Indigene Völker und Klimawandel - Stärkung indigener Organisationen in Lateinamerika

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Indigene Völker und Klimawandel - Stärkung indigener Organisationen in Lateinamerika
Abteilung Andenländer und Paraguay
Koordinationsstelle indigene Völker
in Lateinamerika und Karibik (KIVLAK)

Stärkung indigener Organisationen in Lateinamerika:
Indigene Völker und Klimawandel
Zusammenhang zwischen Klimawandel und indigenen Völkern und ihre
Positionen im Kontext der Verhandlungen zur Klimarahmenkonvention

Dr. Heidi Feldt
2011
aktualisierte Auflage
Indigene Völker und Klimawandel - Stärkung indigener Organisationen in Lateinamerika
Herausgeber:
Deutsche Gesellschaft
für Internationale Zusammenarbeit
65726 Eschborn                                                              Autor:
http://www.giz.de                                                           Dr. Heidi Feldt

Verantwortlich:                                                             Redaktion:
Silke Spohn, OE 2120                                                        Silke Spohn, Anna Steinschen, Reinhard Wolf,
Koordinationsstelle Indigene Völker in Lateinamerika und                    Helena Ströher, Eva Axthelm
der Karibik (KIVLAK)
                                                                            Fotos:
Programm: Stärkung indigener Organisationen in                              Carola Kasburg, Silke Spohn,
Lateinamerika, PROINDIGENA”                                                 Peter Asmussen, Kristin Weidner

kivlak@giz.de                                                               Druck:
                                                                            NN
Telefon:    +49 6196 79 6215
Telefax:    +49 6196 79 7257                                                2011, aktualisierte Auflage

Der Inhalt dieser Publikation wird von der Autorin verantwortet und gibt nicht unbedingt die Meinung der deutschen Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit, GIZ GmbH wieder.
Indigene Völker und Klimawandel
Zusammenhang zwischen Klimawandel und indigenen Völkern und ihre Positionen im Kontext
der Verhandlungen zur Klimarahmenkonvention
Dr. Heidi Feldt,
2011, aktualisierte Auflage

Zusammenfassung
Indigene Völker erscheinen in der Klimadebatte als Be-                                   Indigene Organisationen weltweit fordern daher ihre
völkerungsgruppen, die besonders von den Auswirkungen                                    direkte Beteiligung an den Klimaverhandlungen. Sie wol-
des Klimawandels betroffen sind, als Träger traditionellen                               len vor allem an der Konzeptentwicklung und den Ent-
Wissens, die mit schwierigen ökologischen Bedingungen                                    scheidungen zu REDD mitwirken. Sie befürchten, dass
umzugehen wissen, als Hüter der Wälder, die als CO2                                      Zahlungen für Umweltdienstleistungen, die zum Wald-
Senken fungieren, und seit kurzem auch als politische                                    erhalt und damit zu einer Reduzierung von CO2 Emis-
Akteure in den Verhandlungen über einen neuen Klima-                                     sionen beitragen sollen, neue Begehrlichkeiten bei den
vertrag.                                                                                 Regierungen und bei privaten Landbesitzern in den ein-
                                                                                         zelnen Ländern wecken und ihr Recht auf Land und
In dem vierten Bericht des Zwischenstaatlichen Aus-                                      Territorium untergraben werden könnte.
schusses für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel
on Climate Change, IPCC) und in Untersuchungen von                                       Die internationale Staatengemeinschaft beginnt, die
Umweltorganisationen wie der International Union for                                     Bedeutung indigener Völker für den Klimaschutz anzuer-
Conservation of Nature (IUCN) wurde nachgewiesen, dass                                   kennen. In dem Abschlussdokument der 16. Vertrags-
die Bevölkerung in der Arktis, in den tropischen Wäldern                                 staatenkonferenz der Klimarahmenkonvention in Cancún
sowie in den Hochgebirgs- und Küstenregionen besonders                                   2010 verweisen die Staaten explizit auf das Wissen und
unter dem Klimawandel leidet bzw. leiden wird. Da indi-                                  die Rechte indigener Völker. Die einzelnen Länder sind
gene Völker überwiegend in diesen fragilen Ökosystemen                                   angehalten, in der Entwicklung nationaler Strategien und
leben, gehören sie zu den Bevölkerungsgruppen, die die                                   Aktionspläne die Beteiligung indigener Völker sicherzu-
Auswirkungen des Klimawandels bereits unmittelbar spü-                                   stellen. Eine wirkliche Verankerung dieser Rechte ist
ren. Andererseits haben sie aufgrund ihrer großen                                        jedoch bisher im Kontext der Klimaverhandlungen noch
Abhängigkeit von den natürlichen Gegebenheiten Fähig-                                    nicht erfolgt.
keiten der Anpassung an schwierige Umweltbedingungen
erlangt, die es gilt für Mitigations1 - und Anpassungsstrate-
gien aufzuarbeiten.                                                                      1. Auswirkungen des Klimawandels auf
                                                                                         indigene Völker
Zwischen 16% und 20% der weltweiten CO2 Emissionen
werden durch die Zerstörung von Wald und Waldde-                                         “Emerging evidence suggests that the livelihoods and cultural
gradierung hervorgerufen. Im Sinne eines umfassenden                                     identities of indigenous peoples of North America, Europe,
Klimaschutzes haben daher die Staaten auf der 13. Ver-                                   Latin America, Africa, Asia and the Pacific are already
tragsstaatenkonferenz (COP 13) in Bali 2007 beschlossen,                                 being threatened by the impact of climate change.” (Ms.
Walderhalt und Waldmanagement in die Verhandlungen                                       Kyungwha Kang, Stellvertreterin des Hochkommissars für
eines Kyoto-Nachfolgeabkommens zu integrieren. Unter                                     Menschenrechte der Vereinten Nationen in ihrer Rede an
dem Stichwort „Reduzierung der Emissionen aus der                                        die 13. Vertragsstaatenkonferenz in Bali, Dezember 2007)
Entwaldung und Schädigung der Wälder (Reducing
Emissions from Deforestation and Degradation, REDD)“                                     Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen
sollten konkrete Politik- und Finanzierungsmaßnahmen                                     (IPCC, 2007) hebt in seinem vierten Bericht hervor, dass
zum Erhalt der Wälder entwickelt werden. Da viele indi-                                  vor allem die Bevölkerung, deren Lebensunterhalt unmit-
genen Völker im und vom Wald leben und sie über viel                                     telbar von der Nutzung der natürlichen Ressourcen
Erfahrung im Erhalt ihrer Umwelt verfügen, sind sie wich-                                abhängt, am stärksten vom Klimawandel bedroht sein
tige Akteure in diesem Thema. Die Umsetzung von                                          wird. Das trifft in besonderem Maße auf die indigenen
REDD betrifft unmittelbar ihre Lebensräume.                                              Völker zu, die in sensiblen Ökosystemen wie den Anden,

1
    "Mitigation" ist ein Teilaspekt des Klimaschutzes, der sich auf die Entwicklung neuer Technologien, Verfahren und Strategien konzentriert, mit denen eine deutliche
    Emissionsminderung klimarelevanter Gase erreicht werden kann. Dabei sind neben Kohlendioxid auch alle anderen klimarelevanten Gase gemäß der Klassifizierung im Kyoto-
    Protokoll gemeint.

                                                                                                                                                                             |1
den tropischen Wäldern, den Savannen oder in zirkumpo-                                      Sinne, dass Phänomene wie die Erderwärmung durchaus
     laren Regionen leben. Da der Lebensunterhalt indigener                                      von den Schamanen aufgegriffen werden können und es
     Völker in Lateinamerika mehrheitlich auf der Subsistenz-                                    zu einer indigenen Aneignung des wissenschaftlichen
     wirtschaft, dem Gemüse- und Getreideanbau, der Jagd                                         Diskurses über Klimawandel kommen kann.
     und dem Fischfang basiert, sind sie sehr stark von den
     natürlichen Gegebenheiten abhängig. Gleichzeitig ist ihr                                    Internationale Klimaverhandlungen
     Zugang zu Informationen, Infrastruktur und Technologie                                      Bereits seit der Konferenz über Umwelt und Entwicklung in
     nach wie vor geringer als bei anderen Bevölkerungsgrup-                                     Rio de Janeiro 1992 versucht die internationale Staaten-
     pen. So werden die indigenen Völker Lateinamerikas zu                                       gemeinschaft eine gemeinsame Antwort auf die drohenden
     den Bevölkerungsgruppen gehören, die besonders stark                                        Klimaveränderungen zu geben. Dafür hat sie eine Klima-
     von den bereits stattfindenden oder zu erwartenden Kli-                                     rahmenkonvention verabschiedet, die in dem Kyoto -
     maveränderungen betroffen sind bzw. sein werden2. Die                                       Protokoll mit konkreten Reduktionszahlen für die Industrie-
     Veränderungen der Regenzeiten und – mengen im Ama-                                          länder konkretisiert wurde. Das 2005 in Kraft getretene
     zonasgebiet, das Abschmelzen der Andengletscher und die                                     Protokoll wurde jedoch nicht von allen Mitgliedsstaaten der
     daraus resultierende Wasserknappheit, die Zunahme der                                       Klimarahmenkonvention unterzeichnet und läuft in 2012
     Hurrikane in Mittelamerika – all dies sind Anzeichen für                                    aus. Bis dahin verlaufen die internationalen Verhandlungen
     Klimaveränderungen, die sich unmittelbar auf die                                            auf zwei Ebenen: alle Vertragsstaaten der Klimarahmenkon-
     Nahrungssicherheit und Lebensumstände indigener Völ-                                        vention versuchen ein umfassendes neues Klimaschutzab-
     ker niederschlagen. Die Klimaveränderungen werden                                           kommen zu erarbeiten, zusätzlich diskutieren die Unter-
     daher zwangsläufig auch zu einer Veränderung der Lebens-                                    zeichnerstaaten des Kyotoprotokolls über dessen Verlänge-
     und Ernährungsgewohnheiten indigener Völker führen.                                         rung. Bereits 2009 sollte auf der 15. Vertragsstaatenkon-
                                                                                                 ferenz (COP 15) in Kopenhagen das neue Abkommen ver-
     Darüber hinaus gehen Ethnologen (Orlove, Chiang,                                            abschiedet werden. Es kam nicht dazu, da die Divergenzen
     Cane, 2002, Rossbach, 2010), die sich mit den Folgen des                                    zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern
     Klimawandels auf indigene Völker befassen, davon aus,                                       zu groß waren. Auf der darauffolgenden COP 16 im
     dass Indigene nicht nur in ihrem Lebensunterhalt durch                                      Dezember 2010 in Cancún erfolgte zwar nicht der große
     den Klimawandel betroffen sind, sondern es auch zu kul-                                     Durchbruch für ein neues Abkommen, aber in Teilbereichen
     turellen Veränderungen kommen kann. Dies ist in ihrer                                       konnte eine Einigung erzielt werden. So beschlossen die Ver-
     engen Beziehung zu der sie umgebenden Natur begründet.                                      handlungspartner im Cancún-Agreement u.a. Vorgaben
     Für viele Völker ist existentiell, dass das Verhältnis von                                  zum Schutz der Wälder3 und zur Anpassung an Klimaaus-
     Natur, Geistern und Menschen sich in einem ausbalancier-                                    wirkungen der besonders betroffenen Staaten4.
     ten Gleichgewicht befindet. Um dieses Gleichgewicht her-                                    Parallel zu den internationalen Verhandlungen über ein
     zustellen und somit die Naturkräfte und Geister günstig                                     Abkommen sollen auf regionaler und nationalstaatlicher
     zu stimmen, führen Schamanen, Wind- oder Regen-                                             Ebene nationale Anpassungs- und Minderungsstrategien
     macher rituelle Handlungen durch. So beschreibt                                             erarbeitet und konkrete Fortschritte bei Klimaschutzmaß-
     Rossbach (2010), dass die Schamanen der Nasa in                                             nahmen wie dem Erhalt der (Regen-) Wälder als CO2
     Kolumbien nach einem Erdbeben und der darauffolgen-                                         Senken erzielt werden.
     den Schlammlawine im Jahr 1994 das alte Ritual saakhelu
     wiederbelebt haben. Mit dieser Handlung sollte ihr
     Territorium geheilt werden – etwas, das in unserer westli-                                  2. Indigenes Wissen und Anpassung an den
     chen Vorstellung nur bei lebenden Wesen möglich ist,                                        Klimawandel
     während in der Kosmovision vieler indigener Völker die
     Aufteilung in belebte und unbelebte Natur nicht existiert                                   “Incorporating indigenous knowledge into climate change
     und so auch die unbelebte Natur geheilt werden kann.                                        policies can lead to the development of effective adaptation
     Kronik und Verner (2010) befürchten, dass die Auswir-                                       strategies that are cost-effective, participatory and sustaina-
     kungen des Klimawandels zu einer Erosion der traditionel-                                   ble”. (aus 4. Sachstandsbericht des IPCC, S. 865)5
     len Strukturen indigener Völker führen kann, da sie Stö-
     rungen des Gleichgewichts in erster Linie auf ein eigenes                                   Die meisten indigenen Wirtschaftsweisen sind nachhaltige,
     Fehlverhalten zurückführen, dass durch Rituale und ande-                                    low carbon Ökonomien wie z.B. die traditionellen Vieh-
     re Handlungen wieder ausgeglichen werden muss. Wenn                                         zuchtsysteme, die Bewirtschaftung tropischer Regenwälder
     dies nicht funktioniert – wie es im Falle der Klimaverän-                                   oder ihr praktizierter Rotationsackerbau belegen. Ihnen ist
     derungen zu erwarten ist – könnte die Folge ein                                             es gelungen fragile Ökosysteme wie Mangrovenwälder,
     Autoritätsverlust der traditionellen Strukturen sein.                                       Feuchtgebiete, die Arktis oder die Tropenwälder zu erhalten
     Rossbach interpretiert das Verhalten der Nasa in dem                                        und zu bewirtschaften.
     3
         Die Verwundbarkeit oder Anfälligkeit (vulnerability) einzelner Bevölkerungsgruppen setzt sich zusammen aus dem Ausgesetztsein (exposure), der Empfindlichkeit (sensitivity)
         und der Anpassungsfähigkeit (resilience) gegenüber Veränderungen der Umwelt. Dabei hängt die Fähigkeit einer sozialen Gruppe, sich an verändernde Umweltbedingungen
         zupassen, wiederum von ihrer physischen Umwelt und ihrem Recht, das Land und seine Ressourcen zu nutzen, dem Zugang zu Information, Technologie, Wissen, Macht,
         Entscheidungen, Bildung, Gesundheitsfürsorge und Nahrungsmitteln ab.
     3
         "Cancún Agreement: „Policy approaches and positive incentives on issues relating to reducing emissions from deforestation and forest degradation in developing countries; and
         the role of conservation, sustainable management of forests and enhancement of forest carbon stocks in developing countries”
         http://www.bmu.bund.de/english/climate/downloads/doc/46833.php
2|   4
         "Cancún Adaptation Framework
     5
         "IPCC AR4 WGII Report
Durch die genaue Beobachtung der Natur haben viele indi-                             Indigenes Wissen kann zwar oft durch wissenschaftliche
gene Völker ein Wissen aufgebaut, dass ihnen erlaubt, sich                           Untersuchungen gestützt werden, es ist aber meist in kultu-
auf gewisse Naturphänomene einzustellen. Orlove (2002)                               relle Vorstellungen und Rituale eingebunden, die schwerlich
beschreibt zum Beispiel, dass die Indigenen der peruani-                             mit unseren westlichen Vorstellungen vereinbar sind. Wie
schen und bolivianischen Anden jedes Jahr Ende Juni in der                           eine interkulturelle Auseinandersetzung über Auswirkungen
längsten Nacht des Jahres um Mitternacht zusammen kom-                               des Klimawandels und der Reaktionen darauf aussehen kann
men und die Plejaden, einen Sternenhaufen im Sternbild des                           - die Beantwortung dieser Frage steckt erst in den Anfängen.
Stiers, beobachten. Die Bauern glauben, dass sie dadurch                             Ein erster Schritt dafür ist die Anerkennung der Bedeutung
Zeit und Menge des Regens während der Regenzeit vorher-                              indigenen Wissens für mögliche Adaptionsstrategien, wie
sagen können. Sie stellen darauf den Zeitpunkt ihrer Kartof-                         jetzt in den Beschlüssen der 16. Vertragsstaatenkonferenz in
felaussaat ab. Wenn die Plejaden hell, groß und zahlreich zu                         Cancún geschehen, und die Dokumentation dieses Wissens.
sehen sind, dann pflanzen sie zu ihrer gewohnten Zeit, da
der Regen wie gewohnt eintreten wird. Sind die Plejaden je-                          Bereits das Arbeitsprogramm zu den Auswirkungen und
doch klein und nur verschwommen zu sehen, dann gehen sie                             Anpassungen an den Klimawandel (Nairobi work program-
davon aus, dass der Regen geringer ausfällt und erst später                          me on impacts, vulnerability and adaptation to climate change,
einsetzt. Um ihr Anbaurisiko zu verkleinern, ist diese Infor-                        Nairobi 2006, COP 12) stellte die Bedeutung indigenen
mation überlebenswichtig, da durch zu frühes Aussähen die                            und traditionellen Wissens heraus und empfahl das
Ernte zerstört werden kann. Meteorologische Untersu-                                 Sammeln, Analysieren und Vermitteln von alten und aktuel-
chungen haben versucht, die Beobachtungen wissenschaft-                              len Anpassungspraktiken. Die Internet-Seite zur VN-
lich zu untermauern. So wurde festgestellt, dass die Vorher-                         Klimarahmenkonvention (UNFCCC) listet bereits eine
sagewahrscheinlichkeit bei 65% liegt und damit höher ist als                         Reihe von Beispielen auf, die Anpassungsmethoden indige-
bei meteorologischen Langzeitvorhersagen. Die genaue                                 ner Völker beschreiben6. Es gibt darüber hinaus eine Reihe
Ursache für die unterschiedliche Sichtbarkeit konnte man                             weiterer Projekte, die indigenes Wissen dokumentieren und
jedoch noch nicht bestimmen, höchstwahrscheinlich ist das                            lokale Anpassungsstrategien, die auf traditionellem Wissen
Klimaphänomen El Niño dafür verantwortlich.                                          aufbauen, fördern und verbreitern. So hat die Universität der
Erwähnt wird diese Praxis bereits in Aufzeichnungen der                              Vereinten Nationen (Galloway, 2009) in Darwin spezifische
Spanier um 1600 und sie scheint weit-verbreitet gewesen zu                           indigene Anpassungsstrategien weltweit gesammelt und
sein. Ähnliche Wettervorhersagen sind auch von anderen                               dokumentiert. Aber auch die indigenen Organisationen
Völkern und aus anderen Kontinenten bekannt. So wissen                               haben begonnen unter dem Dach des Ständigen Forums zu
die Indigenen im indischen Gujarat, das eine Ak-kumulation                           indigenen Angelegenheiten in der VN (Permanent Forum
von Wolken in südöstlicher Richtung begleitet von südli-                             on Indigenous Issues) Fallbeispiele aufzuarbeiten7. Die
chen Winden in zwei bis drei Tagen Regen bringen wird.                               Indigenous Peoples' Biocultural Climate Change Assessment
Gujarat ist trocken. Die Landwirtschaft der Region ist im-                           Initiative 8 (IPCCA) und die Universität der Vereinten
mer wieder von Dürren bedroht. Von daher ist die Vorher-                             Nationen / Traditional Knowledge Initiative 9 untersuchen
sage der Monsunzeit von größter Bedeutung.                                           und fördern indigene Anpassungsstrategien, um die biologi-
Die oben genannten Beispiele verdeutlichen, dass indigene                            sche und kulturelle Vielfalt zu stärken und die Ernährungs-
Völker sich nicht fatalistisch den Gegebenheiten unterwer-                           sicherheit zu gewährleisten. In Panama, Peru, USA, Ecuador,
fen, sondern durch genaue Naturbeobachtungen in der Lage                             Thailand, Kenia, Indien und der eurasischen Polarregion
sind, mit schwierigen Umweltbedingungen umzugehen. Sie                               werden entsprechende Studien durchgeführt.
haben gelernt, sich verändernden Umweltbedingungen anzu-
passen und Techniken zu entwickeln, die auf den Erhalt der                           Außerdem haben die FAO, die Weltbank aber auch Nicht-
Ressourcen und damit ihrer Lebensgrundlagen angelegt sind.                           regierungsorganisationen wie Oxfam International das
Dass indigene Völker dabei auch Techniken der industriellen                          Thema aufgegriffen.
Welt aufgreifen und umsetzen, steht außer Frage. Aber funk-                          Doch das Sammeln und Dokumentieren von Anpassungs-
tioniert es auch andersherum? Ist die Beschreibung der indi-                         strategien ist nicht ausreichend. Damit indigenes Wissen
genen Wettervorhersage eher eine Anekdote über die Natur-                            sich festigen und weiterentwickeln kann, müssen indigene
verbundenheit indigener Völker oder kann sie für andere                              Lebensweisen respektiert und gestärkt werden. Eine zen-
Bevölkerungsgruppen nutzbringend adaptiert werden? Was                               trale Voraussetzung dafür ist das Nutzungsrecht über das
passiert, wenn z.B. Regen- und Windmacher der Warao                                  eigene Territorium und die Möglichkeit, die eigene
zwar sehr wichtig für die Produktion des Palmsago, dem                               Entwicklung zu bestimmen. Auch im Rahmen der
Grundnahrungsmittel der Warao im venezolanischen                                     Klimadiskussion stößt man daher immer wieder auf die
Orinoko-Delta, sind, aber ihre Rituale und deren Erfolg sich                         grundlegende Forderung nach rechtlicher Klärung und
nicht wissenschaftlich erklären lassen? Werden sie dann als                          Anerkennung der Landrechte.
Kuriositäten abgetan?
6
    Weitere Beispiele siehe: UNFCCC Website zu lokalen Anpassungsstrategien http://maindb.unfccc.int/public/adaptation/ oder auch den 4. Sachstandsbericht des IPCC,
    AR4 WGII Report (2007) Cross-chapter case studies S. 864ff
7
    7th Session of Permanent Forum on Indigenous Issues http://daccess-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N08/338/82/PDF/N0833882.pdf ?OpenElement sowie
    Results of the Copenhagen meeting of the Conference of the Parties to the United Nations Framework Convention on Climate Change; implications for indigenous
    peoples’ local adaptation and mitigation measures, Permanent Forum on Indigenous Issues, 19.-30. April 2010 E/C.19/2010/18, siehe aus: www.tebtebba.org
8
    http://ipcca.info/about/
9
    http://www.ipcca.net/ und http://www.unutki.org/default.php?doc_id=96
                                                                                                                                                                       |3
Darüber hinaus ist jedoch zu befürchten, dass die zu                                    weisung vorzunehmen und auf dieser Grundlage Staaten
     erwartenden, tiefgreifenden Klimaveränderungen die tra-                                 zu Klimaschutzmaßnahmen zu verpflichten oder
     ditionellen Anpassungsmöglichkeiten und -kenntnisse                                     Haftungsansprüche geltend zu machen. Die Inuit Kanadas
     indigener Völker überschreiten. Um eine Chance zu                                       und Alaskas haben es trotzdem versucht:
     haben, ihre Lebensräume erhalten zu können, benötigen
     sie daher außerdem verbesserten Zugang zu Informa-                                      Sheila Watt-Cloutier hat 2005 im Namen der Inuit
     tionen, Technologien, Entscheidungsstrukturen und                                       Cirumpolar Konferenz eine Petition13 bei der
     Finanzmitteln. In den Staaten mit indigenen Völkern ist                                 Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte
     es deshalb notwendig, eine gezielte Klimapolitik zum                                    eingereicht mit dem Ziel, die USA auf eine Reduktion der
     Schutz indigener Völker zu entwickeln                                                   Treibhausgasemissionen zu verpflichten. Außerdem for-
                                                                                             derten die Inuit Entschädigungen für Umweltschäden, die
                                                                                             durch die Treibhausgasemissionen der USA verursacht
     3. Klima und Menschenrechte                                                             wurden. Die Interamerikanische Kommission hat zwar die
                                                                                             Klage als unzulässig zurückgewiesen, da ihr keine eindeuti-
     “Indeed, climate change poses a direct threat to a wide range                           ge Schuldzuweisung möglich schien, aber durch ein
     of universally recognized human rights, such as the rights to                           öffentliches Hearing die Aufmerksamkeit auf die Folgen
     life, food, adequate housing or water. Procedural human                                 des CO2 Ausstoßes der Industrienation auf die Situation
     rights, including access to information or justice and partici-                         der Inuit gelenkt.
     pation in decision-making processes may also become increa-
     singly relevant in a context of climate change, particularly for                        Unabhängig von der Frage, ob sich direkte Menschen-
     those being affected by it”                                                             rechtsverletzungen durch den Klimawandel nachweisen
     (Ms. Kyung-wha Kang, Stellvertreterin des Hochkom-                                      lassen und sich daraus z.B. Haftungsansprüche ableiten
     missars für Menschenrechte der Vereinten Nationen in                                    ließen, hält der Bericht des OHCHR fest, dass der
     ihrer Rede an die COP 13, Bali, Dezember 2007)                                          Klimawandel negative Auswirkungen auf die Ausübung
                                                                                             der Menschenrechte hat und sich daher für die Staaten
     Der Bericht des Hochkommissariats für Menschenrechte                                    Schutzpflichten aus den internationalen Menschenrechts-
     der Vereinten Nationen (OHCHR, 200910) zeigt die                                        übereinkommen ableiten: „..human rights obligations pro-
     Verknüpfung von Klimawandel und Menschenrechte auf                                      vide important protection to the individuals whose rights are
     und arbeitet heraus, dass die Rechte auf Nahrung, Wasser,                               affected by climate change or by measures taken to respond to
     Gesundheit, Wohnung und das Recht auf Leben durch                                       climate change.“ (OHCHR, 2009, Par.71)
     den Klimawandel eingeschränkt werden. Zwar lässt sich
     aus den internationalen Menschenrechtsübereinkommen                                     Die Diskussion darüber, welche praktischen und rechtli-
     kein unmittelbares Recht auf eine heile und gesunde                                     chen Konsequenzen sich aus dieser Schutzpflicht ergeben,
     Umwelt herleiten, doch erkennen die VN Vertragsorgane                                   beginnt erst. Das OHCHR hat dieses Thema in die
     (Treaty Bodies) der einzelnen Konventionen die Verbin-                                  Klimaverhandlungen eingebracht, und der Menschen-
     dung zwischen Umwelt und der Verwirklichung von                                         rechtsrat hat in seiner Resolution von März 2009 die
     Menschenrechten an. Darüber hinaus haben viele latein-                                  Mandatsträger der VN Sonderverfahren aufgefordert, ver-
     amerikanische Länder das Recht auf eine gesunde Umwelt                                  stärkt auf Menschenrechtsverletzungen durch Klimawan-
     in ihren Verfassungen festgeschrieben11.                                                del zu achten. Der Klimagipfel 2010 nimmt ausdrücklich
                                                                                             Bezug auf die Verbindung von Klimawandel und
     Damit wird in die Klimaverhandlungen neben den bishe-                                   Menschenrechte und fordert die Staaten auf, bei allen
     rigen Grundsätzen der Gerechtigkeit und Verantwortung 12                                Aktivitäten im Klimabereich die Menschenrechte zu
     auch ein Rechtsanspruch, der auf den Menschenrechten                                    respektieren14, konkretisiert dies aber nicht weiter.
     basiert, eingeführt. Allerdings zeigt der Bericht des
     OHCHR auch auf, welchen Einschränkungen dieser
     Ansatz unterliegt. Die Auswirkungen des Klimawandels
     als Menschenrechtsverletzungen im rechtlichen Sinn
     nachzuweisen, stellt sich als sehr kompliziert heraus: Es ist
     schwer, die komplexen Beziehung zwischen
     Treibhausgasemissionen mit einzelnen Klimaeffekten kau-
     sal nachzuweisen und noch schwieriger wird es, direkte
     oder indirekte Zusammenhänge mit Menschenrechtsver-
     letzungen eindeutig herzustellen. Dadurch ist es kaum
     möglich, im rechtlichen Sinne eine eindeutige Schuldzu-

     10
          A/HRC/10/61, Bericht an die 10. Sitzung des Menschenrechtsrates
     11
          Die neue Verfassung Ecuadors geht sogar einen Schritt weiter, in dem sie der Natur ein eigenes Recht zuschreibt (Constitución política del Ecuador, 2008, Art.71)
     12
          „ Die Vertragsparteien sollen auf der Grundlage der Gerechtigkeit und entsprechend ihren gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und ihren jeweili-
          gen Fähigkeiten das Klimasystem zum Wohl heutiger und künftiger Generationen schützen. Folglich sollen die Vertragsparteien, die entwickelte Länder sind, bei der
          Bekämpfung der Klimaänderungen und ihrer nachteiligen Auswirkungen die Führung übernehmen.“ UNFCCC, Art. 3.1, Rio de Janeiro 1992
     13
          http//:inuitcircumpolar.com/files/upload/icc-files/FINALPetitionICC.pdf (8.6.2009)
4|   14
          Outcome of the work of the Ad Hoc Working Group on long-term Cooperative Action under the Con-vention: “8. Emphasizes that Parties should, in all climate
          change-related actions, fully respect human rights;” (S.2)
Klimawandel und Rechte indigener Völker                         Aus diesen Gründen fordern indigene Völker, dass ihre
                                                                Rechtsansprüche – vor allem auf Land, Konsultations-,
“…, States have an obligation to take action to avert climate   Beteiligungs- und Nutzungsrechte – auch im Rahmen der
change impacts which threaten the cultural and social identi-   Klimaverhandlungen anerkannt werden, damit diese nicht
ty of indigenous peoples”. (OHCHR, 2009, Par. 41)               von anderen Interessen überlagert werden.

Françoise Hampson (2005, Expertin in der VN Unter-              Sie stützen sich dabei auf die ILO Konvention 169 über
kommission für die Förderung und den Schutz der                 indigene und in Stämmen lebende Völker aus dem Jahre
Menschenrechte 1998-2007) unterscheidet in ihrem                1989 und auf die Erklärung zu den Rechten indigener
Bericht an die Menschenrechtskommission drei Ebenen,            Völker (United Nations Declaration of the Rights of
auf denen indigene Völker durch Umweltschäden und               Indigenous Peoples, UNDRIP), die die Vollversammlung
spezifisch durch Klimaveränderungen in ihren Rechten            der Vereinten Nationen 2007 verabschiedet hat. Sowohl
besonders betroffen sind:                                       die ILO Konvention als auch die VN Erklärung schreiben
                                                                das Recht indigener Völker auf Selbstbestimmung (Art.3
1. Schäden, die sich negativ auf ihr Leben in ihren Terri-      und 4) und auf eigenes Land (Art. 26) fest. Darüber hin-
   torien auswirken wie z.B. der Verlust an biologischer        aus erkennt die VN Erklärung das Recht auf freie, frühzei-
   Vielfalt oder Wasserknappheit.                               tige und informierte Zustimmung (Art.19) zu allen
   Hampson geht davon aus, dass indigene Völker dadurch         Vorhaben an, die ihr Territorium betreffen, ebenso wie das
   ihre kollektiven und individuellen Rechte nur noch ein-      Recht auf adäquate, faire Entschädigungsleistungen
   geschränkt wahrnehmen können. Da die Auswirkungen            (Art.28).
   von Klimaveränderungen auf Land- und Territorial-            Der Bericht des OHCHR sieht außerdem klar die Staaten
   rechte bisher kaum untersucht sind, empfiehlt der ehe-       in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um indigene
   malige VN Sonderberichterstatter für die Rechte indige-      Völker vor den negativen Auswirkungen des Klimawan-
   ner Völker, Rudolfo Stavenhagen, weitere Unter-              dels zu schützen.
   suchungen vor allem über besonders verwundbare Öko-
   systeme wie die Arktis, die borealen Wälder, die Tropen-
   wälder und die Hochgebirgsregionen durchzuführen.            4. Internationale Klimapolitik: Reduzierung
                                                                von Emissionen aus Waldzerstörung und
2. Vertreibung von ihrem Land in andere Regionen des-           Walddegradierung (REDD)
   selben Staates, da sie nicht mehr länger auf ihrem Land
   leben können.                                                Waldzerstörung und Waldschädigung verursachen zwi-
   Neben dem physischen Verlust an Land kann dies auch          schen 16 und 20% der CO2 Emissionen, ca. zwei Drittel
   bedeuten, dass sie ihr verbrieftes Recht auf eigenes Land    davon fallen auf die Zerstörung tropischer Regenwälder.
   verlieren, da das neu zu besiedelnde Land nicht mehr         Ein umfassendes Klimaschutzabkommen muss daher die-
   mit ihrem traditionellen Lebensraum übereinstimmt.           ses Problem aufgreifen und Anreize für den Erhalt der
   Dies ist eine Bedingung, die in vielen Verfassungen          Wälder bieten. So wurde auf der COP 13 in Bali 2007
   Lateinamerikas als Voraussetzung für das Recht auf           beschlossen, Verhandlungen über eine mögliche
   eigenes Land festgeschrieben ist.                            Einbeziehung von Maßnahmen zur Reduzierung von
                                                                Emissionen aus Waldzerstörung und Walddegradierung
3. Vertreibung von ihrem Land und Flucht in einen ande-         (REDD) in einem neuen Klimaregime nach Kyoto zu
   ren Staat.                                                   beginnen. Mit der Entwicklung von Vorschlägen zur
   Es ist zu befürchten, dass sie in diesem Falle alle ihre     Umsetzung des in Bali beschlossenen Aktionsplans wurde
   Rechte als indigene Völker verlieren, da sie im Sinne der    eine Ad Hoc Arbeitsgruppe (Ad hoc Working Group on
   ILO Konvention 169 nicht mehr indigen, sondern eine          Long term Cooperative Action under the Convention, AWG
   ethnische Minderheit in einem fremden Land wären.            – LCA) beauftragt.
   Wären sie dann noch berechtigt, ihre in ihrem Heimat-        Mit einer Weiterentwicklung von REDD zu REDD+ soll
   land anerkannten Rechte auszuüben? Welches Terri-            inzwischen nicht nur die Vermeidung von Emissionen
   torium kann die dann landlose Bevölkerung reklamie-          (REDD) sondern auch der Erhalt von Wäldern und die
   ren? Welche Ansprüche hat sie? Gegen wen macht sie           nachhaltige Waldbewirtschaftung (inklusive Land-
   ihre Ansprüche geltend? Diese Fragen sind besonders          nutzungspläne) einbezogen werden. Während COP 15 in
   akut für die Bevölkerung der Inselstaaten im Pazifik, die    Kopenhagen haben sich die Mitglieder der zuständigen
   von Überflutung bedroht sind.                                Arbeitsgruppe (AWG-LCA) auf einige Punkte zur Um-
                                                                setzung von REDD+ in dem Textvorschlag an die Kon-
                                                                ferenz geeinigt. So wurde akzeptiert, dass die Grundlage

                                                                                                                             |5
für REDD+ die Erarbeitung einer nationalen Strategie                                Finanzierungsinstrumente in der REDD Testphase
     und eines Aktionsplan, die Festlegung von Referenzwerten
     für den Waldbestand und Emissionswerte sowie ein trans-                             Es gibt bereits eine Reihe von Fonds, die Pilotvorhaben im
     parentes Monitoringssystem sein müssen. Außerdem                                    REDD Kontext finanzieren: die Forest Carbon Partnership
     wurde anerkannt, dass die Ursachen der Waldzerstörung,                              Facility (FCPF) der Weltbank 16, das Forest Investment
     Fragen der Landrechte, Schutzbestimmungen und die                                   Programm / Strategic Climate Fund der Weltbank 17, das
     umfassende Beteiligung aller relevanten Interessengruppen                           UN REDD Programm, sowie einige regionale Fonds wie der
     aufgegriffen werden müssen. Auf der darauffolgenden                                 Congo Basin Forest Fund, der von der Afrikanischen Ent-
     COP 16 im Dezember 2010 in Cancún konnten in                                        wicklungsbank verwaltet wird oder Fonds einzelner Staaten
     Teilbereichen weiterführende Einigungen erzielt werden,                             wie Norwegens internationale Klima- und Waldinitiative,
     u.a. bei Vorgaben zum Schutz der Wälder und zur                                     die International Forest Carbon Initiative Australiens 18 oder
     Anpassung an Klimaauswirkungen besonders betroffener                                die Internationale Klimaschutzinitiative Deutschlands 19.
     Staaten.                                                                            Die Fonds unterstützen waldreiche Entwicklungs- und
     Bisher werden unterschiedliche Modelle diskutiert, wie                              Schwellenländer bei der Entwicklung einer entsprechenden
     der REDD-Mechanismus funktionieren soll und welche                                  nationalen Walderhaltungspolitik und bei der Durchfüh-
     Leistungen angerechnet werden können. Klar ist, dass                                rung von einzelnen Demonstrationsprojekten.
     anders als der projekt-basierte Mechanismus zur umwelt-                             Bei der Mehrzahl der Fonds werden indigene Völker und
     gerechten Entwicklung (Clean Development Mechanism,                                 ihre Rechte formal beachtet. So verweist die Weltbank auf
     CDM15), REDD eine Emissionsreduzierung durch                                        ihre Politik- und Verfahrensleitlinien für die Zusammen-
     Walderhalt auf Länderebene ermöglichen soll. Zwar sollen                            arbeit mit indigenen Völkern und die Notwendigkeit der
     auch unterhalb der nationalen Ebene Individuen, lokale                              effektiven Beteiligung der vom Wald abhängigen indigenen
     Gemeinschaften oder Regionen für ihre Umweltdienst-                                 Völker. (Operating Principles 3.1 der FCPF) Das UN
     leistungen (Vermeidung von CO2 Emissionen, die durch                                REDD Programm, das REDD Aktivitäten in mehreren
     Waldzerstörung und Degradierung verursacht werden)                                  Pilotländern fördert, greift die Leitlinien zu indigenen Völ-
     Entschädigungen erhalten können beziehungsweise es sol-                             kern des VN Entwicklungsprogramm (UNDP) auf, die ba-
     len Projekte in diesem Bereich unterstützt werden, aber                             sierend auf der UN Erklärung zu den Rechten indigener
     die Überprüfung und Berichterstattung über CO2                                      Völker empfehlen, die freie, informierte und frühzeitige
     Emissionen soll auf nationaler Ebene erfolgen. So soll ver-                         Zustimmung indigener Völker zu den Projekten einzuholen.
     hindert werden, dass in einer Region aufgeforstet wird                              Die norwegische Regierung hat über ihre Klima- und Wald-
     und während in einer anderen Region desselben Landes                                initiative der brasilianischen Regierung knapp 1 Mrd. US$
     abgeholzt wird (Cancún Agreement, Fußnote 3).                                       bis 2015 für einen Amazonasfonds zugesagt 20, der die Wald-
     Über einige entscheidende Punkte konnte bisher aber                                 zerstörung reduzieren und gleichzeitig die Rechte und die
     keine Einigung erzielt werden. So ist die Finanzierung von                          Entwicklung der lokalen und indigenen Bevölkerung stärken
     REDD+ nach wie vor umstritten. Unterschiedliche                                     soll. Die Koordinationsstelle der brasilianischen indigenen
     Modelle stehen zur Diskussion. Sie unterscheiden sich an                            Amazonasvölker (COAIB) ist in diesen Fonds einbezogen.
     den Fragen, woher das Geld kommen soll (aus öffentli-
     chen Mitteln, dem Emissionshandel oder einer Mischform
     aus beidem) und welche Entscheidungs- und Überwa-                                   Bolivien hat im März 2010 seine nationale Strategie dem
     chungsstrukturen gebildet werden sollen. Während die                                UN REDD Sekretariat vorgelegt, um die sogenannte
     Industrieländer marktbasierte Mechanismen wie z.B. den                              REDD+ readiness (die Erfüllung der Voraussetzungen für
     Emissionshandel befürworten, fordern mehrere                                        REDD+) zu erlangen21. Die Strategie sieht Maßnahmen
     Entwicklungsländer wie z.B. Bolivien eine Finanzierung                              auf drei Ebenen vor:
     durch Fonds, in die die Industriestaaten und die                                     • Capacity Building für die zuständigen
     Wirtschaft einzahlen. Im Laufe des Jahres 2011 soll im                                 Regierungsinstitutionen,
     Zusammenhang mit der Langzeitfinanzierung von                                        • Verbesserung der Fähigkeiten zivilgesellschaftlicher
     REDD+ und von Adaptionsmaßnahmen ein                                                   Organisationen zur Durchführung von REDD+
     Finanzierungs-, Entscheidungs- und Monitoringmodell                                    Aktivitäten,
     beschlossen werden                                                                   • Durchführung von REDD Pilotmaßnahmen auf lokaler
      Im Rahmen des VN Programms zu REDD (UN REDD)                                          Ebene unter Einbeziehung territorialer
     werden zurzeit in mehreren Pilotländern die Voraus-                                    Gebietskörperschaften und indigener und anderer zivil-
     setzungen geschaffen, um REDD umzusetzen. In Latein-                                   gesellschaftlicher Organisationen.
     amerika sind dies Paraguay, Bolivien und Panama.

     15
          Der CDM wurde 1997 als ein Mechanismus unter dem Kyoto Protokoll eingeführt. Durch die Finanzie-rung nachhaltiger Entwicklungsprojekte in
          Entwicklungsländern durch die Industrieländer sollte der CDM zur Erreichung der Emissionsreduktionsziele beitragen.
     16
          http://www.forestcarbonpartnership.org/fcp/
     17
          http://www.climateinvestmentfunds.org/cif/node/5
     18
          http://www.climatechange.gov.au/government/initiatives/international-forest-carbon-initiative.aspx
     19
          http://www.bmu-klimaschutzinitiative.de/de/themen_und_projekte
6|   20
          Norwegen sagt Milliardenspende für Regenwaldschutz zu, Spiegel, 17.9.2008 http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,578825,00.html
     21
          Die Strategie wurde mit Unterstützung der deutschen EZ formuliert.
Mit ähnlichen Strategien sollen alle Pilotländer befähigt                     Konflikte zu vermeiden.
werden, REDD+ in ihren Ländern umzusetzen, sobald                             Bei den internationalen Klimaverhandlungen fordern die
dieses Instrument international vereinbart wurde. Ähnlich                     indigenen Organisationen ihre aktive Beteiligung an der
verfährt auch die Forest Carbon Partnership Facility. Die                     Formulierung und Ausgestaltung des REDD Mechanis-
Erprobung des REDD Mechanismus in den Pilotphasen                             mus. Von den indigenen Organisationen werden verschie-
hat eine eigene Dynamik entfaltet, die losgelöst von der                      dene Möglichkeiten der aktiven Beteiligung benannt, wie
Verhandlungsgeschwindigkeit bei den Klimaverhand-                             zum Beispiel die Einrichtung einer Expertengruppe im
lungen erscheint. Während REDD Maßnahmen bereits                              Rahmen von UNFCCC, die Mitgliedschaft in einem
umgesetzt werden sollen und eventuell entsprechende                           noch einzurichtenden Entscheidungs- und Monitoring-
Verträge gezeichnet werden, ist der Rahmen in einem                           gremium und die Förderung unabhängiger Forschungsar-
zukünftigen Klimavertrag noch ungeklärt.                                      beiten zu dem Thema.
Unabhängig davon, wie die Umsetzung im Detail ausse-                          Nach Ansicht der indigenen Organisationen ist die recht-
hen wird, gehen die indigenen Organisationen davon aus,                       liche und praktische Sicherung indigener Territorien und
dass REDD tiefgreifende Auswirkungen auf die indigenen                        kommunaler Wälder Grundvoraussetzung für REDD+.
Völker haben wird, vor allem in den Tropenwaldregionen.                       Erst wenn diese Bedingung erfüllt sind, könnten REDD
Diese Auswirkungen können auf der Grundlage partizipa-                        Maßnahmen entwickelt werden23.
tiver Planung und gesicherter Land- und Nutzungsrechte
indigener Völker positiv sein und zum Erhalt des Lebens-
raumes beitragen. Da jedoch in den meisten Ländern die                        5. Politische Positionen indigener
rechtlichen Voraussetzungen und die Partizipationsmög-                        Organisationen
lichkeiten indigener Völker unzureichend sind, befürchten
die indigenen Organisationen vor allem schwerwiegende,                        Die Positionen der indigenen Organisationen zu den
negative Auswirkungen.                                                        Klimaverhandlungen und vor allem zu REDD sind -
“Nun, wo REDD am Horizont erscheint, sehen wir sowohl                         geprägt durch ihre jeweiligen Lebensumstände - unter-
Gefahren als auch Möglichkeiten. Wir sehen es als                             schiedlich. Das International Indigenous Forum on
Möglichkeit, erneut für den Respekt unserer Rechte auf unse-                  Climate Change (IIPFCC) und das Permanente Forum zu
re Wälder und seiner Ressourcen aufzurufen und unser tra-                     indigenen Angelegenheiten (UNPFII) innerhalb des VN
ditionelles Waldmanagement und unsere Schutzpraktiken                         Systems umfassen Organisationen so unterschiedlicher
zu stärken. Aber wenn unsere Rechte übertüncht oder unter-                    Völker wie die Inuit Kanadas und Alaskas, die Saami
laufen werden in dem Versuch, Wälder in                                       Nordeuropas, die Massai Ostafrikas, die vielen Völker
Entwicklungsländern als Teil der Mitigationsmaßnahmen                         Indonesiens, Malaysias und der Philippinen sowie die klei-
einzubeziehen, dann sehen wir ernsthafte Schwierigkeiten                      nen Völker der Amazonasregion und die Maya Guatema-
für das zukünftige Überleben der im Wald lebenden indige-                     las, um nur einige zu nennen.
nen Völker und ihrer Kulturen.“ (Stellungnahme von TEB-                       Es gibt weder eine Tradition, die einzelne Völker autori-
TEBBA Indigenous Peoples' International Centre for                            siert für andere zu sprechen, noch eine Struktur, die ein
Policy Research and Education in der Contact Group of                         Weltparlament indigener Völker ermöglichen würde. Es
the AWG-LCA on Mitigation, 8. April 2009).                                    existiert daher kein einzelnes Organ, das für alle Indigenen
REDD wird von einigen indigenen Organisationen wie                            sprechen könnte, und viele indigene Organisationen ver-
der CONFENIAE in Ecuador grundsätzlich abgelehnt,                             halten sich zu REDD, wie es ihren Möglichkeiten und
weil sie einen Verlust der Autonomie über ihr Land                            Rechten in ihren jeweiligen Ländern entspricht.
befürchten. Andere indigene Organisationen wie die                            Um gemeinsame Positionen zu erarbeiten, wurden seit
CIDOB in Bolivien halten eine Einbindung des REDD                             2008 mehrere regionale Konferenzen, je eine in Asien,
Mechanismus in ihre Bestrebungen zum Erhalt ihrer                             Afrika und Lateinamerika, sowie ein Indigenous Peoples’
Wälder durchaus für möglich. Voraussetzung dafür ist,                         Global Summit on Climate Change in Anchorage durchge-
dass sie an der Entwicklung und Umsetzung von REDD                            führt. Die indigenen Organisationen einigten sich in der
Politik und Projekten unmittelbar beteiligt sind. Sie for-                    Abschlusserklärung auf gemeinsame, grundsätzliche
dern, dass Gelder unter REDD sowohl für die Sicherung                         Forderungen24. Sie gehen dabei von drei Kernaussagen aus:
indigener Territorien als auch für Bildung und Beteili-
gungsprozesse zur Verfügung gestellt werden. Auch die                          • Die vordringlichste Aufgabe der Klimaverhandlungen
Organisation der indigenen Völker im peruanischen                                sehen sie in der Festlegung der Industrieländer auf ein
Amazonasgebiet (AIDESEP) fordert in einer veröffent-                             verbindliches Reduktionsziel (45% unter dem Niveau
lichten Analyse des peruanischen REDD Programms22,                               von 1990 bis 2020 und 95% bis 2050).
dass vordringlich die Landrechte geklärt werden müssen,                       • Sie betonen die Notwendigkeit des Schutzes von Ökosy-
um in der späteren Umsetzung von REDD soziale                                   stemen, von deren Erhalt indigene Völker abhängig sind

22
     AIDESEP, Análisis y propuestas indígenas sobre el RPP del REDD Peru, 17.02.2011
23
     IIPFCC Policy Paper on Climate Change, Bangkok, 26.-27.9.2009, http://www.tebtebba.org/index.php?option=com_docman&task=cat_view&gid=18&Itemid=27
24
     Anchorage Erklärung, Abschlusserklärung des Indigenous Peoples’ Global Summit on Climate Change vom 24. April 2009, Anchorage, Alaska

                                                                                                                                                         |7
und die sie über Jahrhunderte nachhaltig genutzt haben.                           Umsetzung, Monitoring und Evaluierung) einbeziehen.
     • Die Anerkennung indigener Landrechte ist eine funda-                              Ähnliche Richtlinien hat auch die Community, Carbon
       mentale Voraussetzung für den Schutz dieser Ökosyste-                             and Biodiversity Alliance, eine Kooperation verschiedener
       me.                                                                               Naturschutzorganisationen und CARE international, in
                                                                                         einem Konsultationsprozess erarbeitet. Deren Sozial- und
     Im Zentrum ihrer Forderungen stehen die Anerkennung                                 Umweltstandards26 für REDD+ gehen im Wesentlichen
     ihrer Landrechte das Recht auf freie, frühzeitige und                               auf die Landnutzungsrechte und FPIC indigener Völker
     informierte Zustimmung ( free, prior and informed consent,                          und vom Wald abhängiger lokaler Gemeinschaften ein.
     FPIC) indigener Völker zu allen Vorhaben, die sie betref-                           Auf der Ebene der internationalen Anerkennung des
     fen. So stellt das Permanente Forum zu Indigenen Ange-                              Prinzips und der Umsetzung in - bisher freiwilligen-
     legenheiten fest: „[REDD]...must address the need for glo-                          Richtlinien wurden in den letzten Jahren Fortschritte
     bal and national policy reforms...respecting rights to land,                        erzielt, die Umsetzung auf nationalstaatlicher Ebene ist
     territories and resources, and the rights of self-determination                     jedoch nach wie vor mit vielen Problemen versehen.
     and the free, prior and informed consent of the indigenous                          Umstritten ist dabei u.a. die grundsätzliche Frage, ob
     peoples concerned.“ (E/C.19/2008/13, Par.45).                                       FPIC auch das Vetorecht indigener Völker umfasst (z.B.
                                                                                         wenn das Überleben bedroht ist). In vielen lateinamerika-
                                                                                         nischen Staaten ist das Recht auf Zustimmung oft nur auf
     5.1. Freie, frühzeitige, informierte                                                das Recht beschränkt, konsultiert zu werden. Und so sind
     Zustimmung als Prinzip in der                                                       noch viele ungeklärte Fragen mit der Umsetzung von
     Klimapolitik?                                                                       FPIC verbunden:
                                                                                         - Wer gibt oder verweigert die Zustimmung?
     Freie, frühzeitige und informierte Zustimmung (FPIC) ist                            - Was bedeutet „frühzeitig“ genau?
     zu einem zentralen Konzept in der internationalen De-                               - Was passiert, wenn die indigene Gemeinschaft x dem
     batte um die Rechte indigener Völker geworden. So ist                                 Projekt zustimmt, die Nachbargemeinschaft es aber
     FPIC Bestandteil der Erklärung der Vereinten Nationen                                 ablehnt bzw. wie groß ist der räumliche
     zu indigenen Völkern (UNDRIP).                                                        Entscheidungsraum?
     Menschenrechtsinstitutionen wie der interamerikanische                              - Welche Rolle spielen die indigenen Organisationen?
     Gerichtshof für Menschenrechte und die Afrikanischen
     Kommission für Menschenrechte nehmen in ihren Ent-                                  Um Antworten auf diese Fragen zu geben, befinden sich die
     scheidungen Bezug darauf. Darüber hinaus wurde FPIC                                 o.g. Richtlinien in der Pilotphase. So sollen die Standards der
     von multilateralen Gebern wie der asiatischen Entwick-                              Community, Carbon and Biodiversity Alliance bis 2011
     lungsbank, aber auch vom REDD Programm der VN als                                   geprüft und dann überarbeitet werden. Der internationale
     Prinzip aufgenommen. FPIC meint das Recht indigener                                 Forstdialog27, in dem sich internationale Waldorganisa-
     Völker, frei (ohne Druck von außen), informiert (auf der                            tionen, indigene und andere Nichtregierungsorganisationen,
     Basis der Kenntnis der Sachlage) und frühzeitig (bevor die                          Gewerkschaften und Waldbesitzer mit unterschiedlichen
     Entscheidung für oder gegen ein Projekt getroffen wurde)                            Aspekten der Waldpolitik und –bewirtschaftung auseinan-
     über Vorhaben, die ihr Territorium betreffen, zu entschei-                          dersetzen, hat Dialogrunden zur Konkretisierung von FPIC
     den. Das Prinzip der freien, frühzeitigen und informierten                          für die nationalen Waldpolitiken gebildet.
     Zustimmung wird als existentielles Instrument gesehen,
     um negative Auswirkungen von Vorhaben Dritter auf
     indigene Völker zu vermeiden. Angewandt auf REDD                                    5.2. Indigene Völker und die internationale
     bezieht sich die Forderung nicht nur auf die Beteiligung                            Klimapolitik in Cancún
     bei der Umsetzung etwaiger Projekte, sondern auch auf
     die Beteiligung bei der Entwicklung des Konzeptes.                                  Für die indigenen Völker verlief die 16. Klimakonferenz
     Um FPIC im REDD Kontext umsetzen zu können, hat                                     2010 in Cancún relativ positiv. In dem Abschlussdoku-
     das UN REDD Programm Richtlinien25 für die Um-                                      ment, dem Cancún Agreement, verweisen die Staaten
     setzung von FPIC erarbeitet, die erste Erfahrungen aus                              explizit auf das Wissen und die Rechte indigener Völker.
     Projekten in Asien einbeziehen und in kontinentübergrei-                            Die einzelnen Länder sind angehalten, in der Entwicklung
     fenden Workshops weiter verfeinert werden sollen. In die-                           nationaler Strategien und Aktionspläne die Beteiligung
     sen Richtlinien wird die Art der Beteiligung der indigenen                          indigener Völker sicherzustellen. Damit sind wichtige
     Völker an den Entscheidungen auf internationaler Ebene                              Forderungen indigener Organisationen aufgegriffen wor-
     vorgegeben. Die nationalen Programme sollten ebenfalls                              den. Andere wie z.B. die Einrichtung eines indigenen
     indigene und andere Gemeinschaften, die vom Wald                                    Beratungsgremiums, dass der UNFCC direkt in den
     abhängig sind, in allen Projektstadien (Programmdesign,                             Diskussionen und Entscheidungen zuarbeitet, stehen noch

     25
          Operational guidance: Engagement of indigenous peoples and other forest dependent communities, 2009
     26
          REDD+ Social and Environmental Standards, www.climate-standards.org
     27
          http://environment.yale.edu/tfd/

8|
aus. Dabei betonen indigene Organisationen, dass sie                                  die sie nutzen können, in ihre Anpassungsmethoden an
direkt und nicht über Vermittler wie zum Beispiel Um-                                 den Klimawandel einbeziehen. In einem nationalen
weltorganisationen beteiligt werden wollen28. Auch konn-                              Runden Tisch über Wald und Klimawandel, der von
te das Prinzip der freien, frühzeitigen und informierten                              Indigenen und staatlichen Stellen gemeinsam gebildet
Zustimmung (noch) nicht verankert werden. Auf der Basis                               wird, werden die unterschiedlichen Optionen diskutiert.
des Beschlusses von Cancún ergeben sich jetzt aber weite-                             Er konzentriert sich dabei auf die Themenbereiche:
re Möglichkeiten, diese Forderungen im Kontext der                                    • Waldschutz
UNFCCC zu verankern.                                                                    Dies umfasst Fragen der gemeinschaftlichen
Die indigenen Organisationen waren mit über 500 Per-                                    Waldverwaltung, zum Gemeindewald und zu Politiken
sonen aus Lateinamerika, Asien, Afrika und Ozeanien in                                  und Normen zum Waldmanagement ebenso wie spezifi-
Cancún vertreten. Neben der Kritik am Verhalten der                                     sche Problembereiche wie Waldbrände (z.B. im Chaco).
Industrieländer und deren mangelnden Bereitschaft, neue                               • Klimawandel
Reduktionsziele verbindlich festzulegen, haben indigene                                 Dieses Thema beinhaltet die Fragen nach Verminderung
Organisationen nicht nur Forderungen aufgestellt. Sie                                   von Klimaschäden und Anpassungsmöglichkeiten, Wie-
haben bereits im Vorfeld eigene Vorstellungen zur Um-                                   deraufforstung mit nativen Arten, Management von Ka-
setzung von REDD+ diskutiert und präsentiert z.B. auf                                   tastrophen, Normen und Gesetzen zum Klimaschutz aus
dem Indigenous Council of Abya Yala on Climate Change                                   indigener Sicht.
am 24./25.11.2010 in Cancún29.
Zusätzlich zur Lobbyarbeit gegenüber den Gremien der                                  Durch die deutsche Unterstützung wurde die Kapazität des
Konvention wollen sie darauf hinwirken, dass im nächsten                              Runden Tisches gestärkt, eigene Vorschläge zu entwickeln.
Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klima-                                In drei Pilotregionen wurden Bestandsaufnahmen durchge-
änderung (IPCC) indigene Sichtweisen berücksichtigt                                   führt und daraus Empfehlungen für die Waldnutzung abge-
werden und Referenz auf traditionelles Wissen genommen                                leitet. Es wurden Gebiete mit besonders hohem Risiko defi-
wird. Und nicht zuletzt haben sie festgestellt, dass über-                            niert, für die mögliche Lösungen entwickelt werden sollen.
zeugende Fallstudien Einfluss auf den Verhandlungs-                                   Diese Arbeit wurde in Kooperation mit der bolivianischen
prozess haben können, da viele staatliche Repräsentanten                              NRO Freunde der Natur (Fundación Amigos de la
im Verhandlungsprozess wenig zu indigenen Völkern wis-                                Naturaleza, FAN) durchgeführt, die über Erfahrungen aus
sen. Sie wollen daher eigene Fallstudien zu Mitigations-                              dem bolivianischen Noel Kempff Mercado Naturpark ver-
und Adaptionsmaßnahmen erstellen.                                                     fügt, der als eines der weltweit größten Projekte im Wald-
                                                                                      schutz unter dem Clean Development Mechanismus gilt.
                                                                                      Aus den Erfahrungen hat sich für die CIDOB klar abgelei-
5.3. Indigene Völker und Klimapolitik auf                                             tet, dass das Ziel von REDD die Beendigung der Entwal-
nationaler Ebene                                                                      dung muss. Die CIDOB spricht sich nicht gegen REDD
                                                                                      aus, hält aber einen marktbasierten Ansatz für verfehlt – eine
Um auf nationalstaatlicher Ebene eine Klimapolitik zu ent-                            Position, die auch von der bolivianischen Regierung geteilt
wickeln, die traditionelle Anpassungsmethoden und Wissen                              wird. Zwar sollten Marktanreize integriert werden, das Geld
integriert sowie zum Walderhalt beiträgt, ist eine Einbe-                             sollte aber über einen internationalen Fonds verteilt werden,
ziehung indigener Völker in die Formulierung und Um-                                  in dem verschiedene Länder unter Einbeziehung der indige-
setzung der entsprechenden nationalen Politiken notwendig                             nen Völker über die Verteilungspolitik bestimmen. Dieser
und sinnvoll. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, zeigt die                          Fonds sollte Entwicklungsländer mit einer aggressiven
Gründung und Insitutionalisierung eines runden Tisches                                Politik gegen Waldzerstörung bevorzugen.
für Wald und Klimawandel (Mesa Indígena del Bosque y                                  Ähnlich wie CIDOB arbeitet auch die Mesa Indígena sobre
Cambio Climático der Konföderation der indigenen Völker                               Cambio Climático in Guatemala, einer Koordination von 20
Boliviens (CIDOB), dessen Arbeit von dem deutschen TZ-                                indigenen und Umweltorganisationen, die auf lokaler, natio-
Programm „PROINDIGENA“ gefördert wird.                                                naler und internationaler Ebene agieren. Diese gleichfalls
Die Mesa ist fest in die Struktur der CIDOB eingebunden                               von PROINDIGENA unterstütze Initiative versucht eben-
und versucht eine permanente Lobby für indigene In-                                   falls, auf die nationale Gesetzgebung und Projekte in der
teressen gegenüber den zuständigen staatlichen Institu-                               Klimapolitik Einfluss zu nehmen und indigene Sichtweisen
tionen aufrechtzuerhalten. Unter dem Stichwort „techni-                               einfließen zu lassen. Sie tut dies nicht mit pauschalen
scher Synkretismus“30 will CIDOB die traditionellen                                   Forderungen, sondern hat dezidierte Kommentare und
Methoden der Anpassung und des Umweltschutzes aufar-                                  Gegenvorschläge zu dem Gesetz des guatemaltekischen
beiten und in die nationale Klimapolitik einbringen.                                  Parlaments zur Mitigation und Anpassung an den Klima-
Gleichzeitig wollen die Mitgliedsorganisationen moderne                               wandel erstellt.
Technologien, die an ihre Bedürfnisse angepasst sind und

28
     Ganz explizit werden Vermittler auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene in der politischen Position der COICA zu REDD+ vom September 2010 abgelehnt.
     http://www.forestcarbonpartnership.org/fcp/sites/forestcarbonpartnership.org/files/Documents/PDF/Nov2010/Posicion%20Politico%20de%20COICA%20Sob
     re%20REDDplus.pdf
29
     Bei den Vorbereitungen wurden die indigenen Organisationen Lateinamerikas vom TZ-Programm PROINDIGENA unterstützt.
30
     Synkretismus: Vermischung oder Verschmelzung unterschiedlicher Religionen oder Philosophien zu einem neuen Weltbild.
                                                                                                                                                                         |9
6. Ansätze für die deutsche Entwicklungs-                        Zeit diskutiert werden,
       zusammenarbeit und Klimapolitik                                • Aufarbeitung ihrer traditionellen Methoden der
                                                                        Anpassung sowie
       Die Verknüpfung von indigenen Völkern und Klima wird           • die Strukturen und Positionen im Prozess der
       kein exotisches Nischenthema bleiben. Mit zunehmendem            Verhandlungen über ein neues Klimaabkommen.
       Wissen über die Auswirkungen des Klimawandels in
       Entwicklungsländern allgemein und auf indigene Völker          Dabei kann auf Material zurückgegriffen werden, welches
       im Besonderen, aber auch mit größeren Kenntnissen über         von indigenen und anderen Nichtregierungsorganisationen
       ihre Anpassungsstrategien an schwierige ökologische            (z.B. Tebtebba Stiftung, Oxfam International) bereits
       Verhältnisse wird das Thema an Bedeutung gewinnen.             erstellt wurde.
                                                                      Die deutsche EZ sollte indigene Organisationen dabei
       Die Notwendigkeit, die Rechte indigener Völker bei den         unterstützen, auch auf nationaler und regionaler Ebene
       Klimaverhandlungen zu berücksichtigen und sie bei              Positionen zu schwierigen, teilweise umstrittenen Fragen
       REDD und anderen Mechanismen, die sie betreffen kön-           wie zu Kompensationsleistungen, Zahlungen für Ökosy-
       nen, in die Konzeptentwicklung und Umsetzung einzube-          stemleistungen an indigene Völker etc. zu entwickeln.
       ziehen, ergibt sich aus:                                       Fallstudien und der Austausch mit indigenen Gemein-
       • der Bedeutung, die indigene Völker für den Schutz ihrer      schaften, die bereits über Erfahrungen mit Kompensa-
         Umwelt und besonders der Wälder haben,                       tionsleistungen verfügen, sollten erstellt und ausgewertet
       • ihrem Erfahrungsschatz bezüglich der Anpassung an            werden.
         schwierige Umweltbedingungen und
       • ihrer besonderen Verwundbarkeit gegenüber den zu             2. Neben einer direkten Unterstützung indigener
         befürchtenden tiefgreifenden Klimaveränderungen.             Organisationen könnte das BMZ die Regierungen der
                                                                      Entwicklungsländer unterstützen, indigene Vertreterinnen
       Die deutsche / EU Delegation sollte sich daher im Rahmen       und Vertreter in die jeweiligen nationalen Diskussionen
       der Verhandlungen über ein Post-Kyoto Abkommen dafür           zur Entwicklung einer nationalen Klimaschutzstrategie
       einsetzen, dass indigene Völker nicht nur am Monitoring        und entsprechender Programme einzubeziehen. Dabei
       und der Berichterstattung zu REDD beteiligt werden, son-       könnte die Frage der Beteiligungsrechte und –verfahren
       dern auch in der Konzeptentwicklung. Im Rahmen von             eine zentrale Rolle spielen. Im asiatischen Raum hat die
       REDD sollte die Anerkennung der Landrechte als Be-             GIZ z.B. ein erstes Handbuch zur Umsetzung des FPIC
       dingung für nachhaltige Waldbewirtschaftung betont wer-        entwickelt (Anderson, 2011).
       den. Zukünftige Mittel aus dem REDD Mechanismus soll-
       ten auch für die rechtliche und praktische Sicherung indige-   3. Aufarbeitung von Anpassungsmethoden indigener Völker
       ner Territorien und kommunaler Wälder eingesetzt werden.       Sowohl international wie national könnte die EZ die
                                                                      Aufarbeitung indigener Anpassungsmethoden und die
       Darüber hinaus ergeben sich weitere Ansätze für die deut-      Förderung der gemeinsamen Aufarbeitung durch Indigene
       sche EZ und Klimapolitik:                                      und akademische Institutionen unterstützen - ähnlich der
                                                                      Förderung traditionellen Wissens im Rahmen der
       1. Unterstützung indigener Organisationen beim Aufbau          Konvention über die biologische Vielfalt.
       von fachlichem Know – How für die Formulierung eigener
       Positionen;                                                    Die Wahrung der Rechte indigener Völker und ihr Wissen
       Eine wesentliche Voraussetzung für indigene                    um die nachhaltige Nutzung ihrer Umwelt sind wichtige
       Organisationen, das Thema adäquat behandeln zu kön-            Voraussetzungen, damit Mechanismen wie REDD langfri-
       nen, ist der Zugang zu Informationen zum Klimawandel           stig zum Schutz der Wälder und damit zum Schutz des
       und dem aktuellen Sachstand zu den Klimaverhandlungen          Klimas beitragen können. Dies sollte in einem Post-
       und die Vermittlung dieser Informationen an ihre               Kyoto-Abkommen und seiner Umsetzung entsprechend
       Basisgruppen. Die Informationspolitik sollte auf mehreren      berücksichtigt werden.
       Ebenen ansetzen:
       • bei den indigenen Organisationen selbst,
       • an der Basis der indigenen Organisationen.

       Eine Informationskampagne indigener Organisationen für
       ihre Basis könnten folgende Inhalte umfassen:
       • die Auswirkungen der Klimaveränderung auf ihr Leben,
       • die Instrumente zur Minderung und Anpassung, die zur

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