Industrielle Servicerobotik - Band 4 Studie - BMWi

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Industrielle Servicerobotik - Band 4 Studie - BMWi
Band 4

Industrielle Servicerobotik
Studie
Industrielle Servicerobotik - Band 4 Studie - BMWi
Impressum

Herausgeber                                                                   Das Bundesministerium für Wirtschaft und
Bundesministerium für                                                         Technologie ist mit dem Grundzertifikat
Wirtschaft und Technologie (BMWi)                                             zum Audit Beruf & Familie® als familien-
Öffentlichkeitsarbeit                                                         freundlicher Arbeitgeber ausgezeichnet
11019 Berlin                                                                  worden. Das Zertifikat wird von der Beruf &
www.bmwi.de                                                                   Familie gemeinnützige GmbH, einer
                                                                              Initiative der gemeinnützigen Hertie-
                                                                              Stiftung verliehen.
Stand
Januar 2013

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Bildnachweis
Titel, Seite 13, 17: rorarob
Seite 8: TU Berlin
Seite 10: Parrot
Seite 14: PCK
Seite 16: STILL
Seite 17: SaLsA
Seiten 21, 30: AutoPnP

Redaktion
Begleitforschung zum Technologieprogramm AUTONOMIK:
Institut für Innovation und Technik
in der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH, Berlin
LoeschHundLiepold Kommunikation GmbH, Berlin

Text
Institut für Innovation und Technik
in der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH, Berlin
Industrielle Servicerobotik - Band 4 Studie - BMWi
Inhaltsverzeichnis

1.	Einführung – Definition – Markt  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 5

2.                Aktuelle Anwendungsfelder und Anwendungen der Servicerobotik  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 10
                  2.1               Einsatz in industriellen Anwendungen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 11
                  2.2               Assistenzroboter  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 12
                  2.3               Serviceroboter zur Überwachung und Intervention  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 13
                  2.4               Serviceroboter zur Exploration, Inspektion und Wartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14

3.                Beispiele industrieller Servicerobotik aus den AUTONOMIK-Projekten  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 15

4.                Entwicklungsperspektiven  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 19
                  4.1               Wahrnehmung von und Navigation in der Welt  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 19
                  4.2               Lernfähigkeit und Adaptivität  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 19
                  4.3               Autonome Interaktion mit der Umgebung  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 19
                  4.4               Sichere Mensch-Roboter-Interaktion  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 20
                  4.5               Energiebedarf und Lebensdauer  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 20
                  4.6               Forschungsschwerpunkte in den genannten Anwendungsfeldern  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 21

5.                Softwarebasis für autonome Systeme, Referenzarchitektur  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 23

6.                Aktuelle Schlaglichtbefragung  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 27

7. 	Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 29
	
 7.1 Fazit  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 32
                  7.2               Empfehlungen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 32
Industrielle Servicerobotik - Band 4 Studie - BMWi
AUTONOMIK
„Autonomik – Autonome Systeme und simulati-
 onsbasierte Systeme für den Mittelstand“ ist ein
 Technologieprogramm des Bundesministeriums für
 Wirtschaft und Technologie. Bei AUTONOMIK geht
 es um zukunftsweisende Ansätze für die Entwick-
 lung einer neuen Generation von intelligenten
 Werkzeugen und Systemen, die eigenständig in der
 Lage sind, sich via Internet zu vernetzen, Situatio-
 nen zu erkennen, sich wechselnden Einsatzbedin-
 gungen anzupassen und mit Nutzern zu interagie-
 ren. Insgesamt haben sich 14 Projektverbünde,
 u. a. zu fahrerlosen Transportsystemen, robotischen
 Assistenten, autonomen Logistikprozessen und
 Klinikanwendungen für eine Förderung durch das
 BMWi qualifiziert. Die Projekte haben eine Laufzeit
 von durchschnittlich drei Jahren. Rund 100 Un-
 ternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen
 wirken an den Vorhaben mit. Das Projektbudget
 beträgt zusammen ca. 110 Mio. Euro. Die Projekte
 sind: AGILITA, AutASS, AutoBauLog, AutoPnP,
 DyCoNet, LUPO, marion, RAN, RoboGasInspector,
 rorarob, SaLsA, simKMU, smartOR, viEMA.
Industrielle Servicerobotik - Band 4 Studie - BMWi
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1. Einführung – Definition – Markt

Der Siegeszug der Robotik in Produktionsumgebungen ist nicht mehr aufzuhalten. Nicht zuletzt die rasante Entwick-
lung der Robotik hat einen großen Anteil an der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Glaubt man den Experten, steht uns nun nach einem halben Jahrhundert der dominanten Industrierobotik ein halbes
Jahrhundert der Servicerobotik bevor. Die Zahlen belegen diesen Trend.

Mit etwa 2,9 Milliarden Euro Umsatz (2011) weltweit              Seit 1998 wurden insgesamt mehr als 110.000 Service
beansprucht die Servicerobotik zwar momentan noch                Roboter für den professionellen Einsatz in dieser Sta-
einen relativ kleinen Anteil am Gesamtumsatz der                 tistik gezählt:
Robotik-Branche. Seit 2003 steigen die weltweiten
Einsatzzahlen von Servicerobotern jedoch im Schnitt              Laut der Studie World Robotics 2012 Service Robots
um über 20 Prozent jährlich.                                     wird für die Jahre 2012 bis 2015 ein weltweites Markt-
                                                                 volumen von 12,7 Milliarden Euro prognostiziert. Die
Die Gesamtzahl der im Jahr 2011 verkauften, professi-            Hälfte dieses Umsatzes wird durch den Militärbereich
onellen Serviceroboter stieg um 9 % im Vergleich zum             und für landwirtschaftliche Anwendungen generiert.
Jahr 2010 (16.408 Einheiten im Vergleich zu 15.027).             Weltweit existieren derzeit über 100.000 eingesetzte

Mehr als 1,5 Millionen Roboter werden 2015 weltweit im Einsatz sein

'000 of units

1800

                                                                                                   2013 – 2015:
                                                                                                   + 8 % per year on average
1600

1400

                                                                                          + 10 %
1200

1000

 800

 600

 400

 200

   0
           2002   2003     2004      2005   2006   2007   2008     2009    2010   2011    2012*    2013*      2014*     2015*

2002 – 2015 (forecast)
Quelle: Worlds Robotics 2012, VDMA
Industrielle Servicerobotik - Band 4 Studie - BMWi
6                                                                                     1. Einführung – Definition – Markt

Serviceroboter-Systeme und belegen die technische
und wirtschaftliche Machbarkeit der Automatisierung         trieroboter nicht hat. Serviceroboter zeichnen sich
eines weiten Spektrums an Dienstleistungstätigkeiten.       generell durch größere Flexibilität und höhere
                                                            Autonomie aus. Es wird ihnen möglich sein, zu-
Auch nach Einschätzung der EU sind autonome, mo-            künftig viele Aufgaben und Assistenzhandlungen
bile Roboter für die Produktion, Logistik und Dienst-       anstelle eines oder in Ergänzung zum Menschen
leistung für die Wettbewerbsfähigkeit von Europa            auszuführen. Dabei agieren sie als sogenannte
von strategischer Bedeutung bei der Fertigung in der        Co-Worker, um in enger Kollaboration mit dem
Hochlohnregion Europa.                                      Menschen komplexe Aufgaben zu erledigen.
                                                            Insofern sind erste, in der Industrie eingesetzte
Für das Jahr 2025 darf erwartet werden, dass die            Serviceroboter nicht für die Massenproduktion
Servicerobotik zum zentralen Element in Wertschöp-          entwickelt worden, sondern um höherwertige,
fungsketten wird und einen entscheidenden Wettbe-           individuelle Handlungen, häufig (semi-) autonom
werbsvorteil für die deutsche Wirtschaft darstellt. Im      ausführen zu können.
Vordergrund stehen hier die Zahlen für Servicerobotik-
produkte im Bereich Militär, Sicherheit, Überwachung,
Reinigung und mobile Plattformen. Hieraus kann            Servicerobotik als Schlüssel zu effizienterer
zumindest für Serviceroboter zur Überwachung und          Wertschöpfung
Intervention sowie autonom agierende Serviceroboter
ein spürbares Marktwachstum in den nächsten zehn          Aber nicht nur die Zahlen belegen das wirtschaftli-
Jahren abgeleitet werden.                                 che Potenzial der Servicerobotik. In einer durch den
                                                          demographischen Wandel beständig älter werdenden
                                                          Gesellschaft gewinnt die Rolle assistierender Ser-
                                                          viceroboter sowohl im privaten als auch betrieblichen
    Servicerobotik                                        Kontext zunehmend an Bedeutung. Im Jahr 2035 wird
                                                          in Deutschland mehr als die Hälfte der Bevölkerung
    Mit dem Begriff Industrielle Servicerobotik wer-      50 Jahre oder älter und jeder Dritte älter als 60 Jahre
    den robotische Systeme bezeichnet, die nicht wie      sein. Qualifizierte Mitarbeiter werden ein knappes Gut.
    bei der Industrierobotik nahezu ausschließlich in     Daher ist zu erwarten, dass der Servicerobotik eine
    der Fertigung von Massenprodukten eingesetzt          wesentliche Rolle in der industriellen Produktion zu-
    werden, sondern als Folge ihrer erweiterten Fähig-    fallen wird, um die wachsende demographische Lücke
    keiten in vielen Anwendungsfeldern innovative         zu füllen.
    Prozesse und Dienstleistungen ermöglichen. Die
    Verbindung aus Service und Robotik impliziert die     Wegen ständig steigender Lebenserwartung und
    Verbindung eines Dienstes oder einer Dienstleis-      sinkender Geburtenrate sind in Japan bereits mehrere
    tung für den Menschen, während Robotik auf die        Initiativen gestartet worden, um Serviceroboter zu
    automatische und i.d.R. selbstständige Ausführung     entwickeln. Diese sollen sowohl assistive Aufgaben
    der betreffenden Dienstleistung abzielt. Demnach      zur Unterstützung älterer Menschen übernehmen, als
    wird heute unter einem Serviceroboter ein meist       auch insgesamt die geringere Anzahl an arbeitsfähigen
    mobiler Roboter verstanden, der Dienstleistungen      Menschen ergänzen. Obwohl die Lage in Deutschland
    entweder in direkter Kollaboration mit dem Nut-       nicht ganz so dramatisch wie in Japan ist, muss auch
    zer oder völlig autonom erbringt. Der Servicero-      hier mit einem schnell anwachsenden Bevölkerungs-
    boter unterscheidet sich somit grundlegend von        anteil älterer Menschen gerechnet werden.
    einem Industrieroboter, da er zur Durchführung
    seiner Aufgaben besondere Fähigkeiten benötigt        Auch die Akzeptanz für Serviceroboter nimmt weiter
    (z. B. Umfelderfassung und Interpretation, Lernfä-    zu. Die private Nutzung von einfachen Servicerobotern
    higkeit, einfache Instruierbarkeit), die ein Indus-   wie Staub- oder Rasenmähroboter tragen ihren Teil
Industrielle Servicerobotik - Band 4 Studie - BMWi
1. Einführung – Definition – Markt                                                                               7

dazu bei. Ob als Unterstützung im Alltag Älterer oder      finden sich etwa in der Sprach- oder Gestensteuerung.
als effiziente Helfer in der Produktion: die Servicero-    Ziel der Entwicklungen ist eine einfache und zuverläs-
botik entwickelt sich langfristig zu einem wichtigen       sige Kommunikation, die auch Laien-Anwender in die
Wertschöpfungsfaktor im Dienstleistungs- und               Lage versetzt, den Serviceroboter sicher zu bedienen.
Produktionssektor. Besondere Potenziale vielseitig ein-    Eine Schlüsselrolle in der Mensch-Technik-Interaktion
setzbarer und anpassungsfähiger Serviceroboter liegen      kommt dabei auch der Lernfähigkeit robotischer Syste-
im Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU).        me zu. Erst die Anpassungsfähigkeit an neue Situatio-
In spezialisierten Produktionsprozessen und bei            nen und Aufgaben ermöglicht den flexiblen Einsatz der
kleineren Stückzahlen können Serviceroboter ökono-         Serviceroboter.
misch sinnvoll eingesetzt werden. Investitionen in die
Servicerobotik werden von großem volkswirtschaft-
lichen Interesse sein, um auch in Zukunft die für den      Ländervergleich
Wohlstand Deutschlands erforderliche Wertschöpfung
sicherstellen und wirtschaftlich weiterhin eine interna-   Die Servicerobotik hat sich in verschiedenen Industrie-
tionale Spitzenposition einnehmen zu können.               staaten unterschiedlich schnell entwickelt. In einigen
                                                           Ländern ist die Serviceroboterdichte deutlich höher
                                                           als in anderen. Die Gründe für diese Fokussierung auf
Herausforderungen der Servicerobotik:                      einige wenige Länder liegen unter anderem bei den
Sicherheit, Kosten, Nutzerfreundlichkeit                   vielfältigen notwendigen Voraussetzungen für die
                                                           Entwicklung und den Einsatz von hochentwickelten
Serviceroboter müssen sicher sein, damit sie auto-         Servicerobotern. Als weitere Ursachen für diese Ent-
nom mit Menschen zusammenarbeiten und sich                 wicklung sind eine innovationsfreudige Robotik-In-
ein Arbeitsumfeld teilen können. Voraussetzungen           dustrie, ein notwendig hoher Automatisierungsgrad in
dafür sind unter anderem eine leistungsfähige Umge-        der traditionellen industriellen Produktion, aber auch
bungserkennung, kurze Reaktionszeiten und ein hohe         Unterschiede in der Technikaffinität und Nutzerakzep-
Intelligenz der Serviceroboter-Systeme. Einheitliche       tanz der Bevölkerung zu nennen.
Sicherheitsstandards bei Hard- und Softwarekompo-
nenten und die Weiterentwicklung rechtlicher Rah-          Technologisch ist Deutschland in der Industrierobotik
menbedingungen sind ein weiterer wichtiger Schritt,        sehr gut aufgestellt und steht gemeinsam mit Japan
um die Akzeptanz innerhalb der Anwendergruppen             und Korea an der Spitze. Die Automobilindustrie und
zu steigern und die Verbreitung von Servicerobotern        die Elektronikindustrie sind die Treiber der Ent-
voranzutreiben.                                            wicklung. In Deutschland sind viele technologische
                                                           Innovationen, die auch die Servicerobotik betreffen,
Neben Sicherheitsaspekten ist auch die Reduzierung         aus der industriellen Robotik hervorgegangen. In Japan
von Anschaffungs-, Betriebs und Wartungskosten,            und Korea dagegen, Ländern, in denen eine besonders
sowie das Angebot flexibler Finanzierungsmodelle für       hohe Serviceroboterdichte anzutreffen ist, existiert
Betriebe ein wichtiger Faktor, um das Wachstumspo-         ein eindeutiger Fokus auf den Heimbereich bei Ser-
tenzial der Servicerobotik weiter auszubauen.              vicerobotern. Zudem kann bereits auf erste Ansätze
                                                           von definierten Hard- und Softwareschnittstellen
Einheitliche Hard- und Softwarestandards ermöglichen       zurückgegriffen werden, die durch Modularisierung
eine einfache Verknüpfung unterschiedlicher System-        einfache Austauschbarkeit der Komponenten, soge-
komponenten nach dem „Baukasten-Prinzip“. Zuliefe-         nanntes „Plug&Play“, ermöglichen. In beiden Ländern
rer können so höhere Stückzahlen produzieren und die       werden Serviceroboter bereits vielfach in öffentlichen
Produktionskosten für Serviceroboter weiter senken.        Einrichtungen, wie zum Beispiel Krankenhäusern zum
Für eine effektive Zusammenarbeit von Mensch und           Transport bzw. an Grenzübergängen zur Überwachung,
Serviceroboter ist eine einfache und intuitive Bedie-      aber auch in Privathaushalten, zum Beispiel als Haus-
nung Voraussetzung. Viel versprechende Ansätze             haltsroboter zum Reinigen von Böden, eingesetzt.
Industrielle Servicerobotik - Band 4 Studie - BMWi
8                                                                                    1. Einführung – Definition – Markt

Hand-Exoskelett

Weiterhin ist bei der Bevölkerung dieser asiatischen     In China sind bisher in erster Linie Industrieroboter im
Länder traditionell sowohl eine größere Technikaffini-   Einsatz. Es wird damit gerechnet, dass China spätestens
tät als auch Technikakzeptanz vorzufinden. Insgesamt     bis 2015 in diesem Bereich die meisten Roboter welt-
sind dennoch als Barrieren für weitere erfolgreiche      weit einsetzen wird.
Serviceroboter-Anwendungsfelder technologische
und ökonomische, aber auch gesellschaftliche Aspekte     Es werden zukünftig in Europa, Asien und in den USA
wesentlich.                                              erhebliche Mittel zur Verfügung stehen, deren Auswir-
                                                         kungen sich jedoch erst in den nächsten Jahren zeigen
In den Vereinigten Staaten werden Serviceroboter         werden. Aktuellen Schätzungen zufolge stellt sich der
wie der Staubsauger Roomba zwar ebenfalls bereits        Vergleich zwischen Aktivitäten und den erreichten
millionenfach eingesetzt, die meisten industrienahen     Ergebnissen wie folgt dar:
Serviceroboter werden jedoch aus Asien oder Europa
importiert. Als technologische Innovatoren fungieren
in den USA vor allem Rüstungsunternehmen und mili-
tärische Forschungsprogramme.
Industrielle Servicerobotik - Band 4 Studie - BMWi
1. Einführung – Definition – Markt                                                                                         9

 Bereiche der Robotik /                  Grad der Aktivitäten, Ergebnisse und Bewertung
 Servicerobotik
                                         USA               China            Japan       Korea       Europa   Deutschland
 Universitäre Grundlagenforschung        sehr hoch         gering           hoch        mittel      mittel   hoch

 Anwendungsbezogene                      mittel            gering           sehr hoch   hoch        hoch     hoch
 Industrieforschung (nationale
 Labors in Zusammenarbeit)

 Nationale oder multinationale           mittel            k. A.            sehr hoch   sehr hoch   hoch     hoch
 Forschungsinitiativen oder
 Programme

 Forschung-Industrie-Politik Part-       gering            k. A.            sehr hoch   sehr hoch   hoch     hoch
 nerschaften, Unternehmenskoope-
 rationen

 Roboter-Fahrzeuge:                      gut / sehr gut    k. A.            gering      gering      gut      gut
 Militär und Zivil

 Weltraumrobotertechnik                  sehr gut          k. A.            gering      k. A.       mittel   mittel

 Humanoide Roboter                       gering            k. A.            sehr gut    gut         gering   gering

 Industrieroboter:                       gering            gering           sehr gut    gering      mittel   sehr gut
 Fertigung

 Serviceroboter:                         gering            k. A.            mittel      gut         mittel   mittel
 sonstige, nicht in der Fertigung

 Personenbezogene Roboter:               mittel            k. A.            gut         gut         mittel   mittel
 Wohnung

 Biologische /                           gut               k. A.            gering      gering      gut      gut
 biomedizinische Anwendungen

Tabelle 1: Bereiche der Servicerobotik, Aktivitäten und Ergebnisse der Länder
Quelle: Einschätzung der VDI / VDE - IT 2012
Industrielle Servicerobotik - Band 4 Studie - BMWi
10

2. Aktuelle Anwendungsfelder und
    Anwendungen der Service­robotik

Es wird erwartet, dass in Deutschland – anders als etwa in Asien – die Diffusion der Servicerobotik über den Weg
neuester, für die Servicerobotik adaptierbarer Entwicklungen aus der Industrierobotik stattfinden wird.

Die Servicerobotik bietet Funktionalitäten, die von           Regel autonom, sind mit einer Reihe von Sensoren zur
heutigen Industrierobotern nicht erreicht werden.             Erfassung der Umgebung ausgestattet, sind energie-
So können u. a. eigentlich schwer automatisierbare            autark (Batterien) und besitzen ein Mindestmaß an
Arbeitsabläufe durch robotische Assistenz wesentlich         „Intelligenz“, um u. a. den Abgleich von Umwelt-
unterstützt werden.                                           informationen auf die Aufgabenstellung vornehmen
                                                              zu können. Die Kommunikation mit anderen Sys-
Besonders deutlich werden die Unterschiede in An-             temen oder mit dem Menschen muss üblicherweise
wendungsbereichen der kommerziellen und privaten              über Drahtlossysteme sowie optische und akustische
Servicedienstleistungen. Hier leisten bereits heute           Schnittstellen geschehen. Auch wurden bereits erste
sogenannte Wachroboter, die in ihrer Wirtschaftlich-          Prototypen von Servicerobotern, die im industriellen
keit und Effizienz unumstritten sind, wertvolle Dienste.      Umfeld den Werker bei seiner Arbeit unterstützen, im
Auch für andere Anwendungsfelder gibt es bereits              realen Einsatz getestet.
kommerziell verfügbare Lösungen. Dazu zählen
                                                             Von besonderer Bedeutung für Servicerobotik-Sys-
→ 
  Floorcleaner,                                              teme sind Antworten auf die Frage, unter welchen
                                                             Voraussetzungen Serviceroboter für eine Vielzahl von
→ 
  Exoskelette,                                               Anwendungsbereichen wirtschaftlich einsetzbar sind
→ 
  autonome Transportfahrzeuge und                            und welche technischen oder technologischen Hürden
→ 
  autonome Flugsysteme zur Überwachung.                      hierzu in naher Zukunft überwunden werden müssen.
                                                             Die im Folgenden dargestellte Tabelle zu Anwendungs-
Die bereits vorhandenen Fähigkeiten von Servicerobo-         bereichen und Anwendungsfeldern entstand durch
tern decken also einen Bereich ab, der von klassischen       die Klassifizierung der aktuellen Entwicklungen im
Industrierobotern nicht erreicht und auch nicht erwar-       Themenfeld der Servicerobotik.
tet wird. Die realisierten Serviceroboter agieren in der
2. Aktuelle Anwendungsfelder und Anwendungen der Service­robotik                                                             11

Anwendungsfelder und -Bereiche der Servicerobotik

                                          Anwendungsfelder

                                          Industrie         Kommerzielle       Häuslicher         Sicherheit    Raumfahrt
                                                            Dienstleistung     Service

               Robotischer Arbeiter             3.1                3.1
               (autonom)

               Robotischer Co-worker            3.2                3.2
               Assistenzroboter
               ­(Roboter-Mensch)

Anwen-         Logistik Roboter
dungs-
bereiche       Roboter zur Überwa-                                                                      3.3
               chung und Intervention

               Roboter zur Exploration,                            3.4
               Inspektion und Wartung

               Roboter zur
               Schulung und für Spiele

Tabelle: 2
Quelle: VDI / VDE-IT

Die in Tabelle 2 hervorgehobenen Anwendungsfelder                        te Aufgaben selbstständig und unbeaufsichtigt zu
decken die Anwendungsszenarien und Bereiche ab, die                      bearbeiten. Man könnte diesen Robotertyp auch als
sowohl nach Ansicht der Autoren als auch von inter-                      einen autonom agierenden Serviceroboter bezeichnen,
nationalen Fachkreisen1 zukünftig für eine Vielzahl                      der beliebig oft und einfach an die durchzuführenden
von Applikationen an Bedeutung gewinnen können.                          Arbeitsprozesse angepasst werden kann. Im Vorder-
Die Darstellung kann als Anhaltspunkt in Bezug auf                       grund steht die Fertigung kleiner Serien. Durch diese
zukünftig tragfähige und wirtschaftlich relevante Ent-                   Fähigkeiten könnten robotische Arbeiter prinzipiell
wicklungen lohnenswerter Felder verstanden werden                        auch im Bergbau, in der Forst- und Landwirtschaft,
und markiert auch die Bereiche der Servicerobotik,                       beim Recycling und Rückbau sowie bei der Wartung
in denen bereits erste Entwicklungen stattgefunden                       und Reinigung eingesetzt werden.
haben.
                                                                         Die Aktionen der robotischen Arbeiter werden im All-
                                                                         gemeinen nicht durch den Menschen, sondern von den
2.1 Einsatz in industriellen Anwendungen                                 zu bearbeitenden Objekten ausgelöst. Auch Prozesse
                                                                         können hier die Aktionen bestimmen. Die in diesem
Die Vorstufe zum Assistenzroboter, der mit dem                           Bereich verfügbaren Anwendungen sind u.a. Roboter
Menschen innerhalb eines industriell durchzuführen-                      für die schnelle und adaptive Fertigung für geringe
den Prozesses interagiert, ist der robotische Arbeiter.                  bis mittlere Stückzahlen in einem begrenzten Umfeld
Er wird als ein weitgehend autonomer Fertigungsro-                       (heute aufgrund von Beschränkungen und möglichen
boter angesehen, der in der Lage ist, innerhalb eines                    Gefährdungen meist in einer Fertigungszelle).
festgelegten Rahmens flexibel und adaptiv bestimm-
1
    Diskussionen im Rahmen der Automatica 2012, HMI 2012 und und des EUROP-Meetings Odense 2012
12                                                         2. Aktuelle Anwendungsfelder und Anwendungen der Service­robotik

Voraussetzung dafür sind die gegenüber bisherigen         Erste Entwicklungen sind für den kommerziellen
Industrierobotern verbesserten Fähigkeiten auf der        Einsatz in der Werkstatt und industriellen Produktion
Basis neuer Sensorik, Sensorfusion und Software. Sie      von Kleinserien vorgesehen, allerdings sind in Zukunft
ermöglichen auch die einfache Anpassung an Ände-          auch Anwendungen in der Agrar- und Forstwirtschaft,
rungen im Arbeitsprozess durch robotereigenes Pro-        der Bauwirtschaft, im Handwerk oder im häuslichen
zesswissen und intelligente Verfahren der Instruktion     Bereich (Home Care) denkbar. Aber auch Assistenz-
durch einen Menschen.                                     funktionen im medizinischen Bereich, insbesondere
                                                          im Krankenhaus (OP-Roboter, Rehabilitation, etc.)
Neben den ortsfest agierenden Servicerobotern ge-         kommen für eine Umsetzung infrage.
winnen mobile Servicerobotik-Systeme an Bedeutung.
Sie können sich je nach auszuführendem Prozess z. B.       Die aktuellen Entwicklungen haben vor allem ein
auf vorgegebenen Bahnen zwischen den jeweiligen            hohes Maß an Alltagstauglichkeit und eine einfache
Arbeitsplätzen bewegen. Zur Umgebungserfassung            „Unterweisung“ des Serviceroboters im Fokus. Dabei
und Navigation ist ein gewisser Grad an „Intelligenz“      soll das System wesentliche Instruktionen z. B. durch
und „Lernfähigkeit“ erforderlich. Betreffende Systeme     „Zeigen“ und „Vormachen“ erlernen. Jedoch sind die
haben das Prototypenstadium noch nicht wesentlich          taktilen Fähigkeiten (Tastsinn) sowie die Erfassung
überschritten.                                             und Interpretationen der Umgebungen (Recognition,
                                                           Tracking, Classification) in Echtzeit noch nicht ausrei-
In allen genannten Bereichen sowie im industriellen        chend entwickelt. Aktuelle Forschungen befassen sich
Umfeld werden bereits heute erste robotische Systeme       u.a. mit der Entwicklung leistungsfähiger Mensch-Ma-
getestet. Obwohl die hier adressierten robotischen         schine-Interfacees (HMI) zur Instruktion derartiger
Systeme eine nur geringe oder bedingt vorhandene           Servicerobotik-Systeme. Die dabei bisher erreichten
Alltagstauglichkeit aufweisen, werden sie heute bereits    Ergebnisse sind ermutigend, jedoch für einen kommer-
als Serviceroboter bezeichnet, da ihre Fähigkeiten für     ziellen Einsatz noch nicht ausreichend.
die Servicerobotik von hoher Bedeutung sind.
                                                          Fähigkeiten wie die Wiederholgenauigkeit, das Tragen
                                                          und genaue Positionieren unterschiedlich schwerer
2.2 Assistenzroboter                                      Objekte sind aufgrund leistungsfähiger Sensorik und
                                                          Adaptionsfähigkeit bereits Stand der Technik und im
Robotische Co-Worker oder Assistenzroboter sind           industriellen Einsatz nötig. Auch die Erstellung eines
aufgrund ihrer                                            dynamischen Menschmodells, das eine unabdingbare
     1. im Rahmen des vorgegebenen Kontextes             Voraussetzung zur Darstellung der Mensch-Robo-
         frei bestimmbaren Funktionalität,                ter-Kooperation (MRK-Applikationen) ist, wurde be-
                                                          reits erfolgreich getestet und in realistischen Demons-
     2. Adaptionsfähigkeit an entsprechende Prozesse,     trationen gezeigt (u.a. AUTONOMIK-Projekt rorarob).
     3. s ensorischen Fähigkeiten wie Umgebungs-         Die betreffenden Entwicklungen befinden sich in der
         erfassung in Echtzeit,                           Erprobungsphase.
     4. L
         ernfähigkeit bzw. leichten Instruierbarkeit
        und ihrer                                         In der Industrie eingesetzte Systeme (Bosch) können
                                                          zwar hinreichend akkurat Aufgaben in einem ver-
     5. Kommunikationsfähigkeit mit dem Menschen         teilten Fertigungsprozess durchführen, die Übergabe
                                                          des bearbeiteten Werkstücks an den Menschen hängt
als echte Serviceroboter zu verstehen. Der robotische     jedoch davon ab, wann dieser mit seinen Arbeiten
Co-Worker ist speziell für die Zusammenarbeit mit         fertig ist. Bisher muss der Werker ein Signal geben (z. B.
dem Menschen vorgesehen. Kennzeichnend ist die den        Knopfdruck), damit der Serviceroboter weiß „jetzt bin
Menschen (Arbeiter) in unterschiedlichem Arbeitskon-      ich wieder dran“. Mit entsprechender Intelligenz könn-
text unterstützende Funktion. Die Anwendungsberei-        te der Serviceroboter diesen Moment selbst erkennen.
che können sehr breit gestreut sein.
2. Aktuelle Anwendungsfelder und Anwendungen der Service­robotik                                                         13

rorarob-Montagesimulation

Dieser sehr klein anmutende Schritt, das Mitdenken im              2.3 Serviceroboter zur Überwachung
Prozess, stellt jedoch sehr hohe Anforderungen an die                   und Intervention
perzeptive Intelligenz und an das Kontextwissen des
Roboters. Zusätzlich ist ein Minimum an Lernfähigkeit              Serviceroboter zur Überwachung und Intervention
notwendig, um sich auf Varianzen im Prozess einstel-               sind in der Regel mobile und autonom agierende
len zu können. Zwischen kooperierenden Robotern                    Service­roboter. Diese Klasse von Servicerobotern führt
wird diese Fähigkeit größtenteils durch die übergeord-             im Gegensatz zum Co-Worker ihre Funktionen völlig
nete Prozesssteuerung ersetzt.                                     autonom, also nicht notwendigerweise in direkter Ko-
                                                                   operation mit Menschen, aus. Kennzeichnend sind je
Es zeigt sich, dass das Thema Mobilität einen zusätzli-            nach Anwendungsbereich die erforderliche Mobilität,
chen Komplexitätsgrad darstellt, der durchaus un-                  die Fähigkeit zur Navigation in einer unstrukturierten
abhängig vom eigentlich durchzuführenden Prozess                   und ggf. sich bewegenden Umgebung, die Fähigkeit,
behandelt werden kann. Im industriellen Umfeld sind                dieses Umfeld zu erkennen, zu interpretieren und zu
intelligente Hol- und Bringdienste (z. B. Werkstück                klassifizieren sowie Objekte zu verfolgen (recogni-
annehmen, transportieren, Werkstück anreichen;                     tion, tracking and classification). Zur Durchführung
AUTONOMIK-Projekt: AGILITA) im Fokus der Be-                       der spezifischen Aufgaben muss ein gewisses Maß
trachtung. Im Unterschied zu einem Fahrerlosen                     an „Intelligenz“ und „Lernfähigkeit“ vorhanden sein.
Transportsystem (FTS) sind jedoch die Assistenzfunk-               Zudem sind besondere Fähigkeiten zum Austausch von
tionalitäten zur Übergabe eines Werkstücks an den                  Informationen aller Art, zum Beispiel mit anderen Sys-
Werker bzw. Übernahme vom Werker wesentlich.                       temen oder Servicerobotern erforderlich. Die Kommu-
                                                                   nikation findet drahtlos statt, beispielsweise mit nicht
                                                                   störbaren Kommunikationsverfahren.
14                                                         2. Aktuelle Anwendungsfelder und Anwendungen der Service­robotik

Die größten Anforderungen werden an Serviceroboter
zur Überwachung und Wartung in Gebäuden oder auf
dem Gelände gestellt. Hier sind vor allem robuste und
störungssichere Fortbewegungsmodule (Mobilitäts-
plattformen) erforderlich, die über eine zuverlässige
Steuerung und Koordination verfügen. Gleiches gilt
für die Navigation. Für den Einsatz in bzw. aus der Luft
oder unter Wasser sind diese Anforderungen erstaunli-
cherweise weniger komplex, weil es weniger Probleme
mit Hindernissen gibt (Balkenproblem).

Inzwischen ist die Entwicklung derartiger Systeme
weit fortgeschritten. Ursache hierfür sind vor allem
die Bemühungen der USA, konventionelle Systeme im
Bereich Verteidigung und „Homeland Security“ durch
automatische bzw. autonome Systeme zu ersetzen
(Aufklärungsdrohnen und Drohnen zur Intervention           RoboGasInspector findet Gaslecks

sind aktuell im Einsatz u.a. in Afghanistan und Pakis-
tan). Die zur Verfügung stehenden Finanzmittel sind
hier um ein vielfaches höher als diejenigen für zivile     Während sich ein an Land operierender Inspektions-
bzw. kommerzielle Entwicklungen.                           und Wartungsroboter per Funk, GPS und weitere
                                                           Kommunikations- und Lokalisierungsverfahren orien-
Die betreffenden Systeme werden heute weitgehend           tieren kann, ist dies unter Wasser nur mithilfe weiterer
aus militärischen Entwicklungen abgeleitet. Im pri-        Orientierungs- und Navigationsverfahren möglich. Sie
vaten Umfeld ist diese Klasse von Servicerobotern u.a.     sorgen dafür, dass sich der Inspektions- und War-
mangels Bedarf, Akzeptanz und aufgrund der hohen           tungsroboter genau orientieren, selbst lokalisieren
Systempreise kaum anzutreffen.                             und parallel dazu eine Karte der eigenen Umgebung
                                                           erstellen bzw. sich anhand einer vorgegebenen Karte
                                                           orientieren kann.
2.4 S erviceroboter zur Exploration,
    ­Inspektion und Wartung                                Die Beurteilung des zu prüfenden Gutes (Unterseeka-
                                                           bel) oder der zu messenden Parameter (CH4-Gehalt)
Serviceroboter zur Exploration, Inspektion und             wird von am Serviceroboter vorhandenen Sensoren
Wartung haben in der jüngsten Vergangenheit eine           oder Sensorclustern ermöglicht. Besitzt der Ser-
wachsende Aktualität gewonnen. Einsatzszenarien wie        viceroboter die entsprechende „Intelligenz“, ist eine
sie bei dem Reaktorunfall in Fukushima entstanden,         unmittelbare Aus- und Bewertung der vorgefundenen
befeuern die Entwicklungen entsprechender Ser-             Situation und damit die direkte Intervention möglich
vicerobotersysteme. Ein weiteres Anwendungsfeld sind       (z. B. Absperren eines Ventils; AUTONOMIK-Projekt:
sogenannte AUV’s (Autonomous Underwater Vehicle)           RoboGasInspector). Allerdings wird für die Wartung
zur Inspektion von Pipelines und Unterseekabeln.           ein geeigneter Manipulator benötigt.
Diese Arbeiten werden heute noch häufig von RUV’s
(Remote controlled Underwater Vehicle’s) erledigt, also
von schiffsgeführten Missionen mit entsprechendem
Technik-, Personal- und Kosteneinsatz. Gleiches gilt für
die Erkundung von submarinen Lagerstätten und das
Auffinden von verlorengegangenem Gut (Reaktorkerne
russischer U-Boote in der Barentssee).
15

3. Beispiele Industrieller Servicerobotik aus den
    AUTONOMIK-Projekten

AutoBauLog                                                    ponenten ohne großen Aufwand ausgetauscht oder
                                                              bestehende Robotersysteme erweitert werden können.
Im Projekt AutoBauLog werden Baumaschinen einer
Großbaustelle intelligent vernetzt, so dass sie ihre Situa-   Der Austausch mit oder die Erweiterung um einzelne
tion im Zusammenhang mit den ihnen übertragenen               Komponenten ist innerhalb eines Serviceroboter-Sys-
Aufgaben wahrnehmen, bewerten und optimieren kön-             tems nur möglich, wenn die einzelnen Bestandteile
nen. Dazu werden sie in die Lage versetzt, als weitgehend     miteinander kompatibel sind. Diese Plug&Play-Fähig-
eigenständige und zielgesteuerte Einheiten zu handeln.        keit der Komponenten verkürzt nicht nur den Produk-
                                                              tionsaufwand der Maschinen, sondern ermöglicht auch
Die im Projekt AutoBauLog eingesetzten servicero-             eine kostengünstigere und schnellere Wartung.
botischen Baumaschinen sollen selbständig mitei-
nander kooperieren und damit einen effektiveren               AutoPnP entwickelt eine offene Software-Infrastruk-
Baustellenbetrieb ermöglichen. Eine wesentliche Rolle         tur, in die neue Komponenten wie Prozessoren, Sen-
spielt dabei die sinnvolle Koordination der einzelnen         soren und Aktoren unkompliziert integriert werden
Akteure, wie Bagger, LKW oder Walzen. Um unge-                können, ähnlich neuer Software-Module beim PC.
wollte Leerlaufphasen im Bauprozess zu vermeiden              Gleichzeitig erforscht das Projekt, wie Serviceroboter
ist es notwendig, dass sich die einzelnen Maschinen           ihr Zusammenspiel, z. B. in einer Produktionsstraße,
miteinander absprechen. Gleichzeitig müssen sie               möglichst autonom organisieren können. Analog zur
kontinuierlich über den Baufortschritt berichten. Die         Informationstechnik, bei der eine sogenannte ser-
Informationen zu den einzelnen Bauprozessen müssen            viceorientierte Architektur (SOA) dazu dient, Dienste
an zentraler Stelle zusammengeführt, strukturiert und         einheitlich zu beschreiben und wieder verwendbar
übersichtlich aufbereitet werden.                             zu machen, zielt AutoPnP auf die Entwicklung einer
                                                              neuen Grundlage für eine standardisierte Beschreibung
Durch intelligente Software und Sensorik werden die           von Diensten, Komponenten und Schnittstellen in der
Baumaschinen in die Lage versetzt, ihre Situation im          Automatisierungstechnik.
Zusammenhang mit den ihnen übertragenen Aufgaben
wahrzunehmen und sich zu Maschinenteams zu for-
mieren. Dadurch wird eine weitreichende Kooperation           marion
der am Bauprozess beteiligten Maschinen möglich. Die
Planungsphase des Bauprozesses wird durch Simulati-           Ziel des Projekts marion ist eine Roboterisierung von
onen unterstützt, auf deren Basis dann die Prozesssteu-       Arbeitsprozessen mit autonomen Fahrzeugen unter
erung erfolgt. Hierzu werden die von den einzelnen            Berücksichtigung des gesamten landwirtschaftlichen
Fahrzeugen bereitgestellten Daten in einem zentralen          Wertschöpfungsprozesses. Alle beteiligten Maschinen
Leitstand zusammengeführt. Für eine effektive Koor-           müssen hierfür miteinander kooperieren. Dafür ist es
dination und Prozesskontrolle werden die aktuellen            nicht nur notwendig, dass die Maschinen wie Mähdre-
Prozessdaten der beteiligten Baumaschinen laufend             scher oder Traktoren auf Veränderungen in der Um-
mit den vorgegebenen Prozessdaten verglichen. Die             gebung eigenständig reagieren können, sondern auch,
Visualisierung des Bauprozesses geschieht mit Hilfe           dass sie sich untereinander absprechen und sicher
von Virtual-Reality-Software. So haben die verant-            zusammenarbeiten. Auch die Interaktion zwischen
wortlichen Baustellenbetreiber zu jeder Zeit Einsicht in      autonomen und personengeführten Fahrzeugen stellt
die servicerobotischen Bauprozesse.                           eine wesentliche Herausforderung dar.

                                                              Durch die Fusion unterschiedlicher Sensoren in Kom-
AutoPnP                                                       bination mit Ortungssystemen können die Maschi-
                                                              nen die jeweils vorliegende Situation bewerten. Das
Das Projekt AutoPnP entwickelt einheitliche Hard-             Planungsergebnis wird dann per Funk an die mitei-
und Softwarestandards, damit einzelne Roboterkom-             nander vernetzten mobilen Maschinen übertragen.
16                                                      3. Beispiele Industrieller Servicerobotik aus den AUTONOMIK-Projekten

Autonomes FTS der Still GmbH

Dies versetzt die Fahrzeuge in die Lage, den gesamten     wendig, dass der Serviceroboter sich selbst lokalisiert
Ernteprozess vollkommen eigenständig durchführen          und parallel dazu eine Karte der eigenen Umgebung er-
zu können. Über eine intelligente Planungssoftware        stellt. Diese SLAM-Fähigkeit, Simultaneous Localization
kann der Anwender darüber hinaus die ökonomischen         and Mapping, ist grundlegend für die sichere Mobilität.
und ökologischen Kriterien des Planungssystems indi-
viduell gewichten. Eine vorausschauende Simulation        Die autonome und mobile Serviceroboterplattform,
unterstützt die Optimierung der Planung. Die entwi-       die im RoboGasInspektor verwendet wird, kann sich
ckelten Technologien sind auch auf andere Automa-         durch eine GPS-Lokalisation und RFID-Unterstützung
tisierungsszenarien im innerbetrieblichen Transport       innerhalb eines Geländes verorten. Durch die Vernet-
übertragbar.                                              zung mit dem Internet können nicht lokal gemessene
                                                          oder gespeicherte Daten übermittelt werden, wie z. B.
                                                          aktuelle Wetter- oder Anlageninformationen. Darüber
RoboGasInspector                                          hinaus kann der RoboGasInspektor so mit anderen
                                                          Robotern und dem Anwender kommunizieren.
Wie Roboter frühzeitig Gaslecks in technischen Anla-
gen finden, zeigt das Projekt RoboGasInspektor. Dort
wird ein innovatives Mensch-Maschine-System mit in-       rorarob
telligenten, kooperierenden und mit Gasfernmesstech-
nik ausgestatteten Inspektionsrobotern entwickelt.        Ziel des Projekts rorarob ist die Entwicklung ei-
So können Inspektionen von technischen Anlagen            nes Roboterassistenzsystems zur Bearbeitung von
weitgehend autonom bewältigt werden.                      Schweißaufgaben in der Rohr- und Rahmenfertigung.
                                                          Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine unter
Damit ein Serviceroboter vorbestimmte Wegpunkte           ergonomischen und ökonomischen Aspekten ist ein
autonom anfahren kann, muss er sich innerhalb eines       wesentlicher Aspekt des Projekts.
Raumes genau orientieren können. Hierfür ist es not-
3. Beispiele Industrieller Servicerobotik aus den AUTONOMIK-Projekten                                                           17

Der Roboter unterstützt den Schweißer bei seiner Arbeit                 Sichere und schnelle Fortbewegung durch Umgebungsbild

Um den Schweißer bei seiner Arbeit zu unterstützen,                     SaLsA
muss der Roboter das Werkstück in die für den Arbeits-
prozess günstige Position bewegen. Dabei darf jedoch                    SaLsA entwickelt autonome Transportfahrzeuge, die
kein Sicherheitsrisiko für den beteiligten Facharbeiter                 sich im Außenbereich sicher und schnell in einer ge-
entstehen. Für das Zusammenfügen der komplexen                          meinsamen Arbeitsumgebung mit klassischen perso-
Konstruktionen sind darüber hinaus zusätzliche Daten                    nengeführten Fahrzeugen und Personen bewegen.
über Werkstoffe und Werkzeuge nötig. Diese müssen
dem Schweißer während des Arbeitsprozesses zur                          Ein wichtiger Faktor für die Verbreitung von Service-
Verfügung gestellt werden.                                              robotern ist ihre Fähigkeit, sich autonom, sicher
                                                                        und schnell bewegen zu können. Bisher können sich
Eine 3D-Kamera überwacht den Fertigungsprozess,                         beispielsweise Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF)
damit der Facharbeiter während des Schweißens nicht                     aufgrund von Sicherheitsbestimmungen nur sehr lang-
aus Versehen vom Roboter gestoßen und verletzt wird.                    sam bewegen. Besonders auf großen Betriebsgeländen
Sie erfasst den Arbeiter und fertigt ein jeweils aktuelles              ist ein effektiver Transport so nur bedingt möglich. Um
3D-Modell an. Die Software errechnet ein Gesamtbild                     sich jedoch schnell und sicher fortbewegen zu können,
von Mensch und Maschine und verhindert dadurch                          müssen die Roboter andere Verkehrsteilnehmer wie
ungewollte Kollisionen. Online übertragene Daten zu                     Fußgänger oder personengeführte Fahrzeuge erkennen
den verwendeten Schweiß-Komponenten informieren                         und sie in ihre Routenplanung integrieren. Potenziel-
den Arbeiter zusätzlich über Materialbeschaffenheit                     le Gefahrensituationen müssen frühzeitig erkannt
oder Werkzeuge.                                                         werden. Die Transportroboter müssen dafür über ein
                                                                        Umgebungsbild verfügen, das über den Sichtbereich
                                                                        der Fahrzeuge hinausgeht.
18                                                        3. Beispiele Industrieller Servicerobotik aus den AUTONOMIK-Projekten

Zur Gewährleistung eines sicheren autonomen Fahrens         Wichtig für den flexiblen Wechsel zwischen Hand- und
kombiniert SaLsA Daten aus Fahrzeugsensoren und             automatisierter Montage ist die Möglichkeit, neue
stationären Sensoren sowie weiteren Informationsquel-       Tätigkeiten ohne kompliziertes Anleiten schnell zu
len wie Kartendaten oder Prozessinformationen. Diese        erlernen. Gleichzeitig muss er die Fähigkeit besitzen
Informationen werden zu einem Gesamtmodell der              Werkstücke zu erkennen, von einer Ablage zu greifen
aktuellen Umgebungssituation verknüpft und ermög-           und einen Werkstückträger an einer vordefinierten
lichen SaLsA, auch schwer einsehbare Umgebungen             Stelle einzufügen.
wahrzunehmen. Der Serviceroboter kann so „um die
Ecke schauen“. Das aus den unterschiedlichen Sensor-        Durch die Entwicklung sogenannter Einlern- und Aus-
daten kombinierte Umgebungsmodell ergibt zusammen           führungsstrategien können Arbeiter den Roboter „an
mit Vorhersagetechniken einen Planungshorizont für          die Hand“ nehmen und mit neuen Aufgaben vertraut
die möglichen Bewegungen aller mobilen Objekte. So          machen. In einer Objekt- bzw. Skill-Datenbank werden
können die Transportroboter eine sichere Bahnplanung        vordefinierte und erlernte Bewegungsabläufe gespei-
und Spurführung entwickeln.                                 chert und können bei Bedarf wieder abgerufen werden.
                                                            Über das Internet oder andere Netzwerkverbindun-
                                                            gen kann der Roboter auch auf externe Datenbanken
viEMA                                                       zugreifen und Bewegungsabläufe von anderen Robo-
                                                            tern integrieren. Die sensorgestützte Wahrnehmung
viEMA entwickelt ein skalierbares, roboter- und sen-        ermöglicht dem viEMA-Roboter eine 3D-Objekter-
sorgestütztes Montagekonzept, das je nach Situation den     kennung und ein sicheres Greifen und Anordnen von
Wechsel von Hand- auf Automatenmontage zulässt.             Gegenständen.
19

4. Entwicklungsperspektiven

Neben den bereits genannten Herausforderungen Sicherheit, Kosten und Nutzerfreundlichkeit sind für die Mensch-
Serviceroboter-Kollaboration nachfolgend aufgeführte weitere Forschungsarbeiten notwendig. Nur ein möglichst
interdisziplinäres, paralleles und eng verzahntes Entwickeln aller im Gesamtsystem erforderlichen Komponenten
wird letztlich eine optimale Systemlösung hervorbringen können.

4.1 Wahrnehmung von und Navigation                        lich wie beim Menschen, durch aktive Exploration der
     in der Welt                                           Umwelt Daten gesammelt und bewertet werden. Dies
                                                           ist sowohl für die Robotik- als auch für die Kognitions-
                                                           forschung absolut wesentlich. Dabei bedeutet Lernen
Eine immer noch bestehende Kernproblematik für den
                                                           auch, Abstraktionen zu entwickeln und Begrifflich-
erfolgreichen Einsatz von mobilen Servicerobotern
                                                           keiten oder Sichtweisen zu finden, die das Erfahrene
stellt die Verbesserung der Wahrnehmungsfähigkeiten
                                                           beschreib-, handhab- und überschaubar machen.
dar, um in schneller Geschwindigkeit die Umgebung
                                                           Grundsätzlich wird auf diese Art und Weise aus den
akkurat zu erfassen und zu interpretieren, Hindernisse
                                                           Fehlern gelernt und die Komplexität von Bewegungen
zu erkennen und Objekte zur Bearbeitung zu identifi-
                                                           und Handlungen reduziert. Das Ziel solcher Verfahren
zieren und zu verfolgen. Bei beinahe allen autonomen
                                                           ist letztlich, aktuelle Sensorinformationen so zu nutzen,
Servicerobotern ist der Einsatz von „intelligenten“ Sen-
                                                           dass immer nur das der jeweiligen Situation angemes-
soren vorgesehen, die die eigene Standortbestimmung
                                                           senste Verhalten verwendet wird. Auf diese Weise wird
und Umgebungserfassung vornehmen bzw. erleichtern.
                                                           die Fähigkeit zur Anpassung an die Umwelt forciert,
                                                           die für einen angemessenen Einsatz in dynamischen
Ein wesentliches Ziel wissenschaftlicher Forschung ist
                                                           Umgebungen essentiell ist.
auch das 3D-Sehen in Echtzeit. Dazu ist der Einsatz von
verbesserter Sensorik notwendig, die in Kombination
mit neuen, fortgeschrittenen Verfahren zur Informa-
                                                           4.3 Autonome Interaktion mit der
tions- und Sensorfusion für eine deutlich verbesserte
                                                               ­Umgebung
Datenbasis für die Umgebungserkennung und Ob-
jektidentifikation sorgen soll. Die aktuelle Forschung      Um erfolgreich verschiedene Aufgaben autonom
beschäftigt sich zum Beispiel mit in Spielkonsolen          durchzuführen, ist neben entsprechend fortgeschrit-
eingebauten, und damit günstig verfügbaren, Tiefen-         tenen Wahrnehmungsfähigkeiten und geeigneten
bild-Sensoren (Microsoft Kinect als separates Addon zu      Adaptions- beziehungsweise Lernfähigkeiten auch
Microsofts X-Box), die ein relativ genaues Bild der Um-     eine direkte Interaktionsfähigkeit mit der Umwelt
gebung liefern, aber bei deren Sensorik die Objektun-       von großer Bedeutung. Dabei spielen Fähigkeiten wie
terscheidung noch Schwierigkeiten macht. Weiterhin          das Aufsammeln, Tragen und Positionieren (verkürzt
gibt es Bemühungen vieler Hersteller, entsprechende         im englischen Sprachraum: „Pick-and-Place-Robots“,
Tiefenbildkamera-Sensorik weiter zu verkleinern und        „bin-picking“) von beweglichen Objekten eine große
noch leichter integrierbar zu machen.                       Rolle. Eine große Herausforderung besteht hierbei vor
                                                            allem im Zusammenspiel aus „intelligenter“ taktiler
                                                            und optischer Sensorik und dem Manipulieren von
4.2 Lernfähigkeit und Adaptivität                           Objekten in einer unstrukturierten, dynamischen und
                                                            komplexen Welt, die das Planen und Ausführen von
Die Kognitionsforschung stellt einen weiteren wichti-       Handlungen erschweren. Auch hierfür sind neben
gen Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkt dar.            einer besseren Datenbasis basierend auf immer präzi-
Zur Interpretation und Klassifikation der Umgebung          serer Sensorik hochentwickelte Verfahren des maschi-
und von Objekten in der Umgebung ist neben verbes-          nellen Lernens notwendig, die mittels probabilisti-
serter Sensorik eine entsprechende kognitive Leistung       scher Techniken lernen und Entscheidungen treffen.
notwendig. Hier sind vor allem Verfahren des maschi-        Prinzipiell sind auch die taktilen Fähigkeiten aktueller
nellen Lernens zu erwähnen, bei denen zum Teil, ähn-        Serviceroboter noch nicht ausreichend entwickelt.
20                                                                                           4. Entwicklungsperspektiven

Mehrere aktuelle Forschungsstränge beschäftigen sich       4.5 Energiebedarf und Lebensdauer
zum Beispiel mit sensorischer Roboter-„Haut“, die über
eine große Empfindlichkeit gegenüber Berührungen           Eine gewisse Unabhängigkeit von Energiequellen und
und Temperatureinflüssen verfügt.                          angemessene Ladezeiten sind für autonome Servicero-
                                                           boter essentiell. Ebenfalls wird besonders pflegeleichte
                                                           und wenig wartungsintensive Soft- und Hardware
4.4 Sichere Mensch-Roboter-Interaktion                     erforscht, die den dauerhaften Einsatz erleichtern und
                                                           ökonomisch Sinn machen sollen.
Beim Einsatz von industriellen Servicerobotern ist zu
erwarten, dass eine räumlich und arbeitsteilig enge
Kooperation von menschlichem und robotischem               4.6 Forschungsschwerpunkte in den
Arbeiter stattfinden wird. Ein wünschenswertes, aber            genannten Anwendungsfeldern
noch nicht komplett umgesetztes Ziel aktueller For-
schung besteht dabei darin, über Einlernstrategien den     4.6.1 Assistenzroboter (3.1 und 3.2)
Roboter zu instruieren, so dass er Handlungen und Be-
wegungen unmittelbar an Ort und Stelle übernehmen          In der Landwirtschaft steht je nach Einsatzart beson-
und ausführen kann. Intuitiv nutzbare Gesten- und          ders die Wahrnehmung und Geschwindigkeit und
Sprachsteuerungen sollen gleichfalls für eine einfache-    Wirtschaftlichkeit des Roboters im Vordergrund. Hier
re Programmierbarkeit, aber auch Steuerung sorgen.         ist es erforderlich, dass zum Beispiel Ernteroboter
                                                           innerhalb kürzester Zeit reife von unreifen Früchten
Vor allem durch neuartige Sensorik, die im Zentrum         unterscheiden können, wofür in Echtzeit arbeitende
vieler aktueller Forschungsprojekte steht, soll grö-       optische Sensoren und ausreichend schnelle Aktorik
ßere Sicherheit bei der Mensch-Roboter-Interaktion         nötig sind, um zum Beispiel Greif- und Manipulations-
erreicht werden, die vor allem gerade dann relevant        bewegungen zu realisieren. Weiterhin ist entscheidend,
wird, wenn Roboter und Menschen direkt miteinander         dass etwa Transportroboter auch in sehr unwegsamen,
arbeiten und die Gefahr einer Kollision oder sonstigen     hügeligen Geländen in verschiedenen Witterungsver-
Gefährdung besteht. Zusätzlich wird auch die Gefahr        hältnissen navigieren können müssen. Auch eine funk-
der Manipulation der Steuerungssoftware als poten-         tionierende Hinderniserkennung und, falls gewünscht,
zielles Missbrauchsproblem gesehen und als weiterer        die Fähigkeit, im Schwarm mit anderen Robotern
Forschungsbedarf identifiziert. Es wird erwartet, dass     zusammen agieren zu können, ist von Bedeutung.
sicherheitsrelevante Aspekte einen deutlich höheren
Stellenwert als heute haben werden, sowohl bezüg-          Während in der medizinischen Robotik vor allem
lich der Robustheit gegenüber Missbrauch, als auch         sehr präzises, lokales Arbeiten gefordert ist, und die
hinsichtlich der Betriebssicherheit (Safety & Security).   Mobilität keine große Rolle spielt, ist der Anspruch an
Bei der engen Zusammenarbeit zwischen Mensch und           die Mobilität bei Pflegerobotern generell eher groß.
Roboter wird ebenfalls eine Erkennung des menschli-        In der medizinischen Robotik sollen Roboter zumeist
chen Verhaltens inklusive seiner Intention durch den       innerhalb einer Operationssaal-Umgebung Ärzten und
Roboter angestrebt, um eine bessere Kollaboration          anderen medizinischen Kräften helfen, zum Beispiel
zu ermöglichen. Umgekehrt soll das Verhalten des           indem sie medizinische Instrumente anreichen oder
Roboters für den Menschen jederzeit vorhersehbar und       tatsächlich bei der Operation assistieren. Hierfür
nachvollziehbar sein, um gefährliche Situationen zu        müssen die Kommunikationsfähigkeiten des Roboters
vermeiden und dem Menschen den Umgang mit dem              besonders ausgeprägt und zusätzlich weitentwickelte
Roboter zu erleichtern.                                    Greif- und Manipulationsfähigkeiten vorhanden sein.

                                                           Außerdem ist ein für den Nutzer nachvollziehbares
                                                           Verhalten und ein menschliches Erscheinungsbild des
                                                           Roboters von großer Bedeutung. Ausgestattet mit die-
4. Entwicklungsperspektiven                                                                                    21

                                                          4.6.2 Roboter für Militär, Sicherheit und
                                                                 Überwachung (3.3)

                                                          Für den Schwerpunkt militärische Anwendungen
                                                          und dabei speziell Überwachung und Sicherheit ste-
                                                          hen in der Servicerobotik Mobilitätsaspekte und die
                                                          Weiterentwicklung vorhandener optischer Sensorik
                                                          im Vordergrund. Ob als robotische Gefängniswächter
                                                          oder zur Grenzüberwachung eingesetzt, Roboter zur
                                                          Überwachung und Sicherung von Infrastrukturen,
                                                          Grenzen und Gebäuden benötigen Fähigkeiten, die
                                                          es ihnen ermöglichen, autonom größere Strecken zu
                                                          bewältigen und Areale zu überwachen. Generell hoher
                                                          Bedarf besteht in der Weiterentwicklung von Sensorik
                                                          zur Umfelderkennung, wie zum Beispiel optische oder
                                                          akustische Sensorik, um die Überwachungsfunkti-
                                                          on bestmöglich ausüben zu können. Aber auch hier
                                                          muss weiter an Verfahren geforscht werden, die die
                                                          Kooperation mit anderen Robotern vereinfachen, um
                                                          gemeinsam das zu observierende Objekt oder Gelände
                                                          zu bearbeiten.
Care-O-bot
                                                          4.6.3 Roboter für Inspektion und Wartung (3.4)

sen Fähigkeiten können zur Pflege eingesetzte Roboter     Für Roboter, deren Einsatzgebiete im Wesentlichen bei
Materialien transportieren, aber auch Menschen bei        der Inspektion und Wartung liegen, gelten ähnliche
Bewegungen und anderen Tätigkeiten assistieren. Da-       Herausforderungen wie bei der Assistenzrobotik im
für ist es dringend erforderlich, dass der Roboter auch   industriellen Umfeld. Der Fokus liegt allerdings noch
eine angemessene soziale Kompetenz sowie Kommu-           mehr auf der Mobilität und Autonomie der Roboter,
nikationsfähigkeit besitzt.                               um eine robuste und störungssichere Navigation in
                                                          unstrukturierten Umgebungen vorzunehmen und in
Einen großen Forschungsschwerpunkt im Heimbe-             diesen autark Handlungen durchzuführen. Dazu ist
reich stellt sicherlich die Mensch-Maschine-Schnitt-      gleichfalls fortschrittliche Sensorik zur Umfelderken-
stelle dar. Eine dem Stand der Technik entsprechende      nung und ein hohes Maß an Lernfähigkeit beziehungs-
Sprachkommunikation muss integriert werden, Wahr-         weise Adaption, bestenfalls in Echtzeit, notwendig.
nehmungssensorik muss einwandfrei funktionieren           Zur besseren Datenkommunikation mit diesen zum
und die Aktionen des Roboters müssen nachvollzieh-        Teil sehr verteilten Systemen besteht ein weiterer
bar gestaltet werden. Auch hier ist das äußere Erschei-   Forschungsbedarf auch in verbesserten Kommunikati-
nungsbild für die Nutzerakzeptanz wesentlich. Die         onstechniken sowie Rechner- und Softwaretechniken.
aktuelle Forschung beschäftigt sich mit der Frage, ob     Da diese Roboter häufig weite Strecken zurücklegen
ein Roboter eher ein maschinelles oder ein menschli-      müssen, bestehen auch hohe Anforderungen in Bezug
ches Erscheinungsbild besitzen sollte. Bei Robotern für   auf die Energieautarkie.
den Heimbereich spielt Energieautarkie keine große
Rolle, während, ähnlich wie bei der medizinischen         Die folgende Tabelle gibt eine vorläufige Einschätzung,
Robotik, Fähigkeiten wie die genaue manuelle Mani-        wann die Forschung die aufkommenden Bedarfe vor-
pulation von Objekten und adäquate Bewegungs- und         aussichtlich adressieren und eventuell lösen wird.
Navigationsfähigkeiten relevant sind.
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