Integrationsregion Ruhr - Vielfalt stärken, Zukunft gestalten - Dokumentation der vom 27.11.2019, Luise-Albertz-Halle, Oberhausen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Dokumentation der vom 27.11.2019, Luise-Albertz-Halle, Oberhausen Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten
INHALT – PROGRAMMPUNKTE Eröffnung 3 Daniel Schranz, Oberbürgermeister der Stadt Oberhausen Karola Geiß-Netthöfel, Regionaldirektorin des Regionalverbands Ruhr (RVR) Welche Rahmenbedingungen bietet der Bund für gelingende Integrationsprozesse im Ruhrgebiet? 4 Dr. Markus Kerber, Staatssekretär für Bau und Heimat im Bundesministerium des Inneren ordrhein-Westfälische Teilhabe- und Integrationsstrategie 2030 – N Implikationen für das Ruhrgebiet 6 Serap Güler, Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration Integration im Ruhrgebiet im Schulterschluss von Bund, Land und Kommune 8 Dr. Markus Kerber, Serap Güler, Daniel Schranz, Karola Geiß-Netthöfel Integrationsregion Ruhr – Erfahrungen und Perspektiven 11 Bildung und Sprache als Erfolgsfaktoren der Integration Suat Yilmaz, Leiter der Landesweiten Koordinierungsstelle Kommunale Integrationszentren Dr. Susanne Farwick, Leiterin des Bereichs Integration der Stiftung Mercator Fachkräfte sichern, Perspektive geben, aktive Willkommenskultur praktizieren Mark Rosendahl, Geschäftsführer des DGB in der Emscher-Lippe-Region Tülay Koca, Inhaberin des Prenses Palace in Essen Wulf-Christian Ehrich, stellv. Hauptgeschäftsführer der IHK zu Dortmund Wie machen wir weiter? Was soll konkret passieren? 14 Suat Yilmaz, Leiter der Landesweiten Koordinierungsstelle Kommunale Integrationszentren Sören Link, Oberbürgermeister der Stadt Duisburg Birgit Zoerner, Dezernentin für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Dortmund Karola Geiß-Netthöfel, Regionaldirektorin des Regionalverbands Ruhr Moderation Beate Kowollik, WDR SOZIALKONFERENZ RUHR Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten 2
ERÖFFNUNG Daniel Schranz, Oberbürgermeister der Stadt Oberhausen Karola Geiß-Netthöfel, Regionaldirektorin des Regionalverbands Ruhr (RVR) reich gemeistert haben, ist damit die Integra- tion ja noch nicht abgeschlossen“, so Schranz. Aktuell gelte es, vieles zu bewegen, etwa den Bau von Kindergärten oder die Einrich- tung internationaler Vorbereitungsklassen. Und auch wenn das Ruhrgebiet als „Prototyp in Sachen Integration“ auf jahrzehntelange Erfahrung aufbaue – „Oberhausen, aber auch viele andere Städte gibt es ja nur aufgrund von Zuwanderung –, habe man in den 1960er- Karola Geiß-Netthöfel, Regionaldirektorin des Regionalverbands Ruhr und 1970er-Jahren durchaus Fehler gemacht, die sich nicht wiederholen dürfen.“ Die zentrale Botschaft der Begrüßungsreden zur zweiten Sozialkonferenz Ruhr des Regio- Hier Wege aufzuzeigen, Ideen zu liefern, Pro- nalverbands Ruhr in der Luise-Albertz-Halle bleme anzusprechen, sei grundlegendes Ziel in Oberhausen war eindeutig: Das Ruhrgebiet der Sozialkonferenz Ruhr, versicherte Geiß- kann Integration. Doch es bedarf, daran ließ Netthöfel und verwies auf die erfolgreiche Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel Konferenzpremiere zum Thema Langzeit- keinen Zweifel, der Unterstützung durch Land arbeitslosigkeit im Jahr 2018. Damals habe und Bund, um den aktuellen Problemen in die Region einige Impulse für das Teilhabe den Kommunen begegnen zu können. Denn, chancengesetz liefern können, die gerade so Gastgeber Daniel Schranz, Oberbürger- erfolgreich umgesetzt werden. Auch beim meister der Stadt Oberhausen: „Wir wissen, Thema Integration sei es wichtig, Betei- dass Integration nicht nur eine Daueraufgabe ligte aus Politik und Praxis miteinander in bleibt, sondern auch eine Aufgabe, die von Gespräch zu bringen, etwa um aufzuzeigen, Herausforderungen gekennzeichnet ist.“ „was der Bund leistet und was der Bund von Karola Geiß-Netthöfel: „MENSCHEN GUT ZU INTEGRIEREN, IST EINFACH SELBSTVERSTÄNDLICH FÜR DAS RUHRGEBIET. ABER DAFÜR BRAUCHEN WIR AUCH DIE ENTSPRECHENDE UNTERSTÜTZUNG DURCH BUND UND LAND.“ Nach 2016 sei das Thema medial gesehen uns erwartet“. Anders gesagt: „Menschen gut längst wieder in den Hintergrund getreten. zu integrieren, ist einfach selbstverständlich Zu Unrecht. „Denn auch, wenn wir die großen für das Ruhrgebiet. Aber dafür brauchen wir Herausforderungen der Unterbringung und auch die entsprechende Unterstützung und Versorgung von geflohenen Menschen erfolg- die entsprechenden Mittel.“ SOZIALKONFERENZ RUHR Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten 3
WELCHE RAHMENBEDINGUNGEN BIETET DER BUND FÜR GELINGENDE INTEGRATIONSPROZESSE IM RUHRGEBIET? r. Markus Kerber, Staatssekretär D für Bau und Heimat im Bundesministerium des Inneren Deutlich schneller steigende Bevölkerungs- Erstmalig habe man das Migrationsphäno- zahlen als angenommen, ein Integrations- men einigermaßen verständlich trennen kön- kurs-System, das nicht auf Zuwanderer aus nen in Flucht- und Schutzmigration einerseits Drittländern ausgerichtet ist, „lange Jahre und Arbeitsmigration andererseits. „Beides der Defizite“ – Staatssekretär Dr. Markus sind valide Gründe, um in ein Land zuzu- Kerber machte deutlich: In Sachen Integra- wandern, aber es hat andere Rechtsfolgen.“ tion gibt es in Deutschland mehr als nur ein Das „Große Migrationspaket“ schaffe über Problemfeld. Eine Herausforderung, die der das Geordnete-Rückkehr-Gesetz, das Aus- Bund gezielt angehe – über eine Heimat- länderbeschäftigungsförderungsgesetz und politik, die sowohl integrations- wie struktur- das Fachkräfteeinwanderungsgesetz eine politisch ausgerichtet sei, und vor allem mit Balance, die sich nun bewähren müsse. Auch, Staatssekretär Dr. Markus Kerber: „ES BESTEHT DIE BEREITSCHAFT, ÜBER KOMMUNALE ALTSCHULDEN ZU REDEN.“ mehr Mitteln als bislang. Das übergeordnete weil das Thema Geduldete die Kommunen Ziel: „Wir müssen Zugewanderte als einen Teil finanziell sehr belaste. Erstmalig gebe es im von uns, als Deutsche akzeptieren.“ Erfolgrei- Bund daher eine gewisse Bereitschaft, über che Integration jedoch bedürfe neben Geld die kommunalen Altschulden zu reden. Ein nicht zuletzt vor allem auch Zeit. Weshalb schwieriges Thema, wie Kerber gestand, Kerber bei Land und Kommunen vor allem seien sich doch Länder und kommunale Spit- um Zweierlei warb: Geduld und Nachsicht. zenverbände hier selbst nicht einig. Innerhalb Derzeit erarbeite eine Fachkommission mit eines ganz engen Bedingungsbereichs sei der Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, der Bund durchaus bereit, hier das Wesentliche Wissenschaft und Praktiker*innen aus Bun- zu tun. Denn: „Kranke Kommunen können wir desländern und Kommunen Empfehlungen uns in Deutschland nicht leisten.“ dafür, wie die Bundesregierung die Integrati- onsmaßnahmen weiterentwickeln soll. In die Empfehlungen, die bis Mitte 2020 vorliegen sollen, wird „direkt aus NRW hineinberichtet werden“. SOZIALKONFERENZ RUHR Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten 4
Rund 20.000 Integrationskurse bundesweit (davon 2.700 in NRW) werden mit insgesamt knapp 800 Mio. Euro jährlich unterstützt. „Massiv aufgestockte Mittel“, die jedoch nur einen Teil der eigentlichen Herausforderung ausmachen. Der andere bestehe darin, ein in der Regel auf Europäer*innen bezoge- nes Kurssystem komplett umzustellen – auf Menschen aus Drittländern, darunter vielfach Analphabet*innen ohne berufliche Qualifi- kation. Erfolgsquoten von knapp 60 Prozent bundesweit seien unter diesen Voraussetzun- gen als großer Erfolg zu werten. r. Markus Kerber, Staatssekretär D für Bau und Heimat im Bundesministerium des Inneren Die Herausforderung bei der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse bestehe Grundsätzlich bestimmen zwei thematische darin, mehr aktive Strukturpolitik zu betrei- Säulen die Heimatpolitik des Bundesinnen- ben, die sich an demografischen Fakten ministeriums: Gesellschaftlicher Zusammen- orientiert. Zu lange hätten Bund, Länder halt und dessen Förderung auf der einen, die und Kommunen unter falschen Annahmen Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse geplant, konkret mit etwa 70 bis 75 Mio. Men- Grundsätzlich bestimmen zwei thematische Säulen die Heimatpolitik: … GESELLSCHAFTLICHER ZUSAMMENHALT UND DIE SCHAFFUNG GLEICHWERTIGER LEBENSVERHÄLTNISSE … auf der anderen Seite. Säule eins – Integra- schen um das Jahr 2020 bis 2025. Tatsächli- tionsmaßnahmen, die das Bundesamt für cher Stand Sommer 2019: 83 Mio. Menschen, Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit einem Tendenz steigend, da neben Drittstaatler*in- Haushalt von über zwei Milliarden Euro zent- nen jährlich auch etwa 4.000 bis 5.000 EU- ral regelt – beruht auf drei Elementen: Bürgerinnen und -Bürger zuwandern. Auch 1. den Integrationskursen, hier, das machte Kerber abschließend deut- 2. der Migrationsberatung für erwachsene lich, nimmt der Bund mehr Geld in die Hand, Zuwanderer, die in NRW an 348 Orten beispielsweise jährlich fünf Milliarden Euro möglich ist, für das Gute-KiTa-Gesetz, zwei Milliarden 3. den Projekten zur Förderung gesell- Euro statt wie bislang 335 Mio. Euro für das schaftlicher Integration. Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und einen zweistelligen Milliardenbetrag für die Bahn im Rahmen des Klimaschutzpaketes. SOZIALKONFERENZ RUHR Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten 5
NORDRHEIN-WESTFÄLISCHE TEILHABE- UND INTEGRATIONSSTRATEGIE 2030 – IMPLIKATIONEN FÜR DAS RUHRGEBIET Serap Güler, Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration Keine Vision, keine Bestandsaufnahme, son- 2. die nachhaltige Integration in die Regel- dern die „ambitionierte Fortsetzung des systeme und nordrhein-westfälischen Wegs in der Inte- 3. die Gestaltung der Migrationsgesell- grationspolitik“: Mit diesem Anspruch, ver- schaft „als vielleicht größte Herausforde- sicherte Staatssekretärin Serap Güler, habe rung von allen“. die Landesregierung gemeinsam mit einem interdisziplinär besetzten Beirat die NRW- Ein Schwerpunkt des Konzeptes: die Stär- Teilhabe- und Integrationsstrategie 2030 kung der Kommunalen Integrationszentren erarbeitet. Sei die Vergangenheit durchaus (KI). „Wir haben mittlerweile in allen 54 Krei- von zahlreichen Ad-hoc-Entscheidungen sen und kreisfreien Städten ein kommunales in der Asyl- und Flüchtlingspolitik geprägt Integrationszentrum; eine bundesweit ein- gewesen, laute das zukünftige Ziel: pass- zigartige Infrastruktur, deren Finanzierung genaue Integrationsmaßnahmen. Neben mit jährlich 18,8 Mio. Euro bis 2022 gesi- Sprache, Bildung und Arbeit fokussierten chert ist.“ Zusätzlich wird das Modellprojekt sich diese besonders auf die Schaffung „Einwanderung gestalten NRW“ ab 2020 eines klaren Wertefundamentes. Güler warb ausgeweitet, das in ein flächendeckendes hier einerseits für das Thema Einbürgerung, kommunales Integrationsmanagement mün- stellte aber auch klar, dass „die Wertedebatte den soll. Dafür stehen ab Juli 2020 zunächst nicht nur etwas für die Leute ist, die neu zu 25 Mio. Euro bereit, die bis 2022 sukzessive uns kommen“. Integration sei ein gesamtge- auf insgesamt 75 Mio. Euro erhöht werden. sellschaftlicher Auftrag. Die Aufgaben des Integrationsmanagements Ein Auftrag bei dem das Land die Kommu- sind: zukünftiges Ziel: PASSGENAUE INTEGRATIONSMASSNAHMEN. NEBEN SPRACHE, BILDUNG UND ARBEIT FOKUSSIERTEN SICH DIESE BESONDERS AUF DIE SCHAFFUNG EINES KLAREN WERTEFUNDAMENTES. nen „im Rahmen unserer Möglichkeiten und 1. die Implementierung einer strategischen mit den Möglichkeiten, die uns der Bund zur Steuerungsebene, Verfügung gestellt hat, unterstützt“ – etwa 2. die Förderung eines rechtskreisübergrei- durch die 1:1-Weitergabe von 432,8 Mio. Euro fenden individuellen Casemanagements aus der Integrationspauschale des Bundes. sowie Weitere Maßnahmen werden im Rahmen der 3. die Verstetigung der Integration von Ein- neuen Strategie künftig in drei Zieldimensio- gewanderten mit besonderen Integra- nen differenziert: tionsleistungen. 1. die Erstintegration von Neuzugewander- ten aus Drittstaaten und Europa, SOZIALKONFERENZ RUHR Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten 6
Serap Güler, Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration Einen weiteren Fokus legt die Strategie die heute keine Bleibeperspektive haben, auf Qualifizierungsmaßnahmen für junge werden wir zurückführen können. Und dann Geflüchtete. Güler nannte hier beispielhaft müssen wir tatsächlich irgendwann einmal die Initiative „Gemeinsam klappt‘s“ (13,2 Mio. Tabula rasa machen.“ Ein wichtiger Schritt in Euro bis 2022), einen Baustein des Landes- diese Richtung könnte die Öffnung der Integ- programms „Durchstarten in Ausbildung und rationskurse für weitere Gruppen sein. Arbeit“, das bei einem Gesamtvolumen von Staatssekretärin Serap Güler: „EIN RUHRGEBIET, DAS ZUM MOTOR FÜR INNOVATION UND WIRTSCHAFTLICHEN ERFOLG WIRD, IST GUT FÜR NRW UND DEUTSCHLAND.“ 50 Mio. Euro bereits in 80 Prozent der Kreise Bei der Schaffung von Chancen und Auf- und kreisfreien Städte umgesetzt wird. In die- stiegsmöglichkeiten spiele mit Blick auf das sem Zusammenhang appellierte die Staats- Ruhrgebiet die 2018 initiierte Ruhrkonferenz sekretärin an den Bund, die Länder stärker eine zentrale Rolle, die unter dem Leitmotiv darin zu unterstützen, „jenen, die sich von „Chancenregion Ruhr“ in fünf Handlungs- Anfang an um Integration bemüht und Arbeit feldern und 74 Projekten wichtige Impulse gefunden haben, eine faire Chance zu geben setze. Denn, so Güler: „Ein Ruhrgebiet, das und ihnen ein dauerhaftes Bleiberecht nach zum Motor für Innovation und wirtschaftli- klaren Kriterien zu ermöglichen. Sie wissen chen Erfolg wird, ist gut für ganz NRW und genauso gut wie ich: Nicht all diejenigen, am Ende für ganz Deutschland.“ SOZIALKONFERENZ RUHR Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten 7
INTEGRATION IM RUHRGEBIET IM SCHULTERSCHLUSS VON BUND, LAND UND KOMMUNE Dr. Markus Kerber, Serap Güler, Daniel Schranz, Karola Geiß-Netthöfel Geduldete, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Zu - Kerber betonte, die Prozesse ließen sich nicht wanderung aus Südosteuropa, kommunale ohne weiteres beschleunigen, wolle man Altschulden, Migrationskontrolle: Die Podi- nicht willkürlich entscheiden. „Jeder Zuwan- umsdiskussion im Anschluss an die Impuls- derer hat ein Grundrecht auf den Rechtsweg, vorträge von Dr. Markus Kerber und Serap und verwaltungsrechtliche Wege dauern nun Güler wurde vor allem von komplexen Kern- einmal so lange, wie sie dauern.“ Dennoch: themen der Integrations- und Migrationsde- Bund und Land, forderte Regionaldirektorin batte bestimmt. Zweierlei wurde dabei relativ Geiß-Netthöfel, dürften die Kommunen mit Einvernehmen: ALS EINE ART HOTSPOT SPIEGELT DAS RUHRGEBIET DIE SITUATION IM LAND WIDER. schnell deutlich: Das bislang Erreichte muss dem Problem nicht allein lassen: „58.000 Anerkennung finden – auf allen politischen Geduldete in NRW und davon ganz viele Ebenen ebenso wie in der Bevölkerung. Nicht hier bei uns im Ruhrgebiet, das können wir zuletzt, betonte Güler, „weil in diesem Land nicht alleine stemmen.“ Die Tilgung der Alt- noch nie für das Thema Integration so viel schulden sei sehr wichtig, könne aber nur ein Geld veranschlagt wurde wie jetzt, nämlich erster Schritt sein: „Was nützt es, wenn sich 110 Mio. Euro für 2020“. Zugleich bedürfe es die Schulden am nächsten Tag durch hohe noch umfassenderer und, ginge es nach den Soziallasten und die hohen Kosten für die Kommunen, deutlich schnellerer Lösungen Menschen, die wir hier versorgen müssen, als bislang. Dass Kerber und Güler für Januar wieder neu aufbauen?“ Auch die Erhöhung 2020 eine gemeinsame Rundreise durch der FlüAG-Pauschale (Flüchtlingsaufnahme die Metropole Ruhr ankündigten, deutete gesetz), so Oberbürgermeister Schranz, sei in Moderatorin Beate Kowollik als bewussten diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema, Schulterschluss zwischen Bund, Land und auch wenn auf kommunaler Ebene kein Ein- Kommunen. Ziel der Reise sei es, so Kerber, vernehmen darüber herrsche, wie sich eine „vor Ort herauszufinden, was an der Umset- „richtige differenzierte Pauschale“ gestalten zung der Gesetze des Bundes funktioniert, müsse: „Wir könnten jetzt lang und breit dar- und wo es vielleicht hakt“. Denn darüber über reden, wie viel höher der Bedarf in den bestand Einvernehmen: Als eine Art Hotspot größeren Städten als im kreisangehörigen spiegelt das Ruhrgebiet die Situation und die Raum ist. Doch dass es überall den Bedarf Möglichkeiten im Land wider. gibt, ist klar – und das nicht erst seit gestern.“ SOZIALKONFERENZ RUHR Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten 8
IM GESPRÄCH Hier sei, das kündigte Serap Güler an, eine Drittstaaten von unter 100.000 Menschen Dr. Markus Kerber, Lösung in Sicht, „mit der alle Seiten werden pro Jahr, das scheint mir managebar zu sein. Moderatorin Beate leben können“. Das Land stehe im Austausch Aber lassen Sie aus der EU mal 500.000 bis Kowollik, Serap Güler, mit den kommunalen Spitzenverbänden, 600.000 Zuwanderer jährlich kommen. Das Daniel Schranz und sowohl hinsichtlich der viel diskutierten Erhö- können wir weder steuern, noch planen, noch Karola Geiß-Netthöfel hung bzw. Differenzierung der FlüAG-Pau- begrenzen, weil es in der EU keine Begren- schale, als auch beim Thema Geduldete, dem zung der Migration gibt.“ Thema, das kommunal „wirklich zu Buche schlägt“. Zugleich gab die Staatssekretärin Mehr noch: „Wenn die Perspektivlosigkeit im den Ball unmittelbar an den Bund weiter: „Von Ländergürtel zwischen Marokko und dem Iran den 58.000 Geduldeten in NRW sind 7.000 anhält, haben wir zukünftig ganz andere Mig- Menschen acht Jahre oder mehr in einem rations- und Integrationsprobleme. Die kann Duldungsverhältnis. Das können zehn oder ich dann auch mit noch so vielen Sozialkon- 15 Jahre sein, in Essen haben wir auch Fälle ferenzen nicht mehr lösen.“ Festzulegen, wer von 30 Jahren. Hier muss man irgendwann erwünscht sei und wer nicht, die komplette Tabula rasa machen, den Menschen eine faire Kontrolle über die Migration zu haben, wie es Chance geben und sie selbstständig für sich bestimmte politische Strömungen im Land sorgen lassen.“ Bislang jedoch fehlen für eine befürworteten, sei der falsche Weg. Dennoch Staatssekretärin Serap Güler: „DAS THEMA GEDULDETE SCHLÄGT KOMMUNAL WIRKLICH ZU BUCHE!“ solche Stichtagslösung die parlamentari- müsse man der Bevölkerung verdeutlichen, schen Mehrheiten, sowohl in Deutschland als „dass wir Zuwanderung in ihren Folgen unter auch auf europäischer Ebene. Kerber: „Wenn Kontrolle haben. Denn wenn dem Staat unter- wir Gnade vor Recht walten lassen, was ja stellt wird, er habe Kontrollverlust, bröckelt eine Stichtagsregelung wäre, wie läuft es das Vertrauen der Bürger. Das können wir dann in Zukunft? Werden wir dann mehr Ord- uns nicht erlauben“. Und dann unterscheide nung und Rechtsstaatlichkeit im Zuwande- die Bevölkerung auch nicht länger zwischen rungsbereich bekommen?“ Mit der jetzigen Bund, Land und Kommunen, „dann heißt es, Situation der EU-Außengrenze sei das nicht der Staat macht nichts für uns“. zuzusichern: „Wir haben Zugangszahlen aus SOZIALKONFERENZ RUHR Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten 9
Aus dem Publikum merkte Dortmunds Sozial- fehle, sei eine „klare Entscheidung zu Gel- dezernentin Birgit Zoerner an, es sei vor allem dern“. Statt unterschiedliche Positionen der die kaum überschaubare Zahl an Themen, kommunalen Spitzenverbände für Verzö- die Flut an unterschiedlichen Vorgaben und gerungen verantwortlich zu machen, müss- Gesetzen, die letztlich in der Bevölkerung ten Land und Bund endlich Entscheidungen für „Frust“ sorge. Neben neu zuwandernden treffen; „man wird in diesen Fragen immer Flüchtlingen gehe es auch um Zuwanderer jemandem weh tun.“ Alles andere „lassen aus Rumänien und Bulgarien – und damit um uns die Bürger nicht mehr durchgehen“. Das Menschen, die streng genommen keinerlei Thema Migration/Integration sei mit Blick Voraussetzungen mitbringen, am Arbeits- auf den anstehenden Kommunalwahlkampf markt Fuß zu fassen und trotzdem bleiben. bereits jetzt ein ganz heißes Eisen. Luidger Wolterhoff: „LAND UND BUND MÜSSEN ENDLICH ENTSCHEIDUNGEN ZU GELDERN TREFFEN.“ „Das ist ein Riesenthema“. Zugleich werde Einwände, für die Staatssekretär Kerber Ver- es immer schwieriger, Entscheidungen des ständnis zeigte. Es sei grundsätzlich wichtig, Bundes vor Ort zu vertreten: „Wenn aufgrund Programme richtig zu vermitteln, der Öffent- der Gesetzeslage geduldete Menschen, die lichkeit aufzuzeigen, dass etwas geschieht, bereits in Ausbildung oder Arbeit sind, also und – „das nehme ich von dieser Sozialkon- Menschen, die sich selbst finanzieren, aus ferenz mit“ – Probleme nicht schönzureden, ihrem Job wieder raus müssen, stattdessen sondern sie „jeder in seiner Verantwortlich- von der Kommune komplett finanziert wer- keit“ zu lösen. Dies aber brauche Zeit: „Wir den und dieses Land trotzdem nicht verlas- haben 30 Jahre lang nichts gemacht, da wird sen, dann kann ich das schlicht niemandem es auch mindestens zehn Jahre dauern, bis mehr erklären.“ Längst, so ergänzte Dieter die Gegenbewegung kommt.“ Gerade des- Hillebrand vom DGB, sei die Lage in vielen halb, ergänzte Staatssekretärin Güler, sei ein Ruhrgebietsstädten viel explosiver „als wir Schulterschluss zwischen Bund, Land und das gerne offen diskutieren“. Kommunen unerlässlich. Auch Gelsenkirchens Sozialdezernent Luid- ger Wolterhoff mahnte zügige Entschei- dungen an: „Das was hier in Bezug auf die Finanzen gesagt wird, hören wir schon seit vielen Monaten mit den gleichen Argumen- ten; wir diskutieren immer wieder das Glei- che.“ Die Kommunen seien durchaus bereit, Integrationsleistungen zu erbringen – „das ist für uns überhaupt keine Frage, da gibt es bereits gute Projekte“. Was nach wie vor SOZIALKONFERENZ RUHR Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten 10
INTEGRATIONSREGION RUHR – ERFAHRUNGEN UND PERSPEKTIVEN Bildung und Sprache als Erfolgsfaktoren der Integration Suat Yilmaz, Leiter der Landesweiten Koordinierungsstelle Kommunale Integrationszentren Dr. Susanne Farwick, Leiterin des Bereichs Integration der Stiftung Mercator Fachkräfte sichern, Perspektive geben, aktive Willkommensstruktur praktizieren Mark Rosendahl, Geschäftsführer des DGB in der Emscher-Lippe-Region Tülay Koca, Inhaberin des Prenses Palace in Essen Wulf-Christian Ehrich, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK zu Dortmund Und ja: „Es passiert viel, es gibt zahlreiche sehr gute Projekte in Schulen und mittler- weile auch eine gewisse Routine“, versicherte Dr. Susanne Farwick, Leiterin des Bereichs Integration der Stiftung Mercator. „Doch das reicht nicht, um das Problem grundsätzlich und strukturell in den Griff zu kriegen.“ Es fehle, resümierte auch Suat Yilmaz, Leiter der Landesweiten Koordinierungsstelle Kommu- nale Integrationszentren, an ausreichender Wirkung in der Fläche. „Die Programme sind gut, die Ergebnisse greifen jedoch längst ERFAHRUNGSAUSTAUSCH I Dr. Susanne Farwick, Leiterin Bereich Integration nicht allerorts.“ der Stiftung Mercator; Moderatorin Beate Kowollik und Suat Yilmaz, Leiter der Landesweiten Koordinierungsstelle Kommunale Integrationszentren Suat Yilmaz: „DIE PROGRAMME SIND GUT, DIE ERGEBNISSE GREIFEN JEDOCH LÄNGST NICHT ALLERORTS.“ Der zweite Teil der Sozialkonferenz Ruhr Akute Kinderarmut, mangelnde Bildungs- begann mit einem Blick auf die Praxis in der gerechtigkeit und nicht zuletzt mögliche Integrationsregion Ruhr. Wie sieht sie aus? zukünftige Zuwanderungszahlen etwa mit Welche Rolle spielen Bildung und Sprache? Blick auf die Situation in den Maghrebstaa- Welche Herausforderungen ergeben sich für ten: Yilmaz’ Bestandsaufnahme fiel deutlich Unternehmen? Und welche Vorteile? pessimistischer aus als jene der Politik zuvor. „Wenn wir das jetzt nicht ans Laufen bekom- Die Podiumsteilnehmenden waren sich einig: men, haben wir in zehn, fünfzehn Jahren Pro- Sprache und Bildung sind wesentlich, wenn bleme in Dimensionen, die wir uns jetzt gar es darum geht, Menschen zu integrieren und nicht vorstellen können.“ Sein Fazit: „Es fehlt sie in Ausbildung und Arbeit zu bekommen. die Struktur, es fehlt Personal, es fehlt Geld“. SOZIALKONFERENZ RUHR Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten 11
Und – das wurde später auch noch einmal Chancen, die nicht nur mit einer grundsätzli- aus dem Publikum angemerkt – es herrscht chen Haltungsänderung, mit Wertschätzung Zeitdruck: „Kinder und Jugendliche“, so die anderer Ressourcen einhergehen müssen, Wortmeldung, „müssen heute integriert sondern auch mit einer Anpassung und Neu- werden und nicht erst morgen oder über- ausrichtung etwa der Verwaltungsstrukturen. morgen; sie können nicht abwarten, bis sich Yilmaz: „Wir sprechen immer von einem Sozi- bestimmte Programme etabliert haben und alindex. Wie wäre es mal mit einem Chan- umgesetzt werden können“. Die Maßnahmen cenindex? Warum gibt es an beinahe jeder müssten deshalb, so Yilmaz, deutlich früher Schule zwar einen Sozialarbeiter, aber keinen ansetzen, etwa im Rahmen eines bundes- Talentscout?“ Hier würden enorme Chancen weiten Schülerstipendien-Programms: „Wir vertan. pumpen eine Viertelmilliarde ins Ende der Pipeline. Aber vorher, da, wo man etwas ver- Chancen, die gelingende Integration auch ändern kann, in der siebten, achten Klasse, da Wirtschaft und Unternehmen biete – wenn passiert nichts.“ alle Beteiligten bereit seien, über den Teller- Susanne Farwick: „GLEICHWERTIGE LEBENSVERHÄLTNISSE LIESSEN SICH NUR ÜBER EINE BEDARFSORIENTIERTERE FINANZIERUNG DER REGELSYSTEME ERREICHEN.“ Früher ansetzen und Talente fördern, lau- rand zu schauen, wie Wulf-Christian Ehrich, tete die eine Forderung. Langfristiger pla- stellv. Hauptgeschäftsführer der IHK zu Dort- nen und Modellprojekte in feste Programme mund, anmerkte. Mehrsprachigkeit, inter- umwandeln, die andere. Denn, so Farwick, national besetzte Teams verbunden mit mit „Leuchttürmen, die dann wieder in sich interkultureller Sensibilität im eigenen Unter- zusammenfielen“, sei es nicht getan. Eine nehmen schaffen durchaus Vorteile auf dem gleichberechtigte Teilhabe aller und damit Markt. „Mit Blick auf den Fachkräftemangel gleichwertige Lebensverhältnisse ließen sich muss man sich mit Integration auseinander- nur über eine bedarfsorientiertere Finan- setzen, ob man will oder nicht. Allein in NRW zierung der Regelsysteme und eine andere fehlen 2019 rund 11.000 Fachkräfte.“ Das Verteilungsgerechtigkeit erreichen. Zugleich Fachkräfteeinwanderungsgesetz böte da ab gelte es, Sprachbarrieren abzubauen, etwa 2020 zwar endlich wichtige Rahmenbedin- über eine fächerübergreifende Sprachsensi- gungen, beispielsweise im Hinblick auf die bilisierung, und neue Akteur*innen zu mobili- mögliche Ausbildung von Geflüchteten. Ein sieren – Farwick verwies auf ein Modellprojekt grundsätzlicher Mentalitätswechsel in Unter- mit geflüchteten Lehrenden, Yilmaz auf die nehmen und Gesellschaft lasse sich jedoch zu stärkende Rolle der Frauen in den Fami- auch über Gesetze nicht erzwingen. lien – und damit neue Vorbilder zu schaffen. SOZIALKONFERENZ RUHR Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten 12
ERFAHRUNGS- AUSTAUSCH II Mark Rosendahl, Tülay Koca, Beate Kowollik, Wulf-Christian Ehrich Denn die Realität im Geschäftsleben – sie Ausbildung, Initiativen wie die „Allianz für sieht vielfach noch deutlich anders aus, wie Weltoffenheit“ oder der „Interkulturelle Wirt- die Essener Unternehmerin Tülay Koca ein- schaftspreis“ des mit der IHK zu Dortmund dringlich vermitteln konnte: „Als Migrant*in kooperierenden Multikulturellen Forums tra- wird man schlicht nicht anerkannt. Man traut gen das Thema breiter in die Gesellschaft. uns nicht zu, dass wir in der Selbstständigkeit Kenan Küçük: „DIE KOMMUNEN MÜSSEN IHRE VORGEHENSWEISE AUF DEN KOPF STELLEN UND NEUE WEGE FINDEN. DENN INTEGRATION FINDET NUN EINMAL VOR ORT STATT.“ erfolgreich sein können.“ Kein neues Prob- Und genau dort, meldete sich Kenan Küçük, lem, sondern ein altes, längst nicht aufgear- Geschäftsführer des Multikulturellen Forums, beitetes, versicherte auch Mark Rosendahl, zu Wort, müsse das Thema Migration auch Geschäftsführer des DGB in der Emscher- endlich ankommen: „Wir müssen gesamtge- Lippe-Region: „Hier hat sich zwar schon eini- sellschaftlich handeln. Ich kann es nach 60 ges getan, doch es wird wohl noch Jahrzehnte Jahren wirklich nicht mehr hören, dass die dauern, bis wir wirklich weiter sind.“ Aktuell Kommunen die Probleme aufs Land schie- ist die Lage deutlich anders als gewünscht: ben, das Land auf den Bund, der Bund auf Suat Yilmaz merkte an, 60 Prozent der ausbil- Europa.“ Sein Appell an die Kommunen: „Mei- dungsfähigen Betriebe in Deutschland hätten netwegen können Sie das Geld vom Land, laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung vom Bund und von Europa nehmen. Aber aus dem Jahr 2014 bereits seit fünf Jahren tatsächlich müssen die Kommunen ihre Vor- keinen Jugendlichen mit Migrationshinter- gehensweise auf den Kopf stellen und neue grund mehr eingestellt. Sprachförderung und Wege finden. Denn Integration findet nun Alphabetisierungskurse seien laut Rosendahl einmal vor Ort statt.“ deshalb ebenso unerlässlich wie Praktikums- plätze für Geflüchtete. Gezielte Werbung der Kammern für das Thema Migration und Duale SOZIALKONFERENZ RUHR Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten 13
WIE MACHEN WIR WEITER? WAS SOLL KONKRET PASSIEREN? Suat Yilmaz, Leiter der Landesweite Koordinierungsstelle Kommunale Integrationszentren Sören Link, Oberbürgermeister der Stadt Duisburg Birgit Zoerner, Dezernentin für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Dortmund Karola Geiß-Netthöfel, Regionaldirektorin des Regionalverbands Ruhr Wie kann er gelingen, der Schulterschluss und Schulleiter, wie viele Polizeipräsidenten von Bund, Land und Kommunen in Sachen oder -präsidentinnen mit Zuwanderungsge- Integration? Was fehlt? Was muss sich schichte haben wir denn? Die jungen Leute ändern? Welche Ansätze sollten weiterver- sehen ganz genau, wer nach oben kommt folgt werden? Diese Fragen bestimmten die und wer nicht.“ Link fand noch deutlichere Abschlussrunde der Sozialkonferenz Ruhr, Worte: „Wir müssen uns da ehrlich machen: die neben Karola Geiß-Netthöfel und Suat Wir sind keine Einwanderungsgesellschaft. Yilmaz bewusst noch einmal kommunale Ver- Wir behaupten das gerne, aber in der Praxis treterinnen und Vertreter aufs Podium holte. gilt das weder für Unternehmen noch für den öffentlichen Dienst.“ Aufrichtigkeit sei für die Der neben der Bereitstellung ausreichender gesamte Debatte unerlässlich: „Man muss Mittel drängendste Wunsch der Kommu- über Probleme ehrlich reden können, sonst nen an Bund und Land: Probleme ehrlich zu machen es die Bürger woanders und nicht benennen – und gemeinsam an Lösungen mehr mit uns.“ Sören Link: „ES GILT, PROZESSE ZU BESCHLEUNIGEN UND RESSOURCEN ZIELGERICHTETER EINZUSETZEN.“ zu arbeiten. Sören Link konstatierte, es sei Dennoch habe man, versicherte Zoerner, eine Haltungsänderung vonnöten, die bereits beim Thema Integration in den vergangenen mit der Sprache beginne: „Jemand, der in Jahren viel erreicht. Doch Umfang und Art Duisburg geboren ist, ist Duisburger und im der Einwanderung stellten die Kommunen Zweifel ist er Deutscher. Er ist kein Migrant. mittlerweile vor immense Probleme – finan- Mit diesem Label tun wir weder der Per- zielle wie personelle. Stichwort: Migration aus son noch der Gesellschaft einen Gefallen.“ Südosteuropa. Stichwort: Geduldete. Link Dem stimmte Suat Yilmaz zu: Wertschät- konstatierte, es sei zwar erfreulich, dass der zung, nicht zuletzt auch enormer vielfältiger Bund letzteres nun endlich angehen wolle, Talente, müsse prinzipiell unabhängig von „aber dieses Thema ist auch nicht erst gestern Herkunft und Familie erfolgen – und in gewis- entstanden“. Es gelte, Prozesse zu beschleu- sem Maße auch kontrollierbar sein. „Wenn wir nigen und die ohnehin knappen Ressourcen sagen, wir sind, etwa als Verwaltung, inter- künftig zielgerichteter einzusetzen. Um die kulturell geöffnet, woran messen wir das Kommunen zu entlasten, aber auch, um den genau? Wie viele Lehrkräfte, Schulleiterinnen zuwandernden Menschen selbst gerecht SOZIALKONFERENZ RUHR Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten 14
zu werden, die, so Zoerner, „ansonsten ein- Ein Grund, so Geiß-Netthöfel, warum die fach durchs Raster fallen“. Bislang fehle es Sozialkonferenz Ruhr alle Beteiligten an an einer Verantwortungsgemeinschaft, an einen Tisch geholt habe: „Wir hier wissen, einem gemeinsamen Verständnis für das, was wie man Integration praktiziert. Woran man man erreichen will – über alle Ebenen hinweg. aber, glaube ich, noch arbeiten kann, ist die „Was wir bei Land und Bund stattdessen erle- Vernetzung zwischen Bund und Land.“ Jeder ben, ist in der Regel das krasse Gegenteil, bis einzelne Konferenzteilnehmende müsse nun hin zur Realitätsverweigerung.“ seine Ansprechpartnerinnen und Ansprech- partner in die Pflicht nehmen, auf diese Weise Birgit Zoerner: „UMFANG UND ART DER EINWANDERUNG STELLTEN DIE KOMMUNEN VOR IMMENSE PROBLEME.“ ABSCHLUSSDISKUSSION sei man auch bei den Altschulden ein Stück Karola Geiß-Netthöfel, Beate Kowollik, Birgit Zoerner, Suat Yilmaz weitergekommen. Zugleich sei es für die Debatte essenziell, nicht nur von Problemen zu sprechen, sondern auch das Erreichte in den Fokus zu stellen. Wie also geht es weiter? Birgit Zoerner: „So wie Politik immer funktioniert: Man muss Druck machen, man muss Verbün- dete suchen, man muss den Leuten gehörig auf den Senkel gehen.“ Und das mit allem, was man an Möglichkeiten habe – bis hin zu einer Bund-Länder-Kommission. „Man muss für seine Interessen kämpfen, so ist das im Leben.“ SOZIALKONFERENZ RUHR Integrationsregion Ruhr – Vielfalt stärken, Zukunft gestalten 15
Herausgegeber: Regionalverband Ruhr Die Regionaldirektorin Kronprinzenstraße 35 D-45128 Essen T: +49 (0)201 2069 - 0 F: +49 (0)201 2069 - 500 www.rvr.ruhr Redaktion: Regina Schenberg schenberg@rvr.ruhr Text: Tanja Weimer, Schacht 11 Foto: Ravi Sejk/RVR Essen, Februar 2020
Sie können auch lesen