, die Arbeitszeit kollektiv zu verkürzen. Allerdings muss die die Beschäftigten durch freie Tage entlasten sollen. Damit eine Umverteilung von Arbeit in den Unternehmen mit weiteren haben die Beschäftigten mehr Zeit, sich zu erholen. Die tarif- Maßnahmen, wie einer Weiterbildungsstrategie, verknüpft vertragliche Ausgestaltung ist sehr unterschiedlich. Bei einigen werden, damit die Menschen fit für die neuen Herausforderun- Regelungen tragen die Beschäftigten einen Eigenanteil. Bei gen sind. anderen, wie bei der Post, können die Beschäftigten zwischen Entgelterhöhung oder Entlastungszeit wählen. Bei anderen Hat ver.di bereits Digitalisierungstarifverträge abgeschlossen, die wiederum erhalten die Beschäftigten die freien Tage mit Lohn- auf das Thema Arbeitszeit eingehen? ausgleich. Einige Tarifverträge befassen sich mit der mobilen Arbeit, bei der Wie versucht ver.di über die Tarifpolitik hinaus, die Arbeitszeit- natürlich die Gestaltung der Arbeitszeit eine Rolle spielt. Hier geht verkürzung voranzutreiben? es darum, der möglichen Entgrenzung zu begegnen und klare Regelungen einzuhalten. Andere Tarifverträge befassen sich mit Wir haben bereits den Leitantrag zur Arbeitszeit des Bundes- Arbeitszeitverkürzung zur Beschäftigungssicherung, etwa in kongresses 2015 zum Anlass genommen und ein Konzept der der privaten Versicherungsbranche, im Bereich der gesetzlichen Verfügungszeiten entwickelt. Auch unser jüngster ver.di-Bundes- Krankenversicherung oder bei der Logistikgruppe EUROGATE. kongress 2019 hat uns zum Thema Arbeitszeitgestaltung und Arbeitszeitverkürzung einen klaren Auftrag erteilt. Wir haben mit Was sehen die Tarifverträge vor? allen Fachbereichen und Querschnittsbereichen ver.dis Leitlinien einer Guten Arbeitszeitgestaltung entwickelt, die demnächst in Für die Versicherungsbranche wurde im Rahmen zur Sicherung den Bundesvorstand eingebracht werden. Diese beinhalten so- besonderen von Arbeitsplätzen die Möglichkeit einer kollektiven Arbeitszeit- wohl Forderungen zur Arbeitszeitgestaltung als auch zur Arbeits- verkürzung mit einem Einkommensausgleich von 20 Prozent zeitverkürzung und sollen sowohl den Tarifkommissionen, als vereinbart. Werden in einer Organisationseinheit Arbeitsplätze auch den betrieblichen Interessenvertretungen Orientierung abgebaut, haben die Beschäftigten einen Anspruch auf die Um- bieten. W wandlung von Sonderzahlung in Freizeit. Jede/r Beschäftigte kann die die Arbeitszeit für die Dauer von bis zu 6 Monaten reduzieren, Fragen: Uta von Schrenk 6
REISEBRANCHE C O R O N A W AUTO- VERMIETUNGEN Die Stille Härten für Beschäftigte Auch die Branche der Auto- vermieter mit rund 300 Unterneh- im Bienenstock men und geschätzten 25.000 Be- schäftigten in Deutschland wird durch Corona und die damit ver- Das Coronavirus legt die TUI-Deutschland derzeit lahm, bundenen Einbrüche im Reisever- kehr massiv getroffen. Ähnlich doch die Beschäftigten sind krisenerprobt wie in der Touristik und im Luft- verkehr sind hier Buchungsrück- VON MARION SCHNEIDER gänge von teilweise über 80 Pro- Quelle: www.tui.com/ zent zu verzeichnen. D er Standort der TUI-Deutschland in Hannover ist normalerweise wie ein Bienenstock. Die Menschen sind geschäftig, kommunikativ – kurz, Wie in anderen Branchen wurde darauf mit massiver Kurz- das ganze Haus summt und brummt. Betritt man arbeit reagiert, wobei aber die heute das Gebäude, ist es gespenstisch: Nur we- Unternehmen sich bemühen, die nige Kolleg*innen halten die Stellung im Haus, die Vermietstationen geöffnet zu hal- Stimmen sind verstummt, die Flure leer. Uns hat ten. Da die Vermietung von Nutz- ein Virus lahmgelegt, dessen Auswirkungen aktu- büro-Expedient*innen, Existenzängste hinzu. Die fahrzeugen weniger Einbrüche zu ell noch gar nicht absehbar sind, und das uns in Touristik ist eine von Frauen dominierte Branche, verzeichnen hat als die von PKW, die wohl schwerste Krise seit Bestehen des Unter- viele unserer Kolleginnen arbeiten in Teilzeit. Hier wird hiermit versucht, die drin- nehmens gestürzt hat. könnte die Politik mit staatlichen Aufstockungsbe- gend benötigten Einnahmen zu trägen für niedrige Lohngruppen helfen. erzielen. So wird von den Be- Seit Ende März arbeiten nun fast alle Kolleg- schäftigten ein hohes Maß an *innen im Homeoffice. Unsere Geschäftsführung Sollten sich die Kontaktsperren wieder lockern, Flexibilität abverlangt, Kurzarbeit hatte schon früh die Möglichkeit eröffnet. Seit Be- heißt das erstmal nicht, dass auch die TUI wieder auf der einen Seite, Verfügbarkeit ginn der Kontaktsperre nutzt etwa 95 Prozent der voll loslegen kann: Unsere wirtschaftlich stärksten auf der anderen, wenn Geschäft Belegschaft diese Möglichkeit. Gab es im vergan- Produkte sind Auslandsreisen, besonders in den zu machen ist. Dazu kommt die genen Jahr noch viele kritische Stimmen zu dem Mittelmeerraum. Solange wir keine Gäste in diese Sorge vor Ansteckung durch frisch eingeführten Office-System, so sind nun alle Länder bringen können, ist ein wirtschaftlicher Neu- wenig geschützten Kontakt zu froh über die neuen Möglichkeiten der Zusam- start nicht möglich. Und niemand weiß, wann diese Kund*innen und Fahrzeugen. menarbeit – selbst jene Führungskräfte, die bislang durch die Pandemie schwer geplagten Länder ihre dem Homeoffice eher kritisch gegenüberstanden. Grenzen wieder für Touristen öffnen dürfen. Da in der Branche niedrige Deshalb sind wir alle froh über die finanzielle Grundvergütungen üblich sind, Doch wenn es im TUI-Haus auch dunkel und Unterstützung der Bundesregierung. So können sind die Auswirkungen für die leer ist, still steht das Leben auf keinen Fall. Zu An- wir, zwar mit Einschränkungen, aber dennoch, Beschäftigten enorm, zumal Auf- fang der Krise war es wichtig, alle Kund*innen aus eine ganze Weile durchhalten. Auch die Erstattung stockungen des Kurzarbeitergel- den Zielgebieten zurückzuholen. Dann wurden die der Reisekosten der bereits gebuchten und nun zu des nur selten erfolgen. Hinzu bereits gebuchten Reisen mit Reiseantritt bis 27. stornierenden Reisen über Gutscheine würde uns kommt, dass viele der Beschäftig- und inzwischen bis 30. April abgesagt. Das wesentlich beim Durchhalten helfen. Mut machen ten als Minijobber*innen keinen brachte Stornierungen und Umbuchungen mit die Neubuchungen für die Saison 2021. Zeigen sie Anspruch auf Kurzarbeitergeld sich. Keine schöne Aufgabe. Der Reiz unseres Be- doch, dass unsere Kunden nach wie vor reisefreu- haben. rufes ist es ja, den Menschen schöne Urlaube mit dig und bereit sind, ihren Urlaub mit uns zu ver- tollen Erlebnissen zu vermitteln. Nun überbringen bringen. Zwar gibt es bei wenigen gro- wir nur noch schlechte Nachrichten. Andere Kol- Deshalb heißt es jetzt: durchhalten! Im Touris- ßen Vermietern, etwa bei Avis, leg*innen arbeiten mit Hochdruck daran, die mus gibt es fast jedes Jahr eine Krise, und mit dem Europcar und Hertz, Betriebsräte, Saison 2021 buchbar zu machen, damit unsere Einsatz aller Kolleg*innen haben wir sie bislang so dass dort zumindest Betriebs- Kund*innen sich orientieren und sich mit einer Ur- alle durchgestanden. Und auch wenn diese Krise vereinbarungen zur Kurzarbeit ab- laubsbuchung für 2021 neue positive Ziele setzen wie keine andere vor ihr ist, werden wir sie ge- geschlossen werden konnten. Die können. Die ersten Zielgebiete und Produkte sind meinsam bewältigen. Der jetzige Einsatz unserer Mehrzahl der Beschäftigten ist besonderen bereits freigeschaltet. Kolleg*innen vor dem Hintergrund der in 2019 an- aber ohne diesen Schutz, und den Und doch befinden wir uns seit dem 1. April in gekündigten Personalabbaumaßnahmen ist wirk- Sparmaßnahmen der Arbeitgeber Kurzarbeit. Leider reichen diese Tätigkeiten nicht lich bewundernswert und keineswegs selbstver- bis hin zu Kündigungen mehr zur Vollbeschäftigung aller Kolleg*innen. Neben ständlich. Vielleicht wird dann am Ende auch eines oder weniger ausgeliefert. W den Sorgen um die Zukunft unseres Unterneh- wieder deutlich: Menschen, nicht Schiffe oder die mens kommen nun für die Kolleg*innen in den Hotels, sind das größte Kapital dieses Unterneh- Michael Klotz niedrigen Vergütungsgruppen, wie z.B. die Reise- mens. W 7
REISEBRANCHE C O R O N A W HAMBURG DUNGEON Interview mit Jan-Henrik Sievers, Schaupieler Wie geht es Dir, wie Nach der Pleite sieht in der Corona-Krise Dein Im vergangenen September hat der Reiseveranstalter Thomas Cook Insolvenz Arbeitsalltag aus? angemeldet. Was ist aus den Beschäftigten geworden? Ein Überblick Mir geht es im Vergleich gut, obwohl mein Arbeitsalltag auf dem Kopf steht. Im Hamburg VON PHILIPP SCHUMANN W Thomas Cook Touristik GmbH Dungeon bin ich auf „Kurzarbeit Den Kern Neckermann Reisen wollte leider kein In- Null“, meine freiberuflichen Auf- W Thomas Cook GmbH vestor haben, der Finanzbedarf war zu groß. Für tritte als Schauspieler wurden Die Stilllegung des Standorts Oberursel und einiger die rund 450 Beschäftigten in Oberursel und an quasi alle abgesagt. Zum Glück Reisebüros betraf rund 750 Kolleg*innen. Durch den Flughäfen war am 27. November Schluss: konnte ich mich schnell an die eine kleine Investoren-Lösung wechselten rund 50 „Masseunzulänglichkeit“ und unbezahlte Freistel- Situation anpassen. Ich gebe nun Kolleg*innen aus e-Com und Reisebüro zu GALE- lung. Lediglich eine kleine Gruppe – die bisher für freiberuflich Onlinekurse für an- RIA REISEN im GALERIA Karstadt Kaufhof Konzern. die TCV tätig waren – wurde von GALERIA REISEN gehende Schauspieler*innen und Weiteren circa 700 Kolleg*innen wurde am 27. übernommen. Hier könnte die „Masseunzuläng- für Menschen, die Theater als November 2019 die Kündigung zum 29. Februar lichkeit“ durch den Verkauf des Gebäudes aufge- Hobby machen möchten. Zudem 2020 mit sofortiger Freistellung ausgesprochen. hoben werden. Wie bei der Holding haben rund arbeite ich gerade an einer Show, Wegen „Masseunzulänglichkeit“ bekommen die ein Viertel der Betroffenen eine neue Arbeitsstelle die Live ausgestrahlt und kom- Freigestellten kein Gehalt, jedoch als „Gleichwohl- gefunden. plett improvisiert sein soll. gewährung“ ALG1. Wird die „Masseunzulänglich- keit“ aufgehoben, wird nachträglich die Differenz W Thomas Cook Vertriebs GmbH Wie ist die Lage im zwischen Gehalt und ALG1 gezahlt. Etwa 20 Kol- 116 der 126 Reisebüros der TCV wurden über- Hamburg Dungeon? leg*innen sind in der FJO-Abwicklungs GmbH nommen, die meisten von GALERIA REISEN. Es gab Das Dungeon ist zurzeit ge- beschäftigt – etwa mit Ausräumen von Büros, Er- einen Betriebsübergang nach § 613 a BGB. Für schlossen. Es arbeiten dort nur stellen von Arbeitszeugnissen und Prüfung von GALERIA REISEN versuchen die Betriebsräte zu- noch 3 bis 4 Leute – alle anderen Forderungen. sammen mit ver.di eine neue Struktur aufzubauen bleiben zu Hause. Das Problem: und BR-Wahlen einzuleiten. Einige Rahmenbedin- Bei uns gibt es sehr viele Teilzeit- Rund ein Viertel der Betroffenen hat eine neue gungen müssen angepasst werden, so etwa die kräfte, die aufgrund der aktuellen Arbeit gefunden. IT-Expert*innen sind gefragt, Regelung für die hier übliche variable Vergütung – Lage und der Kurzarbeit jetzt aber auch Touristiker*innen haben neue Jobs ge- bisher waren die Veranstalter der TC-Gruppe maß- noch weniger Geld verdienen. funden – etwa bei DER Touristik, ALLTOURS oder gebend. Das zweite Problem: Wir haben FTI. Aber auch in anderen Branchen: bei der Bahn, leider noch immer keinen Tarif- der Stadt Frankfurt oder bei Banken und Versiche- Für die von Schließung Betroffenen aus Reise- vertrag und daher ohnehin schon rungen. Für Gläubiger wird nur eine sehr geringe büros in der TCV und der Holding wurde eine einen geringen Stundenlohn. Quote erwartet, das gilt auch für eine Sozialplan- Transfergesellschaft mit 8 Monaten Laufzeit bei 80 abfindung. Prozent der Bezüge gegründet. 56 Beschäftigte Du bist Mitglied der ver.di- haben diese Möglichkeit genutzt, 20 sind vermit- Tarifkommission, wie steht es W Thomas Cook Airportservice GmbH telt, 2 haben sich selbstständig gemacht. nun um Euren Kampf für einen Hier wurde der Geschäftsbetrieb an allen zehn Tarifvertrag? Flughäfen eingestellt: Schluss für alle. In der TCAS In der TCV wird mit einer hohen Quote gerechnet, Wir sind von der Krise leider waren fast keine finanziellen Mittel vorhanden, etwa für Weihnachtsgeld und variables Gehalt. aus der Bahn geworfen worden. daher auch hier „Masseunzulänglichkeit“, unbe- Unsere ganzen schönen geplan- zahlte Freistellung und ALG 1 – mit wenig Hoff- W Bucher Reisen und Öger Tours GmbH ten Aktionen können wir erst mal nung auf Aufhebung der „Masseunzulänglichkeit“ Alle von dieser Insolvenz betroffenen Arbeitneh- nicht durchführen. Vielmehr gilt und Abfindung. mer*innen wurden vom Veranstalter ANEX TOUR es nun abzuschätzen, wie ge- übernommen. Die Betriebsstätten bleiben erhal- schwächt das Dungeon aus dieser ten. Es gab einen Betriebsübergang nach § 613a Krise herausgehen wird und wie BGB, alle 100 Arbeitsplätze wurden gerettet. wir mit unserer gewerkschaftli- chen Arbeit danach weitermachen W Gesellschaft für Reisevertriebssysteme besonderen können. Das ist bedauerlich, da mbH wir viele motivierte Leute sind Die GFR war eine Callcenter-Tochter der Thomas und große Hoffnung hatten, in Cook Gruppe. Für sie musste kein Insolvenzantrag diesem Jahr in die Verhandlungen gestellt werden, sie wurde an die DUBAG Group einsteigen zu können. Nun ver- verkauft und heißt jetzt GFR Customer Care die schiebt sich leider alles. W GmbH. Alle rund 500 Arbeitsplätze wurden erhal- 8 ten. W
FRISEURHANDWERK C O R O N A W FRISEURSALONS Verbindlicher Gesundheits- Zum Haare raufen schutz nötig Zur Wiedereröffnung der Fri- seursalons Anfang Mai forderte Kurzarbeit Null und zu wenig Geld für Lebensmittel und Miete: ver.di ein „verbindliches und den heutigen wissenschaftlichen Die Friseur*innen sind von der Corona-Krise massiv betroffen Erkenntnissen entsprechendes Gesundheitsschutzkonzept“. Kund*innen fallen weg. Faktisch erhält ein*e Fri- Foto: Wermer Bachmeier seur*in in Kurzarbeit deutlich weniger als die an- Neben der Freude und Erleich- fänglichen 60 bzw. 67 Prozent ihres bisherigen terung, wieder Gehälter zu bezie- Netto-Einkommens ausgezahlt. Wenn sie dann hen, Einnahmen zu erzielen und noch in Teilzeit zum Beispiel zu 50 Prozent arbeitet, die Kund*innen wieder bedienen erhält sie als alleinerziehende Mutter mit einem zu können, bedeutet die Wieder- Kind in Nordrhein-Westfalen in den ersten drei eröffnung der Salons während der Monaten nur ein Kurzarbeitergeld von etwas über Epidemie für die Beschäftigten 470 Euro ausgezahlt. auch viel Verunsicherung und Angst. ver.di setzt sich daher gerade für die Berufs- gruppen im Niedriglohnbereich weiter dafür ein, „Die Verantwortung dafür, dass das Kurzarbeitergeld über den gesetzlichen zu beurteilen, was dem Schutz und tarifvertraglichen Weg auf 90 Prozent erhöht vor einer Ansteckung mit dem wird. Der Beschluss der Bundesregierung, nach Coronavirus genügt, darf nicht an drei Monaten Bezug auf 70 bzw. 77 Prozent und den/die einzelne/n Friseursalon- nach sechs Monaten auf 80 bzw. 87 Prozent auf- betreiber*in abgetreten werden. zustocken, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Hier ist die Politik in der Pflicht, Und sicher auch ein Erfolg der ver.di-Bemühungen. für einen einheitlichen Standard zu sorgen, der die Anstrengungen Bislang konnte erreicht werden, dass die Bean- zur Eindämmung der Infektions- VON SONJA AUSTERMÜHLE tragung und auch die Bewilligung der ergänzen- zahlen nicht konterkariert. Die den Leistungen wesentlich leichter und schneller hierfür erforderlichen Mittel wie D as öffentliche Leben kam nach und nach fast gänzlich zum Erliegen. Erst wurde die Menge der Menschen, die sich treffen dürfen, beschränkt, vonstatten geht, als das noch vor der Corona-Krise der Fall war. Es gilt dennoch, an der Forderung nach der Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auch z.B. Handschuhe und Atemschutz- masken auch für die Kund*innen müssen den Friseursalons jeder- dann Schulen und Universitäten geschlossen, es und gerade für die Kolleg*innen im Friseurhand- zeit und in ausreichenden folgten die Kneipen, Theater, Geschäfte etc. Trotz werk dranzubleiben. Mengen zur Verfügung gestellt der mahnenden Ansprache der Bundeskanzlerin werden“, fordert deshalb ver.di „Es ist ernst, also nehmen Sie es ernst!“, blieb die Gemeinsam mit den anderen DGB-Handwerks- Schließung der Friseursalons aus. Das brachte zwar Gewerkschaften fordert ver.di bei den Ministerien Zugleich solle aber auch kreative Videos, Bilder und Petitionen hervor, die und Spitzenverbänden des Handwerks Lösungen, jeder/jede Salonbetreiber*in ent- Gefahr einer Ansteckung konnte damit allerdings die den Besonderheiten der Beschäftigten im scheiden können, ob er/sie die nicht beseitigt werden. Die Angst der Friseur- Handwerk, auch im Friseurhandhandwerk, Rech- Gefahrenlage für eine Wiederer- *innen, sich, ihre Familien, aber auch die Kund- nung tragen. öffnung als zu groß für sich, die *innen zu infizieren, wuchs stetig, sodass ver.di Kund*innen und vor allem die sich in der Öffentlichkeit zum Schutz der Beschäf- Zugleich sind viele der Kolleg*innen bei kleinen Mitarbeiter*innen einschätzt und tigten für die Schließung der Friseursalons stark Arbeitgeber*innen angestellt. Damit nach einer daher nicht öffnet. Die Mitarbei- machte. Mit Erfolg: Am Wochenende 21./22. Kurzarbeitsphase auch noch ein Arbeitsplatz da ist, ter*innen aber auch der/die Be- März 2020 war endlich klar: Auch Friseursalons zu dem sie zurückkehren können, und auch noch treiber*in dieser Salons müssen mussten zunächst geschlossen bleiben. jede*r Kund*in zu „seine*r Friseur*in des Vertrau- dennoch finanziell durch ein er- ens“ gehen kann, muss die Existenz der Salons ab- höhtes Kurzarbeitergeld und Doch die vorübergehende Schließung der gesichert werden. durch entsprechende Hilfen für Salons reicht zum Schutz der Beschäftigten nicht den/die Betreiber*in abgesichert besonderen aus. Denn mit der Schließung kam die Kurzarbeit Der Übergang in die Kurzarbeit „Null“ ist für werden, heißt es bei ver.di. W „Null“. Das Kurzarbeitergeld reicht in dieser Nied- viele Friseur*innen nicht nur finanziell schwer. riglohnbranche vorn und hinten nicht aus, die Exis- „Keinen Kontakt mehr zu den Kunden zu haben, tenz zu sichern. Nicht nur, dass bei der Berech- das fehlt mir!“, berichtet eine Kollegin. Noch ist nung des Kurzarbeitergeldes Mehrarbeitsstunden nicht damit zu rechnen, dass die Corona-Krise so die und auch weitere Zuschläge in der Regel nicht mit- schnell vorbei sein wird. Umso wichtiger, dass der berücksichtigt werden, auch die Trinkgelder der Gesundheitsschutz an erster Stelle steht. W 9
C A LLC E N T E R C O R O N A W TECHNISCHE ÜBER- WACHUNG Tarifliche und betriebliche Regelung zur Kurzarbeit Die tarifliche Regelung für die Gleiche Regeln helfen Unternehmen TÜV Rheinland In- dustrie Service GmbH, TÜV Rhein- land Werkstoffprüfung GmbH, beiden Seiten TÜV Rheinland Energy GmbH Der Call Center Verband Deutschland Foto: Wermer Bachmeier sieht vor, dass die Vergütung der sollte Arbeitgeberverband werden Arbeitnehmer*innen von der Agentur für Arbeit für den Um- fang der Kurzarbeit um die Hälfte VON MARKUS NÖTHEN der Differenz zwischen Nettoein- kommen einschließlich Kurzarbei- tergeld und dem bisherigen Net- toeinkommen aufgestockt wird. D ie digitale Transformation verspricht auch für die Unternehmen in der Call- und Contact- center-Wirtschaft eine Reihe von Möglichkeiten Diese Regelung ist eine generelle zur Produktivitätssteigerung. Hier bestehen Optio- Regelung, sie gilt nicht nur in der nen für technologische Rationalisierungsmaß- jetzigen Situation, sondern auch nahmen, um die Kundenkommunikation zu ver- für künftige Kurzarbeit. Der Kon- einfachen, zu automatisieren bzw. überflüssig zu zernbetriebsrat des TÜV Rhein- machen und somit den Kundenkontakt zu verein- land hat für die derzeitige Krise fachen und den Fokus auf die in ökonomischer Be- eine Rahmenvereinbarung abge- trachtung „wertstiftenden Gespräche“ zu legen. schlossen, die mit gleichem Rege- lungsinhalt Sicherheit in dieser Die Rekrutierung von Beschäftigen wird aller- soll es also weitergehen? Der Mindestlohn ist ein speziellen Situation für alle Be- dings mehr und mehr zu einem Problem in der Erfolgsmodell. Er reicht allerdings nicht aus: für die schäftigten im TÜV Rheinland her- Branche. Die Notwendigkeit, einen Job als Callcen- Betroffenen nicht, so dass sie am gesellschaftlichen stellt. ter-Agent zu den aktuellen Konditionen anzuneh- Leben teilnehmen könnten, und für die Gesell- men, ist nicht mehr gegeben. Anforderung und schaft nicht, um sie nicht zusätzlich mit Auf- Die regulär laufenden Ver- Bezahlung entfernen sich zunehmend voneinan- stockern zu belasten. Viele Beschäftigte, die nur handlungen zur Vergütungserhö- der. Gleichzeitig ist der Bedarf an Beschäftigen im Mindestlohn verdienen, müssen zusätzliche Hilfe hung der drei oben genannten Callcenter hoch, so dass es zu einer komfortablen beantragen. Dass Beschäftigte mit einer Vollzeit- Unternehmen werden, sobald sich Situation für die Arbeitnehmer*innen kommt. Sie stelle nicht ausreichend verdienen und dadurch die Situation wieder stabilisiert müssen nicht zu jedem Preis arbeiten. Also stellen von der Gemeinschaft unterstützt werden müssen, hat, zeitnah wiederaufgenom- sich immer mehr Bewerber*innen die Frage: kann auch als Verlagerung des unternehmerischen men. Die dann gefundenen Lö- „Warum soll ich solch einen Job in der jetzigen Zeit Risikos auf die Allgemeinheit angesehen werden. sungen sollen, wie in einer ge- machen?“ Aber auch immer mehr Beschäftigte Das ist ein falscher Unternehmensansatz und ent- meinsamen Erklärung vereinbart denken sich: „Sobald ich etwas Besseres habe, bin spricht nicht dem Grundsatz des Grundgesetztes, ist, rückwirkend zum 1. Januar ich weg.“ dass „Eigentum verpflichtet“. 2020 in Kraft treten. Die Branche der unabhängigen Call- und Con- Die Arbeit mit Menschen ist eine wichtige Auf- Die Tarifverhandlungen zum tactcenter galt bislang als Hort schlechter Arbeits- gabe. Beschäftigte in der Call- und Contactcenter- Kurzarbeitergeld beim TÜV Süd bedingungen und teilweise prekärer Beschäfti- Wirtschaft erfüllen diese Aufgabe. Kundenorien- waren zum Zeitpunkt des Redak- gungsverhältnisse, die durch einen Mangel an tierung und eine deutliche Aufwertung der Call- tionsschlusses noch nicht abge- Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt („Arbeit so und Contactcenter-Arbeit in der Öffentlichkeit ist schlossen. W billig wie möglich“) entstand und das negative dringend nötig, damit die Beschäftigten mit Stolz, Image der Branche prägte. Inzwischen hat sich das Überzeugung und Zufriedenheit sagen können, in Markus Nöthen Blatt gewendet. Nun wird um jede*n Beschäf- welcher Branche sie arbeiten. tige*n geworben. Aus Mangel an Arbeit ist ein Mangel an Arbeitskräften geworden – trotz der Di- Unser Aufruf an den Call Center Verband gitalisierung. Besonders im Mindestlohnbereich Deutschland: Passen Sie Ihr Grundsatzprogramm sorgt das für Probleme. Die Beschäftigten entschei- an, erweitern Sie ihren Kodex, werden Sie Arbeit- besonderen den sich für einen weniger belastenden Job mit geberverband! Sozialpartnerschaft braucht Mit- höherer Vergütung und besseren Arbeitszeitbedin- glieder – und das auf beiden Seiten! Arbeitneh- gungen. mer*innen und Gewerkschaften sowie Arbeit- geber*innen und Arbeitgeberverbände. Gleiche Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, Regeln helfen beiden Seiten. Das können wir mit die dass ein einheitliches Niveau durch den Mindest- einem Tarifvertrag für beide Seiten schaffen. Hier- 10 lohn der Branche nicht schadet, sondern hilft! Wie von profitieren Sie und die Beschäftigten. W
C A LLC E N T E R C O R O N A W CALLCENTER Homeoffice nur in der Das Warten nach Krise Was bisher unmöglich er- schien, ist nun möglich: Um wei- dem Anruf ter „produzieren“ zu können, wird in Zeiten von Corona auch die Arbeit vom Callcenter ins Ein neuer Gesetzentwurf soll Verbraucher*innen vor zwielichtigen Telefon- Homeoffice verlagert. verkäufen besser schützen. Er würde zugleich aber auch die Arbeit in seriösen Callcentern erschweren. Betriebsräte sind dann gefordert, die Kolleg*innen des Vertriebs zu unterstützen VON CHRISTIAN SZEPAN die Leistungsbewertungen der neuen Situation an- gepasst werden. B ei der Bundesnetzagentur gingen in den bei- den vergangenen Jahren jeweils rund 60.000 Beschwerden wegen unerbetener Telefonwerbung Zwar besitzen Betriebsräte kein Initiativrecht bei Beurteilungskriterien, sie sind aber zu beteili- Computer und Telefone wer- den im Callcenter abgebaut und ein. Daher plant Bundesjustizministerin Christine gen, wenn die Regelung verändert wird (§ 94 Abs. zuhause aufgebaut. Die Auftrag- Lambrecht, die Mindestlaufzeiten bei Vertragsab- 2 Betriebsverfassungsgesetz). In jedem Fall sollten geber erklären ihr Einverständnis, schlüssen auf höchstens ein Jahr zu halbieren. die Betriebsräte die Arbeitgeber davon überzeu- dass die Beschäftigten zuhause gen, die Bewertungen angemessener zu gestalten. arbeiten dürfen und die Beschäf- Möglicherweise verringert dies deutlich das tigten erklären, dass alle daten- Gesamtvolumen, mit welchem unabhängige Call- Darüber hinaus sind die Agent*innen im Um- schutzrechtlichen Bestimmungen center beauftragt werden. So werden Kund*innen gang mit der neuen Technik zu schulen. Außerdem natürlich auch zuhause eingehal- etwa der Telekommunikationsgesellschaften be- muss der Hinweis an die Verbraucher*innen ins ten werden. sonders durch die Subventionierung neuer Smart- Gespräch eingebracht werden. Bei jeder innerbe- phones gebunden. Bei verkürzter Laufzeit könnte trieblichen Weiterbildung ist der Betriebsrat zu be- Diese Maßnahme hat Licht dieses Angebot – und damit eines der Hauptargu- teiligen. Es kommt auf das Geschick der einzelnen und Schatten: Licht ist, dass Be- mente der Kundenberater*innen – entfallen. Gremien an, ob sie hier die Mitbestimmung für schäftigte in einem Niedriglohn- sich reklamieren. sektor weitestgehend normal ar- Die meisten Verbraucherbeschwerden bezo- beiten können und somit nicht gen sich auf Angebote der Strom- und Gasver- Vertriebsagent*innen erhalten oftmals eine Er- auf das niedrige Kurzarbeitergeld sorger. Daher enthält der Gesetzesentwurf eine folgsprovision erst dann, wenn die zweiwöchige angewiesen sind, denn das reicht weitere wesentliche Regelung: Es soll nicht mehr Widerrufsfrist der/s Kund*in abgelaufen ist. Der nicht aus. Schatten ist, dass bei genügen, dass die Zustimmung der/s Kund*in Auszahlungstermin wird sich verschieben, wenn den meisten Beschäftigten es vom Telefonagenten aufgezeichnet wird. Inner- davor eine zweiwöchige Frist für die notwendige schwierig wird, einen geeigneten halb von zwei Wochen ist die Vereinbarung von Bestätigung eingeführt wird. Erinnerungsanrufe dauerhaften Arbeitsplatz einzu- den Verbrauer*innen zusätzlich schriftlich oder sind denkbar, wenn die Kund*innen die Frist ver- richten. Nach der Krise muss klar elektronisch zu bestätigen – ansonsten kommt gessen. Entgeltangelegenheiten sollten in Tarifver- sein, dass die Arbeit im Home- der Vertrag nicht zustande. Zunächst soll diese trägen geregelt werden. Trotzdem würde bei zwei office beendet wird und wieder Regelung beschränkt bleiben auf den Markt der Vertriebskontakten durch unterschiedliche Kol- im Callcenter gearbeitet wird. Zu Energieversorger. Beobachter vermuten, langfris- leg*innen die Frage aufkommen, wie die Zulage einer dauerhaften Einrichtung tig werde dies alle telefonischen Vereinbarungen dann gerecht aufgeteilt wird. W eines Homeoffice darf es im Call- betreffen. center nicht kommen. Foto: Wermer Bachmeier Die Neuregelung erschwert den Vertragsab- ver.di und die Betriebsräte schluss. Bei manchen Kund*innen wird die nach- werden darauf achten, dass diese geschobene Nachricht ungelesen im Spam-Ordner Notfallmaßnahmen beendet verschwinden, andere werden die Antwort viel- werden und es nach der Krise zu leicht vergessen. Schon dadurch sinkt die persön- keinem Missbrauch kommt. besonderen liche Erfolgsquote der Vertriebsagent*innen. Beschäftigung sichern ja! Betriebsräte müssen darauf achten, dass die Arbeitsbedingungen auf Dauer Kolleg*innen dann nicht zu sehr unter Druck ge- verschlechtern nein! W setzt werden. Sie dürfen nicht mehr an ihren bis- die herigen Ergebnissen gemessen werden, deren Er- Markus Nöthen reichen unrealistisch sein dürfte. Deshalb sollten 11
LEIHARBEIT C O R O N A W LEIHARBEIT Keine tarifliche Lösung zur Kurzarbeit In Zeiten des Corona-Virus ist auch in der Leiharbeit Kurzarbeit Gelungen ein Thema. Die DGB-Tarifgemein- Mehr Geld, mehr Urlaub sowie mehr Urlaubs- und Weihnachtsgeld schaft hat Ende März mit den für Leiharbeitnehmer*innen Arbeitgeberverbänden zur tarifli- chen Aufstockung des Kurzarbei- tergeldes verhandelt. Die Arbeit- VON MARIUS ROTHE W Bonus für Gewerkschaftsmitglieder geberverbände waren allerdings Ab 2021 zahlt sich eine ver.di-Mitgliedschaft noch nicht bereit, einen Tarifvertrag Die Verhandlungen haben bis in die frühen Mor- mehr aus. Schon heute sind es die Gewerkschafts- hierzu zu vereinbaren. Lediglich genstunden gedauert, aber dann war es so weit: mitglieder, die diesen Abschluss erst möglich ge- Absichtserklärungen wollten sie Die DGB-Tarifgemeinschaft konnte viele Verbesse- macht haben. Für alle, die 2021 mindestens ein abgeben. rungen für Leiharbeitsbeschäftigte durchsetzen. Jahr ver.di-Mitglied sind, rechnet sich ihre Gewerk- schaftszugehörigkeit dann noch mehr. Denn ab Um Missbrauch zu vermeiden und W Erste Einkommenssteigerung ab April 2020 dann gibt es für ver.di-Mitglieder oder Mitglieder die Beschäftigten zu schützen, Ab April 2020 steigen die Löhne in drei Stufen: Im einer anderen DGB-Gewerkschaft ein extra Ur- gelten für die Leiharbeit klare ge- Westen steigen die Einkommen um 1,9 Prozent. laubs- und Weihnachtsgeld. In Stufen steigt das setzliche Regeln auch jetzt. Der Diese erste niedrige Anhebung begründet sich vor Mitglieder-Extra auf bis zu zweimal 350 Euro im Bundesarbeitgeberverband der allem mit der aktuell schlechten wirtschaftlichen Jahr. Personaldienstleister (BAP) und Situation der Leiharbeitsunternehmen. Im Osten der Interessenverband Deutscher steigen die Löhne ab April 2020 um 3 Prozent (in W Mehr Urlaub Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) der Entgeltgruppe 1 um 2,31 Prozent) und werden Verbesserungen konnte die Tarifgemeinschaft auch wollen, dass diese in der Corona- im Oktober dann in allen Entgeltgruppen um wei- beim Urlaub aushandeln. Ab 2021 steigt der Ur- Krise gelockert werden. Doch bei tere 2,2 Prozent angehoben. laub von heute 24 auf 25 Tage. Die jetzt noch be- einer tariflichen Aufstockung des stehenden fünf darauffolgenden Stufen werden Kurzarbeitergelds stellen sich W Angleichung Ost und West auf drei reduziert. So bekommen die Kolleg*innen die Verbände quer. Das geht gar Ab April 2021 gibt es dann nur noch eine Entgelt- in der Leiharbeit zukünftig schon ab dem zweiten nicht! Die Arbeitgeber kommen tabelle für alle. Dann sind alle Arbeitsbedingungen Jahr 27 Tage Urlaub und ab dem vierten Jahr der so ihrer Verantwortung gegen- für Ost und West, ob Entgelt oder Arbeitszeit, Beschäftigung – und damit ein Jahr früher – 30 über den Beschäftigten nicht gleich. Die gemeinsame Entgelttabelle wird dann Tage Urlaub. nach. in zwei weiteren Schritten, jeweils ab 1. April, in 2021 um 3,0 Prozent und in 2022 um 4,1 Prozent W Mehr Entgeltgruppen – Sozialpartnerschaft muss sich angehoben. Insgesamt bedeutet diese Erhöhung bessere Eingruppierung nicht nur bei schönem Wetter zei- in drei Stufen, dass etwa die Einkommen in der EG Zudem ist der DGB-Tarifgemeinschaft eine kleine gen, sondern auch in der Krise. 1 im Westen am Ende um fast 10 Prozent und im aber bedeutende Verbesserung gelungen: Ab Juli Das gesetzliche Kurzarbeitergeld Osten sogar um 11,3 Prozent steigen. 2020 werden die Entgeltgruppen neu gefasst. Die ist trotz Nachbesserung nicht aus- Entgeltgruppe 2 wird in eine Entgeltgruppe 2a reichend für viele der Kolleg*in- W Mehr Urlaubs- und Weihnachtsgeld und eine Entgeltgruppe 2b aufgeteilt. Darüber hi- nen in dieser Branche, sie werden Ab 2021 steigen die heutigen Sonderzahlungen naus wurden die Entgeltgruppen 3 und 4 entzerrt damit kaum über den Monat von derzeit jeweils 150 Euro ab sechs Monaten auf und die EG 4 wurde zu einer echten Eckentgelt- kommen. jeweils 200 Euro. Durchsetzen konnten die Ge- gruppe aufgewertet. Zukünftig wird eine richtige werkschaften auch, dass die höchste Stufe früher Eingruppierung einfacher sein und damit besser Auch aus diesem Grund fordert erreicht wird. Und auch hier winkt nicht nur früher, durchzusetzen. ver.di von der Politik weiterhin sondern auch mehr Geld. So bekommen Leih- eine Aufstockung auf 90 Prozent. arbeitsbeschäftigte hier künftig zweimal 400 Euro W Weitere Verbesserungen W statt vorher nur 300 Euro. Daneben konnten die Gewerkschaften noch einige weitere Verbesserungen erreichen. So ist etwa das Markus Nöthen Arbeitszeitkonto im iGZ-Tarifvertrag neu gefasst Foto: Wermer Bachmeier worden. Dabei wurde ein verbessertes Recht der Arbeitnehmer*innen auf Auszahlung von Stun- denguthaben durchgesetzt und die rechtswidrige besonderen Regelung, die dem Unternehmen erlaubt über zwei Tage zu verfügen, endlich gestrichen. Ein wichtiger Erfolg ist auch: Jetzt ist im Tarifvertrag unmissverständlich geregelt, dass die Überbrü- ckung verleihfreier Zeiten durch Nutzung des Ar- die beitszeitkontos nur mit Zustimmung der Beschäf- 12 tigten möglich ist. W
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