Integration von Power to Gas/Power to Liquid in den laufenden Transformationsprozess - position // märz 2016
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position // märz 2016 Integration von Power to Gas/Power to Liquid in den laufenden Transformationsprozess
Impressum Herausgeber: Umweltbundesamt Fachgebiet I 2.2 Postfach 14 06 06813 Dessau-Roßlau Tel: +49 340-2103-0 info@umweltbundesamt.de Internet: www.umweltbundesamt.de /umweltbundesamt.de /umweltbundesamt Autoren: Katja Purr, Dirk Osiek, Martin Lange, Kirsten Adlunger und Andreas Burger, Benno Hain, Kai Kuhnhenn, Harry Lehmann, Lars Mönch, Klaus Müschen, Christopher Proske, Martin Schmied, Carla Vollmer Publikationen als pdf: www.umweltbundesamt.de/publikationen/integration-von- power-to-gaspower-to-liquid-in-den Bildquellen: currahee_shutter | fotolia.com Stand: März 2016 ISSN 2363-829X
Inhalt
1 Kernthesen 4
2 Einleitung 6
3 Kurzbeschreibung der PtG/PtL - Technik 7
4 Rolle und Perspektive für PtG/PtL im Energiesystem 8
Strom 8
Wärme9
Verkehr10
Industrie10
5 Derzeitige ökonomische Rahmenbedingungen in Deutschland 11
6 Systemische Herausforderungen bei der Integration von Power
to Gas/Power to Liquid im Transformationsprozess 13
Substitutionswirkung von neuen Stromverbrauchern im Transformationsprozess 13
Kohlenstoffquelle für PtG/PtL-Anlagen 15
7 Empfehlungen für die nächsten Jahre 16
Schrittweise Integration in bestehende Strukturen 17
Forschungsbedarf19
8 Fazit 201 Kernthesen Ziel dieses Positionspapiers ist es, aus dem derzeitigen Kenntnisstand des Umweltbundesamts die Rolle und Perspektive von Power to Gas/Power to Liquid (PtG/PtL) in einem vollständig regenerativen Energiesystem einzuschätzen und insbesondere die Herausforderungen bei der Integration und Weiterentwicklung dieser Technik im laufenden Transformationsprozess in den nächsten Jahren zu benennen. Dabei wird auch der Ver- gleich zu anderen Power to X-Optionen und deren Treibhausgasminderungswirkung dargestellt. Der geografi- sche Fokus der Betrachtungen liegt dabei auf Deutschland, wohlwissend, dass eine vollständige regenerative Energieversorgung Deutschlands insbesondere aus ökonomischen Gründen langfristig in eine internationale Energiepolitik eingebettet sein muss. Unsere zentralen Botschaften sind: ▸▸ Um die bestehenden langfristigen deutschen Klimaschutzziele (Reduktion der Treibhausgase um 95 Prozent gegenüber 1990) sicher zu erreichen, ist eine regenerative treibhausgasneutrale Energieversorgung über alle Sektoren und Anwendungen in Industrie, Haushalten und Verkehr notwendig. Zur Bestimmung, wann und in welchem Maße PtG/PtL-Techniken notwendig und sinnvoll sind, ist eine ganzheitliche Betrachtung des Energiesystems und seiner Entwicklung notwendig. ▸▸ In einem Energiesystem, das ausschließlich regenerative Energieträger nutzt und in dem gleichzeitig An- baubiomasse nicht energetisch genutzt wird, müssen zur Erreichung eines 95-prozentigen Klimaschutzzie- les auch der Wärmebereich und der Verkehrssektor mit strombasierter Energie versorgt werden. Die kli- mafreundliche Integration der neuen Verbraucher in das Gesamtenergiesystem sollte oberste Prämisse sein. ▸▸ Nur durch die Nutzung von PtG/PtL besteht langfristig die Möglichkeit, eine vollständige regenerative Ener- gieversorgung ohne die energetische Nutzung von Anbaubiomasse zu realisieren. Die langfristige Verfüg- barkeit der PtG/PtL-Technik ist daher von zentraler Bedeutung und muss bei der Gestaltung des Transfor- mationsprozesses bedacht werden. (siehe Abschnitt 4, S.8) ▸▸ Perspektivisch müssen die EE-Ausbauziele und die im Energiekonzept der Bundesregierung gesetzten Stromeinsparziele so an die Integration der neuen zusätzlichen Stromverbraucher angepasst werden, dass die Klimaschutzziele sicher erreicht werden. (siehe Abschnitt 6, S.13 ff) ▸▸ Für eine regenerative, strombasierte Energieversorgung im Bereich Wärme und für Teile des Verkehrsberei- ches stehen bereits jetzt Techniken wie Power to Heat (PtH) und Elektromobilität zur Verfügung. Diese sind marktreif, erzielen höhere CO2-Einsparungen pro kWh bereitgestellte Endenergie und sind zumindest kurz- und mittelfristig kostengünstiger als PtG/PtL. (siehe Abschnitt 6, S.13 ff) ▸▸ Die derzeitigen EE-Überschüsse reichen bei weitem nicht für den wirtschaftlichen Betrieb von PtG/PtL-An- lagen aus. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen würde der Betrieb großtechnischer PtG/PtL-Anlagen in Deutschland daher zu einer höheren Auslastung der konventionellen Stromerzeugung und zur Verbesse- rung der Wirtschaftlichkeit fossiler Kraftwerke führen. Dies würde faktisch einer Energiewandlung fossiler Energieträger zu Gas (Coal/Gas-to-Gas) oder flüssige Kraftstoffe (Coal/Gas to Liquid) gleichkommen. Die CO2-Belastung der aus Strom erzeugten Brenn-, Roh- und Kraftstoffe würde ein Mehrfaches im Vergleich zur direkten Nutzung der fossilen Energieträger betragen. Dies würde die Erreichung der Klimaschutzziele im erheblichen Maße gefährden und muss vermieden werden. Daher empfehlen wir, dass PtG/PtL-Anlagen in den nächsten Jahren, insbesondere in Deutschland, nur dann großtechnisch zum Einsatz kommen wenn sie die Klimaschutzziele nicht gefährden. (siehe Abschnitt 6, S.13 ff) 4
▸▸ Um eine höhere fossile Stromerzeugung zu vermeiden und die Erreichung der Klimaschutzziele zu gewähr-
leisten, sollten PtG/PtL-Anlagen zur Bereitstellung von Brenn-, Roh- und Kraftstoffen nur Strom aus zusätz-
lichen erneuerbaren Energieanlagen beziehen. (siehe Abschnitt 6, S.13 ff)
▸▸ Der rechtliche Rahmen für Steuern und Umlagen sollte so gesetzt werden, dass er Marktverzerrungen zwi-
schen Techniken zur Stromspeicherung und solchen zur Bereitstellung von Kraft-, Brenn- und Rohstoffen
verhindert, unter anderem indem er unterschiedliche Bedingungen für Anlagen als Speicherlösung und
solche als Stromverbraucher zur Bereitstellung von Brenn-, Roh- und Kraftstoffen setzt. (siehe Abschnitt 7,
S. 16 ff)
▸▸ Wir empfehlen, in den nächsten Jahren die PtG/PtL-Technik mithilfe von Pilot- und Demonstrationsanla-
gen im energiewirtschaftlichen Maßstab über alle Anwendungsbereiche hinweg weiterzuentwickeln. Es ist
sinnvoll, hierfür Kriterien zu deren Förderwürdigkeit zu entwickeln. Wir schlagen außerdem vor, bei der
Integration von PtG mit der Substitution der fossilen Wasserstoffwirtschaft zu beginnen. (siehe Abschnitt 7,
S. 16 ff)
▸▸ Insbesondere im Flugverkehr, wo die International Civil Aviation Organisation (ICAO) sich das Ziel ge-
setzt hat, den Zuwachs des Flugverkehrs ab 2020 treibhausgasneutral zu gestalten, besteht dringender
Handlungsbedarf. Neben einer globalen marktbasierten Maßnahme verfolgt die ICAO derzeit als zentrale
Strategie zur Erreichung des treibhaugasneutralen Wachstums den Einsatz von Biokraftstoffen aus Anbau-
biomasse. Dies lehnen wir aus klima- und umweltpolitischen Gründen ab und sprechen uns im Flugverkehr
zur Erreichung der langfristigen Klimaschutzziele für PtL als Kraftstoff aus. Unseres Erachtens kann die
PtL-Technik als prinzipielle Alternative hierzu für den Zeithorizont 2020 jedoch nur einen kleinen Beitrag
leisten. Um zu verhindern, dass Anbaubiomasse mittelfristig im Flugverkehr genutzt wird, ist es dringend
notwendig Pilot- und Demonstrationsvorhaben zu fördern, eine Markteinführung zu ermöglichen und die
langfristige Verfügbarkeit der Technik zu gewährleisten. (siehe Abschnitt 7, S.16 ff)
▸▸ Wir empfehlen, bei der Integration von PtG schrittweise mit der Substitution der fossilen Wasserstoffwirt-
schaft, ggf. mit einer zeitnahen Fokussierung auf die Petrochemie, zu beginnen. Die regenerativen PtG/
PtL-Produkte können durch die Beimischung zu fossilen Brenn- und Kraftstoffen einen ersten Schritt hin zu
einem treibhausgasneutralen Verkehr darstellen. (siehe Abschnitt7, S.16 ff)
▸▸ Wir empfehlen, eine Substitution fossilen Erdgases durch PtG-Methan zur Wärmeversorgung in den nächs-
ten Jahren nicht zu unterstützen, da dieser Pfad energetisch und im Hinblick auf die Substitutionswirkung
ineffizient ist. (siehe Abschnitt 4, S.9)
▸▸ Generell sollten die übergreifenden nationalen, europäischen und internationalen Rahmenbedingungen
vor allem im Klimaschutz weiterentwickelt werden, um der langfristigen hohen Bedeutung der PtG/PtL-
Technik in einer globalen regenerativen Energiewirtschaft gerecht zu werden. (siehe Abschnitte 2, S. 5 und
Abschnitt 7, S. 16 ff)
52 Einleitung
Für die Erreichung der Klimaschutzziele ist die technische Optionen bestehen, die darüber hinaus
Umstrukturierung der Energieversorgung hin zu unterschiedliche technische Entwicklungsstände und
einem nachhaltigen, umweltschonenden und treibh- Marktdurchdringungen sowie Emissionsminderungs-
ausgasneutralen Gesamtenergiesystem von zentraler potentiale aufweisen. Vor diesem Hintergrund sollte
Bedeutung. die klimafreundliche Integration neuer Stromverbrau-
cher im Laufe des Transformationsprozesses prioritär
Mit diesem Transformationsprozess sind gewichtige sein.
Herausforderungen verbunden, wie z. B. technische
Entwicklungen, Anpassung der rechtlichen Rah- Die UBA-Studie zeigt, dass alle Anwendungsbereiche
menbedingungen oder Strategieentwicklungen auf mit der regenerativen Stromerzeugung (genau: Netto-
europäischer und internationaler Ebene. stromerzeugung) verbunden werden und die daraus
resultierenden großen Erzeugungskapazitäten ins-
In der Studie „Treibhausgasneutrales Deutschland im besondere aus ökonomischer Sicht aller Voraussicht
Jahr 2050“ hat das Umweltbundesamt gezeigt, dass nach nicht inländisch bereitgestellt werden. Vielmehr
eine vollständige regenerative Energieversorgung müsste zur Erreichung globaler Klimaschutzziele ein
aller Anwendungsbereiche technisch möglich ist.1 Es globaler Markt für regenerative Energieträger reali-
wird dargestellt, dass die einzelnen Sektoren (Er- siert werden. Dabei würden die globalen Potentiale
zeugung und Verbraucher sowie die Anwendungen regenerativer Quellen (Windenergie, Solarenergie,
Strom, Wärme, Verkehr, Rohstoffe) zukünftig in einer Wasserkraft, Rest- und Abfallbiomasse und Geo-
bisher noch nicht dagewesenen Art und Weise mit thermie) in Abhängigkeit ihrer Wirtschaftlichkeit
einander verknüpft werden. Eine zentrale Rolle haben erschlossen werden. Für den Brenn-, Roh- und
zukünftig sämtliche Power to X-Techniken, insbeson- Kraftstoffmarkt ist es von großer Bedeutung, dass
dere Power to Heat (PtH, direktelektrisch oder indi- sich ein internationaler regenerativer Markt ent-
rekt mit z. B. Wärmepumpen) und Power to Gas/Pow- wickelt, da hier bereits heute in hohem Maße eine
er to Liquid (PtG/PtL). Diese Techniken ermöglichen länderübergreifende Struktur besteht. Deutlich wird
als neue zusätzliche Stromverbraucher eine regene- dies im Verkehr, wo Verkehrsträger wie Flugzeuge,
rative Energieversorgung aller Anwendungsbereiche. Seeschiffe aber auch Fernverkehrs-Lkw international
Aufgrund dieser vielschichtigen Verknüpfungen ist auf vor Ort kompatible Infrastrukturen und Kraft-
nur eine ganzheitliche konzeptionelle Betrachtung stoffe angewiesen sind. Vor diesem Hintergrund wird
der Energieversorgung sinnvoll, die auf die einzelnen die internationale Dimension einer regenerativen
Bedürfnisse der Anwendungsbereiche aber auch auf Gesamtenergieversorgung Deutschlands deutlich, die
die klimafreundliche Umstrukturierung und Ausge- neben den nationalen Strategien auch eine internatio-
staltung des Energiesystems an sich ausgerichtet ist. nale Einbettung benötigt. Eine wichtige Rolle bei den
Für das Umweltbundesamt spielen diese Techniken strategischen Fragen zur Energieversorgung spielen
somit eine Schlüsselrolle. die Importabhängigkeit, die Diversifizierung der
Lieferländer und Energiequellen sowie der Ausbau
Verknüpfungen zwischen den einzelnen Bereichen internationaler Infrastrukturen.
bestehen im Energiesystem bereits seit langem, z. B.
Strom/Verkehr, Strom/Wärme. Durch die stärkere Ziel dieses Papiers ist es, aus dem aktuellen Kenntnis-
Ausprägung der Sektorkopplung in einem zukünf- stand des Umweltbundesamts die Rolle und Pers-
tigen Energiesystem werden voraussichtlich auch pektive von Power to Gas/Power to Liquid (PtG/PtL)
immer stärker die gleichen Erzeugungstechniken, in einem vollständig regenerativen Energiesystem
gleichen Infrastrukturen und gleichen Importwege einzuschätzen und insbesondere die Herausforderun-
genutzt. Vor diesem Hintergrund ist eine ganzheit- gen bei der Integration und Weiterentwicklung dieser
liche Betrachtung und Strategieentwicklung für die Technik im laufenden Transformationsprozess zu
zukünftige Energieversorgung notwendig. Im Trans- benennen.
formationsprozess ist jedoch zu berücksichtigen, dass
in den verschiedenen Bereichen unterschiedliche
63 Kurzbeschreibung der PtG/PtL - Technik
Unter Power to Gas (PtG) verstehen wir die Bereitstel- oder die Methanolsynthese zur Verfügung. Bei der
lung von Wasserstoff sowie Methan und unter Power Fischer-Tropsch-Synthese entsteht eine Mischung aus
to Liquid (PtL) die Bereitstellung flüssiger Kraftstoffe verschiedenen langkettigen Kohlenwasserstoffen,
mithilfe von Strom. welche weiter aufbereitet werden muss. Die Metha-
nolsynthese verläuft bei moderaten Bedingungen und
Ihnen gemeinsam ist die Wasserelektrolyse als erstem besonders selektiv mit sehr hoher Produktreinheit.
technischem Schritt. Hierbei wird mit Strom Wasser Der energetische Wirkungsgrad der verschiedenen
(H2O) in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) gespal- Techniken nimmt dabei von Wasserstoff über Methan
ten. Der bereitgestellte Wasserstoff kann direkt oder hin zu den flüssigen Kraftstoffen ab.
als Speichermedium für energetische und stoffliche
Anwendungen genutzt werden. Darüber hinaus kann Perspektivisch sind auch andere technische Lö-
aus Wasserstoff in einer katalytischen Synthese - oder sungen denkbar, um synthetische Energieträger
in einer biologischen Synthese in Biogasanlagen - mit herzustellen, bei denen der Wasserstoff nicht an den
Kohlendioxid (CO2) Methan erzeugt werden. Kohlenstoff, sondern anderweitig gebunden wird. Das
kann u. a. die chemische Bindung des Wasserstoffs in
Zur Herstellung wird zunächst ein Wasserstoff/ der etablierten Ammoniaksynthese sein. Eine andere
Kohlenmonoxid oder Wasserstoff/Kohlendioxid Möglichkeit, die sich derzeit im Demonstrationsstadi-
-Gemisch erzeugt und in einer Synthese zu Kohlen- um befindet, besteht in der reversiblen Bindung des
wasserstoffen umgewandelt. Hierfür stehen verschie- Wasserstoffs in LOHC-Substanzen (Liquid Organic
dene Synthesen, z. B. die Fischer-Tropsch-Synthese Hydrogen Carriers).
Abbildung 1
Funktionsweise PtG und PtL
Erzeugung Elektrolyse Synthese
4 H 2 +CO 2 ◂▸ CH 4 +2 H 2 O ΔH = -164,9 kJ/mol
2 H 2 O ◂▸ 2 H 2 +O 2 ΔH = +571,8 kJ/mol
nCO+(2n+1)H 2 ◂▸ C n H 2n+2 +nH 2 O [Alkane]
nCO+(2n)H 2 ◂▸ C n H 2n +nH 2 O [Alkene]
nCO+(2n)H 2 ◂▸ C n H 2n+1OH+(n-1)H 2 O [Alkohole]
Quelle: Umweltbundesamt 2016
74 Rolle und Perspektive für PtG/PtL im Energiesystem
Wie die UBA-Studie „Treibhausgasneutrales Deutsch- 1600 TWh aus, der sich zu annähernd gleichen Teilen
land im Jahr 2050“ (THGND) zeigt, ist für die Errei- auf Strom, Methan und flüssige Kraftstoffe aufteilt
chung von ambitionierten Klimaschutzzielen - also (siehe Tabelle 1). Hierfür ist eine Nettostromerzeu-
einer Reduktion der THG-Emissionen bis 2050 um gungI von rund 3000 TWh notwendig. Für die benö-
95 Prozent gegenüber 1990 - eine vollständige rege- tigten Mengen stehen zwar prinzipiell ausreichend
nerative Energie- und Rohstoffversorgung notwendig. nationale technische EE-Potentiale zur Verfügung.
Durch die Nutzung von PtG/PtL besteht die Möglich- Wir gehen jedoch davon aus, dass die regenerativen
keit, solch eine vollständige regenerative Versorgung Brenn-, Roh- und Kraftstoffe an international günsti-
zu realisieren. Darüber hinaus kann PtG/PtL mittel- gen Standorten für erneuerbare Energien erzeugt und
und langfristig den zunehmenden Konkurrenzdruck somit überwiegend importiert werden.
auf die Biomassenutzung grundlegend entschärfen.
Daher ist die langfristige Verfügbarkeit der PtG/PtL- Durch die Nutzung von PtG/PtL ist im THGND-Szena-
Technik entsprechend dieses Szenarios von zentraler rio der Bedarf an regenerativen Stromerzeugungsan-
Bedeutung. Da die energetische Nutzung von An- lagen (Nettostromerzeugung) sehr hoch.
baubiomasse ausgeschlossen2 wird (ebenso wie CCS
und Kernenergie) stellen PtG/PtL derzeit die einzige In einem laufenden Prozess wird die Studie „Treib-
Alternative für eine vollständig treibhausgasneutrale hausgasneutrales Deutschland im Jahr 2050“ fort-
Energieversorgung dar. geschrieben. Dabei soll die Nutzung von Ressourcen
analysiert werden. Auch sollen die Pfade, die Not-
Im THGND-Szenario gehen wir für Deutschland im wendigen Ausbauten der Technologien in den Jahren
Jahr 2050 von einem Endenergiebedarf von rund 2030 und 2040, hergeleitet werden.
Tabelle 1
Endenergiebedarf im THGND-Szenario im Jahr 2050
Strom in TWh regeneratives Methan flüssige regenerative
Kraftstoffe in TWh
private Haushalte 104,7 44,5 0
GHD 90,3 62,4 18,6
Industrie 179,7 198,8 0
Verkehr 91,1 0 533,3
Summe energetisch 465,8 305,7 551,9
1323,4
Industrie stofflich 282
Summe energetisch und
1605,4
stofflich
Quelle: Umweltbundesamt 2014
Strom PtG mit Rückverstromung werden in Abhängigkeit
Im Strombereich werden kurz- und mittelfristig vor u. a. vom europäischen Netzausbau, der Erschließung
allem flexiblere fossile Kraftwerke, Lastmanagement, von Lastmanagement und der Flexibilisierung fossi-
insbesondere bei Großverbrauchern in der Industrie, ler Stromerzeugung ist nach jetzigem Kenntnisstand
sowie nationaler und europäischer Netzausbau benö- erst bei einem sehr hohen Anteil (ca. 70 bis 80 Pro-
tigt. Kurz- und mittelfristig besteht vornehmlich ein zent)3 erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung
Bedarf an Kurzzeitspeichern. Langzeitspeicher wie zur Systemstabilität benötigt.
I Berücksichtigung der Umwandlungs- und Transportverluste.
8Generell werden in einem regenerativen Stromsystem Im Hinblick auf eine klimafreundliche Wärmever-
Kurzzeitspeicher zur Überbrückung von stunden- und sorgung ist eine Integration von PtG in den nächsten
tageweisen Erzeugungsdefiziten sowie zur Stabilisie- Jahren nicht zweckmäßig. Langfristig hat PtG für
rung des Stromsystems auf Grund der zu erwartenden die regenerative Prozesswärmeversorgung eine sehr
sehr steilen ErzeugungsflankenII der fluktuierenden große Bedeutung.
Energien und Langzeitspeichern zur Überbrückung
von Einspeisedefiziten der regenerativen Energien Wie im THGND-Szenario gezeigt wird, spielt PtH
über mehrere Tage und Wochen benötigt. langfristig eine zentrale Rolle bei der Wärmeversor-
gung. Dies betrifft nicht nur die Raumwärmeversor-
Wärme gung, sondern auch die Prozesswärmeversorgung in
Für den Bereich der Wärmeversorgung gilt es gene- der Industrie, wo die direkte Nutzung von erneuer-
rell, das sehr hohe Einspar- und Effizienzpotential baren Strom durch Änderungen der Prozessführung
schnell zu heben. Kurz- und mittelfristig gibt es in ermöglicht werden kann. Dennoch wird PtG/PtL
der Raumwärmeversorgung ausreichend regenerative langfristig zur Prozesswärmeversorgung in der Indus-
Alternativen zu PtG. Hier ist insbesondere Power to trie insbesondere zur Substitution von Prozessen mit
Heat in Verbindung mit Wärmepumpen und Solar- festen, fossilen Energieträgern/Kohlenstoffträgern
thermie zu nennen. Wie die Abbildung 4 zeigt, ist benötigt. Wir empfehlen in diesem Kontext, kurz- und
eine derzeitige Substitution fossilen Erdgases durch mittelfristig überwiegend Forschungs- und Entwick-
PtG-Methan ineffizient (energetisch und im Hinblick lungsarbeit bei der Umgestaltung der Prozesswär-
auf die Substitutionswirkung), so dass dies in den meversorgung hin zu strombasierten Verfahren und
nächsten Jahren nicht unterstützt werden sollte. regenerativen gasförmigen Brennstoffen (erzeugt
durch PtG) zu fördern.
Abbildung 2
Überblick für eine regenerative Wärmeversorgung
Quelle: Umweltbundesamt 2016
II Abhängig von Wetter und Tageslauf können in kürzester Zeit hohe Leistung von EE-Anlagen in oder außer Betrieb gehen.
9Verkehr Flugverkehr. Die International Civil Aviation Orga-
Auch für den Verkehr gilt es, den Endenergiever- nisation (ICAO) hat sich das Ziel gesetzt, den zusätz-
brauch durch Verkehrsvermeidung und -verlagerung lichen Energiebedarf des wachsenden Flugverkehrs
sowie durch Effizienzmaßnahmen weiter zu reduzie- ab 2020 treibhausgasneutral zu gestalten. Neben
ren. Um den Verkehr langfristig treibhausgasneutral einer globalen marktbasierten Maßnahme verfolgt
zu gestalten, ist neben dieser Verkehrswende (Ver- derzeit die ICAO als wesentliche Strategie zur Min-
meiden, Verlagern, Verbessern) auch eine Energie- derung der Treibhausgasemissionen den Einsatz von
wende im Verkehr notwendig. Für den Verkehr stellt Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse. Dies lehnen wir
zwar die direkte Nutzung des regenerativen Stroms aus klima- und umweltpolitischen Gründen ab. Hier
in Elektrofahrzeugen die energieeffizienteste Einsatz- könnte durch zusätzliche, hauptsächlich internatio-
möglichkeit dar, in manchen Anwendungsfeldern ist nale EE-Stromerzeugungskapazitäten PtL-Kraftstoffe
aber eine Elektrifizierung nicht möglich. produziert und den fossilen Treibstoffen mittelfristig
beigemischt werden.
Zudem wird bei Elektrofahrzeugen zur Erzielung ho-
her Reichweiten ein zusätzlicher, regenerativ erzeug- Unabhängig von dieser kurz- und mittelfristigen Per-
ter flüssiger oder gasförmiger Energieträger benötigt spektive haben für die regenerative Versorgung des
(z. B. bei Plug-in-Hybriden). Unter Berücksichtigung Verkehrs - neben der direkten Stromnutzung in Elek-
der eingeschränkten Verfügbarkeiten von Rest- und trofahrzeugen - PtG/PtL-Kraftstoffe langfristig eine
Abfallbiomasse wird daher PtG/PtL zur vollständigen sehr große Bedeutung. Nähere Informationen sind in
regenerativen Energieversorgung des Verkehrs benö- der UBA-Studie „Treibhausgasneutrales Deutschland
tigt.4 Insbesondere für den Flugverkehr sind flüssige im Jahr 2050“1 sowie in der UBA-Veröffentlichung
regenerative Kraftstoffe notwendig. Diese können mit „Klimaschutzbeitrag des Verkehrs – Notwendigkeit
PtL bereitgestellt werden. Auch für den Schiffs- und und Realisierungsoptionen einer regenerativen Ener-
Straßengüterfernverkehr ermöglichen PtL und PtG gieversorgung im Verkehr“7 zu finden.
eine regenerative, treibhaugasneutrale Energieversor-
gung. Bei PKW, leichten Nutzfahrzeugen, Busse und Industrie
beim Straßengüternahverkehr wird dagegen voraus- In diesem Bereich besteht keine dringende kurzfris-
sichtlich die Elektromobilität allein oder in Kombi- tige Notwendigkeit zur Nutzung von strombasierten
nation mit PtG oder PtL eine zentrale Rolle spielen. regenerativen Rohstoffen in den nächsten Jahren zur
Insgesamt haben PtL und PtG (Methan) aus synthe- Erfüllung sektoraler Ziele. Langfristig hat PtG/PtL für
tischer Produktion eine deutlich höhere Qualität als die Versorgung der chemischen Industrie mit regene-
herkömmliche Kraftstoffe auf Rohölbasis. Das führt rativen Rohstoffen und dem damit möglichen THG-
zu einer Entlastung der üblichen Schadstoffminde- Minderungsbeitrag eine sehr große Bedeutung, wie
rungstechnik (Katalysatoren, Partikelfilter). im THGND-Szenario für das Jahr 2050 deutlich wird.1
Vor dem Hintergrund langfristiger Investitionen,
Im Energiekonzept der Bundesregierung sowie durch langen Zeitzyklen zur Erneuerung und Ertüchtigung
verschiedene EU-Richtlinien (z. B. national umgesetzt von Produktionsanlagen sind kurz- und mittelfristig
im Biokraftstoffgesetz) sind kurz- und mittelfristige entsprechende Umstrukturierung der Produktions-
sektorale Ziele festgelegt. Um die kurz- und mittelfris- prozesse insbesondere zu verstärkter direkter Nut-
tigen EU-Ziele für das erneuerbare Endenergieziel5 zung (Power to Heat) und indirekten Nutzung von
und die Verringerung der Lebenszyklustreibhaus- regenerativem Strom (PtG, PtL) zu adressieren.
gasemissionen der Kraftstoffe6 für das Jahr 2020 zu
erreichen, sind PtG/PtL-Kraftstoffe jedoch keine kurz- Weiterhin können mit PtG/PtL regenerativ erzeugte
fristig verfügbare Alternative. Hierfür können derzeit Ausgangsstoffe für die chemische Industrie bereit-
weder die EE Strommengen (in Form von Überschüs- gestellt werden, so dass auch hier ein wesentlicher
sen oder durch zusätzliche Anlagen) national bereit- Beitrag zur Reduzierung prozessbedingter Treibh-
gestellt, noch die notwendigen PtG/PtL-Anlagen in ausgasemissionen geleistet werden kann. Durch die
Deutschland kurzfristig errichtet werden. Besonderer Nutzung von PtG/PtL besteht auch in diesem Bereich
Handlungsbedarf besteht international derzeit beim kein zwingender Bedarf, Biomasse zu verwenden.
105 Derzeitige ökonomische Rahmenbedingungen in
Deutschland
Zurzeit ist keine wirtschaftliche Nutzung von PtG/ Eine wesentliche Ursache sind die hohen Umwand-
PtL-Anlagen in Deutschland möglich. Gründe dafür lungsverluste. Bei Wasserstoff sind diese deutlich
sind die hohen Investitions- und Betriebskosten geringer als bei Methan. Die Abbildung 3 zeigt auch,
bedingt durch den derzeitigen Entwicklungsstand dass die Kosten stark steigen, wenn die Produkti-
und hohe Umwandlungsverluste sowie die geltenden on (von Wasserstoff oder Methan) nicht mit hoher
Rahmenbedingungen (z. B. Steuern und Umlagen). Auslastung über das ganze Jahr gefahren wird (Zahl
der Nutzungsstunden), sondern auf die Nutzung von
Ein Überblick über die derzeitigen Gestehungskosten Stromüberschüssen beschränkt bleibt. Derzeit auftre-
regenerativer Gase bei Variation der Strombezugskos- tende Überschüsse sind auf relativ wenige Stunden
ten und der Anlagenbetriebszeit ist in Abbildung 3 beschränkt. Darüber hinaus werden sie sich durch
gegeben. Der obere Bereich eines Balkens stellt den Netzausbau in den nächsten Jahren tendenziell
kleine PtG-Anlagen, der untere große PtG-Anlagen verringern.
dar. Es wird deutlich, dass die Gestehungskosten
von durchgehend laufenden Anlagen selbst bei der Ein wichtiger Teil der Kosten wird durch die Höhe
Grenzbetrachtung von ausnahmslos kostenlos zur staatlicher oder staatlich bestimmter Abgaben für
Verfügung stehenden Strom um ein Mehrfaches über den Bezug von Strom und darüber hinaus auch die
konventionellen Brenn-, Roh- und Kraftstoffen liegen. Abgaben für die in den PtG/PtL-Anlagen hergestell-
Dies gilt umso mehr und auch für Biogas, wenn man ten Produkten bestimmt.
für durchgehend laufende Anlagen Großhandelsprei-
se von 5 Cent/kWh annimmt.III
Abbildung 3
Kostenvergleich von Power to Gas zu anderen Kraftstoffen8
100
Gestehungskosten in Cent/kWh
bezogen auf Brennwert
Biogas
10 Benzin
Diesel
Erdgastankstelle
H2 aus Erdgas
Erdgas
Grenzübergabe
1
1200 h 7000 h 1200 h 7000 h 1200 h 7000 h 1200 h 7000 h 1200 h 7000 h 1200 h 7000 h
Wasserstoff Methan Wasserstoff Methan Wasserstoff Methan Diesel
Benzin
0 Cent 5 Cent 9 Cent
Biogas
z. B. aus Strom über Strombörse z. B. aus Windenergie erzeugt
CNG Tankstelle
H2 aus Erdgas
Strombezugskosten in Cent/kWh und Auslastung in h Erdgas Grenzübergabe
III Man beachte die logarithmische Darstellung der Abbildung.
11Generell werden PtG/PtL-Anlagen gemäß ihrer Nut- der internationalen Energie- und Klimapolitik und
zung in Stromspeicheranlagen einerseits und Letzt- den daraus resultierenden Kohlenstoffpreisen, den
verbraucher zur Bereitstellung von Brenn-, Roh- und technischen Fortschritten bei PtG/PtL-Anlagen, der
Kraftstoffen andererseits unterschieden. Entwicklung der Strompreise, der Verfügbarkeit von
Quellen konzentrierten Kohlendioxids u.v.m..
PtG-Stromspeicheranlagen sind derzeit – wie andere
Speicheranlagen (z. B. Pump-, Druckluftspeicher) – Es ist jedoch davon auszugehen, dass PtG/PtL auch
von der EEG-Umlage und den Netzentgelten für den kurz- und mittelfristig höhere Kosten aufweisen als
Bezug des zu speichernden Stroms (einschließlich der effizientere Techniken zur Nutzung erneuerbarer
Speicherverluste) befreit. In der Regel sind die derzeit Energien (z. B. PtH, Elektromobilität).
in Betrieb, Bau oder Planung befindlichen PtG-
Anlagen jedoch keine Stromspeicheranlagen. Es sind
Anlagen, die Brenn-, Roh- und Kraftstoffe für andere
Zwecke als die Rückverstromung bereitstellen oder
gar eine reine Wasserstofferzeugung und -anwendung
vornehmen.
Diese Anlagen müssen wie andere Letztverbraucher
von Strom sowohl Netzentgelte und Anschlusskosten
als auch EEG-Umlage zahlen, es sei denn, es handelt
sich um Eigenerzeuger/-verbraucher. Dies verringert
die Wirtschaftlichkeit von netzgekoppelten Anlagen
zur Bereitstellung von Brenn-, Roh- und Kraftstoffen
gegenüber nichtnetzgekoppelten Anlagen. Lediglich
für PtG-Anlagen, die Wasserstoff und Methan weit
überwiegend aus erneuerbaren Energiequellen erzeu-
gen und in das Gasnetz einspeisen, gibt es Privilegie-
rungen bei Gasnetzanschluss-, Gasnetzzugangs- und
Gasnetzentgeltregelungen.
Die Endprodukte (Pt-Gase sowie Pt-Liquids) behan-
delt das Energiesteuerrecht bei Verwendung als Kraft-
oder Heizstoff wie „konventionelle“ Energieträger,
d. h. sie unterliegen der Energiesteuer. Sofern der zur
Erzeugung von PtG/PtL eingesetzte Kohlenstoff aus
emissionshandelspflichtigen Anlagen stammt, unter-
liegt dieser grundsätzlich den Berichts- und Abgabe-
pflichten des europäischen Emissionshandels.IV Dies
kann einen weiteren Kostenfaktor darstellen.
Die künftige Kostenentwicklung ist jedoch nicht
nur von den staatlichen oder staatlich bestimmten
Abgaben und den direkten Investitions- und Betriebs-
kosten abhängig sondern auch von vielen weiteren
Faktoren, etwa der globalen Nachfrage nach PtG/
PtL-Anlagen, die wiederum bestimmt wird durch die
weltweite Entwicklung der treibhausgasneutralen
Energieversorgung, den Entscheidungen bezüglich
IV Welcher Anlagenbetreiber Abgabepflichten zu erfüllen hat, hängt von den rechtlichen und technischen Randbedingungen im Einzelfall ab.
126 Systemische Herausforderungen bei der Integration von
Power to Gas/Power to Liquid im Transformationsprozess
Bei der Transformation des Energiesystems hin zu nächsten Jahren Pilot- und Demonstrationsprojekte
einer nahezu vollständigen regenerativen Versorgung über alle Anwendungsbereiche hinweg ermöglicht
wird eine zunehmende Kopplung der einzelnen Ener- und gefördert werden.
giemärkte bzw. Anwendungsbereiche durch verschie-
dene Techniken erfolgen. Substitutionswirkung von neuen Stromver-
brauchern im Transformationsprozess
Durch verstärkten Einsatz von PtH wird insbeson- Der maximale Anteil erneuerbarer Energien an der
dere der Wärmebereich stärker mit dem Stromsektor Stromversorgung in Deutschland lag im Jahr 2012 bei
verknüpft. Durch Elektromobilität erfolgt eine direkte 60 Prozent. Auftretende Überschüsse sind entweder
Kopplung des Stromsektors mit dem Verkehr. Lang- regional auf Netzengpässe im Verteilnetz bei der
fristig werden bei Nutzung von PtG/PtL darüber Aufnahme des Stroms aus Windenergie- und PV-
hinaus alle Energiemärkte (Strom, Wärme und Kraft- Anlagen oder auf Netzengpässe im Übertragungsnetz
stoffe) sowie der Markt für regenerative Rohstoffe für beim Transport von Nord nach Süd zurückzuführen.
die chemische Industrie miteinander verbunden. Dies Diese Situationen sind auf relativ wenige Stunden
stellt enorme Herausforderungen an die volkswirt- beschränkt.V Durch den kurz- und mittelfristig abseh-
schaftlich sinnvolle und klimafreundliche Ausgestal- baren Netzausbau ist tendenziell mit einer Verringe-
tung des Transformationsprozesses. rung von Engpasssituationen in den nächsten Jahren
zu rechnen. Daher ist die Verfügbarkeit von regenera-
Zur Erreichung der Klimaschutzziele und für das tivem Überschussstrom für den Betrieb von PtG/PtL-
Voranschreiten des Klimaschutzes über die gesamte Anlagen derzeitig nicht gegeben.
Breite im Energiebereich wurden verschiedene politi-
sche Ziele in Europa und Deutschland definiert. In Deutschland würde eine zu frühe und zu intensive
Integration von PtG/PtL-Anlagen – über das Maß von
Wir empfehlen, die bestehenden und zukünftigen Demonstrations- und Pilotanalgen hinaus – zu einer
sektoralen Klimaschutzziele darauf auszurichten, stärkeren Auslastung fossiler (und bis 2022 auch aus
dass sie eine möglichst hohe Minderung der Ge- nuklearer) Stromerzeugung und erhöhtem Ausstoß
samttreibhausgasemissionen und eine effektive von Treibhausgasemissionen führen.
Nutzung regenerativer Energien bewirken.
Die Beurteilung der Substitutionseffekte durch neue
Für eine teilweise regenerative, strombasierte Ener- zusätzliche Verbraucher aller Anwendungsbereiche
gieversorgung im Bereich Wärme und Verkehr stehen ist im hohen Maße vom Zeitpunkt der Stromnut-
Techniken wie PtH und Elektromobilität bereits jetzt zung abhängig. Damit ist nicht nur der Zeithorizont
marktreif zur Verfügung, die größere CO2-Einsparun- im Transformationsprozess gemeint, sondern auch
gen pro eingesetzter EE-Strommenge ermöglichen der unmittelbare Zeitpunkt. Die wissenschaftliche
und kostengünstiger als PtG/PtL sind. Somit sollten Ermittlung der Treibhausgasminderungseffekte von
insbesondere im Transformationsprozess kurz- und zusätzlichen Stromverbrauchern ist komplex. Dabei
mittelfristig prioritär die Potentiale erschlossen wer- sind auch die regulatorischen Rahmenbedingungen,
den, welche mittels dieser energetisch effizienteren u. a. die Wirkmechanismen des Emissionshandels, zu
Techniken versorgt werden können. berücksichtigen.
Da jedoch PtG/PtL langfristig eine zentrale Rolle Um falsche Vorstellungen des Minderungseffektes
in einem regenerativen, umweltschonenden und im Laufe des Transformationsprozess zu vermeiden,
nachhaltigen Energiesystem einnimmt, sollten in den wird vereinfachend davon ausgegangen, dass aus-
V Um diese Überschüsse im Transformationsprozess zu verringern, sollte vorrangig die Erzeugung aus konventionellen Kraftwerken sowie von Biomasseanlagen einschließ-
lich der KWK-Anlagen flexibilisiert und der Bedarf an netztechnisch erforderlicher Mindesterzeugung aus konventionellen Kraftwerken gesenkt werden. Generell sollte die
Stromnachfrage durch die Nutzung von Lastmanagement von vorhandenen Verbrauchern flexibilisiert werden.
13schließlich regenerativer Strom genutzt wird. Damit ▸▸ Im Bereich Verkehr wird das größte Substituti-
können folgende Aussagen zur technikbezogenen onsverhältnis durch die direkte Stromnutzung
Substitutionswirkung neuer Stromverbraucher getrof- (Elektromobilität) erreicht. Auch hier können
fen werden (siehe Abbildung 4): Synergieeffekte mit Hilfe von Lastmanagement zur
Integration der EE genutzt werden. Dieses Potenti-
▸▸ Die Integration neuer zusätzlicher Verbraucher im al ist jedoch auf einige Verkehrsträger begrenzt.
Bereich Wärme mittels Power to Heat (indirekt – ▸▸ Hinsichtlich PtG/PtL wird das größte Substi-
Wärmepumpen oder direktelektrisch) bietet das tutionspotential aufgrund der energetischen
beste SubstitutionsverhältnisVI. Im Falle der Wär- Wirkungsgrade bei der Substitution der fossilen
mepumpe können mit Hilfe 1 kWh regenerativen Wasserstofferzeugung erreicht.
Stroms etwa 3,3 kWh Erdgas eingespart werden. ▸▸ Zur Erreichung der Klimaschutzziele, ist es sinn-
Darüber hinaus besteht über PtH die Möglichkeit voll Techniken mit hohem Substitutionspotential
insbesondere die Großverbraucher in der Industrie im Laufe des TransformationsprozessesVII früh-
im Rahmen von Lastmanagement einzubinden zeitiger in die Stromversorgung zu integrieren als
und damit die Integration der EE zu unterstützen. Techniken mit geringerem Substitutionspotential.
Abbildung 4
SubstitutionswirkungVIII durch PtH, PtG und PtLIX
Nutzung regenerativer Strom Substitution fossiler Bereitstellung
regenerative Bereitstellung fossile Einsparung Substitutions- Kosten
Input verhältnis
Technik bereitgestellte End-/Nutzenergie Technik Input (rund)
1 kWh PtH 3,3 kWh 3,3 kWh Brennwert- 3,14 kWh
3,14 mittel
reg. Strom Wärmepumpe Wärme Wärme kessel (105 %) Erdgas
1 kWh PtH 0,95 kWh 0,95 kWh Brennwert- 0,91 kWh
0,91 niedrig
reg. Strom direktelektrisch Wärme Wärme kessel (105 %) Erdgas
1 kWh PtG - H2 0,74 kWh 0,74 kWh Dampfreforming 0,87 kWh
0,87 hoch
reg. Strom stofflich Wasserstoff Wasserstoff (85,2 %) Erdgas
1 kWh 0,58 kWh 0,58 kWh 0,58 kWh
PtG - CH4 0,58 sehr hoch
reg. Strom Methan Methan Erdgas
1 kWh 0,5 kWh 0,5 kWh 0,5 kWh
PtL 0,5 sehr hoch
reg. Strom fl. Kraftstoff fl. Kraftstoff fl. Kraftstoff
Quelle: Umweltbundesamt 2016
Bei ganzheitlicher Analyse des Stromversorgungssys- genbetreiber meist Börsenstrom zu nutzen und diesen
tems ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen für mit dem Kauf von EE-Zertifikaten zu „veredeln“. Auf
netzgekoppelteX PtG/PtL-Anlagen in Deutschland da- die Stromproduktion aus fossilen Kraftwerken hat
von auszugehen, dass diese zu einer höheren fossilen dies allerdings keinen Effekt.
Stromerzeugung führen. Damit wäre das in PtG-Anla-
gen erzeugte Gas faktisch ein „Coal-to-Gas/Liquid“XI Um eine höhere fossile Stromerzeugung zu vermeiden
oder „Gas-to-Gas/Liquid“XII mit einem Wirkungsgrad und die Erreichung der Klimaschutzziele zu gewähr-
weit unter 50 Prozent und würde eine mehrfach leisten, sollten PtG/PtL-Anlagen zur Bereitstellung
höhere CO2-Emissionen als die direkte Nutzung von von Brenn-, Roh- und Kraftstoffen nur Strom aus
fossilem Erdgas verursachen. Derzeit planen Anla- zusätzlichen erneuerbaren Energieanlagen beziehen.
VI Als Substitutionsverhältnis wird das Verhältnis von eingesparter fossiler Energie zu eingesetztem regenerativem Strom zur Bereitstellung der gleichen Energiemenge
bezeichnet. Zum besseren Verständnis ein einfaches Beispiel: zur Bereitstellung von 1 kWh flüssigem Kraftstoff werden grob 2 kWh regenerativer Strom gegenüber 1 kWh
fossil benötigt. Das Substitutionsverhältnis liegt also bei 0,5.
VII Also auch schon bei geringerem EE-Anteil in der Stromerzeugung (unter 80 Prozent - grobe Näherung, Wert ist modelltechnisch nicht verifiziert).
VII In grober Näherung.
IX Die Einordnung der Kosten basiert auf einer qualitativen Einschätzung von Investitionskosten pro installiertem kW.
X Anschluss ans Netz der Allgemeinen Versorgung.
XI Hierbei ist zu bemerken, dass die CO2-Belastung bei der direkten Umwandlung von Kohle zu Gas ohne den Umweg der Stromerzeugung deutlich niedriger ist.
XII Bedeutet: Verstromung des Brennstoffes mit einer anschließenden Elektrolyse und Synthese.
14Sollten PtG/PtL-Anlagen gefördert werden, muss Kohlenstoffquelle für PtG/PtL-Anlagen
sichergestellt sein, dass hierfür ein tatsächlicher zu- Bei der Bereitstellung von strombasiertem regenera-
sätzlicher Ausbau erneuerbarer Energien erfolgt. Die tivem Methan/Methanol und höheren Kohlenwasser-
EE-Ausbauziele müssten entsprechend angehoben stoffen ist eine Kohlenstoffquelle notwendig.
werden.
Es stehen verschiedenen Kohlenstoffquellen zur
Um unter den derzeitigen Rahmenbedingungen eine Verfügung:
höhere fossile Stromerzeugung zu vermeiden, sollten
geförderte PtG/PtL-Anlagen zur Bereitstellung von ▸▸ Zum einen kann biogenes CO2 aus regenerativen
Brenn-, Roh- und Kraftstoffen nur durch zusätzliche Prozessen genutzt werden, etwa durch Kopplung
erneuerbare Energieanlagen versorgt werden. Ande- mit Biogasanlagen. Die aus Umweltgründen auf
renfalls würden die CO2-Emissionen aus der Stromer- Rest- und Abfallstoffe auszurichtende energetische
zeugung steigen und die Erreichung der Klimaschutz- Biomassenutzung kann mittel- und langfristig die
ziele wäre gefährdet. Verfügbarkeit von biogenem CO2 stark einschrän-
ken.9
Dies kann auch erreicht werden durch Nutzung nicht
netzgekoppelter Anlagen. Zwar ist dann die effizi- ▸▸ Zum anderen die Nutzung von CO2 aus fossilen
enteste Nutzung (direkte Substitution von fossilen Verbrennungsprozessen oder Industrieprozessen.
Energieträgern durch eine zusätzliche EE-Anlage) Dieses CO2 ist weder regenerativ erzeugt noch
für diese EE-Anlagen nicht mehr gegeben, die PtG/ treibhausgasneutral, es würde aber zumindest
PtL-Anlage verursacht dann jedoch keine zusätzliche doppelt genutzt werden. Die CO2-Quelle bzw. der
fossile Stromerzeugung. Für die Wirtschaftlichkeit Anteil von CO2 im Trägergasstrom von z. B. Rauch-
der PtG-Anlage ist eine hohe Auslastung entschei- gas beeinflusst wesentlich die energetischen
dend. Allerdings können entsprechend konzipierte Aufwendungen und damit die Gesamteffizienz so-
Schwachwindanlagen in Norddeutschland auch ca. wie die anfallenden Kosten. Die Kombination mit
4.000 Vollaststunden erreichen. An guten Standorten fossilen Kraftwerken oder industriellen Prozes-
können nichtnetzgekoppelte Anlagen wirtschaftli- sen als CO2-Quelle ist eine aus technischer Sicht
cher sein als netzgekoppelte Anlagen, da Kosten für sinnvolle Option und im Transformationsprozess
den Netzanschluss, die Netznutzungsentgelte sowie unter Umständen eine zur Entwicklung der PtG/
die EEG-Umlage entfallen. Zudem können ausländi- PtL-Technik effektive Kombination. Die technisch
sche Standorte genutzt werden, an denen sich deut- sinnvolle Nutzung von CO2 aus fossilen Quellen
lich höhere Erträge bzw. diese mit niedrigeren Kosten darf jedoch keine Pfadabhängigkeit suggerieren,
als in Deutschland erzielen lassen. eine höhere Auslastung fossiler Stromerzeugung
begründen und damit das Erreichen der Klima-
Mittel- und Langfristig ist selbstverständlich eine schutzziele gefährden. Energetisch vorteilhaft ist
gemeinsam genutzte Infrastruktur fundamental. die Nutzung von Oxyfuelverfahren (Verbrennung
Hierfür sind entsprechende politische Weichenstel- mit reinem Sauerstoff), die in Deutschland in
lungen notwendig, die die neuen Stromverbraucher manchen Industriebranchenprozessen eingesetzt
berücksichtigen und damit gewährleisten, dass auch werden. Bei der Verbrennung entsteht fast reines
andere Anwendungsbereiche mit regenerativem CO2, das die Aufbereitung des Abgasstromes weni-
Strom klimafreundlicher ausgebaut werden können. ger aufwändig macht als bei der Verbrennung mit
Luftsauerstoff.
Perspektivisch halten wir es für notwendig, die EE-
Ausbauziele nicht ausschließlich unter Berücksichti- ▸▸ Auch die Atmosphäre kann als mögliche CO2-
gung des bisherigen klassischen Strombereiches fest- Quelle dienen. Der hierfür notwendige Energiebe-
zulegen. Es ist eine Anpassung notwendig, die neue darf muss dabei in die Gesamtbilanz eingerechnet
Stromverbraucher im Sinne einer volkswirtschaftlich werden. So ist zum Beispiel im Vergleich zur
sinnvollen und klimafreundlichen Ausgestaltung des CO2-Abscheidung aus Abgasen von Oxyfuelver-
Transformationsprozesses über alle Anwendungsbe- brennungsprozessen ein Mehrfaches an Energie
reiche hinweg besser integriert. notwendig.
15Generell empfehlen wir, regenerative CO2-Ströme aus bereitgestellt und der Kohlenstoffkreislauf geschlos-
stationären Verbrennungen mit PtG/PtL-Anlagen sen werden kann.
zu verknüpfen. Da allerdings die Produktion und
der Verbrauch von Methan üblicherweise örtlich In diesem Zusammenhang wird auf den Vorteil der
getrennt sind und weiterhin ein großer Anteil davon direkten Nutzung von Wasserstoff hingewiesen: auf
im Verkehr verbraucht wird (diffuse, nichtstationäre eine CO2-Quelle und die damit verbundenen zusätzli-
Quellen), ist dieses Ziel in der Praxis nur schwie- chen Energieverbräuche kann verzichtet werden. Der
rig erreichbar. Langfristig ist davon auszugehen, Strombedarf für seine Erzeugung ist deutlich geringer
dass – auch bei Realisierung oben genannter CO2- als für Methan oder flüssige Kraftstoffe. Daher ist es
Rückführung aus Verbrennungsprozessen – nur über sinnvoll in einigen Anwendungsbereichen, verstärkt
Luftzerlegung aus der Atmosphäre ausreichend CO2 Wasserstoff direkt als Energieträger einzusetzen.
7 Empfehlungen für die nächsten Jahre
Wir empfehlen, für die Erreichung der Klimaschutz- vermieden. Aus Umwelt- und Klimaschutzgründen
ziele Techniken mit hohem Substitutionspotential im sollten weitere Förderkriterien vorgegeben werden.
Laufe des TransformationsprozessesXIII frühzeitiger in Strom sollte nur aus erneuerbaren Energiequellen
die Stromversorgung zu integrieren als Techniken mit bezogen und durch PtG/PtL-Anlagen keine zusätzli-
geringerem Substitutionspotential (siehe Abschnitt che fossile Stromerzeugung verursacht werden (siehe
Substitutionswirkung von neuen Stromverbrauchern Absatz Substitutionswirkung von neuen Stromver-
im Transformationsprozess, S.13 ff). brauchern im Transformationsprozess, S.13 ff).
Um eine nahezu treibhausgasneutrale Volkswirt- Darüber hinaus sollten weitere Förderbedingungen
schaft zu realisieren ist es notwendig, PtG/PtL formuliert werden, die sich auf die Verknüpfung von
sektorübergreifend verfügbar und wettbewerbsfähig Stoff- und Energieströmen mit der Industrie, die Stei-
zu machen. Hierfür werden schon in den nächsten gerung von Effizienz, die Flexibilisierung von einzel-
Jahren Pilot- und Demonstrationsanlagen gebraucht, nen Anlagenteilen oder die Verbindung mit diversen
um Lernkurveneffekte zu erzielen, Wissenstransfer Anwendungstechniken beziehen.
zu gewährleisten und die erforderliche technische
Weiterentwicklung anzuregen. Ein entscheidender Vorteil von Energieträgern, die
über Elektrolyse und weitere Synthesen erzeugt wur-
Entsprechend empfehlen wir, in den nächsten Jahren den gegenüber Strom ist, dass sie besser speicherbar
die Forschung und Weiterentwicklung der Technik und leichter zu transportieren sind. Daher ist es sinn-
voranzutreiben. Hierzu sind innovative Pilotprojekte voll, hierfür vor allem an günstigen EE-Standorten
und Demonstrationsanlagen im energiewirtschaftli- im Ausland Erzeugungskapazitäten in einem Umfang
chen Maßstab für alle Anwendungsbereiche von PtG/ aufzubauen, der es z. B. ermöglicht, den Verkehrs-
PtL notwendig. Neben der PtG/PtL-Anlagentechnik sektor (insbesondere den See- und Flugverkehr)XIV zu
sollten auch die verschiedenen Anwendungsbereiche dekarbonisieren.
weiter beforscht und entwickelt werden.
Eine umfassende und über Demonstrationsanlagen
Die Förderung sollte in den nächsten Jahren auf hinausgehende Förderung inländischer PtG/PtL-An-
Demonstrationsvorhaben von zusätzlicher erneuer- lagen ist wegen vergleichsweise teurer EE-Potentiale
bar erzeugter Energie gespeisten Anlagen auf eine in Deutschland derzeitig nicht zielführend. Vielmehr
deutschlandweit installierte Leistung von insgesamt betonen wir, dass gegenüber Deutschland bereits
bis zu 500 MW beschränkt bleiben. Eine zu starke in- heute Regionen im Ausland mit sehr hohem Anteil
ländische Konkurrenz bei der Erschließung günstiger regenerativer Energien an der Stromversorgung exis-
EE-Standorte für direkte Stromnutzung wird dadurch tieren. Besonders bei einer erweiterten Betrachtung
XIII Also auch schon bei geringerem EE-Anteil in der Stromerzeugung (unter 80 Prozent - grobe Näherung, Wert ist modelltechnisch nicht verifiziert
XIV Siehe auch UBA (2015): „Klimaschutzbeitrag des Verkehrs – Notwendigkeit und Realisierungsoptionen einer regenerativen Energieversorgung im Verkehr“, Dessau-Roßlau.
16globaler Wirtschaftsvernetzungen und internationa- Fokussierung der Substitution fossiler Wasserstoff-
ler Energiestrategien sind diese Standorte besonders wirtschaft in der Petrochemie.
geeignet, zeitnah eigene PtG/PtL-Kapazitäten aufzu-
bauen. Für die kurz- und mittelfristige Minderung der Treib-
hausgasemissionen von Kraftstoffen, insbesondere
Die deutsche Förderpolitik sollte dem Rechnung Emissionen die bei der Kraftstoffherstellung anfal-
tragen und durch einen gezielten Einsatz von För- len, sollten auch die Potentiale jetziger Techniken in
dermitteln für Forschung und Entwicklung sowie Verbindung mit PtG/PtL berücksichtigt werden. Das
der Förderung von Demonstrationsanlagen Lernpo- bedeutet konkret, dass bei der speziellen Integration
tentiale vor allem im Bereich Learning-by-doing und von PtG/PtL im Verkehrsbereich insbesondere die
Learning-by-using adressieren.XV Petrochemie konzeptionell zu berücksichtigen ist.
Hier ist im besonderen Maße die Integration von PtG
Es sind internationale Strategien zur Umstruktu- gegeben. Bei nahezu jedem Raffinerieprozess be-
rierung der Energieversorgung zu entwickeln, um steht Bedarf an Wasserstoff. Dieser wird sowohl zur
den globalen Herausforderungen zum Klimawandel Entschwefelung der einzelnen Fraktionen (Kerosin,
entgegen zu treten. Dabei kann auch PtG/PtL eine Diesel und Benzin), als auch zum Hydrocracken –
zentrale Rolle für die regenerative globale Versorgung also Aufspalten von langkettigen Kohlenwasserstof-
von Brenn-, Kraft- und Rohstoffen und für einen inter- fen (z. B. Wachse) in kürzerkettige Kohlenwasserstoffe
nationalen regenerativen Energiemarkt darstellen. (z. B. Kerosin) – benötigt.
Schrittweise Integration in bestehende Bei der kurzfristigen Integration von PtG überwiegen
Strukturen Vorteile der direkten Substitution fossilen Wasser-
Um sektorale mittelfristige Klimaschutzziele kon- stoffs in der chemischen Industrie (also auch Petro-
sequent zu erreichen und parallel dazu einzelne chemie). Hier können effektive Minderungsbeiträge
Wirtschaftsbereiche weiter zu entwickeln, kann eine technisch leicht erschlossen werden. Die existierende
erhöhte Nachfrage an regenerativen strombasierten Gasinfrastruktur sowie seit Jahrzehnten vorhande-
Brenn-, Roh- und Kraftstoffen entstehen. Dies betrifft nes Know-how im Umgang mit dem Medium bilden
insbesondere den Verkehr und die chemische Indus- dafür eine solide Ausgangsbasis. Aus der verstärkten
trie. So hat sich zum Beispiel die International Civil Nutzung dieser Technik im Transformationspro-
Aviation Organisation (ICAO) das Ziel gesetzt, den zess ergebend sich Synergie- und Lerneffekte, die
zusätzlichen Energiebedarf des wachsenden Flugver- eine Weiterentwicklung und breite Anwendung von
kehrs ab 2020 treibhausgasneutral zu gestalten. Der- PtG/PtL unterstützen. Unter der Voraussetzung der
zeit verfolgt die ICAO für das global prognostizierte ausschließlichen Nutzung von regenerativem Strom
Wachstum des Flugverkehrs als wesentliche Strategie könnten mit aktuellem Stand der Technik ca. 5,8 Mio.
neben einer globalen marktbasierten Maßnahme Tonnen CO2 pro Jahr in Deutschland eingespart wer-
den Einsatz von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse. den.10
Dies lehnen wir aus klima- und umweltpolitischen
Gründen ab. Damit besteht in diesem Bereich drin- Bei der schrittweisen Integration der regenerativen
gender Handlungsbedarf. Unseres Erachtens kann Wasserstofferzeugung in bestehende Strukturen
die PtL-Technik als prinzipielle Alternative hierzu kann nur ein Anteil der Treibhausgasemissionen der
für den Zeithorizont 2020 jedoch nur einen kleinen Kraftstoffbereitstellung substituiert werden. Ent-
Beitrag leisten. sprechend der UN-Regeln zur internationalen Klima
berichterstattung würden diese Minderungen der
Wir halten es generell für notwendig, der ganzheit- Quellgruppe Industrieprozesse zugeordnet. Bei der
lichen langfristigen Bedeutung der PtG/PtL-Technik im Verkehr fachlich sinnvollen integrierten Betrach-
gerecht zu werden. Wir schlagen vor, bei der Integra- tung der Potentiale (Well-to-Wheel) würden damit die
tion von PtG mit der Substitution der fossilen Wasser- Minderungen bei der Kraftstoffherstellung berück-
stoffwirtschaft zu beginnen, ggf. mit einer zeitnahen sichtigt werden. Konkret bedeutet dass, das durch die
XV Für eine ausführliche Diskussion zu Lernkurveneffekten vergleiche (PIK 2012) Kosten des Ausbaus erneuerbarer Energien: Eine Metaanalyse von Szenarien.
17Nutzung von regenerativ erzeugtem Wasserstoff die Wegen der ansteigenden Nutzungskonkurrenz und
Treibhausgasemissionen der Kraftstoffe also auch der eingeschränkten Flächenverfügbarkeit für Biomas-
Flugtreibstoffe reduziert werden. seanbau sollte langfristig keine Beschränkung auf
Biokraftstoffe erfolgen, sondern die direkte Nutzung
Um zu verhindern, dass Anbaubiomasse mittelfristig von erneuerbarem Strom und PtG/PtL-Kraftstoffen
im Flugverkehr genutzt wird ist es notwendig Pilot- integriert werden. Weiterhin gehört dazu z. B. eine
und Demonstrationsvorhaben zu fördern, eine Markt- aus systemischer Sichtweise zielführende Mehrfa-
einführung der PtL-Technik zu ermöglichen und die chanrechnung von Elektromobilität und PtG/PtL in
langfristige Verfügbarkeit der Technik zur treibhaus- den europäischen und nationalen Richtlinien oder
gasneutralen Gesamtversorgung des Flugverkehrs zu entsprechend zweckmäßige Berücksichtigung bei der
gewährleisten. Auch hier wäre in einem ersten Schritt Festlegung von Flottengrenzwerten. Für Industrie-
die Beimischung zum fossilen Flugtreibstoff realisier- prozesse sind entsprechende Normen und Standards
bar. weiter zu entwickeln.
Darüber hinaus halten wir es im Verkehrsbereich für Die bereits national bestehende Unterscheidung von
notwendig, – wo immer möglich – den regenerativ PtG-Anlagen als Speicherlösung (bei Rückverstro-
erzeugten Strom direkt zu nutzen (z. B. Elektromobili- mung) und als Stromverbraucher zur Bereitstellung
tät, Oberleitungs-Lkw), da dies der energieeffizientes- von Brenn-, Roh- und Kraftstoffen (ohne Rückverstro-
te und ökonomischste Weg darstellt. Ebenso sollten mung) sollte beibehalten werden.
auch bestehende Antriebstechniken optimiert und
die PtL-Technik selbst für spezifische verkehrsbezo- PtG-Anlagen konkurrieren als Speicherlösung mit
gene Anwendungen wie den Flugverkehr erschlossen anderen Speichersystemen und Lastmanagement.
werden. Häufig fehlen je nach Katalysatormaterial Eine Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmen-
beispielsweise aromatische Verbindungen im PtL- bedingungen für Steuern und Umlagen sollte dem
Kraftstoff. Damit ist dieser derzeit als vollständiges Rechnung tragen und einen Wettbewerb um die aus
Substitut für Diesel einsetzbar, nicht jedoch für Ben- ökologischer und volkswirtschaftlicher Sicht güns-
zin oder Kerosin.XVI Hier ist es mittelfristig notwen- tigsten Speichersysteme ermöglichen. Angesichts
dig, entweder auf Verkehrsträgerseite die Turbinen der sektorübergreifenden Herausforderung und der
technisch weiter zu entwickeln und zu optimieren, Konkurrenz zu anderen Stromspeichersystemen müs-
oder die PtL-Technik anzupassen. sen die verschiedenen Instrumente dabei sachgerecht
aufeinander abgestimmt sein.
Wir empfehlen, die bestehenden Klimaschutzinst-
rumente und rechtlichen Rahmenbedingungen so Um ineffiziente Anreize mit Marktverzerrungen bei
weiterzuentwickeln, dass die PtG/PtL-Technik mittel- der Erschließung von Flexibilitäten (für die Integrati-
und langfristig sicher integriert werden kann. Dazu on der EE) im Strommarkt zu vermeiden, sollten PtG/
gehören beispielsweise weitere Schritte zur Reform PtL-Anlagen zur Bereitstellung von Brenn-, Roh- und
und Weiterentwicklung des Emissionshandels, um Kraftstoffen bei den Netzentgelten und der EEG-Um-
seine Anreizwirkung zur Emissionsminderung weiter lage gleichbehandelt werden mit PtH-Anlagen und
zu stärken, oder die Einbeziehung der national verur- industriellem Lastmanagement. Diese übernehmen
sachten Anteile an internationalen Verkehrsströmen im Gesamtsystem die gleiche Funktion und sind bei
in die internationalen Klimaverhandlungen und Analyse ihrer Bedeutung im Energiesystem sogar
Berichterstattungen. effizienter.
Für eine zielführende und umfassende Klimaschutz- Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der PtG-
strategie im Verkehrsbereich sollten zusätzlich und PtL-Technik sind weiterzuentwickeln. Dazu
zur Elektromobilität strombasierte Kraftstoffe bei müssen die Rahmenbedingungen des Energiesys-
verkehrspolitischen Instrumenten und rechtlichen tems insgesamt in den Blick genommen werden. Die
Rahmenbedingungen stärker berücksichtigt werden. vorliegenden Handlungsempfehlungen betreffen die
XVI Nach dem aktuellen weltweit gültigen Kraftstoffstandard (ASTM) sind im Flugverkehr ohne Anpassungen der Turbinen nur Kraftstoffe zugelassen, die einen maximalen
Anteil an Fischer-Tropsch-Kerosin von 50 Prozent enthalten.
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