Wie viel Bildschirm verkraften unsere Kinder? - WDR

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Wie viel Bildschirm verkraften unsere Kinder? - WDR
Westdeutscher Rundfunk Köln
Appellhofplatz 1
                              Wie viel Bildschirm
50667 Köln
                              verkraften unsere Kinder?
Tel.: 0221 220-3682
Fax: 0221 220-8676

E-Mail: quarks@wdr.de

www.quarks.de                 Script zur wdr-Sendereihe Quarks & Co
Inhalt                                                                                  Wie viel Bildschirm
     Inhalt                                                                                       Bildschirm
                                                                                                      verkraften unsere Kinder?
 4   Wenn Schüler töten                                                                      Wenn Kinder in Deutschland die Grundschule abschließen, haben viele bereits hunderte Morde
                                                                                             und tausende Gewalttaten im Fernsehen gesehen. Eine Studie zeigt, dass Neuntklässler häufig
6    Der harmlose Profikiller                                                                nichtaltersgerechte Gewaltspiele an ihrem Computer spielen. Und sieben Prozent aller jugend-
                                                                                             lichen Handybesitzer haben von ihren Kameraden schon einmal reale Gewaltvideos auf ihr
9    Machen Gewaltspiele dumm?                                                               Handy geschickt bekommen. Angesichts solcher Zahlen werden immer wieder Stimmen laut,
                                                                                             den Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen einzuschränken. Kaum vorstellbar, denn für
13   Computer im Kindergarten                                                                Kinder und Jugendliche ist der Umgang mit Fernseher, Computer und Handy heute selbstver-
                                                                                             ständlich.
17   Unterschätzt oder überfordert?
                                                                                             Mittlerweile stellt sich nicht mehr die Frage, ob Kinder diese Medien nutzen, sondern wie. Aber
20   Kleines Medienglossar                                                                   viele Eltern sind beim Thema Medienerziehung überfordert und fragen sich: Wie viel Bildschirm
                                                                                             verkraften unsere Kinder? Wie wirkt sich der Umgang mit den modernen Medien auf die kind-
                                                                                             liche Psyche aus? Ab welchem Alter verstehen Kinder Fernsehen überhaupt?
25   Ist mein Kind computersüchtig?
                                                                                             Quarks & Co zeigt, welche Antworten Psychologen, Pädagogen und Mediziner geben und bietet
                                                                                             eine Orientierungshilfe für Eltern.

     Herausgeber: Westdeutscher Rundfunk Köln; verantwortlich: Öffentlichkeits-
     arbeit; Text: Ilka aus der Mark, Uli Grünewald, Wolfgang Huhn, Georg Lolos, Frank
     Nischk, Ismeni Walter, Silvio Wenzel; Redaktion: Wolfgang Lemme; Copyright: wdr,
     Dezember 2007; Gestaltung: Designbureau Kremer & Mahler, Köln
                                                                                                 Weitere Informationen, Lesetipps und interessante Links finden Sie auf unseren Internetseiten.
     Bildnachweis: alle Bilder Freeze wdr 2007 außer: S. 1 großes Bild – Rechte: mauritius       Klicken Sie uns an: www.quarks.de
Menschen flüchten aus der Columbine Highschool                                                          Schüler des Gutenberg-Gymnasiums in Erfurt
                                                         in Littleton                                                                                            rufen um Hilfe

        Wenn Schüler töten
        Gewaltbilder und Amokläufe
                                                                                                                                       Wenn Schüler töten
Sie wollen Rache. In den meisten Fällen ist das die       Erfurt, Emsdetten, Tessin: Alle spielten             Das Mitgefühl sinkt                             schiedene Medien eine Rolle spielen, zeigt auch
Ursache für den Amoklauf von Jugendlichen. Im             Ego-Shooter                                                                                          der Fall des 18-jährigen finnischen Abiturienten,
April 1999 betreten Eric Harris und Dylan Klebold                                                           Nach den Amokläufen von Erfurt und Emsdetten       der im November 2007 in seiner Schule acht Men-
ihre Schule in Littleton/Colerado. Sie führen meh-    Auch Robert Steinhäuser war ein exzessiver Spie-      forderten mehrere Politiker ein Verbot von         schen erschoss: Er spielte fast nie Ego-Shooter,
rere Waffen und Sprengsätze mit sich. Die beiden      ler von Ego-Shootern. Der 19-Jährige aus Erfurt       Gewalt-Computerspielen. Der damalige bayeri-       war aber ein Fan von Gewaltfilmen.
fühlen sich seit Jahren von ihren Mitschülern aus     war einige Monate vor seiner Tat von der Schule       sche Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund
der Columbine Highschool gemobbt. An diesem           geflogen, weil er ein ärztliches Attest gefälscht     Stoiber sagte, dass in solchen Spielen „Mord und
Morgen entlädt sich ihr Hass in einem Massaker,       hatte. Im April 2002 nimmt er Rache an seinen         Totschlag propagiert und dazu angeleitet wird.“       Jugendliche nicht allein lassen
bei dem zwölf Schüler und ein Lehrer sterben,         Lehrern: Während der schriftlichen Abiturprüfun-      Und der Kriminologe Christian Pfeiffer meint,
bevor sich die Täter selbst umbringen. Beide          gen betritt er, bewaffnet mit einer Pistole und       dass „die Empathiefähigkeit, die Fähigkeit         Die Positionen zwischen Befürwortern und Geg-
waren leidenschaftliche Fans von Doom, einem          einer Pumpgun, das Gutenberg-Gymnasium. Eine          Mitleid zu empfinden“ bei einem intensiven         nern eines Verbotes solcher gewalthaltigen Spiele
Computerspiel aus der Klasse der sogenannten          halbe Stunde später sind zwölf Lehrerinnen und        Konsum der Ballerspiele sinkt.                     für Jugendliche sind seit Jahren verhärtet. Eine
Ego-Shooter. Das sind Spiele, in denen der Spieler    Lehrer, zwei Schüler, eine Sekretärin und ein Poli-                                                      Lösung scheint nicht in Sicht. Einig sind sich die
die Hauptfigur aus der eigenen Perspektive steu-      zist tot. Dann erschießt sich Robert Steinhäuser                                                         Wissenschaftler jedoch darin, dass Jugendliche
ert. Vom Akteur sind nur die Hände und die ver-       selbst.                                                  Finnischer Amokläufer schaute Gewaltfilme       mit ihren Problemen und dem immer stärker wer-
wendeten Waffen zu sehen; so entsteht der                                                                                                                      denden Leistungsdruck nicht allein gelassen wer-
Eindruck eines subjektiven Blickes in die Szena-      Auch der Amokläufer von Emsdetten, der in seiner      Doch der Zusammenhang zwischen virtueller          den sollten. Schon nach dem Erfurter Fall wurden
rien des Spiels. Der Spieler durchstreift mehr oder   Schule 37 Menschen durch Schüsse und Rauch-           Gewalt in Computerspielen und realer Gewalt        deswegen auch mehr Psychologen an den Schulen
weniger frei begehbare virtuelle Welten, und wie      bomben verletzte, bevor er sich selber tötete,        bleibt wissenschaftlich umstritten. Der Medien-    gefordert – Lehrer haben schließlich je nach Fach
der Name vermuten lässt, sind die Spiele nur          sowie die beiden Jugendlichen aus Tessin in           wissenschaftler Tilo Hartmann warnt davor, das     drei- bis fünfhundert Schüler zu betreuen. Doch
erfolgreich abzuschließen, wenn sich der Protago-     Mecklenburg-Vorpommern, die auf brutale Weise         Thema zu eindimensional zu betrachten: „Es wäre    bisher sind Sozialarbeiter und Schulpsychologen
nist gewaltsam seinen Weg bahnt.                      ein Ehepaar erstachen, haben exzessiv Ego-            völlig unsinnig anzunehmen, dass alleine Compu-    in der deutschen Schullandschaft nach wie vor rar.
                                                      Shooter gespielt.                                     terspiele aggressive Ausbrüche bedingen. Man
                                                                                                            muss immer hinterfragen, was sonst im Leben der
                                                                                                            jeweiligen Personen passiert und welchen Me-
                                                                                                            dienzugang sie außerdem noch haben.“ Dass ver-

4                                                                                                                                                                                                               5
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                                                                                                                                   testen: Wer ist am aggressivsten?

                                                                                                                                   Mitte:
                                                                                                                                   Die Messergebnisse der drei Kandidaten: Der Profi und der
                                                                                                                                   angehende Pastor haben beide höhere Werte als der
                                                                                                                                   Neutrale, sowohl während als auch nach dem Spiel

                                                                                                                                   Rechts:
                                                                                                                                   Überraschende Reihenfolge: Der Profi hat die niedrigsten
                                                                                                                                   aggressiven Neigungen. Danach folgt der angehende Pastor
                                                                                                                                   – und der Neutrale hat den höchsten Wert

            Der harmlose Profikiller
            Machen Gewaltspiele aggressiv?
                                                                                                                                                  Der harmlose Profikiller
Viele Jugendliche finden Spaß an gewalthaltigen                                 Profispieler gegen Pastorenanwärter                 nale Erregung über die Hautleitfähigkeit und die           Pastor müssen noch mal am Bildschirm töten, Nils
Computerspielen. Besonders sogenannte Ego-                                                                                          Herzfrequenz. Beide steigen mit zunehmender                spielt sein harmloses Spiel. Direkt im Anschluss
Shooter erfreuen sich großer Beliebtheit: Aus der                           Unsere drei Kandidaten haben ganz verschiedene          Erregung an. In unserem Fall spielt sowohl der             machen alle drei Probanden einen Wortergänzungs-
Perspektive der Spielfigur erleben die Spieler ein                          Erfahrungen mit Computerspielen und auch sonst          Profi als auch der angehende Pastor einen Ego-             test. Auf dem Bildschirm erscheinen unvollständi-
Abenteuer, bei dem man viele Gegner töten muss.                             recht unterschiedliche Interessen:                      Shooter (Doom 3, Altersfreigabe ab 18 Jahre). Die          ge Wörter, zum Beispiel schla_en. Die drei Kandi-
Eines der bekanntesten dieser Gewaltspiele ist                                                                                      Kontrollperson spielt ein gewaltfreies Spiel.              daten müssen sie spontan ergänzen; dabei gibt es
Counter Strike. Welche Auswirkungen haben sol-                              Christian, 23 Jahre alt, verdient seinen Lebens-                                                                   aggressive und harmlose Möglichkeiten, hier etwa
che Spiele auf die Spieler? Macht virtuelle Gewalt                          unterhalt damit, Counter Strike zu spielen. Ein         Sensoren an den Fingern der rechten Hand messen            schlagen oder schlafen. Das Ergebnis ist diesmal
aggressiv? Quarks & Co wollte es wissen und hat                             Sponsor finanziert ihm ein monatliches Gehalt,          die Hautleitfähigkeit und die Herzfrequenz vor             nicht so eindeutig: Zunächst fällt auf, dass alle
zusammen mit Medienpsychologen der Hamburg                                  dazu kommen immer wieder hohe Preisgelder.              während und nach dem Spiel. Das Ergebnis ent-              drei Kandidaten nur relativ wenige aggressive
Media School einen ungewöhnlichen Test ge-                                  Christian ist seit 2002 als virtueller Profi-Killer     spricht dem der wissenschaftlichen Studien: Ge-            Wortergänzungen wählen, also wohl auch wenige
macht: Gut gegen Böse – drei Kandidaten wurde                               unterwegs und trainiert regelmäßig mehrere Stun-        genüber der Kontrollperson Nils sind Christian und         aggressive Gedanken als Reaktion auf das Spielen
auf ihre Aggressivität hin untersucht.                                      den am Tag. Zweiter Kandidat ist Simon, 21 Jahre        Simon, der angehende Pastor, deutlich erregter:            haben. Der Profi kommt auf einen etwas höheren
                                                                            alt. Er ist seit dem Jahr 2000 in der kirchlichen       die Hautleitfähigkeit steigt während des Spiels            Wert, Pastor und Kontrollperson liegen gleich auf.
                                                                            Jugendarbeit aktiv und möchte evangelischer             stärker an. Und beide beruhigen sich nach dem              Unsere beiden Gewaltspieler zu identifizieren ist in
    Ego-Shooter                                                             Pastor werden. Der Dritte ist Nils, 24 Jahre alt. Er    Spiel auch nicht so schnell. In unserem Fall konn-         diesem Fall nicht mehr möglich. Die Psychologen
                                                                            studiert BWL und spielt nur gelegentlich am Com-        ten die beiden Gewalt-Spieler also während des             erklären das mit individuellen Unterschieden zwi-
Ego-Shooter, etwa das bekannte Spiel Counter Strike, sind Com-              puter. Nils dient in unserem Test als neutrale          Spiels identifiziert werden.                               schen den Persönlichkeiten, die den Effekt des
puterspiele, in denen der Spieler die Hauptfigur aus der eigenen            Kontrollperson.                                                                                                    Spiels überdecken können.
Perspektive steuert. Von der Spielfigur sind dann nur die Hände und die
verwendeten Waffen zu sehen, so entsteht der Eindruck eines subjekti-                                                               Test 2: Aggressive Gedanken
ven Blickes in die Szenarien des Spiels. Der Spieler durchstreift mehr      Test 1: Emotionale Erregung                                                                                        Test 3: Aggressive Neigung
oder weniger frei begehbare virtuelle Welten, und wie der Name vermu-                                                               Nach einer Theorie der Aggressionsforschung füh-
ten lässt, sind diese Spiele nur erfolgreich abzuschließen, wenn sich der   Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Men-           ren gewalthaltige Spiele zumindest für kurze Zeit          Mit einem psychologischen Fragebogentest wol-
Akteur gewaltsam seinen Weg bahnt. Mehr dazu in unserem kleinen             schen, die ein gewalthaltiges Computerspiel spie-       zu mehr aggressiven Gedanken. In unserem zwei-             len wir schließlich herausfinden, ob sich die unter-
Medienglossar.                                                              len, emotional stärker erregt sind, als Spieler         ten Test lassen wir daher die Kandidaten zunächst          schiedliche Computerspiel-Erfahrung auch auf die
                                                                            eines harmlosen Spiels. Ermittelt wird die emotio-      wieder zocken: Der Profi und der angehende                 allgemeine aggressive Neigung ausgewirkt hat.

6                                                                                                                                                                                                                                                 7
Überraschende Reihenfolge: Der Profi hat den niedrigsten                                                          Es gibt Hinweise darauf, dass gewalthaltige Bilder die
                                                          Aggressivitätswert. Danach folgt der angehende Pastor -                                                           Gehirnfunktionen beeinflussen
                                                          und der Neutrale hat den höchsten Wert

                                                                                                                             Machen Gewaltspiele dumm?
Der harmlose Profikiller                                                                                                          Machen Gewaltspiele ...
                                                                                                                             Horrorbilder schaden der Konzentration

Wenn Gewalt am Computer auf den Charakter ab-          Gruppen der Viel- und der Wenig-Spieler Unter-                Von außen sieht man nichts. Mit oft versteinerter   in gewaltneutrale Film eingebettet ist. Bisher gab
färbt, dann müsste sich das bei Dauerspieler           schiede gibt. Dennoch deckt sich das Ergebnis aus             Miene starren Kinder auf den Bildschirm. Sei es,    die Forschungslage aber noch kein klares Bild
Christian, dem virtuellen Profikiller, bemerkbar       unserem Test mit dem derzeitigen Forschungs-                  dass sie sich gerade einen Horrorfilm reinziehen    dazu ab, ob das Gehirn wirklich durch Fernsehen
machen. Jede Frage kann in fünf Abstufungen zwi-       stand: Kurzfristig haben gewalthaltige Spiele                 oder bei einem Computerspiel möglichst viele        oder Computerspiele unmittelbar beeinträchtigt
schen trifft zu und trifft nicht zu beantwortet wer-   einen gut nachweisbaren Effekt. Eine langfristige             Spielfiguren abknallen, sie bleiben scheinbar       wird. Wenn ja, könnte das weitreichende Folgen
den, eine Beispielfrage lautet: Einige meiner          Änderung des Charakters folgt daraus aber nicht               ungerührt. Aber was passiert tatsächlich hinter     haben – zum Beispiel bezüglich der Schulleis-
Freunde halten mich für einen Hitzkopf. Doch aus-      unbedingt. Für Christian bedeutet das: Auch wenn              der coolen Fassade? Gehen die Gewaltbilder spur-    tungen. Die wiederum haben einen wichtigen
gerechnet Christian, der berufsmäßige Counter-         er fast täglich als virtueller Killer unterwegs ist, ist      los an den Kindern vorbei? Oder hinterlassen sie    Einfluss auf das Verhalten, ist doch die Schule ein
Strike-Spieler, hat keinen auffällig aggressiven       er ein ganz normaler Mensch mit Freunden und                  Spuren im Gehirn? Eltern, Erzieher, Lehrer und      wichtiger Sozialisierungsfaktor. Die Wissen-
Charakter. Im Gegenteil, Simon, der angehende          Freundin.                                                     Psychologen, aber auch besorgte Politiker fragen    schaftler des Kriminologischen Forschungsinsti-
Pastor hat sogar eine minimal höhere aggressive                                                                      sich das angesichts eines vermeintlichen Zusam-     tuts Niedersachsen haben sich besonders auf die-
Neigung. Und am aggressivsten ist Nils, der doch       Unser Test ist übrigens kein Plädoyer für Killer-             menhangs zwischen hohem Gewalt-Medienkon-           sen Zusammenhang konzentriert. Ihre These:
die neutrale Kontrollperson darstellt. Alle drei       spiele. Für Menschen, die ohnehin aggressiv sind,             sum und Jugendkriminalität. Mehrere Studien des     Gelerntes aus der Schule wird von actionreichen
haben allerdings laut Test ohnehin ein sehr nie-       können gewalthaltige Spiele durchaus die Situ-                Kriminologischen Forschungsinstituts Nieder-        Gewaltszenen einfach verdrängt. Diese Annahme
driges Aggressionsniveau. Die beiden Gewalt-           ation zuspitzen. Und man muss kritisch die Frage              sachsen haben diesen Zusammenhang klar belegt       ist als die sogenannte Löschungshypothese be-
spieler mit diesem Test herauszufiltern, funktio-      stellen, warum es Spaß machen kann, am Com-                   – vor allem bei Jungen.                             kannt, und die Hannoveraner Forscher wollten sie
nierte also nicht.                                     puter Spielfiguren zu töten. Doch in gewalthalti-                                                                 mit ihrer Studie überprüfen.
                                                       gen Spielen die Quelle des Bösen zu sehen und
                                                       einen Automatismus von virtueller Gewalt im Spiel                Was passiert im Gehirn?
    Ein harmloser Profikiller                          zu realer Gewalt anzunehmen wird dem komple-                                                                          Freigegeben ab 18
                                                       xen Phänomen nicht gerecht.                                   Eine Untersuchung von Brad Bushman, University
Unser Quarks-Test ist natürlich nur eine Stich-                                                                      of Michigan (USA) von 1998 zeigte, dass Werbung,    Die Probanden, die an der Studie des Kriminolo-
probe. Und normalerweise gehen die Psychologen                                                                       die in gewalthaltige Filme eingestreut wird,        gischen Instituts Niedersachsen teilgenommen
auch anders vor: Sie machen die oben beschriebe-                                                                     schlechter im Gedächtnis bleibt als Werbung, die    habe, waren junge Erwachsene zwischen 18 und
nen Tests mit ganz vielen Personen und schauen
sich dann an, ob es zum Beispiel zwischen den

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Gewalthaltige Computerspiele beeinträchtigen                                                               Möglich, dass häufiger Bildschirmkonsum
                                                         die Konzentrationsfähigkeit stärker als harmlose                                                           schuld ist an schlechten Noten
                                                         Spiele

                                                                              Machen                         Gewaltspiele dumm?
25 Jahren – mit Kindern ist ein solcher Versuch aus   diese spielte Tischtennis, Dart oder Tischfußball.     zentrationsfähigkeit deutlich ab: Im Vergleich zur   hier zum Beispiel Stress. Und dass Computer-
ethischen Gründen nicht machbar, weil den             Sowohl unmittelbar vor als auch unmittelbar nach       Kontrollgruppe, die auch nach dem Tischtennis-,      spiele, vor allem die mit gewalthaltigen Bildern,
Probanden Filme und Spiele gezeigt wurden, die        diesen     Versuchsszenerien      machten     alle     Kicker- oder Dartspielen 100 Prozent ihrer Leis-     Stress erzeugen, ist ebenfalls bekannt: Physio-
erst ab 18 freigegeben sind. Die an der Studie be-    Probanden einen Konzentrations- und einen Merk-        tungsfähigkeit erreichte, kamen die Gewaltspieler    logen haben nachgewiesen, dass sich dabei Herz-
teiligten Psychologen, Medienwissenschaftler und      fähigkeitstest. Die Forscher wollten so prüfen, ob     nur noch auf 77 Prozent der Konzentrationsleis-      schlag und Blutdruck erhöhen und verstärkt das
Sozialwissenschaftler sind aber der Meinung, dass     Konzentration oder Merkfähigkeit durch den             tung im Vergleich mit der Kontrollgruppe. Die        Stresshormon Cortisol ausgeschüttet wird.
man die Ergebnisse durchaus auf Kinder über-          Medienkonsum nachgelassen hatte.                       Normalgucker vor dem Fernseher erreichten 91
tragen kann. „Es gibt keinen Grund, warum die                                                                Prozent, die Spieler harmloser PC-Spiele kamen
Wirkungen der Gewaltbilder auf Kinder anders                                                                 auf 88 Prozent, und selbst diejenigen, die Gewalt-      Stundenlanges Ballern und zu wenig
sein sollten als auf junge Erwachsene“, so Florian        Einbußen bei der Konzentration                     filme vor dem Fernseher konsumiert hatten, konn-        Bewegung
Rehbein, der Versuchsleiter.                                                                                 ten im Vergleich zur Kontrollgruppe noch zu 88
                                                      Das Ergebnis: Bei der Merkfähigkeit verzeichneten      Prozent ihre Konzentrationsleistung bringen.         Es gibt noch weitere Erklärungen dafür, warum
                                                      die Forscher keine Unterschiede. Das erstaunte sie     Keine Gruppe hatte also so große Einbußen erlit-     starker Medienkonsum zu schlechten Schulleis-
     Gewaltvideo gegen Tischfußball                   sehr, waren sie doch zu Beginn der Studie noch         ten wie diejenige, die Computerspiele mit gewalt-    tungen führen kann – eine ist ganz schlicht der
                                                      recht sicher gewesen, dass gemäß der ersten            haltigen Bildern durchgespielt hatte.                Zeitaufwand: Wer acht Stunden am Tag Computer
Die insgesamt 360 Probanden wurden mit ver-           Annahme die Gewaltspiele und -bilder eine negati-                                                           spielt oder fernsieht, hat keine Zeit mehr für
schiedenen Arten von Gewaltvideos und Compu-          ve Wirkung auf das Gedächtnis haben würden.                                                                 Hausaufgaben oder fürs Nachdenken über Dinge,
terspielen konfrontiert. Die einen schauten Gewalt-                                                             Schlechte Noten durch Computerspiele?             die in der Schule gelernt wurden. Und auch die
Videofilme, die anderen gewaltfreie Videofilme.       Die Löschungshypothese müssen die Forscher nun                                                              Bewegungslosigkeit vor dem Computer oder Fern-
Bei den Computerspielen wurden die Gruppen ge-        wahrscheinlich verwerfen. Dafür gab es aber eine       Die Informationsverarbeitung scheint also ganz       seher wird von einigen Forschern als möglicher
nauso unterteilt: die einen spielten harmlose Spie-   große Überraschung bei der Auswertung der              am Anfang, bei der Konzentration nämlich, gestört    Grund für schlechte Schulleistungen gesehen.
le, die anderen Ballerspiele mit gewalthaltigen       Konzentrationstests: Die Probanden, die sich mit       zu sein. Dass Lernvorgänge, und damit auch die       Denn dass Bewegung sich positiv auf kognitive
Bildern. Außerdem gab es bei jedem Durchgang          den Ballerspielen und ihren gewalthaltigen Bil-        Konzentration, durch äußere Einflusse erheblich      Leistung auswirkt, weiß man schon lange.
eine Kontrollgruppe mit einem Kontrastprogramm;       dern beschäftigt hatten, fielen danach in ihrer Kon-   gestört werden kann, ist bekannt – ein Faktor ist

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Schaden oder nutzen Computer
                                                                                                                                                                   im Kindergarten?

                                                                                                                   Computer im Kindergarten
Machen Gewaltspiele...                                                                                       Computer             im Kindergarten
                                                                                                              Frühe Förderung oder Einstiegsdroge?

     Reaktion versus Konzentration                   Und das könnte am Ende die Erklärung für schlech-     In den USA verbringen schon 16 Monate alte           der Lebenswirklichkeit heutiger Kinder, auch von
                                                     te Noten sein. Vielleicht auch für Schlimmeres: Die   Kinder im Durchschnitt 75 Minuten am Tag vor         Kindergartenkindern. Und es ist eine Aufgabe des
Viele Computerspiele stellen den Spieler vor die     Hannoveraner Forscher wollen als nächstes prüfen,     dem Bildschirm, so eine amerikanische Studie.        Kindergartens, das pädagogisch aufzugreifen und
Aufgabe, auf eine Fülle visueller Reize möglichst    ob die Gewaltbilder auch langfristig die Gehirn-      Diese Zahl lässt sich zwar nicht ohne weiteres auf   den Kindern Medienkompetenz zu vermitteln.“
schnell zu reagieren. Wichtig für den Spielerfolg    funktionen beeinträchtigen können.                    deutsche Verhältnisse übertragen. Aber hierzulan-
sind also: schnelle Reaktion, gute Augen-Hand-                                                             de kommen Kinder ebenfalls immer früher mit          Im Auftrage der Landesmedienanstalt Hessen hat
Koordination und ein guter Überblick über die                                                              Fernsehen und Computer in Kontakt. Auch im           Prof. Aufenanger untersucht, welchen Effekt der
visuellen, oft gleichzeitig auftauchenden Reize.                                                           Kindergarten setzen Erzieher vermehrt Computer       Einsatz von Computern im Kindergarten hat: 132
Eine tiefere gedankliche Auseinandersetzung, wie                                                           ein – frühe Förderung ist das Stichwort. Aber wie    Kindergartenkinder wurden 18 Monate lang
eine spezifische Situation zu bewerten ist oder                                                            groß ist die Gefahr, dass dabei die Grundlage für    begleitet. An einem speziell eingerichteten
welche Handlung in dieser Situation das Problem                                                            eine Medienkarriere entsteht, die auf immer mehr     Computerarbeitsplatz konnten die Kinder mit ver-
lösen könnte, sind nicht gefragt. Im Gegenteil:                                                            und immer wahlloseren Konsum hinausläuft?            schiedenen Programmen arbeiten. Die Medien-
Umständliche Entscheidungsprozesse vermindern                                                              Wenn Eltern die Wahl haben, ihr Kind in einem        pädagogen überprüften dabei die kognitive
sogar den Spielerfolg. Die Quantität der Reaktio-                                                          Kindergarten mit Computernutzung anzumelden          Entwicklung, und analysierten mit Hilfe von
nen ist bei den meisten Spielen wichtiger als die                                                          oder in einem anderen – wie sollen sie sich ent-     Videoaufnahmen das Verhalten der Kinder. Prof.
Qualität. Eine Konsequenz häufigen Spielens                                                                scheiden? Quarks& Co hat bei verschiedenen           Aufenanger zieht ein positives Fazit: „Wir konnten
könnte sein, dass das Gehirn durch diese Speziali-                                                         Experten nachgefragt und festgestellt, dass die      zeigen, dass die Kinder in ihrer Entwicklung bezüg-
sierung auf schnelle, unreflektierte Reaktionen                                                            Einschätzungen weit auseinander gehen.               lich des Denkens oder des Sprechens keine
andere Fähigkeiten, wie etwa konzentriertes                                                                                                                     Verzögerung aufweisen. Im Gegenteil, sie profitier-
Problemlösen, einbüßt. Doch gerade das wird in                                                                                                                  ten teilweise vom Computer. Mit den Videoauf-
der Schule häufig gefordert. Ständiges Spielen                                                                Computer gehören dazu                             nahmen konnten wir auch nachweisen, dass die
von Gewaltspielen könnte also dazu führen, dass                                                                                                                 Kinder sich vor dem Computer sozial verhalten:
das Gehirn sich anders spezialisiert als für die                                                           Für einen Kindergarten mit Computer spricht sich     Sie helfen sich gegenseitig, kooperieren miteinan-
Schule erwünscht – die Fähigkeiten verlagern sich.                                                         Prof. Dr. Stefan Aufenanger aus. Er ist Medien-      der. Und überraschenderweise gab es am
                                                                                                           pädagoge an der Universität Mainz und sieht die      Computer weniger Streit als etwa in der Puppen-
                                                                                                           Situation pragmatisch: „Der Computer ist ein Teil    oder Bauecke“.

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                                                                                                                                                                           Sieht den Computereinsatz positiv:
                                                                                                                                                                           Medienpädagoge Stefan Aufenanger

                                                                                                                                                                           Mitte:
                                                                                                                                                                           Überraschend: vor dem Computer gibt
                                                                                                                                                                           es wenig Streit

                                                                                                                                                                           Rechts:
                                                                                                                                                                           Computereinsatz als Gefahr: Kriminologe
                                                                                                                                                                           Christian Pfeiffer

                                                                                                                  Computer im Kindergarten
     Vernetztes Denken lernen                             Zimmer ein Stück Körperverletzung. Denn die Kin-       Dem widerspricht allerdings eine Auswertung der            Früh übt sich in der Wissensgesellschaft
                                                          der werden ja künstlich festgehalten, ihr Bewe-        PISA-Befragung aus dem Jahr 2003: Forscher des
Die Studie zeigt auch, welche Fortschritte die            gungsdrang kommt nicht richtig zum Tragen. Und         Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwis-      Medienpädagoge Stefan Aufenanger sieht das
Kinder nach und nach machen: Sie lernen mit der           sie werden krank davon.“                               senschaften fanden heraus, dass die häusliche          anders: Gerade damit dieser wahllose Konsum
Maus umzugehen, sie verstehen, wie sie durch ver-                                                                Computernutzung keinen negativen Einfluss auf          nicht eintritt, sollen die Kinder seiner Meinung
schiedene Menüs manövrieren können. Schließ-              Pfeiffer stützt sich auf eine amerikanische Studie,    die mathematischen Fähigkeiten und die Schulno-        nach im Umgang mit Medien möglichst frühzeitig
lich wird der Umgang mit dem Computer selbst-             die zeigt, dass Computernutzung in frühem Alter        ten hat.                                               fit gemacht werden. Untersuchungen haben ge-
verständlich und sie bedienen ihn ohne Scheu. Es          zu Hyperaktivität führen kann: Mit jeder Stunde,                                                              zeigt, dass Kinder gezielter mit den verschiedenen
gibt auch Erfolge über das reine Bedienungslernen         die ein 2- bis 5-Jähriger vor dem Bildschirm ver-                                                             Medien umgehen können, je früher sie damit in
hinaus, so der Medienforscher: „Beim Umgang mit           bringt, erhöht sich das Risiko, dass das Kind zum          Im Kindergarten angefixt                           Kontakt kommen. Trotzdem wollen auch Medien-
dem Computer, mit entsprechender Software, ler-           Zappelphilipp wird, um 9 Prozent – eine ganze                                                                 Befürworter wie Stefan Aufenanger den Computer
nen die Kinder auch vernetztes Denken. Sie ler-           Generation von hyperaktiven Kindern könnte             Laut Prof. Pfeiffer jedenfalls hat das, was sich auf   nicht zur Pflicht machen. Wichtig ist nach Meinung
nen, sich in verschiedene Perspektiven hinein zu          heranwachsen.                                          dem Monitor abspielt, eine hohe Anziehungskraft        der Experten jedoch, dass die Kinder nicht an den
versetzen, etwa in verschiedene Räume, die Spiele                                                                für Kinder. Und darin sieht er auch die größte         Computer gezwungen werden, sondern von sich
natürlich auch haben. Und das ist etwas, was die                                                                 Gefahr bei Computern im Kindergarten: „Die paar        aus das Interesse haben.
Entwicklung des Denkens auch vorantreiben                     Schlechtere Noten durch Computerspielen            Minuten, die Kinder dort den Computer benutzen,
kann.“                                                                                                           sind unproblematisch. Aber sie werden angefixt.
                                                          Wohin das führt, hat Prof. Pfeiffer in einer eigenen   Es entsteht ein Bedürfnis, das sie hinterher zuhau-        Ab wann und wie lange an den PC?
                                                          Studie gezeigt. Er untersuchte an seinem Institut,     se befriedigt haben wollen. Außerdem sehen die
     Computer im Kindergarten sind gefährlich             ob sich Computerspielen auf die Schulleistungen        Eltern, die in den Kindergarten kommen: Mein Max       Solange es freiwillig ist und sinnvoll begleitet wird,
                                                          von Grundschulkindern auswirkt. Das Ergebnis: Je       spielt da ja Computer, dann muss das pädago-           können nach Meinung von Stefan Aufenanger
Entschiedener Kritiker des frühen Medieneinsat-           mehr Computer und Fernsehen zu Hause genutzt           gisch wertvoll sein. Und schon kaufen sie einen für    schon 3-Jährige an den PC – allerdings nicht belie-
zes ist Prof. Dr. Christian Pfeiffer, Leiter des Krimi-   werden, umso schlechter sind die Schulleis-            das Kinderzimmer, aus Minuten werden Stunden –         big lange: eine halbe Stunde pro Tag ist das abso-
nologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen.           tungen. In Mathematik sind die Spielefreaks fast       dann wird es problematisch.“                           lute Maximum. Auch Kritiker Pfeiffer will nicht
Er drückt es drastisch aus: „Für die 3- bis 6-Jäh-        eine ganze Note (0,7) schlechter als Kinder, die                                                              zurück zur Steinzeit und findet, dass Kinder das
rigen im Kindergartenalter ist ein Computer im            nicht vor dem Computer sitzen.

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Links:
                                                      Wer viel am Computer spielt, hat schlechtere
                                                      Mathenoten

                                                      MItte:
                                                      Ein lustiger Affe führt die Kinder
                                                      durch den Test.

                                                      Rechts:
                                                      Fernsehkompetenztest: Welcher Ausschnitt
                                                      ist ein Spielfilm?

                                                                                                              Unterschätzt oder überfordert?
 Computer im Kindergarten                                                                                                          Unterschätzt oder ...
                                                                                                              Wie Kinder das Fernsehen verstehen

Internet nutzen und E-Mails schreiben sollen. Aber                                                   Kinder lernen alles Schritt für Schritt – das gilt für   haben, ein Spielfilm nicht. Im Test sehen die Kin-
aus seiner Sicht reicht es, wenn sie damit im Alter                                                  das Laufen, Sprechen und Schreiben genauso wie           der Szenen aus Hollywoodfilmen auf der einen
von 10 Jahren beginnen.                                                                              für den Umgang mit Medien wie dem Fernseher:             und aus Dokumentationen und privaten Videos
                                                                                                     Ein Baby wird immer versuchen, einen Gegenstand,         auf der anderen Seite. Per Mausklick sollen sie
                                                                                                     den es auf einem Bildschirm sieht, auch anzufas-         nun entscheiden, welche der gezeigten Ereignisse
     Lerncomputer sind Schrott                                                                       sen. Die Erkenntnis, dass das nur ein Bild ist, kommt    sich wirklich zugetragen haben. Ist es die Szene
                                                                                                     Kindern erst mit etwa 18 Monaten, in diesem Alter        aus Star Wars oder ein Stück aus einer Dokumen-
In einem Punkt sind sich Gegner und Befürworter                                                      ist die Grundlage für das Verstehen des Mediums          tation über ein Weltraumlabor? Schon Vierjährige
allerdings einig: Hände weg von so genannten                                                         hergestellt. Doch wie entwickelt sich diese Fähig-       liegen hier oft richtig. Spätestens mit sieben Jah-
Kinder- oder Lerncomputern. Diese sind meistens                                                      keit weiter? Das erforschen die Psychologen              ren wählen die meisten Kinder sicher den richti-
teuer, haben oft eine miserable Bild- und Tonqua-                                                    Gerhild Nieding und Peter Ohler von der Uni Würz-        gen Film. Trotzdem wissen meistens erst die Elf-
lität und bieten nur wenige Möglichkeiten.                                                           burg und der TU Chemnitz an ungefähr 200 Testkin-        jährigen, dass ein Polizist im Film von einem
Außerdem gehen sie meistens von einem falschen                                                       dern im Alter von vier bis sieben Jahren. Alle sechs     Schauspieler dargestellt wird und nicht auch im
didaktischen Ansatz aus: Den Kindern werden                                                          Monate setzen sich Psychologen mit den kleinen           wirklichen Leben Polizist ist. Weil die Medienkom-
konkrete Lerninhalte, zum Beispiel Matheauf-                                                         Probanden an einen Laptop und machen mit ihnen           petenz sich erst nach und nach entwickelt, ist die
gaben, vorgesetzt. Dabei ist es in diesem frühen                                                     einen Test. Eine Comicfigur leitet die Kinder durch      Würzburger Studie eine Längsschnittstudie, in
Alter viel wichtiger, Kreativität und Phantasie zu                                                   die spielerisch aufgebauten Fragen, die Forscher         der die Tests drei Jahre lang alle sechs Monate
fördern. Etwa, indem Kinder selbst gemachte                                                          stufen danach die Fähigkeiten der Kinder ein.            wiederholt werden. So dokumentieren die For-
Digitalfotos am Computer ansehen und bearbei-                                                                                                                 scher die Entwicklung.
ten. So lernen sie den Computer spielerisch als ein
Werkzeug für Vieles kennen – nicht als Pauk-                                                             Spielfilme erkennen
maschine.                                                                                                                                                         Vorsicht Werbung!
                                                                                                     Unter anderem geht es darum, ob die Kinder ver-
                                                                                                     schiedene Genres unterscheiden – und ob sie wis-         Erstaunlich gut schneiden die meisten Kinder
                                                                                                     sen, was dahinter steckt: Ein Dokumentarfilm bil-        dabei ab, Werbung vom übrigen Programm zu
                                                                                                     det Geschehnisse ab, die sich wirklich ereignet          unterscheiden. Im Test sollen sie unter drei Bil-

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Links:
                                                                                                                                                              Werbung oder Kinderfilm: Erkennen die Kinder
                                                                                                                                                              die Reklame?

                                                                                                                                                              MItte:
                                                                                                                                                              Rückblende erkannt? Ein Testkind spielt einen
                                                                                                                                                              Film nach

                                                                                                                                                              Rechts:
                                                                                                                                                              Die Psychologin Gerhild Nieding hält nichts von
                                                                                                                                                              pauschalen Fernsehverboten

                                       Unterschätzt oder                                                  überfordert?
dern, die sie auf dem Bildschirm sehen, dasjenige     Aufgabe meistern die meisten Kinder, wenn sie in    Kinder lernen durch das Fernsehen, durch Bücher
anklicken, das keine Werbung zeigt. Schon man-        die Grundschule kommen. Vor allem, wenn sie         und Computer, die Medien besser zu verstehen,
che Vierjährige schaffen das – was aber noch nicht    schon Erfahrungen mit dem Fernseher gesammelt       meint Gerhild Nieding. Und darüber hinaus?
heißt, so die Würzburger Entwicklungspsychologin      haben.                                              Neben der Medienkompetenz testeten die Exper-
Prof. Gerhild Nieding, „dass sie dann auch schon                                                          ten in ihrer Studie auch sprachliche und mathema-
verstehen, dass ihnen die Werbung etwas verkau-                                                           tische Fähigkeiten der Kinder: Diejenigen, die
fen will. Das kommt erst mit etwa acht Jahren. Und       Fernsehen nicht verbieten                        besonders fit im Umgang mit den Medien waren,
noch später erst begreifen Kinder schließlich, dass                                                       taten sich auch am leichtesten beim Lesen- und
das Produkt nicht immer hält, was die Werbung         Gerhild Nieding wendet sich daher gegen pau-        Rechnenlernen. Das weist darauf hin, dass Kinder,
verspricht.“                                          schale Fernsehverbote: „Wer Kindern das Fern-       die schon im Vorschulalter fernsehen, nicht
                                                      sehen verbietet, nimmt ihnen die Möglichkeit,       zwangsläufig schlechter in der Schule abschnei-
                                                      kompetent im Umgang mit den Medien zu werden.       den als andere. Die Psychologen aus Würzburg
     Können die Kinder Geschichten folgen?            Und nur wenn Kinder medienkompetent sind, kön-      und Chemnitz vermuten sogar das Gegenteil:
                                                      nen sie die positiven Wirkungen, die Medien ja      Medien scheinen Kindern dabei zu helfen, die Welt
Die Psychologen interessiert auch, ob Kinder die      auch nachweislich haben, nutzen. Dazu gehören       besser zu begreifen.
Art und Weise verstehen, wie ein Film eine Ge-        Bildungsprogramme und pädagogisch wertvolle
schichte erzählt. Kommen sie damit zurecht, wie er    Computerlernspiele oder auch Filme, die insbe-
geschnitten ist? Können sie beispielsweise der        sondere kleinen Kindern auch komplexe Sachver-
Handlung auch dann folgen, wenn der Film eine         halte erzählen können.“ Für Gerhild Nieding
Rückblende enthält? Die jungen Testkandidaten         bedeutet das allerdings nicht, dass Kleinkinder
schauen dafür einen kurzen Film und spielen ihn       stundenlang vor dem Fernseher sitzen sollten. Sie
dann mit Spielzeugfiguren nach. Erkennen sie die      sollten vielmehr mit unterschiedlichsten Medien
enthaltene Rückblende? Erzählen sie das Ge-           Erfahrungen sammeln dürfen, und dazu gehört
schehene also chronologisch nach? Auch diese          nach Meinung der Forscherin auch das Fernsehen:

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Der Fernseher ist heute nur noch ein                                                                      Happy Slapping – grundlos werden andere ver-
                                                       Bildschirmmedium von vielen                                                                               prügelt, nur um gute Videos zu produzieren

        Kleines Medienglossar
        Zahlen und Fakten zur Medienkindheit
                                                                                                                               Kleines Medienglossar
Die Kindheit hat sich in den letzten 35 Jahren      konsole. Egal, ob PlayStation, XBox, Wii oder wie        Fernsehkonsum: Was sehen Kinder heute?            Merchandising-Offensive. Seit 2002 ist der
verändert – vor allem beim Medienkonsum. Heute      sie alle heißen – zählt man alles zusammen, ver-                                                           äußerst beliebte SpongeBob Schwammkopf in
nutzen Kinder und Jugendliche neben dem Fern-       bringen Kinder heute deutlich mehr Zeit vor einem     Bis 1984 gab es nur öffentlich-rechtliche Program-   diesem Rennen ganz vorn. Alles Mögliche wird mit
seher ganz selbstverständlich Computer und          Bildschirm als noch vor 35 Jahren. Mehr zu den        me, die den Kindern altersgerechte Sendungen         der Figur bedruckt und verkauft: Bettwäsche,
Spielekonsolen, das Internet, Videohandys, DVD-     Zahlen finden Sie unter „Fernsehkonsum: Wie           präsentierten. Die Favoriten waren damals Biene      Tassen, Poster, Handyanhänger, ja es gibt sogar
Player, MP3-Player... Beinahe endlos ließe sich     lange sehen Kinder fern?                              Maya, Pippi Langstrumpf, Die Rappelkiste und Die     Kuscheltiere, die aussehen wie der kleine verwirr-
diese Reihe fortsetzen, ein scheinbar unüber-                                                             Sesamstraße. Mit Einführung der privaten Fern-       te Schwamm auf zwei Beinen.
schaubares technisches Angebot steht heute zur                                                            sehsender sahen die Kinder jedoch auch immer
Verfügung – mit früher kaum vorstellbaren               Counter Strike                                    mehr action-lastige Serien. Besonders hatten es
Möglichkeiten.                                                                                            ihnen dabei das A-Team und die Power Rangers            Fernsehkonsum: Wie lange sehen
                                                    Counter Strike gehört zu einer speziellen Form der    angetan. Inzwischen gibt es drei Kanäle, die fast       Kinder fern?
                                                    Ego-Shooter (s. Stichwort), den so genannten          rund um die Uhr Programm für Kinder senden.
     Bildschirm-Medien allgemein                    Taktik-Shootern. Diese werden immer im Team           Neben dem öffentlich-rechtlichen KI.KA sind dies     Sehen Kinder heute mehr fern als früher? Erstaun-
                                                    gespielt und es geht nicht ums reine Ballern.         Nick und SuperRTL. So gibt es den ganzen Tag ein     licherweise nicht – seit 1992 ist die Sehdauer pro
Glaubt man den Zahlen, und die sind zuverlässig     Vielmehr stehen verschiedene Mannschaftsstrate-       Programmangebot, dass speziell auf Kinder aus-       Tag bei den Kindern im Alter zwischen 3 und 13
erhoben, sehen Kinder nicht mehr fern als früher.   gien im Mittelpunkt, die ein bestimmtes Ziel ver-     gerichtet ist. Trotzdem schauen auch schon die       stabil. Im letzten Jahr lag sie bei genau 90
Aber es ist etwas dazu gekommen: In den 1970ern     folgen. Ein Team muss versuchen, an einer be-         Jüngeren gerne Sendungen, die eigentlich nicht für   Minuten. Verglichen mit 1979 ist die Sehdauer
war der Fernseher beinahe das einzige Bildschirm-   stimmten Stelle eine Bombe zu legen und zu zün-       sie gedacht sind, ausgesprochen beliebt sind hier    sogar rückläufig. Damals ließen sich die Kinder
Medium, das den Kindern zur Verfügung stand.        den, die andere Gruppe muss genau dies verhin-        Seifenopern wie Verbotene Liebe und Gute Zeiten      103 Minuten täglich von der Röhre unterhalten.
Computer gab es keine – inzwischen steht in 89      dern. Das Spiel erfreut sich großer Beliebtheit und   – Schlechte Zeiten.                                  Aber eine ganz wesentlich Veränderung hat es
Prozent aller deutschen Haushalte mindestens ein    es gibt sogar Profis, die berufsmäßig spielen und                                                          gegeben: Während bereits 1974 in fast jedem
solches Gerät. Und an diesen wird nicht nur ge-     mit Counter Strike ihren Lebensunterhalt verdie-      Seit 1997 gibt es noch etwas bis dahin völlig        deutschen Haushalt ein Fernseher stand, so
spielt, sondern auch fleißig im Internet gesurft.   nen. In vielen Ländern der Welt, auch in Deutsch-     Unbekanntes: Mit den Pokemons startete erst-         haben heute mehr als doppelt so viele Kinder
Neben dem regelmäßigen Sitzen vor dem Fern-         land, gibt es Turniere und eigene Ligen, in denen     mals eine Serie, die von Anfang an nicht nur als     einen Fernseher im eigenen Zimmer. 44 Prozent
seher und dem Surfen und Spielen am PC, sitzen      Counter Strike als eine Art Leistungssport betrie-    TV-Sendung konzipiert war. Vielmehr war die          der 3- bis 13-Jährigen können so jederzeit das
viele auch noch regelmäßig an einer Spiele-         ben wird.                                             Zeichentrickserie nur Teil einer groß angelegten     eigene Programm bestimmen. Betrachtet man nur

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Mobile Bullying – Fotos oder Filmchen von                                                                     Snuffing – Videos mit extremer Gewalt gelten
                                                        peinlichen Situationen werden rasend schnell                                                                  für viele als Mutprobe
                                                        verbreitet

                                                                                                                                  Kleines Medienglossar
die 12- und 13-Jährigen, dann trifft dies schon      optisch sehr real. Unterstützt wird das Ganze noch         Mobile Bullying                                        Pornografie: Harter Sex per Handy
auf über 65 Prozent, also auf zwei Drittel der       durch meist sehr aufwendige Tongestaltung: Die
Teenies zu. Übrigens schauen deutsche Kinder         Geschosse pfeifen dem Spieler täuschend echt um        to bully (englisch) heißt so viel wie jemanden          Eine relativ neue Entwicklung ist die Verbreitung
viel weniger fern als der Nachwuchs in den meis-     die Ohren, der Schlag mit dem Gewehrkolben             tyrannisieren. Eigentlich könnte man verharmlo-         von Pornografie auf den Handys der Jugendlichen.
ten anderen europäischen Ländern.                    erzeugt das Geräusch von knackenden Knochen.           send von einem normalen Schulstreich sprechen.          Im Internet finden sie leicht jede Menge an porno-
                                                     So erreichen viele Ego-Shooter heute eine früher       Aber es handelt sich um eine völlig neue Form des       grafischem Material. Man schätzt, dass ab der 9.
                                                     undenkbare Authentizität.                              Mobbings. Denn das Bullying geht noch viel wei-         Klasse alle (!) Schüler derartige Angebote kennen.
     Ego-Shooter                                                                                            ter: Mitschüler oder selbst Lehrer werden drangsa-      Viele laden diese Videos dann auf ihre Handys und
                                                                                                            liert und in diesen unangenehmen Situationen            versuchen, ihr Umfeld damit zu beeindrucken.
Ego-Shooter sind Computerspiele, in denen der            Happy Slapping                                     fotografiert oder gefilmt. Die Fotos und Videos         Häufig handelt es sich dabei um härteste Porno-
Spieler die Hauptfigur aus der eigenen Perspek-                                                             werden dann von Handy zu Handy geschickt oder           grafie, etwa um Gruppensex (sogenannte Gang-
tive steuert. Von der Hauptfigur sind dann nur die   To slap (englisch) bedeutet jemanden schlagen.         sogar ins Internet gestellt. Das stellt die Opfer oft   bangs) oder um Sodomie (Sex mit Tieren). Jugend-
Hände und die verwendeten Waffen zu sehen. So        Und Happy Slapping bedeutet, jemanden zu schla-        vor vielen Menschen und häufig für lange Zeit           liche kommen so oft noch vor eigenen sexuellen
entsteht der Eindruck eines subjektiven Blicks in    gen, um dies mit einem Handy zu filmen. Häufig         bloß. Im Internet kursierte eine Zeit lang ein Video,   Erfahrungen mit extremen Bildern in Kontakt.
die Szenarien des Spiels, der Spieler durchstreift   werden dazu kleinere Rangeleien inszeniert. Das        auf dem zu sehen war, wie ein Schüler in England        Experten warnen vor den Folgen für junge Men-
mehr oder weniger frei begehbare virtuelle           kann harmlos sein, dann prügeln sich halt ein paar     seinem Lehrer vor der Klasse die Hose herunter-         schen. Unter Umständen sei ihnen durch den Kon-
Welten. Doch wie der Name vermuten lässt, sind       Jugendliche nur scheinbar ernsthaft, und es ist ein    zog. In Schweden läuft seit Herbst 2007 ein             sum von Pornografie die Entwicklung einer eige-
die Ego-Shooter nur erfolgreich abzuschließen,       Spaß – daher auch der Begriff Happy Slapping. So       Prozess, bei dem einem Opfer von Mobile Bullying        nen, gesunden Sexualität verwehrt.
wenn sich der Akteur mit Hilfe von diversen Waffen   weit wäre das ja noch in Ordnung. Aber tatsächlich     zum ersten Mal überhaupt Schadenersatz zuge-
seinen Weg bahnt. Die meisten Vertreter dieses       provozieren manche Jugendliche auch völlig             sprochen werden könnte: Ein 14-Jähriger Schüler
Genres spielen sich vor dem Hintergrund des          Fremde und schlagen sie ohne Vorankündigung            wurde zwei Jahre lang Opfer seiner Klassenkame-            Snuffing
Zweiten Weltkrieges oder von Fantasy-Kriegen ab.     zusammen – nur, um diese Aktion zu filmen. Die         raden, die ihre Schikanen mit Handys aufzeichne-
Viele dieser Spiele zeigen zum Teil sehr gewalt-     Videos stellen die Täter dann ins Internet oder zei-   ten und sie ins Internet stellten.                      To snuff out (englisch) steht für jemanden zerstö-
haltige Bilder. Die Darstellungen werden immer       gen sie auf ihrem Handy herum und versuchen,                                                                   ren, töten, umbringen. Hier verschaffen sich
detaillierter und oft auch blutiger. So erscheint    damit andere zu beeindrucken. Natürlich will jeder                                                             Jugendliche den absoluten Nervenkitzel – auf
das Töten eines Computergegners in vielen Fällen     die besseren und krasseren Videos zeigen.                                                                      einer grauenvoll realen Grundlage. Denn beim

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Ist mein Kind computersüchtig?
 Kleines Medienglossar                                       Ein Fragenkatalog für Eltern
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Snuffing geht es um (meist kurze) Videoschnipsel,    Sie retten die Menschheit, erobern Fantasywelten          Doch wann wird aus einem harmlosen Spiel
die man leicht im Internet herunterladen kann. Sie   oder bombardieren Terroristencamps – Kinder und           ernste Computersucht?
zeigen Unvorstellbares: echte Folter, echte Ver-     Jugendliche können am Computer zu Helden wer-
stümmelungen, ja sogar Realbilder von Hinrich-       den. Moderne Computerspiele fesseln mit einer         Eine Diagnose können Eltern selbst nicht stellen.
tungen – völlig unzensiert und ohne jede Rück-       Flut von Bild- und Ton-Effekten die Aufmerksam-       Die Quarks-Checkliste zum Computerspielver-
sicht. Wer lange hinschauen kann, gilt in manchen    keit und machen es leicht, der Wirklichkeit zu ent-   halten gibt hier Hilfestellung: Der Test zeigt
Cliquen als cool.                                    fliehen. Die fantastische Umgebung, die sie erzeu-    Ihnen, ob das Verhalten Ihres Kindes besorgnis-
                                                     gen, kommt vielen Spielern aufregender vor als        erregend ist und ob Sie besser mit einem Psycho-
                                                     der Alltag mit seinem Trott in der Familie oder       logen sprechen sollten.
     Videoportale                                    Konflikten in der Schule. Manche Kinder und
                                                     Jugendliche finden in der virtuellen Welt Anerken-    Besonders interessant für Kinder und Jugendliche,
Bei Videoportalen wie YouTube oder MyVideo han-      nung und Erfolgserlebnisse, die sie in ihrem ech-     die der Realität entfliehen wollen, sind so genann-
delt es sich um Internetseiten, auf denen jeder      ten Leben vermissen.                                  te Online-Rollenspiele wie World of Warcraft oder
eigene Videos zeigen kann. Auch wenn die Betrei-                                                           Final Fantasy. Die Spieler treffen sich – über das
ber ihre Seiten ständig kontrollieren, um Gewalt-    Das macht die Faszination vieler Spiele aus, hierin   Internet miteinander vernetzt – in virtuellen
und Pornovideos dort zu verhindern, können sie       steckt aber auch ihre größte Gefahr: Wenn ein         Welten und lösen Aufgaben: In World of Warcraft
solche Angebote nicht immer ausschließen. Aber       Kind lernt, dass es beim Spielen schnell und ohne     erkunden sie zum Beispiel fremde Phantasie-
auch unabhängig von den Videoportalen lassen         Probleme seine Gefühle ausleben kann, wenn es         landschaften, in denen sie Monster zur Strecke
sich extreme Internetseiten schnell finden.          dabei seine Ängste und Frustrationen verdrängen       bringen. Dabei schließen sie sich zu Gruppen
Pornografische erst recht, zumal deren Betreiber     kann und seinen Stress abbaut, dann könnte es         zusammen, um gegnerische Städte anzugreifen
recht umtriebig Werbung für ihre Seiten machen.      abhängig vom Computerspielen werden. Im Jahr          und zu erobern. Das Kooperieren mit anderen
Aber auch Folter- und Hinrichtungsvideos lassen      2004 zeigten Befragungen der Berliner Charité,        Spielern gehört dazu – doch die anderen sitzen
sich verhältnismäßig einfach finden und auf die      dass dieses Problem recht weit verbreitet ist. Fast   manchmal sogar weit entfernt auf anderen Konti-
eigene Festplatte laden.                             jedes zehnte der untersuchten Kinder erfüllte die     nenten. So entstehen Bindungen an Menschen,
                                                     Kriterien, nach denen die Suchtforscher exzessi-      die völlig unbekannt bleiben. Solche Schein-
                                                     ves Verhalten diagnostizierten, war also regelrecht   beziehungen können im schlimmsten Fall an die
                                                     süchtig – eine alarmierende Zahl.                     Stelle echter Freundschaften treten.

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Ist mein Kind                                                         computersüchtig?
Jugendliche fühlen sich in diesen Rollenspielen    Gehen Sie die acht Fragen genau durch und antworten Sie mit Ja        Möchte Ihr Kind den Computer und die Spielkonsole immer häufi-       Anzahl der Ja-Antworten
mitunter stärker geachtet als im wahren Leben.     oder Nein. Am Ende geben wir Ihnen eine Einschätzung zum              ger und intensiver nutzen, etwa um Stress oder Aggressionen
Dazu kommt, dass die spannende Handlung in der     Verhalten Ihres Kindes.                                               abzubauen?
Computerwelt immer weiter läuft – die Folge:
Manche Spieler stellen sich nachts den Wecker,     Bitte beachten Sie: Dieser Test ersetzt keinesfalls die Diagnose                                                 Ja             Nein

um den Anschluss ans Spiel nicht zu verpassen.     eines Psychologen. Er ist als Hilfestellung für Eltern gedacht, die                                                                        0 Ja
                                                   wissen möchten, ob sie Rat bei einem Psychologen einholen             Wenn Ihr Kind die Medien nicht nutzen kann, fühlt es sich dann
So verändert sich nach und nach das Leben eines    sollten.                                                              psychisch und/oder körperlich unwohl?                                Es scheint alles in Ordnung zu sein. Ihr Kind scheint sein
computersüchtigen Kindes. Statt sich mit Freun-                                                                                                                                               Verhalten im Griff zu haben, es vernachlässigt seine Freunde und
den zu treffen, kreist das Denken immer stärker                                                                                                                     Ja             Nein       die Schule nicht, kapselt sich nicht ab. Und: Es scheint seine
um das Spiel, betroffene Kinder ziehen sich        Checkliste:                                                                                                                                Gefühle nicht über das Computerspiel auszuleben.
zurück und vernachlässigen die Schule. Und das                                                                           Vernachlässigt Ihr Kind wichtige schulische und soziale Pflichten?
Kind schafft es immer weniger, seine Probleme      Besteht bei Ihrem Kind ein unwiderstehliches Verlangen, am            (Freundeskreis)?                                                     1 – 4 Ja
außerhalb der Welt des Spiels in den Griff zu      Computer spielen zu müssen?
bekommen.                                                                                                                                                           Ja             Nein       Beobachten Sie den Computerkonsum Ihres Kindes weiter. Wenn
                                                                                               Ja             Nein                                                                            Sie das Gefühl haben, dass es zu viel Zeit vor dem Rechner ver-
Experten raten Eltern daher, das Verhalten ihres                                                                         Spielt Ihr Kind trotz negativer Auswirkungen oft noch verstärkt      bringt, dann versuchen Sie, ihm Alternativen wie Sport und
Kindes genau zu beobachten. Kapselt es sich ab?    Verliert es die Kontrolle über Beginn, Beendigung und Ausmaß          weiter?                                                              gemeinsame Unternehmungen aufzuzeigen. Verbote alleine hel-
Reagiert es seine Emotionen immer mehr in der      des Medienkonsums? Spielt es zum Beispiel länger und häufiger,                                                                             fen nur selten.
virtuellen Welt ab? Worauf Sie achten müssen, um   als es selbst vorher beabsichtigt hat?                                                                           Ja             Nein

die Anzeichen einer Computersucht zu erkennen,                                                                                                                                                5 – 8 Ja
sagt Ihnen unser Test.                                                                         Ja             Nein       Haben Sie das Gefühl, Computer bzw. Spielkonsole dominieren
                                                                                                                         Gefühle, Gedanken und Verhalten Ihres Kindes?                        Wir empfehlen ein beratendes Gespräch mit einem Psychologen.
Entwickelt wurde der Fragenkatalog von der Medi-   Gab es Versuche, den Spiel- und Computerkonsum einzuschrän-                                                                                Die Diagnose, ob ein Kind oder ein Jugendlicher wirklich abhängig
zinpsychologin Prof. Sabine Grüsser-Sinopoli,      ken oder aufzugeben, die wiederholt scheiterten?                                                                 Ja             Nein       ist, sollte ein Fachmann stellen. Der kann Sie auch über mögliche
Suchtforschungsgruppe der Universität Mainz, der                                                                                                                                              Therapien beraten.
wir für ihre Unterstützung danken.                                                             Ja             Nein

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