ANP KONGRESS 2021 10. ADVANCED NURSING PRACTICE KONGRESS - Den Kompetenzen verpflichtet - FH OÖ
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TAGUNGSBAND © Adobe Stock ANP KONGRESS 2021 10. ADVANCED NURSING PRACTICE KONGRESS Den Kompetenzen verpflichtet 14. - 15. September 2021 | Schlossmuseum Linz www.fh-ooe.at/anp2021
Die Verantwortung für den Inhalt der Texte liegt bei den Autor*innen. Kontaktadresse: FH OÖ Studienbetriebs GmbH Garnisonstraße 21, 4020 Linz/Austria www.fh-ooe.at/anp2021 Layout: DI Barbara Eigruber MBA und Marion Friedl, BA FH OÖ Garnisonstraße 21, A 4020 Linz Fotos Titelseite: Adobe Stock Linz, September 2021 2
Vorwort Liebe Besucher*innen! Liebe Expert*innen, Führungskräfte und ANP-Interessierte! Am 14.-15. September konnten wir nach zweimaliger Verschiebung endlich unseren Jubiläumskongress begehen. Gekrönt wurde dieser mit der Vergabe des ersten ANP- Awards durch die FH OÖ und dem Forum ANP sowie durch die wieder höchst aktuellen und interessanten Beiträge der Referent*innen, denen ich von Herzen für ihr Engagement danken möchte! Beim Get Together und Dinner in den Redoutensälen konnten viele Ide- en ausgetauscht und weitere Netzwerke geknüpft werden. Das positive Feedback zur Entwicklung von ANP in Österreich motiviert und hebt die zukünftige Bedeutung von ANP weiter hervor. Die Preisträgerinnen des ersten ANP-Award 2021 werden im nächsten ANP-Newsletter vorgestellt. Sollten Sie diesen noch nicht zugesandt bekommen, so bitte ein kurzes Mail an uns (dieser wird elektronisch versandt und ist kostenlos). Mein besonderer Dank an Sie alle, die die Herausforderung von ANP in Österreich mit uns annehmen und weiter entwickeln. Save the date: Nächster ANP-Kongress: 23.-24. Mai 2023 Ihre Silvia Neumann-Ponesch Mag. PhDr. Silvia Neumann-Ponesch MAS CoL³ - Center of Lifelong Learning - Lehrgangsleitung FH Oberösterreich 4
Inhaltsverzeichnis Abstracts Lucia D. Wocial In Memoriam Ann B. Hamric .................................................................................... 6 Parallelsession 1: ANP Führungskräfteseminar - Was Sie immer schon über ANP wissen wollten. Silvia Brunner „nicht ob, sondern wie“ - Pioneers wanted! .............................................................. 7 Martina Spalt Erwartungen des Nachwuchses an die Karriere als APN ........................................ 9 Parallelsession 2: Rollenverteilung in diversen Settings Anja Albers Pflegerische Performanz moralisch vertreten – Eine Beschreibung von Pflege am Lebensende auf der Intensivstation ......................................................................... 12 Claudia Siebenhaar, Jeanine Altherr Entwicklung von APN-Rollen in der häuslichen Gesundheitsversorgung ................ 14 Matthias Prommersberger PSN-PsychiatricSensitiveNursing im Rahmen von Shared Governance: Ein Pflegepraxisprojekt.............................................................................................. 16 Johannes Hainzl “Auf Augenhöhe mit Demenz” – erfolgreiche Sensibilisierung für den Umgang mit Menschen mit Demenz ...................................................................................... 18 5
Advanced Nursing Practice – A personal reflection on the lessons learned from Ann Hamric Lucia D. Wocial, PhD, RN, FAAN, HEC-C Fairbanks Center for Medical Ethics at Indiana University Health, Capitol Avenue, Indianapols, IN, 46202 USA INTRODUCTION In 2020 the global nursing community, particularly those who are advance practice nur- ses, experienced a significant loss; the death of Ann B. Hamric, PhD, RN, FAAN. I had the great good fortune to be a colleague and Friend of Ann’s. When I met her for lunch at a conference in October, 2019 she shared with me her excitement at coming to pre- sent at this conference. Ann died suddenly on February 9, 2020. That sad event has led me to you. I am a poor excuse for Ann and so instead, I offer reflections on the lessons many of us have learned from Ann. I will reflect on her contribution to advance practice nursing, her unwaver-ng commitment to ethical practice and her passion for mentoring and supporting her colleagues. I do not pretend to know what Ann would make of events in the world today. I do believe we can find wisdom in her work and honour her legacy by identifying how each of us will move forward to further advance practice nursing. REFERENCES 1] Hanson, C. M., & Hamric, A. B. (2003). Reflections on the continuing evolution of advanced practice nursing. Nursing Outlook, 51(5), 203-211. [2] Gardner, G., Duffield, C., Doubrovsky, A., & Adams, M. (2016). Identifying advanced practice: A national survey of a nursing workforce. International Journal of Nursing Stud-ies, 55, 60-70. [3] Lowe, G., Plummer, V., O’Brien, A. P., & Boyd, L. (2012). Time to clarify–the value of advanced practi ce nursing roles in health care. Journal of advanced nursing, 68(3), 677-685. 6
„Nicht ob, sondern wie“ – Pioneers wanted! Silvia Brunner, MScN Stadtspital Zürich, Zentrum für Gerontotraumatologie / Pflegeentwicklung, Tièchestrasse 99, 8037 Zürich, SCHWEIZ und Universität Wien, Institut für Pflegewissenschaft, Alser Strasse 23/12, 1080 Wien, ÖSTERREICH 1. EINLEITUNG Aus diversen Untersuchungen ist bekannt, dass Advanced Practice Nurses (APN) für die Lebensqualität und Patientensicherheit einen Gewinn bringen (1, 2). Als Spezialist*innen eingesetzt erbringen sie in ihren jeweiligen Fachgebieten eine gleich hohe medizinische Qualität zu vergleichbaren Kosten wie Ärzt*innen (3). Das Arbeitsgebiet von APNs geht viel weiter als „die blosse medizinisch-therapeutische“ Patient*innen Behandlung. APNs befähigen Mitarbeitende im Umgang mit seltenen Situationen und haben ein offenes Ohr um Anliegen, Fragen und Ressourcen von Angehörigen aufzunehmen. Gemäss Literatur und Fachkreisen sind APNs dort tätig, wo es bisher eine Versorgungslücke gegeben hat (4, 5). 2. DIE APN IM ZENTRUM FÜR GERONTOTRAUMATOLOGIE Das Zentrum für Gerontotraumatologie ist eine überschaubare Abteilung, hochspezialisiert auf ältere Patient*innen, die gestürzt sind und sich dabei eine körperliche Verletzung zu- gezogen haben. Von Eintritt der Notaufnahme bis zum Austritt werden diese Patient*innen entlang eines interprofessionellen, interdisziplinären Behandlungspfades von geriatrischen und orthopädischen Fachärzt*innen sowie von spezialisiertem Pflegepersonal versorgt (6). Die Advanced Practice Nurse wird im Zentrum für Gerontotraumatologie eingesetzt, um einerseits den Behandlungspfad und damit zusammenhängende Richtlinien inhaltlich auf dem aktuellsten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu halten. Andererseits, um die Mitarbeitenden zu befähigen, mit herausfordernden Patient*innensituationen wie Demenz/Delir, Aggressivität, terminale Lebensphase auf dieser chirurgisch-geriatrischen Station optimal zu bewältigen und die Resilienz der Mitarbeitenden zu stärken (7). 2.1. FÖRDERNDE FAKTOREN ZUR ETABLIERUNG EINER ANP ADVANCED » Anstellung (Arbeitsbedingungen) » Dissertationsträume (GENUG ESSEN (8, 9)) » Vision (stärker Ressourcen auf spezialisierte Einheit (Gerontotraumatologie) fokussie- ren » Advanced Nursing Process (erweiterter, fundierter, evidenzbasierter Pflegeprozess) 7
» Chancen (fördernd sind Fachberatung, Campus Altersmedizin – Unterstützung von Politik) » Evidenz (immer und überall… in Richtlinien, bei / während Fallbesprechungen, Pflegediagnosen / Dokumentation, Forschungsarbeit) » Durchhaltewillen (Rückblick und Ausblick die letzten 5 Jahre) 2.2. HERAUSFORDERUNGEN BEI DER ETABLIERUNG Wirtschaftlicher Druck und Pflegenotstand - „sogenannte Sparmaßnahmen“; Laufende Veränderungen von Organisationsstrukturen aufgrund von äusseren Umständen (u.a. po- litische Entscheidungen, Pandemie). 3. WELCHEN GEWINN BRINGT EINE APN GERONTOTRAUMATOLOGIE Verbesserung von » Selbstversorgungsfähigkeit der Patient*innen bei Austritt » Kostendeckungsgrad durch abrechenbare med. Diagnosen mit interprofessioneller Therapie und durch geringere Kosten aufgrund kürzerer Liegedauer bei geringerer Komplikationsraten » Qualität des Advanced Nursing Process: Messbar mit dem Instrument Q-DIO (10, 11) » Pflegerische Unterstützung: Patientenfeedback » Klinische Fachkompetenz bezüglich Pflege – insbesondere (Ernährungs)-assessment und Pflegerischer Interventionen (9) REFERENZEN [1] Martin-Misener R, Kilpatrick K, Donald F, Bryant-Lukosius D, Rayner J, Valaitis R, et al. Nurse prac- tioner caseload in primary health care: Scoping review. Int J Nurs Stud. 2016;62:170-82. [2] Sund Levander M, Milberg A, Rodhe N, Tingström P, Grodzinsky E. Differences in predictors of 5-year survival over a 10-year period in two cohorts of elderly nursing home residents in Sweden. Scandina vian Journal of Caring Sciences. 2016;30(4):714-20. [3] Martin-Misener R, Harbman P, Donald F, Reid K, Kilpatrick K, Carter N, et al. Cost-effectiveness of nur se practitioners in primary and specialised ambulatory care: systematic review. BMJ open. 2015;5(6):e007167. [4] Hamric AB, Hanson CM, Tracy MF, O‘Grady ET. Advanced Practice Nursing. An Integrative Approach. 5 ed. Oxford: Elsevier LTD Oxford; 2014. 752 p. [5] Müller-Staub M, Zigan N, Handler-Schuster D, Probst S, Monego R, Imhof L. [Being cared for and ca ring: living with multiple chronic diseases (Leila)-a qualitative study about APN contributions to integ rated care]. Pflege. 2015;28(2):79-91. [6]. M. D. Wer wieder nach Hause will, kommt zu uns! Wipkinger Zeitung. 2021. [7] Müller Staub M. Konzept Pflegeexpertin / Pflegeexperte Advanced Practice Nursing (PE APN). 2016. [8] Brunner S, Mayer H, Qin H, Breidert M, Dietrich M, Müller Staub M. Interventions to optimise nutrition in older people in hospitals and long-term care: Umbrella review. Scand J Caring Sci. 2021. [9] Brunner S, Mayer H, Dietrich M, Breidert M, Müller-Staub M. Developing a nursing diagnosis for the risk for malnutrition: a mixed methods study. Nursing Open. 2021 (accepted for publication). [10] Müller-Staub M, Needham I, Lunney M, Odenbreit M, Lavin MA, van Achterberg T. [Quality of nursing diagnoses, interventions and outcomes: criteria and operationalization of the measurement instru ment Q-DIO]. Pflege. 2008;21(5):327-38. [11.] Leoni-Scheiber C, Mayer H, Müller-Staub M. Übereinstimmung des Advanced Nursing Process mit Beobachtungen, Interviews und Pflegedokumentationen im Akutspital: Eine qualitative „multiple case study“ [The congruence of nursing diagnoses, interventions, and outcomes between care observa tions, patient perceptions, and nursing records: a qualitative multiple case study]. Pflege. 2020;33(1):3-12: 8
Erwartungen des Nachwuchses an die Karriere als APN Martina Spalt, BSc Universitätsklinik für Innere Medizin I, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien, ÖSTERREICH und Universitätsklinikum AKH Wien, Gießergasse 1, 1090 Wien, ÖSTERREICH 1. EINLEITUNG Gesundheitssysteme in Europa sind aufgrund der demografischen Entwicklung mit einer zunehmenden Komplexität in der Gesundheitsversorgung ihrer Patient*innen konfron- tiert. Beispielsweise wird in Österreich, von 2014 bis 2030, ein Anstieg der Prävalenz von Krebs erkrankten Personen um 39 Prozent erwartet. Die Ursachen liegen einerseits in der höheren Lebenserwartung der Österreicher*innen, als auch in den höheren Überlebens- chancen durch innovative antineoplastische Therapien. Zusätzlich wird gerade im onkolo- gischen Setting eine Verlagerung der stationären Patientenversorgung in den ambulanten und tagesklinischen Bereich zu verzeichnet. Aufgrund der beschriebenen Umschichtung, sind Kontaktzeiten mit Gesundheitsversorger*innen reduziert und betroffene Personen in ihrem Selbstmanagement gefordert. Gleichzeitig wird im Survey der Europäischen Union bei beinahe 50 Prozent der Österreicher*innen eine insuffiziente Gesundheitskompetenz konstatiert. In das Krebsrahmenprogramm von 2014 wurde deshalb auch das strategi- sche Ziel aufgenommen, durch das Angebot von guter Information und Edukation die Gesundheitskompetenz günstig zu beeinflussen. Um zukünftig eine qualitativ hochwertige Gesundheits-Versorgung trotz knapper Res- sourcen gewährleisten zu können, müssen innovative Möglichkeiten der Gesundheits- versorgung angedacht werden. Advanced Practice Nurses stellen eine Möglichkeit dar, den oben beschriebenen Entwicklungen des österreichischen Gesundheitssystems zu begegnen. Die Outcomes, die auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse durch den Ein- satz einer Cancer Nurse auf internationaler Ebene beschrieben wurden sind bspw. gute Erreichbarkeit für Patient*innen, besser informierte Patient*innen, bessere Outcomes im Rahmen des Symptomerlebens und besseres Selbstmanagement. Rahmenbedingungen um die Kompetenzen von APN´s vollumfänglich einsetzen zu kön- nen, sind derzeit in Österreich nicht gegeben. So schließen zwar die ersten APN´s ihre Ausbildung auf Masterniveau ab, aber es fehlt derzeit an einer nationalen Umsetzungs- strategie. Wie in anderen europäischen Staaten, ist eine fehlende Uniformität in Qua- lifikation und Edukation zu verzeichnen. Ebenfalls wurde es bis dato verabsäumt, eine rechtliche Verankerung und Titelschutz vorzunehmen. Eine institutionelle Implementie- rung auf Basis der genannten Voraussetzungen, wird in der Fachliteratur als eine große Herausforderung beschrieben. 9
2. FRAGESTELLUNGEN » Welche Voraussetzungen müssen auf der Ebene einer Institution geschaffen werden, um eine APN Rolle in Österreich zu entwickeln und zu implementieren? » Welche Voraussetzungen müssen auf nationaler Ebene geschaffen werden? 2.1. METOHDE Die Rolle der Cancer Nurse als APN Rolle wird am AKH Wien anhand des PEPPA Frame- works als Participatory Action Research Approach etabliert und implementiert. Deshalb werden einerseits Erfahrungswerte aus der praktischen Erfahrung, als auch anhand einer systematischen Literaturrecherche erworbenen Erkenntnisse zur Beantwortung der Fra- gestellung herangezogen um förderliche Einflussfaktoren, eine erfolgreiche Entwicklung und Implementierung einer APN-Rolle zu ermöglichen, beziehungsweise die Rolle wie geplant auszuleben. Die Identifikation der begünstigenden Faktoren muss sowohl auf Mikroebene, als auch auf Makroebene durchgeführt werden. 2.2. ERGEBNISSE Die Schlüsse, die auf Basis der systematischen Literaturrecherche und der praktischen Erfahrung im Rahmen der Etablierung und Implementierung einer Cancer Nurse Rolle Am AKH Wien gezogen werden kann, ist die Erwartungshaltung einer APN auf mehreren Ebenen anzusiedeln. Einerseits liegt sie im Makrobereich in der (rechtlichen) Anerken- nung der APN auf politischer Ebene, um ihre Kompetenzen und Ressourcen vollumfäng- lich nutzen zu können. Auf Institutionsebene (Mikroebene) liegen begünstigende Faktoren in einer guten interdisziplinären Kommunikation und einer transparenten Vorgangsweise, unter Einbezug aller Stakeholder. Ziel der Etablierung liegt in einer qualitativ hochwerti- gen Patientenversorgung, die den Einsatz von Pflegepersonen nach Überlegungen be- züglich Skill and Grade Mix berücksichtigt. 3. SCHLUSSFOLGERUNGEN Der Mehrwert von APN´s bildet sich in der Fachliteratur und in der Praxis ab. Die ersten Schritte, wie die Etablierung von Cancer Nurses, wurden gesetzt. Jedoch APN Rollen bei fehlender rechtlicher Verankerung zu etablieren und zu implementieren, stellt eine große Herausforderung dar. Überlegungen, um diese Innovation in die Praxis einführen zu kön- nen, müssen deshalb auf Makroebene und Mikroebene angestellt werden. Auf politischer Ebene heißt es Voraussetzungen zu schaffen, um das Potenzial einer Cancer Nurse voll- umfänglich zu nutzen. Auf Ebene der Institution ist das Bereitstellen von Ressourcen in Abstimmung aller beteiligten Stakeholder unumgänglich. Strukturierte interdisziplinäre Besprechungen bieten die Möglichkeit, Kommunikationsqualität und Rollenakzeptanz zu erhöhen und damit eine erfolgreiche Implementierung zu erleichtern. 10
REFERENZEN BMG (2014). Krebsrahmenprogramm Österreich. (accessed 6.9.2021) https://www.sozialministerium.at/The- men/Gesundheit/Nicht-uebertragbareKrankheiten/Krebs/Nationales-Krebsrahmenprogramm.html BMG, Statistik Austria (2015). Trends der Entwicklung von Krebserkrankungen in Österreich Eine Prognose bis 2030. https://www.statistik.at/web_de/services/publikationen/4/index.html?includePage=detailedView§ion Name=Gesundheit&pubId=700 (accessed, 6.9.2021) Bryant-Lukosius, D. (2004). A framework for the introduction and evaluation of advanced practice nursing roles. Journal of Advanced Nursing, 48 (5), 530-540. Corner J., Wagland, R., Glaser, A, Richards, M. (2013) Qualitative analysis of patients´feedback from a PROM survey of cancer patients in England. BMJ Open, 2013; 3: e002316 doi: 10.1136/bmjopen-2012-002316 DBfK, ÖGKV, SBK (2013). Advanced Nursing Practice in Deutschland,Österreich und der Schweiz. Positions- papier DBfK,ÖGKV, SBK.(accessed 6.9.2021) https://www.oegkv.at/fileadmin/user_upload/International/Positi- onspapier-ANP-DBfKOEGKV-SBK-01-2013-final.pdf Decoster, L., Van Puyvelde, K., Mohile, S., Wedding, U., Basso, U., Colloca, G., Rostoft, S., Overcash, J., Wildiers, H., Steer, C., Kimmick, G., Kanesvaran, R., Luciani, A., Terret, C., Hurria, A., Kenis, C., Audisio, R., Extermann, M. (2015). Screening tools for the multidimensional health problems warranting a geriatric assess- ment in older patients: an update on SIOG recommendations. Annals of Oncology, 26, 288-300. doi:10.1093/ annon/mdu210. European CanCer Organisation. (2017) Value of specialised cancer nusing. Position Statement. https://www. cancernurse.eu/wpcontent/uploads/2020/05/ECCOPositionPaperValueOfSpecialisedCancerNursing.pdf (Ac- cessed 6.9.2021) European Oncology Nursing Society [EONS] (2018). Cancer Nursing Education Framework. https://www.can- cernurse.eu/documents/EONSCancerNursingFrame work2018.pdf (accessed, 6.9.2021) Glarcher, M., Lex, K.M. (2020) Advanced Nursing Practice in Austria under consideration of outcome measure- ment. Qualität und Sicherheit in der Gesundheitsversorgung / Quality and Safety in Health Care doiI:https://doi. org/10.1016/j.zefq.2020.06.012 Kickbusch, I., Pelikan, J.-M. Apfel, F., & Tsouros, A.-D. (2013). Health Literacy. The Solid Facts. (accessed 6.9.2021) http://www.euro.who.int/en/publications/abstracts/health-literacy.-the-solid-facts NHS England. Cummings, J., (2014) Nurses are central to a transformation in care. https://www.england.nhs.uk/ blog/jane-cummings-5/ (accessed, 6.9.2021) Rueda, J.R., Sola, I., Pascual, A., Casacuberta, M.S. (2011) Cochrane Database Systematic Reviews, 7(9):1465- 1858 doi: 10.1002/14651858.CD004282.pub3 Sørensen K, Pelikan, J.M., Röthlin, F., Ganahl, K., Slonsak, Z., Doyle, G., Fullam, J., Kondilis, B., Agrafiotis, D., Uiters, E., Falcon, M., Mensing, M., Tchamov, K., Broucke, St., Brand, H., HLS-EU Consortium. Health Literacy in Europe: comparative results of the European health literacy survey (HLS-EU) European Journal of Public Health, 2015, 25(6):1053–1058 doi: 10.1093/eurpub/ckv043 Serena, A., Dwyer, A.A., Solange, P., Eicher, M. (2018). Acceptance of the Advanced Practice Nurse in Lung Cancer Role by Healthcare Professionals and Patiente: A qualitative Exploration. Journal of Nursing Scholar- ship, 50, 540–548, doi:10.1111/jnu.12411 Spichiger E., Zumstein-Shaha, M., Schubert, M., Hermann, L. (2018) Gezielte Entwicklung von Advanced Practice Nurse-Rollen für spezifische Patient(inn)engruppen in einem Schweizer Universitätsspital. Pflege, 31, 41–50. doi: 10.1024/1012-5302/a000594 WHO (2018). Bachner F, Bobek J, Habimana K, Ladurner J, Lepuschütz L, Ostermann H, Rainer L, Schmidt A E, Zuba M, Quentin W, Winkelmann J. Austria: Health System Review. Health Systems in Transition, 2018; 20(3): 1 – 256 11
Pflegerische Performanz moralisch vertreten - Eine Beschreibung von Pflege am Lebensende auf der Intensivstation Anja Albers, MScN, APN Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, Klinik für Intensivmedizin, Martinistraße 52, 20246 Hamburg, DEUTSCHLAND 1. EINLEITUNG Pflegeentscheidungen hinsichtlich der Behandlung und Betreuung von Patient:innen am Lebensende auf der Intensivstation sind zentral für die Applikation oder Limitation von Autonomie, Würde und Lebensqualität. Die qualitative Studie untersucht für Pflegeent- scheidungen relevante Kriterien und prozedurale Aspekte bei der Pflege am Lebensende auf Intensivstation aus der Perspektive von Intensivpflegenden. 2. HINTERGRUND UND PROBLEMSTELLUNG Die Pflege von Patient:innen in existentiellen Versorgungssituationen unter intensivmedi- zinischen Behandlungsverfahren und darüber hinaus in einer Situation am Lebensende kostet Zeit. Diese Forderung nach Zeit steht unter den gegeben strukturellen Bedingun- gen einer Intensivstation (ITS), in einem (fast) unauflösbarem Widerspruch zu der Forde- rung nach Sicherung der funktionalen Abläufe. Gleichzeitig steigt die Inanspruchnahme einer Intensivtherapie bei Krankenhausaufenthalten am Lebensende stetig [1]. Wie Pfle- gefachpersonen ihr Handeln bei der Gestaltung von Pflege am Lebensende zwischen ökonomischer Wirklichkeit und professionellem (Intensiv)Pflegeverständnis arrangieren – wie sie es schaffen dem gleichzeitigen menschlichen Bedürfnis nach Kontrolle der Um- welt und den Konsequenzen des eigenen Handelns zu entsprechen, darum geht es in diesem Beitrag. 3. METHODIK Methodisch wurde sich an der Phänomenologischen Lebensweltanalyse nach Alfred Schütz [2] orientiert. Von November 2016 bis Februar 2017 wurden im Universitätsklini- kum Hamburg Eppendorf, mit zehn Pflegefachpersonen von zehn verschiedenen ITS se- mistrukturierte Interviews durchgeführt. Um die Pflegenden selbst zur Sprache kommen zu lassen und deren eigenen subjektiven Deutungen kennenzulernen wurde, neben den Leitfragen, zum Einstieg ein typisches Fallbeispiel („Entscheidungsnotstand“) aus dem Arbeits- und Handlungsalltag auf ITS zur Fokussierung auf das Thema verwendet. 12
4. ERGEBNISSE Die befragten Fachpflegenden spiegelten die Heterogenität von Pflegefachpersonen wi- der, auch hinsichtlich Geschlecht, Alter und pflegerischer Kompetenzen. Zum Zeitpunkt des Interviews arbeiteten die Teilnehmer:innen im Durchschnitt 16 Jahre in der Intensiv- pflege. 70% arbeiteten in Voll- und 30% in Teilzeit. Die Analyse der Daten erfolgte mittels Kerstings Ansatz der „Kältestrategien“ [3] [4]. Vier Kategorien wurden identifiziert und in der Analyse genutzt. Die innere Logik der Muster „Kältestrategien“ zielte darauf ab, es den Teilnehmer:innen zu ermöglichen, unter Anerkennung ihres beruflichen Moral- verständnisses und der Akzeptanz der Ablauforganisation, sich in ihrem Arbeitsalltag zu arrangieren. Die Ergebnisse sind drei Muster für werteorientiertes Entscheiden, die auf unterschiedliche Weise die Frage nach der Verantwortung in einer Krisensituation am Lebensende lösen. Sie wurden von der Autorin mit Performanz A, B, und C benannt. Ein weiterer zentraler Punkt der vorliegenden Studie ist, dass der Begriff Lebensende sehr unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert wurde. Auf eine vorhandene Patienten- verfügung wurde nicht eingegangen und führte damit zu unterschiedlichen Entscheidun- gen. 5. DISKUSSION UND AUSBLICK Jeder der in ein Krankenhaus kommt hat das Recht darauf, gut und sicher versorgt zu werden. Die Studienergebnisse werfen jedoch Fragen in Bezug auf die Praxis der Inten- sivpflege auf, da eine solche Gleichbehandlung in der Praxis nicht eruiert werden konn- te. Obgleich für Pflegefachpersonen dieselben Standards, Handlungsanweisungen und Kodizes1 gelten, zeigt das Ergebnis, dass Intensivpflegepersonal verschiedene Werte in einem gemeinsamen intensivmedizinisch/pflegerischen Verbund anerkennt. Diese unter- schiedliche Gewichtung der Werte bedeutet natürlich nicht, dass eine situative und indi- viduelle Urteilsfindung „schlecht“ oder „unprofessionell“ ist, verweist aber auf mögliche Chancen, was eine vertiefte Ausbildung, eine bessere Ressourcenverteilung und eine verbesserte Kommunikation möglich machen. Zur Wahrung des Grundsatzes der Men- schenwürde sollte eine Lücke geschlossen werden, um die hohe Qualität der pflegeri- schen Versorgung aufrechtzuerhalten. Der Respekt vor der Integrität des einzelnen Men- schen muss im Vordergrund stehen und Eingriffe in die Integrität, auch auf einer ITS, nur im informierten Einverständnis und bei gegebener sorgfältig geprüfter Indikation erfolgen. 1 VA 1.04.19 „Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht“ VA 1.04.20 „Therapiezieländerung und Therapiebegrenzung bei schwersterkrankten Patienten“ VA 1.04.21 „Ethische Grundsätze zur Beachtung des Patientenwillens bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen“ REFERENZEN [1] Martin-Misener R, Kilpatrick K, Donald F, Bryant-Lukosius D, Rayner J, Valaitis R, et al. Nurse prac- tioner caseload in primary health care: Scoping review. Int J Nurs Stud. 2016;62:170-82. [1] Fleischmann-Struzek, C., Mikolajetz, A.,Curtis, JR., Haase, U., Thomas-Rüddel, D., Dennler, U., Hartog, CS. (2019). Hospitalization and intensive therapy at the end of life-a national analysis of DRG statistics from 2007. Dtsch Ärztebl Int 2019 [2] Hitzler, U., Eberle, T. S. (2015) In: Flick, U., Von Kardoff, E., Steinke, I. (Hg) 2015: Qualitative Forschung: ein Handbuch. 11. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verl., 109-113. [3] Kersting, K. (1999). „Coolout im Pflegealltag“. Pflege&Gesellschaft, 4(3), 53-60. [4] Kersting, K. (2005). Zur Situation von PflegeschülerInnen: Anspruch und Wirklichkeit. Pflegepädagogik,1, 31-37 13
Entwicklung von APN-Rollen in der häuslichen Gesundheitsversorgung der Schweiz P. Eckert, MScN, J. Altherr, MScN, C. Siebenhaar, MScN Spitex Zürich Sihl, Fachdienst Advanced Practice Nursing, Schweighofstr. 230, 8045 Zürich, SCHWEIZ 1. EINLEITUNG Advanced Practice Nursing ist in der häuslichen Gesundheitsversorgung der Schweiz bisher nur ansatzweise etabliert, entwickelt sich aber stark weiter. Immer mehr Spitex- Organisationen und Hausarztpraxen stellen Pflegeexpertinnen APN an. Die aktuelle Zahl der APN liegt im tiefen zweistelligen Bereich. Da nicht alle APN miteinander vernetzt sind, lassen sich keine genauen Angaben machen. Die Vernetzung läuft teilweise über eine In- teressensgemeinschaft des Schweizer Berufsverbands für Krankenpflege (IG swissANP) und teilweise über die Akademischen Fachgesellschaften des Vereins für Pflegewissen- schaften (VfP). Die ambulante Pflegeorganisation Spitex Zürich Sihl ist eine Pionierin in der Entwicklung von APN-Rollen. Zurzeit arbeiten sechs Pflegeexpertinnen APN bei Spitex Zürich Sihl: Vier APN sind als „Nurse Practitioner“ tätig, zwei weitere APN leiten die Fachdienste Psychosoziale Pflege und Palliative Care. Damit folgt die Organisation den Empfehlungen des Spitex Verband Schweiz, der die Anstellung von Pflegeexpertinnen APN unterstützt (1). 2. “NURSE PRACTITIONER” IN HAUSARZTPRAXIS Seit einigen Jahren werden Pflegeexpertinnen APN direkt in Hausarztpraxen angestellt. Aktuell arbeiten etwa 10 - 20 Personen in der Schweiz in so einer APN-Rolle (2, 3, 4), Tendenz steigend. 3. „CLINICAL NURSE SPECIALIST“ IN DER SPITEX Im Gegensatz zur Hausarztpraxis sind im Spitex-Bereich Pflegeexpertinnen APN vor al- lem auf der systemischen Ebene tätig (Pflegeentwicklung, Qualitätsmanagement, Mit- arbeitersupport, etc.). Der klinische Anteil (direkter Patientenkontakt) ist hier eher tief. Bei Spitex Zürich Sihl werden zwei Fachdienste durch Pflegeexpertinnen APN in dieser Rollenprägung geleitet 4. “NURSE PRACTITIONER” IN DER SPITEX Ein weiterer Trend mit dem Ziel mehr APN-Expertise ans „Patientenbett“ zu bringen, be- steht in der Entwicklung von Nurse Practitioner Rollen in der Spitex. Meilensteine in dieser 14
waren das Praxisprojekt „Leila – Leben mit einer Langzeiterkrankung“ (5) und das For- schungsprojekt „SpitexPlus“ (6). Eine Herausforderung in diesem Modell ist die interpro- fessionelle Zusammenarbeit. Diese ist erschwert, wenn die APN mit vielen verschiedenen Hausarztpraxen kooperieren und organisational der Spitex unterstellt sind. Dennoch gibt es aus Patientensicht den gewichtigen Vorteil, dass diese APN-Rolle einen grösseren Einfluss auf die Pflegeteams der Spitex hat. So kann die Qualität in der gesamten Versor- gungskette angehoben werden. Genau dieses Versorgungsmodell wurde im Leuchtturm- projekt „CASE – Coordinated APN Support for the Elderly“ entwickelt. Das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet und u. a. von der Gesundheitsdirektion Kanton Zürich und der Age Stiftung mitfinanziert. Der öffentliche Projektbericht liegt im Juli 2020 vor. Das CASE-Projekt mündete im Fachdienst Advanced Practice Nursing, in dem seit Janu- ar 2020 die APN-Rolle in den Regelbetrieb überführt wird. Aktuell übernehmen die APN folgende Kernaufgaben: » Direkte klinische Praxis nach Evidence Based Nursing (EBN) » Erweiterte Bedarfseinschätzung mittels Körperuntersuchungen und Assessments » Durchführung medizinischer Diagnostik und Therapie » Beratung und Unterstützung von Klient/innen und deren Angehörigen » Patientenedukation und Skills Training » Care Management (formelles und informelles Versorgungsnetz) Zusätzlich sind die APN in einem geringen Pensum auf der systemischen Ebene tätig: Support von Spitex-Mitarbeitenden (Fallbesprechungen, Beratungen, Coachings), For- schung und Fachentwicklung. 5. SCHLUSSFOLGERUNGEN Die Entwicklung von APN-Rollen in der häuslichen Gesundheitsversorgung steht noch am Anfang und sollte in der Vielfalt weiterverfolgt werden. Neben den drei beschriebenen Rollen sind weitere APN-Rollen vorstellbar, die im Sinne einer integrierten Versorgung weitere Brücken zwischen den Settings (ambulant, stationär) und Professionen bauen könnten. REFERENZEN [1] Spitex Verband Schweiz. (2018): Advanced Practice Nurse (APN) in der Spitex. Retrieved from: http://www.swiss-anp.ch/fileadmin/7_IG_Aktuell/20180403_REFE_APN_genehmigt.pdf [2] Anderegg, S. (2016): Pflegeexpertin ersetzt Hausarzt. Retrieved from: https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/pflegeexpertin-ersetzt-hausarzt/story/26714275 [3] Mäder, W. (2007): Advanced Practice Nurse in der mediX Praxis Altstetten. Retrieved from: http://medixblog.ch/ueber-medix/advanced-practice-nurse-in-der-medix-praxis-altstetten/ [4] Arnold, F. (2018): «Nurse Practitioner» entlastet in Uri Ärzte bei der Arbeit. Retrieved from: https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/uri/sie-entlastet-arzte-bei-der-arbeit-ld.1017282 [5] Bonsack, S. & Reichart, C (2013): Neue Rollen der Pflege in der erweiterten Hausarztmedizin. Retrieved from: https://gn2025.ch/wp-con-tent/uploads/2018/05/LEILA_Neue_Rollen_der_Pfle ge_in_der_erweiterten_Hausarztmedizin_2013_web.pdf [6] ZHAW (n. d.): SpitexPlus: Eine Studie zur Gesundheitssituation, den Lebensbedingungen, dem familiären Umfeld und dem Unterstützungsbedarf von zuhause lebenden Menschen über 80 Jahre . Retrieved from: https://www.zhaw.ch/de/gesundheit/forschung/pflege/projekte/spitexplus/ 15
„PSN“ – PsychiatrieSensitiveNursing - Ein Pflegepraxisprojekt Esther Pausch, Matthias Prommersberger Klinikum rechts der Isar der TU München, Ismaninger Str. 22, 81675 München, DEUTSCHLAND und Hochschule München – Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften, Am Stadtpark 20, 81243 München, DEUTSCHLAND 1. EINLEITUNG Psychiatrische Pflege findet im Klinikum rechts der Isar der TU München derzeit aus- schließlich in der psychiatrischen und psychosomatischen Klinik des Hauses statt. Mit dem beginnenden Einsatz von akademisierten Pflegenden in diesem Bereich und dem sich daraus entwickelnden Neuverständnis von Pflege stellt sich die Frage, inwieweit die Pflegehandlungen in der derzeitigen Versorgungsstruktur in dieser Klinik einer evidenz- basierten Pflege entsprechen. Hierzu soll nun durch den Zusammenschluss von Manage- ment, Pädagogik und Advanced Nursing Practice (ANP) eine entsprechende Struktur geschaffen werden. Ziel ist die Sicherstellung einer evidenz-basierten und leitlinienge- rechten Pflege dieser sensiblen Patientengruppe in den Kliniken für Psychiatrie und Psy- chosomatik sowie den somatischen Kliniken und Abteilungen des MRI. Trotz der zuneh- menden Anzahl bzw. der Identifizierung von Patienten mit psychiatrischen Pflegebedarf in den somatischen Bereichen der Klinik sind dort derzeit kaum Strukturen zu ermitteln. „Psychische Belastungen und behandlungsbedürftige psychische Störungen sind häufige Begleiterscheinungen bei Patientinnen und Patienten mit chronischen körperlichen Er- kran-kungen. Eine frühzeitige Behandlung der psychischen Komorbidität kann somit die Lebens-qualität der Patienten erhöhen und negative Auswirkungen auf den somatischen Behand-lungsverlauf reduzieren.“ [1]. Beinahe identisch hierzu schreiben Arolt et al. schon 1997 in ihrem Artikel zu psychi- sche Störungen bei Patienten im Allgemeinkrankenaus, dass insbe-sondere Studien aus dem englischen Sprachraum zeigen, dass psychische Störungen bei Allgemeinkranken- hauspatienten häufig vorkommen und vermutlich auch erheblichen Einfluss auf den Ver- lauf somatischer Erkrankungen haben. Diese Thematik hat in Deutschland bisher ver- gleichsweise wenig Beachtung gefunden [2]. „Erste Voraussetzung für eine zweckmäßige Versorgung ist es, die somato-psychisch kranken Menschen und ihre Behandler und Betreuer überhaupt zu erreichen. Dies ist aber nur dann möglich, wenn ein ausgebautes Versorgungsnetzwerk besteht, welches einerseits über die notwendigen Ressourcen verfügt und andererseits es auch erlaubt, Patienten aufzusuchen, sie also dort zu erreichen, wo sie sich befinden.“ [3]. 16
2. ZIELE UND VORGEHEN Das Hauptanliegen dieses Projekts ist es für Patienten mit psychiatrischen Pflegebedarf einen evidenz-basierten und somit sicheren Versorgungsrahmen von Seiten der Pflege zu schaffen. Ziel ist die Sicherstellung einer evidenz-basierten und leitliniengerechten Pflege, durch eine zeitnahe Identifikation und bedarfsgerechter Zuführung psychiatrie- spezifischer Pflegemaßnahmen. Die Hauptzielgruppe dieser neuartigen Versorgungs- struktur sind Patienten mit psychiatrischen Pflegebedarf (inkl. Demenz/Delir), die jedoch auf somatischen Stationen und in den Notaufnahmen der eigenen Klinik versorgt werden. Um diesen Pflegeanspruch zu realisieren ist es nötig ein evidenzbasiertes Fortbildungs- angebot, unter Einbeziehung der S3-Leitlinien für psychiatrische Krankheitsbilder und dem Expertenstandard „Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“ [4] für alle in der Psychiatrie tätigen Mitarbeiter der Pflege, mit Ausweitung für das gesam- te Pflegepersonal im MRI im Rahmen von Advanced Nursing Practice sicher zu stellen. Hierzu zählen u.a. Schulungen zu Deeskalation und freiheitsentziehenden Maßnahmen, Umgang und Pflege von Menschen mit Demenz sowie non-pharmakologische Delirprä- vention und spezifische Pflege im Rahmen von psychiatrischen Krankheitsbildern. Um diesen Anspruch zu verstetigen ist der Einbezug der zentralen Praxisanleitung durch evidenzbasierte psychiatriespezifische Inhalte für die Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflege, Studierenden des Dualen Studiengangs Pflege, künftige Studieren- de mit akademischer Erstausbildung Pflege, Weiterbildungsteilnehmende der Fachwei- terbildung „Pflege in der Psychiatrie“ (DKG) und Masterstudierende ANP durch einen akademisierten Pflegepädagogen nötig. Im Sinne der Praktikabilität und Nachhaltigkeit wird eine Synthese aus bereits bestehenden Einzelprojekte wie, ANP (Implementierung in der Psychiatrie), Pädagogik (Curriculum von psychiatrierelevanten Pflegethemen – im Rahmen von wöchentlichen Kurzschulungen) sowie Management – (Organisation der Projektentwicklung) gebildet. Der Arbeitstitel des Gesamtprojektes lautet PsychiatricSen- sitiveNursing (PSN/ PSP). Es werden die Erfahrungen mit der Umsetzung der Teilprojekte in die pflegerische Praxis vorgestellt: Implementierung und Einführung von interne Fort- bildung durch eine Advanced Practice Nurse (APN) und die Erfahrungen der Bündelung der Teilprojekte im intra- und interdisziplinärem Kontext, unter besonderer Berücksichti- gung des Nutzens für die psychiatrischen Patienten im Gesamtklinikum rechts der Isar München. REFERENZEN [1] Bundesärtzekammer (2018). Versorgung psychischer Erkrankungen - Psychische Gesundheit im Fokus. Available at: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ord ner/121.DAET/BAEKground-spezial_121._DAET_Psychische_Erkrankungen.pdf (Last ac-cess: 01.11.2019) [2] Arolt, V., Driessen, M., Dilling, H., (1997) Psychische Störungen bei Patienten im Allgemeinkran- kenhaus, Available at : https://www.aerzteblatt.de/archiv/6398/Psychische-Stoerungen-bei-Patienten- im-Allgemeinkrankenhaus (Last access : 23.01.2019) [3] Georgescu, D. (2015) Komplex, beratend und verbindend: die Psychiatrie an der Nahtstelle von Psy che und Soma, in: Neuropsychiatrie 2015 (29), Wien, Springer-Verlag, p.51 ff [4] DNQP (2018): Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz. Available at: https:// www.dnqp.de/de/expertenstandards-und-auditinstrumente/#c4624162 (Last access: 01.11.2019) 17
AUF AUGENHÖHE MIT DEMENZ: Erfolgreiche Sensibilisierung für Menschen mit Demenz Johannes Hainzl, DGKP APN Barmherzige Brüder, Krankenhaus Wien, Bereich Demenzberatung / Station 3.2 Akutgeriatrie und Remobilisation Johannes-von-Gott-Platz 2/66, ÖSTERREICH 1. EINLEITUNG Demenzerkrankungen sind längst als Themenkreis auch in den Medien angekommen - wenn auch hauptsächlich als ein Phänomen, das dort als schicksalshafte, endgültige Bedrohung präsentiert wird - welcher Pflege, Medizin und pflegende Angehörige sowie vor allem die Betroffenen selbst völlig machtlos gegenüber stehen. Diese Sichtweise ist jedoch als Grundhaltung für ein soziales Umfeld, das eine Eindäm- mung dementieller Symptome und eine Verbesserung der Lebensqualität bei Betroffenen und Pflegenden bewirkt, nicht förderlich - und steht oft in direktem ursächlichen Zusam- menhang mit sogenanntem malignen Sozialverhalten [1]. Das mangelnde Wissen und die fehlende Sensibilisierung für den Umgang mit Menschen mit Demenz ist ein gesamt-gesellschaftliches Problem - es hat jedoch auch direkten Ein- fluss auf die Beziehung von Gesundheitsprofessionals zu den ihnen anvertrauten Men- schen mit Demenz im klinischen Setting. Eine Haltungsveränderung hinsichtlich des Krankheitsbildes Demenz in den klinischen Berufsgruppen, die sich mit Betroffenen im Akutkrankenhaus befassen, ist gemäß den Empfehlungen der britischen Dementia Action Alliance der Grundstein, auf dem ein de- menzsensibles Krankenhaus stehen sollte [2]. Außerdem hat eine erfolgreiche Sensibilisierung und das damit einhergehende Wissen um die person-zentrierte Gestaltung psychosozialer Beziehungen mit Menschen mit De- menz einen unmittelbaren positiven Effekt auf die größten Herausforderungen in der Be- treuung dementiell Erkrankter im klinischen Akut-Setting [3] [4]: » Situationen, die auf Seiten der Betreuenden und der Betreuten als große emotionale Belastung und als herausfordernd empfunden werden. » Für Gesundheitsprofessionals: Emotionale Schwerarbeit / sinkende Arbeitszufrieden- heit / Burn-Out Risiko » Für Patienten/ Patientinnen: Verlassen des Krankenhauses in einem statistisch deutlich schlechteren Allgemeinzustand als zum Aufnahmezeitpunkt Das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien hat bereits im Jahr 2015 beschlos- sen, sich dem Ziel ein demenzsensibles Krankenhaus zu werden, anzunähern und damit 18
die hier genannten Herausforderungen aktiv in Angriff zu nehmen. Anfang des Jahres 2019 wurde mit der Realisierung des Programms „Auf Augenhöhe mit Demenz“, und insbesondere mit des-sen erstem Teilprojekt „Fortbildungen mit Workshops“ ein großer Schritt auf diesem Weg gemacht. 2. “AUF AUGENHÖHE MIT DEMENZ” - DAS PROGRAMM IN DER ÜBERSICHT Dem Programm liegt konzeptuell eine Synthese von sozialpsychologischen Erkenntnis- sen zum Thema Einstellungsarbeit [5] und des personzentrierten Kommunikationsansat- zes Tom Kitwoods [6] zugrunde, welche durch die kontinuierliche Einarbeitung der Sicht- weise von Be-troffenen auf ihre eigene Erkrankung ergänzt und vervollständigt wird [7] [8] [9]. Ein groß angelegtes Fortbildungsprogramm, das die möglichst flächendeckende Sensibi- lisierung aller klinischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Krankenhauses der Barm- herzigen Brüder in Wien (dazu zählen neben Pflegepersonen und ärztlichem Personal auch alle therapeutischen Berufe wie Ergo-, Physio- und Ernährungstherapeuten, sowie das Verwaltungspersonal wie beispielsweise die Portiere / Portierinnen) zum Ziel hatte, stellte den ersten Schritt des Programms dar. Der zweite Schritt (welcher derzeit in der Umsetzung ist) befasst sich mit einer Tiefen- durchdringung der zuvor in der Fortbildung erworbenen Kompetenzen im klinischen All- tag. Dies soll im Projekt „Angewandtes klinisches Leadership“ erreicht werden. In einem dritten Teilprojekt soll schließlich zukünftig für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterin- nen die Möglichkeit von vertieft geführten und psychologisch unterstützten Fallbespre- chungen zu besonders herausfordernden klinischen Betreuungssituationen mit Men- schen mit Demenz verfügbar gemacht werden. Außerdem sollen institutionalisierte Beratungsgespräche für die Angehörigen von Men- schen mit Demenz angeboten werden. Abbildung 1. Programmübersicht „Auf Augenhöhe mit Demenz“ 19
2.1. INHALTE DES PROJEKTS “FORTBILDUNGEN MIT WORKSHOPS” Ein Projektteam von insgesamt vier Personen (DGKP Johannes Hainzl, APN / OA Marion Vigl / DGKP Paula Bucur / DGKP Angelika Scheichenberger) unter der Leitung des neu installierten APN für Demenzberatung schulte im Zeitraum von März bis September 2019 ins-gesamt 511 Personen, darunter auch die gesamte kollektive Führung des Krankhau- ses, sowie alle Primarii. Die Fortbildung war für einen Zeitraum von je zwei Stunden anberaumt und war inhaltlich folgendermaßen strukturiert: » 60 Minuten Theorievortrag mit Inhalten aus der aktuellen Forschung zum Thema Demenz (FINGER-Studie [10] / „Nonnen-Studie“ [11]) und praktischen Inhalten zum psy-chosozialen Umgang mit Menschen mit Demenz nach Kitwood - immer mit starkem Praxisbezug und Beispielen aus dem klinischen Alltag der Vortragenden (DGKP Hainzl, APN / OA Vigl). Die maximale Teilnehmerzahl war auf 40 Personen pro Fortbildung begrenzt. » 50 Minuten Workshop mit zwei bis drei praktischen Übungen des Gehörten in Grup- penteilung. Dabei wurden ausschließlich Fallbeispiele verwendet, welche vom Projekt- team tatsächlich erlebt worden und als besonders herausfordernd empfunden worden sind. Die Rolle des jeweiligen Patienten / der jeweiligen Patientin wurde dabei von DGKP Hainzl, APN und DGKP Bucur übernommen, die Rolle der Gesundheitsprofes- sionals von Freiwilligen aus der Workshopgruppe. Nach jeder Rollenspielsituation wurde diese mit Bezug auf die im Theorieteil gehörten Inhalte besprochen. 2.2. ÜBERRAGENDES FEEDBACK - ERGEBNISSE ZUM PROJEKTAB- SCHLUSS In Rücksprache mit der Hausleitung wurde beschlossen das Projekt im September 2019 (nach zweimonatiger Laufzeitverlängerung) abzuschließen, obwohl das ambitionierte Ziel 75% aller klinischen MitarbeiterInnen zu schulen, noch nicht erreicht war. Mit dem Fortbildungsbesuch von insgesamt 511 MitarbeiterInnen (das entspricht einem Gesamtanteil von 63% aller klinischen MitarbeiterInnen) wurde das Ziel einer flächende- ckenden Sensibilisierung des klinischen Personals als erreicht erklärt. Abgesehen von diesem quantitativen Ziel war jedoch vor allem das Feedback der Mit- arbeiterInnen auf qualitativer Ebene eindeutig positiv - und damit ein hervorragendes Ergebnis auf qualitativer Ebene erreicht worden. So gab es eine Rücklaufqote der Feedbackbögen (sechsteilige Likert-Skala), die bei 97% lag, das entspricht 491 Bögen. 127 Feedback-Bögen enthielten dabei auch Freitext-Feedback, wobei 42 dieser Freitext- meldungen rein positives Feedback enthielten. Besonders oft bezog sich dieses auf die prakti-schen Elemente (Workshop) der Fortbildung. 20
Abbildung 2. Feedback-Ergebnisse zur Forbildung „Auf Augenhöhe mit Demenz“ 3. FAZIT - AUSBLICK Derzeit befindet sich das zweite Teilprojekt des Programms “Auf Augenhöhe mit Demenz” am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien in der Umsetzung. Die Kennzahl „Sensi- bilität der klinischen MitarbeiterInnen hinsichtlich Menschen mit Demenz im Akutkranken- haus“, welche schon zu Beginn des Programms erhoben wurde, wird momentan - nach Abschluss des ersten Projekts - erneut erhoben, um im retrospektiven Vergleich eine potentielle Steigerung des Wertes nachweisen zu können. REFERENZEN [1] Kitwood, T. (2016): Demenz - der person-zentrierte Ansatz im Umgang mit verwirrten Menschen. Übersetzung aus Englisch von Herrmann, M., Hogrefe-Verlagl, Bern. [2] Dementia Action Alliance, Online-Zugriff unter https://www.dementiaaction.org.uk/dkit Letzter Zugriff durch Hainzl, J. am 3.3.2020 um 08:30 Uhr [3] Neumann-Ponesch, S., Höller, A. (2011): Gefühlsarbeit in Pflege und Betreuung. Sichtbarkeit und Bewerung gelungener Beziehungsarbeit. Springer-Verlag, Wien. [4] Kleina, T., Wingenfeld, K. (2007): Die Versorgung demenzkranker älterer Menschen im Kranken haus. Institut für Pflegewissenschaften Universität Bielefeld, Bielefeld. [5] Haddock, G., Maio, G.R. (2007): Einstellungen: Inhalt, Struktur und Funktion. In: Jonas, K., Stro- ebe, W., Hewstone, M. (Hrsg.): Sozialpsychologie. Eine Einführung. 5. Auflage, Springer Medizin Verlag, Heidelberg. [6] Kitwood, T. (2016): Demenz - der person-zentrierte Ansatz im Umgang mit verwirrten Menschen. Ü bersetzung aus Englisch von Herrmann, M., Hogrefe-Verlagl, Bern. [7] Rohra, H. (2016): Ja zum Leben trotz Demenz! - Warum ich kämpfe. Medhochzwei Verlag Heidelberg. [8] Taylor, R. (2011): Alzheimer und ich – Leben mit Dr. Alzheimer im Kopf. 3. Auflage, Hans Huber / Hogrefe, Bern. [9] Van Neer, R., Braam, S. (2015): Ich habe Alzheimer. Wie die Krankheit sich anfühlt. 11. Auflage, Beltz Verlag, Amsterdam. [10] Ngandu, T. et al. (2015): A 2 year multidomain intervention of diet, exercise, cognitive training, and vascular risk monitoring versus control to prevent cognitive decline in at-risk elderly people (FIN GER): a randomised controlled trial. Lancet, 385: 2255-63. [11] Snowdon, D.A. (2003): healthy aging and dementia – findings of the nun-study, in: Annals Of Inter nal Medicine 139: 450-454. 21
Der ANP KONGRESS 2021 wurde in Kooperation mit der Swiss ANP und dem Forum ANP ausgerichtet. Wir danken unseren Sponsoren und Partnern: 22
© Bernhard Plank HAGENBERG | LINZ | STEYR | WELS Wissenschaftliche ANP Kongressleitung: Mag.a PhDr.in Silvia Neumann-Ponesch, MAS FH Oberösterreich Garnisonstraße 21 4020 Linz | Austria Phone: +43 5 0804 54210 E-Mail: silvia.neumann-ponesch@fh-linz.at www.fh-ooe.at/anp2021
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