Interprofessionelles Austrittsplanungs- und Visitentraining mit In-HospiTool (IAVI) - Curaviva

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Interprofessionelles Austrittsplanungs- und Visitentraining mit In-HospiTool (IAVI) - Curaviva
Schwerpunktteil | Pädagogik der Gesundheitsberufe | Ausgabe 1–2020

Interprofessionelles Austrittsplanungs- und
Visitentraining mit In-HospiTool (IAVI)
Das Potenzial der interprofessionellen Lernortkooperation
Rocco Umbescheidt, Dr. Claudia Schlegel, Irene Lüthi,
Volkmar Blaha, Amélie Anchise, Geneviève Blanc

Das „interprofessionelle Austrittsplanungs- und Visitentraining mit dem In-HospiTool KSA“ (IAVI) wurde
auf Grundlage praxisbasierter Fälle, Patienten-, Praxisexperten- und Studentenfokusgruppen sowie an-
hand einer wissenschaftlichen Recherche entwickelt. Die Entwicklung des mehrphasigen interprofessio-
nellen Ausbildungselements für Pflegende, Ärzte und Sozialarbeiter fand in enger Lernortkooperation der
Höheren Fachschule Gesundheit und Soziales Aarau (HFGS), des Berner Bildungszentrums Pflege (BZP),
des Kantonspitals Aarau (KSA) und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) statt. Die
Pilotumsetzung mit 182 Studierenden der Pflege und der Humanmedizin wurde wissenschaftlich evalu-
iert. Angesichts der Resultate, der erreichten Kompetenzen, der Feedbacks von internationalen Experten
und sehr positiv erlebter interprofessioneller Zusammenarbeit, konnte die Pilotumsetzung erfolgreich ab-
geschlossen werden.

Interprofessional discharge planning and ward round
training with In-HospiTool KSA (IAVI)
The potential of interprofessional learning location cooperation
The "Interprofessional discharge planning and ward round training with In-HospiTool KSA" (IAVI) is based
on practice-based cases, focus groups with patients, students, practice experts and a scientific research.
The development of the multi-phase interprofessional Training element for nurses, doctors and social work-
ers took place in close cooperation between the learning locations Higher Vocational School “Health and
Social Welfare Aarau” (HFGS), the “Berner Bildungszentrum Pflege” (BZP), the “Cantonal Hospital Aarau”
(KSA) and the “Swiss Federal Institute of Technology Zurich” (ETHZ).
The Pilot implementation of IAVI with 182 nursing and human medicine students was scientifically
evaluated.
Given the results, the competencies achieved, the feedback from international experts and very positive
interprofessional collaboration, the pilot implementation was successfully completed.

Korrespondenzadresse
Rocco Umbescheidt
Höhere Fachschule Gesundheit und Soziales
Projektleiter Pilotprojekt IAVI
Südallee 22
CH-5001 Aarau
rocco.umbescheidt@hfgs.ch

Eingereicht am 17.01.2020
Akzeptiert am 10.02.2020

DOI: 10293.000/30000-1814

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Ausgangslage                                                         Umsetzung interprofessioneller Lerneinheiten ist hierfür
                                                                     unabdingbar. Hierbei wird der WHO Grundsatz verfolgt,
 Die medizinische Versorgung in der Schweiz steht mit der            gemäß dem IPE stattfindet: “… when students from two or
demografischen Alterung, der Zunahme chronisch erkrank-              more professions learn about, from, and with each other”
ter Personen und deren Gesundheitskompetenz (Health Li-              (WHO, 2010, S.7). Es geht darum, die eigene Perspektive
teracy), einem wachsenden Bedarf an medizinischen Leis-              zu reflektieren und zu verlassen, um die anderen Berufs-
tungen sowie dem Mangel an medizinischem Fachpersonal                gruppen besser verstehen zu können.
vor großen Herausforderungen. Für das Bundesamt für
Gesundheit (BAG, 2017) ist die interprofessionelle Zusam-            „Interprofessionelles Austrittsplanungs- und
menarbeit (IPZ) ein Ansatz, mit der diesen Herausforde-              Visitentraining mit dem In-HospiTool KSA“ (IAVI)
rungen begegnet werden kann. Das BAG verweist hierbei                  Das interprofessionelle Forschungsteam des KSA entwi-
auf Untersuchungen, die aufzeigen, dass IPZ die Qualität             ckelte das vollständig in das klinische Informationssystem
der Versorgung im Gesundheitswesen optimieren und die                integrierte Patientenmanagement Instrument „In-Hospi-
wirtschaftliche Effizienz erhöhen kann. Oberstes Ziel ist            Tool“ (Koch et al., 2018, S.8).
dabei der Nutzen für Patient*innen. IPZ erhöht zudem die               In diesem Visitentool, das vom Schweizer Nationalfonds
Arbeitszufriedenheit und Berufsverweildauer betroffener              gefördert wird (NFP 74), steht die Austrittsplanung und in-
Berufsgruppen (BAG/GDK, 2012; Sottas et al., 2016).                  terprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Pflegenden,
                                                                     Ärzten, Sozialarbeitenden und Patienten im Zentrum. Die
Interprofessionelle Zusammenarbeit                                   Erfahrungen in der Entwicklung und Umsetzung dieses
& Interprofessionelles Lernen                                        Instruments, die Herausforderungen der medizinischen
  Der Begriff der Interprofessionalität geht über das klassi-        Versorgung in der Schweiz, die Evidenzlage und Forderun-
sche Miteinander und Nebeneinander der Gesundheitsbe-                gen mit interprofessioneller Zusammenarbeit bereits in der
rufe rund um die Versorgung der Patientinnen und Patien-             Ausbildung zu beginnen und das Erzielen einer verbesser-
ten im Sinne einer einfachen „Bündelung der Kompetenzen“             ten Patientenversorgung (WHO, 2010; BAG, 2017), waren
hinaus (BAG, 2017). Der Begriff beinhaltet – zwei sich er-           die Grundlagen für die Entwicklung von IAVI. Es stellte sich
gänzende Aspekte: Interprofessional Education (IPE), die             die Frage, wie Mitarbeitende geschult werden und wie Stu-
zu patientenzentrierter Interprofessional Collaboration              dierende der involvierten Professionen die notwendigen
(IPC) führt.                                                         Kompetenzen bereits in der Ausbildung erlernen können.
  Die WHO (2010, S.13) definiert Interprofessionalität als:            Hieraus resultierte die Entwicklung des interprofessionel-
„Lehre und Tätigkeit, die zustande kommt, wenn Fachleu-              len Ausbildungselements für Studierende der Pflege und
te von mindestens zwei Professionen gemeinsam arbeiten               der Humanmedizin sowie die Lernortkooperation der Hö-
und voneinander lernen im Sinne einer effektiven Kollabo-            heren Fachschule Gesundheit und Soziales Aarau (HFGS),
ration, welche die Gesundheitsresultate verbessert“. IPZ             des Berner Bildungszentrums Pflege (BZP), des Kantons-
muss somit, wie es viele Expertinnen und Experten fordern,           pitals Aarau (KSA) und der Eidgenössischen Technischen
schrittweise und gemeinsam in der Ausbildung der intera-             Hochschule Zürich (ETHZ). Die Pilotumsetzung fand mit 99
gierenden Berufspersonen gelernt werden, damit eine ver-             Student*innen der HFGS, Bildungsgang Pflege, 5. Semester
besserte Patientenversorgung erzielt werden kann. Eine               und 83 Student*innen der ETHZ, Studiengang BSc Human-
intensivierte Lernortkooperation bei der Entwicklung und             medizin, 5. Semester statt.

                                      Kompetenzen Interprofessionelle Zusammenarbeit

                      Abbildung:
Abbildung 1: IPE erfordert         IPE erfordert
                           in der Frühphase  dieinEntwicklung
                                                   der Frühphase
                                                              vondie Entwicklung
                                                                  Grundlagen     von Grundlagen
                                                                              – Kompetenz       – Kompetenz
                                                                                          baut darauf        baut &
                                                                                                      auf (Sottas darauf auf 2016)
                                                                                                                    Kissmann,
                                                              (Sottas & Kissmann, 2016)

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       „Das Austrittsmanagement hat weit reichende Fol-         Neun Studierende der HFGS Aarau, fünf Studierende des
     gen für die Lebensqualität der Betroffenen und der        BZ Pflege Bern und fünf Patienten des Kantonsspitals Aa-
     Angehörigen, aber auch für die Versorgungsqualität        rau wurden mit einem semistrukturierten Moderationsleit-
     im ambulanten Bereich und die Kosten des Gesund-          faden zu drei verschiedenen Terminen zwischen Mai und
     heitssystems. Diese kritische Schnittstelle bietet sich   Juni 2019 zu ihren Erfahrungen und Anregungen bezüglich
     als Schlüsselstelle für das Lernen an. Dem Projekt IAVI   IPZ, Visiten- und Austrittsmanagement befragt. Die Analy-
     gelingt es dabei, eine einzigartige Brücke zu schla-      se der Daten erfolgte computergestützt. In der inhaltlich
     gen: pragmatisch wird das verbreitete In-HospiTool        strukturierten Inhaltsanalyse nach Mayring (2008) wurden
     genutzt, um interprofessionelle Kooperation über un-      deduktiv und induktiv Kategorien und Unterkategorien
     terschiedliche Berufe und Qualifikationen hinweg zu       gebildet. Das extrahierte Material der Interviews wur-
     üben und zu reflektieren. Entstanden ist ein elegantes    de nach der Kodierung in die jeweiligen Unterkategorien,
     Lernarrangement für das Hinführen zum Wahrnehmen          nach den Regeln der zusammenfassenden Inhaltsanalyse
     und Wertschätzen der Kompetenzen anderer Beteilig-        zusammengefasst.
     ter, um gemeinsam besser zu werden. IAVI ist didak-
     tisch höchst innovativ und eine wirklich gelungene Er-      Die Analysen der Zusammenfassung, der 366 Codierun-
     gänzung des klinischen Unterrichts.“ Dr. Beat Sottas,     gen, sowie der Code Matrix & Code Relations Darstellun-
     wissenschaftlicher Berater, Forscher und Publizist        gen dienten der Verdichtung der praxisbasierten anony-
                                                               misierten Fallvignetten, die seitens des Forschungsteams
                                                               des KSA zur Verfügung gestellt und für die Erstellung der
Entwicklungsmethodik                                           Drehbücher für die Simulationspatienten genutzt wurden.
                                                               Zudem fand ein Experten-/Facharbeitenden Workshop
  Die Entwicklung der Ausbildungsinhalte verfolgt den An-      (vgl. Rauner, 2005) mit fünf Fachexpertinnen aus dem KSA
spruch einer interprofessionellen, nutzerorientierten, pra-    zur Erarbeitung beruflicher Arbeitsaufgaben (Handlungs-
xisnahen, partizipatorischen und wissenschaftlichen Ent-       felder), im Kontext IPZ, Visite und Austrittsmanagement in
wicklung. Um dies einzulösen und um eine theoriebasierte       einem dreistufigen Befragungssetting statt. Hierbei ging es
Dominanz der Inhalte zu vermeiden, wurden sie sowohl           um das systematische Ermitteln der Grundkompetenzen
induktiv als auch deduktiv erarbeitet.                         für Pflegefachpersonen hinsichtlich einer interprofessio-
                                                               nellen, patientenorientierten Visite mit Schwerpunkt Aus-
Students Involvement, Patients Engagement,                     trittsplanung (Placemat – Methode). Hieraus resultierten
Fallvignetten und Facharbeiterworkshop                         vier Arbeitsaufgaben, welche die IAVI- Kompetenzen re-
 Zentrale Stakeholder der Ausbildung und medizinischen         präsentieren und ein Protokoll über die allenfalls anfallen-
Versorgung (Students Involvement & Patients Engagement)        den Arbeitsaufgaben in der Zukunft entstand.
wurden in die Entwicklung kooperativ, ko-produktiv und           Die induktive, partizipative und strukturierte Entwick-
partnerschaftlich strukturiert einbezogen (Stufe 3 „Ladder     lungsmethodik soll zudem neue Impulse für ein erhöhtes
of Student Engagement, Bovill, 2011).                          Students Involvement (Bovill, 2011) als auch eine praxis-

Abbildung 2: IAVI Entwicklungsmethodik (Umbescheidt, 2019)

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basierte Methodik bei der Entwicklung zukünftiger Aus-                       ▪ Kombiniert mit: Interprofessional relations
bildungsinhalte bei den Bildungsanbietern zur Verfügung                        OR patient care team OR Intersectoral
stellen.                                                                       collaboration;
                                                                             ▪ ODER kombiniert mit: Transprofessional
      „Ich bin der Meinung, das Zusammenspiel unter den                        / multiprofessional / interprofessional /
    verschiedenen Abteilungen Sozialarbeiter, Pflegeärzte                      interdisciplinary
    und was noch alles dazu gehört, wichtige Entschei-                       ▪ UND kombiniert mit: Outcom* / experien-
    dungsträger, könnte man noch mehr professionalisie-                        ce* / patient outcome / assessment*
    ren, ist ja schon ein wirklich hohes Level in gewissen        Die Ergebnisse aus der zweiten Suchstrategien wiesen
    Bereichen. Die Kompetenzen zum Entscheidungen               unterschiedlichste Studien in den Sprachen deutsch und
    treffen, bin ich der Meinung, müsste man noch besser        englisch aus. Daher konnte das Projektteam aus den zwölf
    verteilen, jetzt im Hinblick auf Entlassung oder so. Al-    vorausgewählten Studien diejenigen drei selektionieren,
    les was medizinisch ist und ein gewisses Level hat, da      die sich aus pädagogischer Sicht für den Leseauftrag, inner-
    ist klar, da wird ein Arzt immer der sein, wo am Schluss    halb der kognitiven Phase des eLearning, als sinnvoll und
    muss sagt ja oder nein oder?“                               lehrreich erwiesen.
      Patientin Fokusgruppeninterview – B106
                                                                Curriculare Analysen des Vorwissens
      „Aber wir erfahren eigentlich, aus meiner Erfahrung,        Zwischen den Kooperationspartnern HFGS Aarau und
    immer was läuft. Es wissen dort eigentlich alle Be-         dem BZ Pflege Bern fand eine curriculare Analyse der zwei
    scheid. Weil wir haben das In-HospiTool, in dem eh          Lehrpläne statt. Es sollten Ausbildungsthemen herausgear-
    alles dokumentiert ist und jede Berufsgruppe eigent-        beitet werden, die für das IAVI Projekt von Relevanz sind
    lich selber den Patienten einschätzt. Und die Ziele, die    und in beiden Lehrplänen unterrichtet werden. Nach der
    man mit dem Patienten hat, dort dokumentiert und            Ausarbeitung der Ausbildungsthemen wurde ein Frageka-
    z. B. sieht man dann auch gerade: Ja von der Pflege         talog erstellt. Eine bestimmte Anzahl Fragen wurden für die
    aus ist er austrittsbereit, von den Ärzten muss er noch     Pflegestudierenden in den Vorkenntnistest, innerhalb der
    das und das machen und der Sozialdienst braucht             kognitiven Phase des eLearnings, aufgenommen.
    noch das und das. Und so weiß man immer, wo dass              Lehr- und Lernansätze weisen auf, dass es wichtig ist, das
    der Patient steht und so ist die Information halt auch      Vorwissen der Studierenden zu aktivieren, damit neue In-
    immer da.“                                                  formationen strukturiert, bewertet und integriert werden
      Studentin Pflege Fokusgruppeninterview – B29              können. Die Verarbeitung der neuen Lerninhalte ist inten-
                                                                siver und besser, wenn diese mit dem Vorwissen verknüpft
Wissenschaftliche Recherche                                     werden kann (Löwenstein, 2016).
 Das Ziel der wissenschaftlichen Recherche war es, den
heute aktuellen Wissenstand zum Thema „interprofessio-          Best Practice (Schweden)
nal collaboration (IPC)“ zu erfassen. Hierfür wurde eine ers-     Drei Projektteammitglieder besuchten mehrere Instituti-
te Suchstrategie in Anlehnung an Reeves, Pelone, Harrison,      onen in Schweden im Rahmen einer Studienreise. An der
Goldman & Zwarenstein (2017) durchgeführt. Die zusätzli-        Linköping University, dem Karolinska Institut, dem Sdf Stu-
chen Einschlusskriterien der Recherche waren:                   reby (Altersheim) und dem Södersjukhuset (General Hos-
▪ Randomisierte Studien,                                        pital) erhielten sie durch Ausbildner*innen, Praktiker*innen
▪ Interventionsstudien,                                         und Verantwortliche wichtige Einblicke in die Organisation,
▪ Englisch,                                                     Infrastruktur und Abläufe von IPE (Interprofessional Educa-
▪ Publikationsjahr ab 2015 bis Juli 2019.                       tion) Settings. Dieses Erfahrungswissen war für die Ent-
                                                                wicklung von IAVI sehr lehrreich. Es gab einen Einblick, wie
 Die Studien lieferten sehr spezifische Ergebnisse und wa-      interprofessionelles Lernen in unterschiedlichsten Kontex-
ren somit nicht übertragbar auf das Setting. Daher wurde        ten systematisch, pragmatisch und einfallsreich implemen-
eine zweite Suchstrategie mit folgenden Einschlusskriteri-      tiert wird.
en erstellt:
▪ Publikationsjahr ab 2015 bis Juli 2019,                            „Das IAVI Projekt ist eine hervorragende Initiative
▪ quantitative Interventionsstudien (RCT) oder weitere              um Studierenden der Pflege und Medizin in einem re-
  Designs,                                                          alistischen und didaktisch hochwertigen Lernarrange-
▪ Suchbegrifflichkeiten in den Sprachen Deutsch und                 ment interprofessionelle Kompetenzen zu vermitteln.
  Englisch:                                                         Die Entlassungsplanung ist eine sehr relevante und
      ▪ Austritt (-planung) / discharge planning (Mesh);            entscheidende Aktivität, die unabdingbar ist, um eine
      ▪ Visiten (-gestaltung) / visit OR round(s), interpro-        effektive und qualitative hochwertige Gesundheits-
        fessional rounds, discharge;                                versorgung über Organisationsgrenzen hinweg sicher-
      ▪ Ethik / ethical decision (Mesh) OR shared decision          zustellen. Hier stellt die gelungene Zusammenarbeit
        making;                                                     der Gesundheitsprofessionen zusammen mit den Pati-
      ▪ Patienten und Angehörigen Adherence / relatives             ent*innen einen der entscheidendsten Erfolgsfaktoren
        OR family members AND adherence.                            dar. Das geschaffene Setting des IAVI Teams gibt den

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Interprofessionelles Austrittsplanungs- und Visitentraining mit In-HospiTool (IAVI) - Curaviva
Schwerpunktteil | Pädagogik der Gesundheitsberufe | Ausgabe 1–2020

     Studierenden fantastische Möglichkeiten, eine inter-             „IAVI ist ein sehr wichtiges Projekt zur frühzeitigen
     professionelle Arbeitssituation problembasiert durch-           Förderung der interprofessionellen Zusammenarbeit
     zuführen und über das Lernen und Zusammenarbeiten               bereits im Studium. Die Studierenden der Pflege und
     zu reflektieren. Die aktive Einbeziehung des Patienten          der Medizin lernen hier an einem gut erprobten Pra-
     in den Entscheidungs- und Lernprozess wird zu einem             xisbeispiel die Wichtigkeit, aber auch die Schwierigkei-
     selbstverständlichen Bestandteil des interprofessio-            ten der interprofessionellen Zusammenarbeit. Diesen
     nellen Lernens und Zusammenarbeitens der beteilig-              Eindruck können sie bis in ihr Berufsleben mitnehmen.
     ten Berufsgruppen. Eine ausgezeichnete Lernaktivität,           Der Einbezug des Visitentools ist besonders wertvoll
     die in viele andere Bereiche übertragen werden kann             und zeigt den Studierenden auch, wie wichtig die gute
     und hoffentlich national und international Nachah-              und innovative Nutzung von neuen Technologien im
     mung findet.“ Rene Ballnus, Leiter des Zentrums für             Bereich der Patientenversorgung ist.“ Prof. Dr. med.
     klinisches interprofessionelles Lernen und Zusam-               Philipp Schütz, Chefarzt Allgemeine Innere & Not-
     menarbeiten, Region Stockholm, Schweden                         fallmedizin, Kantonsspital Aarau

Lernortkooperation (HFGS, BZP, ETH, KSA)
  Der Bedarf der (damals noch intraprofessionellen) Lern-         IAVI Ausbildungselemente
ortkooperation ergab sich bereits bei den Reformen des
Lehrplans in der Pflegeausbildung. Er entstand zur Jahrtau-         Das interprofessionelle Lernarrangement IAVI setzt sich
sendwende durch neu gewachsene Ansprüche an eine be-              aus mehreren aufeinander aufbauenden Elementen zusam-
rufliche Ausbildung, die zunehmend verwissenschaftlicht           men. Diese wurden sowohl interprofessionell entwickelt
wurde. Dies war die Folge der Qualifizierungsoffensive bei        als auch umgesetzt. Sie integrieren erprobte, moderne,
gleichzeitigem Ruf nach Handlungsorientierung für die be-         konstruktivistische sowie auf Training und Transfer ausge-
ruflichen Ausbildungen. Zudem zeigte die Berufsbildungs-          richtete Lehr- und Lernmethoden. Die Unterlagen zu allen
forschung den Mangel einer kohärenten Ausbildung zwi-             sechs Lernphasen wurden im eLearning IAVI sowohl auf
schen Berufsschule und Lehrbetrieb als entscheidenden             OpenOlat® (Studierende Pflege) als auch auf Moodle®
Faktor für Ausbildungsabbrüche von Studierenden (Pätzold          (Studierende Humanmedizin), den didaktischen Prinzipien
& Walden, 1995). Aus diesem Grund wurden bereits 2004             des Blended Learnings folgend aufbereitet:
die auf dem bildungstheoretisch begründeten Kooperati-
onsmodell Kooperationstage im Rahmen des neu geschaf-             Kognitive Phase
fenen Lernbereichs Training und Transfer entwickelt (Hans-        eLearning (Phase 01)
mann, Blaha & Umbescheidt, 2009). Während IAVI wurde                Nach einer Einführung und einem Vorkenntnistest setzten
die interprofessionelle Lernortkooperation in der kurzen          sich die Studierenden mit drei aus der wissenschaftlichen
Projektlaufzeit schrittweise mitentwickelt. Neben einem           Recherche stammenden Artikeln zu interprofessioneller
interprofessionell besetzten Sounding Board, wurden die           Zusammenarbeit und dem Basler Visitenstandard (We-
Inhalte des Ausbildungselements in Zusammenarbeit von             ber & Langewitz, 2011) auseinander. Nachfolgend wur-
Praxis- und Theorieexperten aus drei Professionen entwi-          den den Studierenden die Geschichte der Visite und eine
ckelt. Die Zusammenarbeit mit dem Forschungsteam der              moderierte interprofessionelle Diskussion (Pflege, Ärzte,
Medizinischen Uniklinik des Kantonsspitals Aarau fand             Sozialdienst) als eLectures zur Verfügung gestellt. Die Er-
über die gesamte Projektlaufzeit statt. Zudem waren so-           fahrungen, die Evidenzlage zu IPZ, das Austrittsmanage-
wohl an den Testläufen der interprofessionellen Simulation        ment und das Instrument In-HospiTool standen hierbei im
als auch an deren Umsetzung Vertreter*innen zweier Pro-           Vordergrund. Nach bestandener Wissensüberprüfung im
fessionen beteiligt.                                              eAssessment 1 (Bestehens-Kriterium 60 % und beliebig
  Die Kooperationspartner sehen in der IAVI Pilotumsetzung        wiederholbar), wurde den Studierenden der Zugang für die
den Beginn einer intensivierten sowie erweiterungsfähigen         nächste Lernphase freigeschaltet.
Lernortkooperation als Grundlage für die Entwicklung und
Umsetzung weiterer interprofessioneller Lerneinheiten mit              „Der fortschreitende Zivilisationsprozess macht
verschiedenen Professionen. Es werden drei Stufen koope-             auch vor dem Gesundheitswesen nicht Halt und
rativen Handelns zwischen institutionellen Akteuren in der           führt zu zunehmender funktionaler Differenzierung
beruflichen Bildung unterschieden (Euler 2004):                      und Spezialisierung. Handlungsketten werden län-
▪ gegenseitiges informieren über Erwartungen, Erfahrun-              ger und bewirken mehr und mehr interdependente
  gen und Probleme im Ausbildungsalltag,                             Verflechtungen unter den spezialisierten Berufs-
▪ abstimmen berufspädagogischen Handelns zwischen be-                gruppen (Elias, 1997, der Prozess der Zivilisation).
  teiligten institutionellen Agenten und                             Das In-HospiTool kann als innovative, interdiszip-
▪ Zusammenarbeit im Sinne eines an pädagogischen Kri-                linäre Antwort auf diese Entwicklung betrachtet
  terien ausgerichteten Zusammenwirkens zur Verfolgung               werden, das Kooperation und Koordination er-
  eines konsensuell vereinbarten Vorhabens.                          leichtert – ein Türöffner für einen ganzheitlichen
  Die Grundlage könnte in naher Zukunft eine dynamische              Blick auf den Patienten im Genesungsprozess, der
und zukunftsfähige Verbundslösung in Form einer Fach-                gleichzeitig sämtliche spezialisierte Perspektiven
stelle „Interprofessionelles Training – Transfer“ sein, die mit      beinhaltet.“ Anja Keller, Leitung Sozialdienst KSA
bestehenden und neuen Bildungsinstitutionen konstituiert,
entwickelt und getragen wird. Sie würde die dritte Stufe
des kooperativen Handelns fokussieren.

80                          Pädagogik der Gesundheitsberufe 1/2020 │ 7. Jahrgang │ hpsmedia, Hungen
Schwerpunktteil | Pädagogik der Gesundheitsberufe | Ausgabe 1–2020

                       Interprofessionelles Austrittsplanungs - & Visitentraining mit dem In-HospiTool® KSA
                                                                                         Interprofessioneller e-Kurs Pflege – Medizin – klinische Sozialarbeit
    Kognitive Phase

                                                                                                    e- lectures / Arbeitsaufträge & e - Assessment
                                             e – learning                                        Best Practice IPZ, IP - Visite & Austrittsmanagement
                      aktivieren &
                       verdichten
                       Vorwissen

                                                                                        Entscheidungsfindung im IP Team, Tools Ein- und Austrittsmanagement
                                                                                                          Patienten & Angehörigenadherence
                                          Flipped Classroom                                            Interprofessioneller Präsenzworkshop
                                                                                                             IPZ & In- HospiTool ® KSA

                                         Training & Transfer                                            Erfahrungs- und Erkundungswerkstatt
                                                                                                  Vorbereitung auf die Interprofessionelle Simulation
                                         Angeleitetes Üben
    Erprobungsphase

                                                                                                Schulungsvideos, Fallbeispiele, Patientenparameter &
                                                                                              Best Practice Kriterien IPZ, Visite - & Austrittsmanagement
                       Analyse &
                       Reflexion

                                         Training & Transfer                              Simulation Interprofessionelle Zusammenarbeit Pflege & Medizin
                                                                                            Intervention mit Simulationspatientinnen & In- HospiTool ® KSA
                                         Interprofessionelle                                     Interprofessionelle Peer - Reflexion mit Videoanalyse
                                          Zusammenarbeit                                                Interprofessionelle Reflexion mit Coach

                                                                                          Performanzprüfung (Pflege)           Schriftliche Arbeit (Medizin)
                                                                                        IP Kommunikation & Teamarbeit        Gestaltung eines Patientenpfades
                                        Kompetenznachweis                                Rollen & Verantwortlichkeiten
                                                                                            IP Entscheidungsfindung            Analyse IP Versorgungskette
                                                                                                 Konfliktlösung
                                                                                          Kont. Qualitätsverbesserung                    Reflexion
                                     Reflexion im Praxissemester
                                                            Interprofessionelle kooperative Entwicklung & Umsetzung

Abbildung 3: IPE – Lernarrangement IAVI (Umbescheidt, 2019)

Interprofessioneller Präsenzworkshop (Phase 02)                                       Durchführung einer interprofessionellen Visite sammeln
  Der interprofessionelle Präsenzworkshop wurde als Flip-                             und diese mit dem IAVI Reflexionsinstrument analysieren.
ped Classroom Methodik gestaltet. Das Vorwissen der Stu-                              Die Übungen führten Sie anhand von zur Verfügung gestell-
dierenden wurde zu Beginn eruiert. Wichtige Kenngrößen                                ten Instrumenten und Beobachtungskriterien durch. Der
wie der Length of hospital stay (LOS), die Evidenzlage zu in-                         nächste Schritt war die interprofessionelle Simulation mit
terprofessioneller Zusammenarbeit, die interprofessionelle                            Schauspielpatienten und Studierenden der anderen Berufs-
Austrittsplanung / Austrittsinformationen, der Austritts-                             gruppe. Hierfür wurden den Studierenden konkrete Fallbe-
bericht, die Verzögerungsgründe für den Spitalaustritt und                            schreibungen, die Visitenstrukturen und die Teach-Back
das Visitentool (In-HospiTool) wurden vorgestellt. In einem                           Methode im Handbuch Training & Transfer zur Verfügung
Rollenspiel diskutierten die Studierenden an einem kon-                               gestellt. Zudem konnten Sie das In-HospiTool Instrument
kreten Fall die Austrittsbereitschaft und das mögliche Aus-                           digital nutzen. Die Anwendung der Teach-Back-Methode
trittsdatum des Patienten. Sie vertraten Ihren Standpunkt                             (Hadden & Kripilani, 2019), die interprofessionelle Kom-
aus dem Blickwinkel der verschiedenen Professionen und                                munikation und Kollaboration sowie der patientenzentrier-
handelten eine passende Lösung aus, die sie nachfolgend                               te Ansatz konnten durch die Rollenspiele sichtbar gemacht
im Plenum präsentierten.                                                              werden. Eigene Vorerfahrungen im Rahmen der Visite flos-
                                                                                      sen in die Gestaltung ein. Das Wissen aus der kognitiven
     „IAVI zeigt einen Weg zum gemeinsamen erler-                                     Phase und zum interprofessionellen und elektronischen
    nen der interprofessionellen Zusammenarbeit auf,                                  Patientenmanagementtool für die Spitalaustrittsplanung
    den ich mir während meiner Studienzeit gewünscht                                  (In-HospiTool) konnte angewendet werden. Anschließend
    hätte. Gerne habe ich das Projekt aus der Sicht der                               an die Simulation fanden interprofessionelle Peer-Refle-
    Klinik unterstützt, so dass die Trainings stets einen                             xionen statt. Hierfür standen 17 Beobachtungskriterien
    hohen Realitätsbezug haben. Ich glaube, dass IAVI                                 in Form des „Adapted Interprofessional Collaborator and
    einen bleibenden Eindruck und somit einen Grund-                                  Patient Centered Approach Assessments“ zur Verfügung.
    stein für eine idealtypische, gemeinsame Ausbil-                                  Diese wurden aus mehreren internationalen Instrumenten
    dungssequenz und anschliessende Zusammenar-                                       generiert. Die Beobachtungskriterien wurden bis zum Ab-
    beit bei den Studierenden hinterlassen hat.“ Daniel                               schluss von Phase 05 des Projektes genutzt.
    Koch, Pflegewissenschaftler & Bereichsführender                                     Der Teach-Back Methode kam hierbei eine wichtige Be-
    Pflegeexperte Medizin, Kantonsspital Aarau                                        deutung zu. Als patientenzentrierte, einfache und effektive
                                                                                      Methode kann mit ihr das Verstandene der Patienten über-
Erprobungsphase                                                                       prüft und somit ein Beitrag zur Verbesserung der Gesund-
Training und Transfer (Phase 03)                                                      heitskompetenz geleistet werden. Die Methode schützt Pa-
 In dieser Phase konnten die Studierenden im geschütz-                                tienten vor möglichen Schwierigkeiten nach dem Austritt,
ten Rahmen erste Erfahrungen mit der Vorbereitung und                                 da nochmals Bezug zum Gesagten, deren Anweisungen und

Pädagogik der Gesundheitsberufe 1/2020 │ 7. Jahrgang │ hpsmedia, Hungen                                                                                          81
Schwerpunktteil | Pädagogik der Gesundheitsberufe | Ausgabe 1–2020

Abbildung 4: In-HospiTool Essentials (Kutz, 2018, S.6)

dessen Verständnis genommen wird. Geschlossene Fragen         terprofessionellen Zusammenarbeit, zur Visitenstruktur,
wie „Verstehen Sie?“ oder „Haben Sie Fragen an mich?“, die    der patientenzentrierten Gesundheitsversorgung und zum
mit einem Ja oder Nein beantwortet werden können, geben       In-HospiTool Instrument zu diskutieren. Für das komplexe
keinen Einblick in das tatsächliche Verständnis des Patien-   Zeitmanagement wurde eigens ein Tool entwickelt. Aus den
ten. Die letzte Untersuchung des Bundesamts für Gesund-       anonymisierten Fallvignetten des KSA wurden sechs Dreh-
heit (BAG, 2016) zeigt, dass nur bei 46 % der Schweizer Be-   bücher bestehend aus zwei Fällen, die der zukünftigen Ge-
völkerung die Gesundheitskompetenz ausgezeichnet oder         sundheitsversorgung entsprechen, entwickelt. Sie wurden
ausreichend ist. Gesundheitskompetenz (Health Literacy),      mit den Big Five zur Charakterisierung, einem Geno-Öko-
die auf mehreren Ebenen gefördert werden kann, korreliert     gramm zum sozialen Umfeld, Daten des Patients-/Students
mit wichtigen Gesundheitsdeterminanten wie Einkommen,         Engagements sowie den Ergebnissen aus dem Facharbeiter
sozialer Schicht und Bildung und ist messbar. Angesichts      Workshop ergänzt.
der komplexen Herausforderungen in der Zukunft bezüg-
lich Gesundheitsversorgung, können Methoden wie Teach-             „Ich habe die Zusammenarbeit mit den Pflegestu-
Back dazu beitragen, der Informationsvermittlung in der          dierenden als sehr angenehm empfunden und wir
patientinnenzentrierten Versorgung den notwendigen Stel-         sind uns auch während dem Gespräch auf Augen-
lenwert und eine zielgerichtete Struktur zu geben.               höhe begegnet.“ Statement Studentin Humanme-
                                                                 dizin: B4029571, Anonymisiert aus Evaluation
Simulation Interprofessionelle Zusammenarbeit (Phase 04)         Kundenzufriedenheit
  Die 182 Studierenden wurden für die interprofessionelle
Simulation in interprofessionelle Tandems eingeteilt. Die         „Ich finde IAVI eine sehr gute Sache. Es hat sehr
Vorbereitung fand vor dem Patientenzimmer statt. An-             viel Spaß gemacht und wir konnten von den Ärztin-
schließend wurde die interprofessionelle Visite (Dauer 15        nen lernen und die Ärztinnen von uns und alles in ei-
Min.) mit dem In-HospiTool Instrument und dem Basler Vi-         nem respektvollen Rahmen.“ Statement Studentin
sitenstandard umgesetzt. Im Anschluss erhielten die Stu-         Pflege: B4023242, Anonymisiert aus Evaluation
dierenden ein strukturiertes Feedback der Simulationspati-       Kundenzufriedenheit
enten. Die Sequenzen wurden mittels CAE Learningspace®
aufgezeichnet und von den Trainern anhand der 17 Beob-        Kompetenznachweis (Phase 05)
achtungskriterien bewertet. Dem folgte eine halbstündige      Studierende der HFGS Aarau
interprofessionelle Reflexion. Die Studierendentandems         Die Pflegestudierenden absolvierten zwei Performanz-
tauschten ihre Ziele aus, visualisierten die aufgenomme-      prüfungen, wofür vier Drehbücher entwickelt wurden.
ne Videosequenz, analysierten diese und formulierten Er-      Beide Simulationssequenzen bauten aufeinander auf. Die
kenntnisse dazu. Acht Studierendentandems fanden sich         erste Situation beschäftigte sich mit den Themen: Inter-
mit einem Coach wieder um ihre Erkenntnisse aus der in-       professionelle Zusammenarbeit, Austrittsentscheid, Teach-

82                            Pädagogik der Gesundheitsberufe 1/2020 │ 7. Jahrgang │ hpsmedia, Hungen
oder ausreichend ist. Gesundheitskompetenz (Health Literacy), die auf mehreren Ebenen gefördert werden kann,
korreliert mit                               Schwerpunktteil | Pädagogik der Gesundheitsberufe | Ausgabe 1–2020

Abbildungen 5 und 6: Simulation Interprofessionelle Zusammenarbeit. Simulationspatientin mit Studierenden Pflege und Humanmedizin in
     4.
der Intervention.
    5.
Back6.Methode
       Wissenschaftliche       Evaluation
              und patientenzentrierte Gesundheitsver-                      dicine, Departement Gesundheitswissenschaften
 sorgung. Anschließend reflektierten die Studierenden                      und Technologie, ETH Zürich
 anhand     des  IAVI  Reflexionsinstruments,    dass  sie bereits
Das Projekt wurde durch eine wissenschaftliche Evaluation begleitet. In der Pilotumsetzung wurden Baseline
 ab Phase
Daten         02 strukturiert
          gesammelt.            und wiederholt
                         Nachfolgend     werden dienutzten,
                                                       Inhalteihre    Praxistransfer
                                                                 von IAVI               (Phase 06)Ausbildungsinhalte nochmals
                                                                             und vorgängigen
 Zielerreichung und zentrale Erkenntnisse. In der zweiten               Das entwickelte IAVI Reflexionsinstrument, kann von den
angepasst, damit ein optimaler Aufbau im Erlernen der Kompetenzen im Rahmen interprofessioneller
 Simulationssequenz mussten die Pflegestudierenden in- Studierenden in Zusammenarbeit mit Berufsbildnern im
Zusammenarbeit
 nerhalb ihrer eigenen   gewährleistet
                           Profession die ist.   In den
                                            gefällten         geplanten
                                                      Entscheide             Umsetzungen
                                                                      Praxisfeld    zum Themafinden         kontinuierlich
                                                                                                    interprofessionelle       weitere
                                                                                                                          Zusammenar-
wissenschaftliche       Evaluationen
 und deren Schlussfolgerungen           durch die
                                    angelehnt       einzelnen
                                               an den            Bildungspartner
                                                        Fall erläu-   beit genutzt undstatt.angewendet werden. Es umfasst mehrere
 tern. Anhand der
Konzeption        dieses  Vorgehens konnten neben den prak- Aufträge. Einerseits dient es dazu, sich schrittweise auf die
                      Evaluation
 tischen Skills, die Argumentationsfähigkeit und -logik der interprofessionelle Simulation und die Feedbacksequenzen
Die    Evaluation dersowie
 Pflegestudierenden        IAVI die
                                 Schulung
                                     zentralendient   dervon
                                                Inhalte     Planungs-
                                                               IAVI mitund       Entscheidungshilfe
                                                                           Schauspielpatienten      sowie und    hat somit
                                                                                                           der Reflexion  mitmit
                                                                                                                              den der
                                                                                                                                   Lehr-
Erarbeitung      von Handlungsalternativen zu tun. Sie ist ziel-personen
 überprüft werden.                                                      und zweckorientiert
                                                                                   vorzubereiten.  und  hat primär können
                                                                                                     Andererseits   das Ziel,die
                                                                                                                               Inhalte
                                                                                                                                 Studie-
und Abläufe zu überprüfen, zu verbessern oder über renden             sie zu systematisch
                                                                                 entscheiden.ihren Die eigenen  Lernprozess
                                                                                                        IAVI Schulung         und wich-
                                                                                                                           wurde    als
 Studierende     der ETH  Zürich                                      tige  Erkenntnisse     festhalten.
Pilotprojekt durchgeführt. Das heisst die vorliegende Evaluation gilt in erster Linie als Basis für das Sammeln
   Die Studierenden
sogenannter              der Daten.
                  Baseline    ETH Zürich    befinden
                                     Das Modell        sich im 5.
                                                    Evaluation   of Learning von Kirkpatrick & Kirkpatrick (2006) dient als
 Semester ihres Bachelor Studiums. Die IAVI Schulung ist In-HospiTool
theoretischer Rahmen für diese Evaluation. Das Modell ist in vier Ebenen aufgeteilt:
 integriert in dem Modul Interprofessionelle Versorgungs-               Basierend auf der In-HospiTool Studie und dem im KSA
In  der Ebene
 ketten,   welches1 aus
                     = Reaktion,
                         12 Blöckenwird
                                      à 3geprüft
                                          Stundenobbesteht.
                                                      sich dieDasTeilnehmenden       der Schulung
                                                                      KIS implementierten               beteiligt
                                                                                                  Visitentool     haben,
                                                                                                               wurde  die und   ob sie
                                                                                                                           Stand-Alone
so  zufrieden
 Modul            waren, dass sie die
           der interprofessionellen     Schulung weiterempfehlen
                                     Versorgungsketten     hat das „IAVI würden.     Ebene 2 = Lernen,
                                                                               Schulungssoftware“            auf dieser
                                                                                                        entwickelt.      Ebene konnte
                                                                                                                     Hierdurch    wird
 Ziel  einer umfassenden     Qualitätssicherung   der vorgelager-     das   Training  im  6-phasigen
untersucht, ob ein Zuwachs in den Dimensionen „Wissen“, „Haltung“ und Fähigkeiten stattgefunden hat. Auf Ausbildungselement     barriere-
 ten,Ebene
der     stationären   und nachgelagerten
               3 = Verhalten,                ambulanten
                                wird erforscht,  ob sich das Berei-   frei, mit
                                                                Verhalten    ampädagogischen       Elementen
                                                                                  Arbeitsplatz geändert        ergänzt
                                                                                                             hat       und
                                                                                                                  und auf   mitEbene
                                                                                                                          der    statisti-
 che. Dabei sind etliche Berufsgruppen an der Behandlung schen Analyseelementen erweitert werden.
4 wird untersucht, ob die Verhaltungsänderungen zu einer positiven Veränderung der
 und Pflege von Patientinnen und Patienten beteiligt. Eine              Die in der Software hinterlegten Daten stehen in Ver-
Unternehmungsergebnisse
 gute, koordinierende Planung geführt       haben.
                                   ist deshalb notwendig. Dazu bindung mit den sechs entwickelten Drehbüchern. Neben
 braucht es eine effektive und effiziente interprofessionelle dem Visitentool wurden Patientenkurven, ärztliche und
 Kommunikation aller beteiligten Berufsgruppen. Die IAVI pflegerische Berichte und die Teach-Back Methode integ-
 Schulung ermöglicht, dass die Studierenden dies anhand riert. Zudem wurden Lösungen für Trainer, für Import- und
 einer interprofessionellen Visite erlernen, üben und reflek-7 Exportfunktionen von statistischen Daten der getroffenen
 tieren können.                                                       Austrittsentscheide in der Software integriert.
   Beim Modul der interprofessionellen Versorgungsketten
 standen der IAVI Schulung 2 Blöcke zur Verfügung. Die ers-
 te Lehrveranstaltung fand in der kognitiven Phase 2 statt, Wissenschaftliche Evaluation
 umgesetzt als Präsenzveranstaltung in Form von Flipped
 Classroom. Die zweite Veranstaltung erfolgte zusammen                  Das Projekt wurde durch eine wissenschaftliche Evaluati-
 mit den Pflegestudierenden in der Umsetzungsphase 4.                 on begleitet. In der Pilotumsetzung wurden Baseline Daten
                                                                      gesammelt. Nachfolgend werden die Inhalte von IAVI und
        „Informationen gehen meistens an Schnittstellen im            vorgängigen Ausbildungsinhalten nochmals angepasst, da-
      klinischen Alltag verloren. Daher sind wir froh, dass           mit ein optimaler Aufbau im Erlernen der Kompetenzen im
      unsere Studierenden der Humanmedizin schon früh-                Rahmen interprofessioneller Zusammenarbeit gewährleis-
      zeitig mit anderen Berufsgruppen, insbesondere an-              tet ist. In den geplanten Umsetzungen finden kontinuierlich
      gehenden Pflegeexpert*innen das mit Hilfe von IAVI              weitere wissenschaftliche Evaluationen durch die einzel-
      trainieren können.“ Prof. Dr. Jürg Goldhahn, ETH                nen Bildungspartner statt.
      Zurich, Deputy head Institute of Translational Me-

Pädagogik der Gesundheitsberufe 1/2020 │ 7. Jahrgang │ hpsmedia, Hungen                                                               83
Schwerpunktteil | Pädagogik der Gesundheitsberufe | Ausgabe 1–2020

Abbildung 7: IAVI Produktübersicht (Umbescheidt, 2019)

Konzeption der Evaluation                                          studierenden), mit dem Online Tool Findmind durchgeführt.
  Die Evaluation der IAVI Schulung dient der Planungs- und         Die 20 Fragen des Erhebungsbogens wurden so unterteilt,
Entscheidungshilfe und hat somit mit der Erarbeitung von           dass die Studierenden jede der vier Phasen separat anhand
Handlungsalternativen zu tun. Sie ist ziel- und zweckorien-        einer Lickert-Skale von 1-5 beurteilten.
tiert und hat primär das Ziel, Inhalte und Abläufe zu über-
prüfen, zu verbessern oder über sie zu entscheiden. Die            Resultate
IAVI Schulung wurde als Pilotprojekt durchgeführt. Das              Der Rücklauf der Onlinebeurteilung war bei Pflege- sowie
heißt, die vorliegende Evaluation gilt in erster Linie als Basis   Medizinstudierenden nicht sehr groß. Von 99 Pflegestudie-
für das Sammeln sogenannter Baseline Daten. Das Modell             renden haben 33 = 33 % ihre Beurteilung in das Tool ein-
Evaluation of Learning von Kirkpatrick & Kirkpatrick (2006)        gegeben. Bei den Medizinstudierenden war der Rücklauf
dient als theoretischer Rahmen für diese Evaluation. Das           20 %. Das heißt von 83 haben 17 Studierende online eine
Modell ist in vier Ebenen aufgeteilt:                              Rückmeldung abgegeben.
  In der Ebene 1 = Reaktion wird geprüft, ob sich die Teil-         Im folgenden Abschnitt werden Resultate beschrieben,
nehmenden der Schulung beteiligt haben, und ob sie so zu-          welche uns relevant erscheinen.
frieden waren, dass sie die Schulung weiterempfehlen wür-           Information und Lernziele: Pflege- sowie Medizinstudie-
den. Ebene 2 = Lernen: auf dieser Ebene wird untersucht,           rende stimmen eher oder voll zu, dass die Informationen
ob ein Zuwachs in den Dimensionen „Wissen“, „Haltung“              zur IAVI Schulung ausreichend und die Lernziele der ge-
und „Fähigkeiten“ stattgefunden hat. Auf der Ebene 3: Ver-         samten Veranstaltung klar definiert waren (Grafik 1+2).
halten, wird erforscht, ob sich das Verhalten am Arbeits-
platz geändert hat und auf der Ebene 4 wird untersucht, ob          Die Stoffmenge der e-Lectures wurde von den Medizin-
die Verhaltensänderungen zu einer positiven Veränderung            studierenden als umfangreicher empfunden (47.06 %) als
der Unternehmungsergebnisse geführt haben.                         von den Pflegestudierenden (27.20 %). Zur Aussage ob die
  Die gegenwärtige Publikation setzt den Schwerpunkt auf           Stoffmenge während der Präsenzveranstaltung in einem
der Ebene 1, der Kundenzufriedenheit. Weiterführende               angemessenen Tempo behandelt wurde, bejahten 47.06 %
Datenverarbeitungen sind notwendig, um weitere Ebenen              der Medizinstudierenden und 45.45 % der Pflegestudie-
abzudecken. Dies geschieht in weiterführenden Prozessen,           renden mit einem „trifft voll zu“. Nach der gemeinsamen
welche zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden werden.             Simulation finden 81.82 % der Pflegestudierenden und
                                                                   93.75 % der Medizinstudierenden, dass das gemeinsame
Teilnehmerinnen & Zeitpunkt                                        berufsübergreifende Lernen sinnvoll ist. Etliche informelle
 Am Pilot der IAVI Schulung nahmen 83 Medizinstudieren-            mündliche Aussagen von den Studierenden beider Berufs-
de und 99 Pflegestudierende teil. Beide Gruppen befan-             gruppen bestätigen, dass die Pilot IAVI Schulung ein Erfolg
den sich im 5. Semester des Pflege- resp. Medizinstudiums.         war, mit „Kinderkrankheiten“, welche gut für den nächsten
 Die Evaluation der Reaktion wurde einen Tag nach der              Durchgang modifiziert und behoben werden konnten.
Phase 4 (gemeinsame Simulation der Pflege- und Medizin-

84                          Pädagogik der Gesundheitsberufe 1/2020 │ 7. Jahrgang │ hpsmedia, Hungen
Schwerpunktteil | Pädagogik der Gesundheitsberufe | Ausgabe 1–2020

Abbildung 8 und 9: Information & Lernziele der gesamten Lehrveranstaltung

Lessons Learned
  Die erreichten Kompetenzen, in denen vorwiegend die                sich IAVI sowohl für Aus- und Weiterbildungen, aber auch
interprofessionelle Zusammenarbeit beurteilt wurde, sind             für die Vorbereitung auf Einsätze in interprofessionellen
mit 83 % im Durchschnitt höher als erwartet. Die Anzahl              Praxissettings.
korrekter Austrittsentscheide in In-HospiTool zeigen mit
85 % (Pflege) und 78 % (Humanmedizin) ebenfalls gute                    „Für mich stellt das Training für die interprofessionelle Zu-
Werte für eine Pilotumsetzung auf.                                    sammenarbeit einen hohen Stellenwert in vielerlei Hinsicht
  Nach der Auswertung der Kundenzufriedenheit und den                 dar. Von der Professionalisierung und Effizienzförderung
Rückmeldungen von Lehrpersonen sowie Simulationspati-                 des Arbeitsprozesses, der Kommunikation unter den Pro-
entinnen wurden Verbesserungen für die nächsten Umset-                fessionen bis hin zur Behandlungskontinuität. Der Fokus
zungen von IAVI vorgenommen. So wurden die Lernziele                  lag im Training, trotz Schwerpunkt IPZ, immer bei den Pa-
präzisiert, Inhalte in Phase 03, 04 und 05 angepasst bzw.             tienten. Für mich eine Chance, mit vielversprechenden Ins-
gekürzt, sowie Verbesserungen hinsichtlich des Training               trumenten für die Förderung der IPZ in der Praxis mit Per-
und Transfers vor der Simulation IPZ vorgenommen. Die                 spektive. Das gemeinsame Training mit den Studierenden
Reflexion in der Praxisphase wurde konkretisiert. Im Sinne            der Medizin empfand ich als sehr bereichernd in allen ge-
des Assessments for learning (Schuwirth & Van der Vleuten,            nannten Punkten.“ Stefanie Hürlimann, Studentin Pflege
2011) wird in den Performanzprüfungen für die Studieren-              HFGS Aarau
den Pflege in den nächsten Umsetzungen ein formatives
Peer-Feedbackverfahren den Abschluss von Phase 05 bil-                  „Während der ersten Vorlesungen habe ich gemerkt, welche
den. Die Beobachtungskriterien des „Adapted Interprofes-              großen Vorteile die gemeinsame Ausbildung mit sich bringt.
sional Collaborator and Patient Centered Approach Assess-             Beide Berufsgruppen werden unterschiedlich in Kommunika-
ments“ haben sich für den Pilot bewährt und werden in den             tion ausbildet, bzw. setzt man andere Schwerpunkte. Durch
nächsten Umsetzungen weiteren Analysen unterzogen. Die                das Projekt kann die Effizienz gesteigert werden, wodurch
interprofessionelle Umsetzung des Ausbildungselements                 der Patient profitiert. Persönlich finde ich die erlernte Struk-
soll und muss in Zusammenarbeit mit ärztlichen Exper-                 tur für die Visite sehr gut, da ich bis zum IAVI, keinen solchen
tinnen erfolgen. Ein besonderes Augenmerk wird auf der                Ablauf gelernt habe. Ich sehe das Projekt als grossen Ge-
Weiterentwicklung der Lernortkooperation und des Modus                winn für meine Ausbildung und finde, dass hier Brücken zwi-
operandi aller Bildungspartner unter Berücksichtigung von             schen Pflege und Ärzten gebaut werden können. Die Chan-
Inhalten, zeitlichen und strukturellen Bedingungen, sowie             ce auf ein WIR entsteht.“ Christoph Polz, Student Pflege
der pädagogischen Kulturen liegen. IAVI besitzt nach Mei-             HFGS Aarau
nung internationaler Experten, u. a. aufgrund seiner päda-
gogischen Grundstruktur, der interprofessionellen und pra-
xisbasierten Entwicklungsmethodik und des sukzessiven
Kompetenzaufbaus, Merkmale, die es zu bewahren, unter-               Danksagung
suchen und auszubauen gilt. Die Frage nach dem Prozess
des interprofessionellen Lernens ist hierbei nicht auf das in-        Wir bedanken uns für die außerordentliche und intensive
terprofessionelle Ausbildungselement begrenzbar, sondern             Lernortkooperation bei den Mitgliedern des Forschungs-
erfordert Wege in der Entwicklung und Ausgestaltung von              teams der medizinischen Uniklinik des Kantonsspitals Aa-
Lernortkooperationen, die das „Miteinander, voneinander              rau sowie dem Team der ETH Zürich. Für die pädagogische
und übereinander lernen“ zum inhärenten Bestandteil des              und wissenschaftliche Beratung danken wir Iris Ludwig und
gemeinsamen Wirkens machen.                                          Dr. Beat Sottas. Dr. Klaus Bally, Dr. Markus Schneider und
  IAVI ist in Curricula ohne große strukturelle und finanzi-         Rene Ballnus möchten wir für die wertvollen Rückmeldun-
elle Umstellungen integrierbar und kann für IPE Lernfor-             gen und den Besuch der Simulation interprofessionelle Zu-
men mit weiteren Professionen modifiziert werden. Da                 sammenarbeit herzlich danken.
ganze Bildungsgänge und nicht nur einzelne Studentinnen
in IAVI strukturierte Erfahrungen in interprofessioneller
Zusammenarbeit während der Ausbildung sammeln, eignet

Pädagogik der Gesundheitsberufe 1/2020 │ 7. Jahrgang │ hpsmedia, Hungen                                                             85
Schwerpunktteil | Pädagogik der Gesundheitsberufe | Ausgabe 1–2020

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